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German Pages 488 [1605] Year 2022
MARTIN HEIDEGGER DENKWEGE
© ullstein bild – Fritz Eschen
VIERBÄNDIGE KASSETTE
KLEINE SCHRIFTEN BAUEN WOHNEN DENKEN DER SATZ VOM GRUND UNTERWEGS ZUR SPRACHE
DENKWEGE
MARTIN HEIDEGGER KLEINE SCHRIFTEN
Martin Heidegger – DENKWEGE ISBN 978-3-608-94761-8
E-Book ISBN 978-3-608-20177-2
Die vierbändige Kassette beinhaltet: Kleine Schriften Bauen Wohnen Denken. Vorträge und Aufsätze Der Satz vom Grund Unterwegs zur Sprache
Martin Heidegger
KLEINE SCHRIFTEN
Klett-Cotta
Kleine Schriften Text der durchgesehenen Erstausgaben, erweitert um die Randbemerkungen des Autors aus seinen Handexemplaren: Aus der Erfahrung des Denkens (Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954) Was ist das – die Philosophie? (Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1956) Hebel – der Hausfreund (Pfullingen, Verlag Günther Neske, [Frühjahr] 1957) Identität und Differenz (Pfullingen, Verlag Günther Neske, [Herbst] 1957) Gelassenheit (Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1959) Die Technik und die Kehre (Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1962) Herausgegeben von Alfred Denker und Dorothea Scholl
Das Faksimile der Handschrift von »Die Kehre« und ihre Transkription sowie ein Faksimile der Seiten 24–25 aus Heideggers Handexemplar 1 von Identität und Differenz (Erstausgabe 1957) stehen zum Herunterladen (Download) auf www.klett-cotta.de zur Verfügung. Bitte geben Sie im Suchfeld auf unserer Homepage den folgenden Such-Code ein: OM94757
Die Sternchenmarkierungen (*), die Ziffern in eckigen Klammern [ ] am Seitenrand, die Fußnoten sowie wichtige Hinweise zur Lektüre werden in den Editorischen Anmerkungen, den Editorischen Notizen, im Verzeichnis der Abkürzungen, Verweisungs- und Markierungszeichen und im Nachwort der Herausgeber erläutert. Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe. Klett-Cotta www.klett-cotta.de © 2022 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart Alle Rechte vorbehalten Cover: Rothfos & Gabler, Hamburg Foto: © ullstein bild – AKG Signatur: © ullstein bild – Granger, NYC Gesetzt von pagina GmbH, Tübingen Gedruckt und gebunden von GGP Media GmbH, Pößneck ISBN 978-3-608-94757-1 E-Book ISBN 978-3-608-20173-4 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar
INHALT GELASSENHEIT – 9 Gelassenheit – 11
Zur Erörterung der Gelassenheit – 27 Hinweise – 71 Heideggers Notizen – 72 Heideggers Stichwortverzeichnis – 73 Editorische Notiz zu »Gelassenheit« – 74 HEBEL – DER HAUSFREUND – 77
Heideggers Notizen – 100 Heideggers Stichwortverzeichnis – 101 Editorische Notiz zu »Hebel – Der Hausfreund« – 102 AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS – 105
Editorische Notiz zu »Aus der Erfahrung des Denkens« – 130 DIE TECHNIK UND DIE KEHRE – 133
Vorbemerkung – 135 Die Frage nach der Technik – 137 Die Kehre – 175
Heideggers Stichwortverzeichnis – 194 Editorische Notiz zu »Die Technik und die Kehre« – 195 WAS IST DAS – DIE PHILOSOPHIE? – 201
Heideggers Stichwortverzeichnis – 227 Editorische Notiz zu »Was ist das – die Philosophie?« – 229 IDENTITÄT UND DIFFERENZ
(Erstausgabe von 1957) – 233 Vorwort – 237 Der Satz der Identität – 239 Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik – 255 Editorische Notiz zu »Identität und Differenz« (Erstausgabe von 1957) – 281 IDENTITÄT UND DIFFERENZ (Erweiterte Fassung der Erstausgabe von 1957) – 285 Vorwort – 289 Der Satz der Identität – 291 Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik – 317 Hinweise – 354 Heideggers Anhang – 355 Heideggers Notizen – 357 Heideggers Stichwortverzeichnisse – 376 Editorische Notiz zu »Identität und Differenz« (Erweiterte Fassung der Erstausgabe von 1957) – 378
ANHANG
383 Editorische Anmerkungen 385 Editorische Anmerkungen zu »Gelassenheit« 385 Editorische Anmerkungen zu »Hebel – Der Hausfreund« 394 Editorische Anmerkungen zu »Aus der Erfahrung des Denkens« 405 Editorische Anmerkungen zu »Die Technik und die Kehre« 409 Editorische Anmerkungen zu »Was ist das – Die Philosophie?« 426 Editorische Anmerkungen zu »Identität und Differenz« (Erweiterte Fassung der Erstausgabe von 1957) 429 Verzeichnis der Abkürzungen, Verweisungs- und Markierungszeichen 473 Nachwort der Herausgeber 477
GELASSENHEIT
GELASSENHEIT
as erste Wort, das ich öffentlich in meiner Heimatstadt sagen darf, kann nur ein Wort des Dankes sein. Ich danke der Heimat für alles, was sie mir auf einen langen Weg mitgegeben hat. Worin diese Mitgift besteht, habe ich auf den wenigen Seiten darzulegen versucht, die zuerst in der Festschrift zum hundertsten Todestag von Conradin Kreutzer auf das Jahr 1949 unter dem Titel »Der Feldweg« erschienen sind.* Ich danke Herrn Bürgermeister Schühle für seine warmherzige Begrüßung. Ich danke aber noch im besonderen für den schönen Auftrag, bei der heutigen Feier eine Gedenkrede zu halten.
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Verehrte Festgemeinde! Liebe Landsleute! Wir sind zu einer Gedenkfeier für unseren Landsmann, den Komponisten Conradin Kreutzer, versammelt. Wenn wir einen jener Menschen feiern sollen, die berufen sind, Werke zu schaffen, dann gilt es vor allem, das Werk gebührend zu ehren. Im Falle eines Tonkünstlers geschieht dies dadurch, daß wir die Werke seiner Kunst zum Tönen bringen. Aus Conradin Kreutzers Werk erklingen zu dieser Stunde Lied und Chor, Oper und Kammermusik. In diesen Klängen ist der Künstler selbst da; denn die Gegenwart
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des Meisters im Werk ist die einzig echte. Je größer ein Meister ist, um so reiner verschwindet seine Person hinter dem Werk. Die Spieler und Sänger, die an der heutigen Feier mitwirken, geben die Gewähr, daß Conradin Kreutzers Werk in dieser Stunde für uns zum Klingen kommt. Aber ist die Feier dadurch schon eine Gedenkfeier? Zu einer Gedenkfeier gehört doch, daß wir denken. Allein, was sollen wir bei einer Gedenkfeier, die einem Komponisten gilt, denken und sagen? Zeichnet sich die Musik nicht dadurch aus, daß sie schon durch das bloße Erklingen ihrer Töne »spricht« und so der gewöhnlichen Sprache, der Sprache des Wortes, nicht bedarf? Man sagt es. Und dennoch bleibt die Frage bestehen: Ist die Feier durch Spiel und Gesang schon eine Gedenkfeier, eine Feier, bei der wir denken? Vermutlich kaum. Darum haben die Veranstalter eine »Gedenkrede« auf das Programm gesetzt. Sie soll uns dazu verhelfen, daß wir eigens an den gefeierten Komponisten und sein Werk denken. Solches Andenken wird lebendig, sobald wir aufs neue Conradin Kreutzers Lebensgeschichte schildern, seine Werke aufzählen und beschreiben. Wir können durch eine solche Erzählung mancherlei Erfreuliches und Leidvolles, Lehrreiches und Vorbildliches erfahren. Doch im Grunde lassen wir uns durch eine solche Rede nur unterhalten. Es ist durchaus nicht nötig, daß wir beim Anhören einer solchen Erzählung denken, d. h. uns auf etwas besinnen, was jeden Einzelnen von uns unmittelbar und unablässig in seinem Wesen angeht. Darum leistet sogar eine Gedenkrede noch keine Bürgschaft dafür, daß wir bei der Gedenkfeier denken. Machen wir uns nichts vor. Wir alle, eingeschlossen diejenigen, die gleichsam von Berufs wegen denken, wir alle
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sind oft genug gedanken-arm; wir alle sind allzu leicht gedanken-los. Die Gedankenlosigkeit ist ein unheimlicher Gast, der in der heutigen Welt überall aus- und eingeht. Denn man nimmt heute alles und jedes auf dem schnellsten und billigsten Weg zur Kenntnis und hat es im selben Augenblick ebenso rasch vergessen. So jagt auch eine Veranstaltung die andere. Die Gedenkfeiern werden immer gedankenärmer. Gedenkfeier und Gedankenlosigkeit finden sich einträchtig zusammen. Doch während wir gedankenlos sind, geben wir allerdings unsere Fähigkeit zu denken nicht preis. Wir brauchen sie sogar unbedingt, freilich auf eine sonderbare Weise, so nämlich, daß wir in der Gedankenlosigkeit unsere Denkfähigkeit brach liegen lassen. Indes kann brach liegen nur solches, was in sich ein Grund für das Wachstum ist, wie z. B. ein Ackerfeld. Eine Autobahn, auf der nichts wächst, kann auch nie ein Brachfeld sein. Gleichwie wir nur deshalb taub werden können, weil wir Hörende sind, gleichwie wir nur darum alt werden, weil wir jung waren, so können wir auch nur deshalb gedanken-arm oder gar gedanken-los werden, weil der Mensch im Grunde seines Wesens die Fähigkeit zum Denken, »Geist und Ver stand«, besitzt und zum Denken bestimmt ist. Nur das, was wir mit Wissen oder ohne Wissen besitzen, können wir auch verlieren oder, wie es heißt, los werden. Die zunehmende Gedankenlosigkeit beruht daher auf einem Vorgang, der am innersten Mark des heutigen Menschen zehrt: Der heutige Mensch ist auf der Flucht vor dem Denken. Diese Gedanken-flucht ist der Grund für die Gedanken-losigkeit. Zu dieser Flucht vor dem Denken gehört es aber, daß der Mensch sie weder sehen noch eingestehen will. Der heutige Mensch wird diese Flucht vor dem Denken sogar rundweg abstreiten. Er wird das Gegenteil be-
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haupten. Er wird – und dies mit vollem Recht – sagen, zu keiner Zeit sei so weithinaus geplant, so vielerlei untersucht, so leidenschaftlich geforscht worden wie heute. Gewiß. Dieser Aufwand an Scharfsinn und Überlegungen hat seinen großen Nutzen. Solches Denken bleibt unentbehrlich. Aber – es bleibt auch dabei, daß dies ein Denken besonderer Art ist. Sein Eigenartiges besteht darin, daß wir, wenn wir planen, forschen und einen Betrieb einrichten, stets mit gegebenen Umständen rechnen. Wir stellen sie in Rechnung aus der berechneten Absicht auf bestimmte Zwecke. Wir rechnen im voraus auf bestimmte Erfolge. Dieses Rechnen kennzeichnet alles planende und forschende Denken. Solches Denken bleibt auch dann ein Rechnen, wenn es nicht mit Zahlen operiert und nicht die Zählmaschine und keine Großrechenanlage in Gang setzt. Das rechnende Denken kalkuliert. Es kalkuliert mit fortgesetzt neuen, mit immer aussichtsreicheren und zugleich billigeren Möglichkeiten. Das rechnende Denken hetzt von einer Chance zur nächsten. Das rechnende Denken hält nie still, kommt nicht zur Besinnung. Das rechnende Denken ist kein besinnliches Denken, kein Denken, das dem Sinn nachdenkt, der in allem waltet, was ist. So gibt es denn zwei Arten von Denken, die beide jeweils auf ihre Weise berechtigt und nötig sind: das rechnende Denken und das besinnliche Nachdenken. Dieses Nachdenken aber meinen wir, wenn wir sagen, der heutige Mensch sei auf der Flucht vor – dem Denken. Allein, so entgegnet man, das bloße Nachdenken schwebt doch unversehens über der Wirklichkeit. Es verliert den Boden. Es taugt nichts für die Bewältigung der laufenden Geschäfte. Es bringt nichts ein für die Durchführung der Praxis.
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Und schließlich sagt man, das bloße Nachdenken, die ausdauernde Besinnung sei für den gewöhnlichen Verstand – zu »hoch«. An dieser Ausrede ist nur das eine richtig, daß ein besinnliches Denken sich so wenig von selbst ergibt wie das rechnende Denken. Das besinnliche Denken verlangt bisweilen eine höhere Anstrengung. Es erfordert eine längere Einübung. Es bedarf einer noch feineren Sorgfalt als jedes andere echte Handwerk. Es muß aber auch warten können wie der Landmann, ob die Saat aufgeht und zur Reife kommt.* Andererseits kann jedermann den Wegen des Nachdenkens auf seine Weise und in seinen Grenzen folgen. Warum? Weil der Mensch das denkende, d. h. sinnende Wesen ist. So brauchen wir denn auch beim Nachdenken keineswegs »hochhinaus«. Es genügt, wenn wir beim Naheliegenden verweilen und uns auf das Nächstliegende besinnen: auf das, was uns, jeden Einzelnen hier und jetzt, angeht; hier: auf diesem Fleck Heimaterde, jetzt: in der gegenwärtigen Weltstunde. Was legt uns diese Feier nahe, falls wir bereit sind, uns zu besinnen? In diesem Fall achten wir darauf, daß aus dem Boden der Heimat ein Werk der Kunst gediehen ist. Denken wir dieser einfachen Tatsache nach, dann müssen wir sogleich daran denken, daß der schwäbische Boden im vorigen und im vorvorigen Jahrhundert große Dichter und Denker hervorgebracht hat. Bedenken wir dies weiter, dann zeigt sich sogleich: Mitteldeutschland ist in gleicher Weise ein solcher Boden, Ostpreußen, das schlesische Land und das Böhmerland ebenso. Wir werden nachdenklich und fragen: Gehört nicht zu jedem Gedeihen eines gediegenen Werkes die Verwurzelung im Boden einer Heimat? Johann Peter Hebel schreibt einmal: »Wir sind Pflanzen, die – wir mögen’s uns gerne
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gestehen oder nicht – mit den Wurzeln aus der Erde steigen müssen, um im Äther blühen und Früchte tragen zu können« (Werke, ed. Altwegg III, 314).* Der Dichter will sagen: Wo ein wahrhaft freudiges und heilsames Menschenwerk gedeihen soll, muß der Mensch aus der Tiefe des heimatlichen Bodens in den Äther hinaufsteigen können. Äther bedeutet hier: die freie Luft des hohen Himmels, den offenen Bereich des Geistes. Wir werden nachdenklicher und fragen: Wie steht es heute mit dem, was Johann Peter Hebel sagt? Gibt es noch jenes ruhige Wohnen des Menschen zwischen Erde und Himmel? Waltet noch der sinnende Geist über dem Land? Gibt es noch wurzelkräftige Heimat, in deren Boden der Mensch ständig steht, d. h. boden-ständig ist? Viele deutsche Menschen haben ihre Heimat verloren, mußten ihre Dörfer und Städte verlassen, sind vom heimatlichen Boden Vertriebene. Zahllose andere, denen die Heimat gerettet blieb, wandern gleichwohl ab, geraten in das Getriebe der großen Städte, müssen in der Öde der Industriebezirke sich ansiedeln. Sie sind der alten Heimat entfremdet. Und die in der Heimat Gebliebenen? Vielfach sind sie noch heimatloser als die Heimatvertriebenen. Stündlich und täglich sind sie an den Hör- und Fernsehfunk gebannt. Wöchentlich holt sie der Film weg in ungewohnte, oft nur gewöhnliche Vorstellungsbezirke, die eine Welt vortäuschen, die keine Welt ist. Überall ist die »Illustrierte Zeitung« greifbar. All das, womit die modernen technischen Nachrichteninstrumente den Menschen stündlich reizen, überfallen, umtreiben – all dies ist dem Menschen heute bereits viel näher als das eigene Ackerfeld rings um den Hof, näher als der Himmel überm Land, näher als der Stundengang von Tag und Nacht, näher als Brauch und Sitte im Dorf, näher als die Überlieferung der heimatlichen Welt.
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Wir werden nachdenklicher und fragen: Was geht hier vor – bei den Heimatvertriebenen nicht weniger als bei den in der Heimat Gebliebenen? Antwort: Die Bodenständigkeit des heutigen Menschen ist im Innersten bedroht. Mehr noch: Der Verlust der Bodenständigkeit ist nicht nur durch äußere Umstände und Schicksale verursacht, auch beruht er nicht nur auf der Nachlässigkeit und oberflächlichen Lebensart der Menschen. Der Verlust der Bodenständigkeit kommt aus dem Geist des Zeitalters, in das wir alle hineingeboren sind. Wir werden noch nachdenklicher und fragen: Kann, wenn es so steht, der Mensch, kann menschliches Werk künftig noch aus einem gewachsenen Heimatboden gedeihen und in den Äther, d. h. in die Weite des Himmels und des Geistes steigen? Oder gerät alles in die Zange der Planung und Berechnung, der Organisation und des automatischen Betriebes? Wenn wir uns bei der heutigen Feier auf das besinnen, was sie uns nahelegt, dann achten wir darauf, daß unserem Zeitalter der Verlust der Bodenständigkeit droht. Und wir fragen: Was geschieht eigentlich in unserer Zeit? Wodurch ist sie gekennzeichnet? Man nennt das jetzt beginnende Zeitalter neuerdings das Atomzeitalter. Sein aufdringlichstes Kennzeichen ist die Atombombe. Aber dieses Zeichen ist nur ein vordergründiges. Denn man erkannte sogleich, daß die Atomenergie sich auch für friedliche Zwecke nutzbar machen läßt. Darum sind heute die Atomphysik und deren Techniker überall dabei, die friedliche Nutzung der Atomenergie in weitausgreifenden Planungen zu verwirklichen. Die großen Industriekonzerne der maßgebenden Länder, an der Spitze England, haben bereits ausgerechnet, daß die Atomenergie ein riesenhaftes Geschäft werden kann. Man
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erblickt im Atomgeschäft das neue Glück. Die Atomwissenschaft steht nicht abseits. Sie verkündet öffentlich dieses Glück. So haben im Juli dieses Jahres achtzehn Nobelpreisträger auf der Insel Mainau in einem Aufruf wörtlich erklärt: »Die Wissenschaft – d. h. hier die moderne Naturwissenschaft – ist ein Weg zu einem glücklicheren Leben des Menschen.«* Wie steht es mit dieser Behauptung? Entspringt sie einer Besinnung? Denkt sie jemals dem Sinn des Atomzeitalters nach? Nein. Wenn wir uns durch die erwähnte Behauptung der Wissenschaft zufriedenstellen lassen, dann bleiben wir von einer Besinnung auf das gegenwärtige Zeitalter so weit entfernt als nur möglich. Warum? Weil wir vergessen, nachzudenken. Weil wir vergessen, zu fragen: Worauf beruht es denn, daß die wissenschaftliche Technik neue Energien in der Natur entdecken und freisetzen konnte? Dies beruht darauf, daß seit einigen Jahrhunderten eine Umwälzung aller maßgebenden Vorstellungen im Gang ist. Dadurch wird der Mensch in eine andere Wirklichkeit versetzt. Diese radikale Revolution der Weltansicht vollzieht sich in der Philosophie der Neuzeit. Daraus erwächst eine völlig neue Stellung des Menschen in der Welt und zur Welt. Jetzt erscheint die Welt wie ein Gegenstand, auf den das rechnende Denken seine Angriffe ansetzt, denen nichts mehr soll widerstehen können. Die Natur wird zu einer einzigen riesenhaften Tankstelle, zur Energiequelle für die moderne Technik und Industrie. Dieses grundsätzlich technische Verhältnis des Menschen zum Weltganzen entstand zuerst im 17. Jahrhundert und zwar in Europa und nur in Europa. Es blieb den übrigen Erdteilen lange Zeit unbekannt. Es war den früheren Zeitaltern und Völkerschicksalen völlig fremd. Die in der modernen Technik verborgene Macht be-
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stimmt das Verhältnis des Menschen zu dem, was ist. Sie beherrscht die ganze Erde. Der Mensch beginnt bereits, von der Erde weg in den Weltraum vorzudringen. Aber erst seit knapp zwei Jahrzehnten sind mit der Atomenergie so riesenhafte Kraftquellen bekannt geworden, daß in absehbarer Zeit der Weltbedarf an Energie aller Art für immer gedeckt ist. Die unmittelbare Beschaffung der neuen Energien ist bald nicht mehr an bestimmte Länder und Erdteile gebunden wie das Vorkommen von Kohle und Öl und das Holz der Wälder. In absehbarer Zeit werden an jeder Stelle der Erde Atomkraftwerke errichtet werden können. Die Grundfrage der heutigen Wissenschaft und Technik heißt nicht mehr: Woher gewinnen wir die ausreichenden Mengen an Brenn- und Kraftstoff? Die entscheidende Frage lautet jetzt: Auf welche Weise können wir die unvorstellbar großen Atomenergien bändigen und steuern und so die Menschheit da gegen sichern, daß diese Riesenenergien nicht plötzlich – auch ohne kriegerische Handlungen – an irgendeiner Stelle ausbrechen, »durchgehen« und alles vernichten? Wenn die Bändigung der Atomenergie gelingt, und sie wird gelingen, dann beginnt eine ganz neue Entwicklung der technischen Welt. Was wir heute als Film- und Fernsehtechnik, als Verkehrs-, im besonderen Flugtechnik, als Nachrichtentechnik, als medizinische Technik, als Nahrungsmitteltechnik kennen, stellt vermutlich nur ein grobes Anfangsstadium dar. Die Umwälzungen, die kommen, kann niemand wissen. Die Entwicklung der Technik wird indes immer schneller ablaufen und nirgends aufzuhalten sein. In allen Bereichen des Daseins wird der Mensch immer enger umstellt von den Kräften der technischen Apparaturen und der Automaten. Die Mächte, die den Menschen überall und stündlich in irgendeiner Gestalt von technischen
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Anlagen und Einrichtungen beanspruchen, fesseln, fortziehen und bedrängen – diese Mächte sind längst über den Willen und die Entscheidungsfähigkeit des Menschen hinausgewachsen, weil sie nicht vom Menschen gemacht sind. Aber auch dies gehört zum Neuartigen der technischen Welt, daß ihre Leistungen auf dem schnellsten Weg bekannt und öffentlich bestaunt werden. So kann denn heute jedermann das, was diese Rede über die technische Welt erwähnt, in jeder geschickt geleiteten illustrierten Zeitung nachlesen oder am Radio hören. Aber – eines ist es, daß wir etwas gehört und gelesen haben, d. h. es bloß kennen; ein anderes ist es, ob wir das Gehörte und Gelesene erkennen und d. h. bedenken. Im Sommer diesesa Jahres 1955 fand in Lindau wieder das internationale Treffen der Nobelpreisträger statt. Bei dieser Gelegenheit sagte der amerikanische Chemiker Stanley* folgendes: »Die Stunde ist nahe, wo das Leben in die Hand des Chemikers gelegt ist, der die lebendige Substanz nach Belieben ab- und aufbaut und verändert.«b Man nimmt einen solchen Ausspruch zur Kenntnis. Man bestaunt sogar die Kühnheit der wissenschaftlichen Forschung und denkt nichts dabei. Man bedenkt nicht, daß sich hier mit den Mitteln der Technik ein Angriff auf das Leben und das Wesen des Menschen vorbereitet, mit dem verglichen die Explosion der Wasserstoffbombe wenig bedeutet. Denn gerade wenn die Wasserstoffbomben nicht explodieren und das Leben des Menschen auf der Erde erhalten bleibt, zieht mit dem Atomzeitalter eine unheimliche Veränderung der Welt herauf. a b
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〈dieses〉 Vgl. jetzt Wagner Die Wissenschaft und die gefährdete Welt 1964, S. 235**
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Dabei ist jedoch das eigentlich Unheimliche nicht dies, daß die Welt zu einer durch und durch technischen wird. Weit unheimlicher bleibt, daß der Mensch für diese Weltveränderung nicht vorbereitet ist, daß wir es noch nicht vermögen, besinnlich denkend in eine sachgemäße Auseinandersetzung mit dem zu gelangen, was in diesem Zeitalter eigentlich heraufkommt. Kein einzelner Mensch, keine Menschengruppe, keine Kommission noch so bedeutender Staatsmänner, Forscher und Techniker, keine Konferenz von führenden Leuten der Wirtschaft und Industrie vermag den geschichtlichen Verlauf des Atomzeitalters zu bremsen oder zu lenken. Keine nur menschliche Organisation ist imstande, sich der Herrschaft über das Zeitalter zu bemächtigen. So wäre denn der Mensch des Atomzeitalters der unaufhaltsamen Übermacht der Technik wehrlos und ratlos ausgeliefert. Er wäre es, wenn der heutige Mensch darauf verzichtete, gegenüber dem bloß rechnenden Denken das besinnliche Denken in das maßgebende Spiela zu bringen. Wird aber das besinnliche Denken wach, dann muß das Nachdenken unablässig und bei der unscheinbarsten Gelegenheit am Werk sein; also auch jetzt und hier und gerade bei dieser Gedenkfeier. Denn sie gibt uns etwas zu bedenken, was im Atomzeitalter in einem besonderen Maße bedroht ist: die Bodenständigkeit menschlicher Werke. Darum fragen wir jetzt: Könnte nicht, wenn schon die alte Bodenständigkeit verloren geht, ein neuer Grund und Boden dem Menschen zurückgeschenkt werden, ein Boden und Grund, aus dem das Menschenwesen und all sein Werk auf eine neue Weise und sogar innerhalb des Atomzeitalters zu gedeihen vermag? a
〈Spiel〉 – ?
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Welches wäre der Grund und Boden für eine künftige Bodenständigkeit? Vielleicht liegt das, wonach wir mit dieser Frage suchen, sehr nah; so nah, daß wir es allzu leicht übersehen. Denn der Weg zum Nahen ist für uns Menschen jederzeit der weiteste und darum schwerste. Dieser Weg ist ein Weg des Nach denkens. Das besinnliche Denken verlangt von uns, daß wir nicht einseitig an einer Vorstellung hängen bleiben*, daß wir nicht eingleisig in einer Vorstellungsrichtung weiterrennen. Das besinnliche Denken verlangt von uns, daß wir uns auf solches einlassen, was in sich dem ersten Anschein nach gar nicht zusammengeht. Machen wir die Probe. Für uns alle sind die Einrichtungen, Apparate und Maschinen der technischen Welt heute unentbehrlich, für die einen in größerem, für die anderen in kleinerem Umfang. Es wäre töricht, blindlings gegen die technische Welt anzurennen. Es wäre kurzsichtig, die technische Welt als Teufelswerk verdammen zu wollen. Wir sind auf die technischen Gegenstände angewiesen; sie fordern uns sogar zu einer immerzu steigenden Verbesserung heraus. Unversehens sind wir jedoch so fest an die technischen Gegenstände geschmiedet, daß wir in die Knechtschaft zu ihnen geraten. Aber wir können auch Anderes. Wir können zwar die technischen Gegenstände benutzen und doch zugleich bei aller sachgerechten Benützung uns von ihnen so freihalten, daß wir sie jederzeit loslassen. Wir können die technischen Gegenstände im Gebrauch so nehmen, wie sie genommen werden müssen. Aber wir können diese Gegenstände zugleich auf sich beruhen lassen als etwas, was uns nicht im Innersten und Eigentlichen angeht. Wir können »ja« sagen zur unumgänglichen Benützung der technischen Gegenstände, und wir können zugleich »nein« sagen, insofern wir ihnen verwehren, daß sie uns ausschließlich beanspru-
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chen und so unser Wesen verbiegen, verwirren und zuletzt veröden. Wenn wir jedoch auf diese Weise gleichzeitig »ja« und »nein« sagen zu den technischen Gegenständen, wird dann unser Verhältnis zur technischen Welt nicht zwiespältig und unsicher? Ganz im Gegenteil. Unser Verhältnis zur technischen Welt wird auf eine wundersame Weise einfach und ruhig. Wir lassen die technischen Gegenstände in unsere tägliche Welt herein und lassen sie zugleich draußen, d. h. auf sich beruhen als Dinge, die nichts Absolutes sind, sondern selbst auf Höheres angewiesen bleiben. Ich möchte diese Haltung des gleichzeitigen Ja und Nein zur technischen Welt mit einem alten Wort nennen: die Gelassenheit zu den Dingen. In dieser Haltung sehen wir die Dinge nicht mehr nur technisch. Wir werden hellsichtig und merken, daß die Herstellung und die Benützung von Maschinen uns zwar ein anderes Verhältnis zu den Dingen abverlangen, das gleichwohl nicht sinn-los ist. So wird z. B. der Ackerbau und die Landwirtschaft zur motorisierten Ernährungsindustrie. Daß hier – so wie auf anderen Gebieten – ein tiefgreifender Wandel im menschlichen Verhältnis zur Natur und zur Welt vor sich geht, ist gewiß. Welcher Sinn jedoch in diesem Wandel waltet, dies bleibt dunkel. So regiert denn in allen technischen Vorgängen ein Sinn, der das menschliche Tun und Lassen in Anspruch nimmt, ein Sinn, den nicht erst der Mensch erfunden und gemacht hat. Wir wissen nicht, was die ins Unheimliche sich steigernde Herrschaft der Atomtechnik im Sinn hat. Der Sinn der technischen Welt verbirgt sich. Achten wir nun aber eigens und stets darauf, daß uns überall in der technischen Welt ein verborgener Sinn anrührt, dann stehen wir sogleich im Bereich dessen, was sich uns verbirgt und zwar verbirgt,
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indem es auf uns zukommt. Was auf solche Weise sich zeigt und zugleich sich entzieht, ist der Grundzug dessen, was wir das Geheimnis nennen. Ich nenne die Haltung, kraft deren wir uns für den in der technischen Welt verborgenen Sinn offen halten: die Offenheit für das Geheimnis. Die Gelassenheit zu den Dingen und die Offenheit für das Geheimnis gehören zusammen. Sie gewähren uns die Möglichkeit, uns auf eine ganz andere Weise in der Welt aufzuhalten. Sie versprechen uns einen neuen Grund und Boden, auf dem wir innerhalb der technischen Welt, und ungefährdet durch sie, stehen und bestehen können. Die Gelassenheit zu den Dingen und die Offenheit für das Geheimnis geben uns den Ausblick auf eine neue Bodenständigkeit. Diese könnte sogar eines Tages geeignet sein, die alte, jetzt rasch hinschwindende Bodenständigkeit in einer gewandelten Gestalt zurückzurufen. Vorerst allerdings – wir wissen nicht wie lange – befindet sich der Mensch auf dieser Erde in einer gefährlichen Lage. Weshalb? Nur deshalb, weil unversehens ein dritter Weltkrieg ausbrechen könnte, der die völlige Vernichtung der Mensch heit und die Zerstörung der Erde zur Folge hätte? Nein. Es droht im anbrechenden Atomzeitalter eine weit größere Gefahr – gerade dann, wenn die Gefahr eines dritten Weltkrieges beseitigt ist. Eine seltsame Behauptung. Allerdings, aber nur solange seltsam, als wir nicht nachdenken. Inwiefern gilt der soeben ausgesprochene Satz? Er gilt insofern, als die im Atomzeitalter anrollende Revolution der Technik den Menschen auf eine Weise fesseln, behexen, blenden und verblenden könnte, daß eines Tages das rechnende Denken als das einzige in Geltung und Übung bliebe. Welche große Gefahr zöge dann herauf? Dann ginge mit dem höchsten und erfolgreichsten Scharfsinn des rech-
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nenden Planens und Erfindens – die Gleichgültigkeit gegen das Nachdenken, die totale Gedankenlosigkeit zusammen. Und dann? Dann hätte der Mensch sein Eigenstes, daß er nämlich ein nachdenkendes Wesen ist, verleugnet und weggeworfen. Darum gilt es, dieses Wesen des Menschen zu retten. Darum gilt es, das Nachdenken wach zu halten. Allein – die Gelassenheit zu den Dingen und die Offenheit für das Geheimnis fallen uns niemals von selber zu. Sie sind nichts Zu-fälliges. Beide gedeihen nur aus einem unablässigen herzhaften Denken. Vielleicht gibt die heutige Gedenkfeier dazu einen Anstoß. Fangen wir diesen Stoß auf, dann denken wir an Conradin Kreutzer, indem wir an die Herkunft seines Werkes denken, an die Wurzelkräfte der Heuberger Heimat. Und wir sind es, die so denken, wenn wir uns hier und jetzt als Menschen wissen, die den Weg in das Atomzeitalter und durch es hindurch finden und bereiten müssen. Wenn die Gelassenheit zu den Dingen und die Offenheit für das Geheimnis in uns erwachen, dann dürften wir auf einen Weg gelangen, der zu einem neuen Grund und Boden führt. In diesem Boden könnte das Schaffen bleibender Werke neue Wurzeln schlagen. So müßte auf eine gewandelte Weise und in einem veränderten Zeitalter erneut wahr werden, was Johann Peter Hebel sagt: »Wir sind Pflanzen, die – wir mögen’s uns gerne gestehen oder nicht – mit den Wurzeln aus der Erde steigen müssen, um im Äther blühen und Früchte tragen zu können.«*
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ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT Aus einem Feldweggespräch über das Denken1
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Vgl. Hinweise S. 75.*
FORSCHER
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(F) GELEHRTER
(G) LEHRER
(L)
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F Zuletzt behaupteten Sie, die Frage nach dem Wesen des Menschen sei keine Frage nach dem Menschen. L Ich sagte nur, die Überlegung werde unumgänglich, ob es mit der Frage nach dem Wesen dann nicht so bestellt sei. F Gleichviel, mir ist es unerfindlich, wie das Wesen des Menschen je gefunden werden soll, indem man vom Menschen wegblickt. L Mir ist das auch unerfindlich; darum suche ich darüber Klarheit zu erlangen, inwiefern dies möglich oder vielleicht gar notwendig ist. – F Das Wesen des Menschen zu erblicken, ohne auf den Menschen hinzusehen! L Ja. Wenn das Denken die Auszeichnung des Wesens des Menschen ist, dann kann erst recht das Wesentliche dieses Wesens, nämlich das Wesen des Denkens, nur so erblickt werden, daß wir vom Denken wegsehen. G Das Denken ist jedoch, in der überlieferten Weise als Vorstellen begriffen, ein Wollen; auch Kant begreift das
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Den ken so, wenn er es als Spontaneität kennzeichnet. Denken ist Wollen und Wollen ist Denken.
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F Die Behauptung, das Wesen des Denkens sei etwas anderes als Denken, besagt dann, das Denken sei etwas anderes als Wollen. L Darum antwortete ich Ihnen auch auf die Frage, was ich bei unserer Besinnung auf das Wesen des Denkens eigentlich wolle, dies: Ich* will das Nicht-Wollen. F Dieser Ausdruck erwies sich uns inzwischen als zweideutig. G Nicht-Wollen bedeutet einmal noch ein Wollen, so zwar, daß darin ein Nein waltet, und sei es sogar im Sinne eines Nein, das sich auf das Wollen selbst richtet und ihm absagt. Nicht-Wollen heißt demnach, willentlich dem Wollen absagen. Der Ausdruck Nicht-Wollen bedeutet sodann noch jenes, was schlechthin außerhalb jeder Art von Willen bleibt. F Es kann daher auch nie durch ein Wollen vollzogen und erreicht werden. L Aber vielleicht kommen wir ihm durch ein Wollen von der Art des erst genannten Nicht-Wollens näher. G Sie sehen also das eine und das andere Nicht-Wollen in einem bestimmten Verhältnis zueinander. L Ich sehe dieses Verhältnis nicht nur. Ich bin von ihm, falls ich das bekennen darf, angesprochen, wenn nicht
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gar an gerufen, seitdem ich über das nachzudenken versuche, was unser Gespräch bewegt.
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F Mutmaße ich richtig, wenn ich das Verhältnis des einen Nicht-Wollens zum anderen folgendermaßen bestimme? Sie wollen ein Nicht-Wollen im Sinne der Absage an das Wollen, damit wir uns durch dieses hindurch auf das gesuchte Wesen des Denkens, das nicht ein Wollen ist, einlassen können oder uns wenigstens hierzu bereitmachen. L Sie mutmaßen nicht nur richtig, sondern Sie haben, bei den Göttern, würde ich sagen, wenn sie uns nicht entflohen wären, Sie haben etwas Wesentliches gefunden. G Wenn es überhaupt einem von uns zustünde, Lobsprüche zu erteilen und wenn dies nicht gegen den Stil unserer Gespräche verstieße, wäre ich jetzt versucht, zu sagen, daß Sie mit der Auslegung der zweideutigen Rede vom Nicht-Wollen uns und sich selbst übertroffen haben. F Daß mir dies glückte, liegt nicht an mir, sondern an der inzwischen hereingebrochenen Nacht, die zur Sammlung zwingt, ohne Gewalt anzuwenden. G Sie läßt uns Zeit zum Nachsinnen, indem sie den Schritt verlangsamt. L Weshalb wir auch noch weit von der Behausung der Menschen entfernt sind. F Immer gelöster vertraue ich dem unscheinbaren Geleit,
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das uns in diesem Gespräch an die Hand, oder richtiger gesagt, beim Wort nimmt. G Dieses Geleit brauchen wir, weil das Gespräch immer schwieriger wird. L Wenn Sie mit dem Schwierigen das Ungewohnte meinen, das darin besteht, daß wir uns des Willens entwöhnen. G Des Willens, sagen Sie, und nicht nur des Wollens … F und sprechen so ein erregendes Ansinnen gelassen aus. L Wenn ich nur schon die rechte Gelassenheit hätte, dann wäre ich des gemeinten Entwöhnens bald enthoben. G Insofern wir uns wenigstens des Wollens entwöhnen können, helfen wir mit beim Erwachen der Gelassenheit. L Eher beim Wachbleiben für die Gelassenheit. G Weshalb nicht beim Erwachen? L Weil wir die Gelassenheit nicht von uns aus bei uns erwecken. F Die Gelassenheit wird also anderswoher bewirkt. L Nicht bewirkt, sondern zugelassen. G Zwar weiß ich noch nicht, was das Wort Gelassenheit
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GELASSENHEIT
meint; aber ich ahne doch ungefähr, daß sie erwacht, wenn unser Wesen zugelassen ist, sich auf das einzulassen, was nicht ein Wollen ist. F Sie reden unablässig von einem Lassen, so daß der Eindruck entsteht, es sei eine Art von Passivität gemeint. Gleichwohl glaube ich zu wissen, daß es sich keineswegs um ein kraftloses Gleiten- und Treibenlassen der Dinge handelt. G Vielleicht verbirgt sich in der Gelassenheit ein höheres Tun als in allen Taten der Welt und in den Machenschaften der Menschentümer… L welches höhere Tun gleichwohl keine Aktivität ist. F Demnach liegt die Gelassenheit, falls man hier von einem Liegen sprechen darf, außerhalb der Unterscheidung von Aktivität und Passivität… G weil die Gelassenheit nicht in den Bereich des Willens gehört. F Der Übergang aus dem Wollen in die Gelassenheit scheint mir das Schwierige zu sein. L Vollends dann, wenn uns das Wesen der Gelassenheit noch verborgen ist. G Und dies vor allem dadurch, daß auch die Gelassenheit noch innerhalb des Willensbereiches gedacht werden
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kann, wie dies bei älteren Meistern des Denkens, z. B. dem Meister Eckharta, geschieht.*
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L Von dem gleichwohl viel Gutes zu lernen ist. G Gewiß; aber die von uns genannte Gelassenheit meint doch offenbar nicht das Abwerfen der sündigen Eigensucht und das Fahrenlassen des Eigenwillens zugunsten des göttlichen Willens. L Das nicht. F Was das Wort Gelassenheit uns nicht nennen soll, ist mir in vielfacher Hinsicht klar. Zugleich aber weiß ich immer weniger, wovon wir reden. Wir versuchen doch, das Wesen des Denkens zu bestimmen. Was hat die Gelassenheit mit dem Denken zu tun? L Nichts, wenn wir das Denken nach dem bisherigen Begriff als ein Vorstellen fassen. Aber vielleicht ist das Wesen des Denkens, das wir erst suchen, in die Gelassenheit eingelassen. F Ich kann mir dieses Wesen des Denkens mit dem besten Willen nicht vorstellen. L Weil gerade dieser beste Wille und die Art Ihres Denkens als Vorstellen Sie daran hindern. F Was soll ich dann in aller Welt tun? G Das frage ich mich auch. a
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〈Eckhart〉 GELASSENHEIT
L Wir sollen nichts tun,* sondern warten.**
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G Das ist ein schlechter Trost. L Ob schlecht oder gut, wir sollen auch keinen Trost erwarten, was wir selbst dann noch tun, wenn wir in die Trostlosigkeit nur versinken. F Worauf sollen wir denn warten? Und wo sollen wir warten? Ich weiß bald nicht mehr, wo ich bin und wer ich bin. L Das wissen wir alle nicht mehr, sobald wir davon ablassen, uns etwas vorzumachen. G Aber wir haben doch noch unseren Weg? L Allerdings. Doch indem wir diesen zu rasch vergessen, geben wir das Denken auf. F Woran sollen wir noch denken, wenn wir in das bisher nicht erfahrene Wesen des Denkens über- und eingehen sollen? L An das, von wo aus dieser Übergang allein geschehen kann. G Sie möchten demnach die bisherige Wesensdeutung des Denkens nicht fallenlassen? L Haben Sie vergessen, was ich in unserem früheren Gespräch über das Revolutionäre sagte?
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F Die Vergeßlichkeit scheint mir wirklich eine besondere Gefahr bei solchen Gesprächen zu sein. [38]
G Wir sollen jetzt, falls ich recht verstehe, das, was wir Gelassenheit nennen, aber kaum kennen und vor allem nirgends recht unterbringen, im Zusammenhang mit dem besprochenen Wesen des Denkens sehen. L Genau das meine ich. F Zuletzt vergegenwärtigten wir uns das Denken in der Gestalt des transzendental-horizontalen Vorstellens. G Dieses Vorstellen stellt uns z. B. das Baumhafte des Baumes, das Krughafte des Kruges, das Schalenhafte der Schale, das Steinige des Steines, das Gewächshafte der Gewächse, das Tierische des Tieres als diejenige Aussicht zu, in die wir hineinsehen, wenn uns dieses Ding im Aussehen des Baumes, jenes Ding im Aussehen des Kruges, dieses im Aussehen der Schale, manches im Aussehen des Steines, vieles im Aussehen des Gewächses, vieles im Aussehen des Tieres entgegensteht. F Der Horizont, den Sie da noch einmal beschreiben, ist der Gesichtskreis, der die Aussicht umkreist. L Er übertrifft das Aussehen der Gegenstände. G Gleichwie die Transzendenz das Wahrnehmen der Gegenstände überholt. L Wir bestimmen somit das, was Horizont und Transzendenz heißt, durch das Übertreffen und Überholen… 36
GELASSENHEIT
G die sich auf die Gegenstände und auf das Vorstellen der Gegenstände zurückbeziehen.
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L Der Horizont und die Transzendenz sind somit von den Gegenständen und von unserem Vorstellen aus erfahren und nur im Hinblick auf die Gegenstände und unser Vorstellen bestimmt. G Weshalb betonen Sie dies? L Um anzudeuten, daß auf solche Weise dasjenige, was den Horizont das sein läßt, was er ist, noch keineswegs erfahren wird. F Woran denken Sie bei dieser Behauptung? L Wir sagen, daß wir in den Horizont hineinsehen. Der Gesichtskreis ist also ein Offenes, welche Offenheit ihm nicht dadurch zukommt, daß wir hineinsehen. G Insgleichen legen wir auch das Aussehen der Gegenstände, das die Aussicht des Gesichtskreises bietet, nicht in dieses Offene hinein… F sondern es kommt uns daraus entgegen. L Das Horizonthafte ist somit nur die uns zugekehrte Seite eines uns umgebenden Offenen, das erfüllt ist mit Aussicht ins Aussehen dessen, was unserem Vorstellen als Gegenstand erscheint. F Der Horizont ist demnach noch etwas Anderes als Horizont. Aber dieses Andere ist nach dem Besprochenen
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das Andere seiner selbst und deshalb das Selbe, das es ist. Sie sagen, der Horizont sei das uns umgebende Offene. Was ist dieses Offene selbst, wenn wir davon absehen, daß es auch als Horizont unseres Vorstellens erscheinen kann? L Mir kommt es so vor wie eine Gegend, durch deren Zauber alles, was ihr gehört, zu dem zurückkehrt, worin es ruht. G Ich bin unsicher, ob ich etwas von dem verstehe, was Sie jetzt sagen. L Ich verstehe es auch nicht, wenn Sie mit »verstehen« das Vermögen meinen, Angebotenes so vorzustellen, daß es im Bekannten gleichsam untergestellt und dadurch gesichert ist; denn auch mir fehlt das Bekannte, worin ich das, was ich über das Offene als Gegend zu sagen versuchte, unterbringen könnte. F Das ist hier wohl schon deshalb unmöglich, weil vermutlich das, was Sie Gegend nennen, selbst das ist, was alle Unterkunft erst gewährt. L So etwas meine ich; aber nicht nur dies. G Sie sprachen von »einer« Gegend, in der alles zu sich zurückkehrt. Eine Gegend für alles ist streng genommen nicht eine Gegend unter anderen, sondern die Gegend aller Gegenden. [41]
L Sie haben recht; es handelt sich um die Gegend.
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F Und der Zauber dieser Gegend ist wohl das Walten ihres Wesens, das Gegnende, wenn ich es so nennen darf. G Dem Wort nach wäre die Gegend das, was uns entgegenkommt; wir sagten doch auch vom Horizont, daß uns aus der von ihm umgrenzten Aussicht das Aussehen der Gegenstände entgegenkomme. Wenn wir jetzt den Horizont von der Gegend her fassen, nehmen wir die Gegend selbst als das uns Entgegenkommende. L Auf diese Weise würden wir freilich die Gegend, genauso wie vorher den Horizont, aus der Beziehung zu uns kennzeichnen, während wir doch das suchen, was das uns umgebende Offene in sich ist. Sagen wir, es sei die Gegend, und sagen wir dies in der soeben genannten Absicht, dann muß das Wort etwas Anderes nennen. F Überdies ist auch das Entgegenkommen keineswegs ein, und noch weniger der Grundzug der Gegend. Was bedeutet dann dieses Wort? G In der älteren Form lautet es »Gegnet« und meint die freie Weite. Läßt sich daraus etwas entnehmen für das Wesen dessen, was wir die Gegend nennen möchten? L Die Gegend versammelt, gleich als ob sich nichts ereigne, jegliches zu jeglichem und alles zueinander in das Ver weilen beim Beruhen in sich selbst. Gegnen ist das versammelnde Zurückbergen zum weiten Beruhen in der Weile.
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G Demnach ist die Gegend selbst zumal die Weite und die Weile. Sie verweilt in die Weite des Beruhens. Sie weitet in die Weile des frei In-sich-gekehrten. Wir können daher im Hinblick auf den betonten Gebrauch dieses Wortes statt des geläufigen Namens »Gegend« auch »Gegnet« sagen. L Die Gegnet ist die verweilende Weite, die, alles versammelnd, sich öffnet, so daß in ihr das Offene gehalten und angehalten ist, jegliches aufgehen zu lassen in seinem Beruhen. F Soviel glaube ich zu sehen, daß die Gegnet sich eher zurückzieht, als daß sie uns entgegenkommt … G so daß auch die Dinge, die in der Gegnet erscheinen, nicht mehr den Charakter von Gegenständen haben. L Sie stehen uns nicht nur nicht mehr entgegen, sondern sie stehen überhaupt nicht mehr. F Liegen sie dann, oder wie steht es mit ihnen? L Sie liegen: wenn wir damit das Ruhen meinen, das in der Rede vom Beruhen genannt ist. F Aber wo ruhen die Dinge, und worin besteht das Ruhen? [43]
L Sie ruhen in der Rückkehr zur Weile der Weite ihres Sich-gehörens. G Kann denn in der Rückkehr, die doch Bewegung ist, eine Ruhe sein? 40
GELASSENHEIT
L Gar wohl, falls die Ruhe der Herd und das Walten aller Bewegung ist.* F Ich muß gestehen, daß ich mir all das, was Sie jetzt über die Gegend, die Weite und die Weile, über Rückkehr und Beruhen sagten, nicht recht vorstellen kann. G Es ist wohl überhaupt nicht vorzustellen, insofern durch das Vorstellen jegliches schon zum Gegenstand geworden ist, der in einem Horizont uns entgegensteht. F Dann können wir also das Genannte eigentlich auch nicht beschreiben? L Nein. Jede Beschreibung müßte das Genannte gegenständlich vorführen. G Gleichwohl läßt es sich nennen und nennend denken… L falls das Denken kein Vorstellen mehr ist. F Was soll es aber dann sein? L Vielleicht sind wir jetzt nahe dabei, in das Wesen des Denkens eingelassen zu werden … G indem wir auf sein Wesen warten.
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L Warten, wohlan; aber niemals erwarten; denn das Erwarten hängt sich bereits in ein Vorstellen und dessen Vorgestelltes.
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G Das Warten jedoch läßt davon ab; oder ich muß eher sagen: Das Warten läßt sich auf das Vor-stellen gar nicht ein. Das Warten hat eigentlich keinen Gegenstand. F Aber wir warten doch, wenn wir warten, immer auf etwas. G Gewiß; aber sobald wir das, worauf wir warten, uns vorstellen und es zum Stehen bringen, warten wir schon nicht mehr. L Im Warten lassen wir das, worauf wir warten, offen. G Weshalb? L Weil das Warten in das Offene selbst sich einläßt … G in die Weite des Fernen … L in dessen Nähe es die Weile findet, darin es bleibt. F Bleiben aber ist ein Zurückkehren. G Das Offene selbst wäre das, worauf wir rein nur warten könnten. F Das Offene selbst aber ist die Gegnet … [45]
L in die wir wartend eingelassen sind, wenn wir denken. F Das Denken wäre dann das In-die-Nähe-kommen zum Fernen.
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G Das ist eine verwegene Bestimmung seines Wesens, die uns da zugefallen ist. F Ich habe nur zusammengefaßt, was wir soeben nannten, ohne mir dabei etwas vorzustellen. L Und doch haben Sie sich etwas gedacht. F Eigentlich eher auf etwas gewartet, ohne zu wissen worauf. G Woher aber konnten Sie plötzlich warten? F Ich wartete, wie ich jetzt erst klarer sehe, in unserem Gespräch schon lange auf die Ankunft des Wesens des Denkens. Aber jetzt wurde mir das Warten selbst deutlicher und in einem damit dies, daß wir alle vermutlich unterwegs wartender wurden. L Können Sie uns sagen, inwiefern dies so ist? F Ich versuche es gern, wenn ich nicht Gefahr laufen muß, daß Sie mich sogleich auf einzelne Worte festlegen. L Das ist doch nicht der Brauch bei unseren Gesprächen. G Wir sehen eher darauf, daß wir uns in den Worten frei bewegen. L Weil das Wort nicht und nie etwas vorstellt, sondern etwas be-deutet, d. h. etwas, es zeigend, in die Weite seines Sagbaren verweilt.a a
vgl. S. 41 f.
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F Ich soll sagen, weshalb ich ins Warten gelangte und nach welcher Richtung mir eine Verdeutlichung des Wesens des Denkens gelang. Weil das Warten, ohne etwas vorzustellen, ins Offene geht, versuchte ich, mich von allem Vorstellen loszulassen. Weil das Öffnende des Offenen die Gegnet ist, versuchte ich, losgelassen aus dem Vorstellen, rein nur der Gegnet überlassen zu bleiben. L Sie versuchten demnach, wenn ich recht vermute, sich auf die Gelassenheit einzulassen. F Daran habe ich, offen gestanden, nicht eigens gedacht, wenngleich vorhin von der Gelassenheit die Rede war. Ich wurde mehr durch den Gang des Gespräches als durch die Vorstellung der einzelnen Gegenstände, die wir besprachen, veranlaßt, mich in der erwähnten Weise auf das Warten einzulassen. G Gemäßer als durch eine Veranlassung zum Sicheinlassen können wir kaum in die Gelassenheit gelangen. L Vor allem dann, wenn der Anlaß noch so unscheinbar ist wie der lautlose Gang eines Gespräches, das uns bewegt. G Was doch heißt, daß es uns auf den Weg bringt, der nichts anderes zu sein scheint als die Gelassenheit selbst … [47]
L die so etwas ist wie Ruhe. G Von hier aus wird mir plötzlich klarer, inwiefern die
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Bewegung aus der Ruhe kommt und in die Ruhe eingelassen bleibt.* L Die Gelassenheit wäre dann nicht nur der Weg, sondern die Bewegung. G Wo geht dieser seltsame Weg, und wo ruht die ihm gemäße Bewegung? L Wo anders als in der Gegnet, zu der die Gelassenheit ist, was sie ist. F Inwiefern, so muß ich jetzt endlich zurückfragen, ist es denn überhaupt die Gelassenheit, auf die ich mich einzulassen versuchte? G Mit dieser Frage bringen Sie uns in eine arge Verlegenheit. L Es ist diejenige, in der wir uns auf unserem Weg ständig befinden. F Wieso? L Insofern das, was wir jeweils mit einem Wort benennen, doch niemals das betreffende Wort als Namen wie ein Schild an sich hängen hat. F Was wir benennen, ist zuvor namenlos; also auch das, was wir die Gelassenheit nennen. Wonach richten wir uns da, um abzuschätzen, daß der Name und inwieweit er angemessen ist?
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[48]
G Oder bleibt jede Benennung eine Willkür gegenüber dem Namenlosen? L Aber ist es denn so ausgemacht, daß es überhaupt das Namenlose gibt? Vieles ist uns oft unsagbar, aber doch nur deshalb, weil uns der Name nicht einfällt, den es hat. G Kraft welcher Benennung? L Vielleicht kommen diese Namen nicht aus einer Benennung. Sie verdanken sich einer Nennung, in der sich zumal das Nennbare, der Name und das Genannte ereignen. F Was Sie da zuletzt über die Nennung sagen, ist mir dunkel. G Es muß wohl mit dem Wesen des Wortes zusammenhängen. F Was Sie dagegen über die Benennung vermerkten, und daß es das Namenlose nicht gibt, leuchtet mir eher ein. G Weil wir es am Fall des Namens Gelassenheit prüfen können. L Oder schon geprüft haben. F Inwiefern? L Was ist das, was Sie mit dem Namen Gelassenheit benannten?
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F Nicht ich habe, wenn Sie erlauben, den Namen gebraucht,* sondern Sie. L Ich habe so wenig wie Sie die Benennung vollzogen.
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G Wer ist es dann gewesen? Keiner von uns? L Vermutlich; denn in der Gegend, in der wir uns aufhalten, ist alles nur dann in bester Ordnung, wenn es keiner gewesen ist. F Eine rätselhafte Gegend, wo es nichts zu verantworten gibt. L Weil es die Gegend des Wortes ist, das allein sich selbst verantwortet. G Uns bleibt nur das Hören auf die dem Wort gemäße Antwort. L Das ist genug; auch dann noch, wenn unser Sagen nur ein Nachsagen der gehörten Antwort ist… F wenn nichts daran liegt, ob einer zuerst und wer zu solchem Nachsagen gelangt, zumal er oft nicht weiß, wem er seine Sage nachsagt. G Wir wollen daher nicht darüber streiten, wer den Namen »Gelassenheit« zuerst ins Gespräch warf; wir wollen nur bedenken, was dies ist, was wir so benennen. F Es ist, von meiner erwähnten Erfahrung her gesprochen, das Warten.
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[50]
L Also nicht etwas Namenloses, sondern ein schon Benanntes. Was ist dies Warten? F Insofern es auf das Offene sich bezieht und das Offene die Gegnet ist, können wir sagen, das Warten sei ein Verhältnis zur Gegnet. L Vielleicht sogar das Verhältnis zur Gegnet, insofern das Warten sich auf die Gegnet einläßt und, im Sicheinlassen auf sie, die Gegnet rein walten läßt als Gegnet. G Ein Verhältnis zu etwas wäre somit dann das wahre Verhältnis, wenn es von dem, wozu es sich verhält, in seinem eigenen Wesen gehalten wird. L Das Verhältnis zur Gegnet ist das Warten. Und Warten heißt: auf das Offene der Gegnet sich einlassen. G Also: in die Gegnet eingehen. F Das hört sich an, als seien wir zuvor außerhalb der Gegnet gewesen. L Das sind wir und sind es doch nicht. Wir sind nicht und nie außerhalb der Gegnet, insofern wir doch als denkende Wesen, d. h. zugleich als transzendental vorstellende, uns im Horizont der Transzendenz aufhalten. Der Horizont ist aber die unserem Vor-stellen zugekehrte Seite der Gegnet. Als Horizont umgibt uns und zeigt sich uns die Gegnet.
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G Ich finde, daß sie sich als Horizont eher verhüllt.
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L Gewiß; aber gleichwohl sind wir, transzendental vorstellend in den Horizont hinaussteigend, in der Gegnet. Und sind doch wieder nicht in ihr, sofern wir uns noch nicht auf sie selbst als die Gegnet eingelassen haben. F Was jedoch im Warten geschieht. L Wartend sind wir, wie Sie es schon sagten, losgelassen aus dem transzendentalen Bezug zum Horizont. F Dieses Gelassensein ist das erste Moment der Gelassenheit, doch trifft es weder, noch erschöpft es gar ihr Wesen. G Inwiefern nicht? L Insofern die eigentliche Gelassenheit sich ereignen kann, ohne daß ihr jenes Losgelassensein aus der horizontalen Transzendenz notwendig voraufgeht. G Wenn die eigentliche Gelassenheit das gemäße Verhältnis zur Gegnet sein soll und ein solches Verhältnis sich rein aus dem bestimmt, wozu es sich verhält, muß die eigentliche Gelassenheit in der Gegnet beruhen und aus ihr die Bewegung zur Gegnet empfangen haben. L Die Gelassenheit kommt aus der Gegnet, weil sie darin besteht, daß der Mensch der Gegnet gelassen bleibt, und zwar durch diese selbst. Er ist ihr in seinem Wesen gelassen, insofern er der Gegnet ursprünglich gehört. Er gehört ihr, insofern er der Gegnet anfänglich ge-eignet ist, und zwar durch die Gegnet selbst.
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G In der Tat gründet das Warten auf etwas, gesetzt daß es ein wesentliches, und d. h. ein alles entscheidendes Warten ist, darin, daß wir in das gehören, worauf wir warten. L Aus der Erfahrung des Wartens, und zwar des Wartens auf das Sichöffnen der Gegnet, und in der Beziehung auf solches Warten wurde dieses als die Gelassenheit an-gesprochen. G Die Benennung des Wartens auf die Gegnet ist daher eine entsprechende. F Wenn nun aber das transzendental-horizontale Vorstellen, daraus die Gelassenheit auf Grund des Gehörens in die Gegnet sich losläßt, das bislang waltende Wesen des Denkens ist, dann wandelt sich in der Gelassenheit das Denken aus einem solchen Vorstellen in das Warten auf die Gegnet. L Das Wesen dieses Wartens jedoch ist die Gelassenheit zur Gegnet. Weil aber die Gegnet es ist, die je und je die Gelassenheit zu sich gehören, weil in sich beruhen läßt, beruht das Wesen des Denkens darin, daß die Gegnet die Gelassenheit in sich, wenn ich so sagen darf, vergegnet. G Das Denken ist die Gelassenheit zur Gegnet, weil sein Wesen in der Vergegnis der Gelassenheit beruht. [53]
L Damit sagen Sie aber, daß das Wesen des Denkens nicht aus dem Denken her, und d. h. nicht aus dem Warten als solchem her bestimmt ist, sondern aus dem Anderen
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seiner selbst, d. h. aus der Gegnet, die west, indem sie vergegnet. F All dem, was wir jetzt über Gelassenheit, Gegnet und Vergegnis sagten, konnte ich in gewisser Weise folgen; gleichwohl kann ich mir dabei nichts vorstellen. G Das sollen Sie auch nicht, wenn Sie das Gesagte seinem Wesen gemäß denken. F Sie meinen, daß wir gemäß dem gewandelten Wesen des Denkens darauf warten. G Nämlich auf die Vergegnis der Gegnet, daß diese unser Wesen in die Gegnet einläßt, d. h. in das Gehören zu ihr. L Wenn wir aber der Gegnet schon geeignet sind? F Was hilft uns das, wenn wir es doch nicht wahrhaft sind? G Wir sind es also und sind es nicht. F Das ist wieder dieses ruhelose Hin und Her zwischen Ja und Nein. G Wir hängen gleichsam zwischen beiden. L Doch der Aufenthalt in diesem Zwischen ist das Warten. G Dies ist das Wesen der Gelassenheit, in die das Gegnen
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der Gegnet den Menschen vergegnet. Wir ahnen das Wesen des Denkens als Gelassenheit.
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L Um sie so rasch wieder zu vergessen. F Sie, die ich doch selbst als das Warten erfahren habe. L Wir bedenken, daß das Denken keineswegs die für sich bestehende Gelassenheit ist. Die Gelassenheit zur Gegnet ist das Denken nur als die Vergegnis der Gelassenheit, welche Vergegnis die Gelassenheit in die Gegnet eingelassen hat. G Die Gegnet verweilt nun aber auch das Ding in die Weile der Weite. Wie sollen wir das Gegnen der Gegnet in Bezug auf das Ding benennen? F Es kann doch wohl nicht die Vergegnis sein, da diese der Bezug der Gegnet zur Gelassenheit ist, die Gelassenheit aber das Wesen des Denkens in sich bergen soll, die Dinge selbst aber nicht denken.
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L Die Dinge sind offenbar Dinge durch das Gegnen der Gegnet, wie es sich in unserem früheren Gespräch am Verweilen des Kruges in die Weite der Gegnet zeigte. Allein das Gegnen der Gegnet verursacht und bewirkt die Dinge nicht, so wenig wie die Gegnet die Gelassenheit bewirkt. Die Gegnet ist im Vergegnen auch nicht der Horizont für die Gelassenheit; sie ist auch nicht der Horizont für die Dinge, mögen wir diese nur als Gegenstände er fahren oder als die zu den Gegenständen hinzuvorgestellten »Dinge an sich« meinen.
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G Was Sie jetzt sagen, scheint mir so entscheidend zu sein, daß ich versuchen möchte, das Gesagte in der gelehrten Terminologie festzuhalten; zwar weiß ich wohl, daß die Terminologie nicht nur die Gedanken erstarren läßt, sondern die Gedanken zugleich auch wieder vieldeutig macht entsprechend der Vieldeutigkeit, die den gebräuchlichen Terminologien unvermeidlich anhaftet. L Nach diesem gelehrten Vorbehalt dürfen Sie ruhig gelehrt sprechen. G Nach Ihrer Darlegung ist die Beziehung der Gegnet zur Gelassenheit weder ein kausaler Wirkungszusammenhang noch das horizontal-transzendentale Verhältnis. Um es noch kürzer und allgemeiner zu sagen: Die Beziehung zwischen Gegnet und Gelassenheit, falls sie überhaupt noch eine Beziehung ist, kann weder als ontische noch als ontologische gedacht werden… L sondern nur als die Vergegnis. F Insgleichen ist nun aber auch die Beziehung zwischen Gegnet und Ding weder ein kausaler Wirkungszusammenhang noch das transzendental-horizontale Verhältnis, mithin auch weder ontisch noch ontologisch. G Aber offensichtlich ist die Beziehung der Gegnet zum Ding auch nicht die Vergegnis, die das Wesen des Menschen angeht. L Wie sollen wir also den Bezug der Gegnet zum Ding benennen, wenn die Gegnet das Ding in ihm selbst als das Ding weilen läßt?
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F Sie bedingt das Ding zum Ding. G Sie heißt daher am ehesten die Bedingnis. F Aber das Bedingen ist kein Machen und Bewirken; auch kein Ermöglichen im Sinne des Transzendentalen … L sondern nur die Bedingnis. F Was das Bedingen ist, müssen wir also erst denken lernen… L indem wir das Wesen des Denkens erfahren lernen … G mithin auf Bedingnis und Vergegnis warten. F Dennoch sind die Benennungen auch jetzt schon eine Hilfe, um in das angeführte Mannigfaltige von Beziehungen eine gewisse Durchsichtigkeit zu bringen. Freilich bleibt gerade diejenige Beziehung noch unbestimmt, an deren Kennzeichnung mir am meisten liegt. Ich meine das Verhältnis des Menschen zum Ding. G Warum hängen Sie so hartnäckig an diesem Verhältnis? [57]
F Wir sind doch früher davon ausgegangen, die Beziehung zwischen dem Ich und dem Gegenstand von dem tatsächlichen Verhältnis des physikalischen Denkens zur Natur her zu beleuchten. Die Beziehung zwischen dem Ich und dem Gegenstand, die oft genannte Sub-
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jekt-Objekt-Beziehung, die ich für die allgemeinste hielt, ist offenbar nur eine geschichtliche Abwandlung des Verhältnisses des Menschen zum Ding, insofern die Dinge zu Gegenständen werden können … L dies sogar geworden sind, ehe sie ihr Dingwesen erreichten. G Das Selbe gilt vom entsprechenden geschichtlichen Wandel des Menschenwesens zur Ichheit… L die sich gleichfalls ereignete, ehe das Wesen des Menschen zu sich selbst zurückkehren durfte… F falls wir nicht die Prägung des Menschenwesens zum animal rationale als die endgültige ansehen … G was nach dem heutigen Gespräch wohl kaum mehr möglich ist. F Ich zögere, darüber so rasch zu entscheiden. Indessen ist mir anderes klar geworden: In der Beziehung von Ich und Gegenstand verbirgt sich etwas Geschichtliches, das der Wesensgeschichte des Menschen angehört. L Nur insofern das Wesen des Menschen nicht aus dem Men schen sein Gepräge erfährt, sondern aus dem, was wir die Gegnet und ihre Vergegnis nennen, ereignet sich die von Ihnen geahnte Geschichte als die Geschichte der Gegnet. F So weit vermag ich noch nicht mitzudenken. Ich bin zufrieden, wenn die Einsicht in den geschichtlichen
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Charakter der Beziehung zwischen Ich und Gegenstand bei mir eine Unklarheit beseitigt. Sie sagten nämlich, als ich mich für die methodologische Seite der Zergliederung der mathematischen Naturwissenschaft entschied, diese Betrachtung sei eine historische. G Diesen Satz haben Sie lebhaft bestritten. F Nunmehr sehe ich, was gemeint war. Der mathematische Entwurf und das Experiment gründen in der Beziehung des Menschen als Ich zum Ding als Gegenstand. L Sie machen sogar diese Beziehung mit aus und entfalten ihr geschichtliches Wesen. F Wenn jede Betrachtung, die auf Geschichtliches sich richtet, historisch heißt, dann ist in der Tat die methodologische Zergliederung der Physik eine historische. G Wobei der Begriff des Historischen eine Weise des Erkennens meint und weit gefaßt wird. L Vermutlich in der Richtung auf das Geschichtliche, das nicht in den Begebenheiten und Taten der Welt besteht. [59]
G Auch nicht in den Kulturleistungen des Menschen. F Worin denn aber sonst? L Das Geschichtliche beruht in der Gegnet und in dem, was sich als die Gegnet ereignet, die, dem Menschen sich zuschickend, ihn in sein Wesen vergegnet. 56
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G Welches Wesen wir jedoch kaum erfahren haben, gesetzt, daß es sich in der Rationalität des animal noch nicht erfüllte. F In solcher Lage können wir auf das Wesen des Menschen nur warten. L In der Gelassenheit, durch die wir in die Gegnet gehören, die ihr eigenes Wesen noch verbirgt. G Die Gelassenheit zur Gegnet ahnen wir als das gesuchte Wesen des Denkens. L Wenn wir uns auf die Gelassenheit zur Gegnet einlassen, wollen wir das Nicht-Wollen. F Die Gelassenheit ist in der Tat das Sichloslassen aus dem transzendentalen Vorstellen und so ein Absehen vom Wollen des Horizontes. Dieses Absehen kommt nicht mehr aus einem Wollen, es sei denn, der Anlaß zum Sicheinlassen in die Zugehörigkeit zur Gegnet bedürfe einer Spur des Wollens, welche Spur jedoch im Sicheinlassen verschwindet und vollends in der Gelassenheit ausgelöscht ist. G Inwiefern ist aber die Gelassenheit auf solches bezogen, was nicht ein Wollen ist? L Nach all dem, was wir vom Verweilen der weilenden Weite, vom Beruhenlassen in der Rückkehr, vom Gegnen der Gegnet sagten, kann die Gegnet schwerlich als Wille angesprochen werden.
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G Schon dies, daß die Vergegnis der Gegnet, insgleichen die Bedingnis von allem Wirken und Verursachen wesenhaft sich ausschließen, zeigt an, wie entschieden all dem jedes Willenswesen fremd ist. L Denn jeder Wille will wirken und will als sein Element die Wirklichkeit. F Wie leicht könnte jetzt ein Mensch, der uns dies sagen hörte, auf die Meinung verfallen, die Gelassenheit schwebe im Unwirklichen und somit im Nichtigen und sei, selbst bar jeder Tatkraft, ein willenloses Zulassen von allem und im Grunde die Verneinung des Willens zum Leben! G Sie halten es also für nötig, dieser möglichen Mißdeutung der Gelassenheit dadurch zu begegnen, daß wir zeigen, inwiefern auch in ihr so etwas wie Tatkraft und Entschlossenheit waltet? F Dies meine ich, obzwar ich nicht verkenne, daß alle diese Namen die Gelassenheit sogleich ins Willensmäßige mißdeuten. [61]
G Man müßte dann z. B. das Wort »Entschlossenheit« so denken, wie es in »Sein und Zeit« gedacht ist: als das eigens übernommene Sichöffnen des Daseins für das Offene…* L als welches wir die Gegnet denken. G Wenn wir das Wesen der Wahrheit gemäß dem griechischen Sagen und Denken als die Unverborgenheit
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und Entbergung erfahren, erinnern wir uns daran, daß die Gegnet vermutlich das verborgen Wesende der Wahrheit ist. F Dann wäre das Wesen des Denkens, nämlich die Gelassenheit zur Gegnet, die Entschlossenheit zur wesenden Wahrheit. L In der Gelassenheit könnte sich eine Ausdauer verbergen, die rein darin beruht, daß die Gelassenheit je und je reiner ihres Wesens inne wird und, es ausdauernd, in ihm steht. G Das wäre ein Verhalten, das sich nicht in eine Haltung aufspreizte, sondern in die Verhaltenheit sich sammelte, die stets die Verhaltenheit der Gelassenheit bliebe. L Die also verhalten ausdauernde Gelassenheit wäre die Empfängnis der Vergegnis der Gegnet. F Das verhaltene Ausdauern, wodurch die Gelassenheit in ihrem Wesen beruht, wäre das, was dem höchsten Wollen entsprechen könnte und es doch nicht dürfte. Für dieses In-sich-beruhen der Gelassenheit, das sie gerade der Vergegnis der Gegnet gehören läßt… L und in gewisser Weise auch der Bedingnis…
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F für diese Ausdauer des in sich beruhenden Gehörens zur Gegnet fehlt uns noch das Wort. G Vielleicht könnte das Wort »Inständigkeit« einiges nennen. Bei einem Freund las ich einmal wenige Zeilen,
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die er sich irgendwo abgeschrieben hatte. Sie enthalten eine Erläuterung dieses Wortes. Ich habe mir die Zeilen gemerkt. Sie lauten: Inständigkeit Nie ein Wahres allein, Die wesende Wahrheit Heil zu empfangen Für weite Beständnis, Bestell das denkende Herz In die einfache Langmut Der einzigen Großmut Edlen Erinnerns. L Die Inständigkeit in der Gelassenheit zur Gegnet wäre darnach das echte Wesen der Spontaneität des Denkens. G Und das Denken wäre nach den angeführten Zeilen das Andenken, verwandt mit dem Edlen. L Die Inständigkeit der Gelassenheit zur Gegnet wäre der Edelmut selbst. [63]
F Mir scheint, diese unwahrscheinliche Nacht verführt Sie beide zum Schwärmen. L Gewiß, wenn Sie das Schwärmen im Warten meinen, wodurch wir wartender werden und nüchterner. G Ärmer dem Anschein nach und doch reicher an Zu-fall.
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F Dann sagen Sie, bitte, in Ihrer seltsamen Nüchternheit auch noch, inwiefern die Gelassenheit mit dem Edlen verwandt sein kann. G Edel ist, was Herkunft hat. L Nicht nur sie hat, sondern in der Herkunft seines Wesens weilt. F Nun besteht doch die eigentliche Gelassenheit darin, daß der Mensch in seinem Wesen der Gegnet gehört, d. h. ihr gelassen ist. G Nicht gelegentlich, sondern – wie sollen wir es sagen – im vorhinein. F Zum voraus, wohinaus wir eigentlich nicht denken können… L weil das Wesen des Denkens dort beginnt. F Im Unvordenklichen also ist das Wesen des Menschen der Gegnet gelassen. G Weshalb wir auch sogleich hinzufügten: und zwar durch die Gegnet selbst. L Sie vereignet das Wesen des Menschen ihrem eigenen Gegnen. F So haben wir die Gelassenheit erläutert. Wir haben jedoch auch, was mir sogleich auffiel, unterlassen* zu bedenken, weshalb denn das Wesen des Menschen der Gegnet vereignet ist. ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT
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G Offenbar ist das Wesen des Menschen deshalb der Gegnet gelassen, weil dieses Wesen so wesenhaft der Gegnet gehört, daß diese ohne das Menschenwesen nicht wesen kann, wie sie west. F Dies ist kaum zu denken. L Es ist überhaupt nicht zu denken, solange wir uns dies vorstellen wollen, und d. h. gewaltsam als eine gegenständlich vorhandene Beziehung zwischen dem Gegenstand genannt »Mensch« und dem Gegenstand genannt »Gegnet« vor uns bringen.
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F Dies mag sein. Aber bleibt, auch wenn wir darauf achten, dennoch in dem Satz von der wesenhaften Beziehung des Menschenwesens zur Gegnet eine unübersteigliche Schwierigkeit zurück? Wir kennzeichneten so eben die Gegnet als das verborgene Wesen der Wahrheit. Sagen wir der Kürze halber statt Gegnet einmal Wahrheit, dann besagt der Satz von der Beziehung zwischen der Gegnet und dem Menschenwesen dieses: Das Menschenwesen ist der Wahrheit übereignet, weil die Wahrheit den Menschen braucht. Ist es aber nun nicht der auszeichnende Charakter der Wahrheit, und zwar gerade im Hinblick auf ihre Beziehung zum Menschen, daß sie unabhängig vom Menschen das ist, was sie ist? G Sie rühren mit dem Gesagten an eine Schwierigkeit, die wir freilich erst dann erörtern können, wenn wir das Wesen der Wahrheit eigens erläutert und das Wesen des Menschen deutlicher bestimmt haben.
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GELASSENHEIT
L Zu beidem sind wir erst unterwegs; dennoch möchte ich versuchen, den Satz über die Beziehung der Wahrheit zum Menschen so zu umschreiben, daß noch deutlicher wird, worauf wir uns besinnen müssen, falls wir diese Beziehung einmal eigens bedenken. F Was Sie darüber sagen wollen, bleibt daher zunächst nur eine Behauptung. L Gewiß; und ich meine dies: Das Wesen des Menschen ist einzig deshalb in die Gegnet gelassen und demgemäß von der Gegnet gebraucht, weil der Mensch für sich über die Wahrheit nichts vermag und diese unabhängig bleibt von ihm. Die Wahrheit kann nur deshalb unabhängig vom Menschen wesen, weil das Wesen des Menschen als die Gelassenheit zur Gegnet von der Gegnet in die Vergegnis und zur Wahrung der Bedingnis gebraucht wird. Die Unabhängigkeit der Wahrheit vom Menschen ist offenkundig doch eine Beziehung zum Menschenwesen, welche Beziehung in der Vergegnis des Menschenwesens in die Gegnet ruht. G Wenn es so wäre, dann weilte der Mensch als der Inständige in der Gelassenheit zur Gegnet in der Herkunft seines Wesens, das wir deshalb dahin umschreiben dürften: Der Mensch ist der in das Wesen der Wahrheit Gebrauchte. Dergestalt in seiner Herkunft weilend, wäre der Mensch vom Edlen seines Wesens angemutet. Er vermutete das Edelmütige. F Dieses Vermuten könnte wohl nichts anderes sein denn das Warten, als welches wir die Inständigkeit der Gelassenheit denken.
ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT
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G Wenn so die Gegnet die verweilende Weite wäre, könnte die Langmut am weitesten, sie könnte die Weite der Weile selbst noch vermuten, weil sie am längsten warten kann. L Der langmütige Edelmut wäre das reine In-sich-beruhen jenes Wollens, das, absagend dem Wollen, auf das sich eingelassen hat, was nicht ein Wille ist. G Der Edelmut wäre das Wesen des Denkens und somit des Dankens. [67]
L Jenes Dankens, das sich nicht erst für etwas bedankt, sondern nur dankt, daß es danken darf. G Mit diesem Wesen des Denkens hätten wir gefunden, was wir suchen. F Gesetzt, daß wir Jenes gefunden hätten, worin doch alles Gesagte unseres Gespräches zu ruhen scheint. Dies ist das Wesen der Gegnet. L Weil das nur gesetzt ist, sagen wir auch, wie Sie vielleicht bemerkt haben, seit geraumer Zeit alles nur gesetzter Weise. F Gleichwohl kann ich nicht länger mit dem Geständnis zurückhalten, daß uns das Wesen der Gegnet näher gekommen ist, während sie selbst mir ferner zu sein scheint denn je. G Sie meinen, daß Sie in der Nähe des Wesens der Gegnet seien und ihr selbst doch fern?
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GELASSENHEIT
F Aber die Gegnet selbst und ihr Wesen können doch nicht zwei verschiedene Dinge sein, falls hier überhaupt von Dingen gesprochen werden darf. G Das Selbst der Gegnet ist vermutlich ihr Wesen und das Selbe ihrer selbst. L Dann läßt sich vielleicht unsere Erfahrung während des Gespräches dahin aussprechen, daß wir in die Nähe der Gegnet kommen und ihr so zugleich fern bleiben, indes das Bleiben allerdings Rückkehr ist. G Mit dem, was Sie sagen, wäre doch nur das Wesen des Wartens und der Gelassenheit genannt. F Aber wie steht es dann mit der Nähe und der Ferne, innerhalb deren die Gegnet sich lichtet und verhüllt, sich naht und entfernt? G Diese Nähe und Ferne können nichts außerhalb der Gegnet sein. L Weil die Gegnet, alles gegnend, alles zueinander versammelt und zu sich selbst in das eigene Beruhen im Selben zurückkehren läßt. F Dann wäre die Gegnet selbst das Nähernde und das Fernende. G Die Gegnet wäre selbst die Nähe der Ferne und die Ferne der Nähe… F wobei wir diese Kennzeichnung nicht dialektisch denken dürften… ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT
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L Sondern? F Nach dem Wesen des allein von der Gegnet her bestimmten Denkens. [69]
G Also wartend, inständig in der Gelassenheit. L Was wäre aber dann das Wesen des Denkens, wenn die Gegnet die Nähe der Ferne ist? G Das läßt sich wohl mit einem einzigen Wort nicht mehr sagen. Allerdings kenne ich ein Wort, das mir bis vor kurzem noch als geeignet erschien, das Wesen des Denkens und damit auch des Erkennens angemessen zu benennen. F Dies Wort möchte ich gerne hören. G Es ist ein Wort, das mir schon bei unserem ersten Gespräch einfiel. Diesen Einfall meinte ich auch, als ich im Beginn des heutigen Gespräches bemerkte, daß ich unserem ersten Feldweggespräch eine kostbare Anregung verdanke. Im Verlauf des heutigen Gespräches wollte ich dieses Wort auch schon öfters vorbringen. Aber jedesmal schien es mir weniger zu passen für das, was sich uns als das Wesen des Denkens näherte. F Sie reden so geheimnisvoll von Ihrem Einfall, gleich als wollten Sie etwas Selbstentdecktes nicht zu früh preisgeben. G Das Wort, an das ich denke, habe ich nicht selbst entdeckt; es ist nur ein gelehrter Einfall.
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GELASSENHEIT
F Also, wenn ich so sagen darf, eine historische Erinnerung? G Wenn Sie so wollen. Sie hätte sogar gut in den Stil unseres heutigen Gespräches gepaßt, in dessen Verlauf wir öfters Worte und Sätze einstreuten, die aus dem Denken des Griechentums stammen. Aber jetzt will das gemeinte Wort nicht mehr für das passen, was wir mit einem einzigen Wort zu nennen versuchen. L Sie meinen das Wesen des Denkens, das als die inständige Gelassenheit zur Gegnet die wesenhafte menschliche Beziehung zur Gegnet ist, die wir als die Nähe zur Ferne ahnen. F Auch wenn das Wort jetzt nicht mehr paßt, könnten Sie es uns zum Abschluß des Gespräches doch verraten; denn wir haben uns der menschlichen Behausung wieder genähert und müssen ohnehin das Gespräch abbrechen. L Auch könnte das jetzt nicht mehr treffende Wort, das Ihnen vordem als kostbare Anregung wert war, uns deutlich machen, daß wir inzwischen vor etwas Unsagbares gekommen sind. G Das Wort ist ein Wort des Heraklit. F Aus welchem Fragment haben Sie das Wort entnommen? G Das Wort ist mir eingefallen, weil es für sich allein steht. Es ist jenes Wort, das als einziges das Fragment 122 ausmacht.* ZUR ERÖRTERUNG DER GELASSENHEIT
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F Dieses kürzeste der Fragmente des Heraklit kenne ich nicht. [71]
G Es wird auch sonst kaum beachtet, weil man mit einem vereinzelten Wort wenig anfangen kann. F Wie lautet dieses Fragment? G ÆAgxibasiÂh. F Was sagt dies? G Man übersetzt das griechische Wort durch das deutsche »Herangehen«. F Ich halte dieses Wort für einen ausgezeichneten Namen zur Benennung des Wesens der Erkenntnis; denn der Charakter des Vorgehens und Zugehens auf die Gegenstände kommt darin schlagend* zum Ausdruck. G Das schien mir auch so. Darum fiel es mir wohl auch ein, als wir im ersten Gespräch von der Aktion, von der Leistung, von der Arbeit in der modernen Erkenntnis und vor allem in der Forschung sprachen. F Man könnte das griechische Wort geradezu verwenden, um deutlich zu machen, daß die naturwissenschaftliche Forschung so etwas wie ein Angriff auf die Natur ist, der die Natur gleichwohl zu Wort kommen läßt. ÆAgxibasiÂh, »Herangehen«: Ich könnte mir dieses Wort des Heraklit als Leitwort denken für eine Abhandlung über das Wesen der modernen Wissenschaft.
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GELASSENHEIT
G Deshalb zögerte ich jetzt auch, das Wort noch auszusprechen; denn es trifft ganz und gar nicht dasjenige Wesen des Denkens, das wir unterwegs vermuteten. F Denn das Warten ist allerdings beinahe die Gegenbewegung zum Herangehen. G Um nicht zu sagen die Gegenruhe. L Oder einfach die Ruhe. Doch ist es denn entschieden, daß ÆAgxibasiÂh das Herangehen bedeutet? G Wörtlich übersetzt, besagt es: »Nahegehen«. L Wir könnten vielleicht auch denken: »In-die-Nähegehen«. F Sie meinen das ganz wörtlich im Sinne von »In-dieNähe-hinein-sich-einlassen«? L So ungefähr. G Dann wäre dieses Wort doch der Name und vielleicht der schönste Name für das, was wir gefunden haben. L Was wir gleichwohl in seinem Wesen noch suchen. G ÆAgxibasiÂh: »In-die-Nähe-gehen«. Mir scheint jetzt, das Wort könnte eher der Name sein für unseren heutigen Gang auf dem Feldweg. L Der uns tief in die Nacht geleitete…
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F die immer herrlicher heraufglänzt … G und die Sterne überstaunt … L weil sie ihre Fernen am Himmel einander nähert… F wenigstens für den naiven Betrachter, nicht so für den exakten Forscher. L Für das Kind im Menschen bleibt die Nacht die Näherin der Sterne. G Sie fügt zusammen ohne Naht und Saum und Zwirn. F Sie ist die Näherin, weil sie nur mit der Nähe arbeitet. G Falls sie je arbeitet und nicht eher ruht … L indem sie die Tiefen der Höhe erstaunt. G So könnte denn das Staunen das Verschlossene öffnen? F Nach der Art des Wartens … L wenn dies ein gelassenes ist … G und das Menschenwesen dorthin ge-eignet bleibt … L woher wir gerufen sind.
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GELASSENHEIT
HINWEISE*
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Die Rede wurde bei der Feier zum 175. Geburtstag des Komponisten Conradin Kreutzer am 30. Oktober 1955 in Meßkirch gehalten.** Die Erörterung ist einem 1944/45 niedergeschriebenen Gespräch zwischen einem Forscher (F), einem Gelehrten (G) und einem Lehrer (L) entnommen.*** Zu der im Gesprächa b genannten Zwiefalt vergleiche die Vorlesungen Was heißt Denken? Niemeyer Verlag Tübingen, 1954.****
a
b
nämlich in dem vorausgehenden, noch nicht veröffentlichten Teil.***** Hinweis v[on] A[ndre´] Pre´au.******
HINWEISE
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HEIDEGGERS NOTIZEN zu Gelassenheit [Anm. d. Hrsg.: Heidegger hat in seinem Handexemplar der Erstausgabe von Gelassenheit auf dem Nachsatzblatt folgende Notizen aufgezeichnet. Die Anordnung entspricht optisch annähernd der Anordnung des Manuskripts.] Gelassenheit Bd. Deutscher Predigten * Abgeschlossen gelassen Wer
hat »gelassen ist?«
»sich lassen« Grimm »Wörterbuch« ** Gottheit um der Gottheit willen lassen
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HEIDEGGERS NOTIZEN
HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS zu Gelassenheit [Anm. d. Hrsg.: Heidegger hat in seinem Handexemplar der Erstausgabe von Gelassenheit auf S. 74 unterhalb des gedruckten Textes (»Hinweise«) ein Stichwortverzeichnis mit Seitenverweisen notiert, dessen Einträge hier wiedergegeben werden. Die dort aufgeführten Seitenverweise beziehen sich auf die Paginierung der Erstausgabe, in der vorliegenden Ausgabe ist diese Paginierung in eckigen Klammern an den Seitenrändern angegeben.] Ruhe und Bewegung 43 47 Namen 48. Bedingnis und Vergegnis 56 Vergegnis und Vereignung 64 Wesen des Menschen 65/66 50 f.
Gegnet und Gelassenheit
HEIDEGGERS STIC HWO R TVE R Z E I CHN I S
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Editorische Notiz zu »Gelassenheit« In vorliegender Ausgabe wird der Gesamttext der Erstausgabe von Gelassenheit mit den beiden Beiträgen »Gelassenheit« und »Zur Erörterung der Gelassenheit« wiedergegeben: Martin Heidegger, Gelassenheit, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1959. Heidegger hielt die Festrede mit dem Titel »Gelassenheit« am 30. Oktober 1955 in Meßkirch anlässlich der Gedenkfeier zum 175. Geburtstag des Komponisten Conradin Kreutzer (1780– 1849). »Zur Erörterung der Gelassenheit« ist ein Bestandteil von Heideggers erstem »Feldweg-Gespräch« in Form eines philosophischen Dialogs. Heidegger hat im Winter 1944/45 kurz vor Kriegsende drei fiktive Gespräche verfasst: »›ÆAgxibasiÂh‹. Ein Gespräch selbdritt auf einem Feldweg zwischen einem Forscher, einem Gelehrten und einem Weisen«; »Der Lehrer trifft den Türmer an der Tür zum Turmaufgang« und »Abendgespräch in einem Kriegsgefangenenlager in Rußland zwischen einem Jüngeren und einem Älteren«. Sie sind erschienen in HGA Bd. 77: Martin Heidegger, Feldweg-Gespräche (1944/45), hrsg. von Ingrid Schüssler, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1995, 2., durchges. Aufl. 2007. Die in eckigen Klammern an den Seitenrändern der vorliegenden Ausgabe angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Seitenzahlen der Erstausgabe. Mittelstriche markieren die ursprünglichen Seitenumbrüche von Heideggers Handexemplar. Ab der zweiten Auflage verschoben sich die Seitenzahlen um minus 2 Seiten. 74
EDITORISCHE NOTIZ ZU »GELASSENHEIT«
Hochgestellte Kleinbuchstaben und dazugehörige Fußnoten im Haupttext verweisen auf Annotationen (z. B. Anmerkungen, Ergänzungen, Korrekturen und interne Seitenverweise), die Heidegger in seinem persönlichen Handexemplar der Erstausgabe handschriftlich angebracht hat. Sternchenmarkierungen verweisen auf Anmerkungen und Ergänzungen der Herausgeber. Heideggers Worttrennungen wie »Zu-fall«, »an-gesprochen«, »Gedanken-flucht« oder »gedanken-los« wurden beibehalten. Bei Zeilenumbrüchen wurden die für Heidegger typischen Trennungen als Divis sowohl am Zeilenende als auch am Zeilenanfang kenntlich gemacht. Weitere Erläuterungen im »Nachwort der Herausgeber«, S. 477 ff.
EDITORISCHE NOTIZ ZU »GELASSENHEIT«
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HEBEL – DER HAUSFREUND
er ist Johann Peter Hebel? Der gerade Weg, auf dem sich die Frage beantworten ließe, könnte so verlaufen, daß wir uns die Lebensgeschichte dieses Mannes erzählen lassen. Wir hören den Namen Johann Peter Hebel vielleicht noch hie und da in der Volksschule. Wir lernen aus dem Lesebuch einige seiner Gedichte und behalten das eine oder andere ungefähr im Gedächtnis. Wir hören den Namen Johann Peter Hebel auch zuweilen noch beim Lesen dieser oder jener seiner Kalendergeschichten. Es ist gut, den Lebensgang dieses Dichters zu kennen; denn dieser Lebensgang fügte es, daß der in diesem Mann schlummernde dichterische Quell zum Springen kam. Johann Peter Hebel wurde 1760 in Basel geboren, wo die aus Deutschland stammenden Eltern in schweizerischem Dienst standen. Der Vater überlebte die Geburt des kleinen Hanspeter nur um ein Jahr. Mit 13 Jahren verlor der Bub seine Mutter, die in Hausen im Wiesental daheim war. Dieses Tal führt vom Rheinknie bei Basel-Lörrach hinauf in den Schwarzwald bis zum Feldberg, wo die Wiese entspringt, deren Gestalt und Weg Hebel in seinem großen Gedicht »Die Wiese« ersungen hat.* Später besuchte der junge Hebel das Gymnasium in Karlsruhe. Er studierte die Theologie in Erlangen, wurde Vikar im protestantischen Markgräflerland und alsbald Lehrer in Lörrach. Mit 31 Jahren kam Hebel – nunmehr
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als Lehrer – wieder an das Gymnasium nach Karlsruhe, wurde dort Professor und Direktor der Schule und gelangte schließlich zu hohen kirchlichen und politischen Ämtern und Würden, bis er am 22. Sep tember 1826 im Alter von 66 Jahren starb. Über die Hälfte seines Lebens verbrachte Hebel fern der Heimat. Karlsruhe war nämlich für ihn schon Ferne, weil die Nähe des Geburts- und Kindheitslandes unablässig den Wiesentäler auf eine unwiderstehliche Weise durchstimmte und zu sich rief. Die Säfte und Kräfte der heimatlichen Erde und der stämmig-heitere Sinn der dortigen ihm zugeneigten Menschen blieben in Hebels Gemüt und Geist lebendig. Sein einziger Lebenstraum, als Pfarrherr eines Dorfes im Markgräflerland leben und wirken zu dürfen, erfüllte sich indessen nicht. Allein – der Zauber der Heimat hielt Hebel im Bann. Aus der Sehnsucht nach der Heimat entstanden seine »Allemannischen Gedichte«. Sie erschienen im Jahre 1803.* Hebel schreibt in der Vorrede: »Der Dialekt, in welchem diese Gedichte verfaßt sind, mag ihre Benennung rechtfertigen. Er herrscht in dem Winkel des Rheins zwischen dem Fricktal und ehemaligen Sundgau, und weiterhin in mancherlei Abwandlungen bis an die Vogesen und Alpen und über den Schwarzwald hin in einem großen Teil von Schwaben.«
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Wir könnten meinen, Hebels Dichtung sage, weil sie Dialektdichtung sei, nur von einer beschränkten Welt. Man meint überdies, der Dialekt bleibe eine Mißhandlung und Verunstaltung der Hoch- und Schriftsprache. Solches Meinen irrt. Die Mundart ist der geheimnisvolle Quell jeder gewachsenen Sprache**. Aus ihr strömt uns all das zu, was der Sprachgeist in sich birgt.
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Was birgt der Geist einer echten Sprache? Er verwahrt in sich die unscheinbaren, aber tragenden Bezüge zu Gott, zur Welt, zu den Menschen und ihren Werken, ihrem Tun und Lassen. Was der Sprachgeist in sich birgt, ist jenes Hohe, alles Durchwaltende, woraus jeglich Ding dergestalt seine Herkunft hat, daß es gilt und fruchtet. Dieses Hohe und Gültige lebt in der Sprache auf. Aber es stirbt auch mit ihr ab, sobald eine Sprache den Zustrom aus jenem Quell entbehren muß, der die Mundart ist. Johann Peter Hebel wußte dies klar. Darum schreibt er in einem Brief kurz vor dem Erscheinen der »Allemannischen Gedichte«, diese blieben zwar »im Charakter und Gesichtskreis des Völkleins« [gemeint ist das alemannische], seien aber zugleich »edle Dichtung« (Briefe, S. 114)*.a Was ist dies – »edle Dichtung«? Es ist eine Dichtung, die Adel hat, d. h. eine hohe Herkunft aus dem, was in sich das Bleibende ist und dessen spendende Kraft niemals versiegt. Demgemäß ist Johann Peter Hebel kein bloßer Dialektund Heimatdichter. Hebel ist ein weltweiter Dichter. Somit hätten wir denn schon die Antwort auf unsere Frage, wer Johann Peter Hebel sei. Allein, wir haben die Antwort noch nicht. Wir hätten sie nur dann, wenn wir auch schon wüßten, wodurch Hebel der große Dichter wurde, der er ist. Darum fragen wir noch einmal: Wer ist Johann Peter Hebel? Wir nehmen die Antwort auf diese Frage jetzt vorweg, indem wir sagen: Johann Peter Hebel ist der Hausfreund.b
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2. Aufl. I. 121 8. Feb. 1802** vgl. Br[ief] n. 282 Unterschrift. n. 289!***
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Die Antwort klingt zunächst befremdlich, wenn nicht gar unverständlich. Hausfreund – ein schlichter Name, aber ein tief- und weitsinniges Wort. Kraft einer wundersamen Hellhörigkeit hat Hebel den Namen »Haus freund« gefunden und das erregend Mehrdeutige des Namens festgehalten. Hebel wählte diesen Namen für den von ihm herausgegebenen Badischen Landkalender.* Doch zugleich erkannte Hebel in dem Kalendertitel »Hausfreund« das Wort, das seine eigene dichterische Bestimmung nennt. Hebel wurde, wie er 1811 an das »Großherzogliche, Hochpreisliche Ministerium« in Karlsruhe schreibt, durch die »schöne Idee begeistert«, »den Kalender des rheinischen Hausfreundes zur willkommenen wohltätigen Erscheinung und womöglich zum vorzüglichsten Kalender in ganz Deutschland und zum Siegenden in jeder möglichen Konkurrenz zu machen«.** Was Hebel hier über seine schöne Kalenderidee sagt, verdient, daß wir es Wort für Wort bedenken. Der Kalender möchte zu einer Erscheinung werden. Er möchte ständig sichtbar leuchten und das Tägliche der Menschen bescheinen. Der Kalender soll nicht bloß erscheinen wie jede andere Druckschrift auch, die schon verschwunden ist, wenn man sie sieht. Die Erscheinung des Kalenders möchte eine »willkommene« sein: eine frei begrüßte, aber nicht eine, wie damals üblich, von der Obrigkeit den Leuten aufgezwungene. Die Erscheinung des Kalenders möchte eine »wohltätige« sein: von dem Wunsch getragen, Wohl und Wehe der Leser zu fördern und zu lindern. Dabei soll der Kalender auf die »vorzüglichste« Weise über die engen Landesgrenzen hinaus zum ganzen Deutschland sprechen; denn Hebel mißt sein Sagen und Schreiben mit den höchsten Maßstäben. Nur deshalb
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kann er auch die Tragweite einer solchen Erscheinung abschätzen. Schließlich scheut sich Hebel nicht zu gestehen*, daß alles Wesenhafte, was der Mensch zu bilden vermag, ein Geschenk des Sieges im edlen Wettstreit ist – sogar ein Kalender. Heute hat die Illustrierte Zeitung den alten Kalender abgelöst und vernichtet. Jene, die Illustrierte, zerstreut, zersetzt, schlägt Wesentliches und Unwesentliches auf die gleiche einförmige Ebene des Flachen, flüchtig Verfänglichen und auch schon Vergangenen. Dieser, der Kalender, vermochte einst das Bleibende im Unscheinbaren zu zeigen und das wiederholende Lesen und Nachdenken wachzuhalten. Indes hat Hebel der »schönen Idee« seines Kalenders, ohne es zu ahnen, über den heutigen Tag hinaus zu einem Glanz verholfen, der immer neu das Sinnen und die Sinne der Menschen verzaubert. Wie geschah dies? Dadurch, daß Hebel zu dem wurde, der er war: zum Hausfreund. Das schlichte, aber gleichwohl hintergründige Wort Hausfreund ist der Name für den Grundzug von Hebels Dichtertum. Sieht man freilich das Geschäft des Dichters ausschließlich in der Hervorbringung von Gedichten, dann kann man behaupten, Hebel habe nach der Veröffentlichung der »Allemannischen Gedichte« aufgehört zu dichten. Indes sind die Gedichte »Für Freunde ländlicher Natur und Sitten« nur der Beginn seines weltweiten Dichtertums. Dieses wird erst durch die Erzählungen und Betrachtungen des Hebelschen Kalenders edelste deutsche Sprache. Hebel, der in einer hellen Nähe zur Sprache lebte, wußte von diesem Schatz. Er wählte nach eigenem dichterischen Ermessen die schönsten Stücke, die er in den »Kalender des Rheinischen Hausfreundes« gegeben hatte, aus. So schränkte er den Schatz auf das Kostbarste ein, baute ihm ein Schränk-
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lein und schenkte es im Jahre 1811 der ganzen deutschen Sprachwelt als »Schatzkästlein«.a Das Sinnen und Bilden, wodurch das »Schatzkästlein« zu dem Sprachwerk wurde, dem unsere Bewunderung gilt, ist jene dichterische Gebärde, an der wir Hebel als den Hausfreund erkennen. Aber im »Schatzkästlein« sind zugleich die »Allemannischen Gedichte« aufgehoben, nämlich aufgehoben in dem dreifach gestuften Sinne, den einer der großen Zeitgenossen des Dichters, der Denker Georg Wilhelm Friedrich Hegel aus dem Schwabenland, bei dem Wort aufheben denkt. Aufheben heißt einmal: vom Boden aufnehmen, was vorliegt. Diese Art des Aufhebens bleibt jedoch äußerlich, solange sie nicht durch ein Aufheben bestimmt wird, das so viel bedeutet wie: aufbewahren. Allein auch dieses Aufheben empfängt erst Tragkraft und Dauer, wenn es aus einem Aufheben herkommt, das besagt: hinaufheben, verklären, veredeln und dadurch: verwandeln. Auf solche Weise hat Hebel die »Allemannischen Gedichte« in das »Schatzkästlein« aufgehoben. Überall leuchtet aus dem Schatzkästlein der Zauber der Gedichte, ohne daß sie eigens darinliegen. Was wir gewöhnlich sehen von der Welt, von den menschlichen und göttlichen Dingen, wird durch das dichterische Sagen in das Kostbare und in den Überfluß des Geheimnisvollen umgeprägt. Das umprägende Veredeln geschieht durch eine gesteigerte Sprache. Aber die Steigerung geht ins Einfache. Die Sprache ins Einfache steigern, dies heißt: Alles in den milden Glanz des ruhig klingenden Wortes verwandeln. Dieses veredelnde Sagen kennzeichnet das Dichtertum Johann Peter Hebels. a
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vgl. Hebels Brief an Cotta vom 18. Dez. 1809, Briefe n. 278 S. 454 Vgl. Br[ief] n. 279 S. 456 n. 323. über die Widmung des Schatzkästl[eins]. n. 494. S. 687 f. »die alte Grille«.*
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Erst wenn wir dem genügend nachdenken, verstehen wir zugleich hinreichend und nachhaltig, was verdiente Männer wie Emil Strauß, Wilhelm Altwegg und Wilhelm Zentner* bereits erkannt haben – daß nämlich auch die Briefe Hebels mit den »Allemannischen Gedichten« und dem »Schatzkästlein« zur Einheit seines ganzen dichterischen Werkes gehören. Nur der Dichter, der sein eigenes Wesen als das des Hausfreundes zunehmend deutlicher erblickte und entschiedener übernahm, konnte diese Briefe schreiben. Doch wiederum fragen wir: Wer ist dieser, der Hausfreund? Auf welche Weise ist Hebel der Freund und welchem Haus? Zunächst denken wir an die Häuser, darin Land- und Stadtleute wohnen. Heute stellen wir die Häuser gar zu leicht und oft aus einer Not als eine Anordnung von Räumen vor, worin der Alltag des menschlichen Lebens verläuft. Das Haus wird fast zu einem bloßen Behälter für das Wohnen. Allein das Haus wird erst Haus durch das Wohnen. Das Bauen aber, dadurch das Haus erstellt wird, ist das, was es in Wahrheit ist, nur dann, wenn es zum voraus auf das Wohnenlassen gestimmt bleibt, welches Lassen jeweils ursprünglichere Möglichkeiten für das Wohnen weckt und gewährt. Denken wir das Zeitwort wohnen weit und wesentlich genug, dann nennt es uns die Weise, nach der die Menschen auf der Erde unter dem Himmel die Wanderung von der Geburt bis in den Tod vollbringen. Diese Wanderung ist vielgestaltig und reich an Wandlungen. Überall bleibt jedoch die Wanderung der Hauptzug des Wohnens als des menschlichen Aufenthaltes zwischen Erde und Himmel, zwischen Geburt und Tod, zwischen Freude und Schmerz, zwischen Werk und Wort.
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Nennen wir dieses vielfältige Zwischen die Welt, dann ist die Welt das Haus, das die Sterblichen bewohnen. Die einzelnen Häuser dagegen, die Dörfer, die Städte sind jeweils Bauwerke, die in sich und um sich jenes vielfältige Zwischen versammeln. Die Bauwerke holen erst die Erde als die bewohnte Landschaft in die Nähe des Menschen und stellen zugleich die Nähe des nachbarlichen Wohnens unter die Weite des Himmels. Nur insofern der Mensch als der Sterbliche das Haus der Welt bewohnt, steht er in der Bestimmung, den Himmlischen ihr Haus zu bauen und die Wohnstatt für sich selbst. Dem Haus, das die Welt ist, ist der Hausfreund der Freund. Er neigt sich dem ganzen und weiten Wohnen des Menschenwesens zu. Seine Zuneigung ruht jedoch in einer ursprünglichen, aber jederzeit gemäßen Zugehörigkeit zur Welt und ihrem Bau. Darum finden wir im »Schatzkästlein« des Hausfreundes »Betrachtungen über das Weltgebäude«. Mehr noch: Der Hausfreund hat die Betrachtungen nicht zufällig und kunterbunt unter die Erzählungen eingestreut. Er hat den Schatz des Kästleins gut bedacht und schön geordnet. Mehr noch: Das Schatzkästlein beginnt sogar mit den »Allgemeinen Betrachtungen über das Weltgebäude«. Der Freund dieses Hauses führt zuerst »die Erde und die Sonne« vor Augen.* Dem folgt später die Betrachtung über den Mond. Dann leuchten in der Folge zwischen den Erzählungen vom harmlosen und abenteuerlichen, vom rechtschaffenen und listigen Tun und Treiben der Menschen die Sterne auf: zuerst, auf zwei Stellen verteilt, die Planeten, dann die Kometen, zum Beschluß und mit Absicht die Fixsterne. Nun könnte man, und sogar mit einem gewissen Recht, sagen, Hebels Betrachtungen über das Weltgebäude folg-
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ten nur dem Zug seines Zeitalters, das der Aufklärung huldigte. Die Erkenntnisse der heraufkommenden neuzeitlichen Naturwissenschaft ließen sich seinerzeit nicht mehr länger umgehen. Man wollte sie als das bessere Wissen von der Natur den Menschen mitteilen. Diese Feststellung hinsichtlich des Aufklärungszeitalters ist zwar richtig. Allein, sie verkennt durchaus, was Johann Peter Hebel, der Hausfreund*, mit seinen Betrachtungen über das Weltgebäude im Sinn hat. Wonach der Sinn Hebels steht, merken wir erst, wenn wir wissen, wer der eigentliche Hausfreund ist. Das ist, was uns überraschen muß, keineswegs Hebel. Wer denn sonst? Die Antwort gibt uns Hebel selbst, und zwar an einer bezeichnenden Stelle seiner Betrachtungen über das Weltgebäude. Achten wir auf das Eigentümliche dieser Stelle, dann entnehmen wir schon allein hieraus die entscheidende Weisung für den Versuch, das Wesen des Hausfreundes vom Haus der Welt her zu denken. Die fragliche Stelle findet sich am Schluß der Betrachtung über den Mond. Hier heißt es: »Achtens und letztens, was denn eigentlich der Mond am Himmel zu verrichten hat? – Antwort: Was die Erde. So viel ist gewiß: Er erhellt durch sein mildes Licht, welches der Widerschein von seinem Sonnenschein ist, unsere Nächte, und sieht zu, wie die Knaben die Mägdlein küssen. Er ist der eigentliche Hausfreund und erste Kalendermacher unserer Erde, und der oberste Generalnachtwächter, wenn die andern schlafen.« (Betrachtung über das Weltgebäude. Der Mond. I, 326 ff.)** Der eigentliche Hausfreund der Erde ist der Mond. Wer dürfte es wagen, mit wenigen und dabei unvermeidlich zu
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groben Worten das auszusprechen, was hier als das Eigentliche des Hausfreundes ins Bild kommt? Wie der Mond durch sein Scheinen, so bringt der irdische Hausfreund Hebel durch sein Sagen ein Licht, und zwar ein mildes. Der Mond bringt das Licht in unsere Nächte. Aber das Licht, das er bringt, hat er nicht selbst angezündet. Es ist nur der Widerschein, den der Mond zuvor empfangen hat – von seiner Sonne, deren Glanz zugleich die Erde bescheint. Der Widerschein der Sonne, den der Mond gemildert der Erde wiedergibt, ist als dieses Scheinen das dichterische Bild für das Sagen, das dem Hausfreund zugesagt wird, damit er, also erleuchtet, das ihm Zugesagte denen, die mit ihm die Erde bewohnen, wiedersage. In allem, was der Hausfreund sagt, hütet er das Wesenhafte, dem die Menschen als die Wohnenden zugetraut sind, das sie freilich allzu leicht verschlafen. Der Hausfreund ist wie der oberste Generalnachtwächter, der Mond, einer, der wach bleibt in der Nacht. Er wacht über die rechte Ruhe der Wohnenden, achtet auf das Bedrohliche und Störende. Als der erste Kalendermacher zeichnet der Mond den Stundengang der Zeiten vor. So geht das dichterische Sagen den Sterblichen auf ihrem Weg von der Geburt zum Tod voran. Der Hausfreund sieht zu, wie die Knaben die Mägdlein küssen. Sein Zusehen ist wundersam, kein neugieriges Begaffen. Der Hausfreund sieht zu, daß den Liebenden der milde Schein gewährt sei, der mondene, der weder nur irdisch, noch nur himmlisch ist, sondern beides, dies jedoch ursprünglich-ungetrennt. Am Anblick des Mondes läßt uns Hebel das Wesen des Hausfreundes ablesen. Weg und Weile, Haltung und Ge-
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bärde des Hausfreundes sind ein einziges, eigentümlich verhaltenes, zugleich wachendes Scheinen, das alle Dinge in ein mildes, kaum merkliches Licht eingehen läßt. Dem entspricht, was Hebel von sich selber als dem Hausfreund sagt. Dieser legt hier und dort ein »kleines Goldkörnlein« (II, 99) in seine Erzählungen und Betrachtungen. »Denn der rheinländische Hausfreund geht fleißig am Rheinstrom auf und ab, schaut zu manchem Fenster hinein, man sieht ihn nicht; sitzt in manchem Wirtshaus, und man kennt ihn nicht; geht mit manchem braven Mann einen Sabbaterweg oder zwei, wie es trifft, und läßt nicht merken, daß er’s ist.«* So denkt denn der Hausfreund Vieles bei dem, was er seinem geneigten Leser sagt, und läßt doch das Eigentliche ungesagt. Wie es einmal am Schluß einer Kalendergeschichte heißt (II, 164): »Der Hausfreund denkt etwas dabei, aber er sagt’s nicht.« Freilich weiß der Hausfreund auch, wohin sein Sagen spricht, nämlich in den »großen Jahrmarkt der Welt und des Lebens« (II, 172). »Man achtet’s zuerst nicht groß, wie immer einer geht und einer kommt, bis man sich zuletzt unter ganz anderen Leuten befindet als im Anfang.«** Der Hausfreund weiß auch klar, wie wesentlich das Leben der Sterblichen durch das Wort bestimmt und getragen wird. In einem Brief vom September 1808 schreibt Hebel: »Ein großer Theil unsres Lebens ist ein angenehmer oder unangenehmer Irrgang durch Worte und unsre meisten Kriege sind ..... WortKriege.« (Briefe, S. 372).*** Kein Wunder, daß der Hausfreund schwerer, als wir meinen, daran trägt, diesen Wortkrieg durch sein Sagen auf die rechte Weise auszustehen. Hebel schreibt einmal an Justinus Kerner (20. Juli 1817, Briefe, S. 565):
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»Sie wissen was dazu gehört einem bestimmten Publikum das zu sagende so recht in die Wahrheit und Klarheit seines Lebens hinein zu legen« … und, so dürfen wir hinzufügen, dabei »unbeachtet und unbeschrieen« zu bleiben (10. August 1817, Briefe, S. 567). Denn dies ist die Art des Hausfreundes. Den Namen erläutert Hebel um dieselbe Zeit noch einmal, indem er schreibt (an Justinus Kerner, 24. Oktober 1817, Briefe, S. 569), daß man unter diesem Namen »freilich herzliches mit dem Leser spricht und ihm ungenirt Bären anbindet …«* Im unauffälligen Sagen, das sein zu-Sagendes im Ungesagten läßt, fließt das Freundliche des Hausfreundes den Lesern zu. In solchem Sagen findet und behält der Hausfreund eine Zuwendung zum Wohnen der Sterblichen, dadurch er im Haus der Welt einkehrt und dennoch so ihr Gast ist, als sei er es nicht. »Hausfreund« – das ist der weit vorausblickende und zugleich verschleiernde Name für das Wesen dessen, den wir sonst einen Dichter nennen. Der Dichter versammelt die Welt in ein Sagen, dessen Wort ein mild-verhaltenes Scheinen bleibt, worin die Welt so erscheint, als werde sie zum erstenmal erblickt. Der Hausfreund will weder nur belehren noch erziehen. Er läßt den Leser gewähren, damit dieser von sich aus in jene Zuneigung zum Wesenhaften gelange, zu dem sich der Hausfreund vorneigt, um mit uns zu sprechen. Welches Gespräch hat der Freund des Hauses, das die Welt ist, im Sinn? Worüber möchte der Hausfreund zuerst sprechen? Antwort: über das, womit er selbst im »Schatzkästlein« sein Sagen beginnt. Es sind die »Allgemeinen Betrachtungen über das Weltgebäude«. Die Einleitung dazu schließt Hebel mit dem Satz: »Also will jetzt der Hausfreund eine Predigt halten, zu-
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erst über die Erde und über die Sonne, darnach über den Mond, darnach über die Sterne.« Eine Predigt? Allerdings. Doch achten wir gut darauf, wer hier predigt. Der Hausfreund, nicht der Pfarrer. Aber ein Dichter, der predigt, ist ein schlechter Dichter; es sei denn, daß wir das Zeitwort »predigen« nachdenklicher verstehen. Predigen ist das lateinische praedicare. Das heißt: etwas vorsagen, dadurch kundtun, dadurch rühmen und so das zu-Sagende in seinem Glanz erscheinen lassen. Dieses »predigen« ist das Wesen des dichterischen Sagens. Demnach sind Hebels »Betrachtungen über das Weltgebäude« dichterisch. Das ist eine gewagte Behauptung; denn Hebels eigene Absicht und Äußerung scheinen dagegen zu sprechen. Hebel möchte doch mit den genannten Betrachtungen die Leser seines Kalenders zu einem besseren Wissen über das Weltgebäude anleiten, um sie aus ihrer nachlässigen Unwissenheit zu befreien. Die erste Seite des »Schatzkästleins« beginnt mit folgenden Sätzen (I, 264): »Dem geneigten Leser, wenn er zwischen seinen bekannten Bergen und Bäumen daheim sitzt bei den Seinigen, oder bei einem Schöpplein im Adler, so ist’s ihm wohl, und er denkt just nicht weiter. Wenn aber früh die Sonne in ihrer stillen Herrlichkeit aufgeht, so weiß er nicht, wo sie herkommt, und wenn sie abends untergeht, weiß er nicht, wo sie hinzieht, und wo sie die Nacht hindurch ihr Licht verbirgt, und auf welchem geheimen Fußpfad sie die Berge ihres Aufgangs wieder findet. Oder wenn der Mond einmal bleich und mager, ein andermal rund und voll durch die Nacht spaziert, er weiß wieder nicht, wo das herrührt, und wenn er in den Him-
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mel voll Sterne hinaufschaut, einer blinkt schöner und freudiger als der andere, so meint er, sie seien alle wegen seiner da, und weiß doch nicht recht, was sie wollen. Guter Freund, das ist nicht löblich, daß man so etwas alle Tage sieht, und fragt nie, was es bedeutet.«
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Der Hausfreund möchte seine Leser geneigt machen, dem nachzudenken, was sich in den Vorgängen und Zuständen der Natur bekundet, die unsere bewohnte Welt durchwalten. Darum stellt er die Natur seinen Lesern auch so dar, wie sie die »Naturkündiger und Sternseher« der neuzeitlichen Naturwissenschaft, allen voran der »rechtschaffene Kopernikus« vorstellen: nämlich in Zahlen, Figuren und Gesetzen. Wir sagen mit Bedacht: Der Hausfreund zeigt die Natur auch in ihrer wissenschaftlichen Berechenbarkeit. Aber er verliert sich nicht in diese Naturauffassung. Der Hausfreund lenkt zwar den Blick auf die berechenbare Natur, holt jedoch die so vorgestellte Natur zugleich in die Natürlichkeit der Natur zurück. Diese Natürlichkeit der Natur ist in ihrem Wesen, daher auch geschichtlich, um vieles älter als die Natur im Sinne des Gegenstandes der neuzeitlichen Naturwissenschaft. Die Natürlichkeit der Natur entwächst nie unmittelbar der Natur selbst, sie ist vielmehr eigens in dem erblickt, was vormals die alten griechischen Denker die »Physis« nannten: das Auf- und Zurückgehen alles Wesenden in sein An- und Abwesen. Das Natürliche der Natur ist jenes Auf- und Untergehen der Sonne, des Mondes, der Sterne, das die wohnenden Menschen unmittelbar anspricht, indem es ihnen das Geheimnisvolle der Welt zuspricht. Wenngleich in der wissenschaftlichen Aufklärung über das Weltgebäude die Sonne kopernikanisch gedacht wird, bleibt sie doch zugleich innerhalb der natürlichen Na tur nach zwei Gedichten He-
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bels jene »tolli Frau«, von der »alles Liecht und Wärmi ha will«, »die alles um e Segen a-spricht« und die »doch so güetig (blibt) und fründli!« (Das Habermus. I, 104 ff.; Der Sommerabend. I, 78 ff.)* Verwandelt Hebel hier die Sonne in eine Bauersfrau, oder kommt das Einfache einer solchen Frau und alles Menschenwesens erst zum Vorschein, wenn uns die Sonne und die Gestirne der natürlichen Natur mit ihrer stillen Pracht bescheinen? Goethe schreibt zwar in seiner Besprechung der »Allemannischen Gedichte« Hebels: »Der Verfasser verwandelt die Naturgegenstände zu Landleuten und verbauert, auf die naivste, anmutigste Weise, durchaus das Universum; so daß die Landschaft, in der man denn doch den Landmann immer erblickt, mit ihm in unserer erhöhten und erheiterten Phantasie nur eines auszumachen scheint.«** Hebel verbauert das Universum. Dieses Urteil klingt hart und ist doch freundlich gemeint. Es rührt sogar an eine Frage, die gerade das spätere Dichten und Denken Goethes unablässig bewegte. Was ist es denn, was auch wir, und erst recht wir heute, eines inständigen Fragens würdigen müssen? Es ist jenes Fragwürdige, das sich inzwischen ins Unermeßliche und Undurchschaubare gesteigert hat und unser Zeitalter fortreißt, wir wissen nicht wohin. Es ist jenes Fragwürdige, dafür wir heute noch nicht einmal den rechten Namen kennen: daß sich die technisch beherrschbare Natur der Wissenschaft und die natürliche Natur des gewohnten, gleichfalls geschichtlich bestimmten Wohnens des Menschen wie zwei fremde Bezirke gegeneinander absetzen und mit einer ständigen Beschleunigung immer weiter voneinander wegrasen. Es ist jenes Fragwürdige, daß die Berechenbarkeit der
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Natur für den einzigen Schlüssel zum Geheimnis der Welt ausgegeben wird. Es ist jenes Fragwürdige, daß die berechenbare Natur als die vermeintlich wahre Welt alles Sinnen und Trachten des Menschen an sich reißt und das menschliche Vorstellen zu einem bloß rechnenden Denken verändert und verhärtet. Es ist jenes Fragwürdige, daß die natürliche Natur in das Nichtige eines Phantasiegebildes herabsinkt und nicht einmal mehr die Dichter anspricht. Es ist jenes Fragwürdige, daß die Dichtung selbst keine maßgebende Gestalt der Wahrheit mehr zu sein vermag. Dies alles läßt sich auch so sagen: Wir irren heute durch ein Haus der Welt, dem der Hausfreund fehlt, jener nämlich, der in gleicher Weise und Stärke dem technisch ausgebauten Weltgebäude und der Welt als dem Haus für ein ursprünglicheres Wohnen zugeneigt ist. Jener Hausfreund fehlt, der es vermöchte, die Berechenbarkeit und Technik der Natur in das offene Geheimnis einer neu erfahrenen Natürlichkeit der Natur zurückzubergen. Dieser Hausfreund verbauert allerdings das Universum. Aber dieses Verbauern hat die Art jenes Bauens, das auf ein ursprünglicheres Wohnen des Menschen hinausdenkt. Dafür braucht es Bauende, die wissen, daß der Mensch durch die Atomenergie nicht leben, sondern höchstens umkommen, d. h., sein Wesen verlieren muß, auch dann, wenn die Atomenergie nur zu friedlichen Zwecken genutzt wird und diese Zwek ke für alle Zielsetzung und Bestimmung des Menschen allein maßgebend bleiben. Dem gegenüber bedenken die eigentlich Bauenden, daß das bloße Leben, das man lebt, noch kein Wohnen ist. Denn der Mensch »wohnet«, wenn er wohnt, nach dem Wort Hölderlins »dichterisch … auf dieser Erde«.* Johann Peter Hebel ist Dichter in der Gestalt des Haus-
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freundes. Wir Heutigen können freilich nicht mehr in die von Hebel vor anderthalb Jahrhunderten erfahrene Welt zurück, weder in das unversehrte Ländliche jener Zeit, noch zu ihrem beschränkten Wissen von der Natur. Aber wir können darauf merken, daß und wie das Dichterische des menschlichen Wohnens den Dichter braucht, der in einem hohen und weiten Sinne der Freund ist: dem Haus der Welt. Wir können vorausblicken auf das, wohin Johann Peter Hebel winkt, wenn er den Dichter als den Hausfreund denkt, der das Haus der Welt für das Wohnen der Menschen zur Sprache bringt. »Zur Sprache bringen« – wir gebrauchen diese Wendung gewöhnlich, um auszudrücken, etwas werde zur Diskussion gestellt und verhandelt. Wenn wir jedoch die Wendung »zur Sprache bringen« bedachtsam nach dem Gewicht ihrer Worte denken, gewinnt sie einen tieferen Sinn. Dann heißt »zur Sprache bringen«: vormals Ungesprochenes, nie Gesagtes allererst ins Wort heben und bislang Verborgenes durch das Sagen erscheinen lassen. Bedenken wir das Sagen nach dieser Hinsicht, dann zeigt sich: Die Sprache birgt den Schatz alles Wesenhaften in sich. Was in Johann Peter Hebels »Schatzkästlein« verborgen ist, haben bis heute nur wenige schon ganz ermessen. Die deutsche Schriftsprache, in der Hebels Betrachtungen und Erzählungen sprechen, ist die einfachste, hellste, zugleich bezauberndste und besinnlichste, die je geschrieben wurde. Die Sprache des Hebelschen Schatzkästleins bleibt die hohe Schule für jeden, der sich anschickt, maßgebend in dieser Sprache zu reden und zu schreiben. Worin liegt das Geheimnis der Sprache Hebels? Nicht in einem gekünstelten Stilwillen, auch nicht in der Absicht,
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möglichst volkstümlich zu schreiben. Das Ge heimnis der Sprache des Schatzkästleins ruht darin, daß Hebel es vermochte, die Sprache der alemannischen Mundart der Hochund Schriftsprache einzuverleiben. Auf diese Weise läßt der Dichter die Schriftsprache als reines Echo des Reichtums der Mundart erklingen. Hören wir noch die Sprache des Schatzkästleins? Geht uns denn überhaupt unsere Sprache noch so an, daß wir auf sie hören? Oder schwindet uns die eigene Sprache weg? In der Tat. Das einst Gesprochene unserer Sprache, ihr unerschöpfliches Altertum, versinkt mehr und mehr in einer Vergessenheit. Was geschieht hier? Wann immer und wie immer der Mensch spricht, er spricht nur, indem er zuvor schon auf die Sprache hört. Dabei ist auch das Überhören der Sprache noch eine Art des Hörens. Der Mensch spricht aus jener Sprache heraus, der sein Wesen zugesprochen ist. Wir nennen diese Sprache: die Muttersprache. Im Blick auf die geschichtlich gewachsene Sprache – daß sie Muttersprache ist – dürfen wir sagen: Eigentlich spricht die Sprache, nicht der Mensch. Der Mensch spricht erst, insofern er jeweils der Sprache ent-spricht. Im gegenwärtigen Zeitalter bringt sich aber zufolge der Hast und Gewöhnlichkeit des alltäglichen Redens und Schreibens ein anderes Verhältnis zur Sprache immer entschiedener in die Vorherrschaft. Wir meinen nämlich, auch die Sprache sei nur, wie alles Tägliche sonst, womit wir umgehen, ein Instrument, und zwar das Instrument der Verständigung und der Information. Diese Vorstellung von der Sprache ist uns so geläufig, daß wir ihre unheimliche Macht kaum bemerken. Inzwischen kommt jedoch dieses Unheimliche deutlicher ans Licht. Die Vorstellung von der Sprache als einem Instru-
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ment der Information drängt heute ins Äußerste. Man hat zwar eine Kenntnis von diesem Vorgang, bedenkt aber nicht seinen Sinn. Man weiß, daß jetzt im Zusammenhang mit der Konstruktion des Elektronenhirns nicht nur Rechenmaschinen, sondern auch Denk- und Übersetzungsmaschinen gebaut werden. Alles Rechnen im engeren und weiteren Sinne, alles Denken und Übersetzen bewegt sich jedoch im Element der Sprache. Durch die genannten Maschinen hat sich die Sprachmaschine verwirklicht. Die Sprachmaschine im Sinne der technischen Anlage von Rechen- und Übersetzungsmaschinen ist etwas anderes als die Sprechmaschine. Diese kennen wir in der Form einer Apparatur, die unser Sprechen aufnimmt und wiedergibt, die somit in das Sprechen der Sprache noch nicht eingreift. Dagegen regelt und bemißt die Sprachmaschine von ihren maschinellen Energien und Funktionen her bereits die Art unseres möglichen Gebrauches der Sprache. Die Sprachmaschine ist – und wird vor allem erst noch – eine Weise, wie die moderne Technik über die Art und die Welt der Sprache als solcher verfügt. Inzwischen erhält sich vordergründig immer noch der Anschein, als meistere der Mensch die Sprachmaschine. Aber die Wahrheit dürfte sein, daß die Sprachmaschine die Sprache in Betrieb nimmt und so das Wesen des Menschen meistert. Das Verhältnis des Menschen zur Sprache ist in einer Wandlung begriffen, deren Tragweite wir noch nicht ermessen. Der Verlauf dieser Wandlung läßt sich auch nicht unmittelbar aufhalten. Er geht überdies in der größten Stille vor sich. Zwar müssen wir zugeben, daß die Sprache im Alltag wie ein Mittel der Verständigung erscheint und als dieses
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Mittel für die gewöhnlichen Verhältnisse des Lebens benutzt wird. Allein es gibt noch andere Verhältnisse als die gewöhnlichen. Goethe nennt diese anderen Verhältnisse die »tiefern« und sagt von der Sprache: »Im gemeinen Leben kommen wir mit der Sprache notdürftig fort, weil wir nur oberflächliche Verhältnisse bezeichnen. Sobald von tiefern Verhältnissen die Rede ist, tritt sogleich eine andere Sprache ein, die poetische.« (Werke. 2. Abt. Bd. 11. Weimar 1893, S. 167.)* Diese tieferen Verhältnisse des menschlichen Daseins nennt Johann Peter Hebel, wenn er einmal schreibt: »Wir sind Pflanzen, die – wir mögen’s uns gerne gestehen oder nicht – mit den Wurzeln aus der Erde steigen müssen, um im Äther blühen und Früchte tragen zu können.« (III, S. 314.)**
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Die Erde – dieses Wort nennt in Hebels Satz alles das, was uns als Sichtbares, Hörbares, Fühlbares trägt und umgibt, befeuert und beruhigt: das Sinnliche. Der Äther (der Himmel) – dieses Wort nennt in Hebels Satz alles das, was wir vernehmen, aber nicht mit den Sinnesorganen: das Nicht-Sinnliche, den Sinn, den Geist. Weg und Steg aber zwischen der Tiefe des vollkommen Sinnlichen und der Höhe des kühnsten Geistes ist die Sprache. Inwiefern? Das Wort der Sprache tönt und läutet im Wortlaut, lichtet sich und leuchtet im Schriftbild. Laut und Schrift sind zwar Sinnliches, aber Sinnliches, darin je und je ein Sinn verlautet und erscheint. Das Wort durchmißt als der sinnliche Sinn die Weite des Spielraums zwischen Erde
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HEBEL – DER HAUSFREUND
und Himmel. Die Sprache hält den Bereich offen, in dem der Mensch auf der Erde unter dem Himmel das Haus der Welt bewohnt. Johann Peter Hebel, der Dichter, wandert hellen Sinnes auf den Wegen und Stegen, als welche wir die Sprache erfahren können. Wir können es, wenn wir die Freundschaft suchen mit dem Freund, der als Dichter selbst Freund ist dem Haus der Welt – mit Johann Peter Hebel: dem Hausfreund.
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HEIDEGGERS NOTIZEN zu Hebel – Der Hausfreund [Anm. d. Hrsg.: Heidegger hat in seinem Handexemplar ein Notizblatt eingelegt, dessen Wortlaut hier wiedergegeben wird.] »Hausfreund« in Calendermann umgetauft. Brief an Justinus Kerner n. 417, S. 618*
»Der Hausfreund«, der selber kein »Haus« hatte. Brief an Hitz[ig], n. 315, S. 499** Wer bin ich, o Herr, und wo ist mein Haus? Ich habe keines.–***
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HEIDEGGERS NOTIZEN
HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS zu Hebel – Der Hausfreund [Anm. d. Hrsg.: Heidegger hat in seinem Handexemplar auf dem Nachsatzblatt ein Stichwortverzeichnis mit Seitenverweisen notiert, dessen Wortlaut hier wiedergegeben wird. Die dort aufgeführten Seitenverweise beziehen sich auf die Paginierung der Erstausgabe, in der vorliegenden Ausgabe ist diese Paginierung in eckigen Klammern an den Seitenrändern angegeben.] »das Fragwürdige« S. 30 ff. Die Sprache 33 ff.
HEIDEGGERS STIC HWO R TVE R Z E I CHN I S
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Editorische Notiz zu »Hebel – der Hausfreund« Hebel – der Hausfreund erschien erstmals 1957 im Verlag Günther Neske. Der Text ist eine umgearbeitete und erweiterte Fassung von Martin Heideggers »Rede auf Hebel«, die er zur Eröffnung des Hebeltages 1956 in der Stadthalle Lörrach gehalten hat. Sie wurde auszugsweise abgedruckt am 20. Mai 1956 in der Sonntagsbeilage der National Zeitung Basel Nr. 228. Vollständig abgedruckt in: »Martin Heidegger, ›Gespräch mit Hebel‹ beim ›Schatzkästlein‹ zum Hebeltag 1956«, in: Schriftenreihe des Hebelbundes, Nr. 4, Lörrach, 1956, S. 5 – 15. Auch veröffentlicht in: Hebeldank. Bekenntnis zum alemannischen Geist in sieben Reden beim »Schatzkästlein«, hrsg. von Hanns Uhl, Freiburg i. Br., Rombach, 1964, S. 51 – 64. Später in: Martin Heidegger, Aus der Erfahrung des Denkens, hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1983 (HGA 13), S. 133 – 150, siehe dort auch »Für das Langenharder Hebelbuch«, S. 117 – 118; »Die Sprache Johann Peter Hebels«, S. 123– 125; »Sprache und Heimat«, S. 155–180. Die in eckigen Klammern an den Seitenrändern der vorliegenden Ausgabe angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Seitenzahlen der Erstausgabe: Martin Heidegger, Hebel – Der Hausfreund, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1957. Diese Seitenzahlen entsprechen auch denen des hier verwendeten Handexemplars der zweiten Auflage von 1958. Mittelstriche markieren die ursprünglichen Sei-
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EDITORISCHE NOTIZ
tenumbrüche. In späteren Auflagen verschoben sich die Seitenzahlen um minus 2 bis minus 9 Seiten. Hochgestellte Kleinbuchstaben und dazugehörige Fußnoten im Haupttext verweisen auf Annotationen (z. B. Anmerkungen und Ergänzungen), die Heidegger handschriftlich in dem hier zugrunde gelegten, persönlichen Handexemplar der zweiten Auflage 1958 notiert hat. Sternchenmarkierungen verweisen auf Anmerkungen und Ergänzungen der Herausgeber. Weitere Erklärungen im »Nachwort der Herausgeber«, S. 477 ff.
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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS
Weg und Waage, Steg und Sage finden sich in einen Gang.
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Geh und trage Fehl und Frage deinen einen Pfad entlang.
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Wenn das frühe Morgenlicht still über den Bergen wächst ....
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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS
Die Verdüsterung der Welt erreicht nie das Licht des Seyns.
[7]
Wir kommen für die Götter zu spät* und zu früh für das Seyn. Dessen angefangenes Gedicht ist der Mensch.
Auf einen Stern zugehen, nur dieses.**
Denken ist die Einschränkung auf einen Gedanken, der einst wie ein Stern am Himmel der Welt stehen bleibt.
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Wenn das Windrädchen vor dem Hüttenfenster im aufziehenden Gewittersturm singt ....
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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS
Stammt der Mut des Denkens aus der Zumutung des Seyns, dann gedeiht die Sprache des Geschicks.
Sobald wir die Sache vor den Augen und im Herzen das Gehör auf das Wort haben, glückt das Denken.
Wenige sind erfahren genug im Unterschied zwischen einem gelehrten Gegenstand und einer gedachten Sache.*
Gäbe es im Denken schon Widersacher und nicht bloße Gegner, dann stünde es um die Sache des Denkens günstiger.
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[9]
[10]
Wenn unter aufgerissenem Regenhimmel plötzlich ein Sonnenschein über das Düstere der Matten gleitet ....
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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS
Wir kommen nie zu Gedanken. Sie kommen zu uns.
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Das ist die schickliche Stunde des Gesprächs.
Es erheitert zur geselligen Besinnung. Diese kehrt weder das gegenstrebige Meinen hervor, noch duldet sie das nachgiebige Zustimmen. Das Denken bleibt hart am Wind der Sache.
Aus solcher Geselligkeit erstünden einige vielleicht zu Gesellen im Handwerk des Denkens. Damit unvermutet einer aus ihnen Meister werde.
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Wenn im Vorsommer vereinzelte Narzissen verborgen in der Wiese blühen und die Bergrose unter dem Ahorn leuchtet ....
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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS
Die Pracht des Schlichten.
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Erst Gebild wahrt Gesicht. Doch Gebild ruht im Gedicht.
Wen könnte, solang er die Traurigkeit meiden will, je die Ermunterung durchwehen?
Der Schmerz verschenkt seine Heilkraft dort, wo wir sie nicht vermuten.
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Wenn der Wind, rasch umsetzend, im Gebälk der Hütte murrt und das Wetter verdrießlich werden will ....
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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS
Drei Gefahren drohen dem Denken.
[15]
Die gute und darum heilsame Gefahr ist die Nachbarschaft des singenden Dichters.
Die böse und darum schärfste Gefahr ist das Denken selber. Es muß gegen sich selbst denken, was es nur selten vermag.
Die schlechte und darum wirre Gefahr ist das Philosophieren.
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Wenn am Sommertag der Falter sich auf die Blume niederläßt und, die Flügel geschlossen, mit ihr im Wiesenwind schwingt ....
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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS
Aller Mut des Gemüts ist der Widerklang auf die Anmutung des Seyns, die unser Denken in das Spiel der Welt versammelt.
Im Denken wird jeglich Ding einsam und langsam.
In der Langmut gedeiht Großmut.
Wer groß denkt, muß groß irren.*
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Wenn der Bergbach in der Stille der Nächte von seinen Stürzen über die Felsblöcke erzählt ....
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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS
Das Älteste des Alten kommt in unserem Denken hinter uns her und doch auf uns zu.
Darum hält sich das Denken an die Ankunft des Gewesenen und ist Andenken.
Alt sein heißt: rechtzeitig dort innehalten, wo der einzige Gedanke eines Denkweges in sein Gefüge eingeschwungen ist.
Den Schritt zurück aus der Philosophie in das Denken des Seyns dürfen wir wagen, sobald wir in der Herkunft des Denkens heimisch geworden sind.
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Wenn in den Winternächten Schneestürme an der Hütte zerren und eines Morgens die Landschaft in ihr Verschneites gestillt ist ....
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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS
Die Sage des Denkens wäre erst dadurch in ihr Wesen beruhigt, daß sie unvermögend würde, jenes zu sagen, was ungesprochen bleiben muß.
Solches Unvermögen brächte das Denken vor die Sache.*
Nie ist das Gesprochene und in keiner Sprache das Gesagte.
Daß je und jäh ein Denken ist, wessen Erstaunen möchte dies ausloten?
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Wenn es von den Hängen des Hochtales, darüber langsam die Herden ziehen, glockt und glockt ....
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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS
Der Dichtungscharakter des Denkens ist noch verhüllt.
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Wo er sich zeigt, gleicht er für lange Zeit der Utopie eines halbpoetischen Verstandes.
Aber das denkende Dichten ist in der Wahrheit die Topologie des Seyns.
Sie sagt diesem die Ortschaft seines Wesens.
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Wenn das Abendlicht, irgendwo im Wald einfallend, die Stämme umgoldet ....*
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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS
Singen und Denken sind die nachbarlichen Stämme des Dichtens.
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Sie entwachsen dem Seyn und reichen in seine Wahrheit.
Ihr Verhältnis gibt zu denken, was Hölderlin von den Bäumen des Waldes singt:
»Und unbekannt einander bleiben sich, solang sie stehn, die nachbarlichen Stämme.«*
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Wälder lagern Bäche stürzen Felsen dauern Regen rinnt.
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Fluren warten Brunnen quellen Winde wohnen Segen sinnt.
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AUS DER ERFAHRUNG DES DENKENS
Geschrieben im Jahre 1947
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[28]
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Editorische Notiz zu »Aus der Erfahrung des Denkens« Aus der Erfahrung des Denkens erschien 1947 zunächst als Privatdruck in 50 nummerierten Exemplaren (Druckerei Benteli AG, Bern-Bümplitz). Diese Ausgabe hat Heidegger als Handexemplar verwendet. Die Ausgabe, die 1954 im Verlag Günther Neske erschien und deren Text die Grundlage für die vorliegende Ausgabe bildet, enthält auf der letzten Seite den Zusatz Geschrieben im Jahre 1947 und wurde von Heidegger um insgesamt vier Strophen (»Winke«)* erweitert, von denen die ersten zwei den Textbeginn markieren (S. 5 der Neske-Ausgabe) und die letzten zwei das Textende (S. 27 der Neske-Ausgabe). In Heideggers Vortrag »Schöpferische Landschaft: Warum bleiben wir in der Provinz?« (1933) findet sich eine Überlegung, die dieses »poetische Verfahren« näher erläutert: »Wenn in tiefer Winternacht ein wilder Schneesturm mit seinen Stößen um die Hütte rast und alles verhängt und verhüllt, dann ist die hohe Zeit der Philosophie. Ihr Fragen muß dann einfach und wesentlich werden. Die Durcharbeitung jedes Gedankens kann nicht anders denn hart und scharf sein. Die Mühe der sprachlichen Prägung ist wie der Widerstand der ragenden Tannen gegen den Sturm.«** Das Handexemplar enthält auf der ersten Seite in gedruckter Form den Zusatz »Unter den hohen Tannen hindurch«. Auf dieser Seite hat Heidegger handschriftlich Seitenangaben zur Korrektur von Druckfehlern notiert. Diese
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EDITORISCHE NOTIZ
Korrekturen wurden in der Neske-Ausgabe von 1954 übernommen. Hinzu kommt auf derselben Seite ein handschriftlicher Zusatz: »Ein Vierteljahrhundert Stille und Sturm der Hütte«.* Die im Handexemplar recte gesetzten Texte befinden sich in der Neske-Ausgabe jeweils auf der linken Seite; die kursiv gesetzten auf der rechten Seite. Die Verszeilen der linken Seite enden im Handexemplar mit drei Punkten; in der Neske-Ausgabe mit vier. Das Zeilenende auf der linken Seite definiert den Zeilenbeginn auf der rechten Seite, so dass die erste Zeile rechts auf der Höhe der letzten Zeile links beginnt. Dies ist bewusst so angelegt, da die Texte auf der linken Seite Stimmungen evozieren, aus denen die in den Texten auf der rechten Seite kommunizierten Denkerfahrungen hervorgehen. Die in eckigen Klammern an den Seitenrändern der vorliegenden Ausgabe angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Seitenzahlen der Neske-Ausgabe: Martin Heidegger, Aus der Erfahrung des Denkens, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954. Textvarianten hinsichtlich der HeideggerGesamtausgabe (HGA 13, S. 75 – 86) werden in den Editorischen Anmerkungen ausgewiesen. Mittelstriche als Zeichen für Seitenwechsel der Erstausgabe wurden nicht eigens gekennzeichnet, da jede Texteinheit auf einer neuen Seite beginnt. In späteren Auflagen verschoben sich die Seitenzahlen um minus 2 bis minus 9 Seiten. Sternchenmarkierungen verweisen auf Anmerkungen und Ergänzungen der Herausgeber. Weitere Erklärungen im »Nachwort der Herausgeber«, S. 477 ff.
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DIE TECHNIK UND DIE KEHRE
VORBEMERKUNG
[3]
nter dem Titel »Einblick in das was ist« hielt der Verfasser am 1. Dezember 1949 im Club zu Bremen vier Vorträge, die im Frühjahr 1950 (25. und 26. März) auf Bühlerhöhe unverändert wiederholt wurden. Die Titel lauteten: Das Ding. Das Gestell. Die Gefahr. Die Kehre.* Der erste Vortrag wurde in erweiterter Fassung am 6. Juni 1950 in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste gehalten. (Siehe: Vorträge und Aufsätze, 1954, S. 163 ff.)**. Der zweite Vortrag wurde am 18. November 1953*** in der von der genannten Akademie veranstalteten Reihe »Die Künste im technischen Zeitalter« unter dem Titel »Die Frage nach der Technik« gleichfalls in erweiterter Fassung gehalten. (Siehe: Vorträge und Aufsätze, 1954, S. 9 ff.)****. Die vorliegende Schrift gibt diesen Text unverändert wieder. Der dritte Vortrag bleibt noch unveröffentlicht.a Der vierte Vortrag »Die Kehre« wird hier nach der ersten Fassung unverändert zum erstenmal veröffentlicht.
U
a
[1962, S. 7] vgl. Se´minaire du Thor 1969*****
VORBEMERKUNG
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DIE FRAGE NACH DER TECHNIK
m folgenden fragen wir nach der Technik. Das Fragen baut an einem Weg. Darum ist es ratsam, vor allem auf den Weg zu achten und nicht an einzelnen Sätzen und Titeln hängenzubleiben. Der Weg ist ein Weg des Denkens. Alle Denkwege führen, mehr oder weniger vernehmbar, auf eine ungewöhnliche Weise durch die Sprache. Wir fragen nach der Technik und möchten dadurch eine freie Beziehung zu ihr vorbereiten. Frei ist die Beziehung, wenn sie unser Dasein dem Wesen der Technik öffnet.a Entsprechen wir diesem, dann vermögen wir es, das Technische in seiner Begrenzung zu erfahren. Die Technik ist nicht das gleiche wie das Wesen der Technik. Wenn wir das Wesen des Baumes suchen, müssen wir gewahr werden, daß jenes, was jeden Baum als Baum durchwaltet, nicht selber ein Baum ist, der sich zwischen den übrigen Bäumen antreffen läßt. So ist denn auch das Wesen der Technik ganz und gar nichts Technisches. Wir erfahren darum niemals unsere Beziehung zum Wesen der Technik, solange wir nur das Technische vorstellen und betreiben, uns damit abfinden oder ihm ausweichen. Überall bleiben wir unfrei an die Technik gekettet, ob wir sie leidenschaftlich bejahen oder verneinen. Am ärgsten sind wir jedoch der Technik aus-
I
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[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 13] vgl. 116
DIE FRAGE NACH DER TECHNIK
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[5]
[6]
geliefert, wenn wir sie als etwas Neutrales betrachten; denn diese Vorstellung, der man heute besonders gern huldigt, macht uns vollends blind gegen das Wesen der Technik. Als das Wesen von etwas gilt nach alter Lehre jenes, was etwas ist. Wir fragen nach der Technik, wenn wir fragen, was sie sei. Jedermann kennt die beiden Aussagen, die unsere Frage beant worten. Die eine sagt: Technik ist ein Mittel für Zwecke. Die andere sagt: Technik ist ein Tun des Menschen. Beide Bestimmungen der Technik gehören zusammen. Denn Zweckea setzen, die Mittel dafür beschaffen und benützen, ist ein menschliches Tun. Zu dem, was die Technik ist, gehört das Verfertigen und Benützen von Zeug, Gerät und Maschinen, gehört dieses Verfertigte und Benützte selbst, gehören die Bedürfnisseb c und Zwecke, denen sie dienen. Das Ganze dieser Einrichtungen ist die Technik. Sie selber ist eine Einrichtung, lateinisch gesagt: ein instrumentumd. Die gängige Vorstellung von der Technik, wonach sie ein Mittel ist und ein menschliches Tun, kann deshalb die instrumentale und anthropologische Bestimmung der Technik heißen. Wer wollte leugnen, daß sie richtig sei? Sie richtet sich offenkundig nach dem, was man vor Augen hat, wenn man von Technik spricht. Die instrumentale Bestimmung der Technik ist sogar so unheimlich richtig, daß sie auch noch für die moderne Technik zutrifft, von der man sonst mit einem gewissen Recht behauptet, sie sei gegenüber der älteren handwerklichen Technik etwas durchaus Anderes a b
c d
[1954 Gestalt und Gedanke, S. 71] 〈Denn〉 – 〈Zwecke〉 [1954 Gestalt und Gedanke, S. 71] (Wirtschaft – Bedarfsdeckung Konsum –) – Industrie. [1954 Gestalt und Gedanke, S. 71] das erhöhte Konsumpotential [1954 Gestalt und Gedanke, S. 71] 〈instrumentum〉
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und darum Neues. Auch das Kraftwerk ist mit seinen Turbinen und Generatoren ein von Menschen gefertigtes Mittel zu einem von Menschen gesetzten Zweck. Auch das Raketenflugzeug, auch die Hochfrequenzmaschine sind Mittel zu Zwecken. Natürlich ist eine Radarstation weniger einfach als eine Wetterfahne. Natürlich bedarf die Verfertigung einer Hochfrequenzmaschine des Ineinandergreifens verschiedener Arbeitsgänge der technisch-industriellen Produktion. Natürlich ist eine Sägemühle in einem verlorenen Schwarzwaldtal ein primitives Mittel im Vergleich zum Wasserkraftwerk im Rheinstrom. Es bleibt richtig: auch die moderne Technik ist ein Mittel zu Zwecken. Darum bestimmt die instrumentale Vorstellung von der Technik jede Bemühung, den Menschen in den rechten Be zug zur Technik zu bringen. Alles liegt daran, die Technik als Mittel in der gemäßen Weise zu handhaben. Man will, wie es heißt, die Technik »geistig in die Hand bekommen«. Man will sie meistern. Das Meistern-wollen wird um so dringlicher, je mehr die Technik der Herrschaft des Menschen zu entgleiten droht. Gesetzt nun aber, die Technik sei kein bloßes Mittel, wie steht es dann mit dem Willen, sie zu meistern? Allein, wir sagten doch, die instrumentale Bestimmung der Technik sei richtig. Gewiß. Das Richtige stellt an dem, was vorliegt, jedesmal irgend etwas Zutreffendes fest. Die Feststellung braucht jedoch, um richtig zu sein, das Vorliegende keineswegs in seinem Wesen zu enthüllen. Nur dort, wo solches Enthüllen geschieht, ereignet sich das Wahre. Darum ist das bloß Richtige noch nicht das Wahre. Erst dieses bringt uns in ein freies Verhältnis zu dem, was uns aus seinem Wesen her angeht. Die richtige instrumentale Bestimmung der Technik zeigt uns demnach noch nicht ihr Wesen. Damit wir zu diesem oder wenigstens in seine Nähe gelangen,
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müssen wir durch das Richtige hindurch das Wahre suchen. Wir müssen fragen: was ist das Instrumentale selbst? Wohin gehört dergleichen wie ein Mittel und ein Zweck? Ein Mittel ist solches, wodurch etwas bewirkt und so erreicht wird. Was eine Wirkung zur Folge hat, nennt man Ursache. Doch nicht nur jenes, mittels dessen ein anderes bewirkt wird, ist Ursache. Auch der Zweck, demgemäß die Art der Mittel sich bestimmt, gilt als Ursache. Wo Zwecke verfolgt, Mittel verwendet werden, wo das Instrumentale herrscht, da waltet Ursächlichkeit, Kausalität. Seit Jahrhunderten lehrt die Philosophie, es gäbe vier Ursachen: 1. die causa materialis, das Material, der Stoff, woraus z. B. eine silberne Schale verfertigt wird; 2. die causa formalis, die Form, die Gestalt, in die das Material eingeht; 3. die causa finalis, der Zweck, z. B. der Opferdienst, durch den die benötigte Schale nach Form und Stoff bestimmt wird; 4. die causa efficiens, die den Effekt, die fertige wirkliche Schale erwirkt, der Silber schmied. Was die Technik, als Mittel vorgestellt, ist, enthüllt sich, wenn wir das Instrumentale auf die vierfache Kausalität zurückführen. Wie aber, wenn sich die Kausalität ihrerseits in dem, was sie ist, ins Dunkel hüllt? Zwar tut man seit Jahrhunderten so, als sei die Lehre von den vier Ursachen wie eine sonnenklare Wahrheit vom Himmel gefallen. Indessen dürfte es an der Zeit sein zu fragen: weshalb gibt es gerade vier Ursachen? Was heißt in Bezug auf die genannten vier eigentlich »Ursache«? Woher bestimmt sich der Ursachecharakter der vier Ursachen so einheitlich, daß sie zusammengehören? Solange wir uns auf diese Fragen nicht einlassen, bleibt die Kausalität und mit ihr das Instrumentale und mit diesem die gängige Bestimmung der Technik dunkel und grundlos.
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Man pflegt seit langem die Ursache als das Bewirkende vorzustellen. Wirken heißt dabei: Erzielen von Erfolgen, Effekten. Die causa efficiens, die eine der vier Ursachen, bestimmt in maßgebender Weise alle Kausalität. Das geht so weit, daß man die causa finalis, die Finalität, überhaupt nicht mehr zur Kausalität rechnet. Causa, casus, gehört zum Zeitwort cadere, fallen, und bedeutet dasjenige, was bewirkt, daß etwas im Erfolg so oder so ausfällt. Die Lehre von den vier Ursachen geht auf Aristoteles zurück. Im Bereich des griechischen Denkens und für dieses hat jedoch alles, was die nachkommenden Zeitalter bei den Griechen unter der Vorstellung und dem Titel »Kausalität« suchen, schlechthin nichts mit dem Wirken und Bewirken zu tun. Was wir Ursache, die Römer causa nennen, heißt bei den Griechen aiÍtion, das, was ein anderes verschuldet. Die vier Ursachen sind die unter sich zusammengehörigen Weisen des Verschuldens. Ein Beispiel kann dies erläutern. Das Silber ist das, woraus die Silberschale verfertigt ist. Es ist als dieser Stoff (yÏlh) mitschuld an der Schale. Diese schuldet, d. h. verdankt dem Silber das, woraus sie besteht. Aber das Opfer gerät bleibt nicht nur an das Silber verschuldet. Als Schale erscheint das an das Silber Verschuldete im Aussehen von Schale und nicht in demjenigen von Spange oder Ring. Das Opfergerät ist so zugleich an das Aussehen (ekdow) von Schalenhaftem verschuldet. Das Silber, worein das Aussehen als Schale eingelassen ist, das Aussehen, worin das Silberne erscheint, sind beide auf ihre Weise mitschuld am Opfergerät. Schuld an ihm bleibt jedoch vor allem ein Drittes. Es ist jenes, was zum voraus die Schale in den Bereich der Weihe und des Spendens eingrenzt. Dadurch wird sie als Opfergerät umgrenzt. Das Umgrenzende beendet das Ding. Mit diesem Ende hört das Ding nicht auf, sondern aus ihm her
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beginnt es als das, was es nach der Herstellung sein wird. Das Beendende, Vollendende in diesem Sinne heißt griechisch teÂlow, was man allzuhäufig durch »Ziel« und »Zweck« übersetzt und so mißdeutet. Das teÂlow verschuldet, was als Stoff und was als Aussehen das Opfergerät mitverschuldet. Schließlich ist ein Viertes mitschuld am Vor- und Bereitliegen des fertigen Opfergerätes: der Silberschmied; aber keineswegs dadurch, daß er wirkend die fertige Opferschale als den Effekt eines Machens bewirkt, nicht als causa efficiens. Die Lehre des Aristoteles kennt weder die mit diesem Titel genannte Ursache, noch gebraucht sie einen entsprechenden griechischen Namen. Der Silberschmied überlegt sich und versammelt die drei genannten Weisen des Verschuldens. Überlegen heißt griechisch leÂgein, loÂgow. Es beruht im aÆpofaiÂnesûai, zum Vorschein bringen. Der Silberschmied ist mitschuld als das, von wo her das Vorbringen und das Aufsichberuhen der Opferschale ihren ersten Ausgang nehmen und behalten. Die drei zuvor genannten Weisen des Verschuldens verdanken der Überlegung des Silberschmieds, daß sie und wie sie für das Hervorbringen der Opferschale zum Vorschein und ins Spiel kommen. In dem vor- und bereitliegenden Opfergerät walten somit vier Weisen des Verschuldens. Sie sind unter sich verschieden und gehören doch zusammen. Was einigt sie im voraus? Worin spielt das Zusammenspiel der vier Weisen des Verschuldens? Woher stammt die Einheit der vier Ursachen? Was meint denn, griechisch gedacht, dieses Verschulden? Wir Heutigen sind zu leicht geneigt, das Verschulden entweder moralisch als Verfehlung zu verstehen oder aber
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als eine Art des Wirkens zu deuten. In beiden Fällen versperren wir uns den Weg zum anfänglichen Sinn dessen, was man später Kausalität nennt. Solange sich dieser Weg nicht öffnet, erblicken wir auch nicht, was das Instrumentale, das im Kausalen beruht, eigentlich ist. Um uns vor den genannten Mißdeutungen des Verschuldens zu schützen, verdeutlichen wir seine vier Weisen aus dem her, was sie verschulden. Nach dem Beispiel verschulden sie das Vor- und Bereitliegen der Silberschale als Opfergerät. Vorliegen und Bereitliegen (yëpokeosûai) kennzeichnen* das Anwesen eines Anwesenden. Die vier Weisen des Verschuldens bringen etwas ins Erscheinen. Sie lassen es in das An-wesen vorkommen. Sie lassen es dahin los und lassen es so an, nämlich in seine vollendete Ankunft. Das Verschulden hat den Grundzug dieses An-lassens in die Ankunft. Im Sinne solchen Anlassens ist das Verschulden das Ver-an-lassen. Aus dem Blick auf das, was die Griechen im Verschulden, in der aiÆtiÂa, erfuhren, geben wir dem Wort »ver-an-lassen« jetzt einen weiteren Sinn, so daß dieses Wort das Wesen der griechisch gedachten Kausalität benennt. Die geläufige und engere Bedeutung des Wortes »Veranlassung« besagt dagegen nur soviel wie Anstoß und Auslösung und meint eine Art von Nebenursache im Ganzen der Kausalität. Worin spielt nun aber das Zusammenspiel der vier Weisen des Ver-an-lassens? Sie lassen das noch nicht Anwesende ins Anwesen ankommen. Demnach sind sie einheitlich durchwaltet von einem Bringen, das Anwesendes in den Vorschein bringt. Was dieses Bringen ist, sagt uns Platon in einem Satz des »Symposion« (205 b)**: hë gaÂr toi eÆk too µhÁ oÍntow eiÆw toÁ oÃn ÆioÂnti oëtvi oon aiÆtiÂa pfsa eÆsti poiÂhsiw. »Jede Veranlassung für das, was immer aus dem NichtAnwesenden über- und vorgeht in das Anwesen, ist poiÂhsiw, ist Her-vor-bringen.« DIE FRAGE NACH DER TECHNIK
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Alles liegt daran, daß wir das Her-vor-bringen in seiner ganzen Weite und zugleich im Sinne der Griechen denken. Ein Her-vor-bringen, poiÂhsiw, ist nicht nur das handwerkliche Verfertigen, nicht nur das künstlerisch-dichtende zum-Scheinen- und ins-Bild-Bringen. Auch die fyÂsiw, das von-sich-her-Aufgehen, ist ein Her-vor-bringen, ist poiÂhsiw. Die fyÂsiw ist sogar poiÂhsiw im höchsten Sinne. Denn das fyÂsei Anwesende hat den Aufbruch des Her-vor-bringens, z. B. das Aufbrechen der Blüte ins Erblühen, in ihr selbst (eÆn eëaytli ). Dagegen hat das handwerklich und künstlerisch Her-vor-gebrachte, z. B. die Silberschale, den Aufbruch des Her-vor-bringens nicht in ihm selbst, sondern in einem anderen (eÆn aÍllvi ), im Handwerker und Künstler. Die Weisen der Veranlassung, die vier Ursachen, spielen somit innerhalb des Her-vor-bringens. Durch dieses kommt sowohl das Gewachsene der Natur als auch das Verfertigte des Handwerks und die Gebilde der Künste* jeweils zu seinem Vorschein. Wie aber geschieht das Her-vor-bringen, sei es in der Natur, sei es im Handwerk und in der Kunst? Was ist das Her-vor-bringen, darin die vierfache Weise des Veranlassens spielt? Das Veranlassen geht das Anwesen dessen an, was jeweils im Her-vor-bringen zum Vorschein kommt. Das Her-vor-bringen bringt aus der Verborgenheit her in die Unverborgenheit vor. Her-vor-bringen ereignet sich nur, insofern Verborgenes ins Unverborgene kommt. Dieses Kommen beruht und schwingt in dem, was wir das Entbergen nennen. Die Griechen haben dafür das Wort aÆlhÂûeia. Die Römer übersetzen es durch »veritas«. Wir sagen »Wahrheit« und verstehen sie gewöhnlich als Richtigkeit des Vorstellens.
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Wohin haben wir uns verirrt? Wir fragen nach der Technik und sind jetzt bei der aÆlhÂûeia, beim Entbergen angelangt. Was hat das Wesen der Technik mit dem Entbergen zu tun? Antwort: Alles. Denn im Entbergen gründet jedes Her-vor-bringen. Dieses aber versammelt in sich die vier Weisen der Veranlassung – die Kausalität – und durchwaltet sie. In ihren Bereich gehören Zweck und Mittel, gehört das Instrumentale. Dieses gilt als der Grundzug der Technik. Fragen wir Schritt für Schritt, was die als Mittel vorgestellte Technik eigentlich sei, dann gelangen wir zum Entbergen. In ihm beruht die Möglichkeit aller herstellenden Verfertigung. Die Technik ist also nicht bloß ein Mittel. Die Technik ist eine Weise des Entbergensa. Achten wir darauf, dann öffnet sich uns ein ganz anderer Bereich für das Wesen der Technik. Es ist der Bereich der Entbergung, d. h. der Wahrheit. Dieser Ausblick befremdet uns. Er soll es auch, soll es möglichst lange und so bedrängend, daß wir endlich auch einmal die schlichte Frage ernst nehmen, was denn der Name »Technik« sage. Das Wort stammt aus der griechischen Sprache. TexnikoÂn meint solches, was zur teÂxnh gehört. Hinsichtlich der Bedeutung dieses Wortes müssen wir zweierlei beachten. Einmal ist teÂxnh nicht nur der Name für das handwerkliche Tun und Können, sondern auch für die hohe Kunst und die schönen Künste. Die teÂxnh gehört zum Her-vor-bringen, zur poiÂhsiw; sie ist etwas Poietisches. Das andere, was es hinsichtlich des Wortes teÂxnh zu bedenken gilt, ist noch gewichtiger. Das Wort teÂxnh geht von früh an bis in die Zeit Platons mit dem Wort eÆpisthµh zusammen. Beide Worte sind Namen für das Erkennen im a
[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 20] 〈eine Weise des Entbergens〉 oder jetzt die maßgeb[ende] Weise d[er] Entb[ergun]g
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weitesten Sinne. Sie meinen das Sichauskennen in etwas, das Sichverstehen auf et was. Das Erkennen gibt Aufschluß. Als aufschließendes ist es ein Entbergen. Aristoteles unterscheidet in einer besonderen Betrachtung (Eth. Nic. VI, c. 3 und 4)* die eÆpisthµh und die teÂxnh, und zwar im Hinblick darauf, was sie und wie sie entbergen. Die teÂxnh ist eine Weise des aÆlhûeyÂein. Sie entbirgt solches, was sich nicht selber her-vor-bringt und noch nicht vorliegt, was deshalb bald so, bald anders aussehen und ausfallen kann. Wer ein Haus oder ein Schiff baut oder eine Opferschale schmiedet, entbirgt das Her-vor-zu-bringende nach den Hinsichten der vier Weisen der Veranlassung. Dieses Entbergen versammelt im voraus das Aussehen und den Stoff von Schiff und Haus auf das vollendet erschaute fertige Ding und bestimmt von da her die Art der Verfertigung. Das Entscheidende der teÂxnh liegt somit keineswegs im Machen und Hantieren**, nicht im Verwenden von Mitteln, sondern in dem genannten Entbergen. Als dieses, nicht aber als Verfertigen, ist die teÂxnh ein Her-vor-bringen. So führt uns denn der Hinweis darauf, was das Wort teÂxnh sagt und wie die Griechen das Genannte bestimmen, in den selben Zusammenhang, der sich uns auftat, als wir der Frage nachgingen, was das Instrumentale als solches in Wahrheit sei. Technik ist eine Weise des Entbergens. Die Technik west in dem Bereich, wo Entbergen und Unverborgenheit, wo aÆlhÂûeia, wo Wahrheit geschieht. Gegen diese Bestimmung des Wesensbereiches der Technik kann man einwenden, sie gelte zwar für das griechische Denken und passe im günstigen Fall auf die handwerkliche Technik, treffe jedoch nicht für die moderne Kraftmaschinentechnik zu. Und gerade sie, sie allein ist das
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Beunruhigende, das uns bewegt, nach »der« Technik zu fragen. Man sagt, die moderne Technik sei eine unvergleichbar andere gegenüber aller früheren, weil sie auf der neuzeitlichen exakten Naturwissenschaft beruhe. Inzwischen hat man deutlicher erkannt, daß auch das Umgekehrte gilt: die neuzeitliche Physik ist als experimentelle auf technische Apparaturen und auf den Fortschritt des Apparatebaues angewiesen. Die Feststellung dieses Wechselverhältnisses zwischen Technik und Physik ist richtig. Aber sie bleibt eine bloß historische Feststellung von Tatsachen und sagt nichts von dem, worin dieses Wechselverhältnis gründeta. Die entscheidende Frage bleibt doch: welchen Wesens ist die moderne Technik, daß sie darauf verfallen kann, die exakte Naturwissenschaft zu verwenden? Was ist die moderne Technik? Auch sie ist ein Entbergen. Erst wenn wir den Blick auf diesem Grundzug ruhen lassen, zeigt sich uns das Neuartige der modernen Technik. Dasb Entbergen, das die moderne Technik durchherrscht, entfaltet sich nun aber nicht in ein Her-vor-bringen im Sinne der poiÂhsiw. Das in der modernen Technik waltende Entbergen ist ein Herausfordern, das an die Natur das Ansinnen stellt, Energie zu liefern, die als solchec herausgefördert und gespeichert werden kann. Gilt dies aber nicht auch von der alten Windmühle? Nein. Ihre Flügel drehen sich zwar im Winde, seinem Wehen bleiben sie unmittelbar anheimgegeben. Die Windmühle erschließt aber nicht Energien der Luftströmung, um sie zu speichern. a
b c
[1954 Gestalt und Gedanke, S. 81] 〈worin dieses Wechselverhältnis gründet〉* [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 22] 〈Das〉jenige 〈Entbergen〉 [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 22] 〈als solche〉
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Ein Landstrich wird dagegen in die Förderung von Kohle und Erzen herausgefordert. Das Erdreich entbirgt sich jetzt als Kohlenrevier, der Boden als Erzlagerstätte. Anders erscheint das Feld, das der Bauer vormals bestellte, wobei bestellen noch hieß: hegen und pflegen. Das bäuerliche Tun fordert den Ackerboden nicht heraus. Im Säen des Korns gibt es die Saat den Wachstumskräften anheim und hütet ihr Gedeihen. Inzwischen ist auch die Feldbestellung in den Sog eines andersgearteten Bestellens geraten, das die Natur stellt. Es stellt sie im Sinne der Herausforderung. Ackerbau ist jetzt motorisierte Ernährungsindustrie. Die Luft wird auf die Abgabe von Stickstoff hin gestellt, der Boden auf Erze, das Erz z. B. auf Uran, dieses auf Atomenergie, die zur Zerstörung oder friedlichen Nutzung entbunden werden kann. Das Stellen, das die Naturenergien herausfordert, ist ein Fördern in einem doppelten Sinne. Es fördert, indem es erschließt und herausstellt. Dieses Fördern bleibt jedoch im voraus darauf abgestellt, anderes zu fördern, d. h. vorwärts zu treiben in die größtmögliche Nutzung bei geringstem Aufwand. Die im Kohlenrevier geförderte Kohle wird nicht gestellt, damit sie nur überhaupt und irgendwo vorhanden sei. Sie lagert, d. h. sie ist zur Stelle für die Bestellung der in ihr gespeicherten Sonnenwärme. Diese wird herausgefordert auf Hitze, die bestellt ist, Dampf zu liefern, dessen Druck das Getriebe treibt, wodurch eine Fabrik in Betrieb bleibt. Das Wasserkraftwerk ist in den Rheinstrom gestellt. Es stellt ihn auf seinen Wasserdruck, der die Turbinen daraufhin stellt, sich zu drehen, welche Drehung diejenige Maschine umtreibt, deren Getriebe den elektrischen Strom herstellt, für den die Überlandzentrale und ihr Stromnetz zur Strombeförderung bestellt sind. Im Bereich dieser in-
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einandergreifenden Folgen der Bestellung elektrischer Energie erscheint auch der Rheinstrom als etwas Bestelltes. Das Wasserkraftwerk ist nicht in den Rheinstrom gebaut wie die alte Holzbrücke, die seit Jahrhunderten Ufer mit Ufer verbindet. Vielmehr ist der Strom in das Kraftwerk verbaut. Er ist, was er jetzt als Strom ist, nämlich Wasserdrucklieferant, aus dem Wesen des Kraftwerks. Achten wir doch, um das Ungeheuere, das hier waltet, auch nur entfernt zu ermessen, für einen Augenblick auf den Gegensatz, der sich in den beiden Titeln ausspricht: »Der Rhein«, verbaut in das Kraftwerk, und »Der Rhein«, gesagt aus dem Kunstwerk der gleichnamigen Hymne Hölderlins.* Aber der Rhein bleibt doch, wird man entgegnen, Strom der Landschaft. Mag sein, aber wie? Nicht anders denn als bestellbares Objekt der Besichtigung durch eine Reisegesellschaft, die eine Urlaubsindustrie dorthin bestellt hat. Das Entbergen, das die moderne Technik durchherrscht, hat den Charakter des Stellens im Sinne der Herausforderung. Diese geschieht dadurch, daß die in der Natur verborgene Energie aufgeschlossen, das Erschlossene umgeformt, das Umgeformte gespeichert, das Gespeicherte wieder verteilt und das Verteilte erneut umgeschaltet wird. Erschließen, umformen, speichern, verteilen, umschalten sind Weisen des Entbergens. Dieses läuft jedoch nicht einfach ab. Es verläuft sich auch nicht ins Unbestimmte. Das Entbergen entbirgt ihm selber seine eigenen, vielfach verzahnten Bahnen dadurch, daß es sie steuert. Die Steuerung selbst wird ihrerseits überall gesichert. Steuerung und Sicherung werden sogar die Hauptzüge des herausfordernden Entbergens. Welche Art von Unverborgenheit eignet nun dem, was durch das herausfordernde Stellen zustande kommt? Überall ist es bestellt, auf der Stelle zur Stelle zu stehen, und
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zwar zu stehen, um selbst bestellbar zu sein für ein weiteres Bestellen. Das so Bestellte hat seinen eigenen Stand. Wir nennen ihn den Bestand. Das Wort sagt hier mehr und Wesentlicheres als nur »Vorrat«. Das Wort »Bestand« rückt jetzt in den Rang eines Titels. Er kennzeichnet nichts Geringeres als die Weise, wie alles anwest, was vom herausfordernden Entbergen betroffen wird. Was im Sinne des Bestandes steht, steht uns nicht mehr als Gegenstand gegenüber. Aber ein Verkehrsflugzeug, das auf der Startbahn steht, ist doch ein Gegenstand. Gewiß. Wir können die Maschine so vorstellen. Aber dann verbirgt sie sich in dem, was und wie sie ist. Entborgen steht sie auf der Rollbahn nur als Bestand, insofern sie bestellt ist, die Möglichkeit des Transports sicherzustellen. Hierfür muß sie selbst in ihrem ganzen Bau, in jedem ihrer Bestandteile bestellfähig, d. h. startbereit sein. (Hier wäre der Ort, He gels Bestimmung der Maschine als eines selbständigen Werkzeugs* zu erörtern. Vom Werkzeug des Handwerks her gesehen, ist seine Kennzeichnung richtig. Allein, so ist die Maschine gerade nicht aus dem Wesen der Technik gedacht, in die sie gehört. Vom Bestand her gesehen, ist die Maschine schlechthin unselbständig; denn sie hat ihren Stand einzig aus dem Bestellen von Bestellbarem.) Daß sich uns jetzt, wo wir versuchen, die moderne Technik als das herausfordernde Entbergen zu zeigen, die Worte »stellen«, »bestellen«, »Bestand« aufdrängen und sich in einer trockenen, einförmigen und darum lästigen Weise häufen, hat seinen Grund in dem, was zur Sprache kommt. Wer vollzieht das herausfordernde Stellen, wodurch das, was man das Wirkliche nennt, als Bestand entborgen wird? Offenbar der Mensch. Inwiefern vermag er solches Entbergen? Der Mensch kann zwar dieses oder jenes so oder so
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vorstellen, gestalten und betreiben. Allein, über die Unverborgenheit,a worin sich jeweils das Wirkliche zeigt oder entzieht, verfügt der Mensch nicht. Daß sich seit Platon das Wirkliche im Lichte von Ideen zeigt, hat Platon nicht gemacht*. Der Denker hat nur dem entsprochen, was sich ihm zusprach. Nur insofern der Mensch seinerseits schon herausgefordert ist, die Naturenergien herauszufördern, kann dieses bestellende Entbergen geschehen. Wenn der Mensch dazu herausgefordert, bestellt ist, gehört dann nicht auch der Mensch, ursprünglicher noch als die Natur, in den Bestand? Die umlaufende Rede vom Menschenmaterial, vom Krankenmaterial einer Klinik spricht dafür. Der Forstwart, der im Wald das geschlagene Holz vermißt und dem Anschein nach wie sein Großvater in der gleichen Weise dieselben Waldwege begeht, ist heute von der Holzverwertungsindustrie bestellt, ob er es weiß oder nicht. Er ist in die Bestellbarkeit von Zellulose bestellt, die ihrerseits durch den Bedarf an Papier herausgefordert ist, das den Zeitungen und illustrierten Magazinen zugestellt wird. Diese aber stellen die öffentliche Meinung daraufhin, das Gedruckte zu verschlingen, um für eine bestellte Meinungsherrichtung bestellbar zu werden. Doch gerade weil der Mensch ursprünglicherb als die Naturenergien herausgefordert ist, nämlich in das Bestellenc, wird er niemals zu a
b
c
[1954 Gestalt und Gedanke, S. 86] dieses oder jenes Unverborgene! aber die Unverborgenheit a[ls] s[olche]? Die Entborgen[heit] u[sw].? [1954 Gestalt und Gedanke, S. 86] 〈ursprünglicher〉 heißt? eigentlicher in das E.[Ereignis] vereignet! [1954 Gestalt und Gedanke, S. 86] 〈nämlich in das Bestellen〉 heißt? metaphys[isch] gesprochen: in einem ausgezeichneten Geheiß des Seins und dem entsprech[enden] Bezug. vgl. Zur Seinsfrage**
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einem bloßen Bestand. Indem der Mensch die Technik betreibt, nimmt er am Bestellen als einer Weise des Entbergens teil. Allein, die Unverborgenheit selbst, innerhalb derer sich das Bestellen entfaltet, ist niemals ein menschliches Gemächte, so wenig wie der Bereich, den der Mensch jederzeit schon durchgeht, wenn er als Subjekt sich auf ein Objekt bezieht. Wo und wie geschieht das Entbergen, wenn es kein bloßes Gemächte des Menschen ist? Wir brauchen nicht weit zu suchen. Nötig ist nur, unvoreingenommen Jenes zu vernehmen, was den Menschen immer schon in Anspruch genommen hat, und dies so entschieden, daß er nur als der so Angesprochene jeweils Mensch sein kann. Wo immer der Mensch sein Auge und Ohr öffnet, sein Herz aufschließt, sich in das Sinnen und Trachten, Bilden und Werken, Bitten und Danken freigibt, findet er sich überall schon ins Unverborgene gebracht. Dessen Unverborgenheit hat sich schon ereignet, so oft sie den Menschen in die ihm zugemessenen Weisen des Entbergens hervorruft. Wenn der Mensch auf seine Weise innerhalb der Unverborgenheit das Anwesende entbirgt, dann entspricht er nur dem Zuspruch der Unverborgenheit, selbst dort, wo er ihm widerspricht. Wenn also der Mensch forschend, betrachtend der Natur als einem Bezirk seines Vorstellens nachstellt, dann ist er bereits von einer Weise der Entbergung beansprucht, die ihn herausfordert, die Natur als einen Gegenstand der Forschung anzugehen, bis auch der Gegenstand in das Gegenstandlose des Bestandes verschwindet.a So ist denn die moderne Technik als das bestellende Entbergen kein bloß menschliches Tun. Darum müssen wir auch jenes Herausfordern, das den Menschen stellt, das a
[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 26] vgl. 30 vgl. S. 61
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Wirkliche als Bestand zu bestellen, so nehmen, wie es sich zeigt. Jenes Herausfordern versammelt den Menschen in das Bestellen. Dieses Versammelnde konzentriert den Menschen darauf, das Wirkliche als Bestand zu bestellen. Was die Berge ursprünglich zu Bergzügen entfaltet und sie in ihrem gefalteten Beisammen durchzieht, ist das Versammelnde, das wir Gebirg nennen. Wir nennen jenes ursprünglich Versammelnde, daraus sich die Weisen entfalten, nach denen uns so und so zumute ist, das Gemüt. Wir nennen jetzt jenen herausfordernden Anspruch, der den Menschen dahin versammelt, das Sichentbergende als Bestand zu bestellen – das Ge-stell.* Wir wagen es, dieses Wort in einem bisher völlig ungewohnten Sinne zu gebrauchen.a ** Nach der gewöhnlichen Bedeutung meint das Wort »Gestell« ein Gerät, z. B. ein Büchergestell. Gestell heißt auch ein Knochengerippe. Und so schaurig wie dieses scheint die uns jetzt zugemutete Verwendung des Wortes »Gestell« zu sein, ganz zu schweigen von der Willkür, mit der auf solche Weise*** Worte der gewachsenen Sprache mißhandelt werden. Kann man das Absonderliche noch weiter treiben? Gewiß nicht. Allein, dieses Absonderliche ist alter Brauch des Denkens. Und zwar fügen sich ihm die Denker gerade dort, wo es das Höchste zu denken gilt. Wir Spätgeborenen sind nicht mehr imstande zu ermessen, was es heißt, daß Platon es wagt, für das, was in allem und jedem west, das Wort ekdow**** zu gebrauchen. Denn ekdow***** bedeutet in der alltäglichen Sprache die Ansicht, die ein sichtbares Ding unserem sinnlichen Auge darbietet. a
[1954 Gestalt und Gedanke, S. 88] vgl. Id. u. Diff. [Identität und Differenz]******
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Platon mutet jedoch diesem Wort das ganz Ungewöhnliche zu, Jenes zu benennen, was gerade nicht und niemals mit sinnlichen Augen vernehmbar wird. Aber auch so ist des Ungewöhnlichen noch keineswegs genug. Denn ÆideÂa nennt nicht nur das nichtsinnliche Aussehen des sinnlich Sichtbaren. Aussehen, ÆideÂa heißt und ist auch, was im Hörbaren, Tastbaren Fühlbaren, in jeglichem, was irgendwie zugänglich ist, das Wesena ausmacht. Gegenüber dem, was Platon der Sprache und dem Denken in diesem und anderen Fällen zumutet, ist der jetzt gewagte Gebrauch des Wortes »Gestell« als Name für das Wesen der modernen Technik beinahe harmlos. Indessen bleibt der jetzt verlangte Sprachgebrauch eine Zumutung und mißverständlich. Ge-stell heißt das Versammelnde jenes Stellens, das den Menschenb stellt, d. h. herausfordert, das Wirkliche in der Weise des Bestellens als Bestand zu entbergen. Ge-stell heißt die Weise des Entbergens, die im Wesen der modernen Technik waltet und selber nichts Technisches ist.c Zum Technischen gehört dagegen alles, was wir als Gestänge und Geschiebe und Gerüste kennen und was Bestandstück dessen ist, was man Montage nennt. Diese fällt jedoch samt den genannten Bestandstücken in den Bezirk der technischen Arbeit, die stets nur der Herausforderung des Ge-stells entspricht, aber niemals dieses selbst ausmacht oder gar bewirkt.
a
b c
[1954 Gestalt und Gedanke, S. 89] deutlicher! ein ontisch gebrauchtes und geläufiges Wort in einen ausgezeichneten ontolog[ischen] Rang erhoben. [1954 Gestalt und Gedanke, S. 89] nicht nur den Menschen! [1954 Gestalt und Gedanke, S. 89] E [Ereignis] / und \ das Ge-Viert
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Das Wort »stellen« meint im Titel Ge-stell nicht nur das Herausfordern, es soll zugleich den Anklang an ein anderes »Stellen« bewahren, aus dem es abstammt, nämlich an jenes Her- und Dar-stellen, das im Sinne der poiÂhsiw das Anwesende in die Unverborgenheit hervorkommen läßt.a b * Dieses hervorbringende Her-stellen, z. B. das Aufstellen eines Standbildes im Tempelbezirk und das jetzt bedachte herausfordernde Bestellen, sind zwar grundverschieden und bleiben doch im Wesen verwandt.** Beide sind Weisen des Entbergens, der aÆlhÂûeia. Im Ge-stell ereignet sich die Unverborgenheit, dergemäß die Arbeit der modernen Technik das Wirkliche als Bestand entbirgt.c *** Sie ist darum weder nur ein menschliches Tun, noch gar ein bloßes Mittel innerhalb solchen Tuns. Die nur instrumentale, die nur anthropologische Bestimmung der Technik wird im Prinzip hinfällig; sie läßt sich nicht durch eine nur dahinter geschaltete metaphysische oder religiöse Erklärung ergänzen.d Wahr bleibt allerdings, daß der Mensch des technischen Zeitalters auf eine besonders hervorstechende Weise in das Entbergen herausgefordert ist. Diesese betrifft zunächst die Natur als den Hauptspeicher des Energiebestandes. Dementsprechend zeigt sich das bestellendef Verhalten des Menschen zuerst im Aufkommen der neuzeitlichen exakten a
b c
d
e f
[1954 Gestalt und Gedanke, S. 90] vgl. jetzt Der Urspr. d. Kw. [Der Ursprung des Kunstwerkes]. Nachwort über ûeÂsiw**** [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 28] vgl. S. 49 [1954 Gestalt und Gedanke, S. 90] zu einseitig nur auf das dhloon abgehoben. [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 29] 〈sie läßt sich〉 auch 〈nicht〉 mehr, falls sie doch als unzureichend erkannt werden sollte, 〈durch eine nur dahinter geschaltete metaphysische oder religiöse Erklärung ergänzen.〉***** [1954 Gestalt und Gedanke, S. 90] 〈Es〉 [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 29] 〈bestellende〉
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Naturwissenschaft. Ihre Art des Vorstellens stellt der Natur als einem berechenbaren Kräftezusammenhang nach.a Die neuzeitliche Physik ist nicht deshalb Experimentalphysik, weil sie Apparaturen zur Befragung der Natur ansetzt, sondern umgekehrt: weil die Physik, und zwar schon als reine Theorie, die Natur daraufhin stellt, sich als einen vorausberechenbaren Zusammenhang von Kräften darzustellen, deshalb wird das Experiment bestellt, nämlich zur Befragung, ob sich die so gestellte Natur und wie sie sich meldet. Aber die mathematische Naturwissenschaft ist doch um fast zwei Jahrhunderte vor der modernen Technik entstanden. Wie soll sie da schon von der modernen Technik in deren Dienst gestellt sein? Die Tatsachen sprechen für das Gegenteil. Die moderne Technik kam doch erst in Gang, als sie sich auf die exakte Naturwissenschaft stützen konnte. Historisch gerechnet, bleibt dies richtig. Geschichtlich gedacht, trifft es nicht das Wahre. Die neuzeitliche physikalische Theorie der Natur ist die Wegbereiterin nicht erst der Technik, sondern des Wesens der modernen Technik. Denn das herausfordernde Versammeln in das bestellende Entbergen waltet bereits in der Physik. Aber es kommt in ihr noch nicht eigens zum Vorschein. Die neuzeitliche Physik ist der in seiner Herkunft noch unbekannte Vorbote des Ge-stells. Das Wesen der modernen Technik verbirgt sich auf lange Zeit auch dort noch, wo bereits Kraftmaschinen erfunden, die Elektrotechnik auf die Bahn und die Atomtechnik in Gang gesetzt sind. Alles Wesende, nicht nur das der modernen Technik, hält sich überall am längsten verborgen. Gleichwohl bleibt es im Hinblick auf sein Walten solches, was allem voraufa
[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 29] S. 54 ff.
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geht: das Früheste. Davon wußten schon die griechischen Denker, wenn sie sagten: Jenes, was hinsichtlich des waltenden Aufgehens früher ist, wird uns Menschen erst später offenkundig. Dem Menschen zeigt sich die anfängliche Frühe erst zuletzt. Darum ist im Bereich des Denkens eine Bemühung, das anfänglich Gedachte noch anfänglicher zu durchdenken, nicht der widersinnige Wille, Vergangenes zu erneuern, sondern die nüchterne Bereitschaft, vor dem Kommenden der Frühe zu erstaunena.* Für die historische Zeitrechnung liegt der Beginn der neuzeitlichen Naturwissenschaft im 17. Jahrhundert. Dagegen entwickelt sich die Kraftmaschinentechnik erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Allein, das für die historische Feststellung Spätere, die moderne Technik, ist hinsichtlich des in ihm waltenden Wesens das geschichtlich Frühere. Wenn die moderne Physik in zunehmendem Maße sich damit abfinden muß, daß ihr Vorstellungsbereich unanschaulich bleibt, dann ist dieser Verzicht nicht von irgendeiner Kommission von Forschern diktiert. Er ist vom Walten des Ge-stells herausgefordert, das die Bestellbarkeit der Natur als Bestand verlangtb. Darum kann die Physik bei allem Rückzug aus dem bis vor kurzem allein maßgebenden, nur den Gegenständen zugewandten Vorstellenc auf eines niemals verzichten**: daß sich die Natur in irgendeiner rechnerisch feststellbaren Weise meldet und als ein System von Informationen bestellbar bleibt.d Dieses System
a
b c d
[1962 Die Technik und die Kehre, S. 22] 〈vor dem Kommenden der Frühe zu erstaunen.〉 [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 30] vgl. 26 [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 30] S. 62 [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 30] 61
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bestimmt sich dann aus einer noch einmal gewandelten Kausalität. Sie zeigt jetzt weder den Charakter des hervorbringenden Veranlassens, noch die Art der causa efficiens oder gar der causa formalis. Vermutlich schrumpft die Kausalität in ein herausgefor dertes Melden gleichzeitig oder nacheinander sicherzustellender Bestände zusammen. Dem entspräche der Prozeß des zunehmenden Sichabfindens, den Heisenbergs Vortrag in eindrucksvoller Weise schilderte. (Werner Heisenberg, Das Naturbild in der heutigen Physik, in: Die Künste im technischen Zeitalter. München 1954, S. 43 ff.)* Weil das Wesen der modernen Technik im Ge-stell beruht, deshalb muß diese die exakte Naturwissenschaft verwenden. Dadurch entsteht der trügerische Schein, als sei die moderne Technik angewandte Naturwissenschaft. Dieser Schein kann sich solange behaupten, als weder die Wesensherkunft der neuzeitlichen Wissenschaft, noch gar das Wesen der modernen Technik hinreichend erfragt werden. Wir fragen nach der Technik, um unsere Beziehung zu ihrem Wesen ans Licht zu heben. Das Wesen der modernen Technik zeigt sich in dem, was wir das Ge-stell nennen. Allein der Hinweis darauf ist noch keineswegs die Antwort auf die Frage nach der Technik, wenn antworten heißt: entsprechen, nämlich dem Wesen dessen, wonach gefragt wird. Wohin sehen wir uns gebracht, wenn wir jetzt noch um einen Schritt weiter dem nachdenken, was das Ge-stell als solches selber ista? Es ist nichts Technisches, nichts Maschinenartiges. Es ist die Weise, nach der sich das Wirkliche als a
[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 31] 〈was das Ge-stell als solches selber ist〉**
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Bestand entbirgt.a Wiederum fragen wir: geschieht dieses Entbergen irgendwo jenseits alles menschlichen Tuns? Nein. Aber es geschieht auch nicht nur im Menschen und nicht maßgebend durch ihn. Das Ge-stell ist das Versammelnde jenes Stellens, das den Menschen stellt, das Wirkliche in der Weise des Bestellens als Bestand zu entbergen. Als der so Herausgeforderte steht der Mensch im Wesensbereich des Ge-stells. Er kann gar nicht erst nachträglich eine Beziehung zu ihm aufnehmen.* Darum kommt die Frage, wie wir in eine Beziehung zum Wesen der Technik gelangen sollen, in dieser Form jederzeit zu spät. Aber nie zu spät kommt die Frage, ob wir uns eigens als diejenigen erfahren, deren Tun und Lassen überall, bald offenkundig, bald versteckt, vom Ge-stellb herausgefordert ist. Nie zu spät kommt vor allem die Frage, ob und wie wir uns eigens auf das einlassen, worin das Ge-stell selber west. Das Wesen der modernen Technik bringt den Menschen auf den Weg jenes Entbergens, wodurch das Wirkliche überall, mehr oder weniger vernehmlich, zum Bestand wird. Auf einen Weg bringen – dies heißt in unserer Sprache: schicken.c Wir nennen jenes versammelnde Schicken, das den Menschen erst auf einen Weg des Entbergens bringt, das Geschickd. Von hier aus bestimmt sich das Wesen aller Geschichte. Sie ist weder nur der Gegenstand der Historie, noch nur der Vollzug menschlichen Tuns. Dieses wird geschichtlich erst als ein geschickliches (vgl. Vom Wesen der Wahrheit, 1930; in erster Auflage gedruckt 1943, a b c d
[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 31] vgl. S. 57 [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 32] im 〈Ge-stell〉 [1962 Die Technik und die Kehre, S. 24] vgl u[nten] S. 31f.** [1962 Die Technik und die Kehre, S. 24] vgl. Z. u. S. [Zeit und Sein]***
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S. 16 f.).* Und erst das Geschick in das vergegenständlichende Vorstellen macht das Geschichtliche für die Historie, d. h. für eine Wissenschaft, als Gegenstand zugänglich und von hier aus erst die gängige Gleichsetzung des Geschichtlichen mit dem Historischen möglich. Als die Herausforderung ins Bestellen schickt das Ge-stell in eine Weise des Entbergens. Das Ge-stell ist eine Schickung des Geschickes wie jede Weise des Entbergens. Geschick in dem genannten Sinne ist auch das Her-vor-bringen, die poiÂhsiw.** Immer geht die Unverborgenheit dessen, was ist, auf einem Weg des Entbergens. Immer durchwaltet den Menschen das Geschick der Entbergung. Aber es ist nie das Verhängnis eines Zwanges. Denn der Mensch wird gerade erst frei, insofern er in den Bereich des Geschickes gehört und so ein Hörender wird, nicht aber ein Höriger. Das Wesen der Freiheit ist ursprünglich nicht dem Willen oder gar nur der Kausalität des menschlichen Wollens zugeordnet. Die Freiheit verwaltet das Freie im Sinne des Gelichteten, d. h. des Entborgenen. Das Geschehnis des Entbergens, d. h. der Wahrheit, ist es, zu dem die Freiheit in der nächsten und innigsten Verwandtschaft steht. Alles Entbergen gehört in ein Bergen und Verbergen. Verborgen aber ist und immer sich verbergend das Befreiende, das Geheimnis. Alles Entbergen kommt aus dem Freien, geht ins Freie und bringt ins Freie. Die Freiheit des Freien besteht weder in der Ungebundenheit der Willkür, noch in der Bindung durch bloße Gesetze. Die Freiheit ist das lichtend Verbergende, in dessen Lichtung jener Schleier weht, der das Wesende aller Wahrheit verhüllt und den Schleier als den verhüllenden erscheinen läßt. Die Freiheit ist der Bereich des Geschickes, das jeweils eine Entbergung auf ihren Weg bringt. 160
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Das Wesen der modernen Technik beruht im Ge-stell. Dieses gehört in das Geschick der Entbergung. Die Sätze sagen anderes als die öfter verlautende Rede, die Technik sei das Schicksal unseres Zeitalters, wobei Schicksal meint: das Unausweichliche eines unabänderlichen Verlaufs. Wenn wir jedoch das Wesen der Technik bedenken, dann erfahren wir das Ge-stell als ein Geschick der Entbergung. So halten wir uns schon im Freien des Geschickes auf, das uns keineswegs in einen dumpfen Zwang einsperrt, die Technik blindlings zu betreiben oder, was das Selbe bleibt, uns hilflos gegen sie aufzulehnen und sie als Teufelswerk zu verdammen. Im Gegenteil: wenn wir uns dem Wesen der Technik eigens öffnen, finden wir uns unverhofft in einen befreienden Anspruch genommen. Das Wesen der Technik beruht im Ge-stell. Sein Walten gehört in das Geschick. Weil dieses den Menschen jeweils auf einen Weg des Entbergens bringt, geht der Mensch, also unterwegs, immerfort am Rande der Möglichkeit, nur das im Bestellen Entborgene zu verfolgen und zu betreiben und von da her alle Maße zu nehmen. Hierdurch verschließt sich die andere Möglichkeit, daß der Mensch eher und mehr und stets anfänglicher auf das Wesen des Unverborgenen und seine Unverborgenheit sich einläßt, um die gebrauchte Zugehörigkeit zum Entbergen als sein Wesen zu erfahren. Zwischen diese Möglichkeiten gebracht, ist der Mensch aus dem Geschick her gefährdet. Das Geschick der Entbergung ist als solches in jeder seiner Weisen und darum notwendig Gefahr. In welcher Weise auch immer das Geschick der Entbergung walten mag, die Unverborgenheit, in der alles, was ist, sich jeweils zeigt, birgt die Gefahr, daß der Mensch sich am Unverborgenen versieht und es mißdeutet. So kann, wo
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alles Anwesende sich im Lichte des Ursache-WirkungZusammenhangs darstellt, sogar Gott für das Vorstellen alles Heilige und Hohe, das Geheimnisvolle seiner Ferne verlieren. Gott kann im Lichte der Kausalität zu einer Ursache, zur causa efficiens, herabsinken. Er wird dann sogar innerhalb der Theologie zum Gott der Philosophen, jener nämlich, die das Unverborgene und Verborgene nach der Kausalität des Machens bestimmen, ohne dabei jemals die Wesensherkunft dieser Kausalität zu bedenken. Insgleichen kann die Unverborgenheit, dergemäß sich die Natur als ein berechenbarer Wirkungszusammenhang von Kräften darstellt, zwar richtige Feststellungen verstatten, aber gerade durch diese Erfolge die Gefahr bleiben, daß sich in allem Richtigen das Wahre entzieht. Das Geschick der Entbergung ist in sich nicht irgendeine, sondern die Gefahra. Waltet jedoch das Geschick in der Weise des Ge-stells, dann ist es die höchste Gefahr. Sie bezeugt sich uns nach zwei Hinsichten. Sobald das Unverborgene nicht einmal mehr als Gegenstand, sondern ausschließlich als Bestand den Menschen angeht und der Mensch innerhalb des Gegenstandlosen nur noch der Besteller des Bestandes ist, – geht der Mensch am äußersten Rand des Absturzes, dorthin nämlich, wo er selber nur noch als Bestand genommen werden soll. Indessen spreizt sich gerade der so bedrohte Mensch in die Gestalt des Herrn der Erde auf. Dadurch macht sich der Anschein breit, alles, was begegne, bestehe nur, insofern es ein Gemächte des Menschen sei. Dieser Anschein zeitigt einen letzten trügerischen Schein. Nach ihm sieht es so aus, als begegne der Mensch überall nur noch a
[1962 Die Technik und die Kehre, S. 26] 〈die Gefahr〉 Einblick [in das was ist] 1949* fahr [?] nachstellen
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sich selbst. Heisenberg hat mit vollem Recht darauf hingewiesen, daß sich dem heutigen Menschen das Wirkliche so darstellen muß (a. a. O. S. 60 ff.).* Indessen begegnet der Mensch heute in Wahrheit gerade nirgends mehr sich selber, d. h. seinem Wesen. Der Mensch steht so entschieden im Gefolge der Herausforderung des Ge-stells, daß er dieses nicht als einen Anspruch vernimmt, daß er sich selber als den im Ge-stell von diesem** Angesprochenen übersieht und damit auch jede Weise überhört, inwiefern er aus seinem Wesen her im Bereich eines Zuspruchs ek-sistiert und darum niemals nur sich selber begegnen kann. Allein,*** das Ge-stell gefährdet nicht nur den Menschen in seinem Verhältnis zu sich selbst und zu allem, was ist. Als Geschick verweist es in das Entbergen von der Art des Bestellens. Wo dieses herrscht, vertreibt es jede andere Möglichkeit der Entbergung. Vor allem verbirgt das Ge-stell jenes Entbergen, das im Sinne der poiÂhsiw das Anwesende ins Erscheinen her-vor-kommen läßt. Im Vergleich hierzu drängt das herausfordernde Stellen in den entgegengesetzt-gerichteten Bezug zu dem, was ist. Wo das Ge-stell waltet, prägen Steuerung und Sicherung des Bestandes alles Entbergen. Sie lassen sogar ihren eigenen Grundzug, nämlich dieses Entbergen als ein solches nicht mehr zum Vorschein kommen. So verbirgt denn das herausfordernde Ge-stell nicht nur eine vormalige Weise des Entbergens, das Her-vor-bringen, sondern es verbirgt das Entbergen als solches und mit ihm Jenes, worin sich Unverborgenheit, d. h. Wahrheita ereignet.b **** a b
[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 35] 〈(d. h. Wahrheit)〉 [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 35] Vg. d. U. [Vergessenheit des Unter-Schieds]*****
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Das Ge-stell verstellt das Scheinen und Walten der Wahrheit. Das Geschick, das in das Bestellen schickt, ist somit die äußerste Gefahr. Das Gefährliche ist nicht die Technik. Es gibt keine Dä monie der Technik, wohl dagegen das Geheimnis ihres Wesens. Das Wesen der Technik ist als ein Geschick des Entbergens die Gefahr. Die gewandelte Bedeutung des Wortes »Ge-stell« wird uns jetzt vielleicht schon um einiges vertrauter, wenn wir Ge-stell im Sinne von Geschick und Gefahr denken. Die Bedrohung des Menschen kommt nicht erst von den möglicherweise tödlich wirkenden Maschinen und Apparaturen der Technik. Die eigentliche Bedrohung hat den Menschen bereits in seinem Wesen angegangen. Die Herrschaft des Ge-stells droht mit der Möglichkeit, daß dem Menschen versagt sein könnte, in ein ursprünglicheres Entbergen einzukehren und so den Zuspruch einer anfänglicheren Wahrheit zu erfahren. So ist denn, wo das Ge-stell herrscht, im höchsten Sinne Gefahr. Wo aber Gefahr ist, wächst Das Rettende auch.* Bedenken wir das Wort Hölderlins sorgsam. Was heißt »retten«? Gewöhnlich meinen wir, es bedeute nur: das vom Untergang Bedrohte gerade noch erhaschen, um es in seinem bisherigen Fortbestehen zu sichern. Aber »retten« sagt mehr. »Retten« ist: einholen ins Wesen, um so das Wesen erst zu seinem eigentlichen Scheinen zu bringen. Wenn das Wesen der Technik, das Ge-stell, die äußerste Gefahr ist und wenn zugleich Hölderlins Wort Wahres sagt, dann kann sich die Herrschaft des Ge-stells nicht darin erschöpfen, alles Leuchten jedes Entbergens, alles Scheinen der
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Wahrheit nur zu verstellen. Dann muß vielmehr gerade das Wesen der Technik das Wachstum des Rettenden in sich bergen. Könnte dann aber nicht ein zureichender Blick in das, was das Ge-stell als ein Geschick des Entbergens ist, das Rettende in seinem Aufgehen zum Scheinen bringen? Inwiefern wächst dort, wo Gefahr ist, das Rettende auch? Wo etwas wächst, dort wurzelt es, von dorther gedeiht es. Beides geschieht verborgen und still und zu seiner Zeit. Nach dem Wort des Dichters dürfen wir aber gerade nicht erwarten, dort, wo Gefahr ist, das Rettende unmittelbar und unvorbereitet aufgreifen zu können. Darum müssen wir jetzt zuvor bedenken, inwiefern in dem, was die äußerste Gefahr ist, inwiefern im Walten des Ge-stells das Rettende sogar am tiefsten wurzelt und von dorther gedeiht. Um solches zu bedenken, ist es nötig, durch einen letzten Schritt unseres Weges noch helleren Auges in die Gefahr zu blicken. Dementsprechend müssen wir noch einmal nach der Technik fragen. Denn in ihrem Wesen wurzelt und gedeiht nach dem Gesagten das Rettende. Wie sollen wir jedoch das Rettende im Wesen der Technik erblicken, solange wir nicht bedenken, in welchem Sinne von »Wesen« das Ge-stell eigentlich das Wesen der Technik ist? Bisher verstanden wir das Wort »Wesen« in der geläufigen Bedeutung. In der Schulsprache der Philosophie heißt »Wesen« jenes, was etwas ist, lateinisch: quid. Die quidditas, die Washeit gibt Antwort auf die Frage nach dem Wesen. Was z. B. allen Arten von Bäumen, der Eiche, Buche, Birke, Tanne, zukommt, ist das selbe Baumhafte. Unter dieses als die allgemeine Gattung, das »universale«, fallen die wirklichen und möglichen Bäume. Ist nun das Wesen der Technik, das Ge-stell, die gemeinsame Gattung für alles Technische? Träfe dies zu, dann wäre z. B. die Dampfturbine,
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wäre der Rundfunksender, wäre das Zyklotron ein Ge-stell. Aber das Wort »Ge-stell« meint jetzt kein Gerät oder irgendeine Art von Apparaturen. Es meint noch weniger den allgemeinen Begriff solcher Bestände. Die Maschinen und Apparate sind ebensowenig Fälle und Arten des Ge-stells wie der Mann an der Schalttafel und der Ingenieur im Konstruktionsbureau. All das gehört zwar als Bestandstück, als Bestand, als Besteller je auf seine Art in das Ge-stell, aber dieses ist niemals das Wesen der Technik im Sinne einer Gattung. Das Ge-stell ist eine geschickhafte Weise des Entbergens, nämlich das herausfordernde. Eine solche geschickhafte Weise ist auch das hervor bringende Entbergen, die poiÂhsiw. Aber diese Weisen sind nicht Arten, die nebeneinandergeordnet unter den Begriff des Entbergens fallen. Die Entbergung ist jenes Geschick, das sich je und jäh und allem Denken unerklärbar in das hervorbringende und herausfordernde Entbergen austeilt und dem Menschen sich entsprechend zuteilt.* Das herausfordernde Entbergen hat im hervorbringenden seine geschickliche Herkunft. Aber zugleich verstellt das Ge-stell geschickhaft die poiÂhsiw. So ist denn das Ge-stell als ein Geschick der Entbergung zwar das Wesen der Technik, aber niemals Wesen im Sinne der Gattung und der essentia. Beachten wir dies, dann trifft uns etwas Erstaunliches: die Technik ist es, die von uns verlangt, das, was man gewöhnlich unter »Wesen« versteht, in einem anderen Sinne zu denken. Aber in welchem? Schon wenn wir »Hauswesen«, »Staatswesen« sagen, meinen wir nicht das Allgemeine einer Gattung, sondern die Weise, wie Haus und Staat walten, sich verwalten, entfalten und verfallen. Es ist die Weise, wie sie wesen. Johann Peter Hebel gebraucht in einem Gedicht »Gespenst an der Kanderer Straße«,** das Goethe besonders liebte, das alte Wort »die Weserei«. Es bedeutet das Rathaus, insofern sich dort
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das Gemeindeleben versammelt und das dörfliche Dasein im Spiel bleibt, d. h. west. Vom Zeitwort »wesen« stammt erst das Hauptwort ab. »Wesen«, verbal verstanden, ist das Selbe wie »währen«; nicht nur bedeutungsmäßig, sondern auch in der lautlichen Wortbildung. Schon Sokrates und Platon denken das Wesen von etwas als das Wesende im Sinne des Währenden. Doch sie denken das Währende als das Fortwährende (aÆeiÁ oÍn). Das Fortwährende finden sie aber in dem, was sich als das Bleibende durchhält bei jeglichem, was vorkommt. Dieses Bleibende wiederum entdekken sie im Aussehen (ekdow, ÆideÂa), z. B. in der Idee »Haus«. In ihr zeigt sich jenes, was jedes so Geartete ist. Die einzelnen wirklichen und möglichen Häuser sind dagegen wechselnde und vergängliche Abwandlungen der »Idee« und gehören deshalb zu dem Nichtwährenden. Nun ist aber auf keine Weise jemals zu begründen, daß das Währende einzig und allein in dem beruhen soll, was Platon als die ÆideÂa, Aristoteles als toÁ ti hËn eknai (jenes, was jegliches je schon war), was die Metaphysik in den verschiedensten Auslegungen als essentia denkt. Alles Wesende währt. Aber ist das Währende nur das Fortwährende? Währt das Wesen der Technik im Sinne des Fortwährens einer Idee, die über allem Technischen schwebt, so daß von hier aus der Anschein entsteht, der Name »die Technik« meine ein mythisches Abstraktum? Wie die Technik west, läßt sich nur aus jenem Fortwähren ersehen, worin sich das Ge-stell als ein Geschick des Entbergens ereignet. Goethe gebraucht einmal (Die Wahlverwandtschaften II. Teil, 10. Kap., in der Novelle »Die wunderlichen Nachbarskinder«)* statt »fortwähren« das geheimnisvolle Wort »fortgewähren«. Sein Ohr hört hier »währen« und »gewähren« in einem unausgesprochenen Einklang. Bedenken wir nun aber nachdenklicher als bis-
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her, was eigentlich währt und vielleicht einzig währt, dann dürfen wir sagen: Nur das Gewährte währt. Das anfänglich aus der Frühe Währende ist das Gewährende. Als das Wesende der Technik ist das Ge-stell das Währende. Waltet dieses gar im Sinne des Gewährenden? Schon die Frage scheint ein offenkundiger Mißgriff zu sein. Denn das Ge-stell ist doch nach allem Gesagten ein Geschick, das in die herausfordernde Entbergung versammelt. Herausfordern ist alles andere, nur kein Gewähren. So sieht es aus, solange wir nicht darauf achten, daß auch das Herausfordern in das Bestellen des Wirklichen als Bestand immer noch ein Schicken bleibt, das den Menschen auf einen Weg des Entbergens bringt.a Als dieses Geschick läßt das Wesende der Technik den Menschen in Solches ein, was er selbst von sich aus weder erfinden, noch gar machen kann; denn so etwas wie einen Menschen, der einzig von sich aus nur Mensch ist, gibt es nicht. Allein,* wenn dieses Geschick, das Ge-stell, die äußerste Gefahr ist, nicht nur für das Menschenwesen, sondern für alles Entbergen als solches, darf dann dieses Schicken noch ein Gewähren heißen? Allerdings, und vollends dann, wenn in diesem Geschick das Rettende wachsen sollte. Jedes Geschick eines Entbergens ereignet sich aus dem Gewähren und als ein solches. Denn dieses trägt dem Menschen erst jenen Anteil am Entbergen zu, den das Ereignis der Entbergung braucht. Als der so Gebrauchte ist der Mensch dem Ereignis der Wahrheit vereignet.b Das Gewährende, das so oder so in die Entbergung schickt, ist als solches das Rettende. Denn dieses läßt den Menschen in die a b
[1962 Die Technik und die Kehre, S. 31] ob[en] 24** [1962 Die Technik und die Kehre, S. 32] 〈Als der so Gebrauchte ist der Mensch dem Ereignis der Wahrheit vereignet.〉
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höchste Würdea seines Wesens schauen und einkehren. Sie beruht darin, die Unverborgenheit und mit ihr je zuvor die Verborgenheit alles Wesens auf dieser Erde zu hüten. Gerade im Ge-stell*, das den Menschen in das Bestellen als die vermeintlich einzige Weise der Entbergung fortzureißen droht und so den Menschen in die Gefahr der Preisgabe seines freien Wesens stößt, gerade in dieser äußersten Gefahr kommt die innigste, unzerstörbare Zugehörigkeit des Menschen in das Gewährende zum Vorschein, gesetzt, daß wir an unserem Teil beginnen, auf das Wesen der Technik zu achten.** So birgt denn, was wir am wenigsten vermuten, das Wesende der Technik den möglichen Aufgang des Rettenden in sich. Darum liegt alles daran, daß wir den Aufgang bedenken und andenkend hüten. Wie geschieht dies? Vor allem anderen so, daß wir das Wesende in der Technik erblicken, statt nur auf das Technische zu starren. Solange wir die Technik als Instrument vorstellen, bleiben wir im Willen hängen, sie zu meistern. Wir treiben am Wesen der Technik vorbei. Fragen wir indessen, wie das Instrumentale als eine Art des Kausalen west, dann erfahren wir dieses Wesende als das Geschick eines Entbergens. Bedenken wir zuletzt, daß das Wesende des Wesens sich im Gewährenden ereignetb, das den Menschen in den Anteil am Entbergen braucht, dann zeigt sich: Das Wesen der Technik ist in einem hohen Sinne zweideutig. Solche Zweideutigkeit deutet in das Geheimnis aller Entbergung, d. h. der Wahrheit. a b
[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 40] 〈höchste Würde〉*** [1962 Die Technik und die Kehre, S. 33] das Eignis selbst –
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Einmal fordert das Ge-stell in das Rasende des Bestellens heraus, das jeden Blick in das Ereignis der Entbergung verstellt und so den Bezug zum Wesen der Wahrheit von Grund auf gefährdet. Zum anderen ereignet sich das Ge-stell seinerseits im Gewährenden*, das den Menschen darin währen läßt, unerfahren bislang, aber erfahrener vielleicht künftig, der Gebrauchtea zu sein zur Wahrnis des Wesens der Wahrheitb.** So erscheint der Aufgang des Rettenden.*** Das Unaufhaltsame des Bestellens und das Verhaltene des Rettenden ziehen aneinander vorbei wie im Gang der Gestirne die Bahn zweier Sterne. Allein, dieser ihr Vorbeigang ist das Verborgene ihrer Nähe. Blicken wir in das zweideutige Wesen der Technik, dann erblicken wir die Konstellation, den Sternengang des Geheimnisses. Die Frage nach der Technik ist die Frage nach der Konstellation, in der sich Entbergung und Verbergung, in der sich das Wesende der Wahrheit ereignet. Doch was hilft uns der Blick in die Konstellation der Wahrheit? Wir blicken in die Gefahr und erblicken das Wachstum des Rettenden. Dadurch sind wir noch nicht gerettet. Aber wir sind daraufhin angesprochen, im wachsenden Licht des Rettenden zu verhoffen. Wie kann dies geschehen? Hier und jetzt und im Geringen so, daß wir das Rettende in seinem Wachstum hegen. Dies schließt ein, daß wir jederzeit die äußerste Gefahr im Blick behalten. Das Wesende der Technik bedroht das Entbergen, droht mit der Möglichkeit, daß alles Entbergen im Bestellen aufa b
[1962 Die Technik und die Kehre, S. 33] 〈der Gebrauchte〉 [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 41] 33/34
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geht und alles sich nur in der Unverborgenheit des Bestandes darstellt. Menschliches Tun kann nie unmittelbar dieser Gefahr begegnen. Menschliche Leistung kann nie allein die Gefahr bannen. Doch menschliche Besinnung kann bedenken, daß alles Rettende höheren, aber zugleich verwandten Wesens sein muß wie das Gefährdete. Vermöchte es dann vielleicht ein anfänglicher gewährtes Entbergen, das Rettende zum ersten Scheinen zu bringen inmitten der Gefahr, die sich im technischen Zeitalter eher noch verbirgt als zeigt? Einstmals trug nicht nur die Technik den Namen teÂxnh. Einstmals hieß teÂxnh auch jenes Entbergen, das die Wahrheit in den Glanz des Scheinenden hervorbringt. Einstmals hieß teÂxnh auch das Hervorbringen des Wahren in das Schöne. TeÂxnh hieß auch die poiÂhsiw der schönen Künste. Am Beginn des abendländischen Geschickes stiegen in Griechenland die Künste in die höchste Höhe des ihnen gewährten Entbergens. Sie brachten die Gegenwart der Götter, brachten die Zwiesprache des göttlichen und menschlichen Geschickes zum Leuchten. Und die Kunst hieß nur teÂxnh. Sie war ein einziges, vielfältiges Entbergen. Sie war fromm, proµow, d. h. fügsama dem Walten und Verwahren der Wahrheit.* Die Künste entstammten nicht dem Artistischen. Die Kunstwerke wurden nicht ästhetisch genossen. Die Kunst war nicht Sektor eines Kulturschaffens. Was war die Kunst? Vielleicht nur für kurze, aber hohe Zeiten? Warum trug sie den schlichten Namen teÂxnh? Weil sie ein her- und vor-bringendes Entbergen war und darum in die poiÂhsiw gehörte. Diesen Namen erhielt zuletzt jenes a
[1962 Die Technik und die Kehre, S. 34] 〈 fügsam〉
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Entbergen als Eigennamen, das alle Kunst des Schönen durchwaltet, die Poesie, das Dichterische. Der selbe Dichter, von dem wir das Wort hörten: Wo aber Gefahr ist, wächst Das Rettende auch. sagt uns: … dichterisch wohnet der Mensch auf dieser Erde.* Das Dichterische bringt das Wahre in den Glanz dessen, was Platon im »Phaidros« toÁ eÆkfaneÂstaton nennt, das am reinsten Hervorscheinende. Das Dichterische durchwest jede Kunst, jede Entbergung des Wesenden ins Schöne. Sollten die schönen Künste in das dichterische Entbergen gerufen sein? Sollte das Entbergen sie anfänglicher in den Anspruch nehmen, damit sie so an ihrem Teil das Wachstum des Rettenden eigens hegen, Blick und Zutrauen in das Gewährende neu wecken und stiften? Ob der Kunst diese höchste Möglichkeit ihres Wesens inmitten der äußersten Gefahr gewährt ist, vermag niemand zu wissen. Doch wir können erstaunen. Wovor? Vor der anderen Möglichkeit, daß überall das Rasende der Technik sich einrichtet, bis eines Tages durch alles Technische hindurch das Wesen der Technik west im Ereignis der Wahrheita. Weil das Wesen der Technik nichts Technisches ist, darum muß die wesentliche Besinnung auf die Technik und die entscheidende Auseinandersetzung mit ihr in eia
[1954 Vorträge und Aufsätze, S. 43] 〈das Wesen der Technik west im Ereignis der Wahrheit〉**
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nem Bereich geschehen, der einerseits mit dem Wesen der Technik verwandt und andererseits von ihm doch grundverschieden ist*. Ein solcher Bereich ist die Kunst. Freilich nur dann, wenn die künstlerische Besinnung ihrerseits sich der Konstellation der Wahrheit nicht verschließt, nach der wir fragen. Also fragend bezeugen wir den Notstand, daß wir das Wesende der Technik vor lauter Technik noch nicht erfahren, daß wir das Wesende der Kunst vor lauter Ästhetik nicht mehr bewahren. Je fragender wir jedoch das Wesen der Technik bedenken, um so geheimnisvoller wird das Wesen der Kunst. Je mehr wir uns der Gefahr nähern, um so heller beginnen die Wege ins Rettende zu leuchten, um so fragender werden wir. Denn das Fragen ist die Frömmigkeit des Denkens.
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Das Wesen des Gestells1 ist das in sich gesammelte Stellen, das seiner eigenen Wesenswahrheit mit der Vergessenheit nachstellt, welches Nachstellen sich dadurch verstellt, daß es sich in das Bestellen alles Anwesenden als den Bestand entfaltet, sich in diesem einrichtet2 und als dieser herrscht. Das Gestell3 west als die Gefahr. Aber bekundet sich damit schon die Gefahr als die Gefahr?4 Nein. Fährnisse und Nöte bedrängen zwar5 allerorten die Menschen übermäßig zu jeder Stunde. Aber die Gefahr, nämlich das in der Wahrheit seines Wesens sich gefährdende Sein6 selbst, bleibt verhüllt und verstellt. Diese Verstellung ist das Gefährlichste der Gefahr. Gemäß dieser Verstellung der Gefahr durch das Bestellen des Gestells7 sieht es immer noch und immer wieder so aus, als sei die Technik ein Mittel in der Hand des Menschen. In Wahrheit aber ist jetzt das Wesen des Menschen dahin bestellt, dem Wesen der Technik an die Hand zu gehen.a a
[1962 Die Technik und die Kehre, S. 37] S. 40
1
Heidegger-Gesamtausgabe Bd. 79 [= HGA 79]: »Ge-Stells«* HGA 79, Handschrift [= HS] und maschinenschriftliche Abschrift [= MA]: »entfaltet und darin einrichtet«. HGA 79: »Ge-Stell« HS, HGA 79: »Aber ist die Gefahr schon als die Gefahr?« HS, MA, HGA 79: »bedrängen wohl« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HGA 79: »Ge-Stells«
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Sagt dies, der Mensch sei der Technik ohnmächtig auf Gedeih und Verderb ausgeliefert? Nein. Es sagt das reine Gegenteil; nicht nur dies, sondern wesentlich mehr, weil Anderes. Wenn das Gestell1 ein Wesensgeschick des Seins2 selbst ist, dann dürfen wir vermuten, daß sich das Gestell3 als eine Wesensweise des Seins4 unter anderen wandelt. Denn das Geschickliche im Geschick ist, daß es sich in die je eine Schickung schickt. Sich schicken heißt: sich aufmachen, um sich zu fügen in die gewiesene Weisung, auf die ein anderes5, noch verhülltes Geschick wartet. Das Geschickliche geht in sich jeweils auf einen ausgezeichneten Augenblick zu, der es in ein anderes Geschick schickt, worin es jedoch nicht einfach unter- und verloren geht6. Noch sind wir zu unerfahren und zu unbedacht, um das Wesen des Geschichtlichen7 aus Geschick und Schickung und Sichschikken zu denken. Noch sind wir zu leicht geneigt, weil gewohnt, das Geschickliche aus dem Geschehen und dieses als einen Ablauf von historisch feststellbaren Begebenheiten vorzustellen. Wir stellen die Geschichte in den Bereich des Geschehens, statt die Geschichte nach ihrer Wesensherkunft aus dem Geschick zu denken.a Geschick aber ist wesenhaft Geschick des Seins, so zwar,8 daß das Sein selber sich schickt und je als ein Geschick west und demgemäß a
[MA] vgl. unten
1
HGA 79: »Ge-Stell« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HGA 79: »Ge-Stell« HS, MA, HGA 79: »Seyns« MA, HGA 79: ohne Komma HS, MA, HGA 79: »unter und verloren geht« HS, MA, HGA 79: »Geschicklichen« HS, MA: ohne Komma
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sich geschicklich wandelt. Wenn ein Wandel im Sein, d. h. jetzt im Wesen des Gestells1, sich ereignet, dann sagt dies keineswegs, die Technik, deren Wesen im Gestell2 beruht, werde beseitigt. Sie wird weder niedergeschlagen noch gar zerschlagen. Wenn das Wesen der Technik, das Gestell3 als die Gefahr im Sein, das Sein selbst ist4, dann läßt sich die Technik niemals durch ein bloß auf sich gestelltes menschliches Tun meistern, weder positiv noch negativ. Die Technik, deren Wesen das Sein selbst ist, läßt sich durch den Menschen niemals überwinden. Das hieße doch, der Mensch sei der Herr des Seins. Weil jedoch das Sein5 sich als Wesen der Technik in das Gestell6 geschickt hat, zum Wesen des Seins7 aber das Menschenwesen8 gehört, insofern das Wesen des Seins9 das Menschenwesen brauchta, um als Sein nach dem eigenen Wesen inmitten des Seienden gewahrt10 zu bleiben und so als11 das Sein12 zu wesen, deshalb kann das Wesen der Technik nicht ohne die Mithilfe des Menschenwesens in den Wandel sei-
a
[1962 Die Technik und die Kehre, S. 38] 〈insofern das Wesen des Seins das Menschenwesen braucht〉*
1
HGA 79: »Ge-Stells« HGA 79: »Ge-Stell« HGA 79: »Ge-Stell« HS, MA, HGA 79: »im Seyn, das Seyn selbst ist« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HGA 79: »Ge-Stell« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Menschenwesen« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »gewahrt« MA, HGA 79: »als« HS, MA, HGA 79: »Seyn«
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[39]
nes Geschickes geleitet werden. Dadurch wird indes1 die Technik nicht menschlich überwunden. Dagegen2 wird das Wesen der Technik in seine noch verborgene Wahrheit verwunden. Dieses Verwinden ist ähnlich dem, was* geschieht, wenn im menschlichen Bereich ein Schmerz verwunden wird. Die Verwindung eines Seinsgeschickes aber, hier und jetzt die Verwindung des Gestells3, ereignet sich jedesmal aus der An kunft eines anderen Geschickes, das sich weder logisch-historisch vorausberechnen4 noch metaphysisch als Abfolge eines Prozesses der Geschichte konstruieren läßt. Denn5 nie bestimmt das Geschichtliche oder gar das historisch vorgestellte Geschehen das Geschick, sondern jedesmal ist das Geschehen und das ihm zugewiesene Vorstellen seines Bestandes6 schon das Geschickliche eines Geschickes des Seins7. Zur Verwindung des Wesens der Technik wird allerdings der Mensch gebraucht.a Aber der Mensch wird hier in seinem dieser Verwindung entsprechenden Wesen gebraucht.8 Demgemäß muß das Wesen9 des Menschen erst dem Wesen der Technik sich öffnen, was ereignishaft etwas ganz anderes ist10 als der Vorgang, daß die Menschen die a
[1962 Die Technik und die Kehre, S. 39] 〈 gebraucht〉**
1
HS, MA, HGA 79: »jedoch« HS, MA, HGA 79: »überwunden; wohl dagegen« HGA 79: »Ge-Stells« HS, MA, HGA 79: mit Komma HS, MA, HGA 79: »läßt; denn« HS, MA, HGA 79: ohne »und das ihm zugewiesene Vorstellen seines Bestandes« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »gebraucht; aber der Mensch wird hier gebraucht in seinem dieser Verwindung entsprechenden Wesen.« HS: »Wesen« HS, MA, HGA 79: »was ein völlig anderes Ereignis ist«
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Technik und ihre Mittel bejahen und fördern.* Damit aber das Menschenwesen1 achtsam werde auf das Wesen2 der Technik, damit zwischen Technik und Mensch hinsichtlich ihres Wesens sich ein Wesensverhältnis stifte, muß der neuzeitliche Mensch zuvor allererst3 in die Weite seines Wesensraumes zurückfinden. Dieser Wesensraum des Menschenwesens4 empfängt seine ihn fügende Dimension einzig aus dem5 Ver-Hältnis6, als welches die Wahrnis des Seins7 selbst dem Wesen des Menschen als dem von ihm gebrauchten vereignet ist.a ** Anders als so, daß nämlich der Mensch zuvor erst in seinem Wesensraum sich anbaut und darin Wohnung nimmt, vermag der Mensch nichts Wesenhaftes8 innerhalb des jetzt waltenden Geschickes. Wir beachten, dies bedenkend, ein Wort des Meisters Eckehardt9, indem wir es aus seinem Grundeb denken. Es lautet: »die nitt von grossem wesen10 sind, was werk die wirkend, da wirt nit us.« (Reden der Unterscheidung, n. 4)*** Das große Wesen des Menschen denken wir dahin11, daß es dem Wesen des Seins zugehört, von diesem gebraucht ist, das Wesen**** des Seins in seine Wahrheit zu wahren.12 a b 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
12
[1962 Die Technik und die Kehre, S. 39] E [Ereignis] [1962 Die Technik und die Kehre, S. 39] 〈Grunde〉 ! HS: »Menschenwesen« HS: »Wesen« HS, MA, HGA 79: »allererst einmal« HS, MA, HGA 79: »Menschenwesens aber« HS, MA, HGA 79: »demjenigen« HS, MA, HGA 79: »Verhältnis« HS, MA, HGA 79: »Seyns« MA, HGA 79: mit Komma HGA 79: »Eckhart« HGA 79: »Wesen« HS, MA, HGA 79: »Das große Wesen des Menschen beruht darin« HGA 79: ohne Absatz
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[40]
Darum ist das zuerst Nötige dies, daß wir zuvor das Wesen1 des Seins2 als das Denk-würdige3 bedenken, daß wir zuvor, sol ches denkend, erfahren, inwiefern wir geheißen sind, solchem Erfahren erst einen Pfad zu spuren und ihn in das bislang Unwegsame zu bahnen4. Dies alles vermögen wir nur, wenn wir vor der5 anscheinend immer nächsten und allein als dringlich erscheinenden Frage: Was sollen wir tun, dies bedenken6: Wie müssen wir denken? Denn7 das Denken ist das eigentliche Handeln, wenn Handelna heißt, dem Wesen des Seins an die Hand gehen.b Dies sagt: dem Wesen des Seins inmitten des Seienden jene Stätte bereiten (bauen)8, in die es sich und sein Wesen zur Sprache bringt. Die Sprache gibt allem Überlegenwollen erst Weg und Steg.9 Ohne die Sprache fehlt jedem Tun jede Dimension, in der es sich umtun und wirken
a
b 1 2 3 4
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9
[1962 Die Technik und die Kehre, S. 40] 〈Handeln〉 Handeln vgl. Hu.brief [Humanismusbrief]. Beginn.* [1962 Die Technik und die Kehre, S. 40] ob[en] S. 37 HS, MA, HGA 79: »Wesen« HS, MA, HGA 79: »Seins überhaupt erst« HS: »das Denk-Würdige« HS, MA, HGA 79: »daß wir zuvor solches denkend erfahren, daß wir zuvor solchem Erfahren einen Pfad spuren und ihn in das bislang Unwegsame bahnen« HS, MA: »wenn wir über die«; HGA 79: »wenn wir vor der« HS, MA: »nächste und allein dringliche Frage, was sollen wir tun, erst und allein dies bedenken«; HGA 79: »nächsten und allein dringlichen Frage, was sollen wir tun, erst und allein dies bedenken« HS, MA, HGA 79: »wie müssen wir denken; denn« HS, MA, HGA 79: »wenn Handeln heißt: dem Wesen des Seyns an die Hand gehen, um ihm jene Stätte zu bereiten« HS, MA, HGA 79: »Ohne die Sprache bleibt alles Überlegenwollen ohne jeden Weg und Steg.«
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könnte. Sprache ist dabei niemals erst Ausdruck des Denkens, Fühlens und Wollens. Sprache ist die anfängliche Dimension, innerhalb deren1 das Menschenwesen überhaupt erst vermag,2 dem Sein und dessen Anspruch zu entsprechen und im Entsprechen dem Sein zu gehören. Dieses anfängliche Entsprechen, eigens vollzogen, ist das Denken.3 Denkend lernen wir erst das Wohnen in dem Bereich, in dem sich die Verwindung des Seinsgeschickes, die Verwindung des Gestells4, ereignet. Das Wesen des Gestells5 ist die Gefahr. Als die Gefahr kehrt sich das Sein in die Vergessenheit seines Wesens von diesem Wesen weg und kehrt sich so zugleich gegen die Wahrheit seines Wesens. In der Gefahr waltet dieses noch nicht bedachte Sich-kehren. Im Wesen der Gefahr verbirgt6 sich darum die Möglichkeit einer Kehre, in der die Vergessenheit des Wesens des Seins sich so wendet, daß mit dieser Kehre7 die Wahrheit des Wesens des Seins8 in das Seiende eigens einkehrt. Vermutlich aber ereignet sich diese9 Kehre, diejenige der Vergessenheit des Seins zur Wahrnis des Wesens des Seins10, nur, wenn die in ihrem verborgenen Wesen kehrige Gefahr erst einmal alsa die Gefahr, die sie ist, eigens ans a
[1962 Die Technik und die Kehre, S. 40] 〈als〉
1
HGA 79: »derer« HS: ohne Komma HS, MA, HGA 79: »Dieses anfängliche Entsprechen, eigens vollzogen, ist das Denken.« HGA 79: »Ge-Stells« HGA 79: »Ge-Stells« HS, MA, HGA 79: »verbirgt« HS: »mit dieser Kehre«; MA, HGA 79: »mit dieser Kehre« HS, MA, HGA 79: »Seyns« MA, HGA 79: »diese« HS, MA, HGA 79: »Seyns«
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[41]
Licht kommt.1 Vielleicht stehen wir bereits im vorausgeworfenen Schatten der An kunft dieser2 Kehre. Wann und wie sie sich geschicklich ereignet, weiß niemand. Es ist auch nicht nötig, solches zu wissen. Ein Wissen dieser Art wäre sogar das Verderblichste für den Menschen, weil sein Wesen ist, der Wartende zu sein, der des Wesens des Seins3 wartet, indem er es denkend hütet. Nur wenn der Mensch als der Hirt des Seins der Wahrheit des Seins4 wartet, kann er5 eine Ankunft des Seinsgeschickes6 erwarten, ohne in das bloße Wissenwollen zu verfallen. Wie aber ist es dort,7 wo die Gefahr als die Gefahr sich ereignet und so erst unverborgen die Gefahr ist8?9 Um die Antwort auf diese Frage zu hören, achten wir auf den Wink, der in einem Wort Hölderlins aufgespart ist. In der Spätfassung der Hymne »Patmos« (ed. von Hellingrath, IV, 227)10 sagt der Dichter am Beginn: Wo aber Gefahr ist, wächst Das Rettende auch.* Denken wir jetzt dieses Wort noch wesentlicher als der Dichter es dichtete, denken wir es aus in das Äußerste, dann
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
HS, MA, HGA 79: »eigens anwest.« MA, HGA 79: »dieser« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »er überhaupt« HGA 79: »des anderen Seinsgeschickes«** HS, MA, HGA 79: »Wie aber ist es,« HS: »die Gefahr ist« HGA 79: ohne Absatz HS: »›Patmos‹ (IV, 2227)«; MA: »›Patmos‹ (IV, 2, 227)«
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sagt es:1 Wo die Gefahr als die Gefahr ist2, gedeiht auch schon3 das Rettende. Dieses stellt sich nicht nebenher ein. Das Rettende steht nicht neben der Gefahr. Die Gefahr selber ist, wenn sie als4 die Gefahr ist, das Rettende. Die Gefahr ist5 das Rettende, insofern sie aus ihrem verborgen kehrigen Wesen6 das Rettende bringt. Was heißt »retten«? Es besagt: lösen, freimachen, freien7, schonen, bergen, in die Hut nehmen, wahren. Lessing gebraucht noch das Wort »Rettung«8 betonterweise in dem Sinne von Rechtfertigung: in das Rechte, Wesenhafte zurückstellen, darin9 wahren. Das eigentlich Rettende ist das Wahrende, die Wahrnis. Wo aber ist die Gefahr? Welches ist der Ort für sie? Insofern die10 Gefahr das Sein11 selber ist, ist sie nirgendwo und überall. Sie hat keinen Ort als etwas anderes zu ihr selber.12 Sie ist selbst die ortlose Ortschaft alles Anwesens. Die Gefahr ist die Epoche des Seins13,14 wesend als das Gestell15. Ist die Gefahr als Gefahr16, dann ereignet sich eigens ihr 1 2 3 4 5 6 7 8 9
10 11 12 13 14 15 16
HS, MA, HGA 79: hier Absatz HS: »ist« HS: »ist schon«; MA, HGA 79: »ist schon« HS, MA, HGA 79: »als« HS: »ist« HS, MA, HGA 79: »aus ihrem Wesen« HS, MA, HGA 79: »freyen« HS, MA, HGA 79: ohne Anführungszeichen HS, HGA 79: »zurückstellen und darin«; MA: »zurückstellen darin« HS: »die« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »Sie hat keinen Ort.« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS: ohne Komma HGA 79: »Ge-Stell« HS: »Ist die Gefahr als die Gefahr«; MA, HGA 79: »Ist die Gefahr als Gefahr«
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[42]
Wesen. Die Gefahr ist aber das Nachstellen, als welches das Sein1 selber in der Weise des Gestells2 der Wahrnis des Seins3 mit der Vergessenheit nachsetzt. Im Nachstellen west dies, daß das Sein4 seine Wahrheit in die Vergessenheit ent-setzt, dergestalt, daß das Sein5 sein Wesen verweigert. Wenn sonach die Gefahr als die Gefahr ist6, dann ereignet sich eigens das Nachstellen, als welches das Sein7 selber8 seiner Wahrheit mit der Vergessenheit nachstellt. Wenn dieses mit-Vergessenheit-Nachstellen9 eigens sich ereignet, dann kehrt die Vergessenheit als solche ein. Dergestalt durch die Einkehr dem Entfallena entrissen, ist sie nicht mehr Vergessenheit. Bei solcher Einkehr ist die Vergessenheit der Wahrnis des Seins10 nicht mehr die Vergessenheit des Seins11, sondern einkehrend kehrt sie sich in die Wahrnis des Seins12. Wenn die Gefahr als die Gefahr ist, ereignet sich mit13 der Kehre der Vergessenheit die Wahrnis des Seins14, ereignet sich Weltb. (Vgl. Vorträge und Aufsätze, S. 163 ff.: »Das
a b 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
[MA] »Entfallen« / ? [MA] »sich Welt« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HGA 79: »Ge-Stells« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS: »als die Gefahr ist« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS: »selbst« HS, MA, HGA 79: »mit Vergessenheit-Nachstellen« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS: »mit« HS, MA, HGA 79: »Seyns«
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Ding«)1 * Daß Welt sich ereigne als Welt, daß dinge das Ding, dies ist die ferne Ankunft des Wesens des Seins2 selbst. Das mit Vergessenheit sich nachstellende Sichverweigern der Wahrheit des Seins3 birgt die noch ungewährte Gunst, daß dieses Sichnachstellen sich kehrt, daß in solcher Kehre die Vergessenheit sich wendet und zur Wahrnis des Wesens des Seins4 wird, statt dieses Wesen in die Verstellung entfallen zu lassen. Im Wesen der Gefahr west und wohnt eine Gunst, nämlich die Gunst der Kehre der Vergessenheit des Seins5 in die Wahrheit des Seins6. Im Wesen der Gefahr, wo sie als die Gefahr ist, ist die Kehre zur Wahrnis, ist diese Wahrnis selbst, ist7 das Rettende des Seins8. Wenn in der Gefahr sich die Kehre ereignet, kann dies nur unvermittelt geschehen. Denn das Sein9 hat nicht seinesgleichen neben sich. Es wird nicht von anderem bewirkt, noch wirkt es selbst. Sein10 verläuft nicht und nie in einem kausalen Wirkungszusammenhang. Der Weise, wie es,11 das Sein12 selber,13 sich schickt, geht nichts Bewirkendes als Sein14 voraus und folgt keine Wirkung als Sein15 nach. Steil 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
HS, MA, HGA 79: ohne Verweis auf Vorträge und Aufsätze HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS: »ist, ist die Kehre zur Wahrnis, ist diese Wahrnis selbst, ist« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS: ohne Komma HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: ohne Komma HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »Seyn«
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[43]
aus seinem eigenen Wesen der Verborgenheit ereignet sich Sein1 in seine Epoche.* Darum müssen wir beachten:2 Die Kehre der Gefahr ereignet sich jäh. In der Kehre lichtet sich jäh die Lichtung des Wesens des Seins3. Das jähe Sichlichten ist das Blitzen. Es bringt sich selbst in die mitund eingebrachte eigene Helle. Wenn in der Kehre der Gefahr die Wahrheit des Seins4 blitzt, lichteta sich das Wesen des Seins. Dann kehrt5 die Wahrheit des Wesens des Seins6 ein.7 Wohin ereignet sich Einkehr? Nirgendwo anders hin als in das bislang aus der Vergessenheit seiner Wahrheit wesende Sein8 selber. Dieses Sein9 selber aber west als das Wesen der Technik. Das Wesen der Technik ist das Gestell10. Die Einkehr als Ereignis der Kehre der Vergessenheit kehrt in das ein, was jetzt die Epoche des Seins ist.11 Das, was eigentlich ist12, ist keineswegs dieses oder jenes Seiende. Was eigentlich ist, d. h. eigens im Ist13 wohnt und west, ist einzig das Sein. Nur das Sein »ist«, nur im Sein und als
a
[MA] »lichtet«
1
HS: »ereignet sich Seyn je«, MA, HGA 79: »Seyn« HGA 79: ohne Absatz HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns; kehrt« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: ohne Absatz HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HGA 79: »Ge-stell« HS: »Seyns ist?« MA, HGA 79: »Seyns ist.« HS: »Das, was ist«; MA, HGA 79: »Das, was ist« HS: »ist, und d. h. eigens im Ist«, MA, HGA 79: »ist, und d. h. eigens im Ist«
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Sein1 ereignet sich, was das »ist« nennt; das,2 was ist, ist das Sein3 aus seinem Wesen. »Blitzen« ist dem Wort und der Sache nach: blicken. Im Blick und als Blick tritt das Wesen in sein eigenes Leuchten. Durch das Element seines Leuchtens hindurch birgt der Blick sein Erblicktes in das Blicken zurück. Das4 Blicken aber wahrt im Leuchten zugleich das verborgene Dunkel seiner Herkunft als das Ungelichtete. Einkehr des Blitzes der Wahrheit des Seins5 ist Einblick. Die Wahrheit des Seins6 dachten wir im Welten von Welt als das Spiegel-Spiel des Gevierts von Himmel und Erde, Sterblichen und Göttlichen. (Vgl. Vorträge und Aufsätze, a. a. O.)7 * Wenn die Vergessenheit sich kehrt, wenn Welt als Wahrnis des Wesens des Seins8 einkehrt, ereignet sich der Einblitz von Welt in die Verwahrlosung des Dinges. Diese ereignet sich in der Weise der Herrschaft des Gestells9. Einblitz von Welt in das Gestell10 ist Einblitz der Wahrheit des Seins11 in das wahrlose Sein. Einblitz ist Ereignis im Sein12 selbst. Ereignis ist eignende Eräugnis13. Einblick in das was ist – dieser Titel nennt jetzt das Ereignis der Kehre im Sein14, die Kehre der Verweigerung 1
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HS, MA, HGA 79: »Seyn. Nur das Seyn ›ist‹, nur im Seyn und als Seyn« HGA 79: ohne Komma HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »zurück; das« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: ohne Verweis auf Vorträge und Aufsätze HS, MA, HGA 79: »Seyns« HGA 79: »Ge-Stells« HGA 79: »Ge-Stell« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: ohne: »Ereignis ist eignende Eräugnis.« HS, MA, HGA 79: »Seyn«
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[44]
seines Wesens in das Ereignen seiner Wahrnis.1 a Einblick in das2 was ist, ist das3 Ereignis selber, als welches die Wahrheit des Seins4 zum wahrlosen Sein5 sich verhält und steht. Einblick in das6 was ist, – dies nennt die Konstellation im Wesen des Seins7.* Diese Konstellation ist die Dimension, in der das Sein8 als die Gefahr west.9 Zunächst und beinahe bis zuletzt schien es so, als bedeute »Einblick in das10 was ist« nur einen Blick, den wir Menschen von uns aus in das werfen, was ist. Das, was ist, nimmt man gewöhnlich als das Seiende. Denn11 vom Seienden wird das12 »ist« ausgesagt. Jetzt aber hat sich alles gekehrt. Einblick nennt nicht unsere Einsicht, die wir in das Seiende nehmen, Einblick als Einblitz ist das Ereignis der Konstellation der Kehre im Wesen des Seins13 selber, und zwar in14 der Epoche des Gestells15. Das, was ist, ist keineswegs das Seiende. Denn dem Seienden wird das »es ist« und das »ist« nur insofern zugesprochen, als das Seiende hinsichtlich seines Seins angesprochen wird. Im »ist« wird a
[MA] V-H [Ver-Hältnis] [?] [Vier Hefte] [?]**
1
HS: Gedankenstrich statt Punkt HS, MA, HGA 79: »das,« HS: »das« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »das,« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyn« MA, HGA 79: ohne Absatz HGA 79: »das,« HS, MA, HGA 79: »Seiende, denn« HS: »wird doch, das«; MA, HGA 79: »wird doch das« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »selber in« HGA 79: »Ge-Stells«
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»Sein« ausgesprochen; das, was in dem Sinne »ist«1, daß es das Sein des Seienden ausmacht, ist das Sein. Das Bestellen des Gestells2 stellt sich vor das Ding, läßt es als Ding ungewahrt, wahrlos. So verstellt das Gestell3 die im Ding nähernde Nähe von Welt. Das Gestell4 verstellt sogar noch dieses sein Verstellen, so wie das Vergessen von etwas sich selber vergißt und sich in den Sog der Vergessenheit wegzieht. Das Ereignis der Vergessenheit läßt nicht nur in die Verborgenheit entfallen, sondern dieses Entfallen selbst entfällt mit in die Verborgenheit, die selber noch bei diesem Fallen wegfällt. Und dennoch – in allem Verstellen des Gestells5 lichtet sich der6 Lichtblick von Welt, blitzt Wahrheit des Seins7. Dann nämlich, wenn das Gestell8 sich in seinem Wesen als die Gefahr lichtet9, d. h. als das Rettende10. Im Gestell11 noch als einem Wesensgeschick des Seins west ein Licht vom Blitz des Seins12. Das Gestell13 ist, obzwar verschleiert, noch Blick, kein blindes Geschick im Sinne eines völlig verhangenen Verhängnisses.
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HS, MA, HGA 79: »das, was ist in dem Sinne« HGA 79: »Ge-Stells« HGA 79: »Ge-Stell« HGA 79: »Ge-Stell« HGA 79: »Ge-Stells« HS, MA, HGA 79: »noch der« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HGA 79: »Ge-Stell« HS: »wenn das Gestell in seinem Wesen als die Gefahr sich lichtet« HS, MA, HGA 79: ohne », d. h. als das Rettende« HGA 79: »Ge-Stell« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HGA 79: »Ge-Stell«
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Einblick in das was ist – so heißt der Blitz der Wahrheit des Seins1 in das wahrlose Sein. Wenn2 Einblick sich ereignet, dann sind die Menschen die vom Blitz des Seins3 in ihr Wesen Getroffenen.* Die Menschen sind die im Einblick Erblickten. Erst wenn das Menschenwesen im Ereignis des Einblickes als das von diesem Erblickte dem menschlichen Eigensinn entsagt und sich dem Einblick zu, von sich weg, ent-wirft4, entspricht5 der Mensch in seinem Wesen dem Anspruch des Einblickes. So entsprechend ist der Mensch ge-eignet6, daß er im7 gewahrten Element von Welt als der Sterbliche dem Göttlichen entgegenblickt.8 Anders nicht; denn auch der Gott ist, wenn er ist, ein Seiender, steht als Seiender im Sein9 und dessen Wesen, das sich aus dem Welten von Welt ereignet. Erst wenn Einblick sich ereignet, lichtet sich das Wesen der Technik als das Gestell10, erkennen wir11, wie im Bestellen des Bestandes die Wahrheit des Seins12 als Welt verweigert bleibt, merken wir, daß alles bloße Wollen und Tun nach der Weise des Bestellens in der Verwahrlosung beharrt. So bleibt denn auch alles bloße Ordnen der universalhistorisch vorgestellten Welt wahr- und bodenlos. Alle 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS: »Wenn« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »seiner sich ent-wirft« HS, HGA 79: »ent-spricht« MA, HGA 79: «geeignet« HS: »im« HGA 79: ohne Absatz HS, MA, HGA 79: »Seyn« HGA 79: »Ge-Stell« HS: »wir« HS, MA, HGA 79: »Seyns«
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bloße Jagd auf die Zukunft, ihr Bild in der Weise zu errechnen1, daß man halb gedachtes Gegenwärtiges in das verhüllte Kommende verlängert, bewegt sich selber noch in der Haltung des technisch-rechnenden Vorstellens. Alle Versuche, das bestehende Wirkliche morphologisch, psychologisch auf Verfall und Verlust, auf Verhängnis und Katastrophe, auf Untergang zu verrechnen, sind nur ein technisches Gebaren. Es operiert mit der Apparatur der Aufzählung von Symptomen, deren Bestand ins Endlose2 vermehrt und immer neu variiert werden kann. Diese Analysen der Situation merken nicht, daß sie nur im Sinne und nach der Weise der technischen Zerstückung arbeiten und so dem technischen Bewußtsein die ihm gemäße historischtechnische Darstellung des Geschehens liefern. Aber kein historisches Vorstellen der Geschichte als Geschehen bringt in den schicklichen Bezug zum Geschick und vollends nicht zu dessen Wesensherkunft im Ereignis der Wahrheit des Seins.3 Alles nur Technische gelangt nie in das Wesen der Technik. Es vermag nicht einmal seinen Vorhof zu erkennen4.5 Darum beschreiben wir, indem wir versuchen, den Einblick in das, was ist, zu sagen, nicht die Situation der Zeit. Die Konstellation des Seins sagt sich uns zu.6 Aber wir hören noch nicht, wir, denen unter der Herr1 2 3
4 5 6
HS, MA, HGA 79: »ihr Bild zu errechnen in der Weise« HS, MA, HGA 79: »endlose« HS, MA, HGA 79: ohne den Satzteil: »und vollends nicht zu dessen Wesensherkunft im Ereignis der Wahrheit des Seins.« HS, MA, HGA 79: »kennen« HGA 79: ohne Absatz HS, MA, HGA 79: »Die Konstellation des Seyns spreche uns an.«
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schaft der Technik Hören und Sehen durch Funk und Film vergeht. Die Konstellation des Seins1 ist die Verweigerung von Welt als die Verwahrlosung des Dinges.a Verweigerungb ist nicht nichts, sie ist das höchste Geheimnis des Seins2 innerhalb der Herrschaft des Gestells3. Ob der Gott lebt oder tot bleibt, entscheidet sich nicht durch die Religiosität der Menschen und noch weniger durch theologische Aspirationen der Philosophie und der Naturwissenschaft. Ob Gott Gott ist4, ereignet sich aus der Konstellation des Seins5 und innerhalb ihrer.6 Solange wir nicht denkend erfahren, was ist, können wir nie dem gehören, was sein7 wird. Ereignet sich Einblick in das was ist? Werden wir als die Erblickten in den Wesensblick des Seins so eingeholt8, daß wir ihm nicht mehr entgehen? Gelangen wir dadurch in das Wesen der Nähe9, die im Ding dingend Welt nähert? Wohnen wir einheimisch in der Nähe, so daß wir an fänglich in das Geviert von Himmel und Erde, Sterblichen und Göttlichen gehören? Ereignet sich Einblick in das was ist? Entsprechen wir
a
b 1 2 3 4 5 6 7 8 9
[MA] Vg. d. U. [Vergessen des Unterschieds] [?] die Sprache* [MA] V-H [Ver-Hältnis] [?] [Vier Hefte] [?]** HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HGA 79: »Ge-Stells« HS: »ist« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HGA 79: ohne Absatz HS, MA, HGA 79: »seyn« HS, MA, HGA 79: »des Seyns eingeholt« HS, MA, HGA 79: »Gelangen wir so in das Wesen der Nähe«
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dem Einblick durch ein Blicken, das in das Wesen1 der Technik blickt und in ihm das Sein2 selbst gewahrt? Sehen wir den Blitz des Seins3 im Wesen der Technik? Den Blitz, der aus der Stille kommt als sie selbst? Die Stille stillt. Was stillt sie? Sie stillt Sein4 in das Wesen von Welt.a Daß Welt, weltend, das Nächste sei alles Nahen, das naht, indem es die Wahrheit des Seins5 dem Menschenwesen nähert und so den Menschen dem Ereignis vereignet.b
a b 1 2 3 4 5
[MA] Sprache!* [HS] Nachwort. Ein Brief an einen jungen Studenten.** HS: »Wesen« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »Seyns« HS, MA, HGA 79: »Seyn« HS, MA, HGA 79: »Seyns«
DIE KEHRE
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HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS
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[Anm. d. Hrsg.: In seinem Handexemplar zu Die Technik und die Kehre hat Heidegger auf dem Nachsatzblatt ein Stichwort mit einem internen Seitenverweis eingefügt, das hier wiedergegeben wird.] Brauch S. 32 f.
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Editorische Notiz zu »Die Technik und die Kehre« Der Einzelband Die Technik und die Kehre erschien erstmals 1962 im Verlag Günther Neske in Pfullingen. In seiner »Vorbemerkung« äußert sich Martin Heidegger zu den Entstehungsumständen der beiden in diesem Einzelband versammelten Vorträge »Die Frage nach der Technik» und »Die Kehre« (vgl. in vorliegender Ausgabe S. 135). »Die Frage nach der Technik« (ursprünglich »Das Ge-stell«) und »Die Kehre« hat Heidegger als zwei von vier Vorträgen unter dem Gesamttitel »Einblick in das was ist« im Club zu Bremen am 1. Dezember 1949 gehalten. 1994 wurden alle vier Vorträge (»Das Ding«, »Das Ge-stell«, »Die Gefahr«, »Die Kehre«) in der Heidegger-Gesamtausgabe im Verlag Vittorio Klostermann publiziert: Martin Heidegger, Bremer und Freiburger Vorträge, hrsg. von Petra Jaeger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 79), 1994, S. 5–77. Den Vortrag »Das Gestell«, den Heidegger 1949 in Bremen gehalten hatte, wiederholte er im März 1950 auf »Bühlerhöhe« bei Baden-Baden. Den Vortrag »Die Frage nach der Technik« hielt er am 18. November 1953 in Auditorium Maximum der Technischen Universität München in der Vortragsreihe »Die Künste im technischen Zeitalter« und am 10. Februar 1954 im Paulussaal der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg i. Br. Die von der Bayerischen Akademie der Schönen Künste veranstaltete Vortragsreihe wurde unter der Leitung von Emil Preetorius vom 16. bis 20. November 1953 abgehalten. EDITORISCHE NOTIZ
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Die anderen Vorträge der Reihe waren: Romano Guardini: »Die Situation des Menschen« Werner Heisenberg: »Das Naturbild der heutigen Physik« Emil Preetorius: »Die Bildkunst« Friedrich Georg Jünger: »Die Sprache« Walter Riezler: »Die Musik« Manfred Schröter: »Bilanz der Technik. Schlußwort« Erstmals erschien »Die Frage nach der Technik« in: Bayerische Akademie der Schönen Künste (Hrsg.), Gestalt und Gedanke. Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Band 3: Die Künste im technischen Zeitalter, Redaktion Clemens Graf Podewils, München, Oldenbourg, 1954, S. 70–108. Im selben Jahr nahm Heidegger den Beitrag in seine Sammlung Vorträge und Aufsätze (Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954, S. 13 – 44) auf. In seinem Handexemplar dieser Ausgabe hat Martin Heidegger zur Überschrift »Die Frage nach der Technik« handschriftlich folgenden Zusatz eingetragen: »früher Bremen Dez. 1949 – Einblick i[n] d[as] was ist. März 1950 Bühlerhöhe.« Im Band 80.2. der Heidegger-Gesamtausgabe wurde ein undatierter Entwurf, der dem Münchener Vortrag vom 18. November 1953 vorausgeht, veröffentlicht: Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik. Entwurf (vor dem 18. November 1953)«, in: Ders., Vorträge. Teil 2: 1935 – 1967, nach den Handschriften hrsg. von Günther Neumann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 80.2), 2020, S. 1091 – 1111. Weitere wichtige Texte, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Themen von Heideggers Vortrag »Die Frage nach der Technik« stehen, sind im Band 76 der Gesamtausgabe erschienen: Martin Heidegger, Leitgedanken zur Entstehung der Metaphysik, der neuzeitlichen Wissenschaft und der modernen Technik, hrsg. von Claudius Strube,
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Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 76), 2009, hier bes. S. 285–379. Vgl. außerdem Martin Heidegger, »Brief an Takehiko Kojima« (1963), in: Ders., Identität und Differenz, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 11), 2006, S. 153– 161. Grundlage des hier präsentierten Textes von »Die Technik und die Kehre« ist die Buchausgabe Die Technik und die Kehre von 1962 einschließlich der handschriftlichen Annotationen Heideggers in seinen Handexemplaren der ersten und der dritten Auflage (1967). Aufgenommen wurden auch die handschriftlichen Varianten, die in den anderen für diese Schrift relevanten Handexemplaren vorhanden sind. Zur Unterscheidung der verschiedenen annotierten Handexemplare wurden von den Herausgebern jeweils Verweise in eckigen Klammern hinzugefügt. [1954 Gestalt und Gedanke] Editorische Verweise auf die Jahreszahl 1954 mit dem Zusatz »Gestalt und Gedanke« und mit Seitenangaben beziehen sich auf Heideggers Handexemplar (Sonderdruck) der Erstveröffentlichung seines Vortrags »Die Frage nach der Technik« in: Bayerische Akademie der Schönen Künste (Hrsg.), Gestalt und Gedanke. Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Band 3: Die Künste im technischen Zeitalter, München, Oldenbourg, 1954, S. 70–108. [1954 Vorträge und Aufsätze] Editorische Verweise auf die Jahreszahl 1954 mit dem Zusatz »Vorträge und Aufsätze« und mit Seitenangaben beziehen sich auf Heideggers Handexemplar der ersten Auflage von Vorträge und Aufsätze, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954. Heideggers Seitenverweise (vgl. z. B. in vorliegender Ausgabe S. 152 unter a) beziehen sich auf diese Ausgabe. [1962 Die Technik und die Kehre] Der editorische Verweis
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auf die Jahreszahl 1962 bezieht sich auf Heideggers Handexemplar der Erstausgabe von Die Technik und die Kehre, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1962. [31967/II Vorträge und Aufsätze] Der editorische Verweis 3 » 1967/II Vorträge und Aufsätze« (mit Seitenangaben) bezieht sich auf Heideggers Handexemplar der dritten Auflage von Vorträge und Aufsätze, die 1967 in drei Teilbändchen erschien. Hier sind die Annotationen Heideggers insgesamt dem zweiten Teilbändchen (Vorträge und Aufsätze II, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 3. Auflage 1967) entnommen. Der Vortrag »Die Kehre« wurde erstmals 1962 in Die Technik und die Kehre im Verlag Günther Neske veröffentlicht. Die im Band 11 der Heidegger-Gesamtausgabe präsentierte Fassung von »Die Kehre« (Martin Heidegger, »Die Kehre« in: Ders., Identität und Differenz (HGA 11), a. a. O., S. 113–124) enthält einen wichtigen Text zum Verständnis dieser Schrift: Martin Heidegger, »Ein Vorwort. Brief an Pater William J. Richardson (1962)«, ebd., S. 143– 152. Die in HGA 11 präsentierte Version von »Die Kehre« ist identisch mit dem Text der Neske-Ausgabe von 1962 und wird deshalb hier nicht eigens vermerkt. Anders verhält es sich mit der Version, die in der Heidegger-Gesamtausgabe Bd. 79 erschienen ist: Martin Heidegger, »Die Kehre« in: Bremer und Freiburger Vorträge, hrsg. von Petra Jaeger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 79), 1994, S. 68 – 77. Diese Fassung stützt sich auf die Handschrift [HS] und die maschinenschriftliche Abschrift [MA] des Vortrags »Die Kehre«. Beim Vergleich der verschiedenen Fassungen (HS / MA / Neske-Ausgabe / HGA 79) stellte sich heraus, dass zahlreiche Varianten existieren. Auf diese Varianten wird mittels arabisch nummerierter Fußnoten verwiesen. 198
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Die handschriftliche Fassung von »Die Kehre« enthält Unterstreichungen, die im gedruckten Text nicht notiert wurden. Angesichts der zentralen Bedeutung, die dieser viel kommentierte Text nicht nur im Denken Martin Heideggers, sondern innerhalb der Philosophiegeschichte insgesamt einnimmt, wird das Faksimile der Handschrift und deren Transkription zum Herunterladen (als Download, siehe S. 4) zur Verfügung gestellt. Die in eckigen Klammern an den Seitenrändern vorliegender Ausgabe angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Seitenzahlen der Erstausgabe von Die Technik und die Kehre (Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1962). Mittelstriche markieren die ursprünglichen Seitenumbrüche. In weiteren Auflagen verschoben sich die Seitenzahlen der jeweiligen Ausgaben um bis zu plus vier Seiten. Sternchenmarkierungen verweisen auf Anmerkungen und Ergänzungen der Herausgeber. Diese sind im Anhang aufzufinden. Hochgestellte Kleinbuchstaben und dazugehörige Fußnoten verweisen auf Annotationen (z. B. Anmerkungen, Ergänzungen, Korrekturen, interne Seitenverweise), die Heidegger in seinen persönlichen Handexemplaren handschriftlich vermerkt hat. Unterstreichungen Heideggers wurden kursiviert. Heideggers Trennungen von Wörtern wie »Her-vorbringen« oder »Ge-stell« wurden auch bei Zeilenumbrüchen beibehalten. In diesem Fall wurden die für Heidegger typischen Trennungen als Divis sowohl am Zeilenende als auch am darauffolgenden Zeilenanfang kenntlich gemacht. Weitere Erklärungen im »Nachwort der Herausgeber«, S. 477 ff.
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WAS IST DAS – DIE PHILOSOPHIE?
Vortrag, gehalten in Cerisy-la-Salle/Normandie im August 1955 zur Einleitung eines Gespräches*
QU’EST-CE QUE LA PHILOSOPHIE? WAS IST DAS – DIE PHILOSOPHIE? it dieser Frage rühren wir an ein Thema, das sehr weit, d. h. ausgedehnt ist. Weil das Thema weit ist, bleibt es unbestimmt. Weil es unbestimmt ist, können wir das Thema unter den verschiedenartigsten Gesichtspunkten behandeln. Dabei werden wir immer etwas Richtiges treffen. Weil jedoch bei der Behandlung dieses weitläufigen Themas alle nur möglichen Ansichten durcheinanderlaufen, kommen wir in die Gefahr, daß unser Gespräch ohne die rechte Sammlung bleibt. Darum müssen wir versuchen, die Frage genauer zu be stimmen. Auf solche Weise bringen wir das Gespräch in eine feste Richtung. Das Gespräch wird dadurch auf einen Weg gebracht. Ich sage: auf einen Weg. Damit geben wir zu, daß dieser Weg gewiß nicht der einzige Weg ist. Es muß sogar offen bleiben, ob der Weg, auf den ich im folgenden hinweisen möchte, in Wahrheit ein Weg ist, der uns erlaubt, die Frage zu stellen und zu beantworten. Nehmen wir einmal an, wir könnten einen Weg finden, die Frage genauer zu bestimmen, dann erhebt sich sogleich ein schwerwiegender Einwand gegen das Thema unseres Gespräches. Wenn wir fragen: Was ist das – die Philosophie?, dann sprechen wir über die Philosophie. Indem wir auf diese Weise fragen, bleiben wir offenbar auf einem Standort oberhalb, und d. h. außerhalb der Philosophie. Aber das Ziel unserer Frage ist, in die Philosophie hinein-
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zukommen, in ihr uns aufzuhalten, nach ihrer Weise uns zu verhalten, d. h. zu »philosophieren«. Der Weg unserer Gespräche muß deshalb nicht nur eine klare Richtung haben, sondern diese Richtung muß uns zugleich auch die Gewähr bieten, daß wir uns innerhalb der Philosophie bewegen und nicht außen um sie herum. Der Weg unserer Gespräche muß also von einer Art und Richtung sein, daß das, wovon die Philosophie handelt, uns selbst angeht, uns berührt (nous touche), und zwar uns in unserem Wesen. Aber wird die Philosophie dadurch nicht zu einer Sache der Affektion, der Affekte und der Gefühle? »Mit den schönen Gefühlen macht man die schlechte Literatur.« »C’est avec les beaux sentiments que l’on fait la mauvaise litte´rature.«1 Dieses Wort von Andre´ Gide gilt nicht nur von der Literatur, es gilt mehr noch für die Philosophie. Gefühle, auch die schönsten, gehören nicht in die Philosophie. Gefühle, sagt man, sind etwas Irrationales. Die Philosophie dagegen ist nicht nur etwas Rationales, sondern die eigentliche Verwalterin der Ratio.a Indem wir dies behaupten, haben wir unversehens etwas darüber entschieden, was die Philosophie ist. Wir sind unserer Frage mit einer Antwort schon vorausgeeilt. Jedermann hält die Aussage, daß die Philosophie eine Sache der Ratio sei, für richtig. Vielleicht ist diese Aussage dennoch eine voreilige und überstürzte Antwort auf die Fra ge: Was ist das – die Philosophie? Denn wir können dieser Antwort sogleich neue Fragen entgegensetzen. Was ist das – die Ratio, die Vernunft? Wo und durch wen wurde entschieden, was die Ra-
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Andre´ Gide, Dostoı¨ewsky. Paris 1923; p. 247.*
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[2] daß in der Philosophie zum Walten komme.
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tio ist? Hat sich die Ratio selbst zur Herrin der Philosophie gemacht? Wenn »ja«, mit welchem Recht? Wenn »nein«, woher empfängt sie ihren Auftrag und ihre Rolle? Wenn das, was als Ratio gilt, erst und nur durch die Philosophie und innerhalb des Ganges ihrer Geschichte festgelegt wurde, dann ist es kein guter Rat, die Philosophie zum voraus als Sache der Ratio auszugeben. Sobald wir jedoch die Kennzeichnung der Philosophie als eines rationalen Verhaltens in Zweifel ziehen, wird in gleicher Weise auch bezweifelbar, ob die Philosophie in den Bereich des Irrationalen gehöre. Denn wer die Philosophie als irrational bestimmen will, nimmt dabei das Rationale zum Maßstab der Abgrenzung und zwar in einer Weise, daß er wiederum als selbstverständlich voraussetzt, was die Ratio ist. Wenn wir andererseits auf die Möglichkeit hinweisen, daß das, worauf die Philosophie sich bezieht, uns Menschen in unserem Wesen angeht und uns be-rührt, dann könnte es sein, daß diese Affektion durchaus nichts mit dem zu tun hat, was man gewöhnlich Affekte und Gefühle, kurz das Irrationale nennt. Aus dem Gesagten entnehmen wir zunächst nur dieses eine: Es bedarf einer höheren Sorgfalt, wenn wir es wagen, ein Gespräch unter dem Titel »Was ist das – die Philosophie?« zu beginnen. Das erste ist, daß wir versuchen, die Frage auf einen klar gerichteten Weg zu bringen, damit wir nicht in beliebigen und nicht in zufälligen Vorstellungen über die Philosophie umhertreiben. Doch wie sollen wir einen Weg finden, auf dem wir in einer zuverlässigen Weise unsere Frage bestimmen? Der Weg, auf den ich jetzt hinweisen möchte, liegt unmittelbar vor uns. Und nur deshalb, weil er der nächstliegende ist, finden wir ihn schwer. Wenn wir ihn aber gefun-
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den haben, dann bewegen wir uns trotzdem immer noch unbeholfen auf ihm. Wir fragen: Was ist das – die Philosophie? Wir haben das Wort »Philosophie« schon oft genug ausgesprochen. Wenn wir aber das Wort »Philosophie« jetzt nicht mehr wie einen abgebrauchten Titel verwenden, wenn wir statt dessen das Wort »Philosophie« aus seinem Ursprung hören, dann lautet es: filosofiÂa. Das Wort »Philosophie« spricht jetzt griechisch. Das griechische Wort ist als griechisches Wort ein Weg. Dieser liegt einerseits vor uns, denn das Wort ist uns seit langer Zeit vorausgesprochen. Andererseits liegt er schon hinter uns, denn wir haben dieses Wort immer schon gehört und gesagt. Demgemäß ist das griechische Wort filosofiÂa ein Weg, auf dem wir unterwegs sind. Doch wir kennen diesen Weg nur ganz undeutlich, obwohl wir viele historische Kenntnisse über die griechische Philosophie besitzen und ausbreiten können. Das Wort filosofiÂa sagt uns, daß die Philosophie etwas ist, was erstmals die Existenz des Griechentums bestimmt. Nicht nur das – die filosofiÂa bestimmt auch den innersten Grundzug unserer abendländisch-europäischen Geschichte. Die oft gehörte Redeweise von der »abendländisch-europäischen Philosophie« ist in Wahrheit eine Tautologie. Warum? Weil die »Philosophie« in ihrem Wesen griechisch ist –, griechisch heißt hier: Die Philosophie ist im Ursprung ihres Wesens von der Art, daß sie zuerst das Griechentum, und nur dieses, in Anspruch genommen hat, um sich zu entfalten. Allein – das ursprünglich griechische Wesen der Philosophie wird in der Epoche seines neuzeitlich-europäischen Waltens von Vorstellungen des Christentums geleitet und beherrscht. Die Herrschaft dieser Vorstellungen ist durch das Mittelalter vermittelt. Gleichwohl kann man nicht sagen, die Philosophie werde dadurch christlich, d. h. zu einer
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Sache des Glaubens an die Offenbarung und die Autorität der Kirche. Der Satz: Die Philosophie ist in ihrem Wesen griechisch, sagt nichts anderes als: das Abendland und Europa, und nur sie, sind in ihrem innersten Geschichtsgang ursprünglich »philosophisch«. Das wird durch die Entstehung und Herrschaft der Wissenschaften bezeugt. Weil sie dem innersten abend ländisch-europäischen Geschichtsgang, nämlich dem philosophischen entstammen, deshalb sind sie heute imstande, der Geschichte des Menschen auf der ganzen Erde die spezifische Prägung zu geben. Überlegen wir uns einen Augenblick, was es bedeutet, daß man ein Weltalter der Menschengeschichte als »Atomzeitalter« kennzeichnet. Die durch die Wissenschaften entdeckte und freigesetzte Atomenergie wird als diejenige Macht vorgestellt, die den Geschichtsgang bestimmen soll. Die Wissenschaften gäbe es freilich niemals, wenn ihnen nicht die Philosophie vorher- und vorausgegangen wäre. Die Philosophie aber ist: hë filosofiÂa. Dieses griechische Wort bindet unser Gespräch in eine geschichtliche Überlieferung. Weil diese Überlieferung einzigartig bleibt, deshalb ist sie auch eindeutig. Die durch den griechischen Namen filosofiÂa genannte Überlieferung, die uns das geschichtliche Wort filosofiÂa nennt, gibt uns die Richtung eines Weges frei, auf dem wir fragen: Was ist das – die Philosophie? Die Überlieferung liefert uns nicht einem Zwang des Vergangenen und Unwiderruf lichen aus. Überliefern, de´livrer, ist ein Befreien, nämlich in die Freiheit des Gespräches mit dem Gewesenen. Der Name »Philosophie« ruft uns, wenn wir das Wort wahrhaft hören und das Gehörte bedenken, in die Geschichte der griechischen Herkunft der Philosophie. Das Wort filosofiÂa steht gleichsam auf der Geburtsurkunde unserer eigenen Geschichte, wir dürfen sogar sagen: auf der Geburtsurkunde der gegenwärtigen
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weltgeschichtlichen Epoche, die sich Atomzeitalter nennt. Darum können wir die Frage: Was ist das – die Philosophie? nur fragen, wenn wir uns in ein Gespräch mit dem Denken des Griechentums einlassen. Aber nicht allein dasjenige, was in Frage steht, die Philosophie, ist seiner Herkunft nach griechisch, sondern auch die Weise, wie wir fragen; die Weise, in der wir auch heute noch fragen, ist griechisch. Wir fragen: Was ist das …? Dies lautet griechisch: ti eÆstin. Die Frage, was etwas sei, bleibt jedoch mehrdeutig. Wir können fragen: Was ist das dort in der Ferne? Wir erhalten die Antwort: ein Baum. Die Antwort besteht darin, daß wir einem Ding, das wir nicht genau erkennen, seinen Namen geben. Wir können jedoch weiter fragen: Was ist das, was wir »Baum« nennen? Mit der jetzt gestellten Frage kommen wir schon in die Nähe des griechischen ti eÆstin. Es ist diejenige Form des Fragens, die Sokrates, Platon und Aristoteles entfaltet haben. Sie fragen z. B.: Was ist dies – das Schöne? Was ist dies – die Erkenntnis? Was ist dies – die Natur? Was ist dies – die Bewegung? Nun müssen wir aber darauf achten, daß in den soeben genannten Fragen nicht nur eine genauere Umgrenzung dessen gesucht wird, was Natur, was Bewegung, was Schönheit ist, sondern: daß auch zugleich eine Auslegung darüber gegeben wird, was das »Was« bedeutet, in welchem Sinne das ti zu verstehen ist. Man nennt dasjenige, was das Was bedeutet, das quid est, toÁ quid: die quidditas, die Washeit. Indessen wird die quidditas in den verschiedenen Epochen der Philosophie verschieden bestimmt. So ist z. B. die Philosophie Platons eine eigenartige Interpretation dessen, was das ti meint. Es meint nämlich die ÆideÂa. Daß wir, wenn wir nach dem tiÂ, nach dem quid fragen, dabei die »Idea«
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meinen, ist keineswegs selbstverständlich. Aristoteles gibt eine andere Auslegung des ti als Platon. Eine andere Auslegung des ti gibt Kant, eine andere Hegel. Was am Leitfaden des tiÂ, des quid, des Was jeweils gefragt ist, bleibt jedesmal neu zu bestimmen. In jedem Falle gilt: wenn wir in bezug auf die Philosophie fragen: Was ist das?, dann fragen wir eine ursprünglich griechische Frage. Beachten wir es gut: sowohl das Thema unserer Frage: »die Philosophie«, als auch die Weise, in der wir fragen: »was ist das …?« – beides bleibt seiner Herkunft nach griechisch. Wir selbst gehören in diese Herkunft, auch dann, wenn wir das Wort »Philosophie« nicht einmal nennen. Wir sind eigens in diese Herkunft zurückgerufen, für sie und durch sie re-klamiert, sobald wir die Frage: Was ist das – die Philosophie? nicht nur in ihrem Wortlaut aussprechen, sondern ihrem Sinne nachsinnen. [Die Frage: Was ist Philosophie? ist keine Frage, die eine Art von Erkenntnis an sich selbst richtet (Philosophie der Philosophie). Die Frage ist auch keine historische Frage, die sich dafür interessiert auszumachen, wie das, was man »Philosophie« nennt, begonnen und sich entwickelt hat. Die Frage ist eine geschichtliche, d. h. geschick-liche Frage. Mehr noch: sie ist nicht »eine«, sie ist die geschichtliche Frage unseres abendländisch-europäischen Daseins.] Wenn wir auf den ganzen und ursprünglichen Sinn der Frage: Was ist das – die Philosophie? uns einlassen, dann hat unser Fragen durch seine geschichtliche Herkunft eine Richtung in eine geschichtliche Zukunft gefunden. Wir haben einen Weg gefunden. Die Frage selbst ist ein Weg. Er führt von dem Dasein des Griechentums her zu uns hin, wenn nicht gar über uns hinaus. Wir sind – wenn wir bei der Frage ausharren – unterwegs auf einem klar gerichteten Weg. Dennoch haben wir dadurch noch keine Gewähr,
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daß wir unmittelbar imstande sind, diesen Weg auf die rechte Weise zu gehen. Wir können nicht einmal sogleich ausmachen, an welcher Stelle des Weges wir heute stehen. Man pflegt seit langer Zeit die Frage, was etwas sei, als die Frage nach dem Wesen zu kennzeichnen. Die Frage nach dem Wesen wird jeweils dann wach, wenn dasjenige, nach dessen Wesen gefragt wird, sich verdunkelt und verwirrt hat, wenn zugleich der Bezug des Menschen zu dem Befragten schwankend geworden oder gar erschüttert ist. Die Frage unseres Gespräches betrifft das Wesen der Philosophie. Wenn diese Frage aus einer Not kommt und nicht bloß eine Scheinfrage zum Zweck einer Konversation bleiben soll, dann muß uns die Philosophie als Philosophie fragwürdig geworden sein. Trifft dies zu? Und wenn ja, inwiefern ist die Philosophie für uns fragwürdig geworden? Dies können wir offenbar doch nur dann angeben, wenn wir schon einen Einblick in die Philosophie genommen haben. Dazu ist nötig, daß wir zuvor wissen, was das ist – die Philosophie. So werden wir auf eine seltsame Weise in einem Kreis herumgejagt. Die Philosophie selbst scheint dieser Kreis zu sein. Angenommen, wir könnten uns aus dem Ring dieses Kreises nicht unmittelbar befreien, so ist uns doch erlaubt, auf den Kreis zu blicken.a Wohin soll sich unser Blick wenden? Das griechische Wort filosofiÂa weist uns die Richtung. Hier ist eine grundsätzliche Bemerkung nötig. Wenn wir jetzt und später auf Worte der griechischen Sprache hören, dann begeben wir uns in einen ausgezeichneten Bereich. Langsam dämmert nämlich für unsere Besinnung, daß die griechische Sprache keine bloße Sprache ist wie die uns bekannten europäischen Sprachen. Die griechische a
[1] ist dieses Blicken Reflexion? oder?
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Sprache, und sie allein, ist loÂgow. Wir werden in unseren Gesprächen davon noch eingehender handeln müssen. Für den Beginn genüge der Hinweis, daß in der griechischen Sprache das in ihr Gesagte auf eine ausgezeichnete Weise zugleich das ist, was das Gesagte nennt. Wenn wir ein griechisches Wort griechisch hören, dann folgen wir seinem leÂgein, seinem unmittelbaren Darlegen. Was es darlegt, ist das Vorliegende. Wir sind durch das griechisch gehörte Wort unmittelbar bei der vorliegenden Sache selbst, nicht zunächst bei einer bloßen Wortbedeutung. Das griechische Wort filosofiÂa geht auf das Wort filoÂsofow zurück. Dieses Wort ist ursprünglich ein Adiectivum wie filaÂrgyrow, silberliebend, wie filoÂtiµow, ehrliebend. Das Wort filoÂsofow wurde vermutlich von Heraklit geprägt. Dies besagt: für Heraklit gibt es noch nicht die filosofiÂa. Ein aÆnhÁr filoÂsofow ist nicht ein »philosophischer« Mensch. Das griechische Adiectivum filoÂsofow sagt etwas völlig anderes als die Adiectiva philosophisch, philosophique. Ein aÆnhÁr filoÂsofow ist derjenige, oÊw fileiÄ toÁ sofoÂna, der das sofoÂn liebt; fileiÄnb, lieben bedeutet hier im Sinne Heraklits: oëµologeiÄn, so sprechen, wie der LoÂgow spricht, d. h. dem LoÂgow entsprechen. Dieses Entsprechen steht im Einklang mit dem sofoÂn. Einklang ist aërµoniÂa. Dies, daß ein Wesen dem anderen wechselweise sich fügt, daß sich beide ursprünglich einander fügen, weil sie zueinander verfügt sind, diese aërµoniÂa ist das Auszeichnende des heraklitisch gedachten fileiÄn, des Liebens. Der aÆnhÁr filoÂsofow liebt das sofoÂn. Was dieses Wort für Heraklit sagt, ist schwer zu übersetzen. Aber wir können es nach Heraklits eigener Auslegung erläutern. Dema b
[2] vÎì fiÂlon toÁ sofoÂn [1] sfi … gehören*
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nach sagt toÁ sofoÂn dieses: ÊEn PaÂnta, »Eines (ist) Alles«. »Alles«, das meint hier: PaÂnta taÁ oÍnta, das Ganze, das All des Seienden. ÏEn, das Eins meint: das Eine, Einzige, alles Einigende. Einig aber ist alles Seiende im Sein. Das sofoÂn sagt: Alles Seiende ist im Sein. Schärfer gesagt: Das Sein ist das Seiende. Hierbei spricht »ist« transitiv und besagt soviel wie »versammelt«. Das Sein versammelt das Seiende darin, daß es Seiendes ist. Das Sein ist die Versammlung – LoÂgow.1 Alles Seiende ist im Sein. Solches zu hören, klingt für unser Ohr trivial, wenn nicht gar beleidigend. Denn darum, daß das Seiende in das Sein gehört, braucht sich niemand zu kümmern. Alle Welt weiß: Seiendes ist solches, was ist. Was steht dem Seienden anderes frei als dies: zu sein? Und dennoch: gerade dies, daß das Seiende im Sein versammelt bleibt, daß im Scheinen von Sein das Seiende erscheint*, dies setzte die Griechen, und sie zuerst und sie allein, in das Erstaunen. Seiendes im Sein: dies wurde für die Griechen das Erstaunlichste. Indessen mußten sogar die Griechen die Erstaunlichkeit dieses Erstaunlichsten retten und schützen – gegen den Zugriff des sophistischen Verstandes, der für alles eine für jedermann sogleich verständliche Erklärung bereit hatte und sie auf den Markt brachte. Die Rettung des Erstaunlichsten – Seiendes im Sein – geschah dadurch, daß sich einige auf den Weg machten in der Richtung auf dieses Erstaunlichste, d. h. das sofoÂn. Sie wurden dadurch zu solchen, die nach dem sofoÂn strebten und durch ihr eigenes Streben bei anderen Menschen die Sehnsucht nach dem sofoÂn erweckten und wachhielten. Das fileiÄn toÁ so-
1
vgl. Vorträge und Aufsätze. 1954, Seite 207 – 229.**
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foÂn, jener schon genannte Einklang mit dem sofoÂn, die aërµoniÂa, wurde so zu einer oÍrejiw, zu einem Streben nach dem sofoÂn. Das sofoÂn – das Seiende im Sein – wird jetzt eigens gesucht. Weil das fileiÄn nicht mehr ein ursprünglicher Einklang mit dem sofoÂn ist, sondern ein besonderes Streben nach dem sofoÂn, wird das fileiÄn toÁ sofoÂn zur »filosofiÂa«. Deren Streben wird durch den Eros be-
stimmt. Dieses strebende Suchen nach dem sofoÂn, nach dem ÏEn PaÂnta, nach dem Seienden im Sein wird jetzt zur Frage: Was ist das Seiende, insofern es ist? Das Denken wird jetzt erst zur »Philosophie«. Heraklit und Parmenides waren noch keine »Philosophen«. Warum nicht? Weil sie die größeren Denker waren. »Größer« meint hier nicht das Verrechnen einer Leistung, sondern zeigt in eine andere Dimension des Denkens. Heraklit und Parmenides waren »größer« in dem Sinne, daß sie noch im Einklang standen mit dem LoÂgow, d. h. dem ÊEn PaÂnta. Der Schritt zur »Philosophie«, vorbereitet durch die Sophistik, wurde zuerst von Sokrates und Platon vollzogen. Aristoteles hat dann fast zwei Jahrhunderte nach Heraklit diesen Schritt durch folgenden Satz gekennzeichnet: kaiÁ dhÁ kaiÁ to paÂlai te kaiÁ nyÄn kaiÁ aÆeiÁ zhtoyµenon kaiÁ aÆeiÁ aÆporoyµenon, ti toÁ oÍn; (Met. Z 1, 1028 b 2 sqq).* In der Übersetzung sagt dies: »Und so ist denn einstmals schon und auch jetzt und immerfort dasjenige, wohin (die Philosophie) sich auf den Weg begibt und wohin sie immer wieder den Zugang nicht findet (das Gefragte dieses): Was ist das Seiende? (ti toÁ oÍn)«. Die Philosophie sucht das, was das Seiende ist, insofern es ist. Die Philosophie ist unterwegs zum Sein des Seienden, d. h. zum Seienden hinsichtlich des Seins. Aristoteles erläutert dies, indem er in dem angeführten Satz auf das ti toÁ oÍn, was ist das Seiende? eine Erläuterung folgen läßt: toyÄtoÂ
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eÆsti tiÂw hë oyÆsiÂa; in der Übersetzung gesprochen: »Dies (nämlich ti toÁ oÍn) bedeutet: was ist die Seiendheit des Sei-
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enden?« Das Sein des Seienden beruht in der Seiendheit. Diese aber – die oyÆsiÂa – bestimmt Platon als ÆideÂa, bestimmt Aristoteles als die eÆneÂrgeia. Im Augenblick ist es noch nicht nötig, genauer zu erörtern, was Aristoteles mit eÆneÂrgeia meint und inwiefern sich die oyÆsiÂa durch die eÆneÂrgeia bestimmen läßt. Wichtig ist jetzt nur dies, daß wir darauf achten, wie Aristoteles die Philosophie in ihrem Wesen umgrenzt. Er sagt im ersten Buch der »Metaphysik« (Met. A 2, 982 b 9 sq) folgendes: Die Philosophie ist eÆpisthµh tvÄn prvÂtvn aÆrxvÄn kaiÁ aiÆtiv Ä n ûevrhtikhÂ. Man übersetzt eÆpisthµh gern durch »Wissenschaft«. Das ist irreführend, weil wir allzuleicht die moderne Vorstellung von »Wissenschaft« einfließen lassen. Die Übersetzung von eÆpisthµh durch »Wissenschaft« ist auch dann irrig, wenn wir »Wissenschaft« in dem philosophischen Sinne verstehen, den Fichte, Schelling und Hegel meinen. Das Wort eÆpisthµh leitet sich von dem Participium eÆpistaµenow her. So heißt der Mensch, insofern er für etwas zuständig und geschickt ist (Zuständigkeit im Sinne von appartenance). Die Philosophie ist eÆpisthµh tiw, eine Art von Zuständigkeit, ûevrhtikhÂ, die das ûevreiÄn vermag, d. h. auszuschauen nach etwas und dieses, wonach sie Ausschau hält, in den Blick zu nehmen und im Blick zu behalten. Die Philosophie ist darum eÆpisthµh ûevrhtikhÂ. Was aber ist das, was sie in den Blick nimmt? Aristoteles sagt es, indem er die prvÄtai aÆrxaiÁ kaiÁ aiÆtiÂai nennt. Man übersetzt: »die ersten Gründe und Ursachen« – nämlich des Seienden. Die ersten Gründe und Ursachen machen so das Sein des Seienden aus. Es wäre nach zweieinhalb Jahrtausenden an der Zeit, darüber nach-
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zudenken, was denn das Sein des Seienden mit so etwas wie »Grund« und »Ursache« zu schaffen hat. In welchem Sinne wird das Sein gedacht, daß dergleichen wie »Grund« und »Ursache« sich dazu eignen, das seiend-Sein des Seienden zu prägen und zu übernehmen? Doch wir achten jetzt auf anderes. Der angeführte Satz des Aristoteles sagt uns, wohin das, was man seit Platon »Philosophie« nennt, unterwegs ist. Der Satz gibt eine Auskunft darüber, was das ist – die Philosophie. Die Philosophie ist eine Art von Zuständigkeit, die dazu befähigt, das Seiende in den Blick zu nehmen, nämlich im Hinblick darauf, was es ist, insofern es Seiendes ist. Die Frage, die unserem Gespräch die fruchtbare Unruhe und Bewegung geben und dem Gespräch die Wegrichtung weisen soll, die Frage: was ist Philosophie? hat Aristoteles schon beantwortet. Also ist unser Gespräch nicht mehr nötig. Es ist zu Ende, bevor es begonnen hat. Man wird sogleich erwidern, daß die Aussage des Aristoteles über das, was die Philosophie ist, keineswegs die einzige Antwort auf unsere Frage sein kann. Im günstigen Fall ist sie eine Antwort unter vielen anderen. Mit Hilfe der aristotelischen Kennzeichnung der Philosophie kann man zwar sowohl das Denken vor Aristoteles und Platon als auch die Philosophie nach der Zeit des Aristoteles vorstellen und auslegen. Indes wird man mit Leichtigkeit darauf hinweisen, daß sich die Philosophie selbst und die Art, wie sie ihr eigenes Wesen vorstellt, in den folgenden zwei Jahrtausenden vielfältig gewandelt haben. Wer wollte dies leugnen? Wir dürfen aber auch nicht darüber hinweggehen, daß die Philosophie von Aristoteles bis Nietzsche gerade auf dem Grunde dieser Wandlungen und durch sie hindurch dieselbe bleibt. Denn die Verwandlungen sind die Bürgschaft für die Verwandtschaft im Selben.*
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Damit behaupten wir keineswegs, die aristotelische Definition der Philosophie gelte absolut. Sie ist nämlich schon innerhalb der Geschichte des griechischen Denkens nur eine bestimmte Auslegung des griechischen Denkens und dessen, was diesem aufgegeben wurde. Die aristotelische Kennzeichnung der Philosophie läßt sich in keinem Falle auf das Denken des Heraklit und des Parmenides zurückübertragen; dagegen ist die aristotelische Definition der Philosophie allerdings eine freie Folge des frühen Denkens und dessen Abschluß. Ich sage: eine freie Folge, weil auf keine Weise einsichtig gemacht werden kann, daß die einzelnen Philosophien und die Epochen der Philosophie im Sinne der Notwendigkeit eines dialektischen Prozesses auseinander hervorgehen. Was ergibt sich aus dem Gesagten für unseren Versuch, in einem Gespräch die Frage: Was ist das – die Philosophie? zu behandeln? Zunächst das eine: Wir dürfen uns nicht nur an die Definition des Aristoteles halten. Daraus entnehmen wir das andere: Wir müssen die früheren und die späteren Definitionen der Philosophie uns vergegenwärtigen. Und dann? Dann werden wir durch eine vergleichende Abstraktion dasjenige herausstellen, was das Gemeinsame aller Definitionen ist. Und dann? Dann werden wir zu einer leeren Formel gelangen, die auf jede Art von Philosophie paßt. Und dann? Dann werden wir von einer Antwort auf unsere Frage so weit als nur möglich entfernt sein. Weshalb kommt es dahin? Weil wir durch das soeben erwähnte Verfahren nur historisch die vorliegenden Definitionen sammeln und sie in eine allgemeine Formel auflösen. Dies alles läßt sich in der Tat mit großer Gelehrsamkeit und mit Hilfe richtiger Feststellungen durchführen. Wir brauchen uns dabei nicht im geringsten auf die Philosophie in der Weise einzulassen, daß wir dem Wesen der Philosophie
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nach-denken. Wir gewinnen auf solche Weise vielfältige und gründliche und sogar nützliche Kenntnisse darüber, wie man die Philosophie im Verlaufe ihrer Geschichte vorgestellt hat. Aber wir gelangen auf diesem Wege niemals zu einer echten, d. h. legitimen Antwort auf die Frage: Was ist das – die Philosophie? Die Antwort kann nur eine philosophierende Antwort sein, eine Antwort, die als Ant-wort in sich philosophierta. Doch wie sollen wir diesen Satz verstehen? Inwiefern kann eine Antwort, und zwar insofern sie Ant-wort ist, philosophieren? Ich versuche dies jetzt vorläufig durch einige Hinweise aufzuhellen. Was gemeint ist, wird unser Gespräch immer wieder beunruhigen. Es wird sogar der Prüfstein dafür sein, ob unser Gespräch ein wahrhaft philosophisches werden darf. Dies steht durchaus nicht in unserer Macht. Wann ist die Antwort auf die Frage: Was ist das – die Philosophie? eine philosophierende? Wann philosophieren wir? Offenbar erst dann, wenn wir mit den Philosophen ins Gespräch kommen. Dazu gehört, daß wir mit ihnen dasjenige durchsprechen, wovon sie sprechen. Dieses miteinander-Durchsprechen dessen, was immer wieder als das Selbe die Philosophen eigens angeht, ist das Sprechen, das leÂgein im Sinne des dialeÂgesûai, das Sprechen als Dialog. Ob der Dialog notwendig eine Dialektik ist und wann, dies lassen wir offen. Eines ist es, Meinungen der Philosophen festzustellen und zu beschreiben. Ein ganz anderes ist es, das, was sie sagen, und d. h. das, wovon sie sagen, mit ihnen durchzusprechen. Gesetzt also, die Philosophen sind vom Sein des Seienden daraufhin angesprochen, daß sie sagen, was das Seiende a
[1] 〈die als Ant-wort in sich philosophiert〉*
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sei, insofern es ist, dann muß auch unser Ge spräch mit den Philosophen vom Sein des Seienden angesprochen werden. Wir selber müssen dem, wohin die Philosophie unterwegs ist, durch unser Denken entgegenkommen. Unser Sprechen muß dem, wovon die Philosophen angesprochen sind, ent-sprechen. Wenn uns dieses Ent-sprechen glückt, dann ant-worten wir im echten Sinne auf die Frage: Was ist das – die Philosophie? Das deutsche Wort »antworten« bedeutet eigentlich soviel wie ent-sprechen. Die Antwort auf unsere Frage erschöpft sich nicht in einer Aussage, die auf die Frage mit einer Feststellung darüber erwidert, was man sich bei dem Begriff »Philosophie« vorzustellen habe. Die Antwort ist keine erwidernde Aussage (n’est pas une re´ponse), die Antwort ist vielmehr die Ent-sprechung (la correspondance), die dem Sein des Seienden entspricht. Doch sogleich möchten wir wissen, was denn das Charakteristische der Antwort im Sinne der Entsprechung ausmacht. Allein zuerst liegt alles daran, daß wir in eine Entsprechung gelangen, bevor wir die Theoriea darüber aufstellen. Die Antwort auf die Frage: Was ist das – die Philosophie? besteht darin, daß wir dem entsprechen, wohin die Philosophie unterwegs ist. Und das ist: das Sein des Seienden. In solchem Entsprechen hören wir von Anfang an auf das, was die Philosophie uns schon zugesprochen hat, die Philosophie, d. h. die griechisch verstandene filosofiÂa. Deshalb gelangen wir nur so in die Entsprechung, d. h. zur Antwort auf unsere Frage, daß wir im Gespräch mit dem bleiben, wohin uns die Überlieferung der Philosophie ausliefert, d. h. befreit. Wir finden die Antwort auf die Frage, was die Philosophie sei, nicht durch historische Aussagen über die Definitionen der Philosophie, sondern durch das a
[1] 〈die Theorie〉
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Gespräch mit dem, was sich uns als Sein des Seienden überliefert hat. Dieser Weg zur Antwort auf unsere Frage ist kein Bruch mit der Geschichte, keine Verleugnung der Geschichte, sondern eine Aneignung und Verwandlung des Überlieferten. Solche Aneignung der Geschichte ist mit demTitel »Destruktion« gemeint. Der Sinn dieses Wortes ist in »Sein und Zeit« klar umschrieben (§ 6).* Destruktion bedeutet nicht Zerstören, sondern Abbauen, Abtragen und Auf-die-Seite-stellen – nämlich die nur historischen Aussagen über die Geschichte der Philosophie. Destruktion heißt: unser Ohr öffnen, freimachen für das, was sich uns in der Überlieferung als Sein des Seienden zuspricht. Indem wir auf diesen Zuspruch hören, gelangen wir in die Entsprechung.** Aber während wir dies sagen, hat sich dagegen schon ein Bedenken gemeldet. Es lautet: Müssen wir uns denn erst darum bemühen, in eine Entsprechung zum Sein des Seienden zu gelangena? Sind wir, die Menschen, nicht immer schon in einer solchen Entsprechung, und zwar nicht nur de facto, sondern aus unserem Wesen? Macht diese Entsprechung nicht den Grundzug unseres Wesens aus? So steht es in Wahrheit. Wenn es aber so steht, dann können wir nicht mehr sagen, daß wir erst in diese Entsprechung gelangen sollen. Und dennoch sagen wir dies mit Recht. Denn wir halten uns zwar immer und überall in der Entsprechung zum Sein des Seienden auf, gleichwohl achten wir nur selten auf den Zuspruch des Seins. Die Entsprechung zum Sein des Seienden bleibt zwar stets unser Aufenthalt. Doch nur zuzeiten wird sie zu einem von uns a
[1] 〈 gelangen〉
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eigens übernommenen und sich entfaltenden Verhalten. Erst wenn dies geschieht, entsprechen wir erst eigentlich dem, was die Philosophie angeht, die zum Sein des Seienden unterwegs ist. Das Entsprechen zum Sein des Seienden ist die Philosophie; sie ist es aber erst dann und nur dann, wenn das Entsprechen sich eigens vollzieht, dadurch sich entfaltet und diese Entfaltung ausbaut. Dieses Entsprechen geschieht auf verschiedene Weise, je nachdem der Zuspruch des Seins spricht, je nachdem er gehört oder überhört wird, je nachdem das Gehörte gesagt oder geschwiegen wird. Unser Gespräch kann Gelegenheiten ergeben, darüber nachzudenken. Jetzt versuche ich nur, ein Vorwort zum Gespräch zu sagen. Ich möchte das bisher Dargelegte zurückbiegen auf das, was wir im Anschluß an das Wort von Andre´ Gide über die »schönen Gefühle« gestreift haben. FilosofiÂa ist das eigens vollzogene Entsprechen, das spricht, insofern es auf den Zuspruch des Seins des Seienden achtet. Das Ent-sprechen hört auf die Stimme des Zuspruchs. Was sich als Stimme des Seins uns zuspricht, be-stimmt unser Entsprechen. »Entsprechen« heißt dann: be-stimmt sein, eˆtre dispose´, nämlich vom Sein des Seienden her. Dis-pose´ bedeutet hier wörtlich: auseinander-gesetzta, gelichtet und dadurch in die Bezüge zu dem versetzt, was ist. Das Seiende als solches bestimmt das Sprechen in einer Weise, daß sich das Sagen abstimmt (accorder) auf das Sein des Seienden. Das Entsprechen ist notwendig und immer, nicht nur zufällig und bisweilen, ein gestimmtes. Es ist in einer Gestimmtheit.* Und erst auf dem Grunde der Gestimmtheit (disposition) empfängt das Sagen des Entsprechens seine Präzision, seine Be-stimmtheit. a
[1] 〈auseinander-gesetzt〉
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Als ge-stimmtes und be-stimmtes ist das Entsprechen wesenhaft in einer Stimmung. Dadurch ist unser Verhalten jeweils so oder so gefügt. Die so verstandene Stimmung ist keine Musik von zufällig auftauchenden Gefühlen, die das Entsprechen nur begleiten. Wenn wir die Philosophie als das gestimmte Entsprechen kennzeichnen, dann wollen wir keineswegs das Denken dem zufälligen Wechsel und den Schwankungen von Gefühlszuständen ausliefern. Vielmehr handelt es sich einzig darum, darauf hinzuweisen, daß jede Präzision des Sagens in einer Disposition des Entsprechens gründet, des Entsprechens sage ich, der correspondance, im Achten auf den Zuspruch. Vor allem aber ist der Hinweis auf die wesenhafte Gestimmtheit des Entsprechens nicht erst eine moderne Erfindung. Schon die griechischen Denker, Platon und Aristoteles, haben darauf aufmerksam gemacht, daß die Philosophie und das Philosophieren in die Dimension des Menschen gehören, die wir die Stimmung (im Sinne der Ge-stimmtheit und Be-stimmtheit) nennen. Platon sagt (Theätet 155 d)*: µaÂla gaÁr filosoÂfoy toyÄto toÁ paÂûow, toÁ ûayµaÂzein a´ oyÆ gaÁr aÍllh aÆrxhÁb filosofiÂaw hà ayÏth. »Gar sehr nämlich ist eines Philosophen dieses das paÂûow – das Erstaunen; nicht nämlich ein anderes beherrschendes Woher der Philosophie gibt es als dieses.« Das Erstaunen ist als paÂûow die aÆrxhÁ der Philosophie. Das griechische Wort aÆrxhÁ müssen wir im vollen Sinne verstehen. Es nennt dasjenige, von woher etwas ausgeht. Aber dieses »von woher« wird im Ausgehen nicht zurückgelassen, vielmehr wird die aÆrxhÁ zu dem, was das Verbum aÍrxein sagt, zu solchem, was herrscht. Das paÂûow des Era b
[1] 〈dayµaÂzein〉 [1] 〈aÆrxhÂ〉
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staunens steht nicht einfach so am Beginn der Philosophie wie z. B. der Operation des Chirurgen das Waschen der Hände voraufgeht. Das Erstaunen trägt und durchherrscht die Philosophie. Aristoteles sagt dasselbe (Met. A 2, 982 b 12 sq)*: diaÁ gaÁr toÁ ûayµaÂzein oië aÍnûrvpoi kaiÁ nyÄn kaiÁ toÁ prv Ä ton hÍrjanto filosofeiÄn. »Durch das Erstaunen hindurch nämlich gelangten die Menschen jetzt sowohl als auch zuerst in den beherrschenden Ausgang des Philosophierens« (zu dem, von woher das Philosophieren ausgeht und was den Gang des Philosophierens durchgängig bestimmt). Es wäre sehr oberflächlich und vor allem ungriechisch gedacht, wollten wir meinen, Platon und Aristoteles stellten hier nur fest, das Erstaunen sei die Ursache des Philosophierens. Wären sie dieser Meinung, dann hieße das: irgendeinmal erstaunten die Menschen, nämlich über das Seiende, darüber, daß es ist und was es ist. Von diesem Erstaunen angetrieben, begannen sie zu philosophieren. Sobald die Philosophie in Gang gekommen war, wurde das Erstaunen als Anstoß überflüssig, so daß es verschwand. Es konnte verschwinden, da es nur ein Antrieb war. Aber: das Erstaunen ist aÆrxh – es durchherrscht jeden Schritt der Philosophie. Das Erstaunen ist paÂûow. Wir übersetzen paÂûow gewöhnlich durch Passion**, Leidenschaft, Gefühlswallung. Aber paÂûow hängt zusammen mit paÂsxein, leiden, erdulden, ertragen, austragen, sich tragen lassen von, sich be-stimmen lassen durch. Es ist gewagt, wie immer in solchen Fällen, wenn wir paÂûow durch Stimmung übersetzen, womit wir die Ge-stimmtheit und Be-stimmtheit meinen. Doch wir müssen diese Übersetzung wagen, weil sie allein uns davor bewahrt, paÂûow in einem neuzeitlich-modernen Sinne psychologisch vorzustellen. Nur wenn wir paÂûow als Stimmung (dis-position) verstehen, können wir auch das
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ûayµaÂzein, das Erstaunen näher kennzeichnen. Im Erstau-
nen halten wir an uns (eˆtre en arreˆt). Wir treten gleichsam zurück vor dem Seienden – davor, daß es ist und so und nicht anders ist. Auch erschöpft sich das Erstaunen nicht in diesem Zurücktreten vor dem Sein des Seienden, sondern es ist, als dieses Zurücktreten und Ansichhalten, zugleich hingerissen zu dem und gleichsam gefesselt durch das, wovor es zurücktritt. So ist das Erstaunen die Dis-position, in der und für die das Sein des Seienden sich öffnet. Das Erstaunen ist die Stimmung, innerhalb derer den griechischen Philosophen das Entsprechen zum Sein des Seienden gewährt war. Ganz anderer Art ist diejenige Stimmung, die das Denken bestimmte, die überlieferte Frage, was denn das Seiende sei, insofern es ist, auf eine neue Weise zu stellen und so eine neue Zeit der Philosophie zu beginnen. Descartesa frägt in seinen Meditationen* nicht nur und nicht zuerst ti toÁ oÍn – was ist das Seiende, insofern es ist? Descartes frägt: Welches ist dasjenige Seiende, das im Sinne des ens certum das wahrhaft Seiende ist? Für Descartes hat sich inzwischen das Wesen der certitudo gewandelt. Denn im Mittelalter besagt certitudo nicht Gewißheit, sondern die feste Umgrenzung eines Seienden in dem, was es ist. Certitudo ist hier noch gleichbedeutend mit essentia. Dagegen bemißt sich für Descartes das, was wahrhaft ist, auf eine andere Weise. Ihm wird der Zweifel zu derjenigen Stimmung, in der die Gestimmtheit auf das ens certum, das in Gewißheit Seiende, schwingt. Die certitudo wird zu jener Festmachung des ens qua ens, die sich aus der Unbezweifelbarkeit des cogito (ergo) sum für das ego des Menschen ergibt. Dadurch wird das ego zum ausgezeichneten sub-iectum, und a
[1] 〈Descartes〉
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so tritt das Wesen des Menschen zum ersten Male in den Bereich der Subjektivität im Sinne der Egoität. Aus der Gestimmtheit auf diese certitudo empfängt das Sagen Descartes’ die Bestimmtheit eines clare et distincte percipere. Die Stimmung des Zweifels ist die positive Zustimmung zur Gewißheit. Fortan wird die Gewißheit zur maßgebenden Form der Wahrheit. Die Stimmung der Zuversicht in die jederzeit erreichbare absolute Gewißheit der Erkenntnis bleibt das paÂûow und somit die aÆrxh der neuzeitlichen Philosophie. Worin aber beruht das teÂlow, die Vollendung der neuzeitlichen Philosophie, falls wir davon sprechen dürfen? Ist dieses Ende durch eine andere Stimmung bestimmt? Wo haben wir die Vollendung der neuzeitlichen Philosophie zu suchen? Bei Hegel oder erst in der Spätphilosophie Schellings? Und wie steht es mit Marx und Nietzsche? Treten sie schon aus der Bahn der neuzeitlichen Philosophie heraus? Wenn nicht, wie ist ihr Standort zu bestimmen? Es sieht so aus, als stellten wir nur historische Fragen. Aber in Wahrheit bedenken wir das künftige Wesen der Philosophie. Wir versuchen, auf die Stimme des Seins zu hören. In welche Stimmung bringt sie das heutige Denken? Die Frage ist kaum eindeutig zu beantworten. Vermutlich waltet eine Grundstimmung. Sie bleibt uns aber noch verborgen. Dies wäre ein Zeichen dafür, daß unser heutiges Denken noch nicht seinen eindeutigen Weg gefunden hat. Was wir antreffen, ist nur dies: verschiedenartige Stimmungen des Denkens. Zweifel und Verzweiflung auf der einen, blinde Besessenheit von ungeprüften Prinzipien auf der anderen Seite stehen gegeneinander. Furcht und Angst mischen sich mit Hoffnung und Zuversicht. Oft und weithin sieht es so aus, als sei das Denken nach der Art des räsonnierenden Vorstellens und Rechnens von jeder Stim-
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mung völlig frei. Aber auch die Kälte der Berechnung, auch die prosaische Nüchternheit des Planens sind Kennzeichen einer Gestimmtheit. Nicht nur dies; sogar die Vernunft, die sich von allem Einfluß der Leidenschaften frei hält, ist als Vernunft auf die Zuversicht in die logisch-mathematische Einsichtigkeit ihrer Prinzipien und Regeln gestimmt. Das eigens übernommene und sich entfaltende Entsprechen, das dem Zuspruch des Seins des Seienden entspricht, ist die Philosophie. Was das ist – die Philosophie, lernen wir nur kennen und wissen, wenn wir erfahren, wie, auf welche Weise die Philosophie ist. Sie ist in der Weise des Entsprechens, das sich abstimmt auf die Stimme des Seins des Seienden. Dieses Ent-sprechen ist ein Sprechen. Es steht im Dienst der Sprache*. Was dies heißt, ist für uns heute schwer zu verstehen; denn unsere geläufige Vorstellung von der Sprache hat seltsame Wandlungen durchgemacht. Ihnen zufolge erscheint die Sprache als ein Instrument des Ausdrucks. Demgemäß hält man es für richtiger zu sagen: Die Sprache steht im Dienst des Denkens, statt: das Denken als Ent-sprechen steht im Dienst der Sprache. Vor allem aber ist die heutige Vorstellung von der Sprache so weit als nur möglich entfernt von der griechischen Erfahrung der Sprache. Den Griechen offenbart sich das Wesen der Sprache als der loÂgow. Doch was heißt loÂgow und leÂgein? Wir beginnen erst heute langsam, durch die mannigfaltigen Auslegungen des loÂgow auf sein anfängliches griechisches Wesen hindurchzublicken. Indes können wir weder zu diesem Wesen der Sprache jemals wieder zurückkehren, noch können wir es einfach übernehmen. Wohl dagegen müssen wir mit der griechischen Erfahrung der Sprache als loÂgow in ein Gespräch kommen. Warum? Weil wir ohne eine zureichende Besinnung auf die Sprache niemals wahrhaft wissen, was
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die Philosophie als das gekennzeichnete Ent-sprechen, was die Philosophie als eine ausgezeichnete Weise des Sagensa ist. Weil nun aber die Dichtung, wenn wir sie mit dem Denken vergleichen, auf eine ganz andere und ausgezeichnete Weise im Dienst der Sprache steht, wird unser Gespräch, das der Philosophie nachdenkt, notwendig dahin geführt, das Verhältnis von Denken und Dichten zu erörtern. Zwischen beiden, Denken und Dichten, waltet eine verborgene Verwandtschaft, weil beide sich im Dienst der Sprache für die Sprache verwenden und verschwenden. Zwischen beiden aber besteht zugleich eine Kluft, denn sie »wohnen auf getrenntesten Bergen«.* Nun könnte man mit gutem Recht verlangen, daß sich unser Gespräch auf die Frage nach der Philosophie beschränke. Diese Beschränkung wäre nur dann möglich und sogar notwendig, wenn sich im Gespräch ergeben sollte, daß die Philosophie nicht das ist, als was sie jetzt gedeutet wird: ein Entsprechen, das den Zuspruch des Seins des Seienden zur Sprache bringt. Mit anderen Worten: Unser Gespräch stellt sich nicht die Aufgabe, ein festes Programm abzuwickeln. Aber es möchte sich bemühen, alle, die daran teilnehmen, für eine Sammlung bereit zu machen, in der wir von dem angesprochen werden, was wir das Sein des Seienden nennen. Indem wir dies nennen, denken wir daran, was schon Aristoteles sagt: »Das seiend-Sein kommt vielfältig zum Scheinen.«1 ToÁ oÃn leÂgetai pollaxv Ä w.
1
vgl. Sein und Zeit § 7 B.**
a
[1] 〈als eine ausgezeichnete Weise des Sagens〉
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HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS
[Anm. d. Hrsg.: In seinem Handexemplar 1 zu Was ist das – die Philosophie? hat Heidegger auf den Nachsatzseiten ein Stichwortverzeichnis mit internen Seitenverweisen notiert, dessen Einträge hier wiedergegeben werden. Die dort aufgeführten Seitenverweise beziehen sich auf die Paginierung der Erstausgabe, in der vorliegenden Ausgabe ist diese Paginierung eckigen Klammern an den Seitenrändern angegeben.] Dialog – Dialektik 30 f. ent-sprechen 32 »Theorie« 32 u[nten] der unbeachtete und unbedachte Aufenthalt 34 Lichtung – gelichtet 36 Stimmung 36 f. aÆrxhÁ 37 Descartes 40 usf. Sprache 44 Denken – als Entsprechen dem Zuspr[uch] d[er] Anwesenheit [?] »eine ausgezeichnete Weise des Sagens« 45 und Dichten 45 22 28 30 HEIDEGGERS STIC HWO R TVE R Z E I CHN I S
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Editorische Notiz zu »Was ist das – die Philosophie?« Im August 1955 reiste Heidegger in Begleitung seines Freundes Jean Beaufret nach Frankreich. In Paris lernte er Jacques Lacan und in Varengeville Georges Braque kennen. Anlass der Reise war ein von Beaufret geleitetes Kolloquium, das vom 27. August bis zum 3. September in Cerisy-la-Salle stattfand: »Qu’est-ce que la philosophie? Autour de Martin Heidegger. Colloque dirige´ par Jean Beaufret, du 27 aouˆt au 4 septembre«. Unter anderen nahmen Lucien Goldmann, Gabriel Marcel und Paul Ricœur teil. Die »Dekaden« in Cerisy-la-Salle (meistens als Kolloquia im Bereich der Philosophie, Dichtung, Bildenden Kunst und Musik unter Leitung renommierten Kenner veranstaltet) sollten nach dem Zweiten Weltkrieg zur Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland beitragen. Heidegger hielt am 28. August 1955 den Eröffnungsvortrag »Was ist das – die Philosophie?« zur Vorbereitung der philosophischen Gespräche und Seminare. Auch leitete er drei Seminarsitzungen (zu Kant, Hegel und Hölderlin). Das Protokoll der Gespräche von Cerisy-la-Salle wird im Band 91 der Heidegger-Gesamtausgabe erscheinen: Martin Heidegger, Ergänzungen und Denksplitter, hrsg. von Mark Michalski, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 91). Was ist das – die Philosophie? wurde erstmals 1956 im Verlag Günther Neske in Pfullingen publiziert. Ein Jahr später erschien der Text in der französischen Übersetzung von Kostas Axellos und Jean Beaufret: Martin Heidegger, Qu’est-ce que la philosophie? Paris, Gallimard, 1957. EDITORISCHE NOTIZ
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Von Was ist das – die Philosophie? gibt es zwei annotierte Handexemplare der Erstausgabe. Die Angabe [1] verweist auf Heideggers erstes Handexemplar; die Angabe [2] auf sein zweites Handexemplar. Handexemplar 1 enthält ein Stichwortverzeichnis mit internen Seitenverweisen (vgl. in vorliegender Ausgabe S. 227). Die in eckigen Klammern an den Seitenrändern vorliegender Ausgabe angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Seitenzahlen der Erstausgabe von 1956. Mittelstriche markieren die ursprünglichen Seitenumbrüche. In späteren Auflagen verschoben sich die Seitenzahlen um minus 5 bis minus 13 Seiten. Hochgestellte Kleinbuchstaben und dazugehörige Fußnoten im Haupttext verweisen auf Annotationen (z. B. Anmerkungen, Ergänzungen, Korrekturen und interne Seitenverweise), die Heidegger in seinen beiden persönlichen Handexemplaren der Erstausgabe handschriftlich vermerkt hat. Eckige Klammern im Haupttext stammen von Heidegger. Sternchenmarkierungen verweisen auf Anmerkungen und Ergänzungen der Herausgeber. Zwei Sternchenanmerkungen Heideggers wurden zur Vermeidung von Mißverständnissen in Fußnoten mit arabischen Ziffern umgewandelt. Heideggers Trennungen und Schreibweisen von Wörtern wie nach-denken, Ant-wort und Ent-sprechen wurden auch bei Zeilenumbrüchen beibehalten. In diesem Fall wurden die für Heidegger typischen Trennungen als Divis sowohl am Zeilenende als auch am Zeilenanfang kenntlich gemacht. Weitere Erklärungen im »Nachwort der Herausgeber«, S. 477 ff.
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EDITORISCHE NOTIZ
IDENTITÄT UND DIFFERENZ (Erstausgabe von 1957)
Vorwort [9] DER SATZ DER IDENTITÄT
[11] DIE ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG DER METAPHYSIK
[35] HINWEISE
[75]
VORWORT
[9]
Der Satz der Identität enthält den unveränderten Text eines Vortrages, der beim fünfhundertjährigen Jubiläum der Universität Freiburg i. Br. zum Tag der Fakultäten am 27. Juni 1957 gehalten wurde. Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik gibt die stellenweise überarbeitete Erörterung wieder, die eine Seminarübung des Wintersemesters 1956 / 57 über Hegels »Wissenschaft der Logik« abschließt. Der Vortrag fand am 24. Februar 1957 in Todtnauberg statt. Der Satz der Identität blickt voraus und blickt zurück: Voraus in den Bereich, von dem her das gesagt ist, was der Vortrag »Das Ding« erörtert (siehe Hinweise); zurück in den Bereich der Wesensherkunft der Metaphysik, deren Verfassung durch die Differenz bestimmt ist. Die Zusammengehörigkeit von Identität und Differenz wird in der vorliegenden Veröffentlichung als das zu Denkende gezeigt. Inwiefern die Differenz dem Wesen der Identität entstammt, soll der Leser selbst finden, indem er auf den Einklang hört, der zwischen Ereignis und Austrag waltet.
VORWORT
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[10]
Beweisen läßt sich in diesem Bereich nichts, aber weisen manches.
Todtnauberg, am 9. September 1957
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IDEN TITÄT UN D DIF F E R E N Z (E R S TA U S G A B E)
DER SATZ DER IDENTITÄT
[11]
er Satz der Identität lautet nach einer geläufigen Formel: A = A. Der Satz gilt als das oberste Denkgesetz. Diesem Satz versuchen wir für eine Weile nachzudenken. Denn wir möchten durch den Satz erfahren, was Identität ist. Wenn das Denken, von einer Sache angesprochen, dieser nachgeht, kann es ihm geschehen, daß es sich unterwegs wandelt. Darum ist es ratsam, im folgenden auf den Weg zu achten, weniger auf den Inhalt. Beim Inhalt recht zu verweilen, verwehrt uns schon der Fortgang des Vortrages. Was sagt die Formel A = A, in der man den Satz der Identität darzustellen pflegt? Die Formel nennt die Gleichheit von A und A. Zu einer Gleichung gehören wenigstens zwei. Ein A gleicht einem anderen. Will der Satz der Identität solches aussagen? Offenkundig nicht. Das Identische, lateinisch idem, heißt griechisch toÁ ayÆtoÂ. In unsere deutsche Sprache übersetzt, heißt toÁ ayÆto das Selbe. Wenn einer immerfort dasselbe sagt, z. B.: die Pflanze ist Pflanze, spricht er in einer Tautologie. Damit etwas das Selbe sein kann, genügt jeweils eines. Es bedarf nicht ihrer zwei wie bei der Gleichheit. Die Formel A = A spricht von Gleichheit. Sie nennt A nicht als dasselbe. Die geläufige Formel für den Satz der Identität verdeckt somit gerade das, was der Satz sagen möchte: A ist A, d. h. jedes A ist selber dasselbe.
[13]
D
D E R S AT Z D E R I D E N T I T Ä T
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[14]
[15]
Während wir das Identische in dieser Weise umschreiben, klingt ein altes Wort an, wodurch Platon das Identische vernehmlich macht, ein Wort, das auf ein noch älteres zurückdeutet. Platon spricht im Dialog Sophistes 254 d von staÂsiw und kiÂnhsiw, von Stillstand und Umschlag. Platon läßt an dieser Stelle den Fremdling sagen: oyÆkoyÄn ayÆtvÄn eÏkaston toiÄn µeÁn dyoiÄn eÏteroÂn eÆstin, ayÆtoÁ d’eëaytq tayÆtoÂn. »Nun ist doch von ihnen jedes der beiden ein anderes, selber jedoch ihm selbst dasselbe.« Platon sagt nicht nur: eÏkaston ayÆtoÁ tayÆtoÂn, »jedes selber dasselbe«, sondern: eÏkaston eëaytq tayÆtoÂn, »jedes selber ihm selbst dasselbe«. Der Dativ eëaytq bedeutet: jedes etwas selber ist ihm selbst zurückgegeben, jedes selber ist dasselbe – nämlich für es selbst mit ihm selbst. Unsere deutsche Sprache verschenkt hier gleich wie die griechische den Vorzug, das Identische mit demselben Wort, aber dies in einer Fuge seiner verschiedenen Gestalten zu verdeutlichen. Die gemäßere Formel für den Satz der Identität A ist A sagt demnach nicht nur: Jedes A ist selber dasselbe, sie sagt vielmehr: Mit ihm selbst ist jedes A selber dasselbe. In der Selbigkeit liegt die Beziehung des »mit«, also eine Vermittelung, eine Verbindung, eine Synthesis: die Einung in eine Einheit. Daher kommt es, daß die Identität durch die Geschichte des abendländischen Denkens hindurch im Charakter der Einheit erscheint. Aber diese Einheit ist keineswegs die fade Leere dessen, was, in sich beziehungslos, anhaltend auf einem Einerlei beharrt. Bis jedoch die in der Identität waltende, frühzeitig schon anklingende Beziehung desselben mit ihm selbst als diese Vermittelung entschieden und geprägt zum Vorschein kommt, bis gar eine Unterkunft gefunden wird für dieses Hervorscheinen der Vermittelung innerhalb der Identität, braucht das abend-
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ländische Denken mehr denn zweitausend Jahre. Denn erst die Philosophie des spekulativen Idealismus stiftet, vorbereitet von Leibniz und Kant, durch Fichte, Schelling und Hegel dem in sich synthetischen Wesen der Identität eine Unterkunft. Diese kann hier nicht gezeigt werden. Nur eines ist zu behalten: Seit der Epoche des spekulativen Idealismus bleibt es dem Denken untersagt, die Einheit der Identität als das bloße Einerlei vorzustellen und von der in der Einheit waltenden Vermittelung abzusehen. Wo solches geschieht, wird die Identität nur abstrakt vorgestellt. Auch in der verbesserten Formel »A ist A« kommt allein die abstrakte Identität zum Vorschein. Kommt es dahin? Sagt der Satz der Identität etwas über die Identität aus? Nein, wenigstens nicht unmittelbar. Der Satz setzt vielmehr schon voraus, was Identität heißt und wohin sie gehört. Wie erlangen wir eine Auskunft über diese Voraussetzung? Der Satz der Identität gibt sie uns, wenn wir sorgsam auf seinen Grundton hören, ihm nachsinnen, statt nur leichtsinnig die Formel »A ist A« daherzusagen. Eigentlich lautet sie: A ist A. Was hören wir? In diesem »ist« sagt der Satz, wie jegliches Seiende ist, nämlich: Es selber mit ihm selbst dasselbe. Der Satz der Identität spricht vom Sein des Seienden. Als ein Gesetz des Denkens gilt der Satz nur, insofern er ein Gesetz des Seins ist, das lautet: Zu jedem Seienden als solchem gehört die Identität, die Einheit mit ihm selbst. Was der Satz der Identität, aus seinem Grundton gehört, aussagt, ist genau das, was das gesamte abendländischeuropäische Denken denkt, nämlich dies: Die Einheit der Identität bildet einen Grundzug im Sein des Seienden. Überall, wo und wie wir uns zum Seienden jeglicher Art verhalten, finden wir uns von der Identität angesprochen.
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Spräche dieser Anspruch nicht, dann vermöchte es das Seiende niemals, in seinem Sein zu erscheinen. Demzufolge gäbe es auch keine Wissenschaft. Denn wäre ihr nicht zum voraus jeweils die Selbigkeit ihres Gegenstandes verbürgt, die Wissenschaft könnte nicht sein, was sie ist. Durch diese Bürgschaft sichert sich die Forschung die Möglichkeit ihrer Arbeit. Gleichwohl bringt die Leitvorstellung der Identität des Gegenstandes den Wissenschaften nie einen greifbaren Nutzen. Demnach beruht das Erfolgreiche und Fruchtbare der wissenschaftlichen Erkenntnis überall auf etwas Nutzlosem. Der Anspruch der Identität des Gegenstandes spricht, gleichviel ob die Wissenschaften diesen Anspruch hören oder nicht, ob sie das Gehörte in den Wind schlagen oder sich dadurch bestürzen lassen. Der Anspruch der Identität spricht aus dem Sein des Seienden. Wo nun aber das Sein des Seienden im abendländischen Denken am frühesten und eigens zur Sprache kommt, nämlich bei Parmenides, da spricht toÁ ayÆtoÁ, das Identische, in einem fast übermäßigen Sinne. Einer der Sätze des Parmenides lautet: toÁ gaÁr ayÆtoÁ noeiÄn eÆstiÂn te kaiÁ eiËnai.
»Das Selbe nämlich ist Vernehmen (Denken) sowohl als auch Sein.« Hier wird Verschiedenes, Denken und Sein, als das Selbe gedacht. Was sagt dies? Etwas völlig anderes im Vergleich zu dem, was wir sonst als die Lehre der Metaphysik kennen, daß die Identität zum Sein gehört. Parmenides sagt: Das Sein gehört in eine Identität. Was heißt hier Identität? Was sagt im Satz des Parmenides das Wort toÁ ayÆtoÂ, das Selbe? Parmenides gibt uns auf diese Frage keine Antwort.
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Er stellt uns vor ein Rätsel, dem wir nicht ausweichen dürfen. Wir müssen anerkennen: In der Frühzeit des Denkens spricht, längst bevor es zu einem Satz der Identität kommt, die Identität selber, und zwar in einem Spruch, der verfügt: Denken und Sein gehören in das Selbe und aus diesem Selben zusammen. Unversehens haben wir jetzt toÁ ayÆtoÂ, das Selbe, schon gedeutet. Wir legen die Selbigkeit als Zusammengehörigkeit aus. Es liegt nahe, diese Zusammengehörigkeit im Sinne der spä ter gedachten und allgemein bekannten Identität vorzustellen. Was könnte uns daran hindern? Nichts Geringeres als der Satz selbst, den wir bei Parmenides lesen. Denn er sagt anderes, nämlich: Sein gehört – mit dem Denken – in das Selbe. Das Sein ist von einer Identität her als ein Zug dieser Identität bestimmt. Dagegen wird die später in der Metaphysik gedachte Identität als ein Zug im Sein vorgestellt. Also können wir von dieser metaphysisch vorgestellten Identität aus nicht jene bestimmen wollen, die Parmenides nennt. Die Selbigkeit von Denken und Sein, die im Satz des Parmenides spricht, kommt weiter her als die von der Metaphysik aus dem Sein als dessen Zug bestimmte Identität. Das Leitwort im Satz des Parmenides, toÁ ayÆtoÂ, das Selbe, bleibt dunkel. Wir lassen es dunkel. Wir lassen uns aber zugleich von dem Satz, an dessen Beginn es steht, einen Wink geben. Inzwischen haben wir aber die Selbigkeit von Denken und Sein schon als die Zusammengehörigkeit beider festgelegt. Dies war voreilig, vielleicht notgedrungen. Wir müssen das Voreilige rückgängig machen. Wir können dies auch, insofern wir die genannte Zusammengehörigkeit nicht für die endgültige und gar allein maßgebende Auslegung der Selbigkeit von Denken und Sein halten.
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Denken wir das Zusammengehören nach der Gewohnheit, dann wird, was schon die Betonung des Wortes andeutet, der Sinn des Gehörens vom Zusammen, d. h. von dessen Einheit her bestimmt. In diesem Fall heißt »gehören« soviel wie: zugeordnet und eingeordnet in die Ordnung eines Zusammen, eingerichtet in die Einheit eines Mannigfaltigen, zusammengestellt zur Einheit des Systems, vermittelt durch die einigende Mitte einer maßgebenden Synthesis. Die Philosophie stellt dieses Zusammengehören als nexus und connexio vor, als die notwendige Verknüpfung des einen mit dem anderen. Indes läßt sich das Zusammengehören auch als Zusammengehören denken. Dies will sagen: Das Zusammen wird jetzt aus dem Gehören bestimmt. Hier bleibt allerdings zu fragen, was dann »gehören« besage und wie sich aus ihm erst das ihm eigene Zusammen bestimme. Die Antwort auf diese Fragen liegt uns näher als wir meinen, aber sie liegt nicht auf der Hand. Genug, wenn wir jetzt durch diesen Hinweis auf die Möglichkeit merken, das Gehören nicht mehr aus der Einheit des Zusammen vorzustellen, sondern dieses Zusammen aus dem Gehören her zu erfahren. Allein, erschöpft sich der Hinweis auf diese Möglichkeit nicht in einem leeren Wortspiel, das etwas erkünstelt, dem jeder Anhalt in einem nachprüfbaren Sachverhalt fehlt? So sieht es aus, bis wir schärfer zusehen und die Sache sprechen lassen. Der Gedanke an ein Zusammengehören im Sinne des Zusammengehörens entspringt aus dem Hinblick auf einen Sachverhalt, der schon genannt wurde. Er ist freilich seiner Einfachheit wegen schwer im Blick zu behalten. Indessen kommt uns dieser Sachverhalt sogleich näher, wenn wir folgendes beachten: Bei der Erläuterung des Zusammengehörens als Zusammengehören hatten wir schon, nach dem
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Wink des Parmenides, Denken sowohl als auch Sein im Sinn, also das, was im Selben zueinandergehört. Verstehen wir das Denken als die Auszeichnung des Menschen, dann besinnen wir uns auf ein Zusammengehören, das Mensch und Sein betrifft. Im Nu sehen wir uns von den Fragen bedrängt: Was heißt Sein? Wer oder was ist der Mensch? Jedermann sieht leicht: Ohne die zureichende Beantwortung dieser Fragen fehlt uns der Boden, auf dem wir etwas Verläßliches über das Zusammengehören von Mensch und Sein ausmachen können. Solange wir jedoch auf diese Weise fragen, bleiben wir in den Versuch gebannt, das Zu sammen von Mensch und Sein als eine Zuordnung vorzustellen und diese entweder vom Menschen her oder vom Sein aus einzurichten und zu erklären. Hierbei bilden die überlieferten Begriffe vom Menschen und vom Sein die Fußpunkte für die Zuordnung beider. Wie wäre es, wenn wir, statt unentwegt nur eine Zusammenordnung beider vorzustellen, um ihre Einheit herzustellen, einmal darauf achteten, ob und wie in diesem Zusammen vor allem ein Zu-einander-Gehören im Spiel ist? Nun besteht sogar die Möglichkeit, das Zusammengehören von Mensch und Sein schon in den überlieferten Bestimmungen ihres Wesens, wenngleich nur aus der Ferne zu erblicken. Inwiefern? Offenbar ist der Mensch etwas Seiendes. Als dieses gehört er wie der Stein, der Baum, der Adler in das Ganze des Seins. Gehören heißt hier noch: eingeordnet in das Sein. Aber das Auszeichnende des Menschen beruht darin, daß er als das denkende Wesen, offen dem Sein, vor dieses gestellt ist, auf das Sein bezogen bleibt und ihm so entspricht. Der Mensch ist eigentlich dieser Bezug der Entsprechung, und er ist nur dies. »Nur« – dies meint keine Beschränkung, sondern ein Übermaß. Im Menschen waltet ein Ge-
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hören zum Sein, welches Gehören auf das Sein hört, weil es diesem übereignet ist. Und das Sein? Denken wir das Sein nach seinem anfänglichen Sinne als Anwesen. Das Sein west den Menschen weder beiläufig noch ausnahmsweise an. Sein west und währt nur, indem es durch seinen Anspruch den Menschen an-geht. Denn erst der Mensch, offen für das Sein, läßt dieses als Anwesen ankommen. Solches An-wesen braucht das Offene einer Lichtung und bleibt so durch dieses Brauchen dem Menschenwesen übereignet. Dies besagt keineswegs, das Sein werde erst und nur durch den Menschen gesetzt. Dagegen wird deutlich: Mensch und Sein sind einander übereignet. Sie gehören einander. Aus diesem nicht näher bedachten Zueinandergehören haben Mensch und Sein allererst diejenigen Wesensbestimmungen empfangen, in denen sie durch die Philosophie metaphysisch begriffen werden. Dieses vorwaltende Zusammengehören von Mensch und Sein verkennen wir hartnäckig, solange wir alles nur in Ordnungen und Vermittlungen, sei es mit oder ohne Dialektik, vorstellen. Wir finden dann immer nur Verknüpfungen, die entweder vom Sein oder vom Menschen her geknüpft sind und das Zusammengehören von Mensch und Sein als Verflechtung darstellen. Wir kehren noch nicht in das Zusammengehören ein. Wie aber kommt es zu einer solchen Einkehr? Dadurch, daß wir uns von der Haltung des vorstellenden Denkens absetzen. Dieses Sichabsetzen ist ein Satz im Sinne eines Sprunges. Er springt ab, nämlich weg aus der geläufigen Vorstellung vom Menschen als dem animal rationale, das in der Neuzeit zum Subjekt für seine Objekte geworden ist. Der Absprung springt zugleich weg vom Sein. Dieses wird jedoch seit der Frühzeit des abendländischen Denkens als der Grund ausgelegt, worin jedes Seiende als Seiendes gründet.
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Wohin springt der Absprung, wenn er vom Grund abspringt? Springt er in einen Abgrund? Ja, solange wir den Sprung nur vorstellen, und zwar im Gesichtskreis des metaphysischen Denkens. Nein, insofern wir springen und uns loslassen. Wohin? Dahin, wohin wir schon eingelassen sind: in das Gehören zum Sein. Das Sein selbst aber gehört zu uns; denn nur bei uns kann es als Sein wesen, d. h. anwesen. So wird denn, um das Zusammengehören von Mensch und Sein eigens zu erfahren, ein Sprung nötig. Dieser Sprung ist das Jähe der brückenlosen Einkehr in jenes Gehören, das erst ein Zueinander von Mensch und Sein und damit die Konstellation beider zu vergeben hat. Der Sprung ist die jähe Ein fahrt in den Bereich, aus dem her Mensch und Sein einander je schon in ihrem Wesen erreicht haben, weil beide aus einer Zureichung einander übereignet sind. Die Einfahrt in den Bereich dieser Übereignung stimmt und bestimmt erst die Erfahrung des Denkens. Seltsamer Sprung, der uns vermutlich den Einblick erbringt, daß wir uns noch nicht genügend dort aufhalten, wo wir eigentlich schon sind. Wo sind wir? In welcher Konstellation von Sein und Mensch? Heute benötigen wir, so scheint es wenigstens, nicht mehr wie noch vor Jahren umständliche Hinweise, damit wir die Konstellation erblicken, aus der Mensch und Sein einander angehen. Es genügt, so möchte man meinen, das Wort Atomzeitalter zu nennen, um erfahren zu lassen, wie das Sein heute in der technischen Welt uns an-west. Aber dürfen wir denn die technische Welt ohne weiteres mit dem Sein in eins setzen? Offenbar nicht, auch dann nicht, wenn wir diese Welt als das Ganze vorstellen, worin Atomenergie, rechnende Planung des Menschen und Automatisierung zusammengeschlossen sind. Weshalb bringt ein so ge-
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arteter Hinweis auf die technische Welt, mag er diese noch so weitläufig abschildern, keineswegs schon die Konstellation von Sein und Mensch in den Blick? Weil jede Analyse der Situation zu kurz denkt, insofern das erwähnte Ganze der technischen Welt zum voraus vom Menschen her als dessen Gemächte gedeutet wird. Das Technische, im weitesten Sinne und nach seinen vielfältigen Erscheinungen vorgestellt, gilt als der Plan, den der Mensch entwirft, welcher Plan den Menschen schließlich in die Entscheidung drängt, ob er zum Knecht seines Planes werden oder dessen Herr bleiben will. Durch diese Vorstellung vom Ganzen der technischen Welt schraubt man alles auf den Menschen zurück und gelangt, wenn es hoch kommt, zur Forderung einer Ethik der technischen Welt. In dieser Vorstellung befangen, bestärkt man sich selber in der Meinung, die Technik sei nur eine Sache des Menschen. Man überhört den Anspruch des Seins, der im Wesen der Technik spricht. Setzen wir uns endlich davon ab, das Technische nur technisch, d. h. vom Menschen und seinen Maschinen her vorzustellen. Achten wir auf den Anspruch, unter dem in unserem Zeitalter nicht nur der Mensch, sondern alles Seiende, Natur und Geschichte, hinsichtlich ihres Seins stehen. Welchen Anspruch meinen wir? Unser ganzes Dasein findet sich überall – bald spielend, bald drangvoll, bald gehetzt, bald geschoben – , herausgefordert, sich auf das Planen und Berechnen von allem zu verlegen. Was spricht in dieser Herausforderung? Entspringt sie nur einer selbstgemachten Laune des Menschen? Oder geht uns dabei schon das Seiende selbst an, und zwar so, daß es uns auf seine Planbarkeit und Berechenbarkeit hin anspricht? Dann stünde also gar das Sein unter der Herausforderung,
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das Seiende im Gesichtskreis der Berechenbarkeit erscheinen zu lassen? In der Tat. Und nicht nur dies. Im selben Maße wie das Sein ist der Mensch herausgefordert, d. h. gestellt, das ihn angehende Seiende als den Bestand seines Planens und Rechnens sicherzustellen und dieses Bestellen ins Unabsehbare zu treiben. Der Name für die Versammlung des Herausforderns, das Mensch und Sein einander so zu-stellt, daß sie sich wechselweise stellen, lautet: das Ge-Stell. Man hat sich an diesem Wortgebrauch gestoßen. Aber wir sagen statt »stellen« auch »setzen« und finden nichts dabei, daß wir das Wort Ge-setz gebrauchen. Warum also nicht auch Ge-Stell, wenn der Blick in den Sachverhalt dies verlangt? Dasjenige, worin und woher Mensch und Sein in der technischen Welt einander an-gehen, spricht an in der Weise des Ge-Stells. Im wechselweisen Sichstellen von Mensch und Sein hören wir den Anspruch, der die Konstellation unseres Zeitalters bestimmt. Das Ge-Stell geht uns überall unmittelbar an. Das Ge-Stell ist, falls wir jetzt noch so sprechen dürfen, seiender denn alle Atomenergien und alles Maschinenwesen, seiender als die Wucht der Organisation, Information und Automatisierung. Weil wir das, was Ge-Stell heißt, nicht mehr im Gesichtskreis des Vorstellens antreffen, der uns das Sein des Seienden als Anwesen denken läßt – das Ge-Stell geht uns nicht mehr an wie etwas Anwesendes – , deshalb ist es zunächst befremdlich. Befremdlich bleibt das Ge-Stell vor allem insofern, als es nicht ein Letztes ist, sondern selber uns erst Jenes zuspielt, was die Konstellation von Sein und Mensch eigentlich durchwaltet. Das Zusammengehören von Mensch und Sein in der Weise der wechselseitigen Herausforderung bringt uns bestürzend näher, daß und wie der Mensch dem Sein vereig-
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net, das Sein aber dem Menschenwesen zugeeignet ist. Im Ge-Stell waltet ein seltsames Vereignen und Zueignen. Es gilt, dieses Eignen, worin Mensch und Sein einander geeignet sind, schlicht zu erfahren, d. h. einzukehren in das, was wir das Ereignis nennen. Das Wort Ereignis ist der gewachsenen Sprache entnommen. Er-eignen heißt ursprünglich: er-äugen, d. h. er blicken, im Blicken zu sich rufen, an-eignen. Das Wort Ereignis soll jetzt, aus der gewiesenen Sache her gedacht, als Leitwort im Dienst des Denkens sprechen. Als so gedachtes Leitwort läßt es sich sowenig übersetzen wie das griechische Leitwort loÂgow und das chinesische Tao. Das Wort Ereignis meint hier nicht mehr das, was wir sonst irgendein Geschehnis, ein Vorkommnis nennen. Das Wort ist jetzt als Singulare tantum gebraucht. Was es nennt, ereignet sich nur in der Einzahl, nein, nicht einmal mehr in einer Zahl, sondern einzig. Was wir im Ge-Stell als der Konstellation von Sein und Mensch durch die moderne technische Welt erfahren, ist ein Vorspiel dessen, was Er-eignis heißt. Dieses verharrt jedoch nicht notwendig in seinem Vorspiel. Denn im Er-eignis spricht die Möglichkeit an, daß es das bloße Walten des Ge-Stells in ein anfänglicheres Ereignen verwindet. Eine solche Verwindung des Ge-Stells aus dem Er-eignis in dieses brächte die ereignishafte, also niemals vom Menschen allein machbare, Zurücknahme der technischen Welt aus ihrer Herrschaft zur Dienstschaft innerhalb des Bereiches, durch den der Mensch eigentlicher in das Er-eignis reicht. Wohin hat der Weg geführt? Zur Einkehr unseres Denkens in jenes Einfache, das wir im strengen Wortsinne das Er- eignis nennen. Es scheint, als gerieten wir jetzt in die Gefahr, unser Denken allzu unbekümmert in etwas abgelegenes Allgemeines zu richten, während sich uns doch mit dem, was das Wort Er-eignis nennen möchte, nur das
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Nächste jenes Nahen unmittelbar zuspricht, darin wir uns schon aufhalten. Denn was könnte uns näher sein als das, was uns dem nähert, dem wir gehören, worin wir Gehörende sind, das Er-eignis? Das Er-eignis ist der in sich schwingende Bereich, durch den Mensch und Sein einander in ihrem Wesen erreichen, ihr Wesendes gewinnen, indem sie jene Bestimmungen verlieren, die ihnen die Metaphysik geliehen hat. Das Ereignis als Er-eignis denken, heißt, am Bau dieses in sich schwingenden Bereiches bauen. Das Bauzeug zu diesem in sich schwebenden Bau empfängt das Denken aus der Sprache. Denn die Sprache ist die zarteste, aber auch die anfälligste, alles verhaltende Schwingung im schwebenden Bau des Ereignisses. Insofern unser Wesen in die Sprache vereignet ist, wohnen wir im Ereignis. Wir sind jetzt an eine Wegstelle gelangt, wo sich die zwar grobe aber unvermeidliche Frage aufdrängt: Was hat das Ereignis mit der Identität zu tun? Antwort: Nichts. Dagegen hat die Identität vieles, wenn nicht alles mit dem Ereignis zu tun. Inwiefern? Wir antworten, indem wir den begangenen Weg mit wenigen Schritten zurückgehen. Das Ereignis vereignet Mensch und Sein in ihr wesenhaftes Zusammen. Ein erstes, bedrängendes Aufblitzen des Ereignisses erblicken wir im Ge-Stell. Dieses macht das Wesen der modernen technischen Welt aus. Im Ge-Stell erblicken wir ein Zusammengehören von Mensch und Sein, worin das Gehörenlassen erst die Art des Zusammen und dessen Einheit bestimmt. Das Geleit in die Frage nach einem Zusammengehören, darin das Gehören den Vorrang vor dem Zusammen hat, ließen wir uns durch den Satz des Parmenides geben: »Das Selbe nämlich ist Denken sowohl als auch Sein.« Die Frage nach dem Sinn dieses Selben ist die Frage nach dem Wesen der Identität. Die Lehre der
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Metaphysik stellt die Identität als einen Grundzug im Sein vor. Jetzt zeigt sich: Sein gehört mit dem Denken in eine Identität, deren Wesen aus jenem Zusammengehörenlassen stammt, das wir das Ereignis nennen. Das Wesen der Identität ist ein Eigentum des Er-eignisses. Für den Fall, daß an dem Versuch, unser Denken in den Ort der Wesensherkunft der Identität zu weisen, etwas Haltbares sein könnte, was wäre dann aus dem Titel des Vortrages ge worden? Der Sinn des Titels »Der Satz der Identität« hätte sich gewandelt. Der Satz gibt sich zunächst in der Form eines Grundsatzes, der die Identität als einen Zug im Sein, d. h. im Grund des Seienden voraussetzt. Aus diesem Satz im Sinne einer Aussage ist unterwegs ein Satz geworden von der Art eines Sprunges, der sich vom Sein als dem Grund des Seienden absetzt und so in den Abgrund springt. Doch dieser Abgrund ist weder das leere Nichts noch eine finstere Wirrnis, sondern: das Er-eignis. Im Er-eignis schwingt das Wesen dessen, was als Sprache spricht, die einmal das Haus des Seins genannt wurde. Satz der Identität sagt jetzt: Ein Sprung, den das Wesen der Identität verlangt, weil es ihn braucht, wenn anders das Zusammengehören von Mensch und Sein in das Wesenslicht des Ereignisses gelangen soll. Unterwegs vom Satz als einer Aussage über die Identität zum Satz als Sprung in die Wesensherkunft der Identität hat sich das Denken gewandelt. Darum erblickt es, der Gegenwart entgegenblickend, über die Situation des Menschen hinweg die Konstellation von Sein und Mensch aus dem, was beide einander eignet, aus dem Er-eignis. Gesetzt, die Möglichkeit warte uns entgegen, daß sich uns das Ge-Stell, die wechselweise Herausforderung von Mensch und Sein in die Berechnung des Berechenbaren, als das Ereignis zuspricht, das Mensch und Sein erst in ihr
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Eigentliches enteignet, dann wäre ein Weg frei, auf dem der Mensch das Seiende, das Ganze der modernen technischen Welt, Natur und Geschichte, allem zuvor ihr Sein, anfänglicher erfährt. So lange die Besinnung auf die Welt des Atomzeitalters bei allem Ernst der Verantwortung nur dahin drängt, aber auch nur dabei als dem Ziel sich beruhigt, die friedliche Nutzung der Atomenergie zu betreiben, so lange bleibt das Denken auf halbem Wege stehen. Durch diese Halbheit wird die technische Welt in ihrer metaphysischen Vorherrschaft weiterhin und erst recht gesichert. Allein, wo ist entschieden, daß die Natur als solche für alle Zukunft die Natur der modernen Physik bleiben und die Geschichte sich nur als Gegenstand der Historie darstellen müsse? Zwar können wir die heutige technische Welt weder als Teufelswerk verwerfen, noch dürfen wir sie vernichten, falls sie dies nicht selber besorgt. Wir dürfen aber noch weniger der Meinung nachhängen, die technische Welt sei von einer Art, die einen Absprung aus ihr schlechthin verwehre. Diese Meinung hält nämlich das Aktuelle, von ihm besessen, für das allein Wirkliche. Diese Meinung ist allerdings phantastisch, nicht dagegen ein Vordenken, das dem entgegenblickt, was als Zuspruch des Wesens der Identität von Mensch und Sein auf uns zukommt. Mehr denn zweitausend Jahre brauchte das Denken, um eine so einfache Beziehung wie die Vermittelung innerhalb der Identität eigens zu begreifen. Dürfen wir da meinen, die denkende Einkehr in die Wesensherkunft der Identität lasse sich an einem Tage bewerkstelligen? Gerade weil diese Einkehr einen Sprung verlangt, braucht sie ihre Zeit, die Zeit des Denkens, die eine andere ist als diejenige des Rechnens, das heute überall her an unserem Denken zerrt.
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Heute errechnet die Denkmaschine in einer Sekunde Tausende von Beziehungen. Sie sind trotz ihres technischen Nutzens wesenlos. Was immer und wie immer wir zu denken versuchen, wir denken im Spielraum der Überlieferung. Sie waltet, wenn sie uns aus dem Nachdenken in ein Vordenken befreit, das kein Planen mehr ist. Erst wenn wir uns denkend dem schon Gedachten zuwenden, werden wir verwendet für das noch zu Denkende.
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DIE ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG DER METAPHYSIK
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ieses Seminar versuchte, ein Gespräch mit Hegel zu beginnen. Das Gespräch mit einem Denker kann nur von der Sache des Denkens handeln. »Sache« meint nach der gegebenen Bestimmung den Streitfall, das Strittige, das einzig für das Denken der Fall ist, der das Denken angeht. Der Streit aber dieses Strittigen wird keineswegs erst durch das Denken gleichsam vom Zaun gebrochen. Die Sache des Denkens ist das in sich Strittige eines Streites. Unser Wort Streit (althochdeutsch strit) meint vornehmlich nicht die Zwietracht sondern die Bedrängnis. Die Sache des Denkens bedrängt das Denken in der Weise, daß sie das Denken erst zu seiner Sache und von dieser her zu ihm selbst bringt. Für Hegel ist die Sache des Denkens: Das Denken als solches. Damit wir diese Umgrenzung der Sache, nämlich das Denken als solches, nicht psychologisch und nicht erkenntnistheoretisch mißdeuten, müssen wir erläuternd beifügen: Das Denken als solches – in der entwickelten Fülle der Gedachtheit des Gedachten. Was hier Gedachtheit des Gedachten besagt, können wir nur von Kant her verstehen, vom Wesen des Transzendentalen aus, das Hegel jedoch absolut, und d. h. für ihn spekulativ, denkt. Darauf zielt Hegel ab, wenn er vom Denken des Denkens als solchem sagt, daß es »rein im Elemente des Denkens« entwickelt werde (Enc. Einleitung § 14). Mit einem knappen, aber nur schwer sachgerecht auszudenkenden Titel benannt, heißt
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dies: Die Sache des Denkens ist für Hegel »der Gedanke«. Dieser aber ist, zu seiner höchsten Wesensfreiheit entfaltet, »die absolute Idee«. Von ihr sagt Hegel gegen Ende der »Wissenschaft der Logik« (ed. Lass. Bd. II, 484): »die absolute Idee allein ist Sein, unvergängliches Leben, sich wissende Wahrheit, und ist alle Wahrheit«. So gibt denn Hegel selbst und ausdrücklich der Sache seines Denkens denjenigen Namen, der über der ganzen Sache des abendländischen Denkens steht, den Namen: Sein. (Im Seminar wurde der mehrfältige und doch einheitliche Gebrauch des Wortes »Sein« erörtert. Sein besagt für Hegel zunächst, aber niemals nur, die »unbestimmte Unmittelbarkeit«. Sein ist hier gesehen aus dem bestimmenden Vermitteln, d. h. vom absoluten Begriff her und deshalb auf diesen hin. »Die Wahrheit des Seins ist das Wesen«, d. h. die absolute Reflexion. Die Wahrheit des Wesens ist der Begriff im Sinne des un-endlichen Sichwissens. Sein ist das absolute Sichdenken des Denkens. Das absolute Denken allein ist die Wahrheit des Seins, »ist« Sein. Wahrheit heißt hier überall: die ihrer selbst gewisse Gewußtheit des Wißbaren als solchen.) Hegel denkt jedoch die Sache seines Denkens sachgemäß zugleich in einem Gespräch mit der voraufgegangenen Geschichte des Denkens. Hegel ist der erste, der so denken kann und muß. Hegels Verhältnis zur Geschichte der Philosophie ist das spekulative und nur als dieses ein geschichtliches. Der Charakter der Bewegung der Geschichte ist ein Geschehen im Sinne des dialektischen Prozesses. Hegel schreibt (Enc. § 14): »Dieselbe Entwickelung des Denkens, welche in der Geschichte der Philosophie dargestellt wird, wird in der Philosophie selbst dargestellt, aber befreit von jener geschichtlichen Äußerlichkeit, rein im Elemente des Denkens.«
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Wir stutzen und stocken. Die Philosophie selbst und die Geschichte der Philosophie sollen nach Hegels eigenem Wort im Verhältnis der Äußerlichkeit stehen. Aber die von Hegel gedachte Äußerlichkeit ist keineswegs äußerlich in dem groben Sinne des bloß Oberflächlichen und Gleichgültigen. Äußerlichkeit besagt hier das Außerhalb, darin alle Geschichte und jeder wirkliche Verlauf gegenüber der Bewegung der absoluten Idee sich aufhält. Die erläuterte Äußerlichkeit der Geschichte im Verhältnis zur Idee ergibt sich als Folge der Selbstentäußerung der Idee. Die Außer lichkeit ist selbst eine dialektische Bestimmung. Man bleibt daher weit hinter dem eigentlichen Gedanken Hegels zurück, wenn man feststellt, Hegel habe in der Philosophie das historische Vorstellen und das systematische Denken zu einer Einheit gebracht. Denn für Hegel handelt es sich weder um Historie, noch um das System im Sinne eines Lehrgebäudes. Was sollen diese Bemerkungen über die Philosophie und deren Verhältnis zur Geschichte? Sie möchten andeuten, daß die Sache des Denkens für Hegel in sich geschichtlich ist, dies jedoch im Sinne des Geschehens. Dessen Prozeßcharakter wird durch die Dialektik des Seins bestimmt. Die Sache des Denkens ist für Hegel das Sein als das sich selbst denkende Denken, welches Denken erst im Prozeß seiner spekulativen Entwicklung zu sich selbst kommt und somit Stufen der je verschieden entwickelten und daher zuvor notwendig unentwickelten Gestalten durchläuft. Erst aus der so erfahrenen Sache des Denkens entspringt für Hegel eine eigentümliche Maxime, die Maßgabe für die Art und Weise, wie er mit den voraufgegangenen Denkern spricht. Wenn wir also ein denkendes Gespräch mit Hegel versuchen, dann müssen wir mit ihm nicht nur von derselben
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Sache, sondern von derselben Sache in derselben Weise sprechen. Allein das Selbe ist nicht das Gleiche. Im Gleichen verschwindet die Verschiedenheit. Im Selben erscheint die Verschiedenheit. Sie erscheint um so bedrängender, je entschiedener ein Denken von derselben Sache auf dieselbe Weise angegangen wird. Hegel denkt das Sein des Seienden spekulativ-geschichtlich. Insofern nun aber Hegels Denken in eine Epoche der Geschichte gehört (dies meint beileibe nicht zum Vergangenen), versuchen wir, das von Hegel gedachte Sein auf dieselbe Weise, d. h. geschichtlich zu denken. Bei seiner Sache kann das Denken nur dadurch bleiben, daß es im Dabei-bleiben jeweils sachlicher, daß ihm dieselbe Sache strittiger wird. Auf diese Weise verlangt die Sache vom Denken, daß es die Sache in ihrem Sachverhalt aushalte, ihm durch eine Entsprechung standhalte, indem es die Sache zu ihrem Austrag bringt. Das bei seiner Sache bleibende Denken muß, wenn diese Sache das Sein ist, sich auf den Austrag des Seins einlassen. Demgemäß sind wir daran gehalten, im Gespräch mit Hegel und für dieses zum voraus die Selbigkeit derselben Sache deutlicher zu machen. Dies verlangt nach dem Gesagten, mit der Verschiedenheit der Sache des Denkens zugleich die Verschiedenheit des Geschichtlichen im Gespräch mit der Geschichte der Philosophie ans Licht zu heben. Eine solche Verdeutlichung muß hier notgedrungen kurz und umrißweise ausfallen. Wir beachten zum Zwecke einer Verdeutlichung der Verschiedenheit, die zwischen dem Denken Hegels und dem von uns versuchten Denken obwaltet, dreierlei. Wir fragen: 1. Welches ist dort und hier die Sache des Denkens? 2. Welches ist dort und hier die Maßgabe für das Gespräch mit der Geschichte des Denkens?
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3. Welches ist dort und hier der Charakter dieses Gespräches? Zur ersten Frage: Für Hegel ist die Sache des Denkens das Sein hinsichtlich der Gedachtheit des Seienden im absoluten Denken und als dieses. Für uns ist die Sache des Denkens das Selbe, somit das Sein, aber das Sein hinsichtlich seiner Differenz zum Seienden. Noch schärfer gefaßt: Für Hegel ist die Sache des Denkens der Gedanke als der absolute Begriff. Für uns ist die Sache des Denkens, vorläufig benannt, die Differenz als Differenz. Zur zweiten Frage: Für Hegel lautet die Maßgabe für das Gespräch mit der Geschichte der Philosophie: Eingehen in die Kraft und den Umkreis des von den früheren Denkern Gedachten. Nicht zufällig stellt Hegel seine Maxime im Zuge eines Gespräches mit Spinoza und vor einem Gespräch mit Kant heraus (Wissenschaft der Logik, III. Buch, Lasson Bd. II, S. 216 ff.). Bei Spinoza findet Hegel den vollendeten »Standpunkt der Substanz«, der jedoch nicht der höchste sein kann, weil das Sein noch nicht ebensosehr und entschieden von Grund aus als sich denkendes Denken gedacht ist. Das Sein hat sich als Substanz und Substanzialität noch nicht zum Subjekt in seiner absoluten Subjektität entfaltet. Gleichwohl spricht Spinoza das gesamte Denken des deutschen Idealismus immer neu an und versetzt es zugleich in den Widerspruch, weil er das Denken mit dem Absoluten anfangen läßt. Dagegen ist der Weg Kants ein anderer und für das Denken des absoluten Idealismus und für die Philosophie überhaupt noch weit entscheidender als das System Spinozas. Hegel sieht in Kants Gedanken der ursprünglichen Synthesis der Apperception »eines der tiefsten Prinzipien für die spekulative Entwicklung« (a. a. O.
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S. 227). Die jeweilige Kraft der Denker findet Hegel in dem von ihnen Gedachten, insofern es als jeweilige Stufe in das absolute Denken aufgehoben werden kann. Dieses ist nur dadurch absolut, daß es sich in seinem dialektischspekulativen Prozeß bewegt und dafür die Stufung verlangt. Für uns ist die Maßgabe für das Gespräch mit der geschichtlichen Überlieferung dieselbe, insofern es gilt, in die Kraft des früheren Denkens einzugehen. Allein wir suchen die Kraft nicht im schon Gedachten, sondern in einem Ungedachten, von dem her das Gedachte seinen Wesensraum empfängt. Aber das schon Gedachte erst bereitet das noch Ungedachte, das immer neu in seinen Überfluß einkehrt. Die Maßgabe des Ungedachten führt nicht zum Einbezug des vormals Gedachten in eine immer noch höhere und es überholende Entwicklung und Systematik, sondern sie verlangt die Freilassung des überlieferten Denkens in sein noch aufgespartes Gewesenes. Dies durchwaltet anfänglich die Über lieferung, west ihr stets voraus, ohne doch eigens und als das An-fangende gedacht zu sein. Zur dritten Frage: Für Hegel hat das Gespräch mit der voraufgegangenen Geschichte der Philosophie den Charakter der Aufhebung, d. h. des vermittelnden Begreifens im Sinne der absoluten Begründung. Für uns ist der Charakter des Gespräches mit der Geschichte des Denkens nicht mehr die Aufhebung, sondern der Schritt zurück. Die Aufhebung führt in den überhöhend-versammelnden Bezirk der absolut gesetzten Wahrheit im Sinne der vollständig entfalteten Gewißheit des sich wissenden Wissens. Der Schritt zurück weist in den bisher übersprungenen
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Bereich, aus dem her das Wesen der Wahrheit allererst denkwürdig wird. Nach dieser knappen Kennzeichnung der Verschiedenheit des Hegelschen Denkens und des unsrigen hinsichtlich der Sache, hinsichtlich der Maßgabe und des Charakters eines Gespräches mit der Geschichte des Denkens versuchen wir, das begonnene Gespräch mit Hegel um ein Geringes deutlicher in Gang zu bringen. Dies besagt: Wir wagen einen Versuch mit dem Schritt zurück. Der Titel »Schritt zurück« legt mehrfache Mißdeutungen nahe. »Schritt zurück« meint nicht einen vereinzelten Denkschritt, sondern die Art der Bewegung des Denkens und einen langen Weg. Insofern der Schritt zurück den Charakter unseres Gespräches mit der Geschichte des abendländischen Denkens bestimmt, führt das Denken aus dem in der Philosophie bisher Gedachten in gewisser Weise heraus. Das Denken tritt vor seiner Sache, dem Sein, zurück und bringt so das Gedachte in ein Gegenüber, darin wir das Ganze dieser Geschichte erblicken und zwar hinsichtlich dessen, was die Quelle dieses ganzen Denkens ausmacht, indem sie ihm überhaupt den Bezirk seines Aufenthaltes bereitstellt. Dies ist im Unterschied zu Hegel nicht ein überkommenes, schon gestelltes Problem, sondern das durch diese Geschichte des Denkens hindurch überall Ungefragte. Wir benennen es vorläufig und unvermeidlich in der Sprache der Überlieferung. Wir sprechen von der Differenz zwischen dem Sein und dem Seienden. Der Schritt zurück geht vom Ungedachten, von der Differenz als solcher, in das zu-Denkende. Das ist die Vergessenheit der Differenz. Die hier zu denkende Vergessenheit ist die von der LhÂûh (Verbergung) her gedachte Verhüllung der Differenz als solcher, welche Verhüllung ihrerseits sich anfänglich entzogen hat. Die Vergessenheit gehört zur Differenz, weil
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diese jener zugehört. Die Vergessenheit befällt nicht erst die Differenz nachträglich zufolge einer Vergeßlichkeit des menschlichen Denkens. Die Differenz von Seiendem und Sein ist der Bezirk, innerhalb dessen die Metaphysik, das abendländische Denken im Ganzen seines Wesens das sein kann, was sie ist. Der Schritt zurück bewegt sich daher aus der Metaphysik in das Wesen der Metaphysik. Die Bemerkung über Hegels Gebrauch des mehrdeutigen Leitwortes »Sein« läßt erkennen, daß die Rede von Sein und Seiendem sich niemals auf eine Epoche der Lichtungsgeschichte von »Sein« festlegen läßt. Die Rede vom »Sein« versteht diesen Namen auch nie im Sinne einer Gattung, unter deren leere Allgemeinheit die historisch vorgestellten Lehren vom Seienden als einzelne Fälle gehören. »Sein« spricht je und je geschicklich und deshalb durchwaltet von Überlieferung. Der Schritt zurück aus der Metaphysik in ihr Wesen verlangt nun aber eine Dauer und Ausdauer, deren Maße wir nicht kennen. Nur das eine ist deutlich: Der Schritt bedarf einer Vorbereitung, die jetzt und hier gewagt werden muß; dies jedoch angesichts des Seienden als solchen im Ganzen, wie es jetzt ist und sich zusehends eindeutiger zu zeigen beginnt. Was jetzt ist, wird durch die Herrschaft des Wesens der modernen Technik geprägt, welche Herrschaft sich bereits auf allen Gebieten des Lebens durch vielfältig benennbare Züge wie Funktionalisierung, Perfektion, Automatisation, Bürokratisierung, Information darstellt. So wie wir die Vorstellung vom Lebendigen Biologie nennen, kann die Darstellung und Ausformung des vom Wesen der Technik durchherrschten Seienden Technologie heißen. Der Ausdruck darf als Bezeichnung für die Metaphysik des Atomzeitalters dienen. Der Schritt zurück aus der Metaphysik in das Wesen der Metaphysik ist, von der
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Gegenwart her gesehen und aus dem Einblick in sie übernommen, der Schritt aus der Technologie und technologischen Beschreibung und Deutung des Zeitalters in das erst zu denkende Wesen der modernen Technik. Mit diesem Hinweis sei die andere naheliegende Mißdeutung des Titels »Schritt zurück« ferngehalten, die Meinung nämlich, der Schritt zurück bestehe in einem historischen Rückgang zu den frühesten Denkern der abendländischen Philosophie. Das Wohin freilich, dahin der Schritt zurück uns lenkt, entfaltet und zeigt sich erst durch den Vollzug des Schrittes. Wir wählten, um durch das Seminar einen Blick in das Ganze der Hegelschen Metaphysik zu gewinnen, als Notbehelf eine Erörterung des Stückes, mit dem das I. Buch der »Wissenschaft der Logik«, »Die Lehre vom Sein«, beginnt. Schon der Titel des Stückes gibt in jedem Wort genug zu denken. Er lautet: »Womit muß der Anfang der Wissenschaft gemacht werden?« Hegels Beantwortung der Frage besteht in dem Nachweis, daß der Anfang »spekulativer Natur« ist. Dies sagt: Der Anfang ist weder etwas Unmittelbares noch etwas Vermitteltes. Diese Natur des Anfanges versuchten wir in einem spekulativen Satz zu sagen: »Der Anfang ist das Resultat.« Dies besagt nach der dialektischen Mehrdeutigkeit des »ist« mehrfaches. Einmal dies: Der Anfang ist – das resultare beim Wort genommen – der Rückprall aus der Vollendung der dialektischen Bewegung des sich denkenden Denkens. Die Vollendung dieser Bewegung, die absolute Idee, ist das geschlossen entfaltete Ganze, die Fülle des Seins. Der Rückprall aus dieser Fülle ergibt die Leere des Seins. Mit ihr muß in der Wissenschaft (dem absoluten, sich wissenden Wissen) der Anfang gemacht werden. Anfang und Ende der Bewegung, dem zuvor diese selber, bleibt überall das Sein. Es west als die in
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sich kreisende Bewegung von der Fülle in die äu- ßerste Entäußerung und von dieser in die sich vollendende Fülle. Die Sache des Denkens ist somit für Hegel das sich denkende Denken als das in sich kreisende Sein. In der nicht nur berechtigten, sondern notwendigen Umkehrung lautet der spekulative Satz über den Anfang: »Das Resultat ist der Anfang.« Mit dem Resultat muß, insofern aus ihm der Anfang resultiert, eigentlich angefangen werden. Dies sagt das Selbe wie die Bemerkung, die Hegel im Stück über den Anfang gegen Schluß beiläufig und in Klammern einfügt (Lass. I, 63): »(und das unbestrittenste Recht hätte Gott, daß mit ihm der Anfang gemacht werde)«. Gemäß der Titelfrage des Stückes handelt es sich um den »Anfang der Wissenschaft«. Wenn sie mit Gott den Anfang machen muß, ist sie die Wissenschaft von Gott: Theologie. Dieser Name spricht hier in seiner späteren Bedeutung. Darnach ist die Theo-logie die Aussage des vorstellenden Denkens über Gott. Zunächst meint ûeoÂlogow, ûeologiÂa das mythisch-dichtende Sagen von den Göttern ohne Beziehung auf eine Glaubenslehre und eine kirchliche Doktrin. Weshalb ist »die Wissenschaft«, so lautet seit Fichte der Name für die Metaphysik, weshalb ist die Wissenschaft Theologie? Antwort: Weil die Wissenschaft die systematische Entwick lung des Wissens ist, als welches sich das Sein des Seienden selbst weiß und so wahrhaft ist. Der schulmäßige, im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit auftauchende Titel für die Wissenschaft vom Sein, d. h. vom Seienden als solchem im allgemeinen, lautet: Ontosophie oder Ontologie. Nun ist aber die abendländische Metaphysik seit ihrem Beginn bei den Griechen – und noch ungebunden an diese Titel – zumal Ontologie und Theologie. In der Antrittsvorlesung »Was ist Metaphysik?« (1929) wird daher
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die Metaphysik als die Frage nach dem Seienden als solchem und im Ganzen bestimmt. Die Ganzheit dieses Ganzen ist die Einheit des Seienden, die als der hervorbringende Grund einigt. Für den, der lesen kann, heißt dies: Die Metaphysik ist Onto-Theo-Logie. Wer die Theologie, sowohl diejenige des christlichen Glaubens als auch diejenige der Philosophie, aus gewachsener Herkunft erfahren hat, zieht es heute vor, im Bereich des Denkens von Gott zu schweigen. Denn der onto-theologische Charakter der Metaphysik ist für das Denken fragwürdig geworden, nicht auf Grund irgendeines Atheismus, sondern aus der Erfahrung eines Denkens, dem sich in der Onto-Theo-Logie die noch ungedachte Einheit des Wesens der Metaphysik gezeigt hat. Dieses Wesen der Metaphysik bleibt indes immer noch das Denkwürdigste für das Denken, solange es das Gespräch mit seiner geschickhaften Überlieferung nicht willkürlich und darum unschicklich abbricht. In der 5. Auflage von »Was ist Metaphysik?« (1949) gibt die zugefügte Einleitung den ausdrücklichen Hinweis auf das onto-theologische Wesen der Metaphysik (S. 17 f., 7. Aufl. S. 18 f.) Indessen wäre es voreilig zu behaupten, die Metaphysik sei Theologie, weil sie Ontologie sei. Zuvor wird man sagen: Die Metaphysik ist deshalb Theologie, ein Aussagen über Gott, weil der Gott in die Philosophie kommt. So verschärft sich die Frage nach dem onto-theologischen Charakter der Metaphysik zur Frage: Wie kommt der Gott in die Philosophie, nicht nur in die neuzeitliche, sondern in die Philosophie als solche? Die Frage läßt sich nur beantworten, wenn sie zuvor als Frage hinreichend entfaltet ist. Die Frage: Wie kommt der Gott in die Philosophie? können wir nur dann sachgerecht durchdenken, wenn sich dabei dasjenige genügend aufgehellt hat, wohin denn der
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Gott kommen soll – die Philosophie selbst. Solange wir die Geschichte der Philosophie nur historisch absuchen, werden wir überall finden, daß der Gott in sie gekommen ist. Gesetzt aber, daß die Philosophie als Denken das freie, von sich aus vollzogene Sicheinlassen auf das Seiende als solches ist, dann kann der Gott nur insofern in die Philosophie gelangen, als diese von sich aus, ihrem Wesen nach, verlangt und bestimmt, daß und wie der Gott in sie komme. Die Frage: Wie kommt der Gott in die Philosophie? fällt darum auf die Frage zurück: Woher stammt die onto-theologische Wesensverfassung der Metaphysik? Die so gestellte Frage übernehmen, heißt jedoch, den Schritt zurück vollziehen. In diesem Schritt bedenken wir jetzt die Wesensherkunft der onto-theologischen Struktur aller Metaphysik. Wir fragen: Wie kommt der Gott und ihm entsprechend die Theologie und mit ihr der onto-theologische Grundzug in die Metaphysik? Wir stellen diese Frage in einem Gespräch mit dem Ganzen der Geschichte der Philosophie. Wir fragen aber zugleich aus dem besonderen Blick auf Hegel. Dies veranlaßt uns, zuvor etwas Seltsames zu bedenken. Hegel denkt das Sein in seiner leersten Leere, also im Allgemeinsten. Er denkt das Sein zugleich in seiner vollendet vollkommenen Fülle. Gleichwohl nennt er die spekulative Philosophie, d. h. die eigentliche Philosophie, nicht Onto-Theologie, sondern »Wissenschaft der Logik«. Mit dieser Namengebung bringt Hegel etwas Entscheidendes zum Vorschein. Man könnte freilich die Benennung der Metaphysik als »Logik« im Handumdrehen durch den Hinweis darauf erklären, daß doch für Hegel die Sache des Denkens »der Gedanke« sei, das Wort als Singulare tantum verstanden. Der Gedanke, das Denken ist offenkundig und nach altem Brauch das Thema der Logik. Gewiß. Aber
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ebenso unbestreitbar liegt fest, daß Hegel getreu der Überlieferung die Sache des Denkens im Seienden als solchem und im Ganzen, in der Bewegung des Seins von seiner Leere zu seiner entwickelten Fülle findet. Wie kann jedoch »das Sein« überhaupt darauf verfallen, sich als »der Gedanke« darzustellen? Wie anders denn dadurch, daß das Sein als Grund vorgeprägt ist, das Denken jedoch – dieweilen es mit dem Sein zusammengehört – auf das Sein als Grund sich versammelt in der Weise des Ergründens und Begründens? Das Sein manifestiert sich als der Gedanke. Dies sagt: Das Sein des Seienden entbirgt sich als der sich selbst ergründende und begründende Grund. Der Grund, die Ratio sind nach ihrer Wesensherkunft: der LoÂgow im Sinne des versammelnden Vorliegenlassens: das ÊEn PaÂnta. So ist denn für Hegel in Wahrheit »die Wissenschaft«, d. h. die Metaphysik, nicht deshalb »Logik«, weil die Wissen schaft das Denken zum Thema hat, sondern weil die Sache des Denkens das Sein bleibt, dieses jedoch seit der Frühe seiner Entbergung im Gepräge des LoÂgow, des gründenden Grundes das Denken als Begründen in seinen Anspruch nimmt. Die Metaphysik denkt das Seiende als solches, d. h. im Allgemeinen. Die Metaphysik denkt das Seiende als solches, d. h. im Ganzen. Die Metaphysik denkt das Sein des Seienden sowohl in der ergründenden Einheit des Allgemeinsten, d. h. des überall Gleich-Gültigen, als auch in der begründenden Einheit der Allheit, d. h. des Höchsten über allem. So wird das Sein des Seienden als der gründende Grund vorausgedacht. Daher ist alle Metaphysik im Grunde vom Grund aus das Gründen, das vom Grund die Rechenschaft gibt, ihm Rede steht und ihn schließlich zur Rede stellt. Wozu erwähnen wir dies? Damit wir die abgegriffenen
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Titel Ontologie, Theologie, Onto-Theologie in ihrem eigentlichen Schwergewicht erfahren. Zunächst allerdings und gewöhnlich nehmen sich die Titel Ontologie und Theologie aus wie andere bekannte auch: Psychologie, Biologie, Kosmologie, Archäologie. Die Endsilbe -logie meint ganz im Ungefähren und im Geläufigen, es handle sich um die Wissenschaft von der Seele, vom Lebendigen, vom Kosmos, von den Altertümern. Aber in der -logie verbirgt sich nicht nur das Logische im Sinne des Folgerichtigen und überhaupt des Aussagemäßigen, das alles Wissen der Wissenschaften gliedert und bewegt, in Sicherheit bringt und mitteilt. Die -Logia ist jeweils das Ganze eines Begründungszusammenhanges, worin die Gegenstände der Wissenschaften im Hinblick auf ihren Grund vorgestellt, d. h. begriffen werden. Die Ontologie aber und die Theologie sind »Logien«, insofern sie das Seiende als solches ergründen und im Ganzen begründen. Sie geben vom Sein als dem Grund des Seienden Rechenschaft. Sie stehen dem LoÂgow Rede und sind in einem wesenhaften Sinne LoÂgow-gemäß, d. h. die Logik des LoÂgow. Demgemäß heißen sie genauer Onto-Logik und Theo-Logik. Die Metaphysik ist sachgemäßer und deutlicher gedacht: Onto-Theo-Logik. Wir verstehen jetzt den Namen »Logik« in dem wesentlichen Sinne, der auch den von Hegel gebrauchten Titel einschließt und ihn so erst erläutert, nämlich als den Namen für dasjenige Denken, das überall das Seiende als solches im Ganzen vom Sein als dem Grund (LoÂgow) her ergründet und begründet. Der Grundzug der Metaphysik heißt Onto-Theo-Logik. Somit wären wir in den Stand gesetzt zu erklären, wie der Gott in die Philosophie kommt. Inwieweit gelingt eine Erklärung? Insoweit wir beachten: Die Sache des Denkens ist das Seiende als solches, d. h. das Sein. Dieses zeigt sich in der Wesensart des Grundes.
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Demgemäß wird die Sache des Denkens, das Sein als der Grund, nur dann gründlich gedacht, wenn der Grund als der erste Grund, prvÂth aÆrxhÂ, vorgestellt wird. Die ursprüngliche Sache des Denkens stellt sich als die Ur-Sache dar, als die causa prima, die dem begründenden Rückgang auf die ultima ratio, die letzte Rechenschaft, entspricht. Das Sein des Seienden wird im Sinne des Grundes gründlich nur als causa sui vorgestellt. Damit ist der metaphysische Begriff von Gott genannt. Die Metaphysik muß auf den Gott hinaus denken, weil die Sache des Denkens das Sein ist, dieses aber in vielfachen Weisen als Grund: als LoÂgow, als yëpokeiµenon, als Substanz, als Subjekt west. Diese Erklärung streift vermutlich etwas Richtiges, aber sie bleibt für die Erörterung des Wesens der Metaphysik durchaus unzureichend. Denn diese ist nicht nur TheoLogik sondern auch Onto-Logik. Die Metaphysik ist vordem nicht nur das eine oder das andere auch. Vielmehr ist die Metaphysik Theo-Logik, weil sie Onto-Logik ist. Sie ist dieses, weil sie jenes ist. Die onto-theo-logische Wesensverfassung der Meta physik kann weder von der Theologik noch von der Ontologik her erklärt werden, falls hier jemals ein Erklären dem genügt, was zu bedenken bleibt. Noch ist nämlich ungedacht, aus welcher Einheit die Ontologik und Theologik zusammengehören, ungedacht die Herkunft dieser Einheit, ungedacht der Unterschied des Unterschiedenen, das sie einigt. Denn offenkundig handelt es sich nicht erst um einen Zusammenschluß zweier für sich bestehender Disziplinen der Metaphysik, sondern um die Einheit dessen, was in der Ontologik und Theologik befragt und gedacht wird: Das Seiende als solches im Allgemeinen und Ersten in Einem mit dem Seienden als solchem im Höchsten und Letzten. Die Einheit dieses Einen ist von solcher Art, daß das Letzte auf seine Weise das Erste
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begründet und das Erste auf seine Weise das Letzte. Die Verschiedenheit der beiden Weisen des Begründens fällt selber in den genannten, noch ungedachten Unterschied. In der Einheit des Seienden als solchen im Allgemeinen und im Höchsten beruht die Wesensverfassung der Metaphysik. Es gilt hier, die Frage nach dem onto-theologischen Wesen der Metaphysik zunächst nur als Frage zu erörtern. In den Ort, den die Frage nach der onto-theologischen Verfassung der Metaphysik erörtert, kann uns nur die Sache selbst weisen, dergestalt, daß wir die Sache des Denkens sachlicher zu denken versuchen. Die Sache des Denkens ist dem abendländischen Denken unter dem Namen »Sein« überliefert. Denken wir diese Sache um ein geringes sachlicher, achten wir sorgfältiger auf das Strittige in der Sache, dann zeigt sich: Sein heißt stets und überall: Sein des Seienden, bei welcher Wendung der Genitiv als genitivus obiectivus zu denken ist. Seiendes heißt stets und überall: Seiendes des Seins, bei welcher Wendung der Genitiv als genitivus subiectivus zu denken ist. Wir sprechen allerdings mit Vorbehalten von einem Genitiv in der Richtung auf Objekt und Subjekt; denn diese Titel Subjekt und Objekt sind ihrerseits schon einer Prägung des Seins entsprungen. Klar ist nur, daß es sich beim Sein des Seienden und beim Seienden des Seins jedesmal um eine Differenz handelt. Sein denken wir demnach nur dann sachlich, wenn wir es in der Differenz mit dem Seienden denken und dieses in der Differenz mit dem Sein. So kommt die Differenz eigens in den Blick. Versuchen wir sie vorzustellen, dann finden wir uns sogleich dazu verleitet, die Differenz als eine Relation aufzufassen, die unser Vorstellen zum Sein und zum Seienden hinzugetan hat. Dadurch wird die Differenz zu
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einer Distinktion, zu einem Gemächte unseres Verstandes herabgesetzt. Doch nehmen wir einmal an, die Differenz sei eine Zutat unseres Vorstellens, dann erhebt sich die Frage: eine Zutat wohinzu? Man antwortet: zum Seienden. Gut. Aber was heißt dies: »das Seiende«? Was heißt es anderes als: solches, das ist? So bringen wir denn die vermeintliche Zutat, die Vorstellung von der Differenz, beim Sein unter. Aber »Sein« sagt selber: Sein, das Seiendes ist. Wir treffen dort, wohin wir die Differenz als angebliche Zutat erst mitbringen sollen, immer schon Seiendes und Sein in ihrer Differenz an. Es ist hier wie im Grimmschen Märchen vom Hasen und Igel: »Ick bünn all hier«. Nun könnte man mit diesem seltsamen Sachverhalt, daß Seiendes und Sein je schon aus der Differenz und in ihr vorgefunden werden, auf eine massive Weise verfahren und ihn so erklären: Unser vorstellendes Denken ist nun einmal so eingerichtet und beschaffen, daß es gleichsam über seinen Kopf hinweg und diesem Kopf entstammend überall zwischen dem Seienden und dem Sein die Differenz zum voraus anbringt. Zu dieser anscheinend einleuchtenden, aber auch schnell fertigen Erklärung wäre vieles zu sagen und noch mehr zu fragen, allem voran dieses: Woher kommt das »zwischen«, in das die Differenz gleichsam eingeschoben werden soll? Wir lassen Meinungen und Erklärungen fahren, beachten statt dessen folgendes: Überall und jederzeit finden wir das, was Differenz genannt wird, in der Sache des Denkens, im Seienden als solchem vor, so zweifelsfrei, daß wir diesen Befund gar nicht erst als solchen zur Kenntnis nehmen. Auch zwingt uns nichts, dies zu tun. Unserem Denken steht es frei, die Differenz unbedacht zu lassen oder sie eigens als solche zu bedenken. Aber diese Freiheit gilt nicht für alle Fälle. Unversehens kann der Fall eintreten, daß sich
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das Denken in die Frage gerufen findet: Was sagt denn dieses vielgenannte Sein? Zeigt sich hierbei das Sein sogleich als Sein des …, somit im Genitiv der Differenz, dann lautet die vorige Frage sachlicher: Was haltet ihr von der Differenz, wenn sowohl das Sein als auch das Seiende je auf ihre Weise aus der Differenz her erscheinen? Um dieser Frage zu genügen, müssen wir uns erst zur Differenz in ein sachgemäßes Gegenüber bringen. Dieses Gegenüber öffnet sich uns, wenn wir den Schritt zurück vollziehen. Denn durch die von ihm erbrachte Ent-Fernung gibt sich zuerst das Nahe als solches, kommt Nähe zum ersten Scheinen. Durch den Schritt zurück lassen wir die Sache des Denkens, Sein als Differenz, in ein Gegenüber frei, welches Gegenüber durchaus gegenstandslos bleiben kann. Immer noch auf die Differenz blickend und sie doch schon durch den Schritt zurück in das zu-Denkende entlassend, können wir sagen: Sein des Seienden heißt: Sein, welches das Seiende ist. Das »ist« spricht hier transitiv, übergehend. Sein west hier in der Weise eines Überganges zum Seienden. Sein geht jedoch nicht, seinen Ort verlassend, zum Seienden hinüber, so als könnte Seiendes, zuvor ohne das Sein, von diesem erst angegangen werden. Sein geht über (das) hin, kommt entbergend über (das), was durch solche Überkommnis erst als von sich her Unverborgenes ankommt. Ankunft heißt: sich bergen in Unverborgenheit: also geborgen anwähren: Seiendes sein. Sein zeigt sich als die entbergende Überkommnis. Seiendes als solches erscheint in der Weise der in die Unverborgenheit sich bergenden Ankunft. Sein im Sinne der entbergenden Überkommnis und Seiendes als solches im Sinne der sich bergenden Ankunft wesen als die so Unterschiedenen aus dem Selben, dem Unter-Schied. Dieser vergibt erst und hält auseinander das
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Zwischen, worin Überkommnis und Ankunft zueinander gehalten, auseinander-zueinander getragen sind. Die Differenz von Sein und Seiendem ist als der Unter-Schied von Überkommnis und Ankunft: der entbergend-bergende Austrag beider. Im Austrag waltet Lichtung des sich verhüllend Verschließenden, welches Walten das Aus- und Zueinander von Überkommnis und Ankunft vergibt. Indem wir versuchen, die Differenz als solche zu bedenken, bringen wir sie nicht zum Verschwinden, sondern folgen ihr in ihre Wesensherkunft. Unterwegs zu dieser denken wir den Austrag von Überkommnis und Ankunft. Es ist die um einen Schritt zurück sachlicher gedachte Sache des Denkens: Sein gedacht aus der Differenz. Hier bedarf es freilich einer Zwischenbemerkung, die unser Reden von der Sache des Denkens angeht, eine Bemerkung, die immer neu unser Aufmerken verlangt. Sagen wir »das Sein«, so gebrauchen wir das Wort in der weitesten und unbestimmtesten Allgemeinheit. Aber schon dann, wenn wir nur von einer Allgemeinheit sprechen, haben wir das Sein in einer ungemäßen Weise gedacht. Wir stellen das Sein in einer Weise vor, in der Es, das Sein, sich niemals gibt. Die Art, wie die Sache des Denkens, das Sein, sich verhält, bleibt ein ein zigartiger Sachverhalt. Unsere geläufige Denkart kann ihn zunächst immer nur unzureichend verdeutlichen. Dies sei durch ein Beispiel versucht, wobei im voraus zu beachten ist, daß es für das Wesen des Seins nirgends im Seienden ein Beispiel gibt, vermutlich deshalb, weil das Wesen des Seins das Spiel selber ist. Hegel erwähnt einmal zur Kennzeichnung der Allgemeinheit des Allgemeinen folgenden Fall: Jemand möchte in einem Geschäft Obst kaufen. Er verlangt Obst. Man reicht ihm Äpfel, Birnen, reicht ihm Pfirsiche, Kirschen,
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Trauben. Aber der Käufer weist das Dargereichte zurück. Er möchte um jeden Preis Obst haben. Nun ist aber doch das Dargebotene jedesmal Obst, und dennoch stellt sich heraus: Obst gibt es nicht zu kaufen. Unendlich unmöglicher bleibt es, »das Sein« als das Allgemeine zum jeweilig Seienden vorzustellen. Es gibt Sein nur je und je in dieser und jener geschicklichen Prägung: FyÂsiw, LoÂgow, ÏEn, ÆIdeÂa, ÆEneÂrgeia, Substanzialität, Objektivität, Subjektivität, Wille, Wille zur Macht, Wille zum Willen. Aber dies Geschickliche gibt es nicht aufgereiht wie Äpfel, Birnen, Pfirsiche, aufgereiht auf dem Ladentisch des historischen Vorstellens. Doch hörten wir nicht vom Sein in der geschichtlichen Ordnung und Folge des dialektischen Prozesses, den Hegel denkt? Gewiß. Aber das Sein gibt sich auch hier nur in dem Lichte, das sich für Hegels Denken gelichtet hat. Das will sagen: Wie es, das Sein, sich gibt, bestimmt sich je selbst aus der Weise, wie es sich lichtet. Diese Weise ist jedoch eine geschickliche, eine je epochale Prägung, die für uns als solche nur west, wenn wir sie in das ihr eigene Gewesen freilassen. In die Nähe des Geschicklichen gelangen wir nur durch die Jähe des Augenblickes eines Andenkens. Dies gilt auch für die Erfahrung der jeweiligen Prägung der Differenz von Sein und Seiendem, der eine jeweilige Auslegung des Seienden als solchen entspricht. Das Gesagte gilt vor allem auch für unseren Versuch, im Schritt zurück aus der Vergessenheit der Differenz als solcher an diese als den Austrag von entbergender Überkommnis und sich bergender Ankunft zu denken. Zwar bekundet sich einem genaueren Hinhören, daß wir in diesem Sagen vom Austrag bereits das Gewesene zum Wort kommen lassen, insofern wir an Entbergen und Bergen, an Übergang (Transzendenz) und an Ankunft (Anwesen) denken. Vielleicht
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kommt sogar durch diese Erörterung der Differenz von Sein und Seiendem in den Austrag als den Vorort ihres Wesens etwas Durchgängiges zum Vorschein, was das Geschick des Seins vom Anfang bis in seine Vollendung durchgeht. Doch bleibt es schwierig zu sagen, wie diese Durchgängigkeit zu denken sei, wenn sie weder ein Allgemeines ist, das für alle Fälle gilt, noch ein Gesetz, das die Notwendigkeit eines Prozesses im Sinne des Dialektischen sicherstellt. Worauf es jetzt für unser Vorhaben allein ankommt, ist der Einblick in eine Möglichkeit, die Differenz als Austrag so zu denken, daß deutlicher wird, inwiefern die ontotheologische Verfassung der Metaphysik ihre Wesensherkunft im Austrag hat, der die Geschichte der Metaphysik beginnt, ihre Epochen durchwaltet, jedoch überall als der Austrag verborgen und so vergessen bleibt in einer sich selbst noch entziehenden Vergessenheit. Um den genannten Einblick zu erleichtern, bedenken wir das Sein und in ihm die Differenz und in dieser den Austrag von jener Prägung des Seins her, durch die das Sein sich als LoÂgow, als der Grund gelichtet hat. Das Sein zeigt sich in der entbergenden Überkommnis als das Vorliegenlassen des Ankommenden, als das Gründen in den mannigfaltigen Weisen des Her- und Vorbringens. Das Seiende als solches, die sich in die Unverborgenheit bergende Ankunft ist das Gegründete, das als Gegründetes und so als Erwirktes auf seine Weise gründet, nämlich wirkt, d. h. verursacht. Der Austrag von Gründendem und Gegründetem als solchem hält beide nicht nur auseinander, er hält sie im Zueinander. Die Auseinandergetragenen sind dergestalt in den Austrag verspannt, daß nicht nur Sein als Grund das Seiende gründet, sondern das Seiende seinerseits auf seine Weise das Sein gründet, es verursacht. Solches
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vermag das Seiende nur, insofern es die Fülle des Seins »ist«: als das Seiendste. Hier gelangt unsere Besinnung in einen erregenden Zusammenhang. Sein west als LoÂgow im Sinne des Grundes, des Vorliegenlassens. Derselbe LoÂgow ist als Versammlung das Einende, das ÏEn. Dieses ÏEn jedoch ist zwiefältig: Einmal das Eine Einende im Sinne des überall Ersten und so Allgemeinsten und zugleich das Eine Einende im Sinne des Höchsten (Zeus). Der LoÂgow versammelt, gründend, alles in das Allgemeine und versammelt begründend alles aus dem Einzigen. Daß derselbe LoÂgow überdies die Wesensherkunft der Prägung des Sprachwesens in sich birgt und so die Weise des Sagens als eines logischen im weiteren Sinne bestimmt, sei nur beiläufig vermerkt. Insofern Sein als Sein des Seienden, als die Differenz, als der Austrag west, währt das Aus- und Zueinander von Gründen und Begründen, gründet Sein das Seiende, begründet das Seiende als das Seiendste das Sein. Eines überkommt das Andere, Eines kommt im Anderen an. Überkommnis und Ankunft erscheinen wechselweise ineinander im Widerschein. Von der Differenz her gesprochen, heißt dies: Der Austrag ist ein Kreisen, das Umeinanderkreisen von Sein und Seiendem. Das Gründen selber erscheint innerhalb der Lichtung des Austrags als etwas, das ist, was somit selber, als Seiendes, die entsprechende Begründung durch Seiendes, d. h. die Verursachung und zwar die durch die höchste Ursache verlangt. Einer der klassischen Belege für diesen Sachverhalt in der Geschichte der Metaphysik findet sich in einem kaum beachteten Text von Leibniz, welchen Text wir kurz »Die 24 Thesen der Metaphysik« nennen (Gerh. Phil. VII, 289 ff.; vgl. dazu: Der Satz vom Grund, 1957, S. 51 f.). Die Metaphysik entspricht dem Sein als loÂgow und ist
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demgemäß in ihrem Hauptzug überall Logik, aber Logik, die das Sein des Seienden denkt, demgemäß die vom Differenten der Differenz her bestimmte Logik: Onto-Theo-Logik. Insofern die Metaphysik das Seiende als solches im Ganzen denkt, stellt sie das Seiende aus dem Hinblick auf das Diffe rente der Differenz vor, ohne auf die Differenz als Differenz zu achten. Das Differente zeigt sich als das Sein des Seienden im Allgemeinen und als das Sein des Seienden im Höchsten. Weil Sein als Grund erscheint, ist das Seiende das Gegründete, das höchste Seiende aber das Begründende im Sinne der ersten Ursache. Denkt die Metaphysik das Seiende im Hinblick auf seinen jedem Seienden als solchem gemeinsamen Grund, dann ist sie Logik als Onto-Logik. Denkt die Metaphysik das Seiende als solches im Ganzen, d. h. im Hinblick auf das höchste, alles begründende Seiende, dann ist sie Logik als Theo-Logik. Weil das Denken der Metaphysik in die als solche ungedachte Differenz eingelassen bleibt, ist die Metaphysik aus der einigenden Einheit des Austrags her einheitlich zumal Ontologie und Theologie. Die onto-theologische Verfassung der Metaphysik entstammt dem Walten der Differenz, die Sein als Grund und Seiendes als gegründet-begründendes aus- und zueinanderhält, welches Aushalten der Austrag vollbringt. Was so heißt, verweist unser Denken in den Bereich, den zu sagen die Leitworte der Metaphysik, Sein und Seiendes, Grund – Gegründetes, nicht mehr genügen. Denn was diese Worte nennen, was die von ihnen geleitete Denkweise vorstellt, stammt als das Differente aus der Differenz. Deren Herkunft läßt sich nicht mehr im Gesichtskreis der Metaphysik denken.
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Der Einblick in die onto-theologische Verfassung der Metaphysik zeigt einen möglichen Weg, die Frage: Wie kommt der Gott in die Philosophie? aus dem Wesen der Metaphysik zu beantworten. Der Gott kommt in die Philosophie durch den Austrag, den wir zunächst als den Vorort des Wesens der Differenz von Sein und Seiendem denken. Die Differenz macht den Grundriß im Bau des Wesens der Metaphysik aus. Der Austrag ergibt und vergibt das Sein als her-vor-bringenden Grund, welcher Grund selbst aus dem von ihm Begründeten her der ihm gemäßen Begründung, d. h. der Verursachung durch die ursprünglichste Sache bedarf. Dies ist die Ursache als die Causa sui. So lautet der sachgerechte Name für den Gott in der Philosophie. Zu diesem Gott kann der Mensch weder beten, noch kann er ihm opfern. Vor der Causa sui kann der Mensch weder aus Scheu ins Knie fallen, noch kann er vor diesem Gott musizieren und tanzen. Demgemäß ist das gott-lose Denken, das den Gott der Philosophie, den Gott als Causa sui preisgeben muß, dem göttlichen Gott vielleicht näher. Dies sagt hier nur: Es ist freier für ihn, als es die Onto-Theo-Logik wahrhaben möchte. Durch diese Bemerkung mag ein geringes Licht auf den Weg fallen, zu dem ein Denken unterwegs ist, das den Schritt zurück vollzieht, zurück aus der Metaphysik in das Wesen der Metaphysik, zurück aus der Vergessenheit der Differenz als solcher in das Geschick der sich entziehenden Verbergung des Austrags. Niemand kann wissen, ob und wann und wo und wie dieser Schritt des Denkens zu einem eigentlichen (im Ereignis gebrauchten) Weg und Gang und Wegebau sich entfaltet. Es könnte sein, daß die Herrschaft der Metaphysik
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sich eher verfestigt, und zwar in der Gestalt der modernen Technik und deren unabsehbaren rasenden Entwicklungen. Es könnte auch sein, daß alles, was sich auf dem Weg des Schrittes zurück ergibt, von der fortbestehenden Metaphysik auf ihre Weise als Ergebnis eines vorstellenden Denkens nur genützt und verarbeitet wird. So bliebe der Schritt zurück selbst unvollzogen und der Weg, den er öffnet und weist, unbegangen. Solche Überlegungen drängen sich leicht auf, aber sie haben kein Gewicht im Verhältnis zu einer ganz anderen Schwierigkeit, durch die der Schritt zurück hindurch muß. Das Schwierige liegt in der Sprache. Unsere abendländischen Sprachen sind in je verschiedener Weise Sprachen des metaphysischen Denkens. Ob das Wesen der abendländischen Sprachen in sich nur metaphysisch und darum endgültig durch die Onto-Theo-Logik geprägt ist, oder ob diese Sprachen andere Möglichkeiten des Sagens, d. h. zugleich des sagenden Nichtsagens gewähren, muß offen bleiben. Oft genug hat sich uns während der Seminarübungen das Schwierige gezeigt, dem das denkende Sagen ausgesetzt bleibt. Das kleine Wort »ist«, das überall in unserer Sprache spricht und vom Sein sagt, auch dort, wo es nicht eigens hervortritt, enthält – vom eÍstin gaÁr eiËnai des Parmenides an bis zum »ist« des spekulativen Satzes bei Hegel und bis zur Auflösung des »ist« in eine Setzung des Willens zur Macht bei Nietzsche – das ganze Geschick des Seins. Der Blick in dieses Schwierige, das aus der Sprache kommt, sollte uns davor behüten, die Sprache des jetzt versuchten Denkens vorschnell in eine Terminologie umzumünzen und morgen schon vom Austrag zu reden, statt alle Anstrengung dem Durchdenken des Gesagten zu widmen. Denn das Gesagte wurde in einem Seminar gesagt. Ein Seminar ist, was das Wort andeutet, ein Ort und eine Ge-
ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG
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[72]
[73]
legenheit, hier und dort einen Samen, ein Samenkorn des Nachdenkens auszustreuen, das irgendwann einmal auf seine Weise aufgehen mag und fruchten.
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Editorische Notiz zu »Identität und Differenz« (Erstausgabe von 1957) Die hier präsentierte Textversion von Identität und Differenz ist identisch mit dem Text der Erstausgabe: Martin Heidegger, Identität und Differenz, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1957. Da Heidegger seine beiden Handexemplare der Erstausgabe mit besonders komplexen Kommentaren und zahlreichen Annotationen versehen hat, wurde hier zunächst eine unkommentierte »Lesefassung« der Erstausgabe angeboten, auf die dann die handschriftlich erweiterte komplexe Fassung folgt. In seinem Vorwort vom 9. September 1957 (Erstausgabe S. 9 –10, vgl. in der vorliegenden Ausgabe S. 237 f.) charakterisiert Heidegger die Entstehungsumstände und die philosophische Bedeutung der beiden Texte, die er unter dem Titel Identität und Differenz vereint hat. Später hat Heidegger denselben Titel für Band 11 der Gesamtausgabe gewählt, der außer der beiden ursprünglichen Texte »Der Satz der Identität« und »Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik« noch weitere Texte enthält, vgl. Martin Heidegger, Identität und Differenz, hrsg. von FriedrichWilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Klostermann (HGA 11), 2006. Den Vortrag »Der Satz der Identität« hielt Heidegger am 27. Juni 1957 anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Universität Freiburg in der Freiburger Stadthalle. Der Vortrag wurde zuerst veröffentlicht in: Gerd Tellenbach
EDITORISCHE NOTIZ
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und Hans Detlef Rösiger (Hrsg.), Die Albert-LudwigsUniversität Freiburg, 1457 – 1957: Die Festvorträge bei der Jubiläumsfeier, Band 1, Freiburg i. Br., Schulz, 1957, S. 69–79. »Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik« ist eine überarbeitete Erörterung zum Abschluss von Heideggers Seminar über Hegel vom Wintersemester 1956/57. Siehe dazu: Martin Heidegger, Seminare Hegel – Schelling, hrsg. von Peter Trawny, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 86), 1994, S. 475 – 485, 498– 512 und 827– 886. Den Vortrag »Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik« hielt Heidegger vor seinen Studenten am 24. Februar 1957 in Todtnauberg. Die in eckigen Klammern an den Seitenrändern vorliegender Ausgabe angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Seitenzahlen der hier präsentierten Erstausgabe. Mittelstriche markieren die ursprünglichen Seitenumbrüche. In späteren Auflagen verschoben sich die Seitenzahlen um minus 2 bis minus 6 Seiten. Heideggers Trennungen von Wörtern wie Er-eignis, Ge-Stell und Onto-Theo-Logik wurden auch bei Zeilenumbrüchen beibehalten. In diesem Fall wurden die typischen Heidegger-Trennungen als Divis sowohl am Zeilenende als auch am Zeilenanfang kenntlich gemacht.
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EDITORISCHE NOTIZ
IDENTITÄT UND DIFFERENZ (Erweiterte Fassung der Erstausgabe von 1957)
Vorwort [9] DER SATZ DER IDENTITÄT
[11] DIE ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG DER METAPHYSIK
[35] HINWEISE
[75]
[7]
VORWORT a
[9]
Der Satz der Identität enthält den unveränderten Text eines Vortrages, der beim fünfhundertjährigen Jubiläum der Universität Freiburg i. Br. zum Tag der Fakultäten am 27. Juni 1957 gehalten wurde. Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik gibt die stellenweise überarbeitete Erörterung wieder, die eine Seminarübung des Wintersemesters 1956 / 57 über Hegels »Wissenschaft der Logik« abschließt. Der Vortrag fand am 24. Februar 1957 in Todtnauberg statt. Der Satz der Identität blickt voraus und blickt zurück: Voraus in den Bereich, von dem her das gesagt ist, was der Vortrag »Das Ding« erörtert (siehe Hinweise)*; zurück in den Bereich der Wesensherkunft der Metaphysik, deren Verfassung durch die Differenz bestimmt ist. Die Zusammengehörigkeit von Identität und Differenz wird in der vorliegenden Veröffentlichung als das zu Denkende gezeigt.** Inwiefern die Differenz dem Wesen der Identität ent-
a
[1] beachte S. 22, 23 –***
VORWORT
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[10]
stammt, soll der Leser selbst finden, indem er auf den Einklanga hört, der zwischen Ereignis und Austrag waltet.* Beweisenb läßt sich in diesem Bereich nichts, aber weisen manches.
Todtnauberg, am 9. September 1957
a b
[1] Einklang [1] argumentieren argumentum**
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DER SATZ DER IDENTITÄT ab
[11]
er Satz der Identität lautet nach einer geläufigen Formel: A = A. Der Satz gilt als das oberste Denkgesetz. Diesem Satz versuchen wir für eine Weile nachzudenken. Denn wir möchten durch den Satz erfahren, was Identität ist.c Wenn das Denken, von einer Sache angesprochen, dieser nachgeht, kann es ihm geschehen, daß es sich unterwegsde wandelt. Darum ist es ratsam, im folgenden auf den Weg zu achten, weniger auf den Inhalt. Beim Inhalt recht zu verweilen, verwehrt uns schon der Fortgang des Vortrages. Was sagt die Formel A = A, in der man den Satz der Identität darzustellen pflegt? Die Formel nennt die Gleichheit von A und A. Zu einer Gleichung gehören wenigstens zwei. Ein A gleicht einem anderen. Will der Satz der Identität solches aussagen? Offenkundig nicht. Das Identische, lateinisch idem, heißt griechisch toÁ ayÆtoÂ. In unsere deut-
D
a b
c d
e
[1] vgl. Anhang* [1] vgl. die Vortragsreihe »Grundsätze des Denkens« Stud[ium] generale S[ommer] S[emester] 1957 versucht, den »geschichtlichen« Horizont für diesen Vortrag zu verdeutlichen.** [1] S. 31 u[nten]*** [1] 〈unterwegs〉 – d. h. aus dem stetig entsprechenden Einblick in die Sache – – vgl. 32**** dann eignet der Sache eine Macht der Verwandlung – inwiefern?
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[13]
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[15]
sche Sprache übersetzt, heißt toÁ ayÆto das Selbe. Wenn einer immerfort dasselbe sagt, z. B.: die Pflanze ist Pflanze, spricht er in einer Tautologie. Damit etwas das Selbe sein kann, genügt jeweils eines. Es bedarf nicht ihrer zwei wie bei der Gleichheit. Die Formel A = A spricht von Gleichheit. Sie nennt A nicht als dasselbe. Die geläufige Formel für den Satz der Identität verdeckt somit gerade das, was der Satz sagen möchte: A ist A, d. h. jedes A ist selber dasselbe. Während wir das Identische in dieser Weise umschreiben, klingt ein altes Wort an, wodurch Platon das Identische vernehmlich macht, ein Wort, das auf ein noch älteres zurückdeutet. Platon spricht im Dialog Sophistes 254 d von staÂsiw und kiÂnhsiw, von Stillstand und Umschlag. Platon läßt an dieser Stelle den Fremdling sagen: oyÆkoyÄn ayÆtvÄn eÏkaston toiÄn µeÁn dyoiÄn eÏteroÂn eÆstin, ayÆtoÁ d’eëaytq tayÆtoÂn.* »Nun ist doch von ihnen jedes der beiden ein anderes, selber jedoch ihm selbst dasselbe.«a b Platon sagt nicht nur: eÏkaston ayÆtoÁ tayÆtoÂn, »jedes selber dasselbe«, sondern: eÏkaston eëaytq tayÆtoÂnc, »jedes selber ihm selbstd dasselbe«. Der Dativ eëaytq bedeutet: jedes etwas selber ist ihm selbst zurückgegeben, jedes selber ist dasselbe – nämlich für es selbst mit ihm selbste. Unsere deutsche Sprache verschenkt hier gleich wie die griechische den Vorzug, das Identische mit demselben Wort, aber dies in einer Fuge seiner verschiedenen Gestalten zu verdeutlichen. a
b
c d e
[1] 〈»Nun ist doch von ihnen jedes den beiden〉 (anderen) zwar 〈ein anderes, selber jedoch ihm selbst dasselbe.«〉** [2] 〈»Nun ist doch von ihnen jedes ein anderes〉 als die 〈beiden, selber jedoch ihm selbst dasselbe.«〉*** [1] 〈eÆaytq〉 [1] 〈ihm selbst〉 [1] 〈nämlich für es selbst mit ihm selbst〉
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Die gemäßere Formel für den Satz der Identität A ist A sagt demnach nicht nur: Jedes A ist selber dasselbe, sie sagt vielmehr: Mit ihm selbst ist jedes A selber dasselbe. In der Selbigkeit liegt die Beziehung des »mit«, also eine Vermittelung, eine Verbindung, eine Synthesis: die Einung in eine Einheit. Daher kommt es, daß die Identität durch die Geschichte des abendländischen Denkens hindurch im Charakter der Einheit erscheint. Aber diese Einheit ist keineswegs die fade Leere dessen, was, in sich beziehungslos, anhaltend auf einem Einerlei beharrt. Bis jedoch die in der Identität waltende, frühzeitig schon anklingende Beziehung desselben mit ihm selbst als diese Vermittelunga entschieden und geprägt zum Vorschein kommt, bis gar eine Unterkunftb gefunden wird für dieses Hervorscheinen der Vermittelung innerhalb der Identität, braucht das abendländische Denken mehr denn zweitausend Jahre. Denn erst die Philosophie des spekulativen Idealismus stiftet, vorbereitet von Leibniz und Kant, durch Fichte, Schelling und Hegel dem in sich synthetischen Wesen der Identität eine Unterkunft.c Diese kann hier nicht gezeigt werden. Nur eines ist zu behalten: Seit der Epoche des spekulativen Idealismus bleibt es dem Denken untersagt, die Einheit der Identität als das bloße Einerlei vorzustellen und von der in der Einheit waltenden Vermittelung abzusehen. Wo solches geschieht, wird die Identität nur abstrakt vorgestellt. Auch in der verbesserten Formel »A ist A« kommt allein die abstrakte Identität zum Vorschein.d Kommt es a b
c d
[1] 〈als diese Vermittelung〉 [1] 〈Unterkunft〉 weshalb »Unterkunft« – »Ortschaft« – Hingehören zu … (*Bergung [1] (den Be-Reich)** [1] 〈Auch in der verbesserten Formel »A ist A« kommt allein〉 das abstrakt Identische 〈(die abstrakte Identität) zum Vorschein.〉
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[16]
[17]
dahin?a Sagt der Satz der Identität etwas über die Identität aus? Nein, wenigstens nicht unmittelbar. Der Satz setzt vielmehr schon voraus, was Identität heißt und wohin sie gehört.* Wie erlangen wir eine Auskunft über diese Voraussetzung? Der Satz der Identität gibt sie uns, wenn wir sorgsam auf seinen Grundton hören, ihm nachsinnen, statt nur leichtsinnigb die Formel »A ist A« daherzusagen. Eigentlich lautet sie: A ist A. Was hören wir? In diesem »ist« sagt der Satz, wie jegliches Seiende ist, nämlich: Es selber mit ihm selbst dasselbe.c Der Satz der Identität spricht vom Sein des Seienden. Als ein Gesetz des Denkens gilt der Satz nur, insofern er ein Gesetz des Seins ist, das lautet: Zu jedem Seienden als solchem gehört die Identität, die Einheit mit ihm selbst. Was der Satz der Identität, aus seinem Grundtond gehört, aussagt, ist genau das, was das gesamte abendländischeuropäische Denken denkt, nämlich dies: Die Einheit der Identität** bildet einen Grundzug im Sein des Seienden.ef Überall, wo und wie wir uns zum Seienden jeglicher Art verhalten, finden wir uns von der Identität angesprochen. Spräche dieser Anspruch nicht, dann vermöchte es – das Seiende –*** niemals, in seinem Sein zu erscheinen. Demzufolge gäbe es auch keine Wissenschaft. Denn wäre ihr nicht zum voraus jeweils die Selbigkeit ihres Gegenstandes a b c d e
f
[1] 〈(Kommt es dahin?)****〉 [1] 〈leicht-sinnig〉 [1] Der Übergang übereilt. [1] Hauptton [1] 〈Die Einheit der Identität〉 die in der Identität waltende »Einheit« (das einigende Eine) 〈bildet einen Grundzug im Sein des Seienden.〉 [1] oÍn – eÏn ÊEn paÂnta
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verbürgt, die Wissenschaft könnte nicht sein, was sie ist.a Durch diese Bürgschaft sichert sich die Forschung die Möglichkeit ihrer Arbeit. Gleichwohl bringt die Leitvorstellung der Identität des Gegenstandes den Wissenschaften nie einen greifbaren Nutzen. Demnach beruht das Erfolgreiche und Fruchtbare der wissenschaftlichen Erkenntnis überall auf etwas Nutzlosem. Der Anspruch der Identität des Gegenstandes spricht, gleichviel ob die Wissenschaften diesen Anspruchb hören oder nicht, ob sie das Gehörte in den Wind schlagen oder sich dadurch bestürzen lassen. Der Anspruch der Identität spricht aus dem Sein des Seienden. Wo nun aber das Sein des Seienden im abendländischen Denken am frühesten und eigens zur Sprache kommt, nämlich bei Parmenides, da spricht toÁ ayÆtoÁ, das Identische, in einem fast übermäßigen Sinne. Einer der Sätzec des Parmenides lautet: toÁ gaÁr ayÆtoÁ noeiÄn eÆstiÂn te kaiÁ eiËnai.d
»Das Selbe nämlich ist Vernehmen (Denken) sowohl als auch Sein.«* Hier wird Verschiedenes, Denken und Sein, als das Selbe gedacht. Was sagt dies? Etwas völlig anderes im Vergleich zu dem, was wir sonst als die Lehre der Metaphysik kennen, daß die Identität zum Sein gehört. Parmenides sagt: Das Sein gehört in eine Identität.ef ** Was heißt hier Identia
b c d
e f
[1] Sie könnte nie auf den selben »Gegenstand« zurück kommen und dadurch in der Stetigkeit ihres Fortgangs bleiben. [1] 〈diesen Anspruch〉 eigens als solchen [1] 〈»Sätze«〉 [1] die verschiedenen Übersetzungen, d. h. Auslegungen dieses Satzes [1] 〈Das Sein gehört in〉 die 〈Identität.〉 [2] 〈Das Sein gehört in〉 die 〈Identität.〉
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tät? Was sagt im Satz des Parmenides das Wort toÁ ayÆtoÂ, das Selbe? Parmenides gibt uns auf diese Frage keine Antwort. Er stellt uns vor ein Rätsel, dem wir nicht ausweichen dürfen. Wir müssen anerkennen: In der Frühzeit des Denkens spricht, längst bevor es zu einem Satz der Identität kommt, die Identität selber und zwar in einem Spruch, der verfügt: Denken und Sein gehören in das Selbe und aus diesem Selben zusammen. Unversehens haben wir jetzt toÁ ayÆtoÂ, das Selbe, schon gedeutet. Wir legen die Selbigkeit als Zusammengehörigkeit aus. Es liegt nahe, diese Zusammengehörigkeit im Sinne der spä ter gedachten und allgemein bekannten Identität vorzustellen. Was könnte uns daran hindern? Nichts Geringeres als der Satz selbst, den wir bei Parmenides lesen. Denn er sagt anderes, nämlich: Sein gehört – mit dem Denken – in das Selbe. Das Sein ist von der* Identität her als ein Zug dieser Identität bestimmt. Dagegen wird die später in der Metaphysik gedachte Identität als ein Zug im Sein vorgestellt. Also können wir von dieser metaphysisch vorgestellten Identität aus nicht jene bestimmen wollen, die Parmenides nennt. Die Selbigkeit von Denken und Sein, die im Satz des Parmenides spricht, kommt weiter hera als die von der Metaphysik aus dem Sein als dessen Zug bestimmte Identität.b Das Leitwort im Satz des Parmenides, toÁ ayÆtoÂ, das Selbe, bleibt dunkel. Wir lassen es dunkel. Wir lassen uns aber zugleich von dem Satz, an dessen Beginn es steht, einen Wink geben.
a b
[1] 〈 kommt weiter her 〉 Her-kunft [1] inwiefern?
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Inzwischen haben wir aber die Selbigkeit von Denken und Sein schon als die Zusammengehörigkeit beider festgelegt. Dies war voreilig, vielleicht notgedrungen. Wir müssen das Voreilige rückgängig machen. Wir können dies auch, insofern wir die genannte Zusammengehörigkeit nicht für die endgültige und gar allein maßgebende Auslegung der Selbigkeit von Denken und Sein halten. Denken wir das Zusammengehörena nach der Gewohnheit, dann wird, was schon die Betonung des Wortes andeutet, der Sinn des Gehörens vom Zusammen, d. h. von dessen Einheitb her bestimmt. In diesem Fall heißt »gehören« soviel wie: zugeordnet und eingeordnet in die Ordnung eines Zusammen, eingerichtet in die Einheit eines Mannigfaltigen, zusammengestellt zur Einheit des Systems, vermittelt durch die einigende Mitte einer maßgebenden Synthesis. Die Philosophie stellt dieses Zusammengehören als nexus und connexio vor, als die notwendige Verknüpfung des einen mit dem anderen. Indes läßt sich das Zusammengehören auch als Zusammengehören denken.* Dies will sagen: Das Zusammen wird jetzt aus dem Gehören bestimmt. Hier bleibt allerdings zu fragen, was dann »gehören« besage und wie sich aus ihmc erst das ihm eigene Zusammen bestimme. Die Antwort auf diese Fragen liegt uns näher als wir meinen, aber sie liegt nicht auf der Hand. Genug, wenn wir jetzt durch diesen Hinweis auf die Möglichkeit merken, das Gehören nicht mehr aus der Einheit des Zusammen vorzustellen, sondern dieses Zusammen aus dem Gehörend her zu erfahren**. a
b c d
[1] vgl. Leibniz; dazu Vom Wesen d[es] Grundes4 [4. Aufl.] S. 10 f.*** [1] 〈von (dessen)〉 der in ihm spielenden 〈Einheit〉 [1] 〈und wie sich aus〉 diesem [1] 〈Gehören〉
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Allein, erschöpft sich der Hinweis auf diese Möglichkeit nicht in einem leeren Wortspiel, das etwas erkünstelt, dem jeder Anhalt in einem nachprüfbaren Sachverhalt fehlt? So sieht es aus, bis wir schärfer zusehen und die Sache sprechen lassen. Der Gedanke an ein Zusammengehören im Sinne des Zusammengehörens entspringt aus dem Hinblick auf einen Sachverhalt, der schon genannt wurde. Er ist freilich seiner Einfachheit wegen schwer im Blick zu behalten. Indessen kommt uns dieser Sachverhalt sogleich näher, wenn wir folgendes beachten: Bei der Erläuterung des Zusammengehörens als Zusammengehören hatten wir schon, nach dem Wink des Parmenides, Denken sowohl als auch Sein im Sinn, also das, was im Selben zueinandergehört. Verstehen wir das Denken als die Auszeichnung des Menschen, dann besinnen wir uns auf ein Zusammengehören, das Mensch und Sein betrifft. Im Nu sehen wir uns von den Fragen bedrängt: Was heißt Seina? Wer oder was ist der Mensch? Jedermann sieht leicht: Ohne die zureichende Beantwortung dieser Fragen fehlt uns der Boden, auf dem wir etwas Verläßliches über das Zusammengehören von Mensch und Sein ausmachen können.* Solange wir jedoch auf diese Weise fragen, bleiben wir in den Versuch gebannt, das Zu sammen von Mensch und Sein als eine Zuordnung vorzustellen und diese entweder vom Menschen her oder vom Sein aus einzurichten und zu erklären. Hierbei bilden die überlieferten Begriffe vom Menschen und vom Sein die Fußpunkte für die Zuordnung beider.b a b
[1] 〈Sein〉 vgl. S. 25** [1] Der Mensch – das Sein – wie zwei vorhandene für sich bestehende Dinge, die nachträglich zusammengestellt und in eine Zuordnung untergebracht werden sollen.
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Wie wäre es, wenn wir, statt unentwegt nur eine Zusammenordnung beider vorzustellen, um ihre Einheit herzustellen, einmal darauf achteten, ob und wie in diesem Zusammen vor allem ein Zu-einander-Gehören im Spiel ist?ab Nun besteht sogar die Möglichkeit, das Zusammengehören von Mensch und Sein schon in den überlieferten Bestimmungen ihres Wesens, wenngleich nur aus der Ferne zu erblicken. Inwiefern? Offenbar ist der Mensch etwas Seiendes. Als dieses gehört er wie der Stein, der Baum, der Adler in das Ganze des Seinsc. Gehören heißt hier noch: eingeordnet in das Seind. Aber das Auszeichnende des Menschen beruht darin, daß er als das denkende Wesen, offen dem Sein, vor dieses gestellt istef, auf das Sein bezogen bleibt und ihm so entsprichtg. Der Mensch ist h eigentlich dieser Bezugi der Entsprechung, und er ist nur dies. »Nur« – dies meint keine Beschränkung, sondern ein Übermaß. Im Menschen waltet ein Gehören zum Sein, welches Gehören auf das Sein hört, weilj es diesem übereignetkl ist. Und das Sein? a b c d e f g
h
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k l
[1] 〈vor allem ein Zu-einander-Gehören〉 spielt 〈im Spiel ist?〉 [2] 〈vor allem ein Zu-einander-Gehören im Spiel ist?〉 [1] 〈»Seins«〉 [1] 〈in das〉 Seiende! 〈Sein〉 [1] 〈vor dieses〉 gebracht und zu Zeiten 〈gestellt ist〉 [2] 〈vor dieses〉 gebracht 〈ist〉 [1] 〈auf das Sein bezogen bleibt (und ihm so)〉, indem er ihm – d. h. dem Seienden entspricht in seinem Menschsein. [1] 〈der Mensch ist (eigentlich)〉 in welcher Weise von Sein? Anwesen zu ... und bei ... und mit ... [1] 〈dieser Bezug〉 [1] 〈hört,〉 insofern 〈es diesem〉 ausgesetzt und zugleich von ihm benötigt wird. 〈(übereignet ist,)〉 [1] 〈(übereignet)〉 () [2] 〈übereignet〉 kurs[iv]
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[23]
Denken wir das Sein nach seinem anfänglichen Sinne als Anwesenab. Das Sein west den Menschen weder beiläufig noch ausnahmsweise an. Sein west und währt nur, indem es durch seinen Anspruch den Menschen an-geht. Denn erst der Mensch, offen für das Sein, läßt dieses als Anwesen ankommen. Solches An-wesen brauchtc das Offene einer Lichtung und bleibt so durch diesesd Brauchen dem Menschenwesen übereignetefg.* Dies besagt keineswegs, das Sein werde erst und nur durch den Menschen gesetzth. Dagegen wird deutlich: Mensch und Sein sind einander übereignet.i Sie gehören einander. Aus diesem nicht näher bedachten Zueinandergehörenj haben Mensch und Sein allererst diejenigen Wesensbestimmungen empfangen, in denen sie durch die Philosophie metaphysisch begriffen werden.k a b c d e f
[1] 〈Anwesen〉 [1] S. u. Z. [Sein und Zeit] S. 25/26** [1] 〈(braucht)〉 bedarf und verlangt [1] 〈dieses〉 [1] 〈(übereignet)〉 noch nicht von »eignen« sprechen – zu voreilig. [1] gleichsam überantwortet. Überantwortung des Seins an d[en] Menschen Verantwortung des Menschen für das Sein – was beide be-stimmt, verbietet jedoch eine bloße Gegenstellung ebenso wie eine Vermischung.*** (hier ganz anders zu denken Be-Zug und Ver-Hältnis)**** [2] 〈übereignet〉 kurs[iv] [1] 〈 gesetzt〉 daher Sein weder Thesis (Position) noch Synthesis [1] 〈(übereignet)〉 [2] 〈übereignet〉 E [Ereignis] vgl. S. 27 ×–×***** [1] 〈Aus diesem〉 allerdings bislang 〈nicht näher bedachten Zu-einander-gehören〉 [2] 〈Aus diesem nicht näher bedachten Zueinandergehören haben Mensch und Sein allererst diejenigen Wesensbestimmungen empfangen, in denen sie durch die Philosophie metaphysisch begriffen werden.〉 E [Ereignis]
{
g h i
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Dieses vorwaltendea Zusammengehören von Mensch und Sein verkennen wir hartnäckig, solange wir alles nur in Ordnungen und Vermittlungen, sei es mit oder ohne Dialektikb, vorstellen. Wir finden dann immer nur Verknüpfungen, die entweder vom Sein oder vom Menschen her geknüpftc sind und das Zusammengehören von Mensch und Sein als Verflechtung darstellen.d Wir* kehren noch nicht in das Zusammengehören ein.efgh Wie aber kommt es zu einer solchen Einkehri? Dadurch, daß wir uns von der Haltung des vorstellenden Denkens absetzen.j Dieses Sichabsetzen ist ein Satz im Sinne eines Sprunges.k Er springt ab, nämlich weg aus der geläufigen Vorstellung vom Menschen als dem animal rationale, das in
a b c
d
e f
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h
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k
[2] 〈vorwaltende〉 [1] 〈mit oder ohne Dialektik〉 [1] 〈die entweder vom Sein oder vom Menschen her〉 veranstaltet 〈sind〉 [1] So lange wir den Sachverhalt in dieser Weise vorstellen, bleiben »der Mensch« und »das Sein« gleichsam zwei verschiedene »Seiende«, die an einander und mit einander verkoppelt (Kopula) werden sollen. (vgl. »Zur Seinsfrage«, Jünger-Festschr[ift] 1955).** [1] 〈Wir kehren noch nicht in das Zusammengehören ein.〉 [1] Einkehr – spricht so, als seien wir irgendwo außerhalb – statt »Einkehr«: Erwachen!*** vgl. Anhang.**** [1] »Einkehr«: auch dieses noch im Horizont des metaph[ysischen] Vorstellens. [1] das trifft in gewiss[er] Weise für das metaph[ysische] Vorstellen zu – vgl. Hegel – der Mensch und das Absolute »Holzwege«***** [2] 〈Einkehr〉 29! 34! [1] 〈Dadurch, daß wir uns von der Haltung des vorstellenden Denkens absetzen.〉 [1] 〈Dieses Sichabsetzen ist ein Satz im Sinne eines Sprunges〉****** 32! S. 28; 33 u[nten]
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der Neuzeit zum Subjekt für seine Objekte geworden ist. Der Absprunga springt zugleich weg vom Sein. Dieses wird jedoch seit der Frühzeit des abendländischen Denkens als der Grundb ausgelegt, worin jedes Seiende als Seiendes gründet. Wohin springt der Absprungc, wenn er vom Grund abspringt? Springtd er in einen Abgrund? Ja, solange wir den Sprung nur vorstellen und zwar im Gesichtskreis des metaphysischen Denkens. Nein, insofern wir springene und uns loslassenf. Wohin? Dahin, wohin wir schon eingelassen sindgh: in das Gehören zum Sein. Das Sein selbst aber gehört zu uns; denn nur bei uns kann es als Sein wesen, d. h. an-wesen.i So wird denn, um das Zusammengehören von Mensch und Sein eigens zu erfahren, ein Sprungj nötig. Dieser Sprung ist das Jähe der brückenlosen Einkehr in jenes Ge-
b c d e f
g
h
i j
[1] 〈Absprung〉 [2] 〈Absprung〉 33 V [1] 〈Grund〉 »Grund« und »An-wesen« [1] 〈Absprung〉 [1] 〈Springt〉 [1] 〈springen〉 [1] 〈uns loslassen〉* das Loslassen sich lösen aus dem Schlaf bedarf keines Verschlafenheit. Sprunges Erwachen aus der anfänglichen Vergessenheit des E. [Ereignisses] (Entz[ieh]en [?]**) S. 28 Einheimisch werden (wohnen), worin wir schon eingelassen sind. S. 34. [1] 〈wohin wir schon eingelassen sind〉 also weder Sprung noch Einkehr [2] 〈wohin wir schon eingelassen sind〉 also keine »Einkehr« nötig; als stünden wir draußen. Aber auch (vgl. 32) kein »Absprung« vgl. 28 u[nten] [1] das Sein west nicht an – sondern »ist«[?]*** An-wesen [1] 〈Sprung〉
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V
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hörena, das erst ein Zueinander von Mensch und Sein und damit die Konstellation beider zu vergeben hat.b Der Sprung ist die jähe Ein fahrt in den Bereich, aus dem her Mensch und Sein einander je schon in ihrem Wesen erreichtc habend, weil beide aus einer Zureichung einander übereignete sind. Die Einfahrtfg in den Bereich dieser Übereignung stimmt und be-stimmt erst die Erfahrung des Denkens.* Seltsamerh Sprung, der uns vermutlich den Einblick erbringt, daß wir uns noch nicht genügend dort aufhalten, wo wir eigentlich schon sind.ij Wo sind wir?k In welcher Konstellation von Sein und Mensch?l Heute benötigen wir, so scheint es wenigstens, nicht mehr wie noch vor Jahren umständliche Hinweisem, damit a b
c d e f g h i j k l
m
[1] 〈brückenlosen Einkehr〉 Erwachen in 〈jenes Gehören〉 [1] 28! weder Einkehr noch Absprung – sondern Andenken Erwachen in den Aufenthalt im Vorenthalt »wach« [1] 〈erreicht〉 [2] 〈schon in ihrem Wesen erreicht haben〉 [1] 〈über(eignet)〉 über-reicht [1] 〈Einfahrt〉 das Entwachen in das E [Ereignis] [1] ermuntert (er-eignet in das E [Ereignis]) 30** [1] 〈Seltsamer Sprung〉 also kein Sprung. [1] 〈nicht genügend dort aufhalten, wo wir (eigentlich) schon sind〉 [2] 〈wo wir eigentlich schon sind〉*** [1] 〈Wo sind wir?〉 Die Frage ohne zureichenden Übergang. [1] 〈In welcher Konstellation**** von Sein und Mensch?〉 statt »Konstellation«: Zu-Ordnung in das Gehörige bringen. Disposition ob[en] 21***** [1] vgl. Bremer Vorträge 1949 »Einblick in das, was ist****** und Die Frage nach der Technik 1953*******
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wir die Konstellation erblicken, ausa der Mensch und Sein einander angehen. Es genügt, so möchte man meinen, das Wort Atomzeitalter zu nennen, um erfahren zu lassen, wie das Sein heute in der technischen Welt uns an-westb. Aber dürfen wir denn die technische Welt ohne weiteres mit dem Sein in eins setzen? Offenbar nicht, auch dann nicht, wenn wir diese Welt als das Ganze vorstellen, worin Atomenergiec, rechnende Planungd des Menschen und Automatisierung zusammengeschlossen sind. Weshalb bringt ein so gearteter Hinweis auf die technische Welt, mag er diese noch so weitläufig abschildern, keineswegs schon die Konstellatione * von Sein und Mensch in den Blick? Weil jede Analyse der Situationf zu kurz denkt, insofern das erwähnte Ganze der technischen Welt zum voraus nur** vom Menschen her als dessen Gemächte gedeutet wird. Das Technische, im weitesten Sinne und nach seinen vielfältigen Erscheinungen vorgestellt, gilt als der Plan, den der Mensch entwirft, welcher Plan den Menschen schließlich in die Entscheidung drängt, ob er zum Knecht seines Planes werden oder dessen Herr bleiben will. Durch diese Vorstellung vom Ganzen der technischen Welt schraubt man alles auf den Menschen zurück und gelangt, wenn es hoch kommt, zur Forderung einer Ethik der technischen Welt.*** In dieser Vorstellung befangen, bestärkt man sich selber in der Meinungg, die Technik sei a b
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[1] 〈aus〉 [1] 〈wie das Sein heute in der technischen Welt uns an-west〉 unzureichend gesagt [1] »als letzte Realität« [1] Kybernetik!**** [1] 〈Konstellation〉 [1] 〈Analyse der Situation〉 [1] 〈Meinung〉
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nur eine Sache des Menschen. Man überhört den Anspruch des Seins, der im Wesena der Technik spricht.* Setzen wir uns endlich davon ab, das Technische nurb technisch, d. h. vom Menschen und seinen Maschinen her vorzustellen. Achten wir auf den Anspruch, unter dem in unserem Zeitalter nicht nur der Mensch, sondern allesc Seiende, Natur und Geschichte, hinsichtlich ihres Seins stehen. Welchen Anspruch meinen wir? Unser ganzes Dasein findet sich überall – bald spielend, bald drangvoll, bald gehetzt, bald geschoben – , herausgefordert, sich auf das Planen und Berechnen, auf die Steuerung** von allem zu verlegen. Was spricht in dieser Herausforderung? Entspringt sie nur einer selbstgemachtend Laune des Menschen? Oder geht uns dabei schon das Seiende selbst an*** und zwar so, daß es uns auf seine Planbarkeit und Berechenbarkeit hin anspricht? Dann stünde also gar das Sein unter der Herausforderungef, das Seiende im Gesichtskreis der Berechenbarkeit erscheinen zu lassen?g hi In der Tat. Und nicht nur
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[1] [2] 〈Wesen〉 [1] 〈nur〉 [1] 〈alles〉 [1] 〈selbstgemachten〉 [1] 〈Dann stünde〉 gar 〈das Sein unter der Herausforderung〉 [2] 〈Dann stünde〉 sogar 〈das Sein unter der Herausforderung〉 [1] im Geschick wie dies gemäßer zu sagen – Beständigkeit d[es] Bestandes – Gegenständl[ichkeit] d[es] Gegenstandes – Objektivität – Wirklichk[eit] – bis zu Anwesen hin »Sein« geschickt ereignet**** im E. [Ereignis] ÆA-LhÂûeia. [1] 〈erscheinen zu lassen?〉 Anwesenlassen [2] 〈erscheinen zu lassen?〉 Sein unter der Herausforderung als Bestellbarkeit zu Wesen – d. h. geschickt aus dem Ge-stell.*****
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dies.a * Im selben Maße wie das Sein ist der Mensch herausgefordert, d. h. gestelltb, das ihn angehende Seiende als den Bestand seines Planens und Rechnens sicherzustellen und dieses Bestellen ins Unabsehbare zu treiben.c Der Name für die Versammlung des Herausforderns, das Mensch und Sein einander so zu-stelltd, daß sie sich wechselweisee stellenf, lautet: das Ge-Stell. Man hat sich an diesem Wortgebrauch gestoßen. Aber wir sagen statt »stellen« auch »setzen«g und finden nichts dabei, daß wir das Wort Ge-setz gebrauchen. Warum also nicht auch Ge-Stell, wenn der Blick in den Sachverhalt dies verlangth? Dasjenige, worin und woher Mensch und Sein in der technischen Welt einander an-gehen, spricht anijk in der Weise des Ge-Stells.** Im wechselweisen Sichstellen von
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[1] unzureichend gesagt: Anwesenlassen selber angewiesen (woher und wie), das Anwesen – als ständige Bestellbarkeit – zu lassen – ins Freie (welches?) zu geben. [1] 〈 gestellt〉 [1] Planung und Strategie des Friedens – Kybernetik [1] 〈zu-stellt〉 [1] – je nach ihrer Weite – 〈wechselweise〉 vgl. 23 [2] 〈wechselweise stellen〉 vgl. 23*** [1] Sein als Position [1] 〈wenn der Blick in den Sachverhalt dies verlangt?〉 »das Gefels« bei Bettina v. Arnim**** [1] 〈 spricht an 〉 es spricht als dieses gerade nicht an [1] 〈 spricht an 〉 spricht an nur das (das schon aus der Vergessenheit erwachte) ent-sagende Denken im E. [Ereignis] [1] 〈 spricht an 〉 zeigt sich an – freilich kein fragen [?]***** zugestanden und noch weniger bedacht oder gar gedacht –
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Mensch und Seinab hören wir den Anspruch, der die Konstellation unseres Zeitalters bestimmt. Das Ge-Stell geht uns überall unmittelbar an. Das Ge-Stell ist, falls wir jetzt noch so sprechen dürfen, seienderc denn alle Atomenergien und alles Maschinenwesen, seiender als die Wucht der Organisation, Information und Automatisierung. Weil wir das, was Ge-Stell heißt, nicht mehr im Gesichtskreis des Vorstellens antreffen, der uns das Sein des Seienden als Anwesend denken läßt – das Ge-Stell geht uns nicht mehr an wie etwas Anwesendes – , deshalb ist es zunächst befremdlich. Befremdlich bleibt das Ge-Stell vor allem insofern, als es nicht ein Letztes ist, sondern selber uns erst Jenes zuspielt, was die Konstellatione von Sein und Mensch eigentlichfg durchwaltet. Das Zusammengehören von Mensch und Sein in der Weise der wechselseitigen Herausforderung bringt uns bestürzend näher, daß und wie der Mensch dem Sein vereigneth, das Sein aber dem Menschenwesen zugeeigneti ist. Im Ge-Stellj waltet ein seltsames Vereignen und Zueignen. Es gilt, dieses Eignen, worin Mensch und Sein einana
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[1] hier immer noch das Ungemäße, daß »Sein« als das Gegenüber zum Menschen erscheint, während es als Ge-Stell beides – das Wesende von Sein und Mensch samt dem »und« bestimmt. [1] 32. [2] 〈»seiender«〉* [2] in dessen geschicklichen Abwandlungen bis zur Gegenständigkeit [1] 〈Konstellation〉 [1] 〈eigentlich〉 [2] 〈»eigentlich«〉 dies Wort jetzt streng aus dem E. [Ereignis] gedacht. [2] 〈vereignet〉 [2] 〈zugeeignet〉 [1] 〈Ge-Stell〉
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der ge-eigneta sind, schlicht zu erfahrenb, d. h. einzukehrenc d in dase *, was wir das Ereignis nennen. Das Wort Ereignis ist der gewachsenen Sprache entnommen. Er-eignen heißt ursprünglich: er-äugen, d. h. er blicken, im Blicken zu sich rufen,f an-eignen.g Das Wort Ereignis soll jetzt, aus der gewiesenen Sache her gedacht, als Leitwort im Dienst des Denkens sprechen.** Als so gedachtes Leitwort läßt es sich sowenig übersetzen wie das griechische Leitwort loÂgow und das chinesische Tao. Das Wort Ereignis meint hier nicht mehr das, was wir sonst irgendein Geschehnis, ein Vorkommnish nennen. Das Wort ist jetzt als Singulare tantum gebraucht.*** Was es nennt, ereignet sichi nur in der Einzahl, nein, nicht einmal mehr in einer Zahl, sondern einzigj. Was wir im Ge-Stell als der Konstellationk von Sein und Mensch durch die moderne technische Welt erfahren, ist ein Vorspiel**** dessen, was Er-eignis heißt. Dieses verharrt jedoch nicht notwendig in seinem Vorspiel. Denn im
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[2] 〈 ge-eignet〉 [1] 〈schlicht zu erfahren〉 also kein Sprung vgl. 24 ob[en] er-fahren – einheimisch werden, worin wir schon eingelassen sind [1] 〈d. h. einzukehren〉 Einkehr nur aus Verwendung in die Vereignung. Verwendung nur aus Brauch [?]. [2] 〈d. h. einzukehren〉 ? Vgl. ob[en] 24 entwachen [1] 〈einzukehren in das〉 genauer: (ins) E. [Ereignis] einkehren in Es [?]*****. [1] in d[ie] Lichtung 〈aneignen.〉 [1] E [Ereignis] und Blick [1] 〈ein Vorkommnis〉, eine Begebenheit 〈nennen〉. [2] 〈ereignet sich〉 in welchem Sinn? Enteignis zum R. [Ratsal] des V.-H. [Ver-Hältnisses].****** [1] 〈einzig〉 das Einzige [1] 〈Konstellation〉
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Er-eignis spricht die Möglichkeit an, daß esa das bloße Walten des Ge-Stells in ein anfänglicheres Ereignen verwindet.* Eine solche Verwindung des Ge-Stells aus dem Ereignis in diesesb brächtec die ereignishafte, also niemals vom Menschen allein machbare, Zurücknahme der technischen Welt aus ihrer Herrschaft zur Dienstschaft innerhalb des Bereichesd **, durch den der Mensch eigentlicher in das Ereignis reicht.e Wohin hat der Weg geführt? Zur Einkehrf unseres Denkens in jenes Einfache, das wir im strengen Wortsinne das Er eignis nennen. Es scheint, als gerieten wir jetzt in die Gefahr, unser Denken allzu unbekümmert in etwas abgelegenes Allgemeinesg *** zu richten, während sich uns doch mit dem, was das Wort Er-eignis nennen möchte, nur das Nächste jenes Nahen unmittelbar zuspricht, darin wir uns schon aufhaltenh. Denn was könnte uns näher sein als das, was uns dem nähert, dem wir gehören, worini wir Gehörende sind, das Er-eignis? Das Er-eignis ist der in sich schwingende Bereichj,
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[1] 〈es〉 d. h. das E. [Ereignis] [1] [2] 〈aus dem Ereignis in dieses〉 [1] 〈brächte〉 [1] 〈zur Dienstschaft〉 nicht gegenüber dem Menschen sondern im Bez[ug] zum E. [Ereignis] 〈innerhalb des Bereiches〉 [1] die positive Erfahrung der »Idee« und der Natur [2] 〈Einkehr〉 ! 24 [1] auf ein abgelegen Allgemeines [1] 〈nur das Nächste jenes Nahen unmittelbar zuspricht, darin wir uns schon aufhalten.〉**** [1] 〈worin〉 [1] 〈 der in sich schwingende Bereich〉 dafür kein ontisches Beispiel so wie schon »Sein« einzig – im Es gibt
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durch den Mensch und Sein einander in ihrem Wesena erreichenb, ihr Wesendes gewinnen, indem sie jene Bestimmungen verlieren, die ihnen die Metaphysik geliehen hat. Das Ereignis als Er-eignis denken, heißt, am Bau dieses in sich schwingenden Bereiches bauenc.* Das Bauzeug zu diesem in sich schwebendend ** Bau empfängt das Denken aus der Sprache. Denn die Sprache ist die zarteste, abere auch die anfälligste, alles verhaltendef Schwingung im schwebendeng Bau des Ereignisses. Insofern unser Wesen in die Sprache vereignet ist, wohnenh wir im Ereignis.i Wir sind jetzt an eine Wegstelle gelangt, wo sich die zwar grobe aber unvermeidliche Frage aufdrängt: Was hat das Ereignis mit der Identität zu tun? Antwort: Nichts. Dagegen hat die Identität vieles, wenn nicht alles mit dem
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[2] 〈Wesen〉 M. [Menschen] als die Sterblichen – gebraucht im E. [Ereignis] S. [Sein] als Austrag –: Lichtung des Sichverbergens – (Wesen d[er] Wahrheit) E [Ereignis] [1] 〈in ihrem Wesen erreichen〉 schon je – aber noch nicht entborgen – sich erreicht haben – einander gereicht bleibt. [1] 〈Das Ereignis als Er-eignis denken, heißt, am Bau dieses in sich schwingenden Bereiches bauen.〉 [1] 〈schwebenden〉 [1] 〈die zarteste,〉 und daher auch 〈auch die anfälligste〉 [2] 〈verhaltende〉 an sich haltend unter-haltend aushaltend. [1] 〈alles verhaltende Schwingung im schwebenden〉 schwingen und schweben – noch ungemäß – [1] 〈wohnen〉 [1] 〈Sprache〉*** die Sage des Eigentums vgl. Unterwegs z[ur] Sprache****
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Ereignis zu tun. Inwiefern? Wir antworten, indem wir den begangenen Weg mit wenigen Schritten zurückgehen. Das Ereignis vereignet Mensch und Seina in ihr wesenhaftesb Zusammen. Ein erstes, bedrängendes Aufblitzencd des Ereignisses erblicken wir im Ge-Stell.* Dieses macht das Wesen der modernen technischen Welt aus. Im Ge-Stell erblicken wir eine Zusammengehörenf von Mensch und Sein, worin das Gehörenlasseng erst die Art des Zusammen und dessen Einheit bestimmt. Das Geleit in die Frage nach einem Zusammengehören, darin das Gehören den Vorrang vor dem Zusammen hat, ließen wir uns durch den Satz des Parmenides geben: »Das Selbe nämlich ist Denken sowohl als auch Sein.«** Die Frage nach dem Sinn dieses Selben ist die Frage nach dem Wesenh der Identität. Die Lehre der Metaphysik stellt die Identität als einen Grundzug im Sein vori. Jetzt zeigt sich: Sein gehörtj mit dem Denken in eine
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[1] 〈»Sein«〉 [1] 〈(wesenhaftes)〉 eigentümliches [1] 〈Aufblitzen〉 vgl. Einblick 1949*** [1] das ferne Leuchten im Einst der ÆA-LhÂûeia vgl. Hegel und die Griechen Gad.[Gadamer]-Festschrift**** [1] 〈ein〉 ausgezeichnetes 〈Zusammengehören〉 [1] Er-eignen als Gehörenlassen ¤ dieses aus der Be-fugnis darin der Brauch (der Sterb[lichen]) hier aber absichtlich das Ge-Viert verhüllt – [2] 〈Gehörenlassen〉 Lassen als Eignen – Gewähren – Reichen – Halten (Hältnis) [1] 〈Wesen〉 Wandlung von »Wesen« in Eigentümlichkeit (E [Ereignis]) [1] 〈stellt die Identität als einen Grundzug im Sein vor〉***** im doppelt[en] Sinn des Vorführens und Auffassens [1] 〈Sein gehört〉 zusammen 〈mit dem Denken〉
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Identitätab, deren Wesen aus jenem Zusammengehörenlassen stammt, das wir das Ereignis nennen. Das Wesenc der Identität ist ein Eigentum des Er-eignisses.def Für den Fall, daß an dem Versuch, unser Denken in den Ortg der Wesensherkunft der Identität zu weisenhi *, etwas Haltbares sein könnte, was wäre dann aus dem Titel des Vortrages ge worden? Der Sinn des Titels »Der Satz der Identität« hätte sich gewandelt. Der Satz gibt sich zunächst in der Form eines Grundsatzes, der die Identität als einen Zug im Sein, d. h. im Grund des Seienden voraussetzt. Aus diesem Satz im Sinne einer Aussage ist unterwegs ein Satz geworden von der Art eines Sprungesj, der sich vom Sein als dem Grund des Seienden absetzt und so in den Abgrund springt.kl ** Doch dieser Abgrund ist weder das leere Nichts noch eine finstere Wirrnis, sondern: das Er-eignis.m Im Er-eignis schwingtn das Weseno dessen, was als Sprache sprichtp, die einmal das a b c d
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[2] 〈Sein gehört mit dem Denken in〉 die 〈Identität〉 [2] vgl. ob[en] 18. 19 [1] 〈(Wesen)〉 Eigentümliche [1] 〈Das Wesen der Identität〉 entstammt dem Eigentum des E. [Ereignisses]. [1] 〈Das Wesen der Identität ist〉 ein × ? nicht deutlich genug 〈Eigentum des Er-eignisses.〉 [2] 〈Das Wesen der Identität ist ein Eigentum des Er-eignisses.〉*** [1] 〈Ort〉 Topo-logie [1] 〈weisen〉 [2] 〈Wesensherkunft der Identität zu weisen〉 [1] [2] 〈Sprunges〉 [1] Met [Metaphysik]! [1] ob[en] 24 [1] 〈das Er-eignis.〉**** [1] 〈schwingt〉***** 30 [2] 〈schwingt das Wesen〉 [1] 〈schwingt das »Wesen« dessen, was als Sprache spricht〉
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Haus des Seins genannt wurde.* Satz der Identität sagt jetzt: Ein Sprunga, den das Wesen der Identität verlangt, weil es ihn braucht, wenn anders das Zusammengehören von Mensch und Sein in das Wesenslicht des Ereignisses gelangen soll. Unterwegsb vom Satz als einer Aussage über die Identität zum Satz als Sprungc in die Wesensherkunft der Identität hat sich das Denken gewandelt. Darum erblickt es, der Gegenwart entgegenblickend, über die Situation des Menschen hinweg die Konstellationd von Sein und Mensch aus dem, was beide einander eignet, aus dem Er-eignis.e Gesetzt, die Möglichkeit warte uns entgegen, daß sich uns das Ge-Stell, die wechselweise Herausforderung von Mensch und Seinf in die Berechnung des Berechenbaren, als das Ereignis zuspricht, das Mensch und Seing erst in ihr Eigentliches enteignethi, dann wäre ein Weg frei, auf dem der Mensch das Seiende, das Ganze der modernen technischen Welt, Natur und Geschichte, allem zuvor ihr Seinj, anfänglicher erfährt. So lange die Besinnung auf die Welt des Atomzeitalters bei allem Ernst der Verantwortung nur dahin drängt, aber auch nur dabei als dem Ziel sich beruhigt, die friedliche Nutzung der Atomenergie zu betreiben, so lange bleibt das Denken auf halbem Wege stehen. Durch diese Halbheit a b c d e f g h i j
[1] 〈Sprung〉 [1] 〈Unterwegs〉 ob[en] 13 [1] 〈Sprung〉 [1] 〈Konstellation〉 [1] 〈was beide einander eignet, aus dem Er-eignis**.〉 28 [1] 〈Sein〉 [1] 〈Sein〉 [1] 〈Eigentliches enteignet〉 [2] 〈Eigentliches enteignet〉 [1] 〈 Natur und Geschichte , allem zuvor ihr »Sein«〉***
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wird die technische Welt in ihrer metaphysischen Vorherrschaft weiterhin und erst recht gesichert.abcd * Allein, wo ist entschieden, daß die Natur als solche für alle Zukunft die Natur der modernene Physik bleiben und die Geschichte sich nur als Gegenstand der Historief darstellen müsse? Zwar können wir die heutige technische Welt weder als Teufelswerk verwerfen, noch dürfen wir sie vernichten, falls sie dies nicht selber besorgt. Wir dürfen aber noch weniger der Meinung nachhängen, die technische Welt sei von einer Art, die einen Absprunggh aus ihr schlechthin verwehre. Diese Meinung hält nämlich das Aktuelle, von ihm besessen, für das allein Wirkliche. Diese Meinung ist allerdings phantastisch, nicht dagegen ein Vordenken, das dem entgegenblickt, was als Zuspruch des Wesensi der Identität von Mensch und Seinj auf uns zukommt.k Mehr denn zweitausend Jahre brauchte das Denken, um eine so einfache Beziehung wie die Vermittelunglm innerhalb der Identität eigens zu begreifen. Dürfen wir da a b c d
[2] 〈metaphysischen Vorherrschaft〉 [1] die Sicherung ihrerseits wird »abgesichert«. [1] – d. h. die Vergessenheit des E. [Ereignisses] bleibt.** [1] Ge-Stell wird nicht als E [Ereignis] erfahren. Was ver-langt dies?
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[1] 〈modernen〉 [1] 〈Historie〉 [1] 〈Absprung〉 [2] 〈Absprung〉 24 [2] 〈Wesens〉 [1] 〈Mensch und Sein〉*** [2] 〈auf uns zukommt〉 [1] 〈Vermittelung〉 Hegel [2] 〈Vermittelung〉
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meinen, die denkende Einkehra in die Wesensherkunft der Identität lasse sich an einem Tage bewerkstelligen? Gerade weil diese Einkehr einen Sprungb verlangt, braucht sie ihre Zeit, die Zeit des Denkens, die eine andere ist als diejenige des Rechnens, das heute überall herc an unserem Denken zerrt. Heute errechnet die Denkmaschine in einer Sekunde Tausende von Beziehungen. Sie sind trotz ihres technischen Nutzens wesenlos. Was immer und wie immer wir zu denkend versuchen, wir denken im Spielraum der Überlieferunge. Sie waltet, wenn sie uns aus dem Nachdenken in ein Vordenken befreit, das kein Planen mehr ist.f Erst wenn wir uns denkend dem schon Gedachten zuwendeng, werden wir verwendet für das noch zu Denkende.h *
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[2] 〈denkende Einkehr〉 [1] 〈Sprung〉** das Bereiten eines Erwachens – dazu S. 24 [1] 〈überallher〉 [2] 〈denken〉 [2] 〈Überlieferung〉 [1] 〈das kein Planen mehr ist〉, aber auch kein Prophezeien. [2] 〈dem schon Gedachten zuwenden〉 im Schritt zurück [1] 〈dem schon Gedachten zuwenden, werden wir ver wendet für das (noch)〉 erst 〈zu Denkende〉
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DIE ONTO-THEO-LOGISCHE VERFASSUNG DER METAPHYSIK a
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ieses Seminar versuchte, ein Gespräch mit Hegel zu beginnen. Das Gespräch mit einem Denker kann nur von der Sache des Denkens handeln. »Sache« meint nach der gegebenen Bestimmung den Streitfall, das Strittige, das einzig für das Denken der Fall ist, der das Denken angeht. Der Streit aber dieses Strittigen wird keineswegs erst durch das Denken gleichsam vom Zaun gebrochen. Die Sache des Denkens ist das in sich Strittige eines Streites. Unser Wort Streit (althochdeutsch strit) meint vornehmlich nicht die Zwietracht sondern die Bedrängnisb. Die Sache des Denkens bedrängt das Denken in der Weise, daß sie das Denken erst zu seiner Sache und von dieser her zu ihm selbst bringt.c
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[1] [Notiz vor Beginn des Textes] S. 45/46 »Wir wagen einen Versuch mit dem Schritt zurück.« S. 47 u[nten] Die Ausdauer und Vorbereitung. – die »gewagt werden muß!« (Diese Bestimmungen sind keine Bekundung einer persönlichen Bescheidenheit – sondern gehören zu der von der Sache bestimmten Not dieses Denkens – (Attitüde der Besch[eidenheit]!)* 47/48 angesichts dessen, was jetzt ist (Ge-Stell) Industrie-Gesellschaft Soziologie – Kybernet[ik] [1] 〈Bedrängnis〉 [1] aber dieses Denken selbst gehört zur Sache.
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Für Hegel ist die Sache des Denkens: Das Denken als solches. Damit wir diese Umgrenzung der Sache, nämlich das Denken als solches, nicht psychologisch und nicht erkenntnistheoretisch mißdeuten, müssen wir erläuternd beifügen: Das Denken als solches – in der entwickelten Fülle der Gedachtheit des Gedachten. Was hier Gedachtheit des Gedachtena besagt, können wir nur von Kant her verstehen, vom Wesen des Transzendentalenb aus, das Hegel jedoch absolut, und d. h. für ihn spekulativ, denkt. Darauf zielt Hegel ab, wenn er vom Denken des Denkens als solchem sagt, daß es »rein im Elemente des Denkens« entwickelt werde (Enc. Einleitung § 14).* Mit einem knappen, aber nur schwer sachgerecht auszudenkenden Titel benannt, heißt dies: Die Sache des Denkens ist für Hegel »der Gedanke«.c Dieser aber ist, zu seiner höchsten Wesensfreiheit entfaltet, »die absolute Idee«. Von ihr sagt Hegel gegen Ende der »Wissenschaft der Logik« (ed. Lass. Bd. II, 484**): »die absolute Idee allein ist Seind, unvergängliches Leben, sich wissende Wahrheit, und ist alle Wahrheit«.*** So gibt denn Hegel selbst und ausdrücklich der Sache seines Denkens denjenigen Namen, der über der ganzen Sache des abendländischen Denkens steht, den Namen: Sein. (Im Seminar wurde der mehrfältige und doch einheitliche Gebrauch des Wortes »Sein« erörtert. Sein besagt für Hegel zunächst, aber niemals nur, die »unbestimmte Unmittelbarkeit«. Sein iste hier gesehen aus dem bestimmenden Vermitteln, d. h. vom absoluten Begriff her und des-
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[1] 〈Gedachtheit des Gedachten〉 [1] 〈Transzendentalen〉 [1] 〈»der Gedanke«〉**** vgl. S. 49. [1] 〈»ist«〉 dial[ektisch] spekul[ativ] [2] 〈ist〉 schon
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halba auf diesen hinb. »Die Wahrheit des Seins ist das Wesen«, d. h. die absolute Reflexion. Die Wahrheit des Wesens ist der Begriff im Sinne des un-endlichen Sichwissens. Sein ist das absolute Sichdenken des Denkens. Das absolute Denken allein ist die Wahrheit des Seins, »ist« Sein. Wahrheit heißt hier überall: die ihrer selbst gewisse Gewußtheit desc Wißbaren als solchen.)d Hegel denkt jedoch die Sache seines Denkens sachgemäß zugleich in einem Gespräch mit der voraufgegangenen Geschichte des Denkens. Hegel ist der erste, der so denken kann und muß.e Hegels Verhältnis zur Geschichte der Philosophie ist das spekulative und nur als dieses ein geschichtliches. Der Charakter der Bewegung der Geschichte ist ein Geschehen im Sinne des dialektischen Prozesses. Hegel schreibt (Enc. § 14): »Dieselbe Entwikkelung des Denkens, welche in der Geschichte der Philosophie dargestellt wird, wird in der Philosophie selbst dargestellt, aber befreit von jener geschichtlichen Äußerlichkeit, rein im Elemente des Denkens.«* Wir stutzen und stocken. Die Philosophie selbst und die Geschichte der Philosophie sollen nach Hegels eigenem Wort im Verhältnis der Äußerlichkeit stehen. Aber die von Hegel gedachte Äußerlichkeit ist keineswegs äußerlich in dem groben Sinne des bloß Oberflächlichen und Gleichgültigen. Äußerlichkeit besagt hier das Außerhalb, darin
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[1] 〈her und deshalb〉 [2] »Sein« –: der Name für die geschickliche Stufe der eiËna Unmittelbarkeit des Vorstellens (noeiÄn) [1] 〈Gewußtheit des〉 Alls des** 〈Wißbaren〉 [2] Vgl. u[nten] S. 53 [1] weshalb? welches Bedürfnis? vgl. die Diff.schrift [Differenzschrift]***
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alle Geschichte und jeder wirkliche Verlauf gegenüber der Bewegung der absoluten Idee sich aufhält. Die erläuterte Äußerlichkeit der Geschichte im Verhältnis zur Idee ergibt sich als Folge der Selbstentäußerung der Idee. Die Außerlichkeit ist selbst eine dialektische Bestimmung. Man bleibt daher weit hinter dem eigentlichen Gedanken Hegels zurück, wenn man feststellt, Hegel habe in der Philosophie das historische Vorstellen und das systematische Denken zu einer Einheit gebracht. Denn für Hegel handelt es sich weder um Historie, noch um das System im Sinne eines Lehrgebäudes. Was sollen diese Bemerkungen über die Philosophie und deren Verhältnis zur Geschichte? Sie möchten andeuten, daß die Sache des Denkens für Hegel in sich geschichtlich ist, dies jedoch im Sinne des Geschehens. Dessen Prozeßcharakter wird durch die Dialektik des Seins bestimmt. Die Sache des Denkens ist für Hegel das Sein als das sich selbst denkende Denken, welches Denken erst im Prozeß seiner spekulativen Entwicklung zu sich selbst kommt und somit Stufen der je verschieden entwickelten und daher zuvor notwendig unentwickelten Gestalten durchläuft. Erst aus der so erfahrenen Sache des Denkens entspringt für Hegel eine eigentümliche Maxime, die Maßgabe für die Art und Weise, wie er mit den voraufgegangenen Denkern spricht. Wenn wir also ein denkendes Gespräch mit Hegel versuchen, dann müssen wir mit ihm nicht nur von derselben Sache, sondern von derselben Sache in derselben Weise sprechen. Allein das Selbe ist nicht das Gleiche. Im Gleichen verschwindet die Verschiedenheit. Im Selben erscheint die Verschiedenheit.a Sie erscheint um so bedräna
[1] 〈Im Selben erscheint〉 das Zusammengehören des Verschiedenen, 〈die Verschiedenheit.〉
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gender, je entschiedener ein Denken von derselben Sache auf dieselbe Weise angegangen wird. Hegel denkt das Sein des Seienden spekulativ-geschichtlich. Insofern nun aber Hegels Denken in eine Epoche der Geschichte gehört (dies meint beileibe nicht zum Vergangenen), versuchen wir, das von Hegel gedachte Sein auf dieselbe Weise, d. h. geschichtlich zu denken. Bei seiner Sache kann das Denken nur dadurch bleiben, daß es im Dabei-bleiben jeweils sachlicher, daß ihm dieselbe Sache strittigera wird. Auf diese Weise verlangt die Sache vom Denken, daß es die Sache in ihrem Sachverhalt aushalte, ihm durch eine Entsprechung standhalte, indem es die Sache zu ihrem Austrag bringt. Das bei seiner Sache bleibende Denken muß, wenn diese Sache das Sein ist, sich auf den Austrag des Seins einlassen. Demgemäß sind wir daran gehalten, im Gespräch mit Hegel und für dieses zum voraus die Selbigkeit derselben Sache deutlicher zu machen. Dies verlangt nach dem Gesagten, mit der Verschiedenheit der Sache des Denkens zugleich die Verschiedenheit des Geschichtlichen im Gespräch mit der Geschichte der Philosophie ans Licht zu heben. Eine solche Verdeutlichung muß hier notgedrungen kurz und umrißweise ausfallen. Wir beachten zum Zwecke einer Verdeutlichung der Verschiedenheit, die zwischen dem Denken Hegels und dem von uns versuchten Denken obwaltet, dreierlei. Wir fragen: 1. Welches ist dort und hier die Sache des Denkens? 2. Welches ist dort und hier die Maßgabe für das Gespräch mit der Geschichte des Denkens?
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[1] 〈strittiger〉 bedrängender (37)
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3. Welches ist dort und hier der Charakter dieses Gespräches? Zur ersten Frage: Für Hegel ist die Sache des Denkens das Sein hinsichtlich der Gedachtheit des Seienden im absoluten Denken und als dieses. Für uns ist die Sache des Denkens das Selbe, somit das Sein, aber das Sein hinsichtlich seiner Differenz zum Seienden. Noch schärfer gefaßt: Für Hegel ist die Sache des Denkens der Gedanke als der absolute Begriff. Für uns ist die Sache des Denkens, vorläufig benannta, die Differenz als Differenz.bcd Zur zweiten Frage: Für Hegel lautet die Maßgabe für das Gespräch mit der Geschichte der Philosophie: Eingehen in die Kraft und den Umkreis des von den früheren Denkern Gedachten. Nicht zufällig stellt Hegel seine Maxime im Zuge eines Gespräches mit Spinoza und vor einem Gespräch mit Kant heraus (Wissenschaft der Logik, III. Buch, Lasson Bd. II, S. 216 ff.). Bei Spinoza findet Hegel den vollendeten »Standpunkt der Substanz«, der jedoch nicht der höchste sein kann, weil das Sein noch nicht ebensosehr und entschieden von Grund aus als sich denkendes Denken gedacht ist. Das Sein hat sich als Substanz und Substanzialität noch nicht zum Subjekt in seiner absoluten Subjektität enta b
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[1] 〈vorläufig benannt〉 [1] 〈Für uns ist die Sache des Denkens,〉 d. h. das Fragwürdige – S. 63 Wesensherkunft. 〈vorläufig benannt, die Differenz als Differenz.〉 [2] 〈Für uns ist die Sache des Denkens, vorläufig benannt,〉 d. h. innerhalb des Gesprächs mit dem Wesen der Metaphysik »seinsgeschicklich« gedacht. 〈die Differenz als Differenz.〉 [1] d. h. das »und« a[ls] s[olches] für Sein a[ls] s[olches] und Seiendes a[ls] s[olches]*
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faltet. Gleichwohl spricht Spinoza das gesamte Denken des deutschen Idealismus immer neu an und versetzt es zugleich in den Widerspruch, weil er das Denken mit dem Absoluten anfangen läßta. Dagegen ist der Weg Kants ein anderer und für das Denken des absoluten Idealismus und für die Philosophie überhaupt noch weit entscheidender als das System Spinozas. Hegel sieht in Kants Gedanken der ursprünglichen Synthesis der Apperceptionb »eines der tiefsten Prinzipien für die spekulative Entwicklung« (a. a. O. S. 227).* Die jeweilige Kraft der Denker findet Hegel in dem von ihnen Gedachten, insofern es als jeweilige Stufe in das absolute Denken aufgehoben werden kannc. Dieses ist nur dadurch absolut, daß es sich in seinem dialektischspekulativen Prozeß bewegt und dafür die Stufung verlangt.d Für uns ist die Maßgabe für das Gespräch mit der geschichtlichen Überlieferung dieselbe, insofern es gilt, in die Kraft des früheren Denkens einzugehen. Allein wir suchen die Kraft nicht im schon Gedachten, sondern in einem Ungedachten, von dem her das Gedachte seinen Wesensraum empfängte. Aber das schon Gedachte erst bereitetf das noch Ungedachte, das immer neu in seinen Überfluß einkehrt. Die Maßgabe des Ungedachten führt nicht zum Einbezugg des vormals Gedachten in eine immer noch höhere
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[1] 〈mit dem Absoluten anfangen läßt〉** [1] 〈der〉 transzendentalen 〈Apperception〉 [1] 〈in das absolute Denken〉 verweist und darin 〈aufgehoben werden (kann)〉 möchte?*** [1] 〈verlangt.〉 der »Wille« des »Geistes« [1] 〈von dem her das Gedachte seinen Wesensraum empfängt〉 [1] 〈bereitet〉**** [1] 〈Einbezug〉
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und es überholendea Entwicklung und Systematikb, sondern sie verlangt die Freilassungc des überlieferten Denkens in sein noch aufgespartes Gewesenesd.e Dies durchwaltet anfänglich die Über lieferung, west ihr stets voraus, ohne doch eigens und als das Anfangende gedacht zu sein.fg Zur dritten Frage: Für Hegel hat das Gespräch mit der voraufgegangenen Geschichte der Philosophie den Charakter der Aufhebungh, d. h. des vermittelnden Begreifens im Sinne der absoluten Begründung. Für uns ist der Charakter des Gespräches mit der Geschichte des Denkens nicht mehr die Aufhebung, sondern der Schritt zurückij .k Die Aufhebungl führt in den überhöhend-versammelnden Bezirk der absolut gesetzten Wahrheit im Sinne der vollständig entfalteten Gewißheitm des sich wissenden Wissens.n
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[1] 〈noch höhere und es überholende〉 [1] keine Dialektik [1] 〈Freilassung〉 [1] 〈Gewesenes〉 (der An-Fang)* [1] schon Wesendes – als Gewährnis – (ÆAlhÂûeia) ≠ Wahrheit – [1] 〈west ihr stets voraus, ohne doch eigens als das An-fangende gedacht zu sein.〉 (An-Fang: E. [Ereignis])** [2] 〈west ihr stets voraus, ohne doch eigens und als das An-fangende gedacht zu sein.〉 [2] 〈Aufhebung〉 [1] 〈sondern der Schritt zurück〉 71 f. [2] 〈sondern der Schritt zurück〉 Vgl. 71 f.! [1] 〈sondern der Schritt zurück.〉 Hu.Br. [Humanismus-Brief]*** [2] 〈Aufhebung〉 [1] 〈Gewißheit〉 [2] »der Gedanke«
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Der Schritt zurück weist in den bisher übersprungenen Bereich, aus dem her das Wesen der Wahrheita allererst denkwürdig wird.bc Nach dieser knappen Kennzeichnung der Verschiedenheit des Hegelschen Denkens und des unsrigen hinsichtlich der Sache, hinsichtlich der Maßgabe und des Charakters eines Gespräches mit der Geschichte des Denkens versuchen wir, das begonnene Gespräch mit Hegel um ein Geringes deutlicher in Gang zu bringen. Dies besagt: Wir wagen einen Versuch mit dem Schritt zurück.d Der Titel »Schritt zurück« legt mehrfache Mißdeutungen nahe. »Schritt zurück« meint nicht einen vereinzelten Denkschritt, sondern die Art der Bewegung des Denkens und einen langen Wege. Insofern der Schritt zurück den Charakter unseres Gespräches mit der Geschichte des abendländischen Denkens bestimmt, führt er* das Denken aus dem in der Philosophie bisher Gedachten in gewisser Weise a
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[1] 〈»Wesen« der Wahrheit〉 vgl. Schluß d[es] Vortrags: Hegel und die Griechen. 1958** Hd. Akad. d. Wiss. [Heidelberger Akademie der Wissenschaften]*** vgl. Zur Sache des Denkens 1969 S. 77 Anmerkung.**** »Wahrheit« – Wahrnis Gewährnis der Lichtung des Sichverbergens. [1] 〈Der Schritt zurück weist in den bisher〉 vergessenen – im Entzug verbliebenen – noch nicht erfahrenen – sich verbergenden 〈Bereich, aus dem her das »Wesen« der Wahrheit〉 i[m] S[inne] der Gewährnis d[er] Lichtung 〈allererst denkwürdig wird.〉 [2] 〈Der Schritt zurück weist in den bisher übersprungenen〉 besser: noch nicht erfahrenen 〈Bereich, aus dem her das Wesen der Wahrheit allererst denkwürdig wird.〉 [1] 〈Wir wagen einen Versuch mit dem Schritt zurück.〉 [1] 〈des〉 (entsagenden) 〈Denkens und einen langen Weg〉 der Rückweg in den An-Fang
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heraus. Das Denken tritt vor seiner Sache, dem Seina, zurück und bringt so das Gedachte in ein Gegenüber, darin wir das Ganze dieser Geschichte erblickenb und zwar hinsichtlich dessen, was die Quellec dieses ganzen Denkens ausmacht, indem sie ihm überhaupt den Bezirk seines Aufenthaltes bereitstellt.d * Dies ist im Unterschied zu Hegele nicht ein überkommenes, schon gestelltes Problemf, sondern das durch diese Geschichte des Denkens hindurch überall Ungefragte. Wir benennen es vorläufig und unvermeidlich in der Sprache der Überlieferungg. Wir sprechen von der Differenz zwischen dem Sein und dem Seienden.h Der Schritt zurück geht vom Ungedachten, von der Differenz als solcher, in das zu-Denkendei.jkl Das ist die Vera
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[1] 〈das Denken tritt vor seiner Sache, dem Sein〉 d. h. der Diff[erenz] in ihrer Verbergung [1] Lichtung [1] 〈Quelle〉 [1] E [Ereignis] vgl. S. 48 u[nten] »das Wohin« [1] absol[utes] Denken [2] 〈Problem〉 ! [1] 〈Sprache der Überlieferung〉** als vorstellende – setzende – [2] 〈Wir sprechen von der Differenz〉 und zwar derjenigen 〈zwischen dem Sein und dem Seienden.〉 [1] Differenz a[ls] s[olche] [1] 〈Der Schritt zurück geht vom Ungedachten, (von der Differenz als solcher, in das zu-Denkende.)〉 Schritt zurück vor dem Ganzen des Seinsgeschickes ist in sich Erwachen aus dem E [Ereignis] in das E. [Ereignis] als – Enteignis aus der Fuge. [1] 〈Der Schritt zurück geht vom Ungedachten, (von der Differenz als solcher, in das zu-Denkende.)〉 besser: von der Diff[erenz] in das zu Denkende: die Diff[erenz] als solche. Zu ihr gehört die Vergessenheit. Sie*** bleibt entzogen, vorenthalten. Verbergung ist Verb[ergun]g d[er] Lichtung a[ls] s[olcher] d. h. des E [Ereignisses]. [2] 〈Der Schritt zurück geht vom Ungedachten, (von der Differenz als solcher, in das zu Denkende:)〉 besser: von der Diff[erenz] in das zu Denkende: die Diff[erenz] als solche.
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gessenheit der Differenz. Die hier zu denkende Vergessenheit ist die von der LhÂûh (Verbergung) her gedachte Verhüllung der Differenz als solcher, welche Verhüllung ihrerseits sich anfänglich entzogen hat.a Die Vergessenheit gehört zur Differenz, weil diese jener zugehört.* b Die Vergessenheit befällt nicht erst die Differenz nachträglich zufolge einer Vergeßlichkeit des menschlichen Denkens.c Die Differenz von Seiendem und Sein ist der Bezirk, innerhalb dessend die Metaphysik, das abendländische Denken im Ganzen seines Wesens,** das sein kann, was sie ist.*** Der Schritt zurücke bewegt sich daher aus der Metaphysik in das Wesenf der Metaphysik. Die Bemerkung über Hegels Gebrauch des mehrdeutigen Leitwortes »Sein« läßt erkennen, daß die Rede von Sein und Seiendem sich niemals auf eine Epoche der Lichtungsgeschichteg von »Sein« festlegen läßt. Die Rede vom »Sein« versteht diesen Namen auch nie im Sinne einer Gattung, unter deren leere Allgemeinheit die historisch vorgestellten Lehren vom Seienden als einzelne Fälle gehören. »Sein« spricht je und je geschicklichh und deshalb durchwaltet von Überlieferung.**** Zu ihr a[ls] s[olcher] gehört die Vergessenheit. Sie bleibt entzogen, vorenthalten Verbergung ist Verbergung der Lichtung a[ls] s[olcher] d. h. des E [Ereignisses]. a
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[1] [2] vgl. Was heißt Denken?***** der Entzug. V. u. A. [Vorträge und Aufsätze] 135 ob[en] 140****** [2] inwiefern? [1] Die Rede von der Vergessenheit keine Diffamierung der Philosophie – [2] 〈innerhalb dessen〉 als eines ungedachten [1] 〈Schritt zurück〉 [1] [2] 〈Wesen〉 [2] 〈Lichtungsgeschichte〉 d. h. Seins-Geschick [2] 〈 geschicklich〉
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Der Schritt zurücka aus der Metaphysik in ihr Wesen verlangt nun aber eine Dauer und Ausdauer, deren Maße wir nicht kennen. Nur das eine ist deutlich: Der Schritt bedarf einer Vorbereitungb, die jetzt und hier gewagtc werden muß; dies jedoch angesichtsd des Seienden als solchen im Ganzen, wie es jetzte ist und sich zusehends eindeutiger zu zeigen beginnt. Was jetzt ist, wird durch die Herrschaft des Wesensf der modernen Technik geprägt, welche Herrschaft sich bereits auf allen Gebieten des Lebens durch vielfältig benennbare Züge wie Funktionalisierung, Perfektion, Automatisation, Bürokratisierung, Information darstellt.gh So wie wir die Vorstellung vom Lebendigen Biologie nennen, kann die Darstellung und Ausformung des vom Wesen der Technik durchherrschten Seienden Technologie heißen.i Der Ausdruck darf als Bezeichnung für die Metaphysik des Atomzeitalters dienen. Der Schritt zurück aus der Metaphysik in das Wesen der Metaphysik ist, von der Gegenwart her gesehen und aus dem Einblick in siej übernommen, der Schritt aus der Technologie und technologischen Beschreibung und Deutung des Zeitalters in das erst zu denkende Wesen k der modernen Technik.* Mit diesem Hinweis sei die andere naheliegende Mißdeutung des Titels »Schritt zurück« ferngehalten, die Meinung nämlich, der Schritt zurück bestehe in einem histoa b c d e f g h i j k
[1] 〈Schritt zurück〉 [1] 〈Vorbereitung〉 [1] 〈 gewagt〉 – 61 u[nten] (45 u[nten]) [1] 〈angesichts〉 [1] 〈 jetzt〉 [1] 〈Wesens〉 [1] 〈Information〉, Kybernetik 〈darstellt.〉 [2] Kybernetik [1] der Mensch die Industriegesellschaft. Soziologie [1] 〈 Einblick in sie 〉 »Einblick in das was ist« 1949.** [1] 〈Wesen〉 das Eigene
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rischen Rückgang zu den frühesten Denkern der abendländischen Philosophie. Das Wohina freilich, dahin der Schritt zurück uns lenkt, entfaltet und zeigt sich erst durch den Vollzug des Schrittes.b Wir wählten, um durch das Seminar einen Blick in das Ganzec der Hegelschen Metaphysik zu gewinnen, als Notbehelf d eine Erörterung des Stückes, mit dem das I. Buch der »Wissenschaft der Logik«, »Die Lehre vom Sein«, beginnt.* Schon der Titel des Stückes gibt in jedem Wort genug zu denken. Er lautet: »Womit muß der Anfang der Wissenschaft gemacht werden?« Hegels Beantwortung der Frage besteht in dem Nachweis, daß der Anfang »spekulativer Natur« ist. Dies sagt: Der Anfang ist weder etwas Unmittelbares noch etwas Vermitteltes. Diese Natur des Anfanges versuchten wir in einem spekulativen Satz zu sagen: »Der Anfang ist das Resultat.« Dies besagt nach der dialektischen Mehrdeutigkeit des »ist« mehrfaches. Einmal dies: Der Anfang ist – das resultare beim Wort genommen – der Rückprall aus der Vollendung der dialektischen Bewegung des sich denkenden Denkens.e Die Vollendung dieser Bewegung, die absolute Idee, ist das geschlossen entfaltete Ganze, die Fülle des Seins. Der Rückprall aus dieser Fülle ergibt die Leere des Seins.fg Mit ihr muß in der Wissenschaft (dem absoluten, sich wissenden Wissen) der Anfang gemacht werden. Anfang und Ende der Bewea b c d e f g
[1] 〈Wohin〉 46. [1] der Rückweg in den An-Fang [1] 〈Ganze〉 [1] 〈als Notbehelf〉 [1] wohin? in die Entäußerung zur einf[achen] Abstraktion [1] »Sein« [1] das unbestimmte Unmittelbare – die Bestimmung als Vermittelung aus ihr wird angefangen.
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gung, dem zuvor diese selber, bleibt überall das Seina. Es west als die in sich kreisende Bewegung von der Fülle in die äu ßerste Entäußerung und von dieser in die sich vollendende Fülle. Die Sache des Denkens ist somit für Hegel das sich denkende Denken als das in sich kreisende Sein.b In der nicht nur berechtigten, sondern notwendigen Umkehrung lautet der spekulative Satz über den Anfang: »Das Resultat ist der Anfang.«c Mit dem Resultat muß, insofern aus ihm der Anfang resultiert, eigentlich angefangen werden.d Dies sagt das Selbe wie die Bemerkung, die Hegel im Stück über den Anfang gegen Schluß beiläufig und in Klammern einfügt (Lass. I, 63): »(und das unbestrittenste Recht hätte Gott, daß mit ihm der Anfang gemacht werde)«.* Gemäß der Titelfrage des Stückes handelt es sich um den »Anfang der Wissenschaft«. Wenn sie mit Gott den Anfang machen muß, ist sie die Wissenschaft von Gott: Theologie. Dieser Name spricht hier in seiner späteren Bedeutung. Darnach ist die Theo-logie die Aussage des vorstellenden Denkens über Gott. Zunächst meint ûeoÂlogow, ûeologiÂa das mythisch-dichtende Sagen von den Göttern ohne Beziehung auf eine Glaubenslehre und eine kirchliche Doktrin. Weshalb ist »die Wissenschaft«e, so lautet seit Fichte der a
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[1] 〈»das Sein«〉 »das Sein«: der Gedanke – die absolute Vermittelung des Denkens des Denkens. Vgl. ob[en] S. 38 [1] »das Sein«: – die Wirklichkeit – die Actualitas der Tätigkeit – der reinen – vollendeten Vermittelung. keinen Rest zurücklassenden [1] 〈»Das Resultat »ist« der Anfang.«〉 [1] das Resultat die vollendete d. h. nicht aufhörende sondern in ihre volle Bewegtheit gelangte Vermittelung. [1] 〈»Die Wissenschaft«〉
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Name für die Metaphysik, weshalb ist »die Wissenschaft«a Theologie? Antwort: Weil die Wissenschaft die systematischeb Ent wicklung des Wissens ist, als welches sich das Sein des Seienden selbst weiß und so wahrhaft istcd. Der schulmäßige, im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit auftauchende Titel für die Wissenschaft vom Sein, d. h. vom Seienden als solchem im allgemeinen, lautet: Ontosophie oder Ontologie. Nun ist aber die abendländische Metaphysik seit ihrem Beginn bei den Griechen und noch ungebunden an diese Titele zumal Ontologie und Theologie. In der Antrittsvorlesung »Was ist Metaphysik?« (1929)* wird daher die Metaphysik als die Frage nach dem Seienden als solchem und im Ganzenfg bestimmt. Die Ganzheit a b
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[1] 〈»Die Wissenschaft«〉 [1] [2] heißt? vgl. Kant, K. d. r. V. [Kritik der reinen Vernunft]. Die Architektonik d[er] reinen Vernunft: »Ich verstehe aber unter einem Systeme die Einheit der mannigfaltigen Erkenntnisse unter einer Idee. Diese ist der Vernunftbegriff von der Form eines Ganzen, sofern durch denselben der Umfang des Mannigfaltigen sowohl, als die Stelle der Teile untereinander, a priori bestimmt wird.«** [1] 〈als welches sich das Sein des Seienden selbst weiß und so wahrhaft »ist«〉 das »ist« des spekulativen Satzes und »die Wirklichkeit«. – [2] 〈als welches sich das Sein des Seienden selbst weiß und so wahrhaft ist〉 [1] 〈– und noch ungebunden an diese Titel –〉 [1] kaûoÂloy – besagt für A. [Aristoteles] zugleich: koinoÂtatoy und tiµiv  taton oÍn. 55 67. [2] das kaûoÂloy aber meint bei Arist [Aristoteles] zumal das koinoÂtaton und das tiµiv  taton oÍn. kaû’ oÏloy und eÏn eine ausgezeichnete kataÂfasiw – leÂgein ti kata tinow Was läßt sich kaû’ oÏloy sagen – wenn Seiendes taÁ oÍnta – eËinai – 55, 67
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dieses Ganzen ist die Einheit des Seienden, die als der hervorbringende Grund einigt.ab Für den, der lesen kann, heißt dies: Die Metaphysik ist Onto-Theo-Logie. Wer die Theologie, sowohl diejenige des christlichen Glaubens als auch diejenige der Philosophie, aus gewachsener Herkunft erfahren hat, zieht es heute vor, von Gott im Bereich des Denkens zu schweigen.* Denn der onto-theologische Charakter der Metaphysik ist für das Denken fragwürdigc geworden, nicht auf Grund irgendeines Atheismus, sondern aus der Erfahrung eines Denkens, dem sich in der Onto-Theo-Logie die noch ungedachte Einheit des Wesensd der Metaphysik gezeigt hat. Dieses Wesen der Metaphysik bleibt indes immer noch das Denkwürdigste für das Denken, solange es das Gespräch mit seiner geschickhaften Überlieferung nicht willkürlich und darum unschicklich abbricht.** In der 5. Auflage von »Was ist Metaphysik?« (1949)*** gibt die zugefügte Einleitung den ausdrücklichen Hinweis auf das onto-theologische Wesen der Metaphysike (S. 17 f., 7. Aufl. S. 18 f.).**** Indessen wäre es voreilig zu behaupten, die Metaphysik sei Theologie, weil sie Ontologie sei. Zuvor wird man sagen: Die Metaphysik ist deshalb Theologie, ein Aussagen über Gott, weil der Gott in die Philo-
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[1] 〈Die Ganzheit dieses Ganzen ist die Einheit des Seienden, die als der hervorbringende Grund einigt〉 oÍn – eÏn aÆrxh Allheit eÏn – PaÂnta Vor. u. Auf. [Vorträge und Aufsätze]***** [2] 〈Die Ganzheit dieses Ganzen ist die Einheit des Seienden, die als der hervorbringende Grund einigt〉 oÍn – eÏn aÆrxh [2] 〈 fragwürdig〉 [2] 〈ungedachte Einheit des Wesens〉 [1] vgl. Holzwege 1950. S. 179.******
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sophie kommt. So verschärft sich die Frage nach dem ontotheologischen Charakter der Metaphysik zur Frage: Wie kommt der Gottab in die Philosophie, nicht nur in die neuzeitliche, sondern in die Philosophie als solche? Die Frage läßt sich nur beantworten, wenn sie zuvor als Frage hinreichend entfaltet ist. Die Frage: Wie kommt der Gott in die Philosophie? können wir nur dann sachgerecht durchdenken, wenn sich dabei dasjenigec genügend aufgehellt hat, wohin denn der Gott kommen soll – die Philosophie selbst. Solange wir die Geschichte der Philosophie nur historisch absuchen, werden wir überall finden, daß der Gott in sie gekommen ist. Gesetzt aber, daß die Philosophie als Denken das freie, von sich aus vollzogene Sicheinlassen auf das Seiende als solches ist, dann kann der Gott nur insofern in die Philosophie gelangen, als diese von sich aus, ihrem Wesen nach, verlangt und bestimmt, daß und wie der Gott in sie komme. Die Frage: Wie kommt der Gott in die Philosophie? fällt darum auf die Frage zurück: Woherd stammt die onto-theologische Wesensverfassung der Metaphysik? Die so gestellte Frage übernehmen, heißt jedoch, den Schritt zurücke vollziehen.* In diesem Schritt bedenken wir jetzt die Wesensherkunft der onto-theologischen Struktur aller Metaphysik. Wir fragen: Wie kommt der Gott und ihm entsprechend die Theologie und mit ihr der onto-theologische Grundzug in die Metaphysik? Wir stellen diese Frage in einem Gespräch mit dem Ganzen der Geschichte der Philosophie.
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[1] in welchem Sinne von Gottheit (ûejon)? [2] und nach welchem Sinn v[on] Gottheit (ûejon) [1] 〈dasjenige〉 [1] [2] 〈Woher〉 [1] 〈Schritt zurück〉
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Wir fragen aber zugleich aus dem besonderen Blick auf Hegel. Dies veranlaßt uns, zuvor etwas Seltsames zu bedenken. Hegel denkt das Sein in seiner leersten Leere, also im Allgemeinsten.ab Er denkt das Sein zugleich in seiner vollendet vollkommenen Fülle.c * Gleichwohl nennt er die spekulative Philosophie, d. h. die eigentliche Philosophie, nicht Onto-Theologie, sondern »Wissenschaft der Logik«. Mit dieser Namengebung bringt Hegel etwas Entscheidendes zum Vorschein. Man könnte freilich die Benennung der Metaphysik als »Logik« im Handumdrehen durch den Hinweis darauf erklären, daß doch für Hegel die Sache des Denkens »der Gedanke« sei, das Wort als Singulare tantum verstanden. Der Gedanke, das Denken ist offenkundig und nach altem Brauch das Thema der Logik. Gewiß. Aber ebenso unbestreitbar liegt fest, daß Hegel getreu der Überlieferung die Sache des Denkens im Seienden als solchem und im Ganzen, in der Bewegung des Seins von seiner Leere zu seiner entwickelten Fülle findet. Wie kann jedoch »das Sein« überhaupt darauf verfallen, sich als »der Gedanke« darzustellen? Wie anders denn dadurch, daß das Sein als Grund vorgeprägt istde, das Denken jedoch – dieweilen es mit dem Sein zusammengehört – auf das Sein als Grund sich versammelt in der Weise des Ergründens und Begründens?** Das Sein manifestiert sich als der Gedanke. Dies sagt: Das Sein des Seienden entbirgt sich a b c d
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[1] 38 und ff. [2] Vgl. ob[en] S. 38 und ff. [1] S. 49 u[nten] [1] 〈daß das Sein als Grund*** vorgeprägt ist〉 vgl. 57 Vgl. 66. [2] 〈daß das Sein als〉 der 〈Grund vorgeprägt ist〉 vgl. Der Satz vom Grund.**** vgl. 57
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als der sich selbst ergründende und begründende Grund. Der Grund, die Ratio sind nach ihrer Wesensherkunft: der LoÂgow im Sinne des versammelnden Vorliegenlassens: das ÊEn PaÂnta. So ist denn für Hegel in Wahrheit »die Wissenschaft«, d. h. die Metaphysik, nicht deshalb »Logik«, weil die Wis senschaft das Denken zum Thema hat, sondern weil die Sache des Denkens das Sein bleibt, dieses jedoch seit der Frühe seiner Entbergung im Gepräge des LoÂgow, des gründenden Grundes das Denken als Begründen in seinen Anspruch nimmt. Die Metaphysik denkt das Seiende als solches,* d. h. im Allgemeinena. Die Metaphysik denkt das Seiende als solches, d. h. im Ganzenb.** Die Metaphysik denkt das Sein des Seienden sowohl in der ergründenden Einheit des Allgemeinsten, d. h. des überall Gleich-Gültigen, als auch in der begründenden Einheit der Allheitc, d. h. des Höchsten über allem. So wird das Sein des Seienden als der gründende Grund vorausgedacht. Daher ist alle Metaphysik im Grunde vom Grund aus das Gründen, das vom Grund die Rechenschaft gibt, ihm Rede steht und ihn schließlich zur Rede stellt.de Wozu erwähnen wir dies? Damit wir die abgegriffenen Titel Ontologie, Theologie, Onto-Theologie in ihrem eigentlichen Schwergewicht erfahren. Zunächst allerdings und gewöhnlich nehmen sich die Titel Ontologie und a b
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[2] koinoÂtaton besser: das Gemeinsamste vgl. S. 69 [1] in seiner Ganzheit, denkt aber nicht die Ganzheit a[ls] s[olche] aus deren Herkunft – die nicht mehr durch »das Sein« bestimmt sein kann [1] 〈Allheit〉*** [1] reor ratio [2] ratio im M. A. [Mittelalter] = rede
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Theologie aus wie andere bekannte auch: Psychologie, Biologie, Kosmologie, Archäologie. Die Endsilbe -logie meint ganz im Ungefähren und im Geläufigen, es handle sich um die Wissenschaft von der Seele, vom Lebendigen, vom Kosmos, von den Altertümern. Aber in der -logie verbirgt sich nicht nur das Logische im Sinne des Folgerichtigen und überhaupt des Aussagemäßigen, das alles Wissen der Wissenschaften gliedert und bewegt, in Sicherheit bringt und mitteilt. Die -Logia ist jeweils das Ganze eines Begründungszusammenhanges, worin die Gegenstände der Wissenschaften im Hinblick auf ihren Grund vorgestellt, d. h. begriffen werden. Die Ontologie aber und die Theologie sind »Logien«, insofern sie das Seiende als solches ergründen und im Ganzen begründen. Sie geben vom Sein als dem Grund des Seienden Rechenschaft. Sie stehen dem LoÂgow Rede und sind in einem wesenhaften Sinne LoÂgow-gemäß, d. h. die Logik des LoÂgow. Demgemäß heißen sie genauer Onto-Logik und Theo-Logik. Die Metaphysik ist sachgemäßer und deutlicher gedacht: Onto-Theo-Logik. Wir verstehen jetzt den Namen »Logik« in dem wesentlichen Sinne, der auch den von Hegel gebrauchten Titel einschließt und ihn so erst erläutert, nämlich als den Namen für dasjenige Denken, das überall das Seiende als solches im Ganzen vom Sein als dem Grund (LoÂgow) her ergründet und begründeta. Der Grundzug der Metaphysik heißt Onto-Theo-Logik. Somit wären wir in den Stand gesetzt zu erklären, wie der Gott in die Philosophie kommt. Inwieweit gelingt eine Erklärung? Insoweit wir beachten: Die Sache des Denkens ist das Seiende als solches, d. h. das Seinb. Dieses zeigt sich in der Wesensart des Grundes. a
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[1] 〈vom Sein als dem Grund (LoÂgow) her ergründet und begründet〉 vgl. Der Satz v[om] Grund* [1] Sein des Seienden.
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Demgemäß wird die Sache des Denkens, das Sein als der Grunda, nur dann gründlich gedacht, wenn der Grund als der erste Grund, prvÂth aÆrxhÂ, vorgestellt wird. Die ursprüngliche Sache des Denkens stellt sich als die Ur-Sache dar, als die causa prima, die dem begründenden Rückgang auf die ultima ratio, die letzte Rechenschaft, entspricht. Das Sein des Seienden wird im Sinne des Grundes gründlich nur als causa sui vorgestellt. Damit ist der metaphysische Begriff von Gott genannt. Die Metaphysik muß auf den Gott hinaus denken, weil die Sache des Denkens das Sein ist, dieses aber in vielfachen Weisen als Grund: als LoÂgow, als yëpokeiµenon, als Substanz, als Subjekt west. Diese Erklärung streift vermutlich etwas Richtiges, aber sie bleibt für die Erörterung des Wesens der Metaphysik durchaus unzureichend. Denn diese ist nicht nur Theo-Logik sondern auch Onto-Logik. Die Metaphysik ist vordem nicht nur das eine oder das andere auch. Vielmehr ist die Metaphysik Theo-Logik, weil sie Onto-Logik ist.* Sie ist dieses, weil sie jenes ist. Die onto-theo-logische Wesensverfassung der Meta physik kann weder von der Theologik noch von der Ontologik her erklärt werden, falls hier jemals ein Erklären dem genügt, was zu bedenken bleibt. Noch ist nämlich ungedacht, aus welcher Einheit die Ontologik und Theologik zusammengehörenb, ungedacht die Herkunft dieser Einheit, ungedacht der Unterschied des Unterschiedenen, das sie einigt. Denn offenkundig handelt es sich nicht erst um einen Zusammenschluß zweier für sich bestehender Disziplinen der Metaphysik, sondern um die Einheit dessen, was in der Ontologik und a b
[2] 〈Sein als der Grund〉 [1] [2] 〈aus welcher Einheit die Ontologik und Theologik zusammengehören〉
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Theologik befragt und gedacht wird: Das Seiende als solches im Allgemeinen und Ersten in Einem mit dem Seienden als solchem im Höchsten und Letzten.* Die Einheit dieses Einen ist von solcher Art, daß das Letzte auf seine Weise das Erste begründet und das Erste auf seine Weise das Letzte. Die Verschiedenheit der beiden Weisen des Begründens fällt selber in den genannten, noch ungedachten Unterschied. In der Einheit des Seienden als solchen im Allgemeinen und im Höchstena beruht die Wesensverfassung der Metaphysik. Es gilt hier, die Frage nach dem onto-theologischen Wesen der Metaphysik zunächst nur als Frage zu erörtern. In den Ort, den die Frage nach der onto-theologischen Verfassung der Metaphysik erörtert, kann uns nur die Sache selbst weisen, dergestalt, daß wir die Sache des Denkens sachlicher zu denken versuchen. Die Sache des Denkens ist dem abendländischen Denken unter dem Namen »Sein« überliefert.** Denken wir diese Sache um ein geringes sachlicher, achten wir sorgfältiger auf das Strittige in der Sache, dann zeigt sich: Sein heißt stets und überall: Sein des Seienden, bei welcher Wendung der Genitiv als genitivus obiectivus zu denken ist. Seiendesb heißt stets und überall: Seiendes des Seins, bei welcher Wendung der Genitiv als genitivus subiectivus zu denken ist. Wir sprechen allerdings mit Vorbehalten von einem Genitiv in der Richtung auf Objekt und Subjekt; denn diese Titel Subjekt und Objekt sind ihrerseits schon einer Prägung des Seins entsprungen. Klar ist nur, daß es sich beim Sein des Seienden und beim Seienden des Seins jedesmal um eine Differenz handelt. a b
[1] 〈im Allgemeinen und〉 des Seienden 〈im Höchsten〉 [1] vgl. Holzw. [Holzwege] 162***
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Sein denken wir demnach nur dann sachlich, wenn wir es in der Differenz mit dem Seienden denkena und dieses in der Differenz mit dem Sein.* So kommt die Differenz eigens in den Blickb. Versuchen wir sie vorzustellenc , dann finden wir uns sogleich dazu verleitet, die Differenz als eine Relation aufzufassend, die unser Vorstellen zum Sein und zum Seienden hinzugetan hat. Dadurch wird die Differenz zu einer Distinktion, zu einem Gemächte unseres Verstandes herabgesetzt. Doch nehmen wir einmal an, die Differenz sei eine Zutat unseres Vorstellens, dann erhebt sich die Frage: eine Zutat wohinzu? Man antwortet: zum Seienden. Gut. Aber was heißt dies: »das Seiende«?e Was heißt es anderes als: solches, das ist?f So bringen wir denn die vermeintliche Zutat, die Vorstellung von der Differenz, beim Sein unter. Aber »Sein« sagt selber: Sein, das Seiendes istg. Wir treffen dort, wohin wir die Differenz als angebliche Zutat erst mitbringen sollen, immer schon Seiendes und Sein in ihrer Differenz an.** Es ist hier wie im Grimmschen Märchen vom Hasen und Igel: »Ick bünn all hier«. Nun könnte man mit diesem seltsamen Sachverhalt, daß Seiendes und Sein je schon aus der Differenz und in ihrh vorgefunden wera
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[1] 〈Sein denken wir demnach nur dann sachlich, wenn wir es in der Differenz mit dem Seienden denken〉*** [1] 〈So kommt die Differenz eigens in den Blick.〉**** [1] [2] 〈vozustellen〉 [1] 〈verleitet, die Differenz als eine Relation aufzufassen〉 [1] 〈Aber was heißt dies: »das Seiende«?〉 und wie das hin – zu … ? [1] »ist« intr[ansitiv] [1] 〈»ist«〉 »ist« tr[ansitiv] 62 [1] Austrag Aus – Einander – tragen aber gerade dies »Lichtend«*****
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dena, auf eine massive Weise verfahren und ihn so erklären: Unser vorstellendes Denken ist nun einmal so eingerichtet und beschaffen, daß es gleichsam über seinen Kopf hinweg und diesem Kopf entstammend überall zwischen dem Seienden und dem Sein die Differenz zum voraus anbringtb. Zu dieser anscheinend einleuchtenden, aber auch schnell fertigen Erklärung wäre vieles zu sagen und noch mehr zu fragen, allem voran dieses: Woher kommt das »zwischen«c, in das die Differenzd gleichsam eingeschoben werden soll? Wir lassen Meinungen und Erklärungen fahren, beachten statt dessen folgendes: Überall und jederzeit finden wir das, was Differenz genannt wird, in der Sache des Denkens, im Seienden als solcheme vor, so zweifelsfrei, daß wir diesen Befund gar nicht erst eigens* zur Kenntnis nehmen. Auch zwingtf uns nichts, dies zu tun. Unserem Denken steht es frei, die Differenz unbedacht zu lasseng oder sie eigens als solcheh zu bedenken. Aber diese Freiheit gilt nicht für alle Fälle. Unversehens kann der Fall eintreten, daß sich das Denken in die Frage gerufen findet: Was sagt denn dieses vielgenannte Sein? Zeigt sichi hierbei das Sein sogleich als Sein des …, somit im Genitiv der Differenz, dann lautet die
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[1] 〈daß Seiendes und Sein je schon aus der Differenz und in ihr vorgefunden werden〉** [1] 〈anbringt〉 [1] 〈das »zwischen«〉 »das Zwischen« [1] 〈Differenz × 〉 Differenten [1] 〈im Seienden als solchem〉 [1] 〈zwingt〉 [2] 〈die Differenz〉 als solche 〈unbedacht zu lassen〉 [1] 〈oder sie eigens als solche〉 d. h. als was? [1] 〈Zeigt sich〉 jedoch
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vorige Frage sachlicher: Was haltet ihr von der Differenz, wenn sowohl das Sein als auch das Seiende je auf ihre Weise aus der Differenz her erscheinen?abcd Um dieser Frage zu genügen, müssen wir uns erst zur Differenz in ein sachgemäßes Gegenübere bringen. Dieses Gegenüberf öffnet sich uns*, wenn wir den Schritt zurück vollziehen. Denn durch die von ihm erbrachte Ent-Fernung gibt sich zuerst das Nahe als solches, kommt Nähe zum ersten Scheinen. Durch den Schritt zurück lassen wir die Sache des Denkens, Seingh als Differenz, in ein Gegenüber frei, welches Gegenüber durchaus gegenstandslos bleiben kann.i Immer noch auf die Differenz blickend und sie doch schon durch den Schritt zurück in das zu-Denkende entlassendj, können wir sagen: Sein des Seienden heißt: Sein,
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[1] 〈Was haltet ihr von der Differenz, wenn sowohl das Sein als auch das Seiende je auf ihre Weise aus der Differenz her erscheinen?〉** Differenz läßt erscheinen – gibt frei – [1] sie erscheinen nicht, sondern werden durch »Differenz« verdeckt in ihrer »Einheit« aus dem E. [Ereignis] [1] und ihr Zusammengehören – wie erfahren? im E. [Ereignis] ent-sagend gebraucht [1] dazu Wes. d. Grundes [Wesen des Grundes]*** Wesen der »Wahrheit«**** – d. h. »Entbergung« (noch von Dasein her!) [1] gegen uns über – kein Gegen stand wir? in das »Gegen« gehörend. [2] gegen uns über – kein Gegen stand [1] 〈Sein〉 (Sein des Seienden) [2] 〈Sein〉 (Sein des Seienden) [1] inwiefern? in einem Sichsagen lassen – ; kein Vorstellen und Begründen. [1] 〈entlassend〉
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welches das Seiende ist.a Das »ist« spricht hier transitiv, übergehendb. Sein west hier in der Weise eines Überganges zum Seienden. Sein geht jedoch nicht, seinen Ort verlassend, zum Seienden hinüber, so als könnte Seiendes, zuvor ohne das Sein, von diesem erst angegangen werden.c Sein geht über (das) hin, kommt entbergend über (das), was durch solche Überkommnisd erst als von sich her Unverborgenes ankommt. Ankunft* heißt: sich bergen in Unverborgenheit: also geborgen anwähren: Seiendes sein.e ** Sein zeigt sich als die entbergende Überkommnis.fg Seiendes als solches erscheint in der Weise der in die Unverborgenheit sich bergenden Ankunft. Sein im Sinne der entbergenden Überkommnis und Seiendes als solches im Sinne der sich bergenden Ankunft wesen als die so Unterschiedenen aus dem Selben, dem Unter-Schied.h Dieser vergibt erst und hält auseinander das Zwischen, worin Überkommnis und Ankunft zueinander gehalten, auseinander-zueinander getrageni sind. Die Differenz von Sein und Seiendem ist als der Unter-Schied von a
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[1] nicht im ontisch-ontolog[ischen] Sinne Sein als transcendens schlechthin! Dieser Hinweis möchte nur sagen: Sein – »ist« nichts Seiendes – (Sein »ist« in keiner Weise). [1] 〈»transitiv«, übergehend〉 das Transitive: das Lassen, Freigeben. [1] Seiendes sein 〈was〉 in solcher 〈Überkommnis〉 [1] [1] Seiendes sein [1] 〈Sein zeigt sich als〉 als die Lichtnis d. h. als lichtende Überkommnis. [1] Über-Kommen: es überkommt mich eine Freude. Angst . leicht – schwebend lichtend – freigeben [1] Hier der Rückfall*** [1] 〈 getragen〉
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Überkommnis und Ankunft der entbergend-bergende Austrag beider.a Im Austrag waltet b Lichtung des sich verhüllend Verschließenden, welches Walten das Aus- und Zueinander von Überkommnis und Ankunft vergibt.* Indem wir versuchen, die Differenz als solchec zu bedenken, bringen wir sie nicht zum Verschwindend, sondern folgen ihr in ihre Wesensherkunfte. Unterwegs zu dieser denken wir den Austrag von Überkommnis und Ankunft.f Es ist die um einen Schritt zurück sachlicher gedachte Sache des Denkens: Sein gedacht aus der Differenz.g Hier bedarf es freilich einer Zwischenbemerkung,** die unser Reden von der Sache des Denkens angeht, eine Bemerkung, die immer neuh unser Aufmerken verlangt. Sagen wir »das Sein«, so gebrauchen wir das Wort in der weitesten und unbestimmtesten Allgemeinheit. Aber schon dann, wenn wir nur von einer Allgemeinheiti sprechen, haa
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[1] 〈Unter-Schied〉 d. h. als das gelichtete Zwischen für 〈Überkommnis und Ankunft: der entbergend-bergende Austrag beider.〉: + ?*** [1] 〈Im Austrag waltet Lichtung des sich verhüllend Verschließenden, welches Walten das Aus- und Zueinander von Überkommnis und Ankunft vergibt.〉 das Walten v[on] Welt: E. d. G-V [Ereignis des Ge-Vierts] das Walten des Austrags: E [Ereignis] – [1] 〈als solche〉 in der Vergessenheit des Austrags als Lichtung [1] 〈bringen wir sie nicht zum Verschwinden〉**** Preisgabe [1] 〈sondern folgen ihr〉 – wohin? 〈in ihre Wesensherkunft〉 S. 43 [1] 〈Unterwegs zu dieser denken wir den Austrag von Überkommnis und Ankunft.〉***** Ankunft: Angekommenheit. Anwähren in die Angekommenheit. [1] 〈»Sein« gedacht aus der Differenz.〉****** ? [1] 〈immer neu〉 Rede vom »Sein« [1] 〈Allgemeinheit〉*******
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ben wir das Sein in einer ungemäßen Weise gedacht. Wir stellen das Sein in einer Weise vor, in der Es, das Sein, sich niemals gibt. Die Art, wie die Sache des Denkens, das Sein, sich verhält, bleibt ein ein zigartigera Sachverhalt. Unsere geläufige Denkart kann ihn zunächst immer nur unzureichend verdeutlichen. Dies sei durch ein Beispiel versucht, wobei im voraus zu beachten ist, daß es für das Wesenb des Seins nirgends im Seienden ein Beispielc gibt, vermutlich deshalb, weil das Wesen des Seins das Spiel selber istd.* Hegel erwähnt einmal zur Kennzeichnung der Allgemeinheit des Allgemeinen folgenden Falle: Jemand möchte in einem Geschäft Obst kaufen. Er verlangt Obst. Man reicht ihm Äpfel, Birnen, reicht ihm Pfirsiche, Kirschen, Trauben. Aber der Käufer weist das Dargereichte zurück. Er möchte um jeden Preis Obst haben. Nun ist aber doch das Dargebotene jedesmal Obst und dennoch stellt sich heraus: Obst gibt es nicht zu kaufen.** Unendlich unmöglicher bleibt es, »das Sein« als das Allgemeine zum jeweilig Seienden vorzustellen. Es gibtf Seing nur je und je in dieser und jener geschicklichen Prägung: FyÂsiw, LoÂgow, ÏEn, ÆIdeÂa, ÆEneÂrgeia, Substanzialität, Objektivität, Subjektivität,h Wille, Wille zur Macht, Wille zum Willen. Aber dies Geschickliche gibt es nicht aufgereiht wie Äpfel, Birnen, Pfirsiche, aufgereiht auf dem Ladentisch des historischen Vorstellens. a b c d e f g
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[1] 〈ein zigartiger〉 die Einzigkeit des Seins! [1] 〈das Wesen〉 v[erbal] [?] [1] 〈Beispiel〉 [2] 〈weil das Wesen des Seins das Spiel selber ist〉 [1] Enzykl. [Enzyklopädie] § 13*** [1] 〈Es gibt〉**** E [Ereignis] – als das Es – das »gibt« eignend [1] 〈Sein〉 Anwesenlassen – als Anwesen – Lassen – Lassen: Schicken: Geben: Eignen – [1] 〈Subjektivität,〉 abs[olute] Idee
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Doch hörten wir nicht vom Sein in der geschichtlichen Ordnung und Folge des dialektischen Prozesses, den Hegel denkt? Gewiß. Aber das Sein gibt sich auch hier nur in dem Lichte, das sich für Hegels Denken gelichteta hat. Das will sagen: Wie es, das Sein, sich gibt, bestimmt sich je selbst aus der Weise, wie es sich lichtetb. Diese Weise ist jedoch eine geschickliche, eine je epochale Prägung, die für uns als solche nur west, wenn wir sie in das ihr eigene Gewesen freilassenc. In die Nähe des Geschicklichen gelangen wir nur durch die Jähe des Augenblickes eines Andenkens.d Dies gilt auch für die Erfahrung der jeweiligen Prägung der Differenz von Sein und Seiendem, der eine jeweilige Auslegung des Seienden als solchen entspricht.e Das Gesagte gilt vor allem auch für unseren Versuch, im Schritt zurück aus der Vergessenheit der Differenz als solcher an diese als den Austrag von entbergender Überkommnis und sich bergender Ankunft zu denken.f Zwar bekundet sich einem genaueren Hinhören, daß wir in diesem Sagen vom Austrag bereits das Gewesene zum Wort kommen lassen, insofern wir an Entbergen und Bergeng, an Übergang
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[1] 〈 gelichtet〉 Licht und Lichtung [1] 〈wie es sich lichtet〉 sich frei gibt ÆA-lhÂûeia [1] 〈 freilassen〉 [1] [2] S. u. Z. [Sein und Zeit] S. 385* [1] 〈Dies gilt auch für die Erfahrung der jeweiligen Prägung der Differenz von Sein und Seiendem, der eine jeweilige Auslegung des Seienden als solchen entspricht.〉 Met. [Metaphysik] [?]** [1] 〈Das Gesagte gilt vor allem auch für unseren Versuch, im Schritt zurück aus der Vergessenheit der Differenz als solcher / an diese als den Austrag von entbergender Überkommnis und sich bergender Ankunft zu denken.〉*** [2] 〈Bergen〉 (ÆA-lhÂûeia)
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(Transzendenz) und an Ankunft (Anwesen) denken.a * Vielleicht kommt sogar durch diese Erörterung der Differenz von Sein und Seiendem in den Austrag als den Vorort ihres Wesensbc etwas Durchgängiges zum Vorschein, was das Geschick des Seins vom Anfang bis in seine Vollendung durchgeht. Doch bleibt es schwierig zu sagen, wie diese Durchgängigkeit zu denken sei, wenn sie weder ein Allgemeines ist, das für alle Fälle giltd, noch ein Gesetz, das die Notwendigkeit eines Prozesses im Sinne des Dialektischen sicherstellt. Worauf es jetzt für unser Vorhaben allein ankommt, ist der Einblicke in eine Möglichkeit, die Differenz als Austrag so zu denken, daß deutlicher wird, inwiefern die ontotheologische Verfassung der Metaphysik ihre Wesensherkunft im Austragf hat, der die Geschichte, der Metaphysik beginnt, ihre Epochen durchwaltet, jedoch überall als der Austrag verborgen und so vergesseng bleibt in einer sich selbst** noch entziehenden Vergessenheit.h Um den genannten Einblick zu erleichtern, bedenken wir das Sein und in ihm die Differenzi und in dieser den a
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[1] ÆA-lhÂûeia doch ist Über-Kommnis nicht die umgekehrt gerichtete »Transzendenz« dafür kein metaphys[ischer] Titel verfügbar weil schon aus (E [Ereignis]) gedacht [1] 〈Erörterung der Differenz von Sein und Seiendem in den Austrag als den Vorort ihres Wesens〉*** [2] 〈Erörterung der Differenz von Sein und Seiendem in den Austrag als den Vorort ihres Wesens〉 [1] 〈 gilt〉 [1] 〈Einblick〉**** [1] 〈Austrag〉***** [1] 〈so vergessen〉 [1] Svg [Seinsvergessenheit] [?] [1] zunächst nur als Sein nicht Seiendes
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Austraga von jener Prägung des Seins her, durch die das Sein sich als LoÂgow, als der Grundb gelichtet hat. Das Sein zeigt sich in der entbergenden Überkommnis als das Vorliegenlassen des Ankommendenc, als das Gründen in den mannigfaltigen Weisen des Her- und Vorbringens.de Das Seiende als solches, die sich in die Unverborgenheit bergende Ankunft ist das Gegründete, das als Gegründetes und so als Erwirktesfg auf seine Weise gründet, nämlich wirkt, d. h. verursacht. Der Austrag von Gründendem und Gegründetem als solchem hält beide nicht nur auseinander, er hält sie im Zueinander. Die Auseinandergetragenen sind dergestalt in den Austrag verspannth, daß nicht nur Sein als Grundi das Seiende gründet, sondern das Seiende seinerseits auf seine Weise das Sein gründet, es verursacht. Solches vermag das Seiende nur, insofern es die Fülle des Seins »ist«: als das Seiendste.* Hier gelangt unsere Besinnung in einen erregenden Zusammenhang. Sein west als LoÂgow im Sinne des Grundes,
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[1] 〈Austrag〉 das Zusammengehören beider.** [1] 〈der Grund〉 vgl. französ[isch]: »fonds«: Grund; Länderei – Vermögen. fond: vgl. Desc. [Descartes] Discours. ed. Gilson*** p. 15 Z[eile] 6 baˆtir dans un fonds – baˆtir sur des fondements. p. 14 Z[eile] 3 f. [1] 〈als das Vorliegenlassen des Ankommenden〉 und umgekehrt: das Vorliegenlassen zeigt sich von dem Seienden her gesehen – als Überkommnis über dieses – [1] das Bilden: pilon – her-vor-stoßen – holen [2] des ursprünglich gedachten Bildens Bilden – pilon – hervor stoßen. [1] 〈und so als Erwirktes〉 woher »Wirken«? [2] 〈und so als Erwirktes〉 woher »Wirken«? [1] 〈verspannt〉 [2] 〈Sein als〉 der 〈Grund〉
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[1] [2] koinoÂtaton tiµiv  taton [1] 〈Der LoÂgow versammelt, gründend, alles in das Allgemeine V und versammelt: begründend alles aus dem Einzigen.〉 [1] 〈überdies〉 besser: vor all dem [2] 〈überdies〉 besser: vor all dem [1] 〈Sprachwesens〉 Aussage – Satz. kejsûai, ûeÂsiw** [2] 〈die Weise des Sagens als eines logischen〉 V
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des Vorliegenlassens. Derselbe LoÂgow ist als Versammlung das Einende, das ÏEn. Dieses ÏEn jedoch ist zwiefältig: Einmal das Eine Einende im Sinne des überall Ersten und so Allgemeinsten und zugleich das Eine Einende im Sinne des Höchsten (Zeus).a Der LoÂgow versammelt, gründend alles in das Allgemeine und versammelt begründend alles aus dem Einzigen.b Daß derselbe LoÂgow überdiescd die Wesensherkunft der Prägung des Sprachwesense in sich birgt und so die Weise des Sagens als eines logischenf im weiteren Sinne bestimmt, sei nur beiläufig vermerkt. Insofern Sein als Sein des Seienden, als die Differenz, als der Austrag west, währt das Aus- und Zueinander von Gründen und Begründen, gründet Sein das Seiende, begründet das Seiende als das Seiendste das Sein. Eines überkommt das Andere, Eines kommt im Anderen an. Überkommnis und Ankunft erscheinen wechselweise ineinander im Widerschein. Von der Differenz her gesprochen, heißt dies: Der Austrag ist ein Kreisen, das Umeinanderkreisen von Sein und Seiendem.* Das Gründen selber erscheint innerhalb der Lichtung des Austrags als etwas, das ist, was somit selber, als Seiendes, die entsprechende Begründung durch Seiendes, d. h. die Verursachung und zwar die durch die höchste Ursache verlangt.
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Einer der klassischen Belege für diesen Sachverhalt in der Geschichte der Metaphysik findet sich in einem kaum beachteten Text von Leibniz, welchen Text wir kurz »Die 24 Thesen der Metaphysik« nennen (Gerh. Phil. VII, 289 ff.*; vgl. dazu: Der Satz vom Grund, 1957, S. 51 f.**)a Die Metaphysik entspricht dem Sein als loÂgow und ist demgemäß in ihrem Hauptzug überall Logik, aber Logik, die das Sein des Seienden denkt, demgemäß die vom Differenten der Differenz her bestimmte Logik: Onto-Theo-Logik.b Insofern die Metaphysik das Seiende als solches im Ganzen denkt, stellt sie das Seiende aus dem Hinblick auf das Diffe rente der Differenz vor, ohne auf die Differenz alsc Differenz zu achten. Das Differente zeigt sich als das Sein des Seienden im Allgemeinen und als das Sein des Seienden im Höchsten.*** Weil Sein als Grund erscheint, ist das Seiende das Gegründete, das höchste Seiende aber das Begründende im Sinne der ersten Ursache. Denkt die Metaphysik das Seiende im Hinblick auf seinen jedem Seienden als solchem gemeinsamend Grund, dann ist sie Logik als Onto-Logik. Denkt die Metaphysik das Seiende als solches im Ganzen, d. h. im Hinblick auf das höchste, alles begründende Seiende, dann ist sie Logik als Theo-Logik. Weil das Denken der Metaphysik in die als solche ungedachte Differenz eingelassen bleibt, ist die Metaphysik aus
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[1] vgl. jetzt Nietzsche II.**** S. [?] [1] nicht Logik als Besinnung auf den loÂgow als Sagen – Sprache – [2] 〈als〉 k[ursiv] [2] 〈 gemeinsamen〉*****
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der einigenden Einheit des Austrags her einheitlich zumala Ontologie und Theologie.* Die onto-theologische Verfassung der Metaphysik entstammt dem Walten der Differenzb, die Sein als Grund und Seiendes als gegründet-begründendes aus- und zueinanderhält, welches Aushalten der Austrag vollbringt.c ** Was so heißt, verweist unser Denken in dend Bereich, den zu sagen die Leitworte der Metaphysik, Sein und Seiendes, Grund – Gegründetes, nicht mehr genügen. Denn was diese Worte nennen, was die von ihnen geleitete Denkweise vorstellt, stammt als das Differente aus der Differenz. Deren Herkunft läßt sich nicht mehr im Gesichtskreis der Metaphysik denken.e *** Der Einblick in die onto-theologische Verfassung der Metaphysik zeigt einen möglichen Weg, die Frage: Wief kommt der Gott in die Philosophie? aus dem Wesen der Metaphysik zu beantworten.**** Der Gott kommt in die Philosophie durch den Austrag, den wir zunächst als den Vorortg des Wesens der Differenz von Sein und Seiendem denken. Die Differenz macht den a b c d e
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[2] 〈einheitlich zumal〉 [1] 〈Walten der Differenz〉 [1] Aus-trag: Vorschein (verbergender) des E. [Ereignisses] [1] 〈den〉 [1] Nicht mehr: fragen nach ihrer Herkunft – dies auf dem Holzweg; sondern: fahrenlassen die Diff[erenz] und Transz[endenz]***** sich einlassen auf die »Identität« v[on] S. [Sein] und Sd. [Seiendem] d. h. aber: Identität verwinden in das E. [Ereignis] als Befugnis des Ge-Vierts das Ding – [1] 〈Wie〉 »Wie?« d. h. 1. auf welche Weise? 2. in welcher Gestalt? [2] 〈zunächst als den Vorort〉
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Grundriß im Bau des Wesens der Metaphysik aus. Der Austrag ergibt und vergibt das Sein als her-vor-bringenden Grund, welcher Grund selbst aus dem von ihm Begründeten her der ihm gemäßen Begründung, d. h. der Verursachung durch die ursprünglichste Sache bedarf. Dies ist die Ursachea als die Causa sui. So lautet der sachgerechte Name für den Gott in der Philosophie. Zu diesem Gott kann der Mensch weder beten, noch kann er ihm opfern. Vor der Causa sui kann der Mensch weder aus Scheu ins Knie fallen, noch kann er vor diesem Gott musizieren und tanzen. Demgemäß ist das gott-lose Denken, das den Gott der Philosophie, den Gott als Causa sui preisgeben muß bc , dem göttlichen Gott vielleicht näher. Dies sagt hier nur: Es ist freierd für ihn, als es die Onto-Theo-Logik wahrhaben möchte. Durch diese Bemerkung mag ein geringes Licht auf den Wege fallen, zu dem ein Denken unterwegs ist, das den Schritt zurückf vollzieht, zurück aus der Metaphysik in das Weseng der Metaphysik, zurück aus der Vergessenheith der a b
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[1] 〈Ur sache〉 [1] in dem Schritt zurück aus der Metaphysik in ihr Wesen unzureichend! [2] im Schritt zurück aus der Metaphysik in ihr Wesen –* [1] 〈 freier〉 d. h. weiter und breiter[?]** [1] 〈Weg〉? Aufenthalt [1] 〈Schritt zurück〉 [1] 〈Wesen〉 statt »Wesen« (v[erbal]) währen (gewährend) sage: Eignen Eignis die etwas zu ihm selber bringt (kommen läßt), so daß es als es selbst erscheinen kann. Eignung (trans[itiv]) als Er-eignen. [1] 〈Vergessenheit〉
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Differenz als solcher in das Geschicka der sich entziehenden Verbergung des Austragsb.* Niemand kann wissen, ob und wann und wo und wie dieser Schritt des Denkens zu einem eigentlichen (im Ereignis gebrauchten)c Weg und Gang und Wegebau sich entfaltet. Es könnte sein, daß die Herrschaft der Metaphysik sich eher verfestigt, nämlich** in der Gestaltd der modernen Technik und deren unabsehbaren rasenden Entwicklungen. Es könnte auch sein, daß alles, was sich auf dem Weg des Schrittes zurück ergibt, von der fortbestehenden Metaphysik auf ihre Weise als Ergebnis eines vorstellenden Denkens nur genützt und verarbeitete wird.f So bliebe der Schritt zurück selbst unvollzogeng und der Weg, den er öffnet und weist, unbegangen.*** Solche Überlegungen drängen sich leicht auf, aber sie haben kein Gewicht im Verhältnis zu einer ganz anderen Schwierigkeit, durch die der Schritt zurück hindurch muß.h Das Schwierige liegt in der Sprachei. Unsere abendländischen Sprachen sind in je verschiedener Weise Sprachen a b c d e
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[1] 〈Geschick〉 Ge-Schick als eine Jähe des E. [Ereignisses] [1] 〈der sich entziehenden Verbergung des Austrags〉 [1] 〈(im Ereignis gebrauchten)〉 [1] 〈Gestalt〉 d. h. hier Wesen: d. h. im Ge-Stell [2] 〈verarbeitet〉 und dadurch auf die verfänglichste Weise mißachtet und preisgegeben [1] 〈Es könnte auch sein, daß alles, was sich auf dem Weg des Schrittes zurück ergibt, von der fortbestehenden Metaphysik auf ihre Weise als Ergebnis eines vorstellenden Denkens nur genützt und verarbeitet wird.〉**** [1] 〈So bliebe der Schritt zurück selbst unvollzogen〉 [1] 〈 ganz anderen Schwierigkeit, durch die der Schritt zurück hindurch muß〉.***** [1] [2] 〈Sprache〉
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des metaphysischen Denkensa. Ob das Wesen der abendländischen Sprachen in sich nur metaphysisch und darum endgültig durch die Onto-Theo-Logik geprägt ist, oder ob diese Sprachen andere Möglichkeiten des Sagens, d. h. zugleich des sagenden Nichtsagens,* gewähren, muß offen bleiben.b Oft genug hat sich uns während der Seminarübungen das Schwierige gezeigt, dem das denkende Sagen ausgesetzt bleibt. Das kleine Wort »ist«, das überall in unserer Sprache spricht und vomc Sein sagt, auch dort, wo es nicht eigens hervortritt, enthält – vom eÍstin gaÁr eiËnai des Parmenides an bis zum »ist« des spekulativen Satzes bei Hegel und bis zur Auflösung des »ist« in eine Setzung des Willens zur Macht bei Nietzsche – das ganze Geschick des Seinsd. Der Blick in dieses Schwierige, das aus der Sprachee kommt, sollte uns davor behüten, die Sprache des jetzt versuchten Denkens vorschnell in eine Terminologie umzumünzen und morgen schon vom Austrag zu reden, statt alle Anstrengung dem Durchdenken des Gesagten zu widmen. Denn das Gesagte wurde in einem Seminar gesagt. Ein Seminar ist, was das Wort andeutet, ein Ort und eine Gelegenheit, hier und dort einen Samen, ein Samenkorn des Nachdenkens auszustreuen,f das irgendwann einmal auf seine Weise aufgehen mag und fruchten.
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[1] 〈Sprachen des metaphysischen Denkens〉 [1] vgl. Unterwegs zur Sprache – S. 267 f.** [2] 〈(vom)〉 [1] 〈Nietzsche〉 und bis in die Formalisierung der Sprache im logisch[en] Positivismus 〈– das ganze Geschick des Seins〉 [2] 〈aus der Sprache〉 [1] Holzw. [Holzwege], 194***
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HINWEISE*
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[76]
Zum Versuch, das Ding zu denken, vgl. Vorträge und Aufsätze, Neske, Pfullingen 1954, S. 163 – 181. Der Vortrag »Das Ding« wurde zum erstenmal innerhalb einer Vortragsreihe »Einblick in das, was ist« im Dezember 1949 zu Bremen und im Frühjahr 1950 auf Bühlerhöhe gehalten.a Zur Auslegung des Satzes des Parmenides vgl. a. a. O. S. 231 bis 256. Zum Wesen der modernen Technik und der neuzeitlichen Wissenschaft vgl. a. a. O. S. 13 – 70. Zur Bestimmung des Seins als Grund vgl. a. a. O. S. 207–229 und Der Satz vom Grund, Neske, Pfullingen, 1957. Zur Erörterung der Differenz vgl. Was heißt denken?, Niemeyer, Tübingen 1954 und Zur Seinsfrage, Klostermann, Frankfurt a. M. 1956. Zur Auslegung der Metaphysik Hegels vgl. Holzwege, Klostermann, Frankfurt a. M. 1950, S. 105– 192.b Erst im Zurückdenken aus der vorliegenden Schrift und den hier angeführten Veröffentlichungen wird der Brief über den Humanismus (1947), der überall nur andeutend spricht, ein möglicher Anstoß zu einer Auseinandersetzung der Sache des Denkens.
a b
[1] vgl. V. u. A. [Vorträge und Aufsätze] S. 284 [2] vgl. jetzt Hegel und die Griechen. Gadamer-Festschrift.
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HEIDEGGERS ANHANG ZU »IDENTITÄT UND DIFFERENZ«
[Anm. d. Hrsg.: Heidegger hat auf dem Nachsatz seines Handexemplars 1 unter dem Titel »Anhang« Notizen eingetragen, die hier wiedergegeben werden. Abkürzungen Heideggers wurden aufgelöst und ausgeschrieben (in eckigen Klammern). Seine Verweisungszeichen werden hier als Fußnoten wiedergegeben.] Anhang Im Vorwort [S.] 9 f. auf den Zusammenhang von Identität d. h. E. [Ereignis] und Ding – d. h. Geviert – gewiesen. nicht absetzen nicht springen 33 u[nten]! sondern: aus dem vergess[en]d[en] Vorstellen in das Ent sagen ent wachen dem Wink der wechselweisen Übereignung folgen. ? brauchenden zwiefältig bedürfen et[was] [?]* in
HEIDEGGERS ANHANG
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Das Unzureichende der noch metaphysischen Verhaftung im »Sprung«1 und »Absprung«* (24. 28. 33 und 34. 45) überspringen. »Einkehr« als Entwachen – in die Lichtung dieses verlangt keinen Sprung.** entwachen*** aus dem Vorstellen und Rechnen in das Entsagen, das die Vierfalt des E. [Ereignisses] sagt.2 Dem Wink der wechselweisen Eignung von Sein und Mensch**** folgen – aber im Ge-Viert.
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»Sprung« unverträg[lich] mit Ent-sagen – (»Satz«) Die anfängliche Gestalt des Rechnens mit … und des Begründens. »etwas als etwas«
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HEIDEGGERS NOTIZEN ZU »IDENTITÄT UND DIFFERENZ«
[Anm. d. Hrsg.: In Heideggers Handexemplar 1 fanden sich thematisch in Bündel geordnete Beilageblätter und Einzelblätter mit Notizen und Exzerpten zu Identität und Differenz. Diese werden hier unter Berücksichtigung ihrer graphischen Anordnung veröffentlicht. Hinweise und Ergänzungen in eckigen Klammern stammen von den Herausgebern.]
HEIDEGGERS N OT I Z E N
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Beilageblatt zu Heideggers »Vorwort«
argumentieren (argumentieren anzeigen – nachweisen überzeugen eÆleÂgxv – ) (eÆnargeÂw) arguo =
(vgl. Vortrag 1964 Gad. [Gadamer] Seminar* leuchten lassen, aufhellen. (entbergen)
Meillet. Dict. e´tym. 3 1951, p. 81 f.** (also das Argumentieren noch innerhalb des aÆlhÂûeyÂein) argutus – klar argumentum Cic. Top. 8 ar[gumentum] esse … rationem, quae rei dubiae faciat fidem*** Glauben – Zustimmung, Vertrauen verschaffen einer zweifelhaften Sache
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Beilageblätter zu »Der Satz der Identität«
Bündel 1 [Umschlag] Das »eigentlich« Un-zureichende des Vortrages: »Der Satz der Identität« Die Be-wegung des Satzes als Aussage der Identität zum Er-eignen des Ent-wachens.
schon der Hinblick auf »Identität« bringt alles ins notwendig Schiefe.
HEIDEGGERS N OT I Z E N
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[Blatt 1] Grund und Ereignis Im Ab-Grund – wo kein Gründen mehr und doch nicht nichts
das Ereignen Er-eignen und Ge-Viert Er-eignen und der »Austrag« der Gegenden Erbringen Grund-Sätze Setzungen d[es] Grundes Positionen Sein d[es] Grundes Grund – als »tragend« – unterliegend – worauf etwas »steht« das Stehen auf .. Sub -stanz das Stehen – gegen – durch ein Stellen Stehen – als Getragen Stehen auf Stehen als Gestellt vor-gestellt und zw[ar] nie zu »An-wesen«
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[Blatt 2] Vgl. die kritischen Bemerkungen zu »Der Satz der Identität.« Satz und Sprung – hier ungemäß. nicht springen – sondern Erwachen in das E. [Ereignis] – Daher statt »Grundsätze d[es] Denkens« Prinzipien d[es] Denkens Prinzip: aÆrxh – Anfang und An-fang. Den ganzen Text entsprechend um-arbeiten.
* Der An-Fang des Denkens. Das Geheiß –
HEIDEGGERS N OT I Z E N
361
[Blatt 3] Die Anlage des Vortrags von Satz als Aussage zum Satz als Sprung* ungemäß
[Blatt 4] Identität aus dem Ereignis vgl. Der Satz d[er] I[dentität] S. 31** Identität:
1.) bekannt durch den »Satz der Identität« »Logik« 2.): Fichte – Schelling – Hegel – – Onto-log[ie] – O[nto] – – Theo[logie] Woher hier bestimmt? Sein als ÏEn! Ich als Identität von S[ubjekt] und O[bjekt] das Absolute und das absol[ute] Wissen. 3.) toÁ gaÁr ayÆto – Parm[enides] Zu-sammen-gehören – und eÏn Ein-heit 3a.) das verwandelte ayÆto kau’ ayÆto tayÆto toÂpow toÁ ayÆto 4. E. [Ereignis] selbst – die Topo logie in ihrer Sage
362
IDEN T ITÄT U N D D IF F E R E N Z ( E R W . FA S S U N G )
[Blatt 5] Fichte Das Entgegensetzen: des Nicht-Ich (ist) Urhandlung, nicht aus dem Setzen abzuleiten. (vielmehr das Setzen aus dem Entgegensetzen isoliert?) Das Entgegenstehenlassen gewährt erst Gegenständlichkeit und damit Möglichkeit der Affektion. »Affektion« »in Wahrheit« bereits eine Tätigkeit des Ich Gegenstände sind Produktion des Ich. Wo der Halt dieses Wissens aus Sichwissen? 3. Buch v[on] Die Bestimmung des Menschen* »Der Grundcharakter des Wissens: aufleuchtende Evidenz zu sein« »Licht« W. Schulz 21.** Einleitung zur Briefveröffentlichung Fichte – Schelling »absolutes Wissen« ist nicht »das Absolute« (dieses ist nur es selbst) zwischen beiden ein dialekt[isches] Verhältnis.
HEIDEGGERS N OT I Z E N
363
[Blatt 6] Weder Sprung× noch Einkehr S. 24 »Satz« / weil schon von E [Ereignis] in E. [Ereignis] »eingelassen« / aber wie? Einheimisch werden in der schon (bewohnten) Heimat noch nicht eigens bewohnt sondern? ×
vgl. Text S. 24, 28*
[Blatt 7] toÁ gaÁr ayÆto …
erste Kunde des Seinsgeschickes »Sein« an das »Denken« geschickt ––– insgleichen die »Differenz« auch seinsgeschichtlich und darum Preisgabe keine Herkunft zu erdenken
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[Blatt 8] »Identität« als E. [Ereignis] kein »Satz« – aber »Sage«? Sage und Satz keine Einkehr aber Entwachen. (Erheiterung) Lichtung.
[Blatt 9] Die »Identität« als E. [Ereignis] duldet keinen Satz als das ihr gemäße Sagen – welches Sagen selbst zu ihr (zum E [Ereignis]) gehört.
HEIDEGGERS N OT I Z E N
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Bündel 2 [Umschlag] Zum Vortrag (1957) Der Satz der Identität
[Blatt 1] Zu »Der Satz der Identität« 1. Die Rede von der »Konstellation von Sein und Mensch« unzureichend, wenn Sein und M[ensch] je für sich genommen und dann (man weiß nicht in welchem Bereich) zusammengestellt werden. besser: »das Zusammengehören« 2. Der Versuch, das Ge-Stell erfahren zu lassen S. 27 ff.* unterscheidet nicht zwischen dem gewohnten Vorstellen und dem ent-sagenden Hören – deutlich genug. zu unmittelbar und zu vor greifend – siehe S. 70 Fußnote.** Die Metaphysik ist erst überwunden – d. h. ganz ihr selber überlassen, so daß sie im Denken nicht mehr mitsprechen kann, wenn »Transzendenz und Differenz« verwunden sind (Vorläufiges I 35***) – und damit jeder mögliche Ansatz für Onto-Theo-Logik.
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IDEN T ITÄT U N D D IF F E R E N Z ( E R W . FA S S U N G )
[Blatt 2] Zum Identitätsvortrag Auch dieser noch nicht frei aus dem E. [Ereignis] gesagt, obzwar das zu Sagende und die Weise des Erfahrens erkannt sind. vgl. S. 24. 25. 30*
[Blatt 3] Identitätsvortrag. (vgl. Vortragsreihe S[ommer] S[emester] 1957 Grundsätze d[es] Denkens.) Siehe Abschrift** Zusammen gehören Zusammen gehören von Sein und Mensch[en]wesen dies als Ge-Stell darin – im versammelnden Stellen – das Eignen als sich entziehend Vorschein für die ereignende Enteignis E. [Ereignis] und Eigentum. (das un-endl[iche] V[er]-H[ältnis])
Identität:
V
Eignen und Reichen: der Brauch Eignen und Fügung der Fuge; die Be-Fugnis Sprache – als Sage des Eigentums.
HEIDEGGERS N OT I Z E N
367
[Blatt 4] Zu Id[entitäts-]Vortrag siehe Anhang z[um] Text* Wie alle öffentlichen Darstellungen nimmt auch er die Rücksicht auf das geläufige metaphysische Vorstellen. Das versuchte Denken bleibt im Übergang von der Metaphysik her in das Entsagen bestimmt. So kommt es nicht zur Wagnis aus der Jähe – d. h. zum Erwachen aus der Vergessenheit als dem Entwachen in das E. [Ereignis] des Ge-V[ierts]. Indes schließt Jähe die Rücksicht in die Überlieferung nicht aus – aber die Beziehung zu dieser bleibt ab-gründig. Im Id[entitäts-]Vortrag zeigt sich das Denken im Übergang schon durch das Thema (Ansatz beim »Satz d[er] Id[entität]« und demzufolge in der Rede von »Einkehr« (aus der Met[aphysik]) in das E. [Ereignis]. Absprung von der Met[aphysik] in den Ab-Grund (Schwingen des E. [Ereignisses]) [Blatt 5] Zu Ident[itäts-]Vortrag Wenngleich noch im Übergang denkend, ist die leitende Einsicht: – Identität nicht im Charakter des Seins, sondern: Wesen v[on] Sein im Geschick der Id[entität] qua Ereignis – keine bloße Umkehr der Art: Identität nicht eine Bestimmung des Seins sondern** Sein eine Bestimmtheit der Identität Es gibt hier keinen Anhalt für Umkehrungen, die das Beständige des Umgekehrten voraussetzen – während gerade alles sich wandelt. 368
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[Blatt 6] Der Satz der Identität* Die Verlegenheit – im »Schritt zurück« – zweideutig und mißverständlich zu sprechen. Das »Zu-einander-gehören von Mensch und Sein« schief gesagt: 1. Sein nicht gegen über sondern E. [Ereignis], das als Brauch[?]** den Menschen als den Wohnenden in die Be-Fugnis verwendet 2. Nicht nur der M[ensch] als Gebrauchter er-eignet – sondern er als ins Ge-Viert gehörend Dies die eigentliche Verborgenheit des metaphys[ischen] Denkens. Demgemäß auch der Ansatz von »Denken und Sein« sogar: Sein und Zeit? Oder doch anders! mit Z[eit] – der fragende Vorblick in d[as] E [Ereignis].
HEIDEGGERS N OT I Z E N
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[Blatt 7] Zu »Der Satz der Identität« Durch und durch aus übergehendem Schritt zurück und daher zweideutig und eigentlich mißdeutig gesagt – S. 24! Kein »Satz« im Sinne des Sichabsetzens, – des Absprunges eher noch – wenn schon »Satz« – »Setzen« aus E. [Ereignis] in diesem – Dies übereignende Versetzen in das Entwachen. noch mehr: das vereignende Ent-setzen, aus der Vergessenheit heraus-legen, in die Be-Fugnis.*
[Blatt 8] [Anm. d. Hrsg.: Beilageblatt in Maschinenschrift.] Identität / Vortrag Vgl. Text S. 29** daß es das bloße Walten des Ge-Stells in eine anfänglichere aus dem Ereignis her bestimmte Verwindung bringt. So öffnet sich die Möglichkeit einer Verwindung aus dem Ereignis, die niemals vom Menschen selbst her gemacht werden kann, aber eine Zurücknahme ist der technischen Welt aus ihrer Herrschaft zur Dienstschaft innerhalb des Bereiches, durch den der Mensch eigentlicher in das Er-eignis reicht.
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Beilageblätter zu »Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik«
Bündel 3
[Umschlag] Hgl. [Hegel]
Hdgg. [Heidegger]
vgl. Beginn und Anfang
Sich sagen lassen.
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[Blatt 1] Hgl [Hegel]
–
Hdg [Heidegger] der Gedanke
die Sache der Austrag die Maßgabe
Einbezug
d[es] Gesprächs.
Freilassen
der Charakter
Aufhebung
d[es] G[esprächs]
Schritt zurück das Einfache der Vermittlung (Gedachtheit)
die Sachheit der Sache
Strittige –– Bedrängnis das Ratsal d[er] Fuge d[es] V-H. [Ver-Hältnisses]
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[Blatt 2] Hgl [Hegel]
Hdg [Heidegger]
1. Die Vollendung d[er] Philosophie 2. Die Geschichte zu 1) a) Wie vollendet sich die Philos[ophie] in Hegels System? nicht anders als im Sinne Hegels – spekulativ. als der Gedanke – des Denkens – Sache d[er] Philos[ophie] Sein als Denken. Vollendung in d[as] Ende. b) Vollendung i[m] S[inne] der Seinsvergessenheit Nietzsche – Zeitalter d[er] Technik. (das Ge-stell) dessen Doppelgesicht. Vollendung in d[en] An-fang. An-fang des Denkens als Ent-sagen! Der verschiedene Sinn von »Vollenden« 1. Aus-schließen 2. An-fangen zu 2) a. Geschichte – als Geschehen i[m] S[inne] d[es] Pro-zesses Fortschreiten des dialekt[ischen] Denkens b. Geschick – als Ereignis – Anfang.
HEIDEGGERS N OT I Z E N
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[Blatt 3] mehrdeutig Schritt zurück vgl. Gespräch Einkehr E [Ereignis] in den An-fang
[Blatt 4] Der Schritt zurück vgl. Hu. Br. [Humanismus-Brief] ! 29 u. a.* von woher
zurück
wohin
zurück
der Schritt – des Denkens durch den es sich selber wandelt.
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[Blatt 5] Aus dem Kreis heraus
Schritt zurück
d. h. aus der Subjektität S.[ubjekt] – O.[bjekt] – inwiefern diese in d[er] Vergess[enheit] d[es] U[nterschiedes] gehört – aus ihr herkommt. d. h. aus d[er] Verg[essenheit] d[es] U[nterschiedes] S.[ubjekt] – O.[bjekt] – »Gewißheit« – »Wahrheit« d[es] Seienden! »Sein als Grund« – »Träger«
Begründen – Begreifen – Denken und Sein
to gaÁr ayÆtoÂ
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HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS IN SEINEM HANDEXEMPLAR 1 VON »IDENTITÄT UND DIFFERENZ« [Anm. d. Hrsg.: Das Stichwortverzeichnis befindet sich auf dem hinteren Nachsatzblatt. Die Seitenzahlen beziehen sich auf die Paginierung von Heideggers Handexemplar der Erstausgabe (in vorliegender Ausgabe in eckigen Klammern an den Seitenrändern des Haupttextes).] »Allheit« 55 Ereignis und Sprache Bereich
30. (24 f.) 32 (24 f.) LoÂgow und Sprache 67. Eignen, E. [Ereignis] 28. 32. Sprache und Metaphys[ik] 72. Enteignis 33 Vergessenheit – Svg. [Seinsvergessenheit] 66 (33) 45/46 ¦ »Schritt zurück« 46 f. 65 48. (nicht histor[isch]) 53. 61. 71. 72 (vgl. Hu.br. [Humanismusbrief] 29. 37. 47.) »Technik« 26 f. Ge-Stell – 28 f. 32 ff. »das Transzendentale« 38
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HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS IN SEINEM HANDEXEMPLAR 2 VON »IDENTITÄT UND DIFFERENZ« [Anm. d. Hrsg.: Das Stichwortverzeichnis befindet sich auf den beiden Nachsatzblättern. Die Seitenzahlen beziehen sich auf die Paginierung von Heideggers Handexemplar der Erstausgabe (in vorliegender Ausgabe in eckigen Klammern an den Seitenrändern des Haupttextes).]
Einfahrt 24 f. ? Enteignen 33 Einkehr – 24.
34. vgl. Sprung.
Sprache S. 30. 32. Vergessenheit 47. 65 und Diff[erenz] Sprung? 24. 28. 32. 33. 34 Schwingen 30. 32. Schweben Unter-Schied 62
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Editorische Notiz zu »Identität und Differenz« (Erweiterte Fassung der Erstausgabe von 1957) Die hier präsentierte Textversion von Identität und Differenz ist identisch mit dem von Heidegger handschriftlich erweiterten Text der Erstausgabe: Martin Heidegger, Identität und Differenz, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1957. In seinem Vorwort vom 9. September 1957 (Erstausgabe S. 9–10, in vorliegender Ausgabe S. 289– 290) charakterisiert Heidegger die Entstehungsumstände und die philosophische Bedeutung der beiden Texte, die er unter dem Titel Identität und Differenz vereint hat. Später hat Heidegger denselben Titel für Band 11 der Gesamtausgabe gewählt, der außer der beiden ursprünglichen Texte »Der Satz der Identität« und »Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik« noch weitere Texte enthält, vgl. Martin Heidegger, Identität und Differenz, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 11), 2006. Den Vortrag »Der Satz der Identität« hielt Heidegger am 27. Juni 1957 anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Universität Freiburg in der Freiburger Stadthalle. Der Vortrag wurde zuerst veröffentlicht in: Gerd Tellenbach und Hans Detlef Rösiger (Hrsg.), Die Albert-LudwigsUniversität 1457 – 1957, Die Festvorträge bei der Jubiläumsfeier, Band 1, Freiburg i. Br., Schulz, 1957, S. 69 – 79. »Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik« ist eine überarbeitete Erörterung zum Abschluss von Heideg-
378
EDITORISCHE NOTIZ
gers Seminar über Hegel vom Wintersemester 1956/57. Siehe dazu: Martin Heidegger, Seminare Hegel – Schelling, hrsg. von Peter Trawny, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 86), 1994, S. 475 – 485, 498– 512 und 827– 886. Den Vortrag »Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik« hielt Heidegger vor seinen Studenten am 24. Februar 1957 in Todtnauberg. Von Identität und Differenz gibt es zwei Handexemplare mit zahlreichen Annotationen Martin Heideggers. Beide Handexemplare enthalten auf den Nachsatzblättern ein Stichwortverzeichnis mit Seitenverweisen. Handexemplar 1 enthält außerdem unter dem Titel »Anhang« Notizen mit Seitenverweisen. Hinzu kommen in Handexemplar 1 in drei Bündeln geordnete und mit Titeln versehene Beilageblätter sowie ungeordnete Einzelblätter und ein Brief von Heideggers Übersetzer Andre´ Pre´au vom 28. März 1967 sowie ein Brief seiner Übersetzerin Joan Stambaugh vom 27. März 1968. Auch ein unvollständiger Besprechungsbeleg von Richard Wisser, »Probleme der philosophischen Anthropologie, insbesondere der Kulturanthropologie« aus Die Welt der Bücher, Heft 6, 1961, S. 287– 288 ist beigelegt. Die in eckigen Klammern an den Seitenrändern vorliegender Ausgabe angegebenen Zahlen beziehen sich auf die Seitenzahlen der Erstausgabe: Martin Heidegger, Identität und Differenz, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1957. Mittelstriche markieren die ursprünglichen Seitenumbrüche. In späteren Auflagen verschoben sich die Seitenzahlen um minus 2 bis minus 6 Seiten. Hochgestellte Kleinbuchstaben und dazugehörige Fußnoten im Haupttext verweisen auf Anmerkungen, Ergänzungen, Korrekturen und Seitenverweise, die Heidegger in seinen beiden persönlichen Handexemplaren der Erstaus-
EDITORISCHE NOTIZ
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gabe vermerkt hat. Die Angabe [1] verweist auf Handexemplar 1; die Angabe [2] verweist auf Handexemplar 2. Die Textvarianten sind jeweils unten auf der Seite des Haupttextes wiedergegeben. Ausnahmen bilden Sonderzeichen wie besondere Hervorhebungen oder Zeichen zur Markierung von Querverweisen, die editorischer Kommentare im Anmerkungsteil bedürfen. Diese sind jeweils mit Sternchenmarkierungen versehen. Alle eindeutigen Korrekturen, die Heidegger in seinen beiden Handexemplaren notiert hat, wurden übernommen und im Anhang kommentiert. Unterstreichungen Heideggers in seinen Handexemplaren wurden kursiv wiedergegeben; Doppeltunterstreichungen wurden kursiv mit einfacher Unterstreichung wiedergegeben. Zur Veranschaulichung der Komplexität von Heideggers Annotationen wird ein Faksimile aus Handexemplar 1 von Identität und Differenz (HE [1], S. 24 – 25) zum Herunterladen (als Download, siehe S. 4) zur Verfügung gestellt. Auf der Seite des Impressums (S. 8) von Handexemplar 1 der Erstausgabe hat Heidegger das Erscheinungsdatum »1957« unterstrichen und handschriftlich notiert: »1927 S. u. Z.« [1927 Sein und Zeit]. Heideggers Stichwortverzeichnisse beider Handexemplare sind in dieser Ausgabe erstmals aufgenommen. Ebenfalls aufgenommen wurden ein von Heidegger in Handexemplar 1 handschriftlich eingetragener »Anhang« und mehrere in Handexemplar 1 eingelegte Beilageblätter mit Notizen. Die beiden oben erwähnten Briefe an Heidegger, die er ebenfalls eingelegt hatte, werden in ihren jeweiligen Bezügen zu Heideggers Text im Anmerkungsteil (S. 459 – 461, Anm. * zu S. 348) zitiert. Textergänzungen in eckigen Klammern stammen von den Herausgebern. Sternchenmarkierungen verweisen auf Anmerkungen und Ergänzungen der Herausgeber. 380
EDITORISCHE NOTIZ
Heideggers Schreibweisen von Wörtern wie an-wesen, Unter-Schied, Er-eignis und Ge-Stell wurden auch bei Zeilenumbrüchen beibehalten. In diesem Fall wurden die typischen Heidegger-Trennungen als Divis sowohl am Zeilenende als auch am Zeilenanfang kenntlich gemacht. Weitere Erklärungen im »Nachwort der Herausgeber«, S. 477 ff.
EDITORISCHE NOTIZ
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ANHANG
EDITORISCHE ANMERKUNGEN Editorische Anmerkungen zu »Gelassenheit« S. 11 * Ein Auszug aus dem »Feldweg« wurde 1949 veröffentlicht in: Conradin-Kreutzer-Stadt Meßkirch, Meßkirch, o. J. [1949], S. 1 – 2. Der vollständige Text erschien in 400 Exemplaren 1949 als Privatdruck im Verlag Vittorio Klostermann in Frankfurt a. M. und wurde 1953 im gleichen Verlag erneut veröffentlicht: Martin Heidegger, Der Feldweg, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1953, 112006. In der HeideggerGesamtausgabe (HGA): Martin Heidegger, »Der Feldweg (1949)«, in: Ders., Aus der Erfahrung des Denkens 1910–1976, hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 13), 1983, 2., durchgesehene Auflage 2002, S. 87 – 90, siehe dort auch weitere Informationen S. 247. Eine bebilderte Sonderausgabe erschien im gleichen Verlag: Martin Heidegger, Der Feldweg, bebilderte Sonderausgabe, hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1989, 42010. S. 15 * Im Bd. 81 Gedachtes der Heidegger-Gesamtausgabe, hrsg. von Paola-Ludovika Coriando, Frankfurt a. M.,
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Vittorio Klostermann (HGA 81), 2007, finden sich zahlreiche Texte Heideggers zum Thema »Gelassenheit«. In einigen dieser poetischen Texte erläutert er in der Form des Spruchgedichts das Moment des Wartens nach seinem Verständnis der Gelassenheit. Dabei variiert er in verschiedenen Versionen einzelne Wörter oder Verszeilen der Gedichte: Gelassenheit Erst im Warten werden wir uns selbst zu eigen, hüten Menschen, Dingen Rückkehr ins Beruhen. Gleich dem zarten Singen alter Meistergeigen die den Klang empfingen, in verborgnen Truhen. [HGA 81, S. 75] —— Erst im Warten werden wir uns selbst zu eigen, gewähren allem Ding die Rückkehr ins Beruhen. Gleich dem zarten Klange alter Meistergeigen, der ungehört verging den Instrumenten in verborgnen Truhen. [HGA 81, S. 214] Weitere Texte zum Thema »Gelassenheit« siehe z. B. HGA 81, a. a. O., S. 81, 140 – 144, 147, 150, 319; vgl.
386
ANHANG
auch Martin Heidegger, Anmerkungen I–V (Schwarze Hefte 1942–1948), hrsg. von Peter Trawny, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 97), 2015, S. 52, 67, 71–74, 78, 86 –89, 119, 132, 183, 295 f., 302 ff., 305 – 317; vgl. besonders Ders., Vigiliae und Notturno (Schwarze Hefte 1952/53 bis 1957), hrsg. von Peter Trawny, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 100), 2019. S. 16 * Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, Bd. 3: Hochdeutsche und lateinische Gedichte, Rätsel, vermischte Prosa, theologische Schriften, Predigten, Zürich /Berlin, Atlantis-Verlag, 1943, S. 314. S. 18 * Die von Heidegger erwähnte Tagung der Nobelpreisträger fand vom 11. bis 15. Juli 1955 in Lindau statt. In der »Mainau Kundgebung« warnten 18 Nobelpreisträger – u. a. Wendell Meredith Stanley, Werner Heisenberg, Hermann Staudinger und Otto Hahn – vor dem Einsatz von Kernwaffen. Vollständig und im exakten Wortlaut lautet die Erklärung: Wir, die Unterzeichnenden, sind Naturforscher aus verschiedenen Ländern, verschiedener Rasse, verschiedenen Glaubens, verschiedener politischer Überzeugung. Äußerlich verbindet uns nur der Nobelpreis, den wir haben entgegennehmen dürfen. Mit Freuden haben wir unser Leben in den Dienst der Wissenschaft gestellt. Sie ist, so glauben wir, ein Weg zu einem glücklicheren Leben der Menschen. Wir se-
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hen mit Entsetzen, dass eben diese Wissenschaft der Menschheit Mittel in die Hand gibt, sich selbst zu zerstören. Voller kriegerischer Einsatz der heute möglichen Waffen kann die Erde so stark radioaktiv verseuchen, dass ganze Länder und Völker vernichtet würden. Dieser Tod kann die Neutralen ebenso treffen wie die Kriegführenden. Wenn ein Krieg zwischen den Großmächten entstünde, wer könnte garantieren, dass er sich nicht zu einem solchen tödlichen Kampf entwickelte? So ruft eine Nation, die sich auf einen totalen Krieg einlässt, ihren eigenen Untergang herbei und gefährdet die ganze Welt. Wir leugnen nicht, dass vielleicht heute der Friede gerade durch die Furcht vor diesen tödlichen Waffen aufrechterhalten wird. Trotzdem halten wir es für eine Selbsttäuschung, wenn Regierungen glauben sollten, sie könnten auf lange Zeit gerade durch die Angst vor diesen Waffen den Krieg vermeiden. In äußerster Gefahr wird keine Nation sich den Gebrauch irgendeiner Waffe versagen, die die wissenschaftliche Technik erzeugen kann. Alle Nationen müssen zu der Entscheidung kommen, freiwillig auf die Gewalt als letztes Mittel der Politik zu verzichten. Sind sie dazu nicht bereit, so werden sie aufhören zu existieren. Kurt Adler, Bonn Max Born, Bad Pyrmont Adolf Butenandt, Tübingen Arthur H. Compton, Saint Louis Gerhard Domagk, Wuppertal H. K. von Euler-Chelpin, Stockholm
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Richard Kuhn, Heidelberg Fritz Lipmann, Boston H. J. Müller, Bloomington Paul Hermann Müller, Basel Leopold Ruzicka, Zürich Frederick Soddy, Brighton W. M. Stanley, Berkeley
ANHANG
Otto Hahn, Göttingen Hermann Staudinger, Werner Heisenberg, Göttingen Freiburg Georg von Hevesy, Stockholm Hideki Yuwaka, Kyoto
Zitiert nach: Werner Stolz: Otto Hahn / Lise Meitner, Biographien hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner, Bd. 64, Berlin, Teubner Verlagsgesellschaft, 21989, S. 75 f. S. 20 * Wendell Meredith Stanley (1904 – 1971) war ein amerikanischer Chemiker und Virologe; 1946 erhielt er den Nobelpreis für Chemie. Zur Tagung der Nobelpreisträger in Lindau vgl. Anm. * zu S. 18. ** Friedrich Wagner, Die Wissenschaft und die gefährdete Welt. Eine Wissenschaftssoziologie der Atomphysik, München, C. H. Beck, 1964, S. 235. S. 22 * EA: 〈hängenbleiben〉. S. 25 * Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, Zürich /Freiburg i. Br., 1940, Bd. III, S. 314.
Editorische Anmerkungen zu »Zur Erörterung der Gelassenheit« S. 27 * Der interne Seitenverweis Heideggers bezieht sich auf die Seitenzahl der »Hinweise« in der Erstausgabe (dort S. 75), in vorliegender Ausgabe S. 71.
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S. 30 * EA: 〈ich〉. S. 34 * Vgl. zum Thema »Gelassenheit« bei Heidegger in Bezug auf Meister Eckhart: Friedrich-Wilhelm von Herrmann, »Gelassenheit im Denken Martin Heideggers«, in: Wolfgang Erb / Norbert Fischer (Hrsg.), Meister Eckhart als Denker, Eckhart-Jahrbuch, Beihefte 4 Stuttgart, Kohlhammer, 2017, S. 455 – 466. S. 35 * EA: ohne Komma. ** Zum Thema »Warten und Gelassenheit« vgl. Anm. * zu S. 15. S. 41 * HE: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Satz. S. 45 * HE: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Satz. S. 47 * EA: ohne Komma. S. 58 * Martin Heidegger, »Sein und Zeit. Erste Hälfte«, in: Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung 8, hrsg. von Edmund Husserl, Halle an der Saale, Max Niemeyer, 1927, § 62: »Das existenziell eigentliche Ganzseinkönnen des Daseins als vorlaufende
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ANHANG
Entschlossenheit«. Sein und Zeit erschien auch als Einzelausgabe (Sonderdruck aus dem Jahrbuch). Ab der 7. Auflage von 1953 wurde die Kennzeichnung »Erste Hälfte« gestrichen und eine »Vorbemerkung zur siebenten Auflage« eingefügt. 1977 erschien die 14. Auflage mit den Randbemerkungen aus dem »Hüttenexemplar« des Autors im Anhang. Die 15., durchgesehene Auflage erschien 1979. Die letzte, 19. Auflage, erschien 2006. In der HGA: Martin Heidegger, Sein und Zeit, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 2), 1977, 2 2018. S. 61 * EA: Komma nach 〈unterlassen〉. S. 67 * Vgl. Hermann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. I–III, hrsg. von Walther Kranz, Bd. 1, Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 51934, Fragment 122. S. 68 * In Bd. 13 der Heidegger-Gesamtausgabe (HGA 13, S. 72) wurde »schlagend« durch »treffend« ersetzt. In Heideggers Handexemplar findet sich keine Korrektur an dieser Stelle. In allen späteren Auflagen des Einzelbands »Gelassenheit« wurde »schlagend« beibehalten.
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Editorische Anmerkungen zu »Hinweise« S. 71 * In Heideggers Handexemplar der Erstausgabe befindet sich auf dieser Seite (S. 75) ein Stichwortverzeichnis, das in vorliegender Ausgabe auf S. 73 wiedergegeben wird. ** Conradin Kreutzer (Meßkirch 1780 – Riga 1849) war ein überaus produktiver Musiker und Komponist. Eines seiner bekanntesten Werke ist die romantische Oper »Das Nachtlager in Granada«. Näheres zu Heidegger und Kreutzer siehe Gelassenheit. Zum 125. Geburtstag von Martin Heidegger. Die Meßkircher Rede von 1955. Mit Interpretationen von Alfred Denker und Holger Zaborowski, Freiburg / München, Verlag Karl Alber, 2014. *** Das ganze Gespräch wurde unter dem Titel »›ÆAgxibasiÂh‹. Ein Gespräch selbdritt auf einem Feldweg zwischen einem Forscher, einem Gelehrten und einem Weisen« veröffentlicht in: Martin Heidegger, FeldwegGespräche (1944/45), hrsg. von Ingrid Schüssler, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 77), 1995, S. 1–157. **** Martin Heidegger, Was heißt Denken?, Tübingen, Max Niemeyer, 1954, 51997, S. 135 – 149 und S. 174 f. In der HGA: Martin Heidegger, Was heißt Denken?, hrsg. von Paola-Ludovika Coriando, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 8), 2002, hier S. 225– 266. Diese Edition ist durch zwei bisher unveröffentlichte Texte ergänzt und mit den aus Heideggers Handexemplar entnommenen Verbesserungen und Randbemerkungen versehen. Bei den zwei dort erstmals edierten Texten handelt es sich um einen nicht vorgetragenen Text-
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ANHANG
abschnitt aus der IX. Vorlesungsstunde im Wintersemester 1951/52 sowie um die letzte, nicht vorgetragene Vorlesung aus dem Sommersemester 1952. ***** In der Erstausgabe von Gelassenheit (Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1959) hat Heidegger aus dem ganzen Feldweggespräch nur den mittleren Teil unter dem Titel »Zur Erörterung der Gelassenheit – Aus einem Feldweggespräch über das Denken« veröffentlicht. Der erste und der nachfolgende Teil wurden erstmals in der Heidegger-Gesamtausgabe (HGA 77, vgl. Anm. ***) publiziert. ****** Handexemplar 1 der Erstausgabe enthält einen handschriftlichen Brief des Übersetzers Andre´ Pre´au. Pre´au übersetzte Gelassenheit ins Französische: Martin Heidegger, »Se´re´nite´«, in: Questions III, Paris, Gallimard, 1968. Der Brief lautet: Soustons, le 1er septembre 1964. Monsieur, Je m’excuse beaucoup de venir a` nouveau vous de´ranger, surtout au milieu de vos vacances. J’espe´rais pouvoir trouver seul des e´quivalents pour les termes techniques du »Feldweggespräch« (»Gelassenheit«, 2e partie); mais mes conjectures restent finalement des conjectures et je ne puis e´videmment traduire au petit bonheur – surtout un texte de cette importance. Je prends donc l’extreˆme liberte´ de vous adresser ci-joint un petit questionnaire, espe´rant que, cette fois encore, vous aurez la bonte´ d’y re´pondre. Il serait aussi bien inte´ressant de savoir si ce n’est pas le »Feldweggespräch« qui vous a conduit a` e´crire Der Feldweg. E DITORISCH E AN ME R K U N G E N
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J’espe`re que cette lettre vous trouvera en parfaite sante´ et vous prie de vouloir bien agre´er, Monsieur et cher Maıˆtre, avec encore mes excuses et d’avance mes plus vifs remerciements, l’expression de ma tre`s respectueuse et profonde admiration. Pre´au Editorische Anmerkungen zu »Heideggers Notizen« S. 72 * Meister Eckhart, Erste Abtheilung: Predigten und Traktate, hrsg. von Franz Pfeiffer; 3. unveränderte Auflage der Ausgabe von 1857, Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 1914. ** Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Leipzig, Hirzel, 1854.
Editorische Anmerkungen zu »Hebel – der Hausfreund« S. 79 * Johann Peter Hebel, »Die Wiese«, in: Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, Bd. 1: Alemannische Gedichte, Erzählungen und Betrachtungen des Rheinischen Hausfreudes, 1. Teil, Zürich / Berlin, Atlantis-Verlag, 1943, S. 43 – 52, hier S. 43. Der Gedichtanfang lautet: Wo der Dengle-Geist in mitternächtige Stunde Uffeme silberne Gschirr si goldeni Sägese denglet, (Todtnau’s Chnabe wüsse’s wohl) am waldige Feldberg,
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ANHANG
Wo mit liebligem Gsicht us tief verborgene Chlüfte d’Wiese luegt, und check go Todtnau aben ins Thal springt, schwebt mi muntere Blick, und schwebe mini Gidanke. Feldbergs liebligi Tochter, o Wiese, bis mer Gottwilche! Los, i will di iez mit mine Liederen ehre, und mit Gsang bigleiten uf dine freudige Wege! […] S. 80 * Johann Peter Hebel, Alemannische Gedichte. Für Freunde ländlicher Natur und Sitten, Karlsruhe, Macklots Hofbuchhandlung, 1803 (anonym); 2. Aufl. ebd. 1824 (mit Verfasserangabe). ** HE [21958]: Randmarkierung: Kreis, auf der Höhe von 〈Quell jeder gewachsenen Sprache〉. S. 81 * Johann Peter Hebel, Brief an Friedrich David Gräter vom 8. Februar 1802, in: Johann Peter Hebels Briefe, Gesamtausgabe, hrsg. und erläutert von Wilhelm Zentner, Karlsruhe, Verlag C. F. Müller, 1939, S. 114. Im Zusammenhang lautet die Stelle: »[…] Ein Bändchen solcher Gedichte von mancherley Metrum, Inhalt u. Ton gedenke ich bald, vielleicht unter dem Titel eines Alemannischen Musenalmanachs herauszugeben. Ich habe in denselben mit den Schwierigkeiten gekämpft, in dieser rohen u. scheinbar regellosen Mundart, wenn die Ausdrücke erlaubt sind, rein und klassisch und doch nicht gemein zu seyn, genau im Charakter und Gesichtskreis des Völkleins zu bleiben, aber eine edle
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Dichtung, so weit sie sonst in meiner Gewalt ist, in denselben hinüberzuziehen und mit ihm zu befreunden.« ** Johann Peter Hebels Briefe, a. a. O., 21957, Bd. 1, S. 121. *** Heidegger verweist hier auf Hebels Briefe Nr. 282 und Nr. 289 der zweiten Auflage, a. a. O. Hebel hat diese Briefe mit »Hausfreund« unterschrieben, vgl. auch Johann Peter Hebels Briefe, hrsg. von Wilhelm Zentner, a. a. O., S. 696 (Brief Nr. 548) und S. 698 (Brief Nr. 551). S. 82 * Der Badische Landkalender wurde vom Karlsruher Gymnasium herausgegeben. Hebel gehörte seit 1802 dem Herausgebergremium an und gab 1806 die Anregung, den Kalender in einer »vorteilhafteren« Ausstattung erscheinen zu lassen. Zwischen 1804 und 1819 schrieb er rund 300 Beiträge für den Badischen Landkalender (späterer Titel Rheinischer Hausfreund). Auf Anregung des Verlegers Cotta stellte Hebel selbst eine Auswahl aus den bis dahin veröffentlichten Beiträgen zusammen, die 1811 unter dem Titel Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes in Tübingen bei Cotta erschien. Ab 1808 war Hebel der Herausgeber des Rheinischen Hausfreunds. ** In der Erstausgabe von Hebel – Der Hausfreund wurde zu dieser Stelle folgende Anmerkung Heideggers auf der letzten Seite abgedruckt: »Die Stelle über die ›schöne Idee, die (Hebel) zur Bearbeitung des Kalenders des rheinischen Hausfreundes begeisterte‹, findet sich in einem Schreiben Hebels vom 17. November 1811 an das ›Großherzogliche, Hochpreisliche Ministerium‹ in Karlsruhe; vgl. Heinrich Funck, Über den Rheinländischen Hausfreund und Johann Peter Hebel. 1886, S. 77.«
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S. 83 * EA: 〈Schließlich scheut sich Hebel nicht, zu gestehen〉. S. 84 * Die folgenden vier Briefstellen werden nach der Nummerierung in Johann Peter Hebels Briefe, Gesamtausgabe, hrsg. von Wilhelm Zentner, a. a. O., 1939, unter Beibehaltung der dortigen Orthographie und Zeichensetzung, zitiert. Brief Nr. 266 [21957: Nr. 278] An Cotta. Cruh [Karlsruhe] d. 18.t. Dec. [180]9. […] Mit Vergnügen stimme ich in Ihren Vorschlag zur Anlegung eines Schatzkästleins für die interessantern Artikels [sic] des Hausfreundes. Ich dachte ebenfalls schon an eine Samlung u. ausgebreitetere Bekanntmachung derselben, u. es konnte sich mir keine willkomenere Hand dazu entgegen bieten. Der Jahrgang 10 ist der dritte. Ich werde Ihnen die zwey vorhergehenden zusenden, die ich selber nicht mehr habe, sobald ich sie habhaft werde. Der laufende war schon im Anfang November 1808 vergriffen. Ich werde einige Jahrgänge des frühern Badischen Landcalenders beilegen, und die Aufsätze die von mir darinn sind, vorstreichen, wiewohl dort die Manier, die im Hausfreund Ihren schätzbaren Beyfall erhielt erst im Werden ist. Eine Revision u. Umarbeitung oder Unterdrückung einzelner Stellen von lokaler Beziehung wird nöthig seyn. Indem ich den von sächsischen Vielschreibern ge-
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machten u. konventionell, aber unrichtig dafür gehaltenen Ton der Popularität und Natur verschmähte, u. den der wirklich existirt, zu erfassen, zu veredeln u. durch Laune zu würzen suchte, ist mir zwar über meine Hoffnung die große Aufgabe gelungen, diese Lektion dem ungebildeten Leser interessant und dem gebildetsten nicht uninteressant zu machen. Doch wird es zu obigem Zweck der Revision nöthig seyn, daß Sie mich gefällig wissen lassen, welche Classe des Publikums Sie vorzüglich ins Auge fassen. Auch zur Auswahl der Stücke selbst. Ich bitte Sie, mir die Exemplare zurück zu schicken, u. die welche Sie nach Ihrem Plan zur Aufnahme geeignet finden, darinn zu bezeichnen. Ihre Wahl und Ihr Urtheil ist mir in ieder Hinsicht wichtig. Wäre es Ihnen nicht gefällig, die im Cal. abgebildeten oder andere Gegenstände etwa in Steindruck oder Holzschnittmanir, oder in sogenannten Leisten wie im K[aiser] Octavianus od. in den 7 weisen Meistern wieder zu geben. Wenig mit Unternehmungen dieser Art, u. mit den Berechnungen, die warscheinlich darauf zu machen sind, bekannt, und gerne dem Mann von Biederkeit vertrauend, bitte ich Sie mich die Überschläge u. Bedingungen wissen zu lassen, unter denen Sie die Ausgabe gerne übernehmen wollen. Ich weiß, mit wem ich zu thun habe. Wären Sie geneigt, etwa zwischen Jahresfrist, vielleicht etwas später meine Beyträge zu den Akten der Lörracher theologischen Gesellschaft in Verlag zu nehmen. Eine Probe davon finden Sie im Decemberstück des Jason. »Sendschreiben an den Sekretär der th. Ges. in L. von J. P. Parm«. zwar das launigste unter allen,
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die übrigen Stücke sind etwas ernsthafter u. mehr eingreifend ins Brodstudium, übrigens eben so leichte Waare. Mit besonderer Hochachtung Euer Wohlgeboren ergebenster Dr. Hebel Brief Nr. 267 [21957: Nr. 279] An Haufe Trauriger Polymeter. […] Cotta in Tübingen wird nächstens ein neues Büchlein von mir drucken, nemlich ein altes, aber keine allemanischen Lieder. Er will mir dafür eine Reise nach Paris frei halten. Aber ich geh’ nicht. […] Brief Nr. 306 [21957: Nr. 323] An Jäck [Juni oder Juli 1811.] Bei Übersendung des Schatzkästleins. […] Der Adiunkt ist der württembergische Gesandtschaftssekretär Kölle dahier, der mir bisweilen Anekdoten für den Hausfreund zuträgt. Die Schwiegermutter ist eine schöne und geistreiche Frau, um deren wunderschönes Töchterlein der Adiunkt einmal gefreit hat, jedoch nur scherzweise, denn er sah sie nur im Portrait und als Kind. Hausfreund, sagte eines Tags die Schwiegermutter,
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seid Ihr im Stand und bringt mich auch in Euern Calender? Der Hausfreund erwiederte: Holdselige Frau, gestattet mir Euch so oft zu küssen, als ich Euch hineinbringen will, oder erlaubt mir lieber es ungezählt so oft zu thun, als ich es wünsche und Eure Schönheit verdient, so will ich Euch vor aller Welt Augen das ganze Schatzkästlein dediciren, so Ihr doch als eitles Weltkind weit und breit bekannt seid, ich aber für einen gar frommen und untadelhaften Schulherrn gehalten werde. Da sagte sie, Hausfreund, wenn Ihr wollet, so mögt Ihr mir das Büchlein wohl dediciren. Dies ist die Schwiegermutter […] Brief Nr. 459 [21957: Nr. 494] An Cotta. 14. Februar 1823. […] Wegen des Schazkästleins plagt mich die alte Grille, ob der Prälat sich noch zu den Schwänken und Spässen des einst mitunter muthwilligen Professors schick[lich] bekennen dürfe. Das Urtheil einer Ihrer würdigen Prälaten, der den Calender des rheinländischen Hausfreundes kennt, würde mir viel Gewicht in die eine oder andre Wagschale legen. Mit Hochachtung u. Ergebenheit der Ihrige Hebel. sten ab d. 22 CR. [Karlsruhe] d. 14. Feb[ruar 18]23 S. 85 * Emil Strauß (1941), Wilhelm Altwegg (1950), Wilhelm Zentner (1955) und Martin Heidegger (1960) sind alle
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vier Träger des Johann-Peter-Hebel-Preises. Emil Strauß hat Hebels Poetische Werke herausgegeben, Leipzig, Tempel-Verlag, o. J. [1911]. Wilhelm Altwegg ist der Herausgeber von Hebels Werken in drei Bänden (Zürich/Berlin, Atlantis, 1943). Er war von 1935 bis 1960 Präsident der Basler Hebelstiftung. Wilhelm Zentner hat die Gesamtausgabe der Briefe Hebels (Karlsruhe, Verlag C. F. Müller, 1939, 21957) besorgt. S. 86 * Heidegger zitiert (auch im Folgenden) nach folgender Ausgabe: Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, Bd. I bis III, Zürich / Freiburg i. Br., Atlantis-Verlag, 1940. Die Briefstellen zitiert er nach der Erstausgabe der von Wilhelm Zentner besorgten Gesamtausgabe der Briefe (1939): Johann Peter Hebels Briefe, Gesamtausgabe, hrsg. und erläutert von Wilhelm Zentner, Karlsruhe, Verlag C. F. Müller, 1939. S. 87 * EA: 〈Allein sie verkennt durchaus, was Johann Peter Hebel der Hausfreund〉. ** Johann Peter Hebel, »Der Mond«, in: Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, a. a. O., Bd. 1, S. 326–331. S. 89 * Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, a. a. O., Bd. II, S. 99. ** Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, a. a. O., Bd. II, S. 164 und S. 172 f. *** Vollständig lautet das Zitat: »Ein großer Theil unsers Lebens ist ein angenehmer oder unangenehmer Irr-
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gang durch Worte und unsre meisten Kriege, den Wachtelkrieg und seinesgleichen ausgenommen, sind WortKriege.« Johann Peter Hebels Briefe, Gesamtausgabe, hrsg. von Wilhelm Zentner, a. a. O., S. 372. S. 90 * Vgl. in vorliegender Ausgabe die erste Notiz von »Heideggers Notizen« S. 100 sowie S. 404 Anm. * zu S. 100. S. 93 * Die zitierten Stellen beziehen sich auf »Das Habermus«, in: Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, a. a. O., Bd. I, S. 104– 107, hier S. 105; »Der Sommerabend«, in: Ebd., S. 78 – 80, hier S. 78. ** Goethes Rezension der zweiten Auflage (Karlsruhe, Macklot 1804) erschien am 13. Februar 1805 in der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung, Nr. 37, S. 289–294. Persönlich lernte Goethe Hebel erst am 3. und 4. Oktober 1815 kennen. Im Original lautet die von Heidegger zitierte Stelle: »Wenn antike oder andere durch plastischen Kunstgeschmack gebildete Dichter das sogenannte Leblose durch idealische Figuren beleben und höhere, göttergleiche Naturen, als Nymphen, Dryaden und Hamadryaden, an die Stelle der Felsen, Quellen, Bäume setzen, so verwandelt der Verfasser diese Naturgegenstände zu Landleuten und verbauert auf die naivste, anmutigste Weise durchaus das Universum; so dass die Landschaft, in der man denn doch den Landmann immer erblickt, mit ihm in unserer erhöhten und erheiterten Phantasie nur eins auszumachen scheint.«
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S. 94 * Friedrich Hölderlin, »In lieblicher Bläue«, in: Ders., Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe, begonnen durch Norbert von Hellingrath, fortgeführt von Friedrich Seebass und Ludwig von Pigenot, Sechster Band: Dichtungen – Jugendarbeiten – Dokumente 1806–1843, besorgt durch Ludwig von Pigenot und Friedrich Seebass, Berlin, Propyläen-Verlag, 21923, S. 24–27, hier S. 25. Im Kontext lautet der zitierte Text: […] Ist unbekannt Gott? Ist er offenbar wie die Himmel? Dieses Glaub’ ich eher. Des Menschen Maaß ist’s. Voll Verdienst, doch dichterisch wohnet Der Mensch auf dieser Erde. Doch reiner Ist nicht der Schatten der Nacht mit den Sternen, Wenn ich so sagen könnte, als Der Mensch, der heißet ein Bild der Gottheit. Vgl. zum »dichterischen Wohnen« auch Heideggers Aufsatz »… dichterisch wohnet der Mensch …« in: Martin Heidegger, Vorträge und Aufsätze, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954, S. 187 – 204. Die 9. Auflage erschien 2000 im Verlag Klett-Cotta, Stuttgart, dort S. 181–198. In der HGA: Martin Heidegger, »… dichterisch wohnet der Mensch …«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 7), 2000, S. 189– 208.
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S. 98 * Goethes Werke, herausgegeben im Auftrag der Großherzogin Sophie von Sachsen, 2. Abteilung, Band 11: Zur Naturwissenschaft, allgemeine Naturlehre: 1. Theil, Weimar, Böhlau, 1893, S. 167. ** Johann Peter Hebels Werke, hrsg. von Wilhelm Altwegg, a. a. O., Bd. III, S. 314.
Editorische Anmerkungen zu »Heideggers Notizen« S. 100 * Vgl. Hebels Brief an Justinus Kerner vom 24. Oktober 1817: »Den Hausfreund, unter welchem Namen man freilich herzliches mit dem Leser spricht und ihm ungenirt Bären anbindet, habe ich einstweilen in Calendermann umgetauft. Ich wünschte wohl den Titel Ihres Kalenders zu wissen und daß es ein ähnlicher wäre wie der des Hausfreundes.« Johann Peter Hebels Briefe, Gesamtausgabe, hrsg. und erläutert von Wilhelm Zentner, a. a. O., Brief Nr. 396, S. 569. Vgl. auch Hebels Brief an Cotta vom 9. Juni 1810: »Hausfreund einer großen Nation klingt ohnehin ein wenig zu eng u. zu weit neben einander. Es müßte eher deutscher Volksfreund oder Bären Anbinder heißen.« Ebd., Brief Nr. 276, S. 435. ** Vgl. nachfolgende Anmerkung. *** Das Zitat stammt aus 2 Samuel 7,18. Hebel zitiert den Bibelspruch in seinem Brief an Friedrich Wilhelm Hitzig vom 13. April 1811, vgl. Johann Peter Hebels Briefe, Gesamtausgabe, hrsg. und erläutert von Wilhelm Zentner, a. a. O., S. 160.
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Editorische Anmerkungen zu »Aus der Erfahrung des Denkens« S. 109 * In der Heidegger-Gesamtausgabe finden sich Textvarianten zur Neske-Ausgabe, die im Folgenden jeweils aufgeführt werden. Martin Heidegger, Aus der Erfahrung des Denkens, hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 13), 1983, 22002, S. 76: »Für die Götter kommen wir zu spät«. Im Folgenden zitiert als HGA 13, a. a. O. ** HGA 13, a. a. O., S. 76: »Auf einen Stern zugehen …«. Vgl. außerdem Martin Heidegger, Anmerkungen I–V (Schwarze Hefte 1942 – 1948), hrsg. von Peter Trawny, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 97), 2015, S. 30: »Nur auf einen Stern zugehen, und sonst nichts.« S. 111 * HGA 13, a. a. O., S. 77: »Wenige sind erfahren genug im Unterschied zwischen einem Gegenstand der Wissenschaften und einer Sache des Denkens.« S. 119 * Eine in der Heidegger-Gesamtausgabe (HGA 13, a. a. O., S. 254) zitierte Notiz Heideggers zu dem Satz »Wer groß denkt, muß groß irren«, konnte im hier verwendeten Handexemplar nicht aufgefunden werden. Die Notiz lautet: »nicht persönlich gemeint, sondern bezogen auf die im Wesen der Wahrheit waltende Irre, in die jedes Denken, das dem Geheiß so oder so folgt, geworfen ist (vgl. Vom Wesen der Wahrheit 1930 und Was heißt Den-
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ken?). Statt ›Irre‹ deutlicher: die Irrnis; hier der Bezug zur Eignis angedeutet. Im Seins-Geschick ist die Irrnis verborgen und bereit. Die Irrnis der großen Denker (positiv gedacht) ist noch nicht bemerkt.« Vgl. außerdem folgende Anmerkung: »Wer groß denkt, muß groß irren. Der Irrende muß auch ertragen, daß ihm das Falsche und Verfehlte und Zwei- und Mehrdeutige, worin er steht, indem er es befördert, als das Eigentliche seines ›Wollens‹ vorgerechnet und damit das Ganze seines Denkens dann verworfen wird. Der eigentliche Grund dieser Gefahren und Mißverhältnisse besteht und beruht aber in der wesenhaften Einsamkeit des Denkens. Sie ist und zumal auf dem Weg des seynsgeschichtlichen Denkens eine unbedingte. Sie bleibt darum auch mit moralischen Beurteilungen unversöhnbar.« Martin Heidegger, Anmerkungen I–V (HGA 97), a. a. O., S. 179. Zu »Vom Wesen der Wahrheit« siehe Anm. * zu S. 160. Zu »Was heißt Denken?« siehe Anm. **** zu S. 71. S. 123 * HGA 13, a. a. O., S. 83: »Solches Unvermögen brächte das Denken vor seine Sache.« S. 126 * HGA 13, a. a. O., S. 85: »seine Stämme umgoldet …«. S. 127 * Das Hölderlin-Zitat stammt aus dem Anhang zu »Empedokles auf dem Aetna«. Vgl. Friedrich Hölderlin, SämtlicheWerke, Bd. III: Gedichte / Empedokles / Phi-
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losophische Fragmente /Briefe, 1798–1800, unter Mitarbeit von Friedrich Seebass besorgt durch Norbert von Hellingrath, München / Leipzig, Müller, 21923, S. 551. Editorische Anmerkungen zu »Editorische Notiz« von »Aus der Erfahrung des Denkens« S. 130 * In Winke (1941 als Privatdruck erschienen) erläutert Heidegger seine Konzeption: »Die ›Winke‹ sind keine Dichtungen. Sie sind auch nicht eine in Verse und Reime gebrachte ›Philosophie‹. Die ›Winke‹ sind Worte eines Denkens, das zu einem Teil dieses Aussagen braucht, aber in ihm sich nicht erfüllt. Dieses Denken hat im Seienden keinen Anhalt, denn es denkt das Seyn. Dieses Denken findet im Gedachten kein Vorbild, denn das Gedachte denkt das Seiende. Das Sagen des Denkens ist im Unterschied zum Wort der Dichtung bildlos. Und wo ein Bild zu sein scheint, ist es weder das Gedichtete einer Dichtung noch das Anschauliche eines ›Sinnes‹, sondern nur der Notanker der gewagten, aber nicht geglückten Bildlosigkeit. Das Denken des Seyns hat das Ende der ›Philosophie‹ verwunden. Die Gegnerschaft zu den ›Philosophen‹ wirft es aber nicht aus der Freundschaft für die Denker. Das Denken des Seyns bestürmt nie die Wahrheit. Doch hilft es ihrem Wesen. Dies Helfen bewirkt keine Erfolge, sondern ist Hilfe als einfaches Da-sein. Das Denken, gehorsam dem Seyn, sucht diesem das Wort. Wenn aber die Sprache des Menschen im Wort ist,
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dann allein ist sie im Lot. Steht sie im Lot, dann winkt ihr die Gewähr der verborgenen Quellen. Sie sind die Nachbarschaften des Anfangs. Das Denken des Seyns ist die Sorge für den Sprach-gebrauch.« Martin Heidegger, »Winke«, in: Ders., Aus der Erfahrung des Denkens (HGA 13), a. a. O., S. 23 – 33, hier S. 33. ** Martin Heidegger, »Schöpferische Landschaft: Warum bleiben wir in der Provinz?«, in: Ders., Aus der Erfahrung des Denkens (HGA 13), a. a. O., S. 9 – 13, hier S. 10. S. 131 * Gemeint ist hier offenbar der Zeitraum von Heideggers Bezug seiner Hütte bei Todtnauberg (9. August 1922) bis zum Erstdruck von Aus der Erfahrung des Denkens 1947. Das im Deutschen Literaturarchiv Marbach aufbewahrte Widmungsexemplar an Hannah Arendt enthält folgende handschriftliche Widmung: »Ein Vierteljahrhundert / Stille und Sturm der Hütte / Hannah / zum Andenken / Martin / den 4. März 1950«. Vgl. auch Hannah Arendt / Martin Heidegger, Briefe 1925 bis 1975 und andere Zeugnisse, aus den Nachlässen herausgegeben von Ursula Ludz, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1998, 32002, S. 18 und S. 411.
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Editorische Anmerkungen zu »Die Technik und die Kehre« Editorische Anmerkungen zu »Vorbemerkung« S. 135 * Die vier Vorträge, »Das Ding«, »Das Ge-Stell«, »Die Gefahr« und »Die Kehre«, sind in der HeideggerGesamtausgabe (HGA) erschienen: Bremer und Freiburger Vorträge, hrsg. von Petra Jaeger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 79), 1994, S. 5–77. ** Martin Heidegger, »Das Ding«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954, S. 163–181. Die 9. Auflage erschien 2000 im Verlag Klett-Cotta, Stuttgart, dort S. 157 – 179. In der HGA: Martin Heidegger, »Das Ding«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 7), 2000, S. 165–187. Ein Entwurf vom Mai 1950 ist in der HGA Bd. 80.2. veröffentlicht: Martin Heidegger, »Über das Ding (Mai 1950)«, in: Ders., Vorträge. Teil 2: 1935 bis 1967, hrsg. von Günther Neumann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 80.2), 2020, S. 947– 978. *** HE [1962 Die Technik und die Kehre, S. 8]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈1955〉. **** Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, 1954, a. a. O., S. 9 – 40. In der HGA: Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, (HGA 7), a. a. O., S. 5–36. Zuvor in: Bayerische Akademie der Schönen Künste (Hrsg.), Gestalt und Gedanke. Ein Jahrbuch, Bd. 3: Die Künste im technischen Zeitalter, München, Oldenbourg, 1954, S. 70 – 108. E DITORISCH E AN ME R K U N G E N
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***** Martin Heidegger, »3. Seminar Le Thor — Beitrag zum Seminar in Le Thor vom 2. bis 11. September 1969«. Erstveröffentlichung der Protokolle (in überarbeiteter Fassung und in französischer Sprache) in: Martin Heidegger, Questions IV, Paris, Gallimard, 1976. Auf Deutsch mit einigen in den Text eingefügten Nachweisen und mit Anmerkungen und einem Nachwort des Übersetzers Curd Ochwadt aufgenommen in: Martin Heidegger, »3. Seminar Le Thor – Beitrag zum Seminar in Le Thor vom 2. bis 11. September 1969«, in: Ders., Vier Seminare, hrsg. von Curd Ochwadt, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1977, 21981, S. 64 – 109. Heidegger bezieht sich hier wohl auf die Sitzung vom 6. September 1969, in: Ebd., S. 339– 349. In der HGA: Martin Heidegger, »Seminar in Le Thor 1969«, in: Ders., Seminare, hrsg. von Curd Ochwadt, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 15), 1986, 2., durchgesehene Auflage 2005, S. 326 – 371. Editorische Anmerkungen zu »Die Frage nach der Technik« S. 143 * HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 77]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈kennzeichen〉 ** Heidegger zitiert und übersetzt Platon nach der folgenden Ausgabe: Platonis Opera, Vol. 2, recognovit brevique adnotatione critica instruxit Ioannes Burnet. Oxonii e typographeo Clarendoniano, 1901. S. 144 * HE [1962 Die Technik und die Kehre, Beilageblatt]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈und der Künste〉.
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S. 146 * Heidegger zitiert Aristoteles nach der folgenden Ausgabe: Ethica Nicomachea, recognovit Franciscus Susemihl, Lipsiae in aedibus B. G. Teubneri, 1882. ** HE [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 21]: Randmarkierung: Kreuz, auf der Höhe von 〈Das Entscheidende der teÂxnh liegt somit keineswegs im Machen und Hantieren〉. S. 147 * HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 81] Randmarkierung: Pluszeichen. S. 149 * Friedrich Hölderlin, »Der Rhein«, in: Ders., Sämtliche Werke, Bd. IV: Gedichte 1800 – 1806, unter Mitarbeit von Friedrich Seebass besorgt durch Norbert von Hellingrath, München / Leipzig, Müller, 21923, S. 172–180. S. 150 * Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Jenenser Realphilosophie I. Die Vorlesungen von 1803/04. Aus dem Manuskript hrsg. von Johannes Hoffmeister, Leipzig, Felix Meiner Verlag, 1932, S. 232: »In der Maschine hebt der Mensch selbst diese seine formale Tätigkeit auf und läßt sie ganz für ihn arbeiten. Aber jener Betrug, den er gegen die Natur ausübt und mit dem er innerhalb ihrer Einzelheit stehen bleibt, rächt sich gegen ihn selbst; was er ihr abgewinnt, je mehr er sie unterjocht, desto niedriger wird er selbst. Indem er die Natur durch mancherlei Maschinen bearbeiten läßt, so hebt er die Notwendigkeit seines Arbeitens nicht auf,
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sondern schiebt es nur hinaus, entfernt es von der Natur und richtet sich nicht lebendig auf sie als eine lebendige; sondern es entflieht diese negative Lebendigkeit, und das Arbeiten, das ihm übrig bleibt, wird selbst maschinenmäßiger; er vermindert sie nur fürs Ganze, aber nicht für den Einzelnen, sondern vergrößert sie vielmehr, denn je maschinenmäßiger die Arbeit wird, desto weniger Wert hat sie, und desto mehr muß er auf diese Weise arbeiten.« S. 151 * HE [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 25]; HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 86]; HE [1962 Die Technik und die Kehre, Beilageblatt]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈hat nicht Platon gemacht〉. ** Der Aufsatz »Zur Seinsfrage« erschien zuerst unter dem Titel »Über ›die Linie‹«, in: Armin Mohler (Hrsg.), Freundschaftliche Begegnungen. Festschrift für Ernst Jünger zum 60. Geburtstag, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1955, S. 9 – 45. Als selbständige Schrift erschien der Aufsatz um ein Vorwort ergänzt: Martin Heidegger, Zur Seinsfrage, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1956. Die 4., durchgesehene Auflage erschien 1977. Die Schrift wurde unter dem Titel »Zur Seinsfrage« aufgenommen in: Martin Heidegger, Wegmarken, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1967, S. 213 – 254; 2., durchgesehene und um zwei Texte erweiterte Auflage 1978, 52013. In der HGA: Martin Heidegger, »Zur Seinsfrage«, in: Ders., Wegmarken, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 9), 1976, 3 2004, S. 385 – 426. Heideggers Aufsatz ist eine Antwort auf Ernst Jüngers Beitrag »Über die Linie« zur Fest-
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schrift Anteile. Martin Heidegger zum 60. Geburtstag, hrsg. von Hans-Georg Gadamer, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1950, S. 245 – 284. Siehe zu Martin Heidegger und Ernst Jünger auch: Ernst Jünger / Martin Heidegger, Briefe 1949 – 1975, unter Mitarbeit von Simone Maier, hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Günter Figal, Stuttgart, Klett-Cotta / Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 2008. S. 153 * HE [1954 Vorträge und Aufsätze] In diesem Handexemplar findet sich ein Beilageblatt [2], das sich auf diese Stelle bezieht, vgl. Martin Heidegger, Bauen Wohnen Denken. Vorträge und Aufsätze, Stuttgart, KlettCotta, 2021, S. 331. ** HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 88]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Absatz sowie die letzte Zeile des vorangehenden Absatzes. *** HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 88]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈mit der so Worte der gewachsenen Sprache mißhandelt werden〉. HE [1962 Die Technik und die Kehre, Beilageblatt]: Korrekturanweisung M.H.: 〈mit der〉 hier 〈Worte der gewachsenen Sprache mißhandelt werden〉. **** HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 89]: 〈ÆideÂa〉 ***** HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 89]: 〈ÆideÂa〉 ****** Martin Heidegger, Identität und Differenz, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954, 122002. In der HGA: Martin Heidegger, Identität und Differenz, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 11), 2006, S. 27 – 110.
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S. 155 * HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 89]: Randmarkierung: Längsstrich, auf der Höhe von 〈nämlich an jenes Her- und Dar-stellen, das im Sinne der poiÂhsiw das Anwesende in die Unverborgenheit hervorkommen läßt.〉 ** HE [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 28]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Abschnitt und die Annotation »vgl. S. 49«. *** HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 91]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Satz. **** Martin Heidegger, »Der Ursprung des Kunstwerkes. Nachwort«, in: Ders., Holzwege, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1950, S. 66 – 68. Später veröffentlicht in: Ders., Holzwege, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 5), 1977, 22003, 92015. Die von Heidegger erwähnte Passage findet sich nicht im Nachwort, sondern im Zusatz, den er 1960 in einer Sonderausgabe aufgenommen hat: Martin Heidegger, »Zusatz«, in: Ders., Der Ursprung des Kunstwerkes, mit einer Einführung von Hans-Georg Gadamer, Stuttgart, Reclam, 1960, 31970, Nachdruck 2010, S. 95 – 101. In der HGA: Martin Heidegger, »Zusatz«, in: Ders., Holzwege (HGA 5), a. a. O., S. 70 – 74. ***** HE [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 29]: Randmarkierung: geschlängelte Längslinie, bezogen auf den zitierten Satzteil. S. 157 * HE [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 30]: Randmarkierung: Längsstrich mit schließender spitzer Klammer >, bezogen auf 〈nicht der widersinnige Wille, Vergan-
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genes zu erneuern, sondern die nüchterne Bereitschaft, vor dem Kommenden der Frühe zu erstaunen〉; HE [1962 Die Technik und die Kehre, S. 22]: Randmarkierung: durchkreuzter Kreis G, auf der Höhe von 〈vor dem Kommenden der Frühe zu erstaunen〉; außerdem drei Längsstriche, bezogen auf den ganzen Satz. ** HE [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 30]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf 〈Er ist vom Walten〉 bis 〈verzichten〉. S. 158 * Werner Heisenberg, »Das Naturbild in der heutigen Physik«, in: Bayerische Akademie der Schönen Künste (Hrsg.), Gestalt und Gedanke. Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Band 3: Die Künste im technischen Zeitalter, München, Oldenbourg, 1954, S. 43–69. Werner Karl Heisenberg (1901 – 1976) wurde 1932 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Martin Heidegger lernte ihn schon Anfang der 1930er Jahre persönlich kennen und war seitdem mit ihm freundschaftlich verbunden. ** HE [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 31]: Randmarkierung: Kreis. S. 159 * HE [1954 Vorträge und Aufsätze, S. 31]: Randmarkierung: geschlängelte Längslinie, bezogen auf diesen und den vorhergehenden Satz. ** HE [1962 Die Technik und die Kehre, S. 24]: Der Querverweis »S. 31 f.« bezieht sich auf folgende Stelle (dort auch Rückverweis auf »ob[en] 24« des HE [1962 Die Technik und die Kehre, S. 24]: 〈So sieht es aus, solange wir nicht darauf achten, daß auch das Herausfordern
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in das Bestellen des Wirklichen als Bestand immer noch ein Schicken bleibt, das den Menschen auf einen Weg des Entbergens bringt〉. *** Martin Heidegger, »Zeit und Sein«, in: Ders., Zur Sache des Denkens, Tübingen, Max Niemeyer, 1969, 2 1976, S. 1 – 60. In der HGA: Martin Heidegger, Zur Sache des Denkens (1962–1964), hrsg. von FriedrichWilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 14), 2007, S. 3 – 66. S. 160 * Martin Heidegger, Vom Wesen der Wahrheit, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1943, S. 16 f.; 8., ergänzte Auflage 1997. Aufgenommen in: Martin Heidegger, Wegmarken, a. a. O., 1967, S. 73 – 98. Die 2., durchgesehene und um zwei Texte erweiterte Auflage dieser Ausgabe erschien 1978, 52013. In der HGA: Martin Heidegger, »Vom Wesen der Wahrheit«, in: Ders., Wegmarken (HGA 9), a. a. O., S. 177– 202. Heidegger hat den Vortrag »Vom Wesen der Wahrheit« in vier verschiedenen Versionen gehalten; (1) am 14. Juli 1930 in Karlsruhe, (2) am 8. Oktober 1930 in Bremen (die erste Ausarbeitung), (3) am 5. Dezember 1930 in Marburg und am 11. Dezember 1930 in Freiburg. An Pfingsten 1940 überarbeitete er den Text (4). Die vier Fassungen dieses Vortrags sind jetzt zugänglich in: Martin Heidegger, Vorträge 1915 – 1932, hrsg. von Günther Neumann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 80.1), 2016, S. 327 – 428. ** HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf 〈Geschick in dem genannten Sinne ist auch das Her-vor-bringen, die poiÂhsiw.〉 und den nachfolgenden Satz.
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ANHANG
S. 162 * Martin Heidegger, »Einblick in das was ist. Bremer Vorträge 1949«, in: Ders., Bremer und Freiburger Vorträge, hrsg. von Petra Jaeger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 79), 1994, 22005, S. 1 – 77, hier S. 67. S. 163 * Siehe Anmerkung * zu S. 158. ** HE [1962 Die Technik und die Kehre, Beilageblatt]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne den Zusatz 〈im Ge-stell von diesem〉. *** Die in HE [1962 Die Technik und die Kehre] gedruckte Korrektur wurde hier übernommen. In den anderen Handexemplaren ohne Komma. **** HE [1954 Vorträge und Aufsätze]: Randmarkierung: Längsstrich mit öffnender spitzer Klammer auf der Höhe der letzten Zeile des Absatzes. ** HE [1]: Ein Beilageblatt bezieht sich auf diese Stelle; vgl. in vorliegender Ausgabe »Beilageblatt zu Heideggers ›Vorwort‹«, S. 358. Editorische Anmerkungen zu »Der Satz der Identität« S. 291 * Heidegger bezieht sich auf den handschriftlichen Anhang auf den Nachsatzpapieren seines ersten Handexemplars [1], in vorliegender Ausgabe S. 355. ** Martin Heidegger, »Grundsätze des Denkens«, in: Ders., Bremer und Freiburger Vorträge, hrsg. von Petra Jaeger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 2005 (HGA 79), S. 79 – 176. *** HE [1]: Randmarkierung: Kreuz, das auf S. 31 der EA zu Beginn des unteren Absatzes wieder aufgenommen wird. **** HE [1]: Randmarkierung: Kreuz hinter der Seitenziffer »32«, das auf S. 32 mit Rückverweis auf »ob[en] 13« wieder aufgenommen wird, dort auf der Höhe von 〈Unterwegs vom Satz als einer Aussage über die Identität〉.
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ANHANG
S. 292 * Platon, Sophistes, 189e. Heidegger zitiert Platon nach der folgenden Ausgabe: Platonis Opera, Vol. 2. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit Ioannes Burnet. Oxonii, e typographeo Clarendoniano, 1901. ** HE [1]: Korrekturanweisung M.H. EA: wie im Haupttext. *** HE [2]: Korrekturanweisung M.H. EA: wie im Haupttext. S. 293 * HE [1]: Im Original: öffnende eckige Klammer [. ** HE [1]: Im Original: öffnende und schließende eckige Klammer [ ]. S. 294 * HE [1] HE [2]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne Absatz. ** HE [1]: Randmarkierung: Pfeil in Richtung auf 〈Identität〉. *** HE [1]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne Gedankenstriche. **** HE [1]: Im Original: öffnende und schließende spitze Klammer < >. S. 295 * Heidegger übersetzt Parmenides nach dem Handexemplar aus seiner Bibliothek: Hermann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. I–III, hrsg. von Walther Kranz, Bd. I, Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 51934, S. 152 (Fragment III). Die Übersetzung von Kranz und Diels lautet: »Denn dasselbe ist Denken und Sein«.
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** HE [1]: Randmarkierung: geschwungenes Verweisungszeichen L, auf der Höhe von 〈Das Sein gehört in eine Identität〉, das auf S. 20 des Handexemplars wieder aufgenommen wird, auf Höhe von 〈Indes läßt sich das Zusammengehören auch als Zusammengehören denken.〉 S. 296 * HE [1] HE [2]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈einer〉. S. 297 * HE [1]: Randmarkierung: geschwungenes Verweisungszeichen L, auf der Höhe von 〈Indes läßt sich das Zusammengehören auch als Zusammengehören denken〉. Vgl. Anm. ** zu S. 295. ** HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich mit Kreis, auf der Höhe von 〈Einheit des Zusammen vorzustellen, sondern dieses Zusammen aus dem Gehören her zu erfahren〉. *** Martin Heidegger, Vom Wesen des Grundes, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 41955, S. 10 f. Erstveröffentlichung: Martin Heidegger, »Vom Wesen des Grundes«, in: Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, Ergänzungsband: Festschrift für Edmund Husserl zum 70. Geburtstag, Halle an der Saale, Max Niemeyer, 1929, S. 71 – 110. Die dritte, unveränderte, durch ein Vorwort erweiterte Ausgabe erschien 1949 in Frankfurt a. M. im Verlag Vittorio Klostermann, 71983, 81995. Später aufgenommen in: Martin Heidegger, Wegmarken, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1967, 21978, 52013, S. 21 – 72. In der HGA: Martin Heidegger, »Vom Wesen des Grundes«, in: Ders., Wegmarken, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von
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Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 9), 1976, 32004, S. 123 – 175. S. 298 * HE [1]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne Absatz. ** HE [1] Kreuzmarkierung über der Seitenangabe 25 auf der Höhe von 〈Was heißt Sein? Wer oder was ist der Mensch?〉, die dort wieder aufgenommen wird auf der Höhe von 〈Sein und Mensch〉. S. 300 * HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Satz. ** Martin Heidegger, Sein und Zeit, Tübingen, Max Niemeyer, 71954, S. 25 f. »Seiendes ist in seinem Sein als Anwesenheit gefaßt, d. h. es ist mit Rücksicht auf einen bestimmten Zeitmodus, die Gegenwart, verstanden [ebd., S. 25]«. Erstausgabe: Martin Heidegger, »Sein und Zeit. Erste Hälfte«, in: Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung 8, hrsg. von Edmund Husserl, Halle an der Saale, Max Niemeyer, 1927. Ab der 7. Auflage von 1953 wurde die Kennzeichnung »Erste Hälfte« gestrichen und eine »Vorbemerkung zur siebenten Auflage« eingefügt. 1977 erschien die 14. Auflage mit den Randbemerkungen aus dem »Hüttenexemplar« des Autors im Anhang. Die 15., durchgesehene Auflage erschien 1979. Die letzte, 19. Auflage, erschien 2006. In der HGA: Martin Heidegger, Sein und Zeit, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 2), 1977, 22018. *** HE [1]: Verweisungszeichen ×–× ohne identifizierbaren Bezug.
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**** HE [1]: Umrahmung: »(hier ganz anders zu denken Be-Zug und Ver-Hältnis)«. ***** HE [2]: Randmarkierung: Verweisungszeichen ×–×. Das Verweisungszeichen ×–× wird auf S. 27 von HE [2] auf Höhe von 〈wechselweise stellen〉 mit dem Zusatz »vgl. S. 23« wieder aufgenommen. S. 301 * HE [1]: Auf dieser und den folgenden Seiten hat Martin Heidegger insgesamt elf verschiedene Tinten- und Bleistift- bzw. Buntstiftfarben für Notizen, Unterstreichungen und sonstige Hervorhebungen verwendet, in der Regel zur klareren Zuordnung zwischen Randbemerkungen und gedrucktem Text. Eine Ausnahme sind Markierungen in gelber Farbe, die thematische Zusammenhänge innerhalb des gesamten Textes deutlicher hervortreten lassen. EA S. 24: Folgende Textpassage (Zeile 2 – 5) ist mit einem gelben Längsstrich am Rand markiert: 〈Dadurch, daß wir uns von der Haltung des vorstellenden Denkens absetzen. Dieses Sichabsetzen ist ein Satz im Sinne eines Sprunges. Er springt ab〉. Hier Kursiviertes ist im Handexemplar gelb unterstrichen. Weitere gelbe Unterstreichungen auf EA S. 24: Z. 7: 〈Absprung〉; Z. 11: 〈Absprung〉; Z. 12: 〈Springt〉; Z. 14: 〈springen〉; Z. 19: 〈Sprung〉. Gelb unterstrichene handschriftliche Annotationen sind links von der gelben Längsstrichmarkierung: »32!«; die auf Z. 14 bezogenen Randnotizen: »Schlaf« und »Sprunges«. EA S. 25: Z. 8: gelbe Umrahmung: 〈Konstellation〉. Letzte Zeile: gelbe Unterstreichung: 〈Konstellation〉. EA S. 26: Z. 1: gelbe Unterstreichung: 〈Analyse der Situation〉.
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ANHANG
EA S. 27: Z. 6: gelbe Umrahmung: 〈unter〉; Z. 2 von
unten: gelbe Unterstreichung: 〈spricht an〉. Randmarkierung: gelber Pfeil , auf folgende Randnotiz gerichtet: »und spricht als dieser gerade nicht an«. EA S. 28: Z. 12 und EA S. 29: Z. 10: gelbe Unterstreichung: 〈Konstellation〉. EA S. 30: gelbe Unterstreichungen: Z. 8: 〈schwingende〉; Z. 10 von unten: 〈schwingenden〉; Z. 9 von unten: 〈schwebenden〉; Z. 7 von unten: 〈Schwingung〉; 〈schwebenden〉; handschriftliche Randnotiz: gelbe Unterstreichungen: »schwingen« und »schweben«. EA S. 32: Z. 7: gelbe Unterstreichung: 〈Sprunges〉; Z. 10: gelbe Umrahmung: 〈schwingt〉; gelbe Unterstreichungen: Z. 12: 〈Sprung〉; 6. Z. von unten: 〈Sprung〉; Z. 3 von unten: 〈Konstellation〉. EA S. 33: gelbe Unterstreichungen: Z. 2: 〈Sein〉; Z. 3: 〈Sein〉; Z. 8 von unten: 〈modernen〉; Z. 7 von unten: 〈der Historie〉; Z. 2 von unten: 〈Absprung〉. EA S. 34: Z. 4: gelbe Umrahmung: 〈Mensch und Sein〉; Z. 10: gelbe Unterstreichung: 〈Sprung〉. EA S. 45: Z. 8 von unten: gelbe Unterstreichung: 〈Wahrheit〉. EA S. 46: Z. 6 von unten: gelbe Umrahmung: 〈Sprache der Überlieferung〉. EA S. 62: Randmarkierung: gelber Längsstrich, bezogen auf die letzten zwei Zeilen. EA S. 63: Z. 9: gelbe Umrahmung: 〈bringen wir sie nicht zum Verschwinden〉. Z. 10 von unten: Randmarkierung: gelber Längsstrich und gelbe Unterstreichung: 〈»Sein« gedacht aus der Differenz〉; Z. 4 von unten: gelbe Unterstreichung: 〈Allgemeinheit〉. Nachsatzpapier links: gelbe Halbumrahmung: »Sprung«; gelbe Unterstreichung: »Absprung«.
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Beilageblatt [3] aus Bündel 1: gelber Längsstrich, auf der Höhe von »des Vortrags / vom Satz als Aussage / zum / Satz als Sprung«. In vorliegender Ausgabe S. 362. Siehe hierzu auch Beilageblatt [6] aus Bündel 1, in vorliegender Ausgabe S. 364. Zu Heideggers Verwendung von Farben siehe Friedrich-Wilhelm von Herrmann, »Die Edition der Vorlesungen Heideggers in seiner Gesamtausgabe letzter Hand«, in: Freiburger Universitätsblätter 21 (1982), Heft 78, S. 85 – 102. Siehe auch Ulrich von Bülow, »Das Hand-Werk des Denkens – Zum Nachlass von Martin Heidegger«, in: Harald Seubert und Klaus Neugebauer (Hrsg.), Auslegungen – Von Parmenides zu den Schwarzen Heften (Schriftenreihe der Martin-Heidegger-Gesellschaft, Bd. 11), Freiburg / München, Karl Alber, 2017, S. 304 – 331, hier S. 315 f. ** Der Aufsatz »Zur Seinsfrage« erschien zuerst unter dem Titel »Über ›die Linie‹«, in: Armin Mohler (Hrsg.), Freundschaftliche Begegnungen: Festschrift für Ernst Jünger zum 60. Geburtstag, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1955, S. 9 – 45. Als selbständige Schrift erschien der Aufsatz um ein Vorwort ergänzt: Martin Heidegger, Zur Seinsfrage, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1956. Die 4., durchgesehene Auflage erschien 1977. Die Schrift wurde unter dem Titel »Zur Seinsfrage« aufgenommen in: Martin Heidegger, Wegmarken, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1967, S. 213 – 254; 2., durchgesehene und um zwei Texte erweiterte Auflage 1978, 52013. In der HGA: Martin Heidegger, »Zur Seinsfrage«, in: Ders., Wegmarken, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 9), 1976, 3 2004, S. 385 – 426. Heideggers Aufsatz ist eine Antwort
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auf Ernst Jüngers Beitrag »Über die Linie« zur Festschrift Anteile. Martin Heidegger zum 60. Geburtstag, hrsg. von Hans-Georg Gadamer, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1950, S. 245 – 284. Siehe zu Martin Heidegger und Ernst Jünger auch: Ernst Jünger / Martin Heidegger, Briefe 1949 – 1975, unter Mitarbeit von Simone Maier, hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Günter Figal, Stuttgart, Klett-Cotta / Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 2008. *** HE [1]: Verbindungspfeil ç™ von dieser Randbemerkung nach unten zu der mit Längsstrich markierten Stelle: 〈Wohin? Dahin, wohin wir schon eingelassen sind: in das Gehören zum Sein〉. **** HE [1]: Heidegger bezieht sich hier auf Notizen, die er unter dem Titel »Anhang« auf den Nachsatzpapieren seines Handexemplars [1] von Identität und Differenz eingetragen hat, vgl. in vorliegender Ausgabe S. 355 f. ***** Martin Heidegger, »Hegels Begriff der Erfahrung«, in: Ders., Holzwege, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1950, S. 105 – 192; 92015. In der HGA: Martin Heidegger, »Hegels Begriff der Erfahrung«, in: Ders., Holzwege, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 5), 1977, 22003, S. 115 – 208. ****** HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich mit Fragezeichen, auf der Höhe von 〈Dieses Sichabsetzen ist ein Satz im Sinne eines Sprunges〉. S. 302 * HE [1]: doppelseitiger Pfeil zwischen 〈uns loslassen〉 und 〈nicht genügend dort〉 (EA S. 25). ** HE [1]: Entzifferung unklar. *** HE [1]: andere Lesart: »das Sein west nicht an – sondern ist? An-wesen«. E DITORISCH E AN ME R K U N G E N
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S. 303 * HE [1]: Randmarkierung: Kreuz, auf der Höhe von 〈Erfahrung des Denkens.〉 ** HE [1]: Verweisungszeichen F–F hinter der Seitenangabe 30, der auf S. 30 in Bezug auf folgende Textstelle wieder aufgenommen wird: 〈nur das Nächste jenes Nahen unmittelbar zuspricht, darin wir uns schon aufhalten〉. *** HE [2] Verbindungspfeil zu EA S. 24: 〈wohin wir schon eingelassen sind〉. **** HE [1]: gelbe Umrahmung: 〈Konstellation〉. ***** HE [1]: Hinter der Seitenangabe 21 Kreuzmarkierung, die sich auf folgende Stelle auf S. 21 bezieht: 〈Was heißt Sein? Wer oder was ist der Mensch?〉 Vgl. Anm. ** zu S. 298. ****** Vgl. Martin Heidegger, »Einblick in das was ist: Das Ding. Das Ge-Stell. Die Gefahr. Die Kehre« (Bremer Vorträge am 1. Dezember 1949), in: Ders., Bremer und Freiburger Vorträge, hrsg. von Petra Jaeger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 79), 1994, 2., durchgesehene Auflage 2005, S. 5 – 77. ******* Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik«, in: Bayerische Akademie der Schönen Künste (Hrsg.), Gestalt und Gedanke. Ein Jahrbuch, Band 3: Die Künste im technischen Zeitalter, München, Oldenbourg, 1954, S. 70–108; Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954, S. 13 – 44. Die 9. Auflage erschien 2000 im Verlag Klett-Cotta, Stuttgart, dort S. 9–40. In der HGA: Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 7), 2000, S. 5 – 36. Im Band 80.2. der Heidegger-Gesamtausgabe
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wurde ein undatierter Entwurf, der dem Vortrag vom 18. November 1953 vorausgeht, veröffentlicht: Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik. Entwurf (vor dem 18. November 1953)«, in: Ders., Vorträge. Teil 2: 1935–1967, nach den Handschriften hrsg. von Günther Neumann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 80.2), 2020, S. 1091– 1111. S. 304 * HE [1]: Randmarkierung: Kreuz, auf der Höhe von 〈keineswegs schon die Konstellation von Sein〉. ** HE [1]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne »nur«. *** HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich auf der Höhe von 〈wenn es hoch kommt, zur Forderung einer Ethik der technischen Welt.〉 **** HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich, links von der Randnotiz »Kybernetik !«, auf der Höhe von 〈Welt als das Ganze vorstellen, worin Atomenergie, rechnende〉. S. 305 * HE [1]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich mit Kreis, bezogen auf folgenden Satz: 〈Man überhört den Anspruch des Seins, der im Wesen der Technik spricht.〉 ** HE [1]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne », auf die Steuerung«. *** HE [2]: Korrekturanweisung M.H. EA: mit Komma. **** HE [1]: Verbindungslinie zwischen »›Sein‹« und »ereignet«, Pfeil auf »ereignet«. ***** HE [2]: Pluszeichen hinter »Ge-stell«. S. 306 * HE [1]: Randmarkierung: senkrecht geschlängelte Linie, bezogen auf folgende Passage: 〈Dann stünde gar
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das Sein unter der Herausforderung, das Seiende im Gesichtskreis der Berechenbarkeit erscheinen zu lassen? In der Tat. Und nicht nur dies.〉 Siehe hierzu und im Folgenden Beilageblatt [1] aus Bündel 2 zu »Der Satz der Identität«, in vorliegender Ausgabe S. 366. HE [2]: Verweisungszeichen: ×–× mit Rückbezug zu S. 23 der Erstausgabe; vgl. Anm. ***** zu S. 300. Bettina von Arnim, Goethe’s Briefwechsel mit einem Kinde, in: Dies., Werke und Briefe in vier Bänden, hrsg. von Walter Schmitz und Sibylle von Steinsdorff, Frankfurt a. M., Deutscher Klassiker Verlag, 1992, Bd. 2, S. 544. HE [1]: Andere Lesart: »freilich keinem zugestanden«, oder: »freilich keinem Fragen zugestanden«.
S. 307 * HE [2]: Randmarkierung: Pfeil auf 〈»seiender«〉. S. 308 * HE [1]: Umrahmung: 〈einzukehren in das〉. ** HE [1]: Randmarkierung: durchkreuzter Kreis G, auf der Höhe des ganzen Satzes. *** HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich, ab 〈Das Wort Ereignis〉 bis 〈als Singulare tantum gebraucht.〉 **** HE [1]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈Vorspiel〉 kursiv. Andere Deutung: Doppeltbetonung von 〈Vorspiel〉. Ein Brief von Joan Stambaugh bezieht sich auf diese Stelle, siehe in vorliegender Ausgabe S. 460 f., Anm. * zu S. 348. ***** HE [1]: Andere Lesart: »wie Kehre ins Es«. ****** Vgl. Heideggers Notizen, in dieser Ausgabe S. 372 (Bündel 3, Beilageblatt 1 unten).
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S. 309 * HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich mit Verweisungszeichen F–F, bezogen auf den ganzen Satz. In HE [1] findet sich zu dieser Stelle eine Beilage. Siehe in dieser Ausgabe unter »Identität / Vortrag«, S. 370 [Beilageblatt 8]. ** HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich mit Kreis, auf der Höhe von 〈Zurücknahme der technischen Welt aus ihrer Herrschaft zur Dienstschaft innerhalb des Bereiches〉. HE [2]: Randmarkierung: Längsstrich mit unklarer Randbemerkung: »Vo[?]trg« [Vortrag] [?] oder »Vhg« [Verhängnis] [?]. *** HE [1]: Unklare Korrekturanweisung M.H. Der korrigierte Satzteil sollte vermutlich lauten: 〈auf ein abgelegen Allgemeines zu richten〉. **** HE [1]: Randmarkierung: Verweisungszeichen F–F, bezogen auf diesen Satzteil. S. 310 * HE [1]: Randmarkierungen: zwei schließende spitze Klammern, auf der Höhe von 〈Mensch und Sein einander in ihrem Wesen erreichen〉 und 〈sich schwingenden Bereiches bauen.〉 ** HE [1]: Pfeil £ von 〈schwebenden〉 zu〈schwingenden〉. *** HE [1]: Umrahmung: 〈Sprache〉. **** Martin Heidegger, Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1959, 132003. In der HGA: Martin Heidegger, Unterwegs zur Sprache, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 12), 1985, 22018. HE [1]: Von der Randnotiz ausgehender doppelseitiger Pfeil . ***** HE [1]: Randmarkierung: Kreis. S. 347 * HE [1]: Randmarkierung: Längsstrich, auf der Höhe von 〈sondern das Seiende seinerseits auf seine Weise das Sein gründet, es verursacht. Solches vermag das Seiende nur, insofern es die Fülle des Seins »ist«: als das Seiendste.〉 ** HE [1]: Kreismarkierung über 〈Austrag〉. *** Rene´ Descartes, Discours de la me´thode, texte et commentaire par Etienne Gilson, Paris, Librairie J. Vrin, 1947, S. 14–15: »Je re´ussirais a` conduire ma vie beaucoup mieux que si je ne baˆtissais que sur de vieux fondements, et que je ne m’appuyasse que sur les principes que je m’e´tais laisse´ persuader en ma jeunesse, sans avoir jamais examine´ s’ils e´taient vrais. […] Jamais mon dessein ne s’est e´tendu plus avant que de taˆcher a` re´former mes propres pense´es, et de baˆtir dans un fonds qui est tout a` moi.«
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ANHANG
S. 348 * HE [1] enthält als Beilagen zwei handschriftliche Briefe des Übersetzers Andre´ Pre´au und der Übersetzerin Joan Stambaugh an Martin Heidegger, die sich auf diese Stelle beziehen. Andre´ Pre´au übersetzte Identität und Differenz ins Französische: Martin Heidegger, Identite´ et diffe´rence, traduit par Andre´ Pre´au, Paris, Gallimard, 1968. Zum ersten Teil des Briefes (hinsichtlich der Übersetzung von »begründen«) von Pre´au siehe Anm. ** zu S. 334. Der Brief lautet: Soustons, le 27 mars 1967 Monsieur, Je m’excuse de venir a` nouveau vous de´ranger; mais j’ai e´te´ charge´ de traduire »Identität und Differenz« et je ne vois pas comment je pourrais me dispenser de vous consulter au sujet des sept points du questionnaire que je prends l’extreˆme liberte´ de vous adresser ci-joint. Pour begründen, la difficulte´ n’est pas tant de trouver un e´quivalent franc¸ais que de saisir la diffe´rence entre gründen et begründen. Quelque mot que j’emploie, il sugge´rera une distinction qui peut-eˆtre ne sera pas la voˆtre. Ge´ne´ralement man begründet etwas, das schon da ist (ein Urteil, z. B., oder einen Gesetzentwurf). »Etablir«, en ce cas, pourrait convenir; mais je doute que ce soit bien la` le sens que vous donnez a` begründen dans votre texte. Pour Austrag, au contraire, mes deux propositions me paraissent acceptables. C’est seulement si vous les rejetiez l’une et l’autre que je ferais appel a` votre grande bonte´ et vous prierais de vouloir bien me donner »einen Wink«.
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Je joins a` cette lettre un coupon-re´ponse international. Il me reste a` vous pre´senter, cher Monsieur, d’avance mes plus vifs remerciements, en vous priant de vouloir bien agre´er e´galement l’expression de mes sentiments de since`re admiration et de respectueux de´vouement. Pre´au Joan Stambaugh übersetzte Identität und Differenz ins Englische: Martin Heidegger, Identity and Difference, translated by Joan Stambaugh, New York / Evanston / London, Harper and Row, 1969. Der Brief lautet: den 8. Dezember 1968 Sehr geehrter Herr Professor, der Austrag bietet immer noch Schwierigkeiten. Mir ist gesagt worden, dass die Hauptbedeutung darin liege, dass etwas entschieden, erledigt, auch vermittelt werde. In dem, was ich gelesen habe, kann ich diese Bedeutung des ein-für-allemal, endgültig Erledigtwerdens nicht finden. So habe ich eine Frage an Sie. In unserem Gespräch im vorigen August erwähnten Sie den Ausdruck »Platzhalter des Nichts« in Zusammenhang mit dem Austrag. (Ich verbinde mit Austrag auch »Inständigkeit«). Ist nicht der Austrag ein (in-)ständiges Austragen [Unterstreichung M.H.] das Überkommnis und Ankunft auseinanderhält, ohne [Unterstreichung M.H.] vorwiegend auf ein Ende (worin etwas entschieden wird) ausgerichtet zu sein? Mir scheint die Möglichkeit einer Entscheidung, wenn überhaupt, eher auf das Ge-Stell »als Vorspiel dessen, was Er-eignis heisst« (S. 29) zuzutreffen. Da460
ANHANG
gegen scheint mir das Entscheidungselement zu fehlen, wenn Sie z. B. sagen: »Der Austrag ist ein Kreisen, das Umeinanderkreisen von Sein und Seiendem« (S. 68). Vielleicht sind diese beiden Möglichkeiten des Aufeine-Entscheidung Ausgerichtetseins und des ständigen, nie nachlassenden Aus-haltens Ihrem Gedanken nicht ganz angemessen. Aber ich muss mich in der Übersetzung für eine oder die andere Sinnesrichtung entscheiden und wäre Ihnen daher für einige Zeilen sehr dankbar, die mir helfen könnten. Mit freundlichen Grüssen, Joan Stambaugh ** HE [1]: Randmarkierung: senkrecht abwärtsgerichteter Pfeil auf diese Randbemerkung. S. 349 * Gottfried Wilhelm Leibniz, »Ohne Überschrift, die Hauptlehrsätze der Leibnizischen Philosophie betreffend«, in: Ders., Die philosophischen Schriften, Bd. VII: Scientia Generalis, Philosophische Abhandlungen, Streitschriften zwischen Leibniz und Clarke, hrsg. von Carl Immanuel Gerhardt, Berlin, Weidmann’sche Buchhandlung, 1931, S. 289 ff. ** Martin Heidegger, Der Satz vom Grund, a. a. O., 1957, S. 51f. Siehe auch Anm. **** zu S. 334. *** HE [2]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Satz. **** Martin Heidegger, »Die Metaphysik als Geschichte des Seins«, in: Ders., Nietzsche II, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1961, 6., aktualisierte Auflage 1998, S. 363–416, hier S. 414 passim. In der HGA: Martin Heidegger, »Die Metaphysik als Geschichte des
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Seins«, in: Ders., Nietzsche II, Text der durchgesehenen Einzelausgabe hrsg. von Brigitte Schillbach, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 6.2), 1997, S. 363 – 416, hier S. 414 passim. ***** HE [2]: Randmarkierung: Kreuz. S. 350 * HE [2]: Randmarkierung: Längsstrich mit öffnender spitzer Klammer 〈〉
Fragezeichen Ausrufezeichen Gleichheitszeichen Ungleichheitszeichen diverse Verbindungslinien öffnende eckige Klammer schließende eckige Klammer öffnende spitze Klammer (von Heidegger verwendet) schließende spitze Klammer (von Heidegger verwendet) editorische Klammern zur Markierung von Heideggers gedruckten Texten (von den Herausgebern verwendet)
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN
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NACHWORT DER HERAUSGEBER »Ich habe einen früheren Standpunkt verlassen, nicht um dagegen einen anderen einzutauschen, sondern weil auch der vormalige Standort nur ein Aufenthalt war in einem Unterwegs. Das Bleibende im Denken ist der Weg. Und Denkwege bergen in sich das Geheimnisvolle, daß wir sie vorwärts und rückwärts gehen können, daß sogar der Weg zurück uns erst vorwärts führt.« Martin Heidegger, Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1959, S. 98 f.
Grundlage der in dieser vierbändigen Ausgabe aufgenommenen Schriften Martin Heideggers sind die Erstausgaben und die entsprechenden durch dessen Randnotizen erweiterten Handexemplare. Sie reichen von kleineren Einzelpublikationen mit ganz wesentlichen Themen wie Gelassenheit oder Was ist das, die Philosophie? über die Sammlung Vorträge und Aufsätze bis zu den großen Buchpublikationen Der Satz vom Grund und Unterwegs zur Sprache. Sie gelten als Schlüsseltexte nicht nur für das Denken Martin Heideggers, sondern für die Philosophie des 20. Jahrhunderts. Heidegger hatte diese Schriften für ein akademisches wie auch für ein breiteres Publikum bestimmt. Er selbst hat sie ausgewählt und zur Publikation vorbereitet. Sie wurden zu seinen Lebzeiten vom Verlag Günther Neske veröffentlicht. Diese Schriften haben entscheidend zu seinem Weltruhm beigetragen und bieten einen repräsentativen Einblick in die Vielfalt und Vielschichtigkeit seines Denkens, das sich in leicht verständlichen Beiträgen wie Hebel – der Hausfreund ebenso erschließt wie in anspruchsvollen Schriften, beispielsweise Identität und Differenz.
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Die Herausgeber haben sich entschieden, die in diesem Band versammelten kleinen Veröffentlichungen thematisch und nicht chronologisch zu präsentieren, um den Lesern den Einstieg in Heideggers Denkwege zu erleichtern. Da jede der hier versammelten Schriften ursprünglich als Einzelpublikation erschienen ist, wurde jeweils eine eigene Editorische Notiz mit Erläuterungen zum jeweiligen Text und der entsprechenden Handexemplare hinzugefügt. In diesem Band sind alle kleineren Schriften, die Martin Heidegger zwischen 1954 und 1962 im Verlag Günther Neske in Pfullingen veröffentlicht hat, versammelt: Aus der Erfahrung des Denkens (1954) Was ist das – die Philosophie? (1956) Identität und Differenz (1957) Hebel – der Hausfreund (1957) Gelassenheit (1959) Die Technik und die Kehre (1962) Diese Erstausgaben wurden dann in mehreren Auflagen unverändert vom Verlag Günther Neske und ab 1993 vom Verlag Klett-Cotta, Stuttgart, nachgedruckt. In der Heidegger-Gesamtausgabe (HGA) im Verlag Vittorio Klostermann sind diese Schriften in folgenden Bänden erschienen: Aus der Erfahrung des Denkens und Hebel – der Hausfreund in HGA Bd. 13: Aus der Erfahrung des Denkens, hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt a. M., 1983, S. 75 – 86 und S. 133–150. Was ist das – die Philosophie? und Identität und Differenz in HGA Bd. 11: Identität und Differenz, hrsg. von FriedrichWilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., 2006, S. 3 – 26 und S. 27 –110. Der erste Text des Einzelbandes Gelassenheit mit dem
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Titel »Gelassenheit« erschien in HGA Bd. 16: Reden und andere Zeugnisse eines Lebensweges, hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt a. M., 2000, S. 517 – 529. Der zweite Text mit dem Titel »Zur Erörterung der Gelassenheit. Aus einem Feldweggespräch über das Denken« erschien in HGA Bd. 13: Aus der Erfahrung des Denkens, a. a. O., S. 37 – 74. Der erste Text des Einzelbandes Die Technik und die Kehre mit dem Titel »Die Frage nach der Technik« erschien in HGA Bd. 7: Vorträge und Aufsätze, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., 2000, S. 5 – 36. Der zweite Text mit dem Titel »Die Kehre« erschien in HGA Bd. 79: Bremer und Freiburger Vorträge, hrsg. von Petra Jaeger, Frankfurt a. M., 1994, S. 68 – 77. Folgende Texte wurden in der Heidegger-Gesamtausgabe erweitert um die Ergänzungen und Korrekturen, die Heidegger in verschiedenen Handexemplaren seiner Veröffentlichungen angebracht hatte: Was ist das – die Philosophie?, Identität und Differenz und Die Technik und die Kehre. Die anderen kleinen Schriften wurden in der HGA ohne Heideggers Annotationen veröffentlicht. In Heideggers Handexemplaren befinden sich die Ergänzungen und Korrekturen meist am Rand des gedruckten Textes oder auf eingelegten Blättern. Sie enthalten zusammenhängende Reflexionen und Kommentare, Exzerpte, stichwortartige Bemerkungen sowie Seitenangaben oder durch besondere Zeichen markierte Hervorhebungen und Verweise. Für die hier vorliegende Ausgabe unter dem Titel Kleine Schriften wurden Heideggers Beilageblätter, Korrekturen und Randnotizen in allen Schriften anhand der annotierten Handexemplare überprüft und gegebenenfalls vervollständigt. Erstmals aufgenommen wurden Heideggers auf den
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Nachsatzpapieren seiner Handexemplare notierten Stichwortverzeichnisse. Auch einige Notizen und Briefe, die Heidegger in seinen Handexemplaren eingelegt hat, wurden erstmals aufgenommen. Ebenfalls zum ersten Mal erfasst wurden Heideggers handschriftliche Seitenverweise seiner Handexemplare. Sie beziehen sich überwiegend auf die Seitenzahlen der Erstausgaben bei Neske, auf deren Paginierung sich auch ein Großteil der Forschung bibliographisch bezieht. In der vorliegenden Ausgabe wird daher die ursprüngliche Paginierung der Erstausgaben an den Seitenrändern des Haupttextes in eckigen Klammern [ ] wiedergegeben. Die Seitenumbrüche sind jeweils durch einen Mittelstrich gekennzeichnet. Auf diese Weise lassen sich auch die Bezüge, die Heidegger mittels interner Seitenverweise und anderer Verweisungszeichen hergestellt hat, leichter auffinden. Außerdem wurden Heideggers Randmarkierungen, Unterstreichungen und durch besondere Zeichen markierte Textstellen erstmals berücksichtigt. Sie heben bestimmte Textstellen hervor und verweisen auf Zusammenhänge innerhalb des Textes. Sie sind für die Rezeption von Interesse, weil Martin Heidegger selbst diese Bezüge hergestellt hat. Heideggers Annotationen verdeutlichen innere Zusammenhänge seiner Philosophie und belegen, dass er sein Denken fortwährend überdacht hat: »ein Unterwegs im Wegfeld des sich wandelnden Fragens der mehrdeutigen Seinsfrage«. Mit diesen Worten charakterisierte er in einem Entwurf zum Vorwort der Gesamtausgabe den »Wegcharakter des Denkens«: »Die Gesamtausgabe soll auf verschiedene Weisen zeigen: ein Unterwegs im Wegfeld des sich wandelnden Fragens der mehrdeutigen Seinsfrage. Die Gesamtausgabe soll dadurch anleiten, die Frage aufzunehmen, mitzufragen und vor
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allem dann fragender zu fragen. Fragender fragen – d. h. den Schritt zurück vollziehen; zurück vor den Vorenthalt; zurück in das nennende Sagen (›zu-rück‹ als Wegcharakter des Denkens, nicht zeitlich-historisch).«1 Im Haupttext der vorliegenden Ausgabe werden Heideggers Annotationen mit hochgestellten Kleinbuchstaben (z. B. a) kenntlich gemacht und auf derselben Seite als Fußnoten des Haupttextes präsentiert. Die arabisch nummerierten Fußnoten stammen von Martin Heidegger. Der Wortlaut der Erstausgaben wird im Haupttext exakt wiedergegeben – mit Ausnahme von abgekürzten Namen und von eindeutigen und eigenhändigen Korrekturanweisungen Martin Heideggers, die sich auf Druckfehler in den Erstausgaben und den Nachauflagen beziehen. In diesen eindeutigen Fällen wurden Heideggers Korrekturen auch im Haupttext übernommen. In den Editorischen Anmerkungen – im Haupttext mit Sternchen (z. B. *) markiert – wird jeweils auf die Änderungen hingewiesen. Die Herausgeber haben sich im Bemühen um eine philologisch exakte Wiedergabe der Texte, die in diese vierbändige Kassette aufgenommen wurden, an folgende Richtlinien gehalten: – Heideggers Annotationen sind mit hochgestellten Kleinbuchstaben (z. B. a) kenntlich gemacht. – Sternchenmarkierungen (z. B. *) verweisen auf Anmerkungen, Ergänzungen und Kommentare der Herausgeber, die im editorischen Anhang zu finden sind. 1
Martin Heidegger, Gesamtausgabe, I. Abteilung: Veröffentlichte Schriften 1914–1970, Band 1: Frühe Schriften (1912 – 1916), hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 1), 1978, 22018, S. 437.
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– Alle Texte wurden unverändert in der Rechtschreibung und Zeichensetzung der Erstausgaben wiedergegeben. – Abweichungen in der Orthographie und Zeichensetzung wurden im editorischen Anhang kommentiert. – Handschriftliche Korrekturzeichen Heideggers wurden berücksichtigt und im editorischen Anhang ausgewiesen. – Heideggers Trennungen und Schreibweisen von Wörtern wie »Her-vor-bringen« oder »Ge-stell«, »In-sichberuhen« oder »In-die-Nähe-hinein-sich-einlassen« wurden auch bei Zeilenumbrüchen beibehalten. In diesen Fällen wurden die für Martin Heidegger typischen Trennungen als Divis sowohl am Zeilenende als auch am darauffolgenden Zeilenanfang kenntlich gemacht. – Im Unterschied zu den gedruckten Erstausgaben wurden im Haupttext zum besseren Verständnis alle Namen ausgeschrieben. – Spruchzitate aus antiken Quellen sowie Gedichtzitate wurden – wenn sie vom Text abgesetzt sind – kursiviert. – Gesperrt Gedrucktes wurde kursiviert bzw. innerhalb von kursiv Gedrucktem recte gesetzt. – Handschriftliche Unterstreichungen Heideggers wurden kursiv gesetzt. – Handschriftliche Doppeltunterstreichungen Heideggers wurden mit einfacher Unterstreichung und kursiv wiedergegeben. – Handschriftliche Durchstreichungen Heideggers (z. B. Sein × ) wurden als solche dargestellt. – Hervorhebungen anderer Art werden in den Editorischen Anmerkungen beschrieben. – Textvarianten, die durch Heideggers Ergänzungen, Tilgungen, Markierungen u. ä. in seinen Handexemplaren hinzugekommen sind, wurden in den Fußnotenteil aufgenommen. In besonderen Fällen weisen die Heraus-
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geber im editorischen Anhang ausdrücklich auf die Art der Varianten hin. Um die handschriftlichen Varianten nachvollziehbar zuordnen zu können, wurden – wenn nötig – einzelne Wörter oder Satzteile des gedruckten Haupttextes im Fußnotenteil wieder aufgenommen. Diese Wörter oder Satzteile werden in editorischen Klammern 〈 〉 eingefasst, wobei gegebenenfalls handschriftliche Annotationen wie Kursivierung, Anführungszeichen, Doppelpunkte, Klammern oder Divis einbezogen werden. Bei handschriftlichen Zeichen Heideggers wie doppelter Längsstrich, Kreis, Kreuz oder Pluszeichen wird in den Editorischen Anmerkungen (Sternchenmarkierung) im Anhang die Art der Hervorhebung beschrieben. Dabei werden gegebenenfalls die markierten Textteile in editorischen Klammern 〈 〉 wieder aufgenommen. Auf Heideggers Markierungszeichen (wie Kreis, durchstrichener oder durchkreuzter Kreis, Kreuz, Längsoder Querstrich sowie Pluszeichen) wird nur dann eigens hingewiesen, wenn das Zeichen keine Zuordnungsfunktion zu einer Randbemerkung hat. Heidegger hat in seinen Handexemplaren gelegentlich verschiedene Farben verwendet, was auf thematische Zuordnungen oder verschiedene Phasen der Bearbeitung hinweisen könnte. Jeder farblichen Differenzierung wird in den vorliegenden Bänden dieser Kassette eine eigene Fußnote zugeordnet. Ausnahmen bilden verschiedenfarbige Hervorhebungen innerhalb eines Satzes oder unmittelbar aufeinanderfolgender Sätze, für die in der Regel nur eine Fußnote verwendet wird. Auf besondere Hervorhebungen wird in den Editorischen Anmerkungen eigens hingewiesen. Soweit möglich wurden die von Heidegger zitierten
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Texte anhand der von ihm verwendeten Ausgaben seiner Bibliothek überprüft und im editorischen Anhang dieser Ausgabe in ihrem jeweiligen Kontext zitiert und ergänzt. Zusätze in eckigen Klammern [ ] im Haupttext dieser Ausgabe stammen von Martin Heidegger. Zusätze in eckigen Klammern im Fußnotenteil des Haupttextes sowie in den Abschnitten »Heideggers Notizen« und »Heideggers Stichwortverzeichnisse« stammen – falls nicht anders angemerkt – von den Herausgebern. Abkürzungen in handschriftlichen Texten Heideggers wurden in eckigen Klammern von den Herausgebern vervollständigt. Nur die Abkürzung »u.« wurde in »und« aufgelöst. Unsichere Lesarten wurden mit [?] gekennzeichnet und gegebenenfalls im editorischen Anhang (Sternchenmarkierung) kommentiert. Wichtige Abkürzungen und weitere Zeichen, die in dieser vierbändigen Ausgabe verwendet werden, finden sich unmittelbar vor diesem Nachwort im Verzeichnis der Abkürzungen, Verweisungs- und Markierungszeichen.
Den Nachlassverwaltern, Dr. Hermann Heidegger (1920 – 2020) und Arnulf Heidegger, möchten wir für ihr Vertrauen und die gute Zusammenarbeit danken. Ihnen und Detlev Heidegger sind wir überdies für die Bereitstellung von Handexemplaren sowie für ihre Hilfe bei der Entzifferung der handschriftlichen Notizen von Martin Heidegger zu Dank verpflichtet. Für ihr sorgfältiges Korrekturlesen sprechen wir Jutta Heidegger (1929– 2020) unseren besonderen Dank aus. Prof. Dr. Dr. Günther Neumann danken wir für die Durchsicht und Korrektur der griechischen Zitate. 484
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Für ihre Hilfe bei der Durchsicht und Bereitstellung des Archivmaterials aus dem Deutschen Literaturarchiv Marbach danken wir Gudrun Bernhardt, Dr. Julia Maas und M. A. Simone Waidmann. Ganz besonderen Dank schulden wir Marion Winter (Esslingen) und Thomas Ziegler (pagina, Tübingen) für ihre aufmerksame Hilfe bei den Korrekturen und für die unermüdliche Zusammenarbeit. Ebenso danken wir dem Verlag Klett-Cotta, dem Verleger Dr. h. c. Michael Klett, dem verlegerischen Geschäftsführer Tom Kraushaar und dem Lektor Dr. Johannes Czaja. Wir hoffen, dass diese Ausgabe die Erforschung des Denkens von Martin Heidegger erweitert und vertieft. Alfred Denker (Sevilla, Messkirch) Dorothea Scholl (Kiel, Tübingen) Stuttgart, den 26. Mai 2021
MARTIN HEIDEGGER BAUEN WOHNEN DENKEN VORTRÄGE UND AUFSÄTZE
DENKWEGE
Martin Heidegger – DENKWEGE ISBN 978-3-608-94761-8
E-Book ISBN 978-3-608-20177-2
Die vierbändige Kassette beinhaltet: Kleine Schriften Bauen Wohnen Denken. Vorträge und Aufsätze Der Satz vom Grund Unterwegs zur Sprache
Martin Heidegger
BAUEN WOHNEN DENKEN Vorträge und Aufsätze
Klett-Cotta
Bauen Wohnen Denken. Vorträge und Aufsätze Text der durchgesehenen Erstausgabe Vorträge und Aufsätze (Pfullingen, Verlag Günther Neske 1954), erweitert um die handschriftlichen Ergänzungen des Autors aus seinen Handexemplaren. Herausgegeben von Alfred Denker und Dorothea Scholl
Die Sternchenmarkierungen (*), die Ziffern in eckigen Klammern [ ] am Seitenrand; die Fußnoten sowie wichtige Hinweise zur Lektüre werden in den Editorischen Anmerkungen, im Verzeichnis der Abkürzungen, Verweisungsund Markierungszeichen und im Nachwort der Herausgeber erläutert.
Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe. Klett-Cotta www.klett-cotta.de © 2022 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart Alle Rechte vorbehalten Cover: Rothfos & Gabler, Hamburg Foto: © ullstein bild – Würth GmbH / Swiridoff Signatur: © ullstein bild – Granger, NYC Gesetzt von pagina GmbH, Tübingen Gedruckt und gebunden von GGP Media GmbH, Pößneck ISBN 978-3-608-94758-8 E-Book ISBN 978-3-608-20174-1 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
INHALT* Widmung – 7 Vorwort – 9 I Die Frage nach der Technik – 13 Wissenschaft und Besinnung – 51 Überwindung der Metaphysik – 85 Wer ist Nietzsches Zarathustra? – 119 II Was heißt Denken? – 149 Bauen Wohnen Denken – 167 Das Ding – 189 »… dichterisch wohnet der Mensch …« – 215 III Logos (Heraklit, Fragment 50) – 239 Moira (Parmenides, Fragment VIII, 34–41) – 265 Aletheiaa (Heraklit, Fragment 16) – 295 Hinweise – 325 Heideggers Notizen – 329 Heideggers Stichwortverzeichnis – 341 a
[1954] 〈ÆAlhÂûeia〉**
ANHANG – 345
Editorische Anmerkungen – 347 Verzeichnis der Abkürzungen, Verweisungs- und Markierungszeichen – 429 Nachwort der Herausgeber – 433
DEM EINZIGEN BRUDER*
VORWORT
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as Buch ist, solange es ungelesen vorliegt, eine Zusammenstellung von Vorträgen und Aufsätzen. Für den Leser könnte es zu einer Sammlung werden, die sich um die Vereinzelung der Stücke nicht mehr zu kümmern braucht. Der Leser sähe sich auf einen Wega gebracht, den ein Autor vorausgegangen ist, der im Glücksfall als auctor ein augere, ein Gedeihenlassen auslöst. Im vorliegenden Falle gilt es, sich wie vordem zu mühen, daß dem von altersher zu-Denkenden, aber noch Ungedachten, durch unablässige Versuche ein Bereich bereitet werde, aus dessen Spielraum her das Ungedachte ein Denken beansprucht b.c Ein Autor hätte, wäre er dies, nichts auszudrücken und nichts mitzuteilen. Er dürfte nicht einmal anregen wollen, weil Angeregte ihres Wissens schon sicher sind.* Ein Autor auf Denkwegen kann, wenn es hochkommt, nurweisen,ohneselbsteinWeiserimSinnedes sofoÂw zusein. Denkwege, für die Vergangenes zwar vergangen, Gewesendes jedoch im Kommen bleibt, warten, bis irgendwann Denkende sie gehen. Während das geläufige und im weitesten Sinne technische Vorstellen immer noch vorwärts
D
a b c
[1954] 〈Weg〉 [1954] 〈beansprucht〉 [1954] ÆAlhÂûeia **
VORWORT
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will und alle fortreißt, geben weisende Wege bisweilen eine Aussicht frei auf ein einziges Ge-birg. Todtnauberg, im August 1954
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VORWORT
I
DIE FRAGE NACH DER TECHNIK*
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m folgenden fragen wir nach der Technik. Das Fragen baut an einem Weg. Darum ist es ratsam, vor allem auf den Weg zu achten und nicht an einzelnen Sätzen und Titeln hängenzubleiben. Der Weg ist ein Weg des Denkens. Alle Denkwege führen, mehr oder weniger vernehmbar, auf eine ungewöhnliche Weise durch die Sprache. Wir fragen nach der Technik und möchten dadurch eine freie Beziehung zu ihr vorbereiten. Frei ist die Beziehung, wenn sie unser Dasein dem Wesen der Technik öffnet.a Entsprechen wir diesem, dann vermögen wir es, das Technische in seiner Begrenzung zu erfahren. Die Technik ist nicht das gleiche wie das Wesen der Technik. Wenn wir das Wesen des Baumes suchen, müssen wir gewahr werden, daß Jenes, was jeden Baum als Baum durchwaltet, nicht selber ein Baum ist, der sich zwischen den übrigen Bäumen antreffen läßt. So ist denn auch das Wesen der Technik ganz und gar nichts Technisches. Wir erfahren darum niemals unsere Beziehung zum Wesen der Technik, solange wir nur das Technische vorstellen und betreiben, uns damit abfinden oder ihm ausweichen. Überall bleiben wir unfrei an die Technik gekettet, ob wir sie leidenschaftlich bejahen oder verneinen. Am ärgsten sind wir jedoch der Technik aus-
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a
[1954] vgl. 116
DIE FRAGE NACH DER TECHNIK
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geliefert, wenn wir sie als etwas Neutrales betrachten; denn diese Vorstellung, der man heute besonders gern huldigt, macht uns vollends blind gegen das Wesen der Technik. Als das Wesen von etwas gilt nach alter Lehre jenes, was etwas ist. Wir fragen nach der Technik, wenn wir fragen, was sie sei. Jedermann kennt die beiden Aussagen, die unsere Frage beant worten. Die eine sagt: Technik ist ein Mittel für Zwecke. Die andere sagt: Technik ist ein Tun des Menschen. Beide Bestimmungen der Technik gehören zusammen. Denn Zwecke setzena, die Mittel dafür beschaffen und benützen, ist ein menschliches Tun. Zu dem, was die Technik ist, gehört das Verfertigen und Benützen von Zeug, Gerät und Maschinen, gehört dieses Verfertigte und Benützte selbst, gehören die Bedürfnisseb c und Zwecke, denen sie dienen. Das Ganze dieser Einrichtungen ist die Technik. Sie selber ist eine Einrichtung, lateinisch gesagt: ein instrumentumd. Die gängige Vorstellung von der Technik, wonach sie ein Mittel ist und ein menschliches Tun, kann deshalb die instrumentale und anthropologische Bestimmung der Technik heißen. Wer wollte leugnen, daß sie richtig sei? Sie richtet sich offenkundig nach dem, was man vor Augen hat, wenn man von Technik spricht. Die instrumentale Bestimmung der Technik ist sogar so unheimlich richtig, daß sie auch noch für die moderne Technik zutrifft, von der man sonst mit einem gewissen Recht behauptet, sie sei gegenüber der äla b
c d
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[1954 Gestalt und Gedanke, S. 71] 〈Denn〉 – 〈Zwecke setzen〉 [1954 Gestalt und Gedanke, S. 71] (Wirtschaft – Bedarfsdeckung Konsum–) –– Industrie. [1954 Gestalt und Gedanke, S. 71] das erhöhte Konsumpotential [1954 Gestalt und Gedanke, S. 71] 〈instrumentum〉
DIE FRAGE NACH DER TECHNIK
teren handwerklichen Technik etwas durchaus Anderes und darum Neues. Auch das Kraftwerk ist mit seinen Turbinen und Generatoren ein von Menschen gefertigtes Mittel zu einem von Menschen gesetzten Zweck. Auch das Raketenflugzeug, auch die Hochfrequenzmaschine sind Mittel zu Zwecken. Natürlich ist eine Radarstation weniger einfach als eine Wetterfahne. Natürlich bedarf die Verfertigung einer Hochfrequenzmaschine des Ineinandergreifens verschiedener Arbeitsgänge der technisch-industriellen Produktion. Natürlich ist eine Sägemühle in einem verlorenen Schwarzwaldtal ein primitives Mittel im Vergleich zum Wasserkraftwerk im Rheinstrom. Es bleibt richtig: auch die moderne Technik ist ein Mittel zu Zwecken. Darum bestimmt die instrumentale Vorstellung von der Technik jede Bemühung, den Menschen in den rechten Be zug zur Technik zu bringen. Alles liegt daran, die Technik als Mittel in der gemäßen Weise zu handhaben. Man will, wie es heißt, die Technik »geistig in die Hand bekommen«. Man will sie meistern. Das Meistern-wollen wird um so dringlicher, je mehr die Technik der Herrschaft des Menschen zu entgleiten droht. Gesetzt nun aber, die Technik sei kein bloßes Mittel, wie steht es dann mit dem Willen, sie zu meistern? Allein, wir sagten doch, die instrumentale Bestimmung der Technik sei richtig. Gewiß. Das Richtige stellt an dem, was vorliegt, jedesmal irgend etwas Zutreffendes fest. Die Feststellung braucht jedoch, um richtig zu sein, das Vorliegende keineswegs in seinem Wesen zu enthüllen. Nur dort, wo solches Enthüllen geschieht, ereignet sich das Wahre. Darum ist das bloß Richtige noch nicht das Wahre. Erst dieses bringt uns in ein freies Verhältnis zu dem, was uns aus seinem Wesen her angeht. Die richtige instrumentale Bestimmung der Technik zeigt uns demnach noch nicht ihr Wesen. Da-
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mit wir zu diesem oder wenigstens in seine Nähe gelangen, müssen wir durch das Richtige hindurch das Wahre suchen. Wir müssen fragen: was ist das Instrumentale selbst? Wohin gehört dergleichen wie ein Mittel und ein Zweck? Ein Mittel ist solches, wodurch etwas bewirkt und so erreicht wird. Was eine Wirkung zur Folge hat, nennt man Ursache. Doch nicht nur jenes, mittels dessen ein anderes bewirkt wird, ist Ursache. Auch der Zweck, demgemäß die Art der Mittel sich bestimmt, gilt als Ursache. Wo Zwecke verfolgt, Mittel verwendet werden, wo das Instrumentale herrscht, da waltet Ursächlichkeit, Kausalität. Seit Jahrhunderten lehrt die Philosophie, es gäbe vier Ursachen: 1. die causa materialis, das Material, der Stoff, woraus z. B. eine silberne Schale verfertigt wird; 2. die causa formalis, die Form, die Gestalt, in die das Material eingeht; 3. die causa finalis, der Zweck, z. B. der Opferdienst, durch den die benötigte Schale nach Form und Stoff bestimmt wird; 4. die causa efficiens, die den Effekt, die fertige wirkliche Schale erwirkt, der Silber schmied. Was die Technik, als Mittel vorgestellt, ist, enthüllt sich, wenn wir das Instrumentale auf die vierfache Kausalität zurückführen. Wie aber, wenn sich die Kausalität ihrerseits in dem, was sie ist, ins Dunkel hüllt? Zwar tut man seit Jahrhunderten so, als sei die Lehre von den vier Ursachen wie eine sonnenklare Wahrheit vom Himmel gefallen. Indessen dürfte es an der Zeit sein zu fragen: weshalb gibt es gerade vier Ursachen? Was heißt in Bezug auf die genannten vier eigentlich »Ursache«? Woher bestimmt sich der Ursachecharakter der vier Ursachen so einheitlich, daß sie zusammengehören? Solange wir uns auf diese Fragen nicht einlassen, bleibt die Kausalität und mit ihr das Instrumentale und mit die-
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sem die gängige Bestimmung der Technik dunkel und grundlos. Man pflegt seit langem die Ursache als das Bewirkende vorzustellen. Wirken heißt dabei: Erzielen von Erfolgen, Effekten. Die causa efficiens, die eine der vier Ursachen, bestimmt in maßgebender Weise alle Kausalität. Das geht so weit, daß man die causa finalis, die Finalität, überhaupt nicht mehr zur Kausalität rechnet. Causa, casus, gehört zum Zeitwort cadere, fallen, und bedeutet dasjenige, was bewirkt, daß etwas im Erfolg so oder so ausfällt. Die Lehre von den vier Ursachen geht auf Aristoteles zurück. Im Bereich des griechischen Denkens und für dieses hat jedoch alles, was die nachkommenden Zeitalter bei den Griechen unter der Vorstellung und dem Titel »Kausalität« suchen, schlechthin nichts mit dem Wirken und Bewirken zu tun. Was wir Ursache, die Römer causa nennen, heißt bei den Griechen aiÍtion, das, was ein anderes verschuldet. Die vier Ursachen sind die unter sich zusammengehörigen Weisen des Verschuldens. Ein Beispiel kann dies erläutern. Das Silber ist das, woraus die Silberschale verfertigt ist. Es ist als dieser Stoff (yÏlh) mitschuld an der Schale. Diese schuldet, d. h. verdankt dem Silber das, woraus sie besteht. Aber das Opfer gerät bleibt nicht nur an das Silber verschuldet. Als Schale erscheint das an das Silber Verschuldete im Aussehen von Schale und nicht in demjenigen von Spange oder Ring. Das Opfergerät ist so zugleich an das Aussehen (ekdow) von Schalenhaftem verschuldet. Das Silber, worein das Aussehen als Schale eingelassen ist, das Aussehen, worin das Silberne erscheint, sind beide auf ihre Weise mitschuld am Opfergerät. Schuld an ihm bleibt jedoch vor allem ein Drittes. Es ist jenes, was zum voraus die Schale in den Bereich der Weihe und des Spendens eingrenzt. Dadurch wird sie als Opfer-
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gerät umgrenzt. Das Umgrenzende beendet das Ding. Mit diesem Ende hört das Ding nicht auf, sondern aus ihm her beginnt es als das, was es nach der Herstellung sein wird. Das Beendende, Vollendende in diesem Sinne heißt griechisch teÂlow, was man allzuhäufig durch »Ziel« und »Zweck« übersetzt und so mißdeutet. Das teÂlow verschuldet, was als Stoff und was als Aussehen das Opfergerät mitverschuldet. Schließlich ist ein Viertes mitschuld am Vor- und Bereitliegen des fertigen Opfergerätes: der Silberschmied; aber keineswegs dadurch, daß er wirkend die fertige Opferschale als den Effekt eines Machens bewirkt, nicht als causa efficiens. Die Lehre des Aristoteles kennt weder die mit diesem Titel genannte Ursache, noch gebraucht sie einen entsprechenden griechischen Namen. Der Silberschmied überlegt sich und versammelt die drei genannten Weisen des Verschuldens. Überlegen heißt griechisch leÂgein, loÂgow. Es beruht im aÆpofaiÂnesûai, zum Vorschein bringen. Der Silberschmied ist mitschuld als das, von wo her das Vorbringen und das Aufsichberuhen der Opferschale ihren ersten Ausgang nehmen und behalten. Die drei zuvor genannten Weisen des Verschuldens verdanken der Überlegung des Silberschmieds, daß sie und wie sie für das Hervorbringen der Opferschale zum Vorschein und ins Spiel kommen. In dem vor- und bereitliegenden Opfergerät walten somit vier Weisen des Verschuldens. Sie sind unter sich verschieden und gehören doch zusammen. Was einigt sie im voraus? Worin spielt das Zusammenspiel der vier Weisen des Verschuldens? Woher stammt die Einheit der vier Ursachen? Was meint denn, griechisch gedacht, dieses Verschulden?
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Wir Heutigen sind zu leicht geneigt, das Verschulden entweder moralisch als Verfehlung zu verstehen oder aber als eine Art des Wirkens zu deuten. In beiden Fällen versperren wir uns den Weg zum anfänglichen Sinn dessen, was man später Kausalität nennt. Solange sich dieser Weg nicht öffnet, erblicken wir auch nicht, was das Instrumentale, das im Kausalen beruht, eigentlich ist. Um uns vor den genannten Mißdeutungen des Verschuldens zu schützen, verdeutlichen wir seine vier Weisen aus dem her, was sie verschulden. Nach dem Beispiel verschulden sie das Vor- und Bereitliegen der Silberschale als Opfergerät. Vorliegen und Bereitliegen (yëpokeiësûai) kennzeichnen* das Anwesen eines Anwesenden. Die vier Weisen des Verschuldens bringen etwas ins Erscheinen. Sie lassen es in das An-wesen vorkommen. Sie lassen es dahin los und lassen es so an, nämlich in seine vollendete Ankunft. Das Verschulden hat den Grundzug dieses An-lassens in die Ankunft. Im Sinne solchen Anlassens ist das Verschulden das Ver-an-lassen. Aus dem Blick auf das, was die Griechen im Verschulden, in der aiÆtiÂa, erfuhren, geben wir dem Wort »ver-an-lassen« jetzt einen weiteren Sinn, so daß dieses Wort das Wesen der griechisch gedachten Kausalität benennt. Die geläufige und engere Bedeutung des Wortes »Veranlassung« besagt dagegen nur soviel wie Anstoß und Auslösung und meint eine Art von Nebenursache im Ganzen der Kausalität. Worin spielt nun aber das Zusammenspiel der vier Weisen des Ver-an-lassens? Sie lassen das noch nicht Anwesende ins Anwesen ankommen. Demnach sind sie einheitlich durchwaltet von einem Bringen, das Anwesendes in den Vorschein bringt. Was dieses Bringen ist, sagt uns Platon in einem Satz des »Symposion« (205 b)**: hë gaÂr toi eÆk too mhÁ oÍntow eiÆw toÁ oÃn ÆioÂnti oëtvi oon aiÆtiÂa pfsa eÆsti poiÂhsiw.
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»Jede Veranlassung für das, was immer aus dem NichtAnwesenden über- und vorgeht in das Anwesen, ist poiÂhsiw, ist Her-vor-bringen.« Alles liegt daran, daß wir das Her-vor-bringen in seiner ganzen Weite und zugleich im Sinne der Griechen denken. Ein Her-vor-bringen, poiÂhsiw, ist nicht nur das handwerkliche Verfertigen, nicht nur das künstlerisch-dichtende zum-Scheinen- und ins-Bild-Bringen. Auch die fyÂsiw, das von-sich-her Aufgehen, ist ein Her-vor-bringen, ist poiÂhsiw. Die fyÂsiw ist sogar poiÂhsiw im höchsten Sinne. Denn das fyÂsei Anwesende hat den Aufbruch des Her-vor-bringens, z. B. das Aufbrechen der Blüte ins Erblühen, in ihr selbst (eÆn eëaytli ). Dagegen hat das handwerklich und künstlerisch Her-vor-gebrachte, z. B. die Silberschale, den Aufbruch des Her-vor-bringens nicht in ihm selbst, sondern in einem anderen (eÆn aÍllvi ), im Handwerker und Künstler. Die Weisen der Veranlassung, die vier Ursachen, spielen somit innerhalb des Her-vor-bringens. Durch dieses kommt sowohl das Gewachsene der Natur als auch das Verfertigte des Handwerks und die Gebilde der Künste* jeweils zu seinem Vorschein. Wie aber geschieht das Her-vor-bringen, sei es in der Natur, sei es im Handwerk und in der Kunst? Was ist das Her-vor-bringen, darin die vierfache Weise des Veranlassens spielt? Das Veranlassen geht das Anwesen dessen an, was jeweils im Her-vor-bringen zum Vorschein kommt. Das Her-vor-bringen bringt aus der Verborgenheit her in die Unverborgenheit vor. Her-vor-bringen ereignet sich nur, insofern Verborgenes ins Unverborgene kommt. Dieses Kommen beruht und schwingt in dem, was wir das Entbergen nennen. Die Griechen haben dafür das Wort aÆlhÂûeia. Die Römer übersetzen es durch »veritas«. Wir
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sagen »Wahrheit« und verstehen sie gewöhnlich als Richtigkeit des Vorstellens. Wohin haben wir uns verirrt? Wir fragen nach der Technik und sind jetzt bei der aÆlhÂûeia, beim Entbergen angelangt. Was hat das Wesen der Technik mit dem Entbergen zu tun? Antwort: Alles. Denn im Entbergen gründet jedes Her-vor-bringen. Dieses aber versammelt in sich die vier Weisen der Veranlassung – die Kausalität – und durchwaltet sie. In ihren Bereich gehören Zweck und Mittel, gehört das Instrumentale. Dieses gilt als der Grundzug der Technik. Fragen wir Schritt für Schritt, was die als Mittel vorgestellte Technik eigentlich sei, dann gelangen wir zum Entbergen. In ihm beruht die Möglichkeit aller herstellenden Verfertigung. Die Technik ist also nicht bloß ein Mittel. Die Technik ist eine Weise des Entbergensa. Achten wir darauf, dann öffnet sich uns ein ganz anderer Bereich für das Wesen der Technik. Es ist der Bereich der Entbergung, d. h. der Wahr-heit. Dieser Ausblick befremdet uns. Er soll es auch, soll es möglichst lange und so bedrängend, daß wir endlich auch einmal die schlichte Frage ernst nehmen, was denn der Name »Technik« sage. Das Wort stammt aus der griechischen Sprache. TexnikoÂn meint solches, was zur teÂxnh gehört. Hinsichtlich der Bedeutung dieses Wortes müssen wir zweierlei beachten. Einmal ist teÂxnh nicht nur der Name für das handwerkliche Tun und Können, sondern auch für die hohe Kunst und die schönen Künste. Die teÂxnh gehört zum Her-vor-bringen, zur poiÂhsiw; sie ist etwas Poietisches. Das andere, was es hinsichtlich des Wortes teÂxnh zu bea
[1954] 〈eine Weise des Entbergens〉 oder jetzt die maßgeb[ende] Weise d[er] Entb[ergun]g
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denken gilt, ist noch gewichtiger. Das Wort teÂxnh geht von früh an bis in die Zeit Platons mit dem Wort eÆpisthÂmh zusammen. Beide Worte sind Namen für das Erkennen im weitesten Sinne. Sie meinen das Sichauskennen in etwas, das Sichverstehen auf et was. Das Erkennen gibt Aufschluß. Als aufschließendes ist es ein Entbergen. Aristoteles unterscheidet in einer besonderen Betrachtung (Eth. Nic. VI, c. 3 und 4)* die eÆpisthÂmh und die teÂxnh und zwar im Hinblick darauf, was sie und wie sie entbergen. Die teÂxnh ist eine Weise des aÆlhûeyÂein. Sie entbirgt solches, was sich nicht selber her-vor-bringt und noch nicht vorliegt, was deshalb bald so, bald anders aussehen und ausfallen kann. Wer ein Haus oder ein Schiff baut oder eine Opferschale schmiedet, entbirgt das Her-vor-zu-bringende nach den Hinsichten der vier Weisen der Veranlassung. Dieses Entbergen versammelt im voraus das Aussehen und den Stoff von Schiff und Haus auf das vollendet erschaute fertige Ding und bestimmt von da her die Art der Verfertigung. Das Entscheidende der teÂxnh liegt somit keineswegs im Machen und Hantieren**, nicht im Verwenden von Mitteln, sondern in dem genannten Entbergen. Als dieses, nicht aber als Verfertigen, ist die teÂxnh ein Her-vor-bringen. So führt uns denn der Hinweis darauf, was das Wort teÂxnh sagt und wie die Griechen das Genannte bestimmen, in den selben Zusammenhang, der sich uns auftat, als wir der Frage nachgingen, was das Instrumentale als solches in Wahrheit sei. Technik ist eine Weise des Entbergens. Die Technik west in dem Bereich, wo Entbergen und Unverborgenheit, wo aÆlhÂûeia, wo Wahrheit geschieht. Gegen diese Bestimmung des Wesensbereiches der Technik kann man einwenden, sie gelte zwar für das griechische Denken und passe im günstigen Fall auf die hand-
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werkliche Technik, treffe jedoch nicht für die moderne Kraftmaschinentechnik zu. Und gerade sie, sie allein ist das Beunruhigende, das uns bewegt, nach »der« Technik zu fragen. Man sagt, die moderne Technik sei eine unvergleichbar andere gegenüber aller früheren, weil sie auf der neuzeitlichen exakten Naturwissenschaft beruhe. Inzwischen hat man deutlicher erkannt, daß auch das Umgekehrte gilt: die neuzeitliche Physik ist als experimentelle auf technische Apparaturen und auf den Fortschritt des Apparatebaues angewiesen.* Die Feststellung dieses Wechselverhältnisses zwischen Technik und Physik ist richtig. Aber sie bleibt eine bloß historische Feststellung von Tatsachen und sagt nichts von dem, worin dieses Wechselverhältnis gründeta. Die entscheidende Frage bleibt doch: welchen Wesens ist die moderne Technik, daß sie darauf verfallen kann, die exakte Naturwissenschaft zu verwenden? Was ist die moderne Technik? Auch sie ist ein Entbergen. Erst wenn wir den Blick auf diesem Grundzug ruhen lassen, zeigt sich uns das Neuartige der modernen Technik. Dasjenige** Entbergen, das die moderne Technik durchherrscht, entfaltet sich nun aber nicht in ein Her-vor-bringen im Sinne der poiÂhsiw. Das in der modernen Technik waltende Entbergen ist ein Herausfordern, das an die Natur das Ansinnen stellt, Energie zu liefern, die als solche*** herausgefördert und gespeichert werden kann. Gilt dies aber nicht auch von der alten Windmühle? Nein. Ihre Flügel drehen sich zwar im Winde, seinem Wehen bleiben sie unmittelbar anheimgegeben. Die Windmühle erschließt
a
[1954 Gestalt und Gedanke, S. 81] 〈worin dieses Wechselverhältnis gründet〉****
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aber nicht Energien der Luftströmung, um sie zu speichern. Ein Landstrich wird dagegen in die Förderung von Kohle und Erzen herausgefordert. Das Erdreich entbirgt sich jetzt als Kohlenrevier, der Boden als Erzlagerstätte. Anders erscheint das Feld, das der Bauer vormals bestellte, wobei bestellen noch hieß: hegen und pflegen. Das bäuerliche Tun fordert den Ackerboden nicht heraus. Im Säen des Korns gibt es die Saat den Wachstumskräften anheim und hütet ihr Gedeihen. Inzwischen ist auch die Feldbestellung in den Sog eines andersgearteten Bestellens geraten, das die Natur stellt. Es stellt sie im Sinne der Herausforderung. Ackerbau ist jetzt motorisierte Ernährungsindustrie. Die Luft wird auf die Abgabe von Stickstoff hin gestellt, der Boden auf Erze, das Erz z. B. auf Uran, dieses auf Atomenergie, die zur Zerstörung oder friedlichen Nutzung entbunden werden kann. Das Stellen, das die Naturenergien herausfordert, ist ein Fördern in einem doppelten Sinne. Es fördert, indem es erschließt und herausstellt. Dieses Fördern bleibt jedoch im voraus darauf abgestellt, anderes zu fördern, d. h. vorwärts zu treiben in die größtmögliche Nutzung bei geringstem Aufwand. Die im Kohlenrevier geförderte Kohle wird nicht gestellt, damit sie nur überhaupt und irgendwo vorhanden sei. Sie lagert, d. h. sie ist zur Stelle für die Bestellung der in ihr gespeicherten Sonnenwärme. Diese wird herausgefordert auf Hitze, die bestellt ist, Dampf zu liefern, dessen Druck das Getriebe treibt, wodurch eine Fabrik in Betrieb bleibt. Das Wasserkraftwerk ist in den Rheinstrom gestellt. Es stellt ihn auf seinen Wasserdruck, der die Turbinen daraufhin stellt, sich zu drehen, welche Drehung diejenige Maschine umtreibt, deren Getriebe den elektrischen Strom
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herstellt, für den die Überlandzentrale und ihr Stromnetz zur Strombeförderung bestellt sind. Im Bereich dieser ineinandergreifenden Folgen der Bestellung elektrischer Energie erscheint auch der Rheinstrom als etwas Bestelltes. Das Wasserkraftwerk ist nicht in den Rheinstrom gebaut wie die alte Holzbrücke, die seit Jahrhunderten Ufer mit Ufer verbindet. Vielmehr ist der Strom in das Kraftwerk verbaut. Er ist, was er jetzt als Strom ist, nämlich Wasserdrucklieferant, aus dem Wesen des Kraftwerks. Achten wir doch, um das Ungeheuere, das hier waltet, auch nur entfernt zu ermessen, für einen Augenblick auf den Gegensatz, der sich in den beiden Titeln ausspricht: »Der Rhein«, verbaut in das Kraftwerk, und »Der Rhein«, gesagt aus dem Kunstwerk der gleichnamigen Hymne Hölderlins.* Aber der Rhein bleibt doch, wird man entgegnen, Strom der Landschaft. Mag sein, aber wie? Nicht anders denn als bestellbares Objekt der Besichtigung durch eine Reisegesellschaft, die eine Urlaubsindustrie dorthin bestellt hat. Das Entbergen, das die moderne Technik durchherrscht, hat den Charakter des Stellens im Sinne der Herausforderung. Diese geschieht dadurch, daß die in der Natur verborgene Energie aufgeschlossen, das Erschlossene umgeformt, das Umgeformte gespeichert, das Gespeicherte wieder verteilt und das Verteilte erneut umgeschaltet wird. Erschließen, umformen, speichern, verteilen, umschalten sind Weisen des Entbergens. Dieses läuft jedoch nicht einfach ab. Es verläuft sich auch nicht ins Unbestimmte. Das Entbergen entbirgt ihm selber seine eigenen, vielfach verzahnten Bahnen dadurch, daß es sie steuert. Die Steuerung selbst wird ihrerseits überall gesichert. Steuerung und Sicherung werden sogar die Hauptzüge des herausfordernden Entbergens. Welche Art von Unverborgenheit eignet nun dem, was
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durch das herausfordernde Stellen zustande kommt? Überall ist es bestellt, auf der Stelle zur Stelle zu stehen, und zwar zu stehen, um selbst bestellbar zu sein für ein weiteres Bestellen. Das so Bestellte hat seinen eigenen Stand. Wir nennen ihn den Bestand. Das Wort sagt hier mehr und Wesentlicheres als nur »Vorrat«. Das Wort »Bestand« rückt jetzt in den Rang eines Titels. Er kennzeichnet nichts Geringeres als die Weise, wie alles anwest, was vom herausfordernden Entbergen betroffen wird. Was im Sinne des Bestandes steht, steht uns nicht mehr als Gegenstand gegenüber. Aber ein Verkehrsflugzeug, das auf der Startbahn steht, ist doch ein Gegenstand. Gewiß. Wir können die Maschine so vorstellen. Aber dann verbirgt sie sich in dem, was und wie sie ist. Entborgen steht sie auf der Rollbahn nur als Bestand, insofern sie bestellt ist, die Möglichkeit des Transports sicherzustellen. Hierfür muß sie selbst in ihrem ganzen Bau, in jedem ihrer Bestandteile bestellfähig, d. h. startbereit sein. (Hier wäre der Ort, He gels Bestimmung der Maschine als eines selbständigen Werkzeugs* zu erörtern. Vom Werkzeug des Handwerks her gesehen, ist seine Kennzeichnung richtig. Allein, so ist die Maschine gerade nicht aus dem Wesen der Technik gedacht, in die sie gehört. Vom Bestand her gesehen, ist die Maschine schlechthin unselbständig; denn sie hat ihren Stand einzig aus dem Bestellen von Bestellbarem.) Daß sich uns jetzt, wo wir versuchen, die moderne Technik als das herausfordernde Entbergen zu zeigen, die Worte »stellen«, »bestellen«, »Bestand« aufdrängen und sich in einer trockenen, einförmigen und darum lästigen Weise häufen, hat seinen Grund in dem, was zur Sprache kommt. Wer vollzieht das herausfordernde Stellen, wodurch das, was man das Wirkliche nennt, als Bestand entborgen wird?
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Offenbar der Mensch. Inwiefern vermag er solches Entbergen? Der Mensch kann zwar dieses oder jenesa so oder so vorstellen, gestalten und betreiben. Allein, über die Unverborgenheit, worin sich jeweils das Wirkliche zeigt oder entzieht, verfügt der Mensch nicht. Daß sich seit Platon das Wirkliche im Lichte von Ideen zeigt, hat Platon nicht gemacht*. Der Denker hat nur dem entsprochen, was sich ihm zusprach. Nur insofern der Mensch seinerseits schon herausgefordert ist, die Naturenergien herauszufördern, kann dieses bestellende Entbergen geschehen. Wenn der Mensch dazu herausgefordert, bestellt ist, gehört dann nicht auch der Mensch, ursprünglicher noch als die Natur, in den Bestand? Die umlaufende Rede vom Menschenmaterial, vom Krankenmaterial einer Klinik spricht dafür. Der Forstwart, der im Wald das geschlagene Holz vermißt und dem Anschein nach wie sein Großvater in der gleichen Weise dieselben Waldwege begeht, ist heute von der Holzverwertungsindustrie bestellt, ob er es weiß oder nicht. Er ist in die Bestellbarkeit von Zellulose bestellt, die ihrerseits durch den Bedarf an Papier herausgefordert ist, das den Zeitungen und illustrierten Magazinen zugestellt wird. Diese aber stellen die öffentliche Meinung daraufhin, das Gedruckte zu verschlingen, um für eine bestellte Meinungsherrichtung bestellbar zu werden. Doch gerade weil der Mensch ursprünglicherb als die Naturenergien herausge-
a
b
[1954 Gestalt und Gedanke, S. 86] dieses oder jenes Unverborgene! aber die Unverborgenheit a[ls] s[olche]? die Entborgene usw? [1954 Gestalt und Gedanke, S. 86] 〈ursprünglicher〉 heißt? eigentlicher in das E [Ereignis] vereignet!
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fordert ist, nämlich in das Bestellena, wird er niemals zu einem bloßen Bestand. Indem der Mensch die Technik betreibt, nimmt er am Bestellen als einer Weise des Entbergens teil. Allein die Unverborgenheit selbst, innerhalb derer sich das Bestellen entfaltet, ist niemals ein menschliches Gemächte, so wenig wie der Bereich, den der Mensch jederzeit schon durchgeht, wenn er als Subjekt sich auf ein Objekt bezieht. Wo und wie geschieht das Entbergen, wenn es kein bloßes Gemächte des Menschen ist? Wir brauchen nicht weit zu suchen. Nötig ist nur, unvoreingenommen Jenes zu vernehmen, was den Menschen immer schon in Anspruch genommen hat und dies so entschieden, daß er nur als der so Angesprochene jeweils Mensch sein kann. Wo immer der Mensch sein Auge und Ohr öffnet, sein Herz aufschließt, sich in das Sinnen und Trachten, Bilden und Werken, Bitten und Danken freigibt, findet er sich überall schon ins Unverborgene gebracht. Dessen Unverborgenheit hat sich schon ereignet, so oft sie den Menschen in die ihm zugemessenen Weisen des Entbergens hervorruft. Wenn der Mensch auf seine Weise innerhalb der Unverborgenheit das Anwesende entbirgt, dann entspricht er nur dem Zuspruch der Unverborgenheit, selbst dort, wo er ihm widerspricht. Wenn also der Mensch forschend, betrachtend der Natur als einem Bezirk seines Vorstellens nachstellt, dann ist er bereits von einer Weise der Entbergung beansprucht, die ihn herausfordert, die Natur als einen Gegenstand der Forschung anzugehen, bis auch der Gegenstand in das Gegenstandlose des Bestandes verschwindet.b a
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[1954 Gestalt und Gedanke, S. 86] 〈nämlich in das Bestellen〉 heißt? metaphys[isch] gesprochen: in einem ausgezeichneten Geheiß des Seins und den entsprech[enden] Bezug. vgl. Zur Seinsfrage* [1954] vgl. 30** vgl. S. 61
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So ist denn die moderne Technik als das bestellende Entbergen kein bloß menschliches Tun. Darum müssen wir auch jenes Herausfordern, das den Menschen stellt, das Wirkliche als Bestand zu bestellen, so nehmen, wie es sich zeigt. Jenes Herausfordern versammelt den Menschen in das Bestellen. Dieses Versammelnde konzentriert den Menschen darauf, das Wirkliche als Bestand zu bestellen. Was die Berge ursprünglich zu Bergzügen entfaltet und sie in ihrem gefalteten Beisammen durchzieht, ist das Versammelnde, das wir Gebirg nennen. Wir nennen jenes ursprünglich Versammelnde, daraus sich die Weisen entfalten, nach denen uns so und so zumute ist, das Gemüt. Wir nennen jetzt jenen herausfordernden Anspruch, der den Menschen dahin versammelt, das Sichentbergende als Bestand zu bestellen – das Ge-stell*. Wir wagen es, dieses Wort in einem bisher völlig ungewohnten Sinne zu gebrauchen.a ** Nach der gewöhnlichen Bedeutung meint das Wort »Gestell« ein Gerät, z. B. ein Büchergestell. Gestell heißt auch ein Knochengerippe. Und so schaurig wie dieses scheint die uns jetzt zugemutete Verwendung des Wortes »Gestell« zu sein, ganz zu schweigen von der Willkür, mit der auf solche Weise*** Worteb der gewachsenen Sprache mißhandelt werden. Kann man das Absonderliche noch weiter treiben? Gewiß nicht. Allein dieses Absonderliche ist alter Brauch des Denkens. Und zwar fügen sich ihm die Denker gerade dort, wo es das Höchste zu denken gilt. Wir a
b
[1954 Gestalt und Gedanke, S. 88] vgl. Id. u. Diff. [Identität und Differenz]**** [1954 Gestalt und Gedanke, S. 88] 〈mit der〉 auf solche Weise 〈Wörter〉
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Spätgeborenen sind nicht mehr imstande zu ermessen, was es heißt, daß Platon es wagt, für das, was in allem und jedem west, das Wort ekdow* zu gebrauchen. Denn ekdow** bedeutet in der alltäglichen Sprache die Ansicht, die ein sichtbares Ding unserem sinnlichen Auge darbietet. Platon mutet je- doch diesem Wort das ganz Ungewöhnliche zu, Jenes zu benennen, was gerade nicht und niemals mit sinnlichen Augen vernehmbar wird. Aber auch so ist des Ungewöhnlichen noch keineswegs genug. Denn ÆideÂa nennt nicht nur das nichtsinnliche Aussehen des sinnlich Sichtbaren. Aussehen, ÆideÂa heißt und ist auch, was im Hörbaren, Tastbaren, Fühlbaren, in jeglichem, was irgendwie zugänglich ist, das Wesena ausmacht. Gegenüber dem, was Platon der Sprache und dem Denken in diesem und anderen Fällen zumutet, ist der jetzt gewagte Gebrauch des Wortes »Gestell« als Name für das Wesen der modernen Technik beinahe harmlos. Indessen bleibt der jetzt verlangte Sprachgebrauch eine Zumutung und mißverständlich. Ge-stell heißt das Versammelnde jenes Stellens, das den Menschenb stellt, d. h. herausfordert, das Wirkliche in der Weise des Bestellens als Bestand zu entbergen. Ge-stell heißt die Weise des Entbergens, die im Wesen der modernen Technik waltet und selber nichts Technisches ist.c Zum Technischen gehört dagegen alles, was wir als Gestänge und Geschiebe und Gerüste kennen und Bestandstück dessen ist, was man Montage nennt. Diese fällt jedoch samt den gea
b c
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[1954 Gestalt und Gedanke, S. 89] deutlicher! ein ontisch gebrauchtes und geläufiges Wort in einen ausgezeichneten ontolog[ischen] Rang erhoben. [1954 Gestalt und Gedanke, S. 89] nicht nur den Menschen! [1954 Gestalt und Gedanke, S. 89] E [Ereignis] / und \ das Ge-Viert
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nannten Bestandstücken in den Bezirk der technischen Arbeit, die stets nur der Herausforderung des Ge-stells entspricht, aber niemals dieses selbst ausmacht oder gar bewirkt. Das Wort »stellen« meint im Titel Ge-stell nicht nur das Herausfordern, es soll zugleich den Anklang an ein anderes »Stellen« bewahren, aus dem es abstammt, nämlich an jenes Her- und Dar-stellen, das im Sinne der poiÂhsiw das Anwesende in die Unverborgenheit hervorkommen läßt.a b * Dieses hervorbringende Her-stellen, z. B. das Aufstellen eines Standbildes im Tempelbezirk und das jetzt bedachte herausfordernde Bestellen, sind zwar grundverschieden und bleiben doch im Wesen verwandt.** Beide sind Weisen des Entbergens, der aÆlhÂûeia. Im Ge-stell ereignet sich die Unverborgenheit, dergemäß die Arbeit der modernen Technik das Wirkliche als Bestand entbirgt.c *** Sie ist darum weder nur ein menschliches Tun, noch gar ein bloßes Mittel innerhalb solchen Tuns. Die nur instrumentale, die nur anthropologische Bestimmung der Technik wird im Prinzip hinfällig; sie läßt sich auch nicht mehr, falls sie doch als unzureichend erkannt werden sollte, durch eine nur dahinter geschaltete metaphysische oder religiöse Erklärung ergänzen.**** Wahr bleibt allerdings, daß der Mensch des technischen Zeitalters auf eine besonders hervorstechende Weise in das Entbergen herausgefordert ist. Diesesd betrifft zunächst die Natur als den Hauptspeicher des Energiebestandes. Dema
b c
d
[1954 Gestalt und Gedanke, S. 90] vgl. jetzt Der Urspr. d. Kw [Der Ursprung des Kunstwerkes]. Nachwort über ûeÂsiw***** [1954] vgl. S. 49 [1954 Gestalt und Gedanke, S. 90] zu einseitig nur auf das dhloon abgehoben. [1954 Gestalt und Gedanke, S. 90] 〈Es〉
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entsprechend zeigt sich das bestellendea Verhalten des Menschen zuerst im Aufkommen der neuzeitlichen exakten Naturwissenschaft. Ihre Art des Vorstellens stellt der Natur als einem berechenbaren Kräftezusammenhang nach.b Die neuzeitliche Physik ist nicht deshalb Experimentalphysik, weil sie Apparaturen zur Befragung der Natur ansetzt, sondern umgekehrt: weil die Physik und zwar schon als reine Theorie, die Natur daraufhin stellt, sich als einen vorausberechenbaren Zusammenhang von Kräften darzustellen, deshalb wird das Experiment bestellt, nämlich zur Befragung, ob sich die so gestellte Natur und wie sie sich meldet. Aber die mathematische Naturwissenschaft ist doch um fast zwei Jahrhunderte vor der modernen Technik entstanden. Wie soll sie da schon von der modernen Technik in deren Dienst gestellt sein? Die Tatsachen sprechen für das Gegenteil. Die moderne Technik kam doch erst in Gang, als sie sich auf die exakte Naturwissenschaft stützen konnte. Historisch gerechnet, bleibt dies richtig. Geschichtlich gedacht, trifft es nicht das Wahre.* Die neuzeitliche physikalische Theorie der Natur ist die Wegbereiterin nicht erst der Technik, sondern des Wesens der modernen Technik. Denn das herausfordernde Versammeln in das bestellende Entbergen waltet bereits in der Physik. Aber es kommt in ihr noch nicht eigens zum Vorschein. Die neuzeitliche Physik ist der in seiner Herkunft noch unbekannte Vorbote des Ge-stells. Das Wesen der modernen Technik verbirgt sich auf lange Zeit auch dort noch, wo bereits Kraftmaschinen erfunden, die Elektrotechnik auf die Bahn und die Atomtechnik in Gang gesetzt sind. a b
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[1954] 〈bestellende〉 [1954] S. 54 ff.
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Alles Wesende, nicht nur das der modernen Technik, hält sich überall am längsten verborgen. Gleichwohl bleibt es im Hinblick auf sein Walten solches, was allem voraufgeht: das Früheste. Davon wußten schon die griechischen Denker, wenn sie sagten: Jenes, was hinsichtlich des waltenden Aufgehens früher ist, wird uns Menschen erst später offenkundig. Dem Menschen zeigt sich die anfängliche Frühe erst zuletzt. Darum ist im Bereich des Denkens eine Bemühung, das anfänglich Gedachte noch anfänglicher zu durchdenken, nicht der widersinnige Wille, Vergangenes zu erneuern, sondern die nüchterne Bereitschaft, vor dem Kommenden der Frühe zu erstaunena.* Für die historische Zeitrechnung liegt der Beginn der neuzeitlichen Naturwissenschaft im 17. Jahrhundert. Dagegen entwickelt sich die Kraftmaschinentechnik erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Allein, das für die historische Feststellung Spätere, die moderne Technik, ist hinsichtlich des in ihm waltenden Wesens das geschichtlich Frühere. Wenn die moderne Physik in zunehmendem Maße sich damit abfinden muß, daß ihr Vorstellungsbereich unanschaulich bleibt, dann ist dieser Verzicht nicht von irgendeiner Kommission von Forschern diktiert. Er ist vom Walten des Ge-stells herausgefordert, das die Bestellbarkeit der Natur als Bestand verlangt.b Darum kann die Physik bei allem Rückzug aus dem bis vor kurzem allein maßgebenden, nur den Gegenständen zugewandten Vorstellenc auf eines niemals verzichten**: daß sich die Natur in irgendeiner rechnerisch feststellbaren Weise meldet und als ein System a b c
[1962, S. 22] 〈vor dem Kommenden der Frühe zu erstaunen〉 [1954] vgl. 26 [1954] S. 62
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von Informationen bestellbar bleibt.a Dieses System bestimmt sich dann aus einer noch einmal gewandelten Kausalität. Sie zeigt jetzt weder den Charakter des hervorbringenden Veranlassens, noch die Art der causa efficiens oder gar der causa formalis. Vermutlich schrumpft die Kausalität in ein herausgefor dertes Melden gleichzeitig oder nacheinander sicherzustellender Bestände zusammen. Dem entspräche der Prozeß des zunehmenden Sichabfindens, den Heisenbergs Vortrag in eindrucksvoller Weise schilderte. (Werner Heisenberg, Das Naturbild in der heutigen Physik, in: Die Künste im technischen Zeitalter. München 1954, S. 43 ff.)* Weil das Wesen der modernen Technik im Ge-stell beruht, deshalb muß diese die exakte Naturwissenschaft verwenden. Dadurch entsteht der trügerische Schein, als sei die moderne Technik angewandte Naturwissenschaft. Dieser Schein kann sich solange behaupten, als weder die Wesensherkunft der neuzeitlichen Wissenschaft, noch gar das Wesen der modernen Technik hinreichend erfragt werden. Wir fragen nach der Technik, um unsere Beziehung zu ihrem Wesen ans Licht zu heben. Das Wesen der modernen Technik zeigt sich in dem, was wir das Ge-stell nennen. Allein, der Hinweis darauf ist noch keineswegs die Antwort auf die Frage nach der Technik, wenn antworten heißt: entsprechen, nämlich dem Wesen dessen, wonach gefragt wird. Wohin sehen wir uns gebracht, wenn wir jetzt noch um einen Schritt weiter dem nachdenken, was das Ge-stell als solches selber istb? Es ist nichts Technisches, nichts Maschinenartiges. Es ist die Weise, nach der sich das Wirkliche a b
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[1954] 61 [1954] 〈was das Ge-stell als solches selber ist〉**
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als Bestand entbirgt.a Wiederum fragen wir: geschieht dieses Entbergen irgendwo jenseits alles menschlichen Tuns? Nein. Aber es geschieht auch nicht nur im Menschen und nicht maßgebend durch ihn. Das Ge-stell ist das Versammelnde jenes Stellens, das den Menschen stellt, das Wirkliche in der Weise des Bestellens als Bestand zu entbergen. Als der so Herausgeforderte steht der Mensch im Wesensbereich des Ge-stells. Er kann gar nicht erst nachträglich eine Beziehung zu ihm aufnehmen.* Darum kommt die Frage, wie wir in eine Beziehung zum Wesen der Technik gelangen sollen, in dieser Form jederzeit zu spät. Aber nie zu spät kommt die Frage, ob wir uns eigens als diejenigen erfahren, deren Tun und Lassen überall, bald offenkundig, bald versteckt, im** Ge-stell herausgefordert ist. Nie zu spät kommt vor allem die Frage, ob und wie wir uns eigens auf das einlassen, worin das Ge-stell selber west. Das Wesen der modernen Technik bringt den Menschen auf den Weg jenes Entbergens, wodurch das Wirkliche überall, mehr oder weniger vernehmlich, zum Bestand wird. Auf einen Weg bringen – dies heißt in unserer Sprache: schicken.b Wir nennen jenes versammelnde Schicken, das den Menschen erst auf einen Weg des Entbergens bringt, das Geschickc. Von hier aus bestimmt sich das Wesen aller Geschichte. Sie ist weder nur der Gegenstand der Historie, noch nur der Vollzug menschlichen Tuns. Dieses wird geschichtlich erst als ein geschickliches (vgl. Vom Wesen der Wahrheit, 1930; in erster Auflage gedruckt 1943, S. 16 f.).*** Und erst das Geschick in das vergegenständlia b c
[1954] vgl. S. 57 [1962, S. 24] vgl. u[nten] S. 31 f.**** [1962, S. 24] 〈das Geschick〉 vgl. Z. u. S. [Zeit und Sein]*****
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chende Vorstellen macht das Geschichtliche für die Historie, d. h. für* eine Wissenschaft, als Gegenstand zugänglich und von hier aus erst die gängige Gleichsetzung des Geschichtlichen mit dem Historischen möglich. Als die Herausforderung ins Bestellen schickt das Ge-stell in eine Weise des Entbergens. Das Ge-stell ist eine Schickung des Geschickes wie jede Weise des Entbergens. Geschick in dem genannten Sinne ist auch das Her-vor-bringen, die poiÂhsiw.** Immer geht die Unverborgenheit dessen, was ist, auf einem Weg des Entbergens. Immer durchwaltet den Menschen das Geschick der Entbergung. Aber es ist nie das Verhängnis eines Zwanges. Denn der Mensch wird gerade erst frei, insofern er in den Bereich des Geschickes gehört und so ein Hörender wird, nicht aber ein Höriger. Das Wesen der Freiheit ist ursprünglich nicht dem Willen oder gar nur der Kausalität des menschlichen Wollens zugeordnet. Die Freiheit verwaltet das Freie im Sinne des Gelichteten, d. h. des Entborgenen. Das Geschehnis des Entbergens, d. h. der Wahrheit, ist es, zu dem die Freiheit in der nächsten und innigsten Verwandtschaft steht. Alles Entbergen gehört in ein Bergen und Verbergen. Verborgen aber ist und immer sich verbergend das Befreiende, das Geheimnis. Alles Entbergen kommt aus dem Freien, geht ins Freie und bringt ins Freie. Die Freiheit des Freien besteht weder in der Ungebundenheit der Willkür, noch in der Bindung durch bloße Gesetze. Die Freiheit ist das lichtend Verbergende, in dessen Lichtung jener Schleier weht, der das Wesende aller Wahrheit verhüllt und den Schleier als den verhüllenden erscheinen läßt. Die Freiheit ist der Bereich des Geschickes, das jeweils eine Entbergung auf ihren Weg bringt.
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Das Wesen der modernen Technik beruht im Ge-stell. Dieses gehört in das Geschick der Entbergung. Die Sätze sagen anderes als die öfter verlautende Rede, die Technik sei das Schicksal unseres Zeitalters, wobei Schicksal meint: das Unausweichliche eines unabänderlichen Verlaufs. Wenn wir jedoch das Wesen der Technik bedenken, dann erfahren wir das Ge-stell als ein Geschick der Entbergung. So halten wir uns schon im Freien des Geschickes auf, das uns keineswegs in einen dumpfen Zwang einsperrt, die Technik blindlings zu betreiben oder, was das Selbe bleibt, uns hilflos gegen sie aufzulehnen und sie als Teufelswerk zu verdammen. Im Gegenteil: wenn wir uns dem Wesen der Technik eigens öffnen, finden wir uns unverhofft in einen befreienden Anspruch genommen. Das Wesen der Technik beruht im Ge-stell. Sein Walten gehört in das Geschick. Weil dieses den Menschen jeweils auf einen Weg des Entbergens bringt, geht der Mensch, also unterwegs, immerfort am Rande der Möglichkeit, nur das im Bestellen Entborgene zu verfolgen und zu betreiben und von da her alle Maße zu nehmen. Hierdurch verschließt sich die andere Möglichkeit, daß der Mensch eher und mehr und stets anfänglicher auf das Wesen des Unverborgenen und seine Unverborgenheit sich einläßt, um die gebrauchte Zugehörigkeit zum Entbergen als sein Wesen zu erfahren. Zwischen diese Möglichkeiten gebracht, ist der Mensch aus dem Geschick her gefährdet. Das Geschick der Entbergung ist als solches in jeder seiner Weisen und darum notwendig Gefahr. In welcher Weise auch immer das Geschick der Entbergung walten mag, die Unverborgenheit, in der alles, was ist, sich jeweils zeigt, birgt die Gefahr, daß der Mensch sich am Unverborgenen versieht und es mißdeutet. So kann, wo
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alles Anwesende sich im Lichte des Ursache-WirkungZusammenhangs darstellt, sogar Gott für das Vorstellen alles Heilige und Hohe, das Geheimnisvolle seiner Ferne verlieren. Gott kann im Lichte der Kausalität zu einer Ursache, zur causa efficiens, herabsinken. Er wird dann sogar innerhalb der Theologie zum Gott der Philosophen, jener nämlich, die das Unverborgene und Verborgene nach der Kausalität des Machens bestimmen, ohne dabei jemals die Wesensherkunft dieser Kausalität zu bedenken. Insgleichen kann die Unverborgenheit, dergemäß sich die Natur als ein berechenbarer Wirkungszusammenhang von Kräften darstellt, zwar richtige Feststellungen verstatten, aber gerade durch diese Erfolge die Gefahr bleiben, daß sich in allem Richtigen das Wahre entzieht. Das Geschick der Entbergung ist in sich nicht irgendeine, sondern die Gefahra. Waltet jedoch das Geschick in der Weise des Ge-stells, dann ist es die höchste Gefahr. Sie bezeugt sich uns nach zwei Hinsichten. Sobald das Unverborgene nicht einmal mehr als Gegenstand, sondern ausschließlich als Bestand den Menschen angeht und der Mensch innerhalb des Gegenstandlosen nur noch der Besteller des Bestandes ist, – geht der Mensch am äußersten Rand des Absturzes, dorthin nämlich, wo er selber nur noch als Bestand genommen werden soll. Indessen spreizt sich gerade der so bedrohte Mensch in die Gestalt des Herrn der Erde auf. Dadurch macht sich der Anschein breit, alles, was begegne, bestehe nur, insofern es ein Gemächte des Menschen sei. Dieser Anschein zeitigt einen letzten trügerischen Schein. Nach ihm sieht es so aus, als begegne der Mensch überall nur noch a
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[1962, S. 26] 〈die Gefahr〉 vgl. Einblick [in das was ist] 1949* fahr [?] nachstellen
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sich selbst. Heisenberg hat mit vollem Recht darauf hingewiesen, daß sich dem heutigen Menschen das Wirkliche so darstellen muß (a. a. O. S. 60 ff.).* Indessen begegnet der Mensch heute in Wahrheit gerade nirgends mehr sich selber, d. h. seinem Wesen. Der Mensch steht so entschieden im Gefolge der Herausforderung des Ge-stells, daß er dieses nicht als einen Anspruch vernimmt, daß er sich selber als den im Ge-stell von diesem** Angesprochenen übersieht und damit auch jede Weise überhört, inwiefern er aus seinem Wesen her im Bereich eines Zuspruchs ek-sistiert und darum niemals nur sich selber begegnen kann. Allein,*** das Ge-stell gefährdet nicht nur den Menschen in seinem Verhältnis zu sich selbst und zu allem, was ist. Als Geschick verweist es in das Entbergen von der Art des Bestellens. Wo dieses herrscht, vertreibt es jede andere Möglichkeit der Entbergung. Vor allem verbirgt das Ge-stell jenes Entbergen, das im Sinne der poiÂhsiw das Anwesende ins Erscheinen her-vor-kommen läßt. Im Vergleich hierzu drängt das herausfordernde Stellen in den entgegengesetzt-gerichteten Bezug zu dem, was ist. Wo das Ge-stell waltet, prägen Steuerung und Sicherung des Bestandes alles Entbergen. Sie lassen sogar ihren eigenen Grundzug, nämlich dieses Entbergen als ein solches nicht mehr zum Vorschein kommen. So verbirgt denn das herausfordernde Ge-stell nicht nur eine vormalige Weise des Entbergens, das Her-vor-bringen, sondern es verbirgt das Entbergen als solches und mit ihm Jenes, worin sich Unverborgenheit, d. h. Wahrheita ereignet.b **** Das Ge-stell verstellt das Scheinen und Walten der a b
[1954] 〈(d.h. Wahrheit),〉***** [1954] Vg. d. U. [Vergessenheit des Unter-Schieds]
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Wahrheit. Das Geschick, das in das Bestellen schickt, ist somit die äußerste Gefahr. Das Gefährliche ist nicht die Technik. Es gibt keine Dä monie der Technik, wohl dagegen das Geheimnis ihres Wesens. Das Wesen der Technik ist als ein Geschick des Entbergens die Gefahr. Die gewandelte Bedeutung des Wortes »Ge-stell« wird uns jetzt vielleicht schon um einiges vertrauter, wenn wir Ge-stell im Sinne von Geschick und Gefahr denken. Die Bedrohung des Menschen kommt nicht erst von den möglicherweise tödlich wirkenden Maschinen und Apparaturen der Technik. Die eigentliche Bedrohung hat den Menschen bereits in seinem Wesen angegangen. Die Herrschaft des Ge-stells droht mit der Möglichkeit, daß dem Menschen versagt sein könnte, in ein ursprünglicheres Entbergen einzukehren und so den Zuspruch einer anfänglicheren Wahrheit zu erfahren. So ist denn, wo das Ge-stell herrscht, im höchsten Sinne Gefahr. Wo aber Gefahr ist, wächst Das Rettende auch.* Bedenken wir das Wort Hölderlins sorgsam. Was heißt »retten«? Gewöhnlich meinen wir, es bedeute nur: das vom Untergang Bedrohte gerade noch erhaschen, um es in seinem bisherigen Fortbestehen zu sichern. Aber »retten« sagt mehr. »Retten« ist: einholen ins Wesen, um so das Wesen erst zu seinem eigentlichen Scheinen zu bringen. Wenn das Wesen der Technik, das Ge-stell, die äußerste Gefahr ist und wenn zugleich Hölderlins Wort Wahres sagt, dann kann sich die Herrschaft des Ge-stells nicht darin erschöpfen, alles Leuchten jedes Entbergens, alles Scheinen der Wahrheit nur zu verstellen. Dann muß vielmehr gerade das
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Wesen der Technik das Wachstum des Rettenden in sich bergen. Könnte dann aber nicht ein zureichender Blick in das, was das Ge-stell als ein Geschick des Entbergens ist, das Rettende in seinem Aufgehen zum Scheinen bringen? Inwiefern wächst dort, wo Gefahr ist, das Rettende auch? Wo etwas wächst, dort wurzelt es, von dorther gedeiht es. Beides geschieht verborgen und still und zu seiner Zeit. Nach dem Wort des Dichters dürfen wir aber gerade nicht erwarten, dort, wo Gefahr ist, das Rettende unmittelbar und unvorbereitet aufgreifen zu können. Darum müssen wir jetzt zuvor bedenken, inwiefern in dem, was die äußerste Gefahr ist, inwiefern im Walten des Ge-stells das Rettende sogar am tiefsten wurzelt und von dorther gedeiht. Um solches zu bedenken, ist es nötig, durch einen letzten Schritt unseres Weges noch helleren Auges in die Gefahr zu blicken. Dementsprechend müssen wir noch einmal nach der Technik fragen. Denn in ihrem Wesen wurzelt und gedeiht nach dem Gesagten das Rettende. Wie sollen wir jedoch das Rettende im Wesen der Technik erblicken, solange wir nicht bedenken, in welchem Sinne von »Wesen« das Ge-stell eigentlich das Wesen der Technik ist? Bisher verstanden wir das Wort »Wesen« in der geläufigen Bedeutung. In der Schulsprache der Philosophie heißt »Wesen« jenes, was etwas ist, lateinisch: quid. Die quidditas, die Washeit gibt Antwort auf die Frage nach dem Wesen. Was z. B. allen Arten von Bäumen, der Eiche, Buche, Birke, Tanne, zukommt, ist das selbe Baumhafte. Unter dieses als die allgemeine Gattung, das »universale«, fallen die wirklichen und möglichen Bäume. Ist nun das Wesen der Technik, das Ge-stell, die gemeinsame Gattung für alles Technische? Träfe dies zu, dann wäre z. B. die Dampfturbine, wäre der Rundfunksender, wäre das Zyklotron ein
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Ge-stell. Aber das Wort »Ge-stell« meint jetzt kein Gerät oder irgendeine Art von Apparaturen. Es meint noch weniger den allgemeinen Begriff solcher Bestände. Die Maschinen und Apparate sind ebensowenig Fälle und Arten des Ge-stells wie der Mann an der Schalttafel und der Ingenieur im Konstruktionsbureau. All das gehört zwar als Bestandstück, als Bestand, als Besteller je auf seine Art in das Ge-stell, aber dieses ist niemals das Wesen der Technik im Sinne einer Gattung. Das Ge-stell ist eine geschickhafte Weise des Entbergens, nämlich das herausfordernde. Eine solche geschickhafte Weise ist auch das hervor bringende Entbergen, die poiÂhsiw. Aber diese Weisen sind nicht Arten, die nebeneinandergeordnet unter den Begriff des Entbergens fallen. Die Entbergung ist jenes Geschick, das sich je und jäh und allem Denken unerklärbar in das hervorbringende und herausfordernde Entbergen austeilt und dem Menschen sich entsprechend zuteilt.* Das herausfordernde Entbergen hat im hervorbringenden seine geschickliche Herkunft. Aber zugleich verstellt das Ge-stell geschickhaft die poiÂhsiw. So ist denn das Ge-stell als ein Geschick der Entbergung zwar das Wesen der Technik, aber niemals Wesen im Sinne der Gattung und der essentia. Beachten wir dies, dann trifft uns etwas Erstaunliches: die Technik ist es, die von uns verlangt, das, was man gewöhnlich unter »Wesen« versteht, in einem anderen Sinne zu denken. Aber in welchem? Schon wenn wir »Hauswesen«, »Staatswesen« sagen, meinen wir nicht das Allgemeine einer Gattung, sondern die Weise, wie Haus und Staat walten, sich verwalten, entfalten und verfallen. Es ist die Weise, wie sie wesen. Johann Peter Hebel gebraucht in einem Gedicht »Gespenst an der Kanderer Straße«,** das Goethe besonders liebte, das alte Wort »die Weserei«. Es bedeutet das Rathaus, insofern sich dort
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das Gemeindeleben versammelt und das dörfliche Dasein im Spiel bleibt, d. h. west. Vom Zeitwort »wesen« stammt erst das Hauptwort ab. »Wesen«, verbal verstanden, ist das Selbe wie »währen«; nicht nur bedeutungsmäßig, sondern auch in der lautlichen Wortbildung. Schon Sokrates und Platon denken das Wesen von etwas als das Wesende im Sinne des Währenden. Doch sie denken das Währende als das Fortwährende (aÆeiÁ oÍn). Das Fortwährende finden sie aber in dem, was sich als das Bleibende durchhält bei jeglichem, was vorkommt. Dieses Bleibende wiederum entdekken sie im Aussehen (ekdow, ÆideÂa), z. B. in der Idee »Haus«. In ihr zeigt sich jenes, was jedes so Geartete ist. Die einzelnen wirklichen und möglichen Häuser sind dagegen wechselnde und vergängliche Abwandlungen der »Idee« und gehören deshalb zu dem Nichtwährenden. Nun ist aber auf keine Weise jemals zu begründen, daß das Währende einzig und allein in dem beruhen soll, was Platon als die ÆideÂa, Aristoteles als toÁ ti hËn eknai (jenes, was jegliches je schon war), was die Metaphysik in den verschiedensten Auslegungen als essentia denkt. Alles Wesende währt. Aber ist das Währende nur das Fortwährende? Währt das Wesen der Technik im Sinne des Fortwährens einer Idee, die über allem Technischen schwebt, so daß von hier aus der Anschein entsteht, der Name »die Technik« meine ein mythisches Abstraktum? Wie die Technik west, läßt sich nur aus jenem Fortwähren ersehen, worin sich das Ge-stell als ein Geschick des Entbergens ereignet. Goethe gebraucht einmal (Die Wahlverwandtschaften II. Teil, 10. Kap., in der Novelle »Die wunderlichen Nachbarskinder«)* statt »fortwähren« das geheimnisvolle Wort »fortgewähren«. Sein Ohr hört hier »währen« und »gewähren« in einem unausgesprochenen Einklang. Bedenken wir nun aber nachdenklicher als bis-
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her, was eigentlich währt und vielleicht einzig währt, dann dürfen wir sagen: Nur das Gewährte währt. Das anfänglich aus der Frühe Währende ist das Gewährende. Als das Wesende der Technik ist das Ge-stell das Währende. Waltet dieses gar im Sinne des Gewährenden? Schon die Frage scheint ein offenkundiger Mißgriff zu sein. Denn das Ge-stell ist doch nach allem Gesagten ein Geschick, das in die herausfordernde Entbergung versammelt. Herausfordern ist alles andere, nur kein Gewähren. So sieht es aus, solange wir nicht darauf achten, daß auch das Herausfordern in das Bestellen des Wirklichen als Bestand immer noch ein Schicken bleibt, das den Menschen auf einen Weg des Entbergens bringt.a Als dieses Geschick läßt das Wesende der Technik den Menschen in Solches ein, was er selbst von sich aus weder erfinden, noch gar machen kann; denn so etwas wie einen Menschen, der einzig von sich aus nur Mensch ist, gibt es nicht. Allein,* wenn dieses Geschick, das Ge-stell, die äußerste Gefahr ist, nicht nur für das Menschenwesen, sondern für alles Entbergen als solches, darf dann dieses Schicken noch ein Gewähren heißen? Allerdings, und vollends dann, wenn in diesem Geschick das Rettende wachsen sollte. Jedes Geschick eines Entbergens ereignet sich aus dem Gewähren und als ein solches. Denn dieses trägt dem Menschen erst jenen Anteil am Entbergen zu, den das Ereignis der Entbergung braucht. Als der so Gebrauchte ist der Mensch dem Ereignis der Wahrheit vereignet.b Das Gewährende, das so oder so in die Entbergung schickt, ist als solches das Rettende. Denn dieses läßt den Menschen in die a b
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[1962, S. 31] ob[en] 24** [1962, S. 32] 〈Als der so Gebrauchte ist der Mensch dem Ereignis der Wahrheit vereignet.〉
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höchste Würdea seines Wesens schauen und einkehren. Sie beruht darin, die Unverborgenheit und mit ihr je zuvor die Verborgenheit alles Wesens auf dieser Erde zu hüten. Gerade im Ge-stell*, das den Menschen in das Bestellen als die vermeintlich einzige Weise der Entbergung fortzureißen droht und so den Menschen in die Gefahr der Preisgabe seines freien Wesens stößt, gerade in dieser äußersten Gefahr kommt die innigste, unzerstörbare Zugehörigkeit des Menschen in das Gewährende zum Vorschein, gesetzt, daß wir an unserem Teil beginnen, auf das Wesen der Technik zu achten.** So birgt denn, was wir am wenigsten vermuten, das Wesende der Technik den möglichen Aufgang des Rettenden in sich. Darum liegt alles daran, daß wir den Aufgang bedenken und andenkend hüten. Wie geschieht dies? Vor allem anderen so, daß wir das Wesende in der Technik erblicken, statt nur auf das Technische zu starren. Solange wir die Technik als Instrument vorstellen, bleiben wir im Willen hängen, sie zu meistern. Wir treiben am Wesen der Technik vorbei. Fragen wir indessen, wie das Instrumentale als eine Art des Kausalen west, dann erfahren wir dieses Wesende als das Geschick eines Entbergens. Bedenken wir zuletzt, daß das Wesende des Wesens sich im Gewährenden ereignetb, das den Menschen in den Anteil am Entbergen braucht, dann zeigt sich: Das Wesen der Technik ist in einem hohen Sinne zweideutig. Solche Zweideutigkeit deutet in das Geheimnis aller Entbergung, d. h. der Wahrheit. a b
[1954] 〈höchste Würde〉*** [1962, S. 33] das Eignis selbst –
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Einmal fordert das Ge-stell in das Rasende des Bestellens heraus, das jeden Blick in das Ereignis der Entbergung verstellt und so den Bezug zum Wesen der Wahrheit von Grund auf gefährdet. Zum anderen ereignet sich das Ge-stell seinerseits im Gewährenden*, das den Menschen darin währen läßt, unerfahren bislang, aber erfahrener vielleicht künftig, der Gebrauchtea zu sein zur Wahrnis des Wesens der Wahrheit.b So erscheint der Aufgang des Rettenden.** Das Unaufhaltsame des Bestellens und das Verhaltene des Rettenden ziehen aneinander vorbei wie im Gang der Gestirne die Bahn zweier Sterne. Allein, dieser ihr Vorbeigang ist das Verborgene ihrer Nähe. Blicken wir in das zweideutige Wesen der Technik, dann erblicken wir die Konstellation, den Sternengang des Geheimnisses. Die Frage nach der Technik ist die Frage nach der Konstellation, in der sich Entbergung und Verbergung, in der sich das Wesende der Wahrheit ereignet. Doch was hilft uns der Blick in die Konstellation der Wahrheit? Wir blicken in die Gefahr und erblicken das Wachstum des Rettenden. Dadurch sind wir noch nicht gerettet. Aber wir sind daraufhin angesprochen, im wachsenden Licht des Rettenden zu verhoffen. Wie kann dies geschehen? Hier und jetzt und im Geringen so, daß wir das Rettende in seinem Wachstum hegen. Dies schließt ein, daß wir jederzeit die äußerste Gefahr im Blick behalten. Das Wesende der Technik bedroht das Entbergen, droht mit der Möglichkeit, daß alles Entbergen im Bestellen aufa b
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[1962, S. 33] 〈der Gebrauchte〉 [1954] 33/34***
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geht und alles sich nur in der Unverborgenheit des Bestandes darstellt. Menschliches Tun kann nie unmittelbar dieser Gefahr begegnen. Menschliche Leistung kann nie allein die Gefahr bannen. Doch menschliche Besinnung kann bedenken, daß alles Rettende höheren, aber zugleich verwandten Wesens sein muß wie das Gefährdete. Vermöchte es dann vielleicht ein anfänglicher gewährtes Entbergen, das Rettende zum ersten Scheinen zu bringen inmitten der Gefahr, die sich im technischen Zeitalter eher noch verbirgt als zeigt? Einstmals trug nicht nur die Technik den Namen teÂxnh. Einstmals hieß teÂxnh auch jenes Entbergen, das die Wahrheit in den Glanz des Scheinenden hervorbringt. Einstmals hieß teÂxnh auch das Hervorbringen des Wahren in das Schöne. TeÂxnh hieß auch die poiÂhsiw der Schönen Künste. Am Beginn des abendländischen Geschickes stiegen in Griechenland die Künste in die höchste Höhe des ihnen gewährten Entbergens. Sie brachten die Gegenwart der Götter, brachten die Zwiesprache des göttlichen und menschlichen Geschickes zum Leuchten. Und die Kunst hieß nur teÂxnh. Sie war ein einziges, vielfältiges Entbergen. Sie war fromm, proÂmow, d. h. fügsama dem Walten und Verwahren der Wahrheit.* Die Künste entstammten nicht dem Artistischen. Die Kunstwerke wurden nicht ästhetisch genossen. Die Kunst war nicht Sektor eines Kulturschaffens. Was war die Kunst? Vielleicht nur für kurze, aber hohe Zeiten? Warum trug sie den schlichten Namen teÂxnh? Weil sie ein her- und vor-bringendes Entbergen war und darum in die poiÂhsiw gehörte. Diesen Namen erhielt zuletzt jenes a
[1962, S. 34] 〈 fügsam〉
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Entbergen als Eigennamen, das alle Kunst des Schönen durchwaltet, die Poesie, das Dichterische. Der selbe Dichter, von dem wir das Wort hörten: Wo aber Gefahr ist, wächst Das Rettende auch. sagt uns: … dichterisch wohnet der Mensch auf dieser Erde.* Das Dichterische bringt das Wahre in den Glanz dessen, was Platon im »Phaidros« toÁ eÆkfaneÂstaton nennt, das am reinsten Hervorscheinende. Das Dichterische durchwest jede Kunst, jede Entbergung des Wesenden ins Schöne. Sollten die schönen Künste in das dichterische Entbergen gerufen sein? Sollte das Entbergen sie anfänglicher in den Anspruch nehmen, damit sie so an ihrem Teil das Wachstum des Rettenden eigens hegen, Blick und Zutrauen in das Gewährende neu wecken und stiften? Ob der Kunst diese höchste Möglichkeit ihres Wesens inmitten der äußersten Gefahr gewährt ist, vermag niemand zu wissen. Doch wir können erstaunen. Wovor? Vor der anderen Möglichkeit, daß überall das Rasende der Technik sich einrichtet, bis eines Tages durch alles Technische hindurch das Wesen der Technik west im Ereignis der Wahrheita. Weil das Wesen der Technik nichts Technisches ist, darum muß die wesentliche Besinnung auf die Technik und die entscheidende Auseinandersetzung mit ihr in einem Bereich geschehen, der einerseits mit dem Wesen der a
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[1954] 〈das Wesen der Technik west im Ereignis der Wahrheit〉**
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Technik verwandt und andererseits von ihm doch grundverschieden ist.* Ein solcher Bereich ist die Kunst. Freilich nur dann, wenn die künstlerische Besinnung ihrerseits sich der Konstellation der Wahrheit nicht verschließt, nach der wir fragen. Also fragend bezeugen wir den Notstand, daß wir das Wesende der Technik vor lauter Technik noch nicht erfahren, daß wir das Wesende der Kunst vor lauter Ästhetik nicht mehr bewahren. Je fragender wir jedoch das Wesen der Technik bedenken, um so geheimnisvoller wird das Wesen der Kunst. Je mehr wir uns der Gefahr nähern, um so heller beginnen die Wege ins Rettende zu leuchten, um so fragender werden wir. Denn das Fragen ist die Frömmigkeit des Denkens.
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WISSENSCHAFT UND BESINNUNG a *
ach einer geläufigen Vorstellung bezeichnen wir den Bereich, worin sich die geistige und schöpferische Tätigkeit des Menschen abspielt, mit dem Namen »Kultur«. Zu ihr rechnet auch die Wissenschaft, deren Pflege und Organisation. Die Wissenschaft ist so unter die Werte eingereiht, die der Mensch schätzt, denen er aus verschiedenen Beweggründen sein Interesse zuwendet. Solange wir die Wissenschaft jedoch nur in diesem kulturellen Sinne nehmen, ermessen wir weder die Herkunft noch die aus dieser verfügten Tragweite ihres Wesens.** Das Gleiche gilt von der Kunst. Noch heute nennt man beide gern zusammen: Kunst und Wissenschaft. Auch die Kunst läßt sich als ein Sektor des Kulturbetriebes vorstellen. Aber man erfährt dann nichts von ihrem Wesen. Auf dieses gesehen, ist die Kunst eine Weihe und ein Hort***, worin das Wirkliche seinen bislang verborgenen Glanz jedesmal neu dem Menschen verschenkt, damit er in solcher Helle reiner schaue und klarer höre, was sich seinem Wesen zuspricht. Sowenig wie die Kunst ist die Wissenschaft nur eine kulturelle Betätigung des Menschen. Die Wissenschaft ist eine und zwar entscheidende Weise, in der sich uns alles, was ist, darstellt.b c
N
a b c
[1954] wie Be-steigung [1954] wesentlicher (vom Ge-Stell her) [1954] 〈sich uns alles, was ist,〉 〈dar-stellt〉**** vgl. 51
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Darum müssen wir sagen: die Wirklichkeit, innerhalb der sich der heutige Mensch bewegt und zu halten versucht, wird nach ihren Grundzügen in zunehmendem Maße durch das mitbestimmt, was man die abendländischeuropäische Wissenschaft nennt.* Wenn wir diesem Vorgang nachsinnen, dann zeigt sich, daß die Wissenschaft im Weltkreis des Abendlandes und in den Zeitaltern seiner Geschichte eine sonst nirgends auf der Erde antreffbare Macht entfaltet hat und dabei ist, diese Macht über den ganzen Erdball zu legen.** Ist nun die Wissenschaft nur ein menschliches Gemächte, das sich in eine solche Herrschaft hochgetrieben hat, so daß man meinen könnte, es ließe sich eines Tages durch menschliches Wollen, durch Beschlüsse von Kommissionen auch wieder abbauen? Oder waltet hier ein größeres Geschick?a b Herrscht in der Wissenschaft anderes noch als ein bloßes Wissenwollenc von seiten des Menschen? So ist es in der Tat. Ein Anderes waltet. Aber dieses Andere verbirgt sich uns, solange wir den gewohnten Vorstellungen über die Wissenschaft nachhängen. Dieses Andere ist ein Sachverhalt, der durch alle Wissenschaften hindurch waltet, ihnen selber jedoch verborgen bleibt.d Damit dieser Sachverhalt in unseren Blick kommt, muß jedoch eine hinreichende Klarheit darüber bestehen, was die Wissenschaft iste. Wie sollen wir dies erfahren? Am sichersten, so scheint es, dadurch, daß wir den heutigen a b c d
e
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[1954] 〈Oder waltet hier ein größeres Geschick?〉 57 [1954] 〈Oder waltet hier ein größeres Geschick?〉 Ge-stell [1954] 〈bloßes Wissenwollen〉 [1954] 〈Dieses Andere ist ein Sachverhalt, der durch alle Wissenschaften hindurch waltet, ihnen selber jedoch verborgen bleibt.〉*** [1954] 〈was die Wissenschaft ist〉 vgl. 59
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Wissenschaftsbetrieb schildern. Eine solche Darstellung könnte zeigen, wie die Wissenschaften seit geraumer Zeit sich immer entschiedener und zugleich unauffälliger in alle Organisationsformen des modernen Lebens verzahnen: in die Industrie, in die Wirtschaft, in den Unterricht, in die Politik, in die Kriegführung, in die Publizistik jeglicher Art. Diese Verzahnung zu kennen, ist wichtig. Um sie jedoch darstellen zu können, müssen wir zuvor erfahren haben,a worin das Wesen der Wissenschaft beruht.b Dies läßt sich in einem knappen Satz aussagen. Er lautet: Die Wissenschaft ist die Theorie des Wirklichen.c Der Satz will weder eine fertige Definition, noch eine handliche Formel liefern. Der Satz enthält lauter Fragen. Sie erwachen erst, wenn der Satz erläutert wird. Vordem müssen wir beachten, daß der Name »Wissenschaft« in dem Satz »Die* Wissenschaft ist die Theorie des Wirklichen« stets und nur die neuzeitlich-moderne Wissenschaft meint. Der Satz »Die** Wissenschaft ist die Theorie des Wirklichen« gilt weder für die Wissenschaft des Mittelalters, noch für diejenige des Altertums. Von einer Theorie des Wirklichen bleibt die mittelalterliche doctrina ebenso wesentlich verschieden wie diese wiederum gegenüber der antiken eÆpisthÂmh.d Gleichwohl gründet das Wesen der modernen Wissenschaft, die als europäische inzwischen planetarisch geworden ist, im Denken der Griechen, das seit Platon Philosophie heißt. a
b
c d
[1954] vorgreifend – auf das Ganze des Vortrags: I. und II. Schritt – (III.) 68 müssen wir zunächst das Wesen d[er] Wiss[enschaft] gekennzeichnet haben. Dann bleibt zu fragen, worin das Wesen beruht.*** [1954] 〈müssen wir zuvor erfahren haben, worin das Wesen der Wissenschaft beruht〉**** [1954] 59 (II.)***** [1954] 57
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Durch diesen Hinweis soll der umwälzende Charakter der neuzeitlichen Art des Wissens in keiner Weise abgeschwächt werden; ganz im Gegenteil: das Auszeichnende des neuzeitlichen Wissens besteht in der entschiedenen Herausarbeitung eines Zuges, der im Wesen des griechisch erfahrenen Wissens noch verborgen bleibt und der das griechische gerade braucht, um dagegena ein anderes Wissen zu werden. Wer es heute wagt, fragend, überlegend und so bereits mithandelnd dem Tiefgang der Welterschütterung zu entsprechen, die wir stündlich erfahren, der muß nicht nur beachten, daß unsere heutige Welt vom Wissenwollen der modernen Wissenschaft durchherrscht wird, sondern er muß auch und vor allem anderen bedenken, daß jede Besinnung auf das, was jetzt istb, nur aufgehen und gedeihen kann, wenn sie durch ein Gespräch mit den griechischen Denkern und deren Sprache ihre Wurzeln in den Grund unseres geschichtlichen Daseins schlägt. Dieses Gespräch wartet noch auf seinen Beginn. Es ist kaum erst vorbereitet und bleibt selbst wieder für uns die Vorbedingung für das unausweichliche Gespräch mit der ostasiatischen Welt. Das Gespräch mit den griechischen Denkern und das heißt zugleich Dichtern, meint jedoch keine moderne Renaissance der Antike. Es meint ebensowenig eine historische Neugier für solches, was inzwischen zwar vergangen ist, aber noch dazu dienen könnte, uns einige Züge der modernen Welt historisch in ihrer Entstehung zu erklären. Das in der Frühe des griechischen Altertums Gedachte und Ge dichtete ist heute noch gegenwärtig, so gegenwärtig, daß sein ihm selber noch verschlossenes Wesen uns a b
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[1954] 〈dagegen〉 [1954] 〈was jetzt ist〉*
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überall entgegenwartet und auf uns zukommt, dort am meisten, wo wir solches am wenigsten vermuten, nämlich in der Herrschaft der modernen Technik, die der Antike durchaus fremd ist, aber gleichwohl in dieser ihre Wesensherkunft hat. Um diese Gegenwart der Geschichte zu erfahren, müssen wir uns aus der immer noch herrschenden historischen Vorstellung der Geschichte lösen. Das historische Vorstellen nimmt die Geschichte als einen Gegenstand, worin ein Geschehen abläuft, das in seiner Wandelbarkeit zugleich vergeht. In dem Satz »Die* Wissenschaft ist die Theorie des Wirklichen« bleibt früh Gedachtes, früh Geschicktesa gegenwärtig. Wir erläutern jetzt den Satz nach zwei Hinsichten. Wir fragen einmal: Was heißt »das Wirkliche«? Wir fragen zum andern: Was heißt »die Theorie«? Die Erläuterung zeigt zugleich, wie beide, das Wirkliche und die Theorie, aus ihrem Wesen aufeinander zugehen. Um zu verdeutlichen, was im Satz »Die** Wissenschaft ist die Theorie des Wirklichen« der Name »das Wirkliche« meint, halten wir uns an das Wort. Das Wirkliche erfüllt den Bereich des Wirkenden, dessen, was wirkt. Was heißt »wirken«? Die Beantwortung der Frage muß sich an die Etymologie halten. Doch entscheidend bleibt, wie dies geschieht. Das bloße Feststellen der alten und oft nicht mehr sprechenden Bedeutung der Wörter, das Aufgreifen dieser Bedeutung in der Absicht, sie in einem neuen Sprachgebrauch zu verwenden, führt zu nichts, es sei denn zur Willkür. Es gilt vielmehr, im Anhalt an die frühe Wortbedeua
[1954] 〈 früh Geschicktes〉
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tung und ihren Wandel den Sachbereicha zu erblicken, in den das Wort hineinspricht. Es gilt, diesen Wesensbereich als denjenigen zu bedenken, innerhalb dessen sich die durch das Wort genannte Sache bewegt. Nur so sprichtb das Wort, und zwar im Zusammenhang der Bedeutungen, in die sich die von ihm ge nannte Sache durch die Geschichtec des Denkens und Dichtens hindurch entfaltet. »Wirken« heißt »tun«. Was heißt »tun«? Das Wort gehört zum indogermanischen Stamm dhe¯; daher stammt auch das griechische ûeÂsiwd: Setzung, Stellung, Lage. Aber dieses Tun ist nicht nur als menschliche Tätigkeit gemeint, vor allem nicht als Tätigkeit im Sinne der Aktion und des Agierens. Auch Wachstum, Walten der Natur (fyÂsiw) ist ein Tun und zwar in dem genauen Sinne der ûeÂsiw. Erst in späterer Zeit gelangen die Titel fyÂsiw und ûeÂsiw in einen Gegensatz, was wiederum nur deshalb möglich wird, weil ein Selbiges sie bestimmt. FyÂsiw ist ûeÂsiw: von sich aus etwas vor-legen, es her-stellen, her- und vor-bringen, nämlich ins Anwesene. Das in solchem Sinne Tuende ist das Wirkende, ist das An-wesende in seinem Anwesen. Das so verstandene Wort »wirken«, nämlich her- und vor-bringenf, nennt somit eine Weise, wie Anwesendes anwest. Wirken ist herund vor-bringen, sei es, daß etwas sich von sich aus her ins Anwesen vor-bringt, sei es, daß der Mensch das Her- und Vor-bringen von etwas leistet. In der Sprache des Mittelalters besagt unser deutsches Wort »wirken« noch das Hera b c d e
f
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[1954] 〈den Sachbereich〉 [1954] 〈spricht〉 [1954] 〈Geschichte〉 [1954] vgl. 28 [1954] 〈es her-stellen, (her- und vor-bringen), nämlich ins Anwesen〉* [1954] 〈nämlich her- und vor-bringen〉** -legen und -stellen
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vorbringen von Häusern, Geräten, Bildern; später verengt sich die Bedeutung von »Wirken« auf das Hervorbringen im Sinne von nähen, sticken, weben.a Das Wirkliche ist das Wirkende, Gewirkte: das ins Anwesen Her-vor-bringende und Her-vor-gebrachte. »Wirklichkeit«b meint dann, weit genug gedacht: das ins Anwesen hervor-gebrachte Vorliegen, das in sich vollendete Anwesen von Sichhervorbringendem. »Wirken« gehört zum indogermanischen Stamm uerg, daher unser Wort »Werk« und das griechische eÍrgon. Aber nicht oft genug kann eingeschärft werden: Der* Grundzug von Wirken und Werk beruht nicht im efficere und effectusc, sondern darin, daß etwas ins Unverborgene zu stehen und zu liegen kommt. Auch dort, wo die Griechen – nämlich Aristoteles – von dem sprechen, was die Lateiner causa efficiens nennen, meinen sie niemals das Leisten eines Effekts.d Das im eÍrgon sich Vollendende ist das ins volle Anwesen Sich-hervorbringendee; eÍrgon ist das, was im eigentlichen und höchsten Sinne an–-west. Darum und nur darum nennt Aristoteles die Anwesenheit des eigentlich Anwesenden die eÆneÂrgeia oder auch die eÆnteleÂxeia: das Sich-in-der-Vollendung (nämlich des Anwesens)-halten. Diese von Aristoteles für das eigentliche Anwesen des Anwesenden geprägten Namen sind in dem, was sie sagen, durch einen Abgrund gea
b c d e
[1954] besser die Rede von legen und stellen im Hinblick auf Vor-liegendes (yëpokeiÂmenon, sub-iectum) und her-stellen – vorstellen i[m] Hinbl[ick] auf Gegen-stand dagegen das Wort »bringen« aufbewahren für Anderes – aus dem E [Ereignis] Gedachtes. [1954] 〈»Wirklichkeit«〉 [1954] i[m] S[inne] von Effekt qua Erfolg und Resultat [?]** [1954] vgl. Der Satz v[om] Grund*** [1954] 〈Sich-hervor-(bringende)〉 legende – stellende
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trennt von der späteren neuzeitlichen Bedeutung von eÆneÂrgeia im Sinne von »Energie« und eÆnteleÂxeia im Sinne von »Entelechie« als Wirkanlage und Wirkfähigkeit. Das aristotelische Grundwort für das Anwesen, eÆneÂrgeia, ist nur dann sachgerecht durch unser Wort »Wirklichkeit« übersetzt, wenn wir unsererseits »wirken« griechisch denken im Sinne von: her – ins Unverborgene, vor – ins Anwesen bringen. »Wesen« ist dasselbe Wort wie »währen«, bleiben. Anwesen denken wir als währen dessen, was, in der Unverborgenheit angekommen, da verbleibt. Seit der Zeit nach Aristoteles wird jedoch diese Bedeutung von eÁneÂrgeia: im-Werk-Währen, verschüttet zugunsten anderer. Die Römer übersetzen, d. h. denken eÍrgon von der operatio als actio her und sagen statt eÆneÂrgeia: actus, ein ganz anderes Wort mit einem ganz anderen Bedeutungsbereich. Das Her- und Vor-gebrachte erscheint jetzt als das, was sich aus einer operatio er-gibt. Das Ergebnis ist das, was aus einer und auf eine actio folgt: der Er-folg. Das Wirkliche ist jetzt das Erfolgte. Der Erfolg wird durch eine Sache erbracht, die ihm voraufgeht, durch die Ursache (causa). Das Wirkliche erscheint jetzt im Lichte der Kausalität der causa efficiens. Selbst Gott wird in der Theologie, nicht im Glauben, als causa prima, als die erste Ursache, vorgestellt. Schließlich drängt sich im Verfolg der Ursache-Wirkungsbeziehung das Nacheinander in den Vordergrund und damit der zeitliche Ablauf. Kant erkennt die Kausalität als eine Regel der Zeitfolge. In den jüngsten Arbeiten von Werner Heisenberg* ist das Kausalproblem ein rein mathematisches Zeitmessungsproblem. Allein mit diesem Wandel der Wirklichkeit des Wirklichen ist noch ein anderes, nicht minder Wesentliches verbunden. Das Erwirkte im Sinne des Erfolgten zeigt sich als Sache, die sich in einem Tun, das heißt jetzt Leisten und Arbeiten, herausgestellt
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hat. Das in der Tat solchen Tuns Erfolgte ist das Tatsächliche. Das Wort »tatsächlich« spricht heute im Sinne des Versicherns und besagt so viel wie »gewiß« und »sicher«. Statt »es ist gewiß so«, sagen wir »es ist tatsächlich so«, »es ist wirklich so«. Daß nun aber das Wort »wirklich« mit dem Beginn der Neuzeit, seit dem 17. Jahrhundert, so viel bedeutet wie »gewiß«, ist weder ein Zufall, noch eine harmlose Laune des Bedeutungswandels bloßer Wörter. Das »Wirkliche« im Sinne des Tatsächlichen bildet jetzt den Gegensatz zu dem, was einer Sicherstellung nicht standhält und sich als bloßer Schein oder als nur Gemeintes vorstellt. Allein, auch in dieser mannigfach gewandelten Bedeutung behält das Wirkliche immer noch den früheren, aber jetzt weniger oder anders hervorkommenden Grundzug des Anwesenden, das sich von sich her herausstellta. Aber jetzt stellt es sich dar im Erfolgen.b Der Erfolg ergibt, daß das Anwesende durch ihn zu einem gesicherten Standc gekommen ist und als solcher Stand dem Vorstellen* begegnet. Das Wirkliche zeigt sich jetzt als GegenStand. Das Wort »Gegenstand« entsteht erst im 18. Jahrhundert, und zwar als die deutsche Übersetzung des lateinischen »obiectum«. Es hat seine tieferen Gründe, warum die Worte »Gegenstand« und »Gegenständlichkeit«d für Goethee ein besonderes Gewicht empfangen. Aber weder das mittelalterliche noch das griechische Denken stellen das Anwesende als Gegenstand vor. Wir nennen jetzt die Art der Anwesenheit des Anwesenden, das in der Neuzeit als a b c d e
[1954] 〈von sich her herausstellt〉** [1954] sich dar-stellen – vgl. ob[en] 45. [1954] (der Bestand) [1954] 56 [1954] 〈Goethe〉
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Gegenstand erscheint, die Gegenständigkeit. Sie ist in erster Linie ein Charakter des Anwesenden selber.* Wie jedoch die Gegenständigkeit des Anwesenden zum Vorschein gebracht und das Anwesende zum Gegenstand für ein Vor-stellen wird, kann sich uns erst zeigen, wenn wir fragen: Was** ist das Wirkliche in bezug auf die Theorie und somit in gewisser Weise mit durch diese?a Anders gewendet fragen wir jetzt: Was heißt im Satz »Die Wissenschaft ist die Theorie des Wirklichen« das Wort »Theorie«? Der Name »Theorie« stammt von dem griechischen Zeitwort ûevrejn. Das zugehörige Hauptwort lautet ûevriÂa. Diesen Worten eignet eine hohe und geheimnisvolle Bedeutung. Das Zeitwort ûevrejn ist aus zwei Stammworten zusammengewachsen: ûeÂa und oëraÂv. UeÂa (vgl. Theater) ist der Anblick, das Aussehen, worin sich etwas zeigt, die Ansicht, in der es sich darbietet. Platon nennt dieses Aussehen, worin Anwesendes das zeigt, was es istb, ekdow. Dieses Aussehen gesehen haben, eiÆdeÂnai, ist Wissen. Das zweite Stammwort in ûevrejn, das oëraÂv, bedeutet: etwas ansehen, in den Augenschein nehmen, es be-sehen. So ergibt sich: ûevrejn ist ûeÂan oërfy: den Anblick, worin das Anwesende erscheint, ansehen und durch solche Sicht bei ihm sehend verweilen***. Diejenige Lebensart (biÂow), die aus dem ûevrejn ihre Bestimmung empfängt und ihm sich weiht, nennen die Griechen den biÂow ûevrhtikoÂw, die Lebensart des Schauenden,derindasreineScheinendesAnwesendenschaut.**** Im Unterschied dazu ist der biÂow praktikoÂw die Lebensart, die sich dem Handeln und Herstellen widmet. Bei dieser Unterscheidung müssen wir jedoch stets eines festhalten: a b
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[1954] die Theorie »des« Wirklichen – (der Genitiv!) [1954] 〈das zeigt,〉 als was es anwest (was es ist)〉
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für die Griechen ist der biÂow ûevrhtikoÂw, das schauende Leben, zumal in seiner reinsten Gestalt als Denkena, das höchste Tun. Die ûevriÂa ist in sich, nicht erst durch eine dazukommende Nutzbarkeit, die vollendete Gestalt menschlichen Daseins. Denn die ûevriÂa ist der reine Bezug zu denb Anblicken des Anwesenden, die durch ihr Scheinen den Menschen angehen, indem sie die Gegenwart der Götter be-scheinen. Die weitere Kennzeichnung des ûevrejn, daß es die aÆrxai und aiÆtiÂai des Anwesenden vor das Vernehmen und Darlegen bringt, kann hier nicht gegeben werdenc; denn dies verlangte eine Besinnung darauf, was das griechische Erfahren unter dem verstand, was wir seit langem als principium und causa, Grund und Ursache, vorstellen (vgl. Aristoteles, Eth. Nic. VI c. 2, 1139 a sq*). Mit dem höchsten Rang der ûevriÂa innerhalb des griechischen biÂow hängt zusammen, daß die Griechen, die auf eine einzigartige Weise aus ihrer Sprache dachten, d. h. ihr Dasein empfingen, im Wort ûevriÂa noch Anderes mithören mochten. Die beiden Stammworte ûea und oëraÂv können in anderer Betonung lauten: ûea und vÍra. Uea ist die Göttin. Als solche erscheint dem frühen Denker Parmenides die ÆAlhÂûeia, die Unverborgenheit, aus der und in der Anwesendes anwest. Wir übersetzen aÆlhÂûeia durch das lateinische Wort »veritas« und unser deutsches Wort »Wahrheit«. Das griechische Wort vÍra bedeutet die Rücksicht, die wir nehmen, die Ehre und Achtung, die wir schenken. Denken wir das Wort ûevriÂa jetzt aus den zuletzt genannten Wortbedeutungen, dann ist die ûevriÂa das verehrende a b c
[1954] 〈als Denken〉** [1954] 〈den〉 Berg – Meer – Himmel – [1954] vgl. Der Satz v[om] Grund***
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Be-achten* der Unverborgenheit des Anwesenden. Die Theorie im alten und das heißt frühen, keineswegs veralteten Sinne ist das hütende Schauen der Wahrheit.** Unser althochdeutsches Wort wara (wovon wahr, wahren und Wahrheit) geht in denselben Stamm zurück wie das griechische oëraÂv, vÍra: Üora. Das mehrdeutige und nach jeder Hinsicht hohe Wesen der griechisch gedachten Theorie bleibt verschüttet, wenn wir heute in der Physik von der Relativitätstheorie, in der Biologie von der Deszendenztheorie, in der Historie von der Zyklentheorie, in der Jurisprudenz von der Naturrechtstheorie sprechen. Gleich wohl zieht durch die modern verstandene »Theorie« immer noch der Schatten der frühen ûevriÂa. Jene lebt aus dieser und zwar nicht nur in dem äußerlich feststellbaren Sinne einer geschichtlichen Abhängigkeit. Was sich hier ereignet, wird deutlicher, wenn wir jetzt fragen: Was*** ist im Unterschied zur frühen ûevriÂa »die Theorie«, die in dem Satz genannt wird: »Die moderne Wissenschaft ist die Theorie des Wirklichen«? Wir antworten mit der nötigen Kürze, indem wir einen anscheinend äußerlichen Weg wählen. Wir achten darauf, wie die griechischen Worte ûevrejn und ûevriÂa in die lateinische und in die deutsche Sprache übersetzt werden. Wir sagen mit Bedacht »die Worte« und nicht die Wörter, um anzudeuten, daß sich im Wesen und Walten der Sprache jedesmal ein Schicksal entscheidet****. Die Römer übersetzen ûevrejn durch contemplari, ûevriÂa durch contemplatio. Diese Übersetzung, die aus dem Geist der römischen Sprache und das heißt des römischen Daseins kommt, bringt das Wesenhafte dessen, was die griechischen Worte sagen, mit einem Schlag zum Verschwinden. Denn contemplari heißt: etwas in einen Abschnitt einteilen und darin umzäunen. Templum ist
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das griechische teÂmenow, das einer ganz anderen Erfahrung entspringt als das ûevrejn. TeÂmnein heißt: schneiden, abteilen. Das Unzerschneidbare ist das aÍtmhton, aÍ-tomon, Atom. Das lateinische templum bedeutet ursprünglich den am Himmel und auf der Erde herausgeschnittenen Abschnitt, die Himmelsrichtung, Himmelsgegend nach dem Sonnengang. Innerhalb dieser stellen die Vogeldeuter ihre Beobachtungen an, um aus Flug, Geschrei und Fressen der Vögel die Zukunft festzustellen (vgl. Ernout-Meillet, Dictionnaire e´tymologique de la langue latine, 31951, p. 1202: contemplari dictum est a templo, i. e. loco qui ab omni parte aspici, vel ex quo omnis pars videri potest, quem antiqui templum nominabant).* In der zur contemplatio gewordenen ûevriÂa meldet sich das bereits im griechischen Denken mitvorbereitete Moment des einschneidenden, aufteilenden Zusehens. Der Charakter des eingeteilten, eingreifendena Vorgehens gegenb das, was ins Auge gefaßt werden soll, macht sich im Erkennenc geltend. Allein, auch jetzt noch bleibt die vita contemplativa von der vita activa unterschieden. In der Sprache der christlich-mittelalterlichen Frömmigkeit und Theologie gewinnt die genannte Unterscheidung wiederum einen anderen Sinn. Er hebt das beschaulich-klösterliche Leben gegen das weltlich-tätige ab. Die deutsche Übersetzung für contemplatio lautet: Betrachtung. Das griechische ûevrejn, das Besehen des Aussehens des Anwesenden, erscheint jetzt als Betrachten. Die Theorie ist die Betrachtung des Wirklichen. Doch was a b c
[1954] 〈eingreifenden〉 Be-Griff [1954] 〈Vorgehens gegen〉 nicht feindlich [1954] 58
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heißt Betrachtung? Man spricht von einer Betrachtung im Sinne der religiösen Meditation und Versenkung. Diese Art Betrachtung gehört in den Bereich der soeben genannten vita contemplativa. Wir sprechen auch vom Betrachten eines Bildes, in dessen Anblick wir uns freigeben. Bei solchem Sprachgebrauch bleibt das Wort »Betrachtung« in der Nähe von Beschauung und es scheint noch das Gleiche zu meinen wie die frühe ûevriÂa der Griechen. Allein, »die Theorie«, als welche sich die moderne Wissenschaft zeigt, ist etwas wesentlich anderes als die griechische »ûevriÂa«. Wenn wir daher »Theorie« durch »Betrachtung« übersetzen, dann geben wir dem Wort »Betrachtung« eine andere Bedeutung, keine willkürlich erfundene, sondern die ursprünglich ihm angestammte. Machen wir ernst mit dem, was das deutsche Wort »Betrachtung« nennt, dann erkennen wir das Neue im Wesen der modernen Wissenschaft als der Theorie des Wirklichen. Was heißt Betrachtung? Trachten ist das lateinische tractare, behandeln, bearbeiten. Nach etwas trachten heißt: sich auf etwas zu-arbeiten, es verfolgen, ihm nachstellen, um es sicher zu stellena. Demnach wäre die Theorie als Betrachtung das nach stellende und sicherstellende Bearbeiten des Wirklichen. Diese Kennzeichnung der Wissenschaft dürfte aber offenkundig ihrem Wesen zuwiderlaufen. Denn die Wissenschaft ist als Theorie dochb gerade »theoretisch«. Von einer Bearbeitung des Wirklichen sieht sie dochc ab. Sie setzt alles daran, das Wirkliche rein zu erfassen. Sie greift nicht in das Wirkliche ein, um es zu verändern. Die reine Wissenschaft, verkündet man, ist »zweckfrei«.* a b c
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[1954] 〈um es sicher zu stellen〉 [1954] 〈doch〉 [1954] 〈doch〉
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Und dennoch: die moderne Wissenschaft ist als Theorie im Sinne des Be-trachtens eine unheimlich eingreifende Bearbeitung des Wirklichen. Gerade durch diese Bearbeitung entspricht sie einem Grundzug des Wirklichen selbst. Das Wirkliche ist das sich herausstellende Anwesende. Dies zeigt sich unterdessen neuzeitlich in der Weise, daß es sein Anwesen in der Gegenständigkeit zum Stehen bringta. Diesem gegenständigen Walten des Anwesens entspricht die Wissenschaft, insofern sie ihrerseits als Theorie das Wirkliche eigens auf seine Gegenständigkeit hin herausfordertb.* Die Wissenschaft stelltc das Wirkliche. Sie stellt es darauf hin, daß sich das Wirkliche jeweils als Gewirkd, das heißt in den übersehbaren Folgen von angesetzten Ursachen darstellt**. So wird das Wirkliche in seinen Folgen verfolgbar und übersehbar. Das Wirkliche wird in seiner Gegenständigkeit sichergestellt. Hieraus ergeben sich Gebiete von Gegenständen, denen das wissenschaftliche Betrachten auf seine Weise nachstellen kann. Das nachstellende Vorstellen, das alles Wirkliche in seiner verfolgbaren Gegenständigkeit sicherstellt, ist der Grundzug des Vorstellens, wodurch die neuzeitliche Wissenschaft dem Wirklichen entspricht.e Die alles entscheidende Arbeit, die solches Vorstellen in jeder Wissenschaft leistet, ist nun aber diejenige Bearbeitung des Wirklichen, die überhaupt das a
b c d e
[1954] 〈Das Wirkliche ist das sich herausstellende Anwesende. Dies zeigt sich unterdessen neuzeitlich in der Weise, daß es sein Anwesen in der Gegenständigkeit zum Stehen bringt〉*** 46 [1954] 〈 〈herausfordert〉 [1954] 〈stellt〉 [1954] 〈Gewirk〉 [1954] Gegenstände auch f[ür] Goethe. G[oethe] sagt: daß die Ansichten der Gegenstand seien.**** vgl. 51. 62 f.
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Wirkliche erst und eigens in eine Gegenständigkeit herausarbeiteta, wodurch alles Wirkliche im vorhinein zu einer Mannigfaltigkeit von Gegenständen für das nachstellende Sicherstellen umgearbeitet wird. Daß sich das Anwesende, z. B. die Natur, der Mensch, die Geschichte, die Sprache als das Wirkliche in seiner Gegenständigkeit herausstellt,b daß in einem damit die Wissenschaft zur Theorie wird, die dem Wirklichen nach- und es im Gegenständigen sicherstellt, wäre für den mittelalterlichen Menschen ebenso befremdlich, wie es für das griechische Denken bestürzend sein müßte. Die moderne Wissenschaft ist darum als die Theorie des Wirklichen nichts Selbstverständlichesc. Sie ist weder ein bloßes Gemächte des Menschen, noch wird sie vom Wirklichen erzwungen.d Wohl dagegen wird das Wesene der Wissenschaft durch das Anwesen des Anwesenden in demf Augenblick benötigt, dag sich das Anwesen in die Gegenständigkeit des Wirklichen herausstellt.h i Dieser Augenblick bleibt wie jeder seiner Art geheimnisvoll. Nicht nur die größten Gedanken kommen wie auf Taubenfüßen, sondern erst recht und vordem jeweils der Wandel des Anwesens alles Anwesenden.j * Die Theorie stellt jeweils einen Bezirk des Wirklichen
a b c d e f g h i j
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[1954] 〈in eine Gegenständigkeit herausarbeitet〉 [1954] 47 [1954] 〈nichts Selbstverständliches〉 59 [1954] 68** [1954] 〈Wesen〉 [1954] 〈dem〉 [1954] 〈da〉 [1954] S. 31 Ge-stelle [1954] 61*** [1954] Geschick vgl. ob[en] 48
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als ihr Gegenstandsgebiet sicher. Der Gebietscharaktera der Gegenständigkeit zeigt sich daran, daß er zum voraus die Möglichkeiten der Fragestellung vorzeichnet. Jede innerhalb eines Wissenschaftsgebietes auftauchende neue Erscheinung wird solange bearbeitet, bis sie sich in den maßgebenden gegenständlichen Zusammenhangb der Theorie einpaßt. Dieser selbst wird dabei zuweilen abgewandelt. Die Gegenständigkeit als solche bleibt jedoch in ihren Grundzügen unverändert. Der im vorhinein vorgestellte Bestimmungsgrund für ein Verhalten und Vorgehen ist nach dem streng gedachten Begriff das Wesen dessen, was »Zweck« heißt.* Wenn etwas in sich durch einen Zweck bestimmt bleibt, dann ist es die reine Theorie. Sie wird bestimmt durch die Gegenständigkeit des Anwesenden. Würde diese preisgegeben, dann wäre das Wesen der Wissenschaft verleugnet. Dies ist z. B. der Sinn des Satzes, daß die moderne Atomphysik keineswegs die klassische Physik von Galilei und Newton beseitige, sondern nur in ihrem Geltungsbereich einschränke. Allein, diese Einschränkung ist zugleich die Bestätigung der für die Theorie der Natur maßgebenden Gegenständigkeit, der gemäß die Natur sich als ein raum-zeitlicher, auf irgendeine Weise vorausberechenbarer Bewegungszusammenhang dem Vorstellen darstellt. Weil die moderne Wissenschaft in dem gekennzeichneten Sinne Theorie ist, deshalb hat in all ihrem Be-trachten die Art ihres Trachtens, d. h. die Art des nachstellendsicherstellenden Vorgehens, d. h. die Methodec, den enta
b
c
[1954] Gebiet – Vorzeichnung [?]** und Umgrenzen. vgl. Kant, Kr. d. Ur. [Kritik der Urteilskraft] Einleitung n. II.*** [1954] das einheitliche Ganze der Bestimmungen, wodurch das Gegenstandsgebiet eingegrenzt wird. [1954] 〈Methode〉 vgl. Nietzsche****
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scheidenden Vorrang. Ein oft angeführter Satz von Max Planck lautet: »Wirklich ist, was sich messen läßt.«* Dies besagt: der Entscheid darüber, was für die Wissenschaft, in diesem Fall für die Physik, als gesicherte Erkenntnis gelten darf, steht bei der in der Gegenständigkeit der Natur angesetzten Meßbarkeit und ihr gemäß bei den Möglichkeiten des messenden Vorgehens. Der Satz von Max Planck ist aber nur deshalb wahr, weil er etwas ausspricht, was zum Wesen der modernen Wissenschaft, nicht nur der Naturwissenschaft, gehört. Das nachstellend-sicherstellende Verfahren aller Theorie des Wirklichen ist ein Berechnena.** Wir dürfen diesen Titel allerdings nicht in dem verengten Sinne von Operieren mit Zahlen verstehen. Rechnen im weiten, wesentlichen Sinne meint: mit etwas rechnen, das heißt etwas in Betracht ziehen, auf etwas rechnenb, das heißt in die Erwartungc stellen. In dieser Weise ist alle Vergegenständlichung des Wirklichen ein Rechnen, mag sie kausal-erklärend den Erfolgen von Ursachen nachsetzen, mag sie morphologisch sich über die Gegenstände ins Bild setzen, mag sie einen Folge- und Ordnungszusammenhang in seinen Gründen sicherstellen. Auch die Mathematik ist kein Rechnen im Sinne des Operierens mit Zahlen zur Feststellung quantitativer Ergebnisse, wohl dagegen ist sie das Rechnen, das überall den Ausgleich von Ordnungsbeziehungen durch Glei chungen in ihre Erwartung gestellt hat und deshalb im voraus mit einer
a b
c
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[1954] 〈Berechnen〉 [1954] 〈mit etwas rechnen, das heißt etwas in Betracht ziehen, auf etwas rechnen〉 vertrauen zutrauen. be-rechnen – rechnen mit …, auf …: zutrauen [1954] 〈Erwartung〉 auch die »liebende« freundschaftl[iche]
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Grundgleichung für alle nur mögliche Ordnung »rechnet«.a b Weil die moderne Wissenschaft als Theorie des Wirklichen auf dem Vorrang der Methodec beruht, muß sie als Sicherstellen der Gegenstandsgebiete diese gegeneinander abgrenzen und das Abgegrenzte in Fächer eingrenzen, d. h. einfächern. Die Theorie des Wirklichen ist notwendig Fachwissenschaft.d Die Erforschung eines Gegenstandsgebietes muß bei ihrer Arbeit auf die jeweils besondere Artung der zugehörigen Gegenstände eingehen. Solches Eingehen auf das Besondere macht das Vorgehen der Fachwissenschaft zur Spezialforschung. Die Spezialisierung ist darum keineswegs eine verblendete Ausartung oder gar eine Verfallserscheinung der modernen Wissenschaft. Die Spezialisierung ist auch nicht ein nur unvermeidliches Übel. Sie ist eine notwendige und die positive Folge des Wesens der modernen Wissenschaft.* Die Abgrenzung der Gegenstandsgebiete, die Eingrenzung dieser in Spezialzonen reißt die Wissenschaften nicht auseinander, sondern ergibt erst einen Grenzverkehre zwischen ihnen, wodurch sich Grenzgebiete abzeichnen. Diesen entstammt eine eigene Stoßkraft, die neue, oft entscheidende Fragestellungen auslöst. Man kennt diese Tatsache. Ihr Grund bleibt rätselhaft, so rätselhaftf wie das ganze Wesen der modernen Wissenschaft.** Zwar haben wir dieses Wesen jetzt dadurch gekenna b c d e f
[1954] Symmetrie [1954] loÂgow [1954] 〈Vorrang der Methode〉*** [1954] die zweite Natur 62 [1954] 〈Grenzverkehr〉**** [1954] 〈so rätselhaft〉 57
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zeichneta, daß wir den Satz »Die Wissenschaft ist die Theorie des Wirklichen« nach den beiden Haupttiteln erläuterten. Es geschah als Vorbereitung für den zweiten Schrittb, bei dem wir fragen: Welcher unscheinbare Sachverhalt verbirgt sich im Wesen der Wissenschaft?c Wir bemerken den Sachverhalt, sobald wir am Beispiel einiger Wissenschaften eigens darauf achten, wie es jeweils mit der Gegenständigkeit der Gegenstandsgebiete der Wissenschaften bestellt ist. Die Physik, worin jetzt, roh gesprochen, Makrophysik und Atomphysik, Astrophysik und Chemie eingeschlossen sind, betrachtet die Natur (fyÂsiw), insofern sich diese als die leblose herausstellt. In solcher Gegenständigkeit zeigt sich die Natur als der Bewegungszusammenhang materieller Körper. Der Grundzug des Körperhaften ist die Undurchdringlichkeit, die ihrerseits sich wieder als eine Art von Bewegungszusammenhang der elementaren Gegenstände darstellt. Diese selbst und ihr Zusammenhang werden in der klassischen Physik als geometrische Punktmechanik, in der heutigen Physik durch die Titel »Kern« und »Feld« vorgestellt. Demgemäß ist für die klassische Physik jeder Bewegungszustand der raumerfüllenden Körper jederzeit zugleich sowohl nach Ort als auch nach Bewegungsgröße bestimmbar, das heißt eindeutig vorauszuberechnen. Dagegen läßt sich in der Atomphysik ein Bewegungszustand grundsätzlich nur entweder nach Ort oder nach Bewegungsgröße bestimmen. Dementsprechend hält die klassische Physik dafür, daß sich die Natur eindeutig und vollständig vorausberechnen läßt, wogegen die Atomphysik nur eine Sicherstellung des gegena b c
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[1954] 〈Wesen jetzt dadurch gekennzeichnet〉 46 66 und 67 ob[en] [1954] 〈Vorbereitung für den zweiten Schritt〉 [1954] 〈Wesen〉 46*
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ständlichen Zusammenhangs zuläßt, die statistischen Charakter hat. Die Gegenständigkeit der materiellen Natur zeigt in der modernen Atomphysik völlig andere Grundzüge als in der klassischen Physik. Diese, die klassische Physik, kann wohl in jene, die Atomphysik, eingebaut werden, aber nicht umgekehrt. Die Kernphysik läßt sich nicht mehr in die klassische Physik auf- und zurückheben. Und dennoch – auch die moderne Kern- und Feldphysik bleibt noch Physik, d. h. Wissenschaft, d. h. Theorie, die den Gegenständen des Wirklichen in ihrer Gegenständigkeit nachstellt, um sie in der Einheit der Gegenständigkeit sicherzustellen. Auch für die moderne Physik gilt es, diejenigen elementaren Gegenstände sicherzustellen, aus denen alle anderen Gegenstände des ganzen Gebietes bestehen. Auch das Vorstellen der modernen Physik bleibt darauf abgestellt, »eine einzige Grundgleichung anschreiben zu können, aus der die Eigenschaften aller Elementarteilchen und damit das Verhalten der Materie überhaupt folgt«. (Heisenberg, Die gegenwärtigen Grundprobleme der Atomphysik. Vgl. Wandlungen in den Grundlagen der Naturwissenschaft, 8. Auflage, 1948, S. 98.)* Der grobe Hinweis auf den Unterschied der Epochen innerhalb der neuzeitlichen Physik macht deutlich, wo der Wandel von der einen zur anderen sich abspielt: in der Erfahrung und Bestimmung der Gegenständigkeit, in die sich die Natur herausstellt.a Was sich jedoch bei diesem Wandel von der geometrisierend-klassischen zur Kernund Feldphysik nicht wandelt, ist dies, daß die Natur zum voraus sich dem nachstellenden Sicherstellen zu stellen hat, das die Wissenschaft als Theorieb vollzieht. Inwiefern jea b
[1954] 57** [1954] 〈als Theorie〉
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doch in der jüngsten Phase der Atomphysik auch noch der Gegenstand verschwindet und so allererst die Subjekt-Objekt-Beziehung als bloße Beziehung in den Vorrang vor dem Objekt und dem Subjekta gelangt und als Bestand gesichert werden will, kann an dieser Stelle nicht genauer erörtert werden. [Die Gegenständigkeit wandelt sich in die aus dem Gestell bestimmte Beständigkeit des Bestandesb c (vgl. Die Frage nach der Technik).d Die Subjekt-Objekt-Beziehunge gelangt so erst in ihren reinen »Beziehungs«-, d. h. Bestellungscharakter, in dem sowohl das Subjekt als auch das Objekt als Bestände aufgesogen werden. Das sagt nicht: die Subjekt-Objekt-Beziehung verschwindet, sondern das Gegenteil: sie gelangt jetzt in ihre äußerste, aus dem Gestell vorbestimmte Herrschaft. Sie wird ein zu bestellender Bestand.*]f Wir achten jetzt auf den unscheinbareng Sachverhalt, der im Walten der Gegenständigkeit liegt. Die Theorie stellt das Wirkliche, im Falle der Physik die leblose Natur, in ein Gegenstandsgebiet fest. Indessen west die Natur immer schon von sich her an.** Die Vergegenständlichung ihrer seits bleibt auf die anwesende Natur angewiesen. Auch dort, wo die Theorie aus Wesensgründen wie in der modernen Atomphysik notwendig unanschaua
b c d e f
g
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[1954] 〈als bloße Beziehung in den Vorrang vor dem Objekt und dem Subjekt〉 [1954] die Beständigung der Bestellbarkeit der Bestände. [1954] vgl. S. 26*** [1954] 30 29. [1954] Regelkreis der Kyb[ernetik] Seins-Erfahrung. Athener Vortrag. 1967**** [1954] 〈unscheinbaren〉
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lich wird,a ist sie darauf angewiesen, daß sich die Atome für eine sinnliche Wahrnehmung herausstellen, mag dieses Sich-zeigen der Elementarteilchen auch auf einem sehr indirekten und technisch vielfältig vermittelten Wege geschehen* (vgl. Wilsonkammer, Geigerzähler, Freiballonflüge zur Feststellung der Mesonen). Die Theorie kommt an der schon anwesenden Natur nie vorbei, und sie kommt in solchem Sinne nie um die Natur herum. Die Physik mag die allgemeinste und durchgängige Gesetzlichkeit der Natur aus der Identität von Materie und Energie vorstellen, dieses physikalisch Vorgestellte ist zwar die Natur selbst, jedoch unweigerlich nur die Natur als das Gegenstandsgebiet, dessen Gegenständigkeit sich erst durch die physikalische Bearbeitung bestimmt und in ihr eigens erstellt wird.b Die Natur ist in ihrer Gegenständigkeit für die moderne Naturwissenschaft nur eine Art, wie das Anwesende, das von altersher fyÂsiw genannt wird, sich offenbart und der wissenschaftlichen Bearbeitung stellt.** Auch wenn das Gegenstandsgebiet der Physik in sich einheitlich und geschlossen ist, kann diese Gegenständigkeit niemals die Wesensfülle der Natur einkreisen. Das wissenschaftliche Vorstellen vermag das Wesen der Natur nie zu umstellen, weil die Gegenständigkeit der Natur zum voraus nur eine Weise ist, in der sich die Natur herausstellt. Die Natur bleibt so für die Wissenschaft der Physik das Unumgängliche. Das Wort meint hier zweierlei. Einmal ist die Natur nicht zu umgehen, insofern die Theorie nie am Anwesenden vorbeikommt, sondern auf es angewiesen bleibt. Sodann ist die Natur nicht zu umgehen***, insofern die Gegenständigkeit als solche es verwehrt, daß das ihr entsprechende Vorstellen a b
[1954] S. 30 [1954] zweite N[atur]****
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und Sicherstellen je die Wesensfülle der Natur umstellen könnte. Dies ist es, was Goethea bei seinem verunglückten Streit mit der Newtonschen Physik im Grunde vorschwebte.b Goethe konnte noch nicht se hen, daß auch sein anschauendes Vorstellen der Natur sich im Medium der Gegenständigkeit, in der Subjekt-Objekt-Beziehung bewegt und darum grundsätzlich von der Physik nicht verschieden ist und metaphysisch das Selbe bleibt wie jene. Das wissenschaftliche Vorstellen kann seinerseits niemals entscheiden, ob die Natur durch ihre Gegenständigkeit sich nicht eher entzieht, als daß sie ihre verborgene Wesensfülle zum Erscheinen bringt. Die Wissenschaft vermag diese Frage nicht einmal zu fragen; denn als Theorie hat sie sich bereits auf das von der Gegenständigkeit eingegrenzte Gebiet festgelegt. In der Gegenständigkeit der Natur, der die Physik als Vergegenständlichung entspricht, waltet das in einem zweifachen Sinne Unumgängliche. Sobald wir dieses Unumgängliche einmal in einer Wissenschaft erblickt und auch nur ungefähr bedacht haben, sehen wir es leicht in jeder anderen. Die Psychiatrie be-trachtet das menschliche Seelenleben in seinen kranken und das heißt immer zugleich gesunden Erscheinungen. Sie stellt diese aus der Gegenständigkeit der leiblich-seelisch-geistigen Einheit des ganzen Menschen vor. In die Gegenständigkeit der Psychiatrie stellt sich jeweils das schon anwesende menschliche Dasein heraus. Das Da-sein, worin der Mensch als Mensch ek-sistiert, bleibt das Unumgängliche der Psychiatrie.* Die Historie, die sich immer drängender zur Univera b
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[1954] vgl. ob[en] 56 vgl. ob[en] 56
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salhistorie entfaltet, vollzieht ihr nachstellendes Sicherstellen in dem Gebiet, das sich ihrer Theorie als Geschichte zustellt. Das Wort »Historie« (ëistorejn) bedeutet: erkunden und sichtbar machen und nennt darum eine Art des Vorstellens. Dagegen bedeutet das Wort »Geschichte« das, was sich begibt, insofern es so und so bereitet und bestellt, d. h. beschickt und geschickt ist. Historie ist die Erkundung der Geschichte. Aber das historische Betrachten schafft nicht erst die Geschichte selbst. Alles Historische, alles in der Weise der Historie Vor- und Festgestellte ist ge schichtlich, das heißt, auf das Geschick im Geschehen gegründet. Aber die Geschichte ist niemals notwendig historisch. Ob die Geschichte sich in ihrem Wesen nur durch und für die Historie offenbart oder ob die Geschichte durch die historische Vergegenständlichung nicht eher verdeckt wird, bleibt für die Geschichtswissenschaft unentscheidbar. Entschieden aber ist: in der Theorie der Historie waltet die Geschichte als das Unumgängliche. Die Philologie macht die Literatur der Nationen und Völker zum Gegenstand des Erklärens und Auslegens. Das Schriftliche der Literatur ist jeweils das Gesprochene einer Sprache. Wenn die Philologie von der Sprache handelt, bearbeitet sie diese nach den gegenständlichen Hinsichten, die durch Grammatik, Etymologie und vergleichende Sprachhistorie, durch Stilistik und Poetik festgelegt sind. Die Sprache spricht jedoch, ohne daß sie zur Literatur wird und vollends unabhängig davon, ob die Literatur ihrerseits in die Gegenständigkeit gelangt, der die Feststellungen einer Literaturwissenschaft entsprechen. In der Theorie der Philologie waltet die Sprache als das Unumgängliche. Natur, Mensch, Geschichte, Sprache bleiben für die ge-
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nannten Wissenschaften das innerhalb ihrer Gegenständigkeit schon waltende Unumgängliche, worauf sie jeweils angewiesen sind, was sie jedoch in seiner Wesensfülle durch ihr Vorstellen nie umstellen können. Dieses Unvermögen der Wissenschaften gründet nicht darin, daß ihr nachstellendes Sicherstellen nie zu Ende kommt, sondern darin, daß im Prinzip die Gegenständigkeit, in die sich jeweils Natur, Mensch, Geschichte, Sprache herausstellen, selbst nur immer eine Art des Anwesens bleibt, in der das genannte Anwesende zwar erscheinen kann, aber niemals unbedingt erscheinen muß. Das gekennzeichnete Unumgängliche waltet im Wesen jeder Wissenschaft. Ist nun dieses Unumgängliche der unscheinbare Sachverhalt, den wir in den Blick bringen möchten? Ja und nein. Ja, insofern das Unumgängliche zum gemeinten Sachverhalt gehört; nein, insofern das genannte Unumgängliche für sich allein den Sachverhalt noch nicht ausmacht. Dies zeigt sich schon daran, daß dieses Unumgängliche selber noch eine wesentliche Frage veranlaßt. Das Unumgängliche waltet im Wesen der Wissenschaft. Demnach müßte zu erwarten sein, daß die Wissenschaft selbst das Unumgängliche in ihr selbst vorfinden und es als ein solches bestimmen könne. Allein gerade dies trifft nicht zu und zwar deshalb, weil dergleichen wesensmäßig unmöglich ist. Woran läßt sich dies erkennen? Wenn die Wissenschaften jeweils selber in ihnen selbst das genannte Unumgängliche sollten vorfinden können, müßten sie vor allem anderen imstande sein, ihr eigenes Wesen vorzustellen. Doch hiezu bleiben sie jederzeit außerstande. Die Physik kann als Physik über die Physik keine Aussagen machen. Alle Aussagen der Physik sprechen physikalisch. Die Physik selbst ist kein möglicher Gegenstand
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eines physikalischen Experimentes. Dasselbe gilt von der Philologie. Als Theorie der Sprache und Literatur ist sie niemals ein möglicher Gegenstand philologischer Betrachtung. Das Gesagte gilt für jede Wissenschaft. Indessen könnte sich ein Einwand melden. Die Historie hat als Wissenschaft gleich allen übrigen Wissenschaften eine Geschichte. Also kann die Geschichtswissenschaft sich selber im Sinne ihrer Thematik und Methode betrachten. Gewiß. Durch solche Betrachtung erfaßt die Historie die Geschichte der Wissenschaft, die sie ist. Allein, die Historie erfaßt dadurch niemals ihr Wesen als Historie, d. h. als Wissenschaft. Will man über die Mathematik als Theorie etwas aussagen, dann muß man das Gegenstandsgebiet der Mathematik und ihre Vorstellungsweise verlassen. Man kann nie durch eine mathematische Berechnung ausmachen, was die Mathematik selbst ist. Es bleibt dabei: die Wissenschaften sind außerstande, mit den Mitteln ihrer Theorie und durch die Verfahrensweisen der Theorie jemals sich selber als Wissenschaften vor-zustellen. Wenn der Wissenschaft versagt bleibt, überhaupt auf das eigene Wesen wissenschaftlich einzugehen, dann vermögen es die Wissenschaften vollends nicht, auf das in ihrem Wesen waltende Unumgängliche zuzugehen. So zeigt sich etwas Erregendes. Das in den Wissenschaften jeweils Unumgängliche: die Natur, der Mensch, die Geschichte, die Sprache, ist als dieses Unumgängliche für die Wissenschaften und durch sie unzugänglicha.b Erst wenn wir diese Unzugänglichkeitc des Unumgänga
b c
[1954] 〈ist als dieses Unumgängliche für die Wissenschaften und durch sie unzugänglich〉* [1954] »Die Wissenschaft denkt nicht«** [1954] 〈Unzugänglichkeit〉***
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lichen mitbeachten, kommt der Sachverhalt in den Blick, der das Wesen der Wissenschaft durchwaltet. Weshalb nennen wir aber das unzugängliche Unumgängliche den »unscheinbaren Sachverhalt«? Das Unscheinbarea fällt nicht auf. Es mag gesehen sein, ohne doch eigens beachtet zu werden. Bleibt der gezeigte Sachverhalt im Wesen der Wissenschaft nur deshalb unbeachtet, weil man das Wesen der Wissenschaft zu selten und zu wenig bedenkt? Dies Letztere dürfte kaum jemand mit Grund behaupten. Im Gegenteil, viele Zeugnisse sprechen dafür, daß heute nicht nur durch die Physik, sondern durch alle Wissenschaften eine seltsame Beunruhigung geht. Vordem jedoch regten sich in den vergangenen Jahrhunderten der abendländischen Geistes- und Wissenschaftsgeschichte immer wieder Versuche, das Wesen der Wissenschaft zu umgrenzen. Das leidenschaftliche und unablässige Bemühen darum ist vor allem ein Grundzug der Neuzeit. Wie könnte da jener Sachverhalt unbeachtet bleiben? Heute spricht man von der »Grundlagenkrise« der Wissenschaften. Sie betrifft allerdings nur die Grundbegriffe der einzelnen Wissenschaften. Sie ist keineswegs eine Krisis der Wissenschaft als solcher. Diese geht heute ihren Gang sicherer denn je.b Das unzugängliche Unumgängliche,* das die Wissenschaften durchwaltet und so ihr Wesen ins Rätselhafte rückt, ist indessen weit mehr, nämlich wesenhaft Anderesc als eine bloße Unsicherheit in der Ansetzung der Grundbegriffe, durch die jeweils den Wissenschaften das a b c
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[1954] 〈Das Unscheinbare〉 [1954] 〈Diese geht heute ihren Gang sicherer denn je.〉 59** [1954] 〈und so ihr Wesen ins Rätselhafte rückt, ist indessen weit mehr, nämlich wesenhaft Anderes〉 59***
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Gebiet beigestellt wird.a * So reicht denn auch die Beunruhigung in den Wissenschaften weit über die bloße Unsicherheit ihrer Grundbegriffe hinaus. Man ist in den Wissenschaften beunruhigt und kann doch nicht sagen, woher und worüberb trotz der mannigfachen Erörterungen über die Wissenschaften. Man philosophiert heute von den verschiedensten Standpunkten aus über die Wissenschaften. Man trifft sich bei solchen Bemühungen von seiten der Philosophie mit den Selbstdarstellungen, die überall durch die Wissenschaften selbst in der Form zusammenfassender Abrisse und durch das Erzählen der Wissenschaftsgeschichte versucht werden. Und dennoch bleibt jenes unzugängliche Unumgängliche im Unscheinbaren. Deshalb kann die Unscheinbarkeit des Sachverhalts nicht nur darin beruhen, daß er uns nicht auffällt und daß wir ihn nicht beachten. Das Unscheinbare des Sachverhalts gründet vielmehr darin, daß er selbst von sich her nicht zum Vorschein kommtc. Am unzugänglichen Unumgänglichen als solchem liegt es, daß es stets übergangen wird.** Insofern das Unscheinbare ein Grundzug des genannten Sachverhalts selbst ist, wird er erst dann zureichend bestimmt, wenn wir sagen: Der Sachverhalt, der das Wesen der Wissenschaft, d. h. der Theorie des Wirklichen durchwaltet, ist das stets übergangened unzugängliche Unumgängliche.*** Der unscheinbare Sachverhalt verbirgt sich in den Wissenschaften. Aber er liegt nicht in ihnen wie der Apfel im Korb. Wir müssen eher sagen: die Wissenschaften ruhen a b
c d
[1954] keine Frage der regionalen Ontologie [1954] 〈Man ist in den Wissenschaften beunruhigt und kann doch nicht sagen, woher und worüber〉**** [1954] 〈daß er selbst von sich her nicht zum Vorschein kommt〉***** [1954] 〈ist: das stets übergangene〉
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ihrerseits im unscheinbaren Sachverhalt wie der Fluß im Quell.* Unser Vorhaben war, auf den Sachverhalt hinzuweisen, damit er selbst in die Gegenda winke, aus der das Wesen der Wissenschaft stammt. Was haben wir erreicht? Wir sind aufmerksamb geworden für das stets übergangene, der Wissenschaft als solcher unzugängliche, gleichwohl für sie Unumgängliche.** Es zeigt sich uns an der Gegenständigkeit, in die sich das Wirkliche herausstellt, durch die hindurch die Theorie den Gegenständen nachstellt, um diese und ihren Zusammenhang im Gegenstandsgebiet der jeweiligen Wissenschaft für das Vorstellen sicherzustellen.c Der unscheinbare Sachverhalt*** durchwaltet die Gegenständigkeit, worin sowohl die Wirklichkeit des Wirklichen als auch die Theorie des Wirklichen, worin somit auch das ganze Wesen der neuzeitlich-modernen Wissenschaft schwingt. Wir begnügen uns damit, auf den unscheinbaren Sachverhaltd hinzuweisene. Was er in sich selber istf, dies auszumachen bedürfte eines neuen Fragens. Wir sind jedoch durch den Hinweis auf den unscheinbaren Sachverhalt in eine Wegrichtung gewiesen, die vor das Fragwürdige bringtg. Im Unterschied zum bloß Fraglichen und zu allem a b c d
e
f g
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[1954] 〈hinzuweisen, damit er selbst in die Gegend〉 [1954] 〈aufmerksam〉 [1954] 57**** [1954] über Ver-Hältnis***** vgl. Unterwegs… [Unterwegs zur Sprache] S. 215****** vgl. Vier Hefte!******* [1954] 〈Wir begnügen uns damit, auf den unscheinbaren Sachverhalt hinzuweisen.〉 (III.) [1954] 〈Was er in sich selber ist〉******** [1954] 〈in eine Wegrichtung gewiesen, die vor das Fragwürdige bringt〉
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Fraglosen verleiht das Fragwürdige von sich her erst den klaren Anlaß und den freien Anhalt, wodurch wir es vermögen, dem entgegen- und das herbeizurufen, was sich unserem Wesen zuspricht. Die Wanderschaft in der Wegrichtung zum Fragwürdigen ist nicht Abenteuer sondern Heimkehr. Eine Wegrichtung einschlagen, die eine Sache von sich aus schon genommen hat, heißt in unserer Sprache sinnan, sinnen. Sich auf den Sinn einlassen, ist das Wesen der Besinnung. Dies meint mehr als das bloße Bewußtmachen von etwas. Wir sind noch nicht bei der Besinnung, wenn wir nur bei Bewußtsein sind. Besinnung ist mehr. Sie ist die Gelassenheit zum Fragwürdigen. Durch die so verstandene Besinnung gelangen wir eigens dorthin, wo wir, ohne es schon zu erfahren und zu durchschauen, uns seit langem aufhalten. In der Besinnung gehen wir auf einen Ort zu, von dem aus sich erst der Raum öffnet, den unser jeweiliges Tun und Lassen durchmißt. Besinnung ist anderen Wesens als das Bewußtmachen und Wissen der Wissenschaft, anderen Wesens auch als die Bildung.* Das Wort »bilden« meint einmal: ein Vor-bild aufstellen und eine Vor-schrift herstellen. Es bedeutet sodann: vorgegebene Anlagen ausformen. Die Bildung bringt ein Vorbild vor den Menschen, demgemäß er sein Tun und Lassen ausbildet. Bildung bedarf eines zum voraus gesicherten Leitbildes und eines allseitig befestigten Standortes. Das Erstellen eines gemeinsamen Bildungsideals und seine Herrschaft setzen eine fraglose, nach jeder Richtung gesicherte Lage des Menschen voraus. Diese Voraussetzung ihrerseits muß in einem Glauben an die unwiderstehliche Macht einer unveränderlichen Vernunft und ihrer Prinzipien gründen. Die Besinnung bringt uns dagegen erst auf den Weg zu
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dem Ort unseres Aufenthalts. Dieser bleibt stets ein geschichtlichera, d. h. ein uns zugewiesener, gleichviel ob wir ihn historisch vorstellen, zergliedern und einordnen oder ob wir meinen, durch eine nur gewollte Abkehr von der Historie uns künstlich aus der Geschichte lösen zu können. Wie und wodurch unser geschichtlicher Aufenthalt sein Wohnen an- und ausbaut, darüber vermag die Besinnung unmittelbar nichts zu entscheiden. Das Zeitalter der Bildungb geht zu Ende, nicht weil die Ungebildeten an die Herrschaft gelangen, sondern weil Zeichen eines Weltalters sichtbar werden, in dem erst das Fragwürdigec wieder die Tore zum Wesenhaften aller Dinge und Geschicke öffnet. Dem Anspruch der Weite, dem Anspruch desd Verhaltense dieses Weltalters entsprechen wir, wenn wir beginnen, uns zu besinnen, indem wir uns auf den Weg einlassen, den jener Sachverhalt schon eingeschlagen hat, der sich uns im Wesen der Wissenschaft, jedoch nicht nur hier, zeigt. Gleichwohl bleibt die Besinnung vorläufiger, langmütiger und ärmer als die vormals gepflegte Bildung im Verhältnis zu ihrem Zeitalter. Die Armut der Besinnung ist jedoch das Versprechen auf einen Reichtum, dessen Schätze im Glanz jenes Nutzlosen leuchten, das sich nie verrechnen läßt. Die Wege der Besinnung wandeln sich stets, je nach der Wegstelle, an der ein Gang beginnt, je nach der Wegstrecke, die er durchmißt, je nach dem Weitblick, der sich unterwegs in das Fragwürdige öffnet. a b c d e
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[1954] Geschicktes 48 [1954] 〈Bildung〉 [1954] 〈das Fragwürdige〉 [1954] 〈dem Anspruch des〉 ihm gemäßen Verh[altens] [1954] V-H. [Ver-Hältnis] [?]
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Wenngleich die Wissenschaften gerade auf ihren Wegen und mit ihren Mitteln niemals zum Wesen der Wissenschaft vordringen können, vermag doch jeder Forscher und Lehrer der Wissenschaften, jeder durch eine Wissenschaft hindurchgehende Mensch als denkendes Wesen auf verschiedenen Ebenen der Besinnung sich zu bewegen und sie wachzuhalten. Doch selbst dort, wo einmal durch eine besondere Gunst die höchste Stufe der Besinnung erreicht würde, müßte sie sich dabei begnügen, eine Bereitschaft nur vorzubereiten für den Zuspruch, dessen unser heutiges Menschengeschlecht bedarf. Besinnung braucht es, aber nicht, um eine zufällige Ratlosigkeit zu beheben oder den Widerwillen gegen das Denken zu brechen. Besinnung braucht es als ein Entsprechen, das sich in der Klarheit unablässigen Fragens an das Unerschöpfliche des Fragwürdigen vergißta, von dem her das Entsprechen im geeigneten Augenblick den Charakter des Fragens verliert und zum einfachen Sagen wird.*
a
[1954] 〈vergißt〉
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ÜBERWINDUNG DER METAPHYSIK a *
I as heißt »Überwindung der Metaphysik«? Im seinsgeschichtlichen Denken ist dieser Titel nur behelfsmäßig gebraucht, damit es sich überhaupt verständlich machen kann. In Wahrheit gibt dieser Titel zu vielen Mißverständnissen Anlaß; denn er läßt die Erfahrung nicht auf den Grund kommen, von dem aus erst die Geschichte des Seins ihr Wesen offenbart. Es ist das Er-eignis**, in dem das Sein selbst verwunden wird. Überwindung meint vor allem nicht das Wegdrängen einer Disziplin aus dem Gesichtskreis der philosophischen »Bildung«. »Metaphysik« ist schon als Geschick der Wahrheit des Seienden gedacht, d. h. der Seiendheit, als einer noch verborgenen, aber ausgezeichneten Ereignung, nämlich der Vergessenheit des Seins. Sofern Überwindung als Gemächte der Philosophie gemeint ist, könnte der gemäßere Titel heißen: Die Vergangenheit der Metaphysik. Freilich ruft er neue Irrmeinungen hervor. Vergangenheit sagt hier: Ver-gehen und Aufgehen in die Gewesenheit. Indem die Metaphysik vergeht, ist sie vergangen. Die Vergangenheit schließt nicht aus, sondern ein, daß jetzt erst die Metaphysik ihre unbedingte Herrschaft im Seienden selbst und als dieses in der wahrheits-
W
a
[1954] vgl. den verwandten Text in Festschrift für Emil Preetorius 1953 S. 117 f.***
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losen Gestalt des Wirklichen und der Gegenstände antritt. Aus der Frühe des Anfangs erfahren, ist aber die Metaphysik zugleich vergangen in dem Sinne, daß sie in ihre Ver-endung eingegangen ist. Die Verendung dauert länger als die bisherige Geschichte der Metaphysik.
II
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Die Metaphysik läßt sich nicht wie eine Ansicht abtun. Man kann sie keineswegs als eine nicht mehr geglaubte und vertretene Lehre hinter sich bringen. Daß der Mensch als animal rationale, das heißt jetzt als das arbeitende Lebewesen die Wüste der Verwüstung der Erde durchirren muß, könnte ein Zeichen dafür sein, daß die Metaphysik aus dem Sein selbst und die Überwindung der Metaphysik als Verwindung des Seins sich ereignet. Denn die Arbeit (vgl. Ernst Jünger, »Der Arbeiter« 1932)* gelangt jetzt in den metaphysischen Rang der unbedingten Vergegenständlichung alles Anwesenden, das im Willen zum Willen west. Steht es so, dann dürfen wir nicht wähnen, auf Grund einer Ahnung des Verendens der Metaphysik außerhalb ihrer zu stehen. Denn die überwundene Metaphysik verschwindet nicht. Sie kehrt gewandelt zurück und bleibt als der fortwaltende Unterschied des Seins zum Seienden in der Herrschaft. Untergang der Wahrheit des Seienden besagt: die Offenbarkeit des Seienden und nur des Seienden verliert die bisherige Einzigkeit ihres maßgebenden Anspruchs.
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III Der Untergang der Wahrheit des Seienden ereignet sich notwendig und zwar als die Vollendung der Metaphysik. Der Untergang vollzieht sich zumal durch den Einsturz der von der Metaphysik geprägten Welt und durch die aus der Metaphysik stammende Verwüstung der Erde. Einsturz und Verwüstung finden den gemäßen Vollzug darin, daß der Mensch der Metaphysik, das animal rationale, zum arbeitenden Tier fest-gestellt wird. Diese Fest-stellung bestätigt die äußerste Verblendung über die Seinsvergessenheit. Der Mensch aber will sich als den Freiwilligen des Willens zum Willen, für den alle Wahrheit zu dem jenigen Irrtum wird, den er benötigt, damit er vor sich die Täuschung darüber sicherstellen kann, daß der Wille zum Willen nichts anderes wollen kann als das nichtige Nichts, demgegenüber er sich behauptet, ohne die vollendete Nichtigkeit seiner selbst wissen zu können. Ehe das Sein sich in seiner anfänglichen Wahrheit ereignen kann, muß das Sein als der Wille gebrochen, muß die Welt zum Einsturz und die Erde in die Verwüstung und der Mensch zur bloßen Arbeit gezwungen werden. Erst nach diesem Untergang ereignet sich in langer Zeit die jähe Weile des Anfangs. Im Untergang geht alles, d. h. das Seiende im Ganzen der Wahrheit der Metaphysik, zu seinem Ende. Der Untergang hat sich schon ereignet. Die Folgen dieses Ereignisses sind die Begebenheiten der Weltgeschichte dieses Jahrhunderts. Sie geben nur noch den Ablauf des schon Verendeten. Sein Verlauf wird im Sinne des letzten Stadiums der Metaphysik historisch-technisch geordnet. Diese Ordnung ist die letzte Einrichtung des Verendeten in den Anschein einer Wirklichkeit, deren Gewirk unwider-
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stehlich wirkt, weil es vorgibt, ohne ein Entbergen des Wesens des Seins auskommen zu können und dies so entschieden, daß es von solcher Entbergung nichts zu ahnen braucht. Dem Menschentum der Metaphysik ist die noch verborgene Wahrheit des Seins verweigert. Das arbeitende Tier ist dem Taumel seiner Gemächte überlassen, damit es sich selbst zerreiße und in das nichtige Nichts vernichte.
IV
[74]
Inwiefern gehört die Metaphysik zur Natur des Menschen? Der Mensch ist zunächst, metaphysisch vorgestellt, als ein Seiendes unter anderem mit Vermögen ausgestattet. Das so und so beschaffene Wesen, seine Natur, das Was und Wie seines Seins ist selbst in sich metaphysisch: animal (Sinnlichkeit) und rationale (Nicht sinnliches). Dergestalt in das Metaphysische eingegrenzt, bleibt der Mensch dem unerfahrenen Unterschied von Seiendem und Sein verhaftet. Die metaphysisch geprägte Weise des menschlichen Vorstellens findet überall nur die metaphysisch gebaute Welt. Die Metaphysik gehört zur Natur des Menschen. Doch was ist die Natur selbst? Was ist die Metaphysik selbst? Wer ist innerhalb dieser natürlichen Metaphysik der Mensch selbst? Ist er nur ein Ich, das durch die Berufung auf ein Du erst recht sich in seiner Ichheit, weil in der Ich-Du-Beziehung, verfestigt? Das ego cogito ist für Descartes in allen cogitationes das schon Vor- und Her-gestellte, das Anwesende, Fraglose, das Unbezweifelbare und je schon im Wissen Stehende, das eigentlich Gewisse, das allem vorauf Feststehende, nämlich als jenes, das alles auf sich zu und sich* so in das »gegen« zu anderem stellt.
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Zum Gegenstand gehört zumal der Was-bestand des Gegen-stehenden (essentia-possibilitas) und das Stehen des Entgegen-stehenden (existentia). Der Gegenstand ist die Einheit der Ständigkeit des Bestandes. Der Bestand in seinem Stand ist wesenhaft bezogen auf das Stellen des Vor-stellens als des sichernden Vor-sich-habens. Der ursprüngliche Gegenstand ist die Gegenständigkeit selbst. Die ursprüngliche Gegenständigkeit ist das »Ich denke« im Sinne des »ich percipiere«, das allem Percipierbaren im voraus schon sich vorlegt und vorgelegt hat, subiectum ist. Das Subjekt ist in der Ordnung der transzendentalen Genesis des Gegenstandes das erste Objekt des ontologischen Vorstellens. Ego cogito ist cogito: me cogitare.*
Va Die neuzeitliche Gestalt der Ontologie ist die Transzendentalphilosophie, die zur Erkenntnistheorie wird. Inwiefern entspringt dergleichen in der neuzeitlichen Metaphysik? Insofern die Seiendheit des Seienden als die Anwesen heit für das sicherstellende Vorstellen gedacht wird. Seiendheit ist jetzt Gegenständigkeit. Die Frage nach der Gegenständigkeit, nach der Möglichkeit des Entgegenstehens (nämlich dem sichernden, rechnenden Vorstellen) ist die Frage nach der Erkennbarkeit. Aber diese Frage ist eigentlich nicht gemeint als Frage nach dem physisch-psychischen Mechanismus des Erkenntnisablaufes, sondern nach der Möglichkeit des Anwesens des Gegenstandes im und für das Erkennen. a
[1954] n. [Nummer] XV**
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Die »Erkenntnistheorie« ist Betrachtung, ûevriÂa, insofern das oÍn, als Gegenstand gedacht, hinsichtlich der Gegenständigkeit und deren Ermöglichung († oÍn) befragt wird. Inwiefern stellt Kant durch die transzendentale Fragestellung das Metaphysische der neuzeitlichen Metaphysik sicher? Insofern die Wahrheit zur Gewißheit wird und so die Seiendheit (oyÆsiÂa)* des Seienden sich zur Gegenständigkeit der perceptio und der cogitatio des Bewußtseins, des Wissens, wandelt, rückt das Wissen und Erkennen in den Vordergrund. Die »Erkenntnistheorie« und was man dafür hält, ist im Grunde die auf der Wahrheit als der Gewißheit des sichernden Vorstellens gegründete Metaphysik und Ontologie. Dagegen geht die Deutung der »Erkenntnistheorie« als der Erklärung des »Erkennens« und als »Theorie« der Wissenschaften irre, obzwar dieses Sicherungsgeschäft nur eine Folge der Umdeutung des Seins in die Gegenständigkeit und Vorgestelltheit ist. »Erkenntnistheorie« ist der Titel für das zunehmende wesenhafte Unvermögen der neuzeitlichen Metaphysik, ihr eigenes Wesen und dessen Grund zu wissen. Die Rede von der »Metaphysik der Erkenntnis« bleibt im selben Mißverstand. In Wahrheit handelt es sich um die Metaphysik des Gegenstandes, d. h. des Seienden als des Gegenstandes, des Objekts für ein Subjekt. Die bloße Kehrseite der empiristisch-positivistischen Mißdeutung der Erkenntnistheorie meldet sich im Vordrängen der Logistik.
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VI Die Vollendung der Metaphysik beginnt mit Hegels Metaphysik des absoluten Wissens als des Willens des Geistes. Warum ist diese Metaphysik erst der Beginn der Vollendung und nicht sie selbst? Ist die unbedingte Gewißheit nicht zu ihr selbst gekommen als die absolute Wirklichkeit? Gibt es hier noch eine Möglichkeit des Hinausgehens über sich? Dieses wohl nicht. Aber noch ist die Möglichkeit des unbedingten Eingehens auf sich als den Willen des Lebens nicht vollzogen. Noch ist der Wille nicht als der Wille zum Willen in seiner von ihm bereiteten Wirklichkeit erschienen. Deshalb ist die Metaphysik mit der absoluten Metaphysik des Geistes noch nicht vollendet. Trotz des flachen Geredes vom Zusammenbruch der Hegelschen Philosophie bleibt dies Eine bestehen, daß im 19. Jahrhundert nur diese Philosophie die Wirklichkeit bestimmte, obzwar nicht in der äußerlichen Form einer befolgten Lehre, sondern als Metaphysik, als Herrschaft der Seiendheit im Sinne der Gewißheit. Die Gegenbewegungen gegen diese Metaphysik gehören zu ihr. Seit Hegels Tod (1831) ist alles nur Gegenbewegung, nicht nur in Deutschland, sondern in Europa.
VII Kennzeichnend ist für die Metaphysik, daß in ihr durchgängig die existentiaa, wenn überhaupt, dann immer nur kurz und wie etwas Selbstverständliches abgehandelt ist. a
[1954] 〈existentia〉
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(Vgl. die dürftige Erklärung des Postulats der Wirklichkeit in Kants Kritik der reinen Vernunft.*) Die einzige Ausnahme bildet Aristoteles, der die eÆneÂrgeia durchdenkt, ohne daß jemals dieses Denken künf tig in seiner Ursprünglichkeit wesentlich werden konnte. Die Umbildung der eÆneÂrgeia zur actualitas und Wirklichkeit hat alles in der eÆneÂrgeia zum Vorschein Gekommene verschüttet. Der Zusammenhang zwischen oyÆsiÂa und eÆneÂrgeia verdunkelt sich. Erst Hegel durchdenkt wieder die existentia, aber in seiner »Logik«, d. h. aus der absoluten Subjektivität**. Schelling denkt sie in der Unterscheidung von Grund und Existenz, welche Unterscheidung jedoch in der Subjektität wurzelt. In der Verengung des Seins auf »Natur« zeigt sich ein später und verworrener Nachklang des Seins als fyÂsiw. Der Natur werden die Vernunft und die Freiheit gegenübergestellt. Weil die Natur das Seiende ist, wird die Freiheit und das Sollen nicht als Sein gedacht. Es bleibt bei dem Gegensatz von Sein und Sollen, Sein und Wert. Schließlich wird auch das Sein selbst, sobald der Wille in sein äußerstes Unwesen kommt, zu einem bloßen »Wert«. Der Wert ist als Willensbedingung gedacht.
VIII Die Metaphysik ist in allen ihren Gestalten und geschichtlichen Stufen ein einziges, aber vielleicht auch das notwendige Verhängnis des Abendlandes und die Voraussetzung seiner planetarischen Herrschaft. Deren Wille wirkt jetzt auf die Mitte des Abendlandes zurück, aus welcher Mitte auch wieder nur ein Wille dem Willen entgegnet. Die Entfaltung der unbedingten Herrschaft der Metaphysik steht erst an ihrem Beginn. Dieser tritt ein, wenn die
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Metaphysik das ihr gemäße Unwesen bejaht und ihr Wesen in dieses ausliefert und darin verfestigt. Die Metaphysik ist Verhängnis in dem strengen, hier allein gemeinten Sinne, daß sie als Grundzug der abendländisch-europäischen Geschichte die Menschentümer inmitten des Seienden hängen läßt, ohne daß das Sein des Seienden jemals als die Zwiefalt beider von der Metaphysik her und durch diese in ihrer Wahrheit erfahren und erfragt und gefügt werden könnte. Dieses seinsgeschichtlich zu denkende Verhängnis ist aber deshalb notwendig, weil das Sein selbst den in ihm verwahrten Unterschied von Sein und Seiendem erst dann in seiner Wahrheit lichten kann, wenn der Unterschied selbst sich eigens ereignet. Wie aber kann er dies, wenn nicht das Seiende zuvor in die äußerste Seinsvergessenheit eingegangen ist und das Sein zugleich seine metaphysisch unkennbare unbedingte Herrschaft als der Wille zum Willen übernommen hat, der sich zunächst und einzig durch den alleinigen Vorrang des Seienden (des gegenständig Wirklichen) vor dem Sein zur Geltung bringt? So stellt sich das Unterscheidbare des Unterschieds in gewisser Weise vor und hält sich doch in einer seltsamen Unerkennbarkeit verborgen. Deshalb bleibt der Unterschied selbst verhüllt. Ein Kennzeichen dafür ist die metaphysisch-technische Reaktion auf den Schmerz, die zugleich die Auslegung seines Wesens vorbestimmt. Mit dem Beginn der Vollendung der Metaphysik beginnt die unerkannte und der Metaphysik wesentlich unzugängliche Vorbereitung eines ersten Erscheinens der Zwiefalt des Seins und des Seienden. Noch verbirgt sich in diesem Erscheinen der erste Anklang der Wahrheit des Seins, die den Vorrang des Seins hinsichtlich seines Waltens in sich zurücknimmt.
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IX
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Die Überwindung der Metaphysik wird seinsgeschichtlich gedacht. Sie ist das Vorzeichen der anfänglichen Verwindung der Vergessenheit des Seins. Früher, obzwar auch verborgener als das Vorzeichen, ist das in ihm Sichzeigende. Dies ist das Ereignis selbst. Das, was für die metaphysische Denkungsart wie ein Vorzeichen eines anderen aussieht, kommt nur noch als letzter bloßer Anschein einer anfänglicheren Lichtung in den Anschlag. Die Überwindung bleibt nur insofern denkwürdig, als an die Verwindung gedacht wird. Dieses inständige Denken denkt zugleich noch an die Überwindung. Solches Andenken erfährt das einzige Ereignis der Enteignung des Seienden, worin die Not der Wahrheit des Seins und so die Anfängnis der Wahrheit sich lichtet und das Menschenwesen abschiedlich überleuchtet. Die Überwindung ist die Über-lieferung der Metaphysik in ihre Wahrheit. Zunächst kann die Überwindung der Metaphysik nur aus der Metaphysik selbst gleichsam in der Art einer Überhöhung ihrer selbst durch sie selbst vorgestellt werden. In diesem Falle besteht die Rede von der Metaphysik der Metaphysik zu Recht, die in der Schrift »Kant und das Problem der Metaphysik«a * gestreift ist, indem sie den Kantischen Gedanken, der noch aus der bloßen Kritik der rationalen Metaphysik stammt, nach dieser Hinsicht zu deuten versucht. Dem Denken Kantsb wird dadurch allerdings mehr zugesprochen, als er selbst in den Grenzen seiner Philosophie zu denken vermochte. Die Rede von der Überwindung der Metaphysik kann a b
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[1954] 〈 Metaphysik der Metaphysik 〉 [1954] 〈Kants〉**
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dann auch noch die Bedeutung haben, daß »Metaphysik« der Name für den Platonismus bleibt, der sich der modernen Welt in der Interpretation durch Schopenhauer und Nietzsche darstellt. Die Umkehrung des Platonismus, dergemäß dann für Nietzsche das Sinnliche zur wahren Welt und das Übersinnliche zur unwahren wird, verharrt durchaus innerhalb der Metaphysik. Diese Art der Überwindung der Metaphysik, die Nietzsche im Auge hat und dies im Sinne des Positivismus des 19. Jahrhunderts, ist, wenngleich in einer höheren Verwandlung, nur die endgültige Verstrickung in die Metaphysik. Zwar hat es den Anschein, als sei das »Meta«, die Transzendenz ins Übersinnliche, zugunsten des Beharrens im Elementaren der Sinnlichkeit beseitigt, während doch nur die Seinsvergessenheit vollendet und das Übersinnliche als der Wille zur Macht losgelassen und betrieben wird.
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Der Wille zum Willen verwehrt, ohne es wissen zu können und ein Wissen darüber zuzulassen, jedes Geschick, worunter hier die Zuweisung einer Offenbarkeit des Seins des Seienden verstanden wird. Der Wille zum Willen verhärtet alles in das Geschicklose. Dessen Folge ist das Ungeschichtliche. Dessen Kennzeichen ist die Herrschaft der Historie. Deren Ratlosigkeit ist der Historismus. Wollte man sich die Geschichte des Seins gemäß dem heute geläufigen historischen Vorstellen zurechtlegen, dann wäre durch diesen Fehlgriff die Herrschaft der Vergessenheit des Seinsgeschickes auf die handgreiflichste Art bestätigt. Das Zeitalter der vollendeten Metaphysik steht vor seinem Beginn.
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Der Wille zum Willen erzwingt sich als seine Grundformen des Erscheinens die Berechnung und die Einrichtung von Allem, dies jedoch nur zur unbedingt fortsetzbaren Sicherung seiner selbst. Die Grundform des Erscheinens, in der dann der Wille zum Willen im Ungeschichtlichen der Welt der vollendeten Metaphysik sich selbst einrichtet und berechnet, kann bündig »die Technik« heißen. Dabei umfaßt dieser Name alle Bezirke des Seienden, die jeweils das Ganze des Seienden zurüsten: die vergegenständlichte Natur, die betriebene Kultur, die gemachte Politik und die übergebauten Ideale. »Die Technik« meint hier also nicht die gesonderten Bezirke der maschinenhaften Erzeugung und Zurüstung. Diese hat freilich eine näher zu bestimmende Vormachtstellung, die in dem Vorrang des Stofflichen als des vermeintlich Elementaren und in erster Linie Gegenständigen begründet ist. Der Name »die Technik« ist hier so wesentlich verstanden, daß er sich in seiner Bedeutung deckt mit dem Titel: die vollendete Metaphysik. Er enthält die Erinnerung an die teÂxnh, die eine Grundbedingung der Wesensentfaltung der Metaphysik überhaupt ist. Der Name ermöglicht zugleich, daß das Planetarische der Metaphysikvollendung und ihrer Herrschaft ohne Bezugnahme auf historisch nachweisbare Abwandlungen bei Völkern und Kontinenten gedacht werden kann.
XI Nietzsches Metaphysik bringt im Willen zur Macht die vorletzte Stufe der Willensentfaltung der Seiendheit des
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Seienden als Wille zum Willen zum Vorschein.a Das Ausbleiben der letzten Stufe gründet in der Vorherrschaft der »Psychologie«, im Macht- und Kraft-Begriff, im LebensEnthusiasmus. Darum fehlt diesem Denken die Strenge und Sorgfalt des Begriffesb und die Ruhe der geschichtlichen Besinnung. Die Historie herrscht, und darum die Apologetik und Polemik. Woher kommt es, daß Nietzsches Metaphysik zur Verachtung des Denkens geführt hat unter Berufung auf »das Leben«? Daher, daß man nicht erkannte, wie die vorstellend-planende (machtende) Bestandsicherung nach Nietzsches Lehre gleichwesentlich für das »Leben« ist wie die »Steigerung« und Erhöhung. Diese selbst hat man nur nach der Seite des Rauschhaften (psychologisch) genommen und wiederum nicht nach der entscheidenden Hinsicht, daß sie zugleich der Bestandsicherung den eigentlichen und je neuen Anstoß und die Rechtfertigung für die Steigerung gibt. Deshalb gehört zum Willen zur Macht die unbedingte Herrschaft der rechnenden Vernunft und nicht der Dunst und die Verwirrung eines trüben Lebensgewühls. Der mißleitete Wagnerkult hat um Nietzsches Denken und seine Darstellung ein »Künstlertum« gelegt, das nach dem Vorgang der Verhöhnung der Philosophie (das heißt Hegels und Schellings) durch Schopenhauer und nach dessen oberflächlicher Platon- und Kantauslegung die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts reif machte für eine Begeisterung, der das Oberfläch liche und das Dunstige der Geschichtslosigkeit schon für sich genommen als Kennzeichen des Wahren dienen. a
b
[1954] vgl. Was ist Met. [Was ist Metaphysik?] Nachwort 1943, S. 39 f.* [1954] 〈Begriffes〉**
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Hinter all dem liegt aber dieses einzige Unvermögen, aus dem Wesen der Metaphysik zu denken und die Tragweite des Wesenswandels der Wahrheit und den geschichtlichen Sinn der erwachenden Vorherrschaft der Wahrheit als Gewißheit zu erkennen und aus dieser Erkenntnis die Metaphysik Nietzsches in die einfachen Bahnen der neuzeitlichen Metaphysik zurückzudenken, statt daraus ein literarisches Phänomen zu machen, das die Köpfe mehr erhitzt als reinigt und stutzig macht und vielleicht gar erschreckt. Schließlich verrät Nietzsches Leidenschaft für die Schaffenden, daß er nur neuzeitlich vom Genius und vom Genialen und zugleich technisch vom Leistungshaften her denkt. Im Begriff des Willens zur Macht sind die beiden konstitutiven »Werte« (die Wahrheit und die Kunst) nur Umschreibungen für die »Technik« im wesentlichen Sinne der planend-rechnenden Beständigung als Leistung und für das Schaffen der »Schöpferischen«, die über das jeweilige Leben hinaus ein neues Stimulans dem Leben zubringen und den Betrieb der Kultur sicherstellen. All dies bleibt dem Willen zur Macht dienstbar, aber es verhindert auch, daß dessen Wesen in das klare Licht des weiten wesentlichen Wissens tritt, das im seinsgeschichtlichen Denken allein seinen Ursprung haben kann. Das Wesen des Willens zur Macht läßt sich erst aus dem Willen zum Willen begreifen. Dieser jedoch ist erst erfahrbar, wenn die Metaphysik bereits in den Übergang eingegangen ist.
XII Nietzsches Metaphysik des Willens zur Macht ist in dem Satz vorgebildet: »Der Grieche kannte und empfand die
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Schrecken und Entsetzlichkeiten des Daseins: um überhaupt leben zu können, mußte er vor sie hin die glänzende Traumgeburt der Olympischen stellen.« (Sokrates und die griechische Tragödie, 3. Kapitel, 1871. Ursprüngliche Fassung der »Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik.« München 1933.)* Hier ist der Gegensatz des »Titanischen« und »Barbarischen«, des »Wilden« und »Triebhaften« auf der einen und des schönen, erhabenen Scheines auf der anderen Seite gesetzt. Hier ist vorgezeichnet, wenngleich noch nicht klar gedacht und unterschieden und aus einheitlichem Grunde gesehen, daß der »Wille« der Bestandsicherung und Erhöhung zugleich bedarf. Aber dies, daß der Wille Wille zur Macht ist, bleibt noch verborgen. Schopenhauers Willenslehre beherrscht zunächst Nietzsches Denken. Die Vorrede zu der Schrift ist »am Geburtstage Schopenhauers« geschrieben.** Mit Nietzsches Metaphysik ist die Philosophie vollendet. Das will sagen: sie hat den Umkreis der vorgezeichneten Möglichkeiten abgeschritten. Die vollendete Metaphysik, die der Grund der planetarischen Denkweise ist, gibt das Gerüst für eine vermutlich lange dauernde Ordnung der Erdea. Die Ordnung bedarf der Philosophie nicht mehr, weil diesejenerschon zugrunde liegt.*** Aber mit dem Ende der Philosophie ist nicht auch schon das Denken am Ende, sondern im Übergang zu einem anderen Anfang.b
a b
[1954] 〈Ordnung der Erde〉 [1954] Zur Sache des Denkens S. 63 ff.****
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In den Aufzeichnungen zum IV. Teil von »Also sprach Zarathustra« schreibt Nietzsche (1886): »Wir machen einen Versuch mit der Wahrheit! Vielleicht geht die Menschheit daran zu Grunde! Wohlan!« (WW XII, S. 410)* Eine Aufzeichnung aus der Zeit der »Morgenröte« (1880/81) lautet: »Das Neue an unserer jetzigen Stellung zur Philosophie ist eine Überzeugung, die noch kein Zeitalter hatte: Dass wir die Wahrheit nicht haben. Alle früheren Menschen ›hatten die Wahrheit‹, selbst die Sceptiker.« (WW XI, S. 159)** Was meint Nietzsche, wenn er hier und dort von »der Wahr heit« spricht? Meint er »das Wahre«, und denkt er dies als das wirklich Seiende oder als das Gültige alles Urteilens, Verhaltens und Lebens? Was heißt dies: mit der Wahrheit einen Versuch machen? Heißt es: den Willen zur Macht in der ewigen Wiederkehr des Gleichen als das wahrhaft Seiende in den Vorschlag bringen? Kommt dieses Denken jemals zu der Frage, worin das Wesen der Wahrheit beruhe und woher sich die Wahrheit des Wesens ereigne?
XIV Wie gelangt die Gegenständigkeit in den Charakter, das Wesen des Seienden als solchen auszumachen? Man denkt »Sein« als Gegenständigkeit und müht sich dann von da aus um das »Seiende an sich«, wobei man nur vergißt zu fragen und zu sagen, was man hier mit »seiend« und mit »an sich« meint.
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Was »ist« Sein? Dürfen wir dem »Sein« nachfragen, was es sei? Sein bleibt ungefragt und selbstverständlich und daher unbedacht. Es hält sich in einer längst vergessenen und grundlosen Wahrheit.
XVa Gegenstand im Sinne von Ob-jekt gibt es erst dort, wo der Mensch zum Subjekt, wo das Subjekt zum Ich und das Ich zum ego cogito wird, erst dort, wo dieses cogitare in seinem Wesen als »ursprünglich synthetische Einheit der transzendentalen Apperzeption« begriffen wird, erst dort, wo der höchste Punkt für die »Logik« erreicht wird (in der Wahrheit als der Gewißheit des »Ich denke«). Erst hier enthüllt sich das Wesen des Gegenstandes in seiner Gegenständigkeit. Erst hier wird es dann in der Folge möglich und unumgänglich, die Gegenständigkeit selbst als »den neuen wahren Gegenstand« zu begreifen und ins Unbedingte zu denken.
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Subjektität, Gegenstand und Reflexionb gehören zusammen. Erst wenn die Reflexion als solche erfahren ist, nämlich als der tragende Bezug zum Seienden, erst dann wird das Sein als Gegenständigkeit bestimmbar. Die Erfahrung der Reflexion als dieses Bezugs setzt aber a b
[1954] n [Nummer] V* [1954] 〈Reflexion〉 Nietzsche II, 465** vgl. Holz[wege] 221 ob[en]***
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voraus, daß überhaupt der Bezug zum Seienden als repraesentatio erfahren ist: als Vor-stellen. Dieses kann jedoch nur geschicklich werden, wenn die idea zur perceptio geworden ist. Diesem Werden liegt der Wandel der Wahrheit als Übereinstimmung zur Wahrheit als Gewißheit zugrunde, worin die adaequatio erhalten bleibt. Die Gewißheit ist als die Selbstsicherung (Sichselbst-wollen) die iustitia als Rechtfertigung des Bezugs zum Seienden und seiner ersten Ursache und damit der Zugehörigkeit in das Seiende. Die iustificatio im Sinne der Reformation und Nietzsches Begriff der Gerechtigkeit als Wahrheit sind das Selbe. Dem Wesen nach gründet die repraesentatio in der reflexio. Deshalb wird das Wesen der Gegenständigkeit als solcher erst dort offenkundig, wo das Wesen des Denkens als »Ich denke etwas«, d. h. als Reflexion erkannt und eigens vollzogen wird.
XVII Kant ist auf dem Weg, das Wesen der Reflexion im transzendentalen, d. h. ontologischen Sinne zu bedenken. Es geschieht in der Form einer unscheinbaren Nebenbemerkung in der Kritik der reinen Vernunft unter dem Titel »Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe«.* Der Abschnitt ist nachgetragen, aber erfüllt von wesentlicher Einsicht und Auseinandersetzung mit Leibniz und demgemäß mit aller voraufgegangenen Metaphysik, wie sie für Kant selbst im Blick steht und in ihrer ontologischen Verfassung auf die Ichheit gegründet ist.
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Von außen nimmt es sich so aus, als sei die Ichheit nur die nachträgliche Verallgemeinerung und Abstraktion des Ichhaften aus den geeinzelten »Ichen« des Menschen. Vor allem denkt Descartes offenkundig an das »Ich« seiner selbst als der geeinzelten Person (res cogitans als substantia finita), wogegen allerdings Kant das »Bewußtsein überhaupt« denkt. Allein, Descartes denkt auch sein eigenes einzelnes Ich bereits im Lichte der freilich noch nicht eigens vorgestellten Ichheit. Diese Ichheit erscheint bereits in der Gestalt des certum, der Gewißheit, die nichts anderes ist als die Sicherung des Vorgestellten für das Vorstellen. Der verhüllte Bezug zur Ichheit als der Gewißheit seiner selbst und des Vorgestellten waltet schon. Nur aus diesem Bezug ist das einzelne Ich als dieses erfahrbar. Das menschliche Ich als das sich vollendende geeinzelte Selbst kann sich nur wollen im Lichte des Bezugs des noch ungekannten Willens zum Willen auf dieses Ich. Kein Ich ist an sich vorhanden, sondern es ist »an sich« (d. h. selbständig) stets nur als »in sich«ab erscheinendes und d. h. als Ichheit.* Deshalb west diese auch dort, wo keineswegs das einzelne Ich sich vordrängt, wo dieses vielmehr zurücktritt und die Gesellschaft und andere Verbandsformen die Herrschaft haben. Auch da ist und gerade hier die reine Herrschaft des metaphysisch zu denkenden »Egoismus«, der mit dem naiv gedachten »Solipsismus« nichts zu tun hat. Die Philosophie im Zeitalter der vollendeten Metaphysik ist die Anthropologie (vgl. jetzt Holzwege, S. 91 f.).** a b
[1954] aus sich – für sich [1954] das aus sich – für sich Erscheinen ist das Sein des Ich.
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Ob man eigens noch »philosophische« Anthropologie sagt oder nicht, gilt gleichviel. Inzwischen ist die Philosophie zur Anthropologie geworden und auf diesem Wege zu einer Beute der Abkömmlinge der Metaphysik, das heißt der Physik im weitesten Sinne, der die Physik des Lebens und des Menschen, die Biologie und Psychologie einschließt. Zur Anthropologie geworden, geht die Philosophie selbst an der Metaphysik zugrunde.
XIX Der Wille zum Willen setzt als die Bedingungen seiner Möglichkeit die Bestandsicherung (Wahrheit) und die Übertreibbarkeit der Triebe (Kunst). Der Wille zum Willen richtet als das Sein demnach selbst das Seiende ein. Im Willen zum Willen kommt erst die Technik (Bestandsicherung) und die unbedingte Besinnungslosigkeit (»Erlebnis«) zur Herrschaft. Die Technik als die höchste Form der rationalen Bewußtheit, technisch gedeutet, und die Besinnungslosigkeit als das ihr selbst verschlossene eingerichtete Unvermögen, in einen Bezug zum Fragwürdigen zu gelangen, gehören zusammen: sie sind das Selbe. Warum das so ist und wie es geworden ist, sei hier als erfahren und begriffen vorausgesetzt. Es gilt nur noch, die eine Überlegung zu vollziehen, daß die Anthropologie sich nicht in der Erforschung des Menschen und in dem Willen erschöpft, alles aus dem Menschen her als dessen Ausdruck zu erklären. Auch dort, wo nicht geforscht wird, wo vielmehr Entscheidungen gesucht werden, geschieht das so, daß zuvor ein Menschentum gegen ein anderes ausgespielt, das Menschentum als die ursprüng-
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liche Kraft anerkannt wird, gleich als ob dieses das Erste und Letzte sei in allem Seienden und dieses und seine jeweilige Auslegung nur die Folge. So kommt es zur Vorherrschaft der einzig maßgebenden Frage: welcher Gestalt gehört der Mensch an? Hierbei ist »Gestalt« unbestimmt metaphysisch, d. h. platonisch als das gedacht, was ist und erst alle Überlieferung und Entwicklung bestimmt, selbst jedoch davon unabhängig bleibt. Diese vorgreifende Anerkennung »des Menschen« führt dazu, allererst und nur in seinem Umkreis nach dem Sein zu suchen und den Menschen selbst als den menschlichen Bestand, als das jeweilige mhÁ oÍn zur ÆideÂa anzusehen.
XX Indem der Wille zur Macht seine äußerste, unbedingte Sicherheit erlangt, ist er als das alles Sichernde das einzig Richtende und also Richtige. Die Richtigkeit des Willens zum Willen ist die unbedingte und vollständige Sicherung seiner selbst. Was ihm zu willen ist, ist richtig und in Ordnung, weil der Wille zum Willen selbst die einzige Ordnung bleibt. In dieser Selbstsicherheit des Willens zum Willen ist das anfängliche Wesen der Wahrheit verloren. Die Richtigkeit des Willens zum Willen ist das Un-Wahre schlechthin. Die Richtigkeit des Un-Wahren hat im Umkreis des Willens zum Willen eine eigene Unwiderstehlichkeit. Aber die Richtigkeit des Un-Wahren, das selbst als dieses verborgen bleibt, ist zugleich das Unheimlichste, was sich in der Verkehrung des Wesens der Wahrheit ereignen kann. Das Richtige meistert das Wahre und beseitigt die Wahrheit. Der Wille zur unbedingten Sicherung bringt erst die allseitige Unsicherheit zum Vorschein.
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Der Wille ist in sich schon Vollzug des Strebens als Verwirklichung des Erstrebten, wobei dieses wesentlich im Begriff, d. h. als ein im Allgemeinen Vorgestelltes eigens gewußt und bewußt gesetzt ist. Zum Willen gehört Bewußtsein. Der Wille zum Willen ist die höchste und unbedingte Bewußtheit der rechnenden Selbstsicherung des Rechnens (vgl. Wille zur Macht, Nr. 458)*. Daher gehört zu ihm das allseitige, ständige, unbedingte Ausforschen der Mittel, Gründe, Hemmnisse, das verrechnende Wechseln und Ausspielen der Ziele, die Täuschung und das Manöver, das Inquisitorische, demzufolge der Wille zum Willen gegen sich selbst noch mißtrauisch und hinterhältig ist und auf nichts anderes bedacht bleibt als auf die Sicherung seiner als der Macht selbst. Die Ziel-losigkeit, und zwar die wesentliche des unbedingten Willens zum Willen ist die Vollendung des Willenswesens, das sich in Kants Begriff der praktischen Vernunft als des reinen Willens angekündigt hat. Dieser will sich selbst und ist als der Wille das Sein. Deshalb ist, vom Gehalt her gesehen, der reine Wille und sein Gesetz formal. Er ist sich selbst der einzige Inhalt als die Form.
XXII Dadurch, daß zeitweilig der Wille in einzelnen »Willensmenschen« personifiziert ist, sieht es so aus, als sei der Wille zum Willen die Ausstrahlung dieser Personen. Die Meinung entsteht, der menschliche Wille sei der Ursprung des Willens zum Willen, während doch der Mensch vom Willen zum Willen gewollt ist, ohne das Wesen dieses Wollens zu erfahren.
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Sofern der Mensch der so Gewollte ist und der in den Willen zum Willen Gesetzte, wird in seinem Wesen auch notwendig »der Wille« angesprochen und als die Instanz der Wahrheit freigegeben. Die Frage ist überall, ob der Einzelne und Verbände aus diesem Willen sind oder ob sie noch mit diesem Willen und gar gegen ihn verhandeln und markten, ohne zu wissen, daß sie schon von ihm überspielt sind. Die Einzigkeit des Seins zeigt sich auch im Willen zum Willen, der nur eine Richtung zuläßt, in der gewollt werden kann. Daher stammt die Einförmigkeit der Welt des Willens zum Willen, die von der Einfachheit des Anfänglichen so weit entfernt ist wie das Unwesen vom Wesen, obzwar es zu diesem gehört.
XXIII Weil der Wille zum Willen jedes Ziel an sich leugnet und Ziele nur zuläßt als Mittel, um sich willentlich selbst zu überspielen und dafür, für dieses Spiel, den Spielraum einzurichten, weil aber gleichwohl der Wille zum Willen nicht, wenn er sich im Seienden einrichten soll, als die Anarchie der Katastrophen, die er ist, erscheinen darf, muß er sich noch legitimieren. Hier erfindet der Wille zum Willen die Rede vom »Auftrag«. Dieser ist nicht gedacht im Hinblick auf Anfängliches und dessen Wahrung, sondern als das vom Standpunkt des »Schicksals« zugewiesene und den Willen zum Willen dadurch rechtfertigende Ziel.
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XXIV Der Kampf zwischen denen, die an der Macht sind, und denen, die an die Macht wollen: auf jeder Seite ist der Kampf um die Macht. Überall ist die Macht selbst das Bestimmende. Durch diesen Kampf um die Macht wird das Wesen der Macht von beiden Seiten in das Wesen ihrer unbedingten Herrschaft gesetzt. Zugleich aber verdeckt sich hier noch das Eine, daß dieser Kampf im Dienste der Macht steht und von ihr gewollt ist. Sie hat sich zuvor dieser Kämpfe bemächtigt. Der Wille zum Willen allein ermächtigt diese Kämpfe. Die Macht bemächtigt sich aber so der Menschentümer auf eine Art, daß sie den Menschen der Möglichkeit enteignet, auf solchen Wegen aus der Vergessenheit des Seins je herauszukommen. Dieser Kampf ist notwendig planetarisch und als solcher in seinem Wesen unentscheidbar, weil er nichts zu entscheiden hat, da er von aller Unterscheidung, vom Unterschied (des Seins zum Seienden) und damit von der Wahr-heit ausgeschlossen bleibt und durch die eigene Kraft ins Ungeschickliche hinausgedrängt wird: in die Seinsverlassenheit.
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Der Schmerz, der erst erfahren und ausgerungen werden muß, ist die Einsicht und das Wissen, daß die Notlosigkeit die höchste und verborgenste Not ist, die aus der fernsten Ferne erst nötigt. Die Not-losigkeit besteht darin zu meinen, daß man das Wirkliche und die Wirklichkeit im Griff habe und wisse, was das Wahre sei, ohne daß man zu wissen brauche, worin die Wahrheit west.
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Das seinsgeschichtliche Wesen des Nihilismus ist die Seinsverlassenheit, sofern in ihr sich ereignet, daß das Sein sich in die Machenschaft losläßt. Die Loslassung nimmt den Menschen in eine unbedingte Dienstschaft.* Sie ist keineswegs ein Verfall und ein »Negativum« in irgend einem Sinne. Deshalb ist auch nicht jedes beliebige Menschentum geeignet, den unbedingten Nihilismus geschichtlich zu verwirklichen. Deshalb ist sogar ein Kampf nötig über die Entscheidung, welches Menschentum zur unbedingten Vollendung des Nihilismus fähig ist.
XXVIa Die Zeichen der letzten Seinsverlassenheit sind die Ausrufungen der »Ideen« und »Werte«, das wahllose Hin und Her der Proklamation der »Tat« und der Unentbehrlichkeit des »Geistes«. All dieses ist schon eingespannt in den Mechanismus der Rüstung des Ordnungsvorganges. Dieser selbst ist bestimmt durch die Leere der Seinsverlassenheit, innerhalb deren der Verbrauch des Seienden für das Machen der Technik, zu der auch die Kultur gehört, der einzige Ausweg ist, auf dem der auf sich selbst erpichte Mensch noch die Subjektivität in das Übermenschentum retten kann. Untermenschentum und Übermenschentum sind das Selbe; sie gehören zusammen, wie im metaphysischen animal rationale das »Unten« der Tierheit und das »Über« der ratio unlöslich gekoppelt sind zur Entsprechung. Unter- und Übermenschentum sind hier metaphysisch zu denken, nicht als moralische Wertungen. a
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Der Verbrauch des Seienden ist als solcher und in seinem Verlauf bestimmt durch die Rüstung im metaphysischen Sinne, wo durch der Mensch sich zum »Herrn« des »Elementaren« macht. Der Verbrauch schließt ein den geregelten Gebrauch des Seienden, das Gelegenheit und Stoff für Leistungen und deren Steigerung wird. Dieser Gebrauch wird genutzt zum Nutzen der Rüstung. Sofern diese aber in die Unbedingtheit der Steigerung und der Selbstsicherung ausgeht und in Wahrheit die Ziellosigkeit zum Ziel hat, ist die Nutzung eine Vernutzung. Die »Weltkriege« und ihre »Totalität« sind bereits Folgen der Seinsverlassenheit. Sie drängen auf die Bestandsicherung einer ständigen Form der Vernutzung. In diesen Prozeß ist auch der Mensch einbezogen, der seinen Charakter, der wichtigste Rohstoff zu sein, nicht mehr länger verbirgt. Der Mensch ist der »wichtigste Rohstoff«, weil er das Subjekt aller Vernutzung bleibt, so zwar, daß er seinen Willen unbedingt in diesem Vorgang aufgehen läßt und dadurch zugleich das »Objekt« der Seinsverlassenheit wird. Die Welt-Kriege sind die Vorform der Beseitigung des Unterschiedes von Krieg und Frieden, welche Beseitigung nötig ist, da die »Welt« zur Unwelt geworden ist zufolge der Verlassenheit des Seienden von einer Wahrheit des Seins. Denn »Welt« im seynsgeschichtlichen Sinne (vgl. bereits »Sein und Zeit«) bedeutet die ungegenständliche Wesung der Wahrheit des Seyns für den Menschen, sofern dieser dem Seyn wesenhaft übereignet ist. Im Zeitalter der ausschließlichen Macht der Macht, d. h. des unbedingten Andranges des Seienden zum Verbrauch in die Vernutzung, ist die Welt zur Unwelt geworden, sofern das Sein zwar west, aber ohne eigenes Walten. Das Seiende ist wirklich als das Wirkliche. Überall ist Wirkung und nirgends ein Welten der Welt und gleichwohl noch, obzwar verges-
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sen, das Sein. Jenseits von Krieg und Frieden ist die bloße Irrnis der Vernutzung des Seienden in die Selbstsicherung des Ordnens aus der Leere der Seinsverlassenheit. »Krieg« und »Frieden« sind, zu ihrem Unwesen abgeändert, in die Irrnis aufgenommen und, weil unkenntlich geworden hinsichtlich eines Unterschiedes, in den bloßen Ablauf des sich steigernden Machens von Machbarkeiten verschwunden. Die Frage, wann Frieden sein wird, läßt sich nicht deshalb nicht beantworten, weil die Dauer des Krieges unabsehbar ist, sondern weil schon die Frage nach etwas frägt, das es nicht mehr gibt, da auch schon der Krieg nichts mehr ist, was auf einen Frieden auslaufen könnte. Der Krieg ist zu einer Abart der Vernutzung des Seienden geworden, die im Frieden fortgesetzt wird. Das Rechnen mit einem langen Krieg ist nur die bereits veraltete Form, in der das Neue des Zeitalters der Vernutzung anerkannt ist. Dieser lange Krieg geht in seiner Länge langsam über nicht in einen Frieden früherer Art, sondern in einen Zustand, in dem das Kriegsmäßige gar nicht mehr als ein solches erfahren wird und das Friedensmäßige sinn- und gehaltlos geworden ist. Die Irrnis kennt keine Wahrheit des Seins; dafür aber entwickelt sie die vollständig durchgerüstete Ordnung und Sicherheit jeglicher Planung in jedem Bezirk. In dem Zirkel (Kreis) der Bezirke werden notwendig die besonderen Bereiche menschlicher Rüstung zu »Sektoren«; der »Sektor« der Dichtung, der »Sektor« der Kultur sind auch nur planmäßig gesicherte Gebiete der jeweiligen »Führung« neben anderen. Die moralischen Entrüstungen derer, die noch nicht wissen, was ist, zielen oft auf die Willkür und den Herrschaftsanspruch der »Führer« – die fatalste Form der ständigen Würdigung. Der Führer ist der Ärger, der nicht loskommt vom Verfolgen des Ärgernisses, das jene nur dem Schein nach geben, da sie nicht die Handelnden
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sind. Man meint, die Führer hätten von sich aus, in der blinden Raserei einer selbstischen Eigensucht, alles sich angemaßt und nach ihrem Eigensinn sich eingerichtet. In Wahrheit sind sie die notwendigen Folgen dessen, daß das Seiende in die Weise der Irrnis übergegangen ist, in der sich die Leere ausbreitet, die eine einzige Ordnung und Sicherung des Seienden verlangt. Darin ist die Notwendigkeit der »Führung«, d. h. der planenden Berechnung der Sicherung des Ganzen des Seienden gefordert. Dazu müssen solche Menschen eingerichtet und gerüstet sein, die der Führung dienen. Die »Führer« sind die maßgebenden Rüstungsarbeiter, die alle Sektoren der Sicherung der Vernutzung des Seienden übersehen, weil sie das Ganze der Umzirkung durchschauen und so die Irrnis in ihrer Berechenbarkeit beherrschen. Die Art des Durchschauens ist die Berechnungsfähigkeit, die sich im vorhinein ganz losgelassen hat in die Erfordernisse des ständig sich steigernden Sicherns der Ordnungen im Dienste der nächsten Möglichkeiten des Ordnens. Die Zuordnung aller möglichen Strebungen auf das Ganze der Planung und Sicherung heißt »Instinkt«. Das Wort bezeichnet hier den über den beschränkten Verstand, der nur aus dem Nächsten rechnet, hinausgehenden »Intellekt«, dessen »Intellektualismus« nichts entgeht, was als »Faktor« in die Rechnung der Verrechnungen der einzelnen »Sektoren« eingehen muß. Der Instinkt ist die dem Übermenschentum entsprechende Übersteigerung des Intellekts in die unbedingte Verrechnung von allem. Da diese schlechthin den Willen beherrscht, scheint neben dem Willen nichts mehr zu sein als die Sicherheit des bloßen Triebes zur Rechnung, für den die Berechnung von allem erste Regel des Rechnens ist. »Der Instinkt« galt bisher als eine Auszeichnung des Tieres, das in seinem Lebensbezirk das ihm Nützliche und Schädliche
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ausmacht und verfolgt und darüber hinaus nichts anstrebt. Die Sicherheit des tierischen Instinkts entspricht der blinden Einspannung in seinen Nutzungsbezirk. Der bedingungslosen Ermächtigung des Übermenschentums entspricht die völlige Befreiung des Untermenschentums. Der Trieb der Tierheit und die ratio der Menschheit werden identisch. Daß für das Übermenschentum der Instinkt als Charakter gefordert wird, sagt, daß ihm das Untermenschentum – metaphysisch verstanden – zugehört, aber so, daß gerade das Tierische in jeder seiner Formen durch und durch der Rechnung und Pla nung unterworfen wird (Gesundheitsführung, Züchtung). Da der Mensch der wichtigste Rohstoff ist, darf damit gerechnet werden, daß auf Grund der heutigen chemischen Forschung eines Tages Fabriken zur künstlichen Zeugung von Menschenmaterial errichtet werden. Die Forschungen des in diesem Jahre mit dem Goethepreis der Stadt Frankfurt ausgezeichneten Chemikers Kuhn eröffnen bereits die Möglichkeit, die Erzeugung von männlichen und weiblichen Lebewesen planmäßig je nach Bedarf zu steuern. Der Schrifttumsführung im Sektor »Kultur« entspricht in nackter Konsequenz die künstliche Schwängerungsführung. (Man flüchte sich hier nicht aus veralteter Prüderie in Unterschiede, die nicht mehr bestehen. Der Bedarf an Menschenmaterial unterliegt derselben Regelung des rüstungsmäßigen Ordnens wie der Bedarf an Unterhaltungsbüchern und Gedichten, für deren Herstellung der Dichter um nichts wichtiger ist als der Buchbinderlehrling, der die Gedichte für eine Werkbücherei einbinden hilft, indem er z. B. den Rohstoff der Pappe für die Einbände aus den Lagerräumen herbeischafft). Die Vernutzung aller Stoffe, eingerechnet den Rohstoff »Mensch«, zur technischen Herstellung der unbedingten
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Möglichkeit eines Herstellens von allem, wird im Verborgenen bestimmt durch die völlige Leere, in der das Seiende, die Stoffe des Wirklichen, hängt. Diese Leere muß ausgefüllt werden. Da aber die Leere des Seins, zumal wenn sie als solche nicht erfahren werden kann, niemals durch die Fülle des Seienden aufzufüllen ist, bleibt nur, um ihr zu entgehen, die unausgesetzte Einrichtung des Seienden auf die ständige Möglichkeit des Ordnens als der Form der Sicherung des ziellosen Tuns. Die Technik ist von da gesehen, weil auf die Leere des Seins wider ihr Wissen bezogen, die Organisation des Mangels. Überall, wo an Seiendem zu wenig ist – und es ist wachsend überall immer für den sich steigernden Willen zum Willen alles zu wenig –, muß die Technik einspringen und Ersatz schaffen und die Rohstoffe verbrauchen. Aber in Wahrheit ist der »Ersatz« und die Massenherstellung der Ersatzdinge nicht ein vorübergehender Notbehelf, sondern die einzig mögliche Form, in der sich der Wille zum Willen, die »restlose« Sicherung der Ordnung des Ordnens, in Gang hält und so er »selbst« als das »Subjekt« von allem sein kann. Das Anwachsen der Zahl der Menschenmassen wird eigens nach Planungen betrieben, damit die Gelegenheit niemals ausgehe, für die großen Massen größere »Lebensräume« zu beanspruchen, die in ihrer Größe dann wiederum die entsprechend höhere Menschenmasse zu ihrer Einrichtung fordern. Diese Kreisbewegung der Vernutzung um des Verbrauchs willen ist der einzige Vorgang, der die Geschichte einer Welt auszeichnet, die zur Unwelt geworden ist. »Führernaturen« sind diejenigen, die sich auf Grund ihrer Instinktsicherheit von diesem Vorgang anstellen lassen als seine Steuerungsorgane. Sie sind die ersten Angestellten innerhalb des Geschäftsganges der bedingungslosen Vernutzung des Seienden im Dienste der Sicherung der
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Leere der Seinsverlassenheit. Dieser Geschäftsgang der Vernutzung des Seienden aus der wissenlosen Abwehr des unerfahrenen Seyns schließt im vorhinein die Unterschiede des Nationalen und der Völker als noch wesentliche Bestimmungsmomente aus. Gleichwie der Unterschied zwischen Krieg und Frieden hinfällig geworden ist, so fällt auch die Unterscheidung zwischen »national« und »international« dahin. Wer heute »europäisch« denkt, läßt sich nicht mehr dem Vorwurf aussetzen, ein »Internationalist« zu sein. Er ist aber auch kein Nationalist mehr, da er ja auch das Wohl der übrigen »Nationen« nicht weniger bedenkt als das eigene. Die Gleichförmigkeit des Geschichtsganges des jetzigen Zeitalters beruht gleichfalls nicht auf einer nachträglichen Angleichung älterer politischer Systeme an die neuesten. Die Gleichförmigkeit ist nicht die Folge, sondern der Grund für die krie gerischen Auseinandersetzungen der einzelnen Anwartschaften auf die maßgebende Führung innerhalb der Vernutzung des Seienden zur Sicherung der Ordnung. Die aus der Leere der Seinsverlassenheit entspringende Gleichförmigkeit des Seienden, in der es nur auf die berechenbare Sicherheit seiner Ordnung ankommt, die es dem Willen zum Willen unterwirft, bedingt auch überall vor allen nationalen Unterschieden die Gleichförmigkeit der Führerschaft, für die alle Staatsformen nur noch ein Führungsinstrument unter anderen sind. Weil die Wirklichkeit in der Gleichförmigkeit der planbaren Rechnung besteht, muß auch der Mensch in die Einförmigkeit eingehen, um dem Wirklichen gewachsen zu bleiben. Ein Mensch ohne Uni-form macht heute bereits den Eindruck des Unwirklichen, das nicht mehr dazugehört. Das Seiende, das allein im Willen zum Willen zugelassen ist, breitet sich in eine Unterschiedslosigkeit aus, die nur noch ge-
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meistert wird durch ein Vorgehen und Einrichten, das unter dem »Leistungsprinzip« steht. Dieses scheint eine Rangordnung zur Folge zu haben; in Wahrheit hat es die Ranglosigkeit zum Bestimmungsgrund, da das Ziel der Leistung überall nur die gleichmäßige Leere der Vernutzung jeder Arbeit in die Sicherung des Ordnens ist. Die aus diesem Prinzip grell hervorbrechende Unterschiedslosigkeit deckt sich keineswegs mit der bloßen Nivellierung, die nur Abbau bisheriger Rangordnungen bleibt. Die Unterschiedslosigkeit der totalen Vernutzung entspringt einem »positiven« Nichtzulassen einer Rangstufung gemäß der Vormacht der Leere aller Zielsetzungen. Diese Unterschiedslosigkeit bezeugt den bereits gesicherten Bestand der Unwelt der Seinsverlassenheit. Die Erde erscheint als die Unwelt der Irrnis. Sie ist seynsgeschichtlich der Irrstern.
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Die Hirten wohnen unsichtbar und außerhalb des Ödlandes der verwüsteten Erde, die nur noch der Sicherung der Herrschaft des Menschen nützen soll, dessen Wirken sich darauf beschränkt abzuschätzen, ob etwas wichtig oder unwichtig sei für das Leben, welches Leben als der Wille zum Willen im voraus fordert, daß alles Wissen in dieser Art des sichernden Rechnens und Wertens sich bewege. Das unscheinbare Gesetz der Erde wahrt diese in der Genügsamkeit des Aufgehens und Vergehens aller Dinge im zugemessenen Kreis des Möglichen, dem jedes folgt und den doch keines kennt. Die Birke überschreitet nie ihr Mögliches. Das Bienenvolk wohnt in seinem Möglichen. Erst der Wille, der sich allwendig in der Technik einrichtet, zerrt die Erde in die Abmüdung und Vernutzung und Ver-
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änderung des Künstlichen. Sie zwingt die Erde über den gewachsenen Kreis ihres Möglichen hinaus in solches, was nicht mehr das Mögliche und daher das Unmögliche ist. Daß den technischen Vorhaben und Maßnahmen vieles gelingt an Erfindungen und sich jagenden Neuerungen, ergibt keineswegs den Beweis, daß Errungenschaften der Technik sogar das Unmögliche möglich machen. Der Aktualismus und der Moralismus der Historie sind die letzten Schritte der vollendeten Identifizierung der Natur und des Geistes mit dem Wesen der Technik. Natur und Geist sind Gegenstände des Selbstbewußtseins; dessen unbedingte Herrschaft zwingt beide zum voraus in eine Gleichförmigkeit, aus der es metaphysisch kein Entrinnen gibt. Eines ist es, die Erde nur zu nutzen, ein anderes, den Segen der Erde zu empfangen und im Gesetz dieser Empfängnis heimisch zu werden, um das Geheimnis des Seins zu hüten und über die Unverletzlichkeit des Möglichen zu wachen.
XXVIII Keine bloße Aktion wird den Weltzustand ändern, weil das Sein als Wirksamkeit und Wirken alles Seiende gegenüber dem Ereignis verschließt.* Sogar das ungeheure Leid, das über die Erde geht, vermag unmittelbar keinen Wandel zu erwecken, weil es nur als ein Leiden, dieses passiv und somit als Gegenzustand zur Aktion und daher mit dieser zusammen in dem selben Wesensbereich des Willens zum Willen erfahren wird. Aber die Erde bleibt im unscheinbaren Gesetz des Möglichen geborgen, das sie ist. Der Wille hat dem Möglichen
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das Unmögliche als Ziel aufgezwungen. Die Machenschaft, die diesen Zwang einrichtet und in der Herrschaft hält, entspringt dem Wesen der Technika, das Wort hier identisch gesetzt mit dem Begriff der sich vollendenden Metaphysik. Die unbedingte Gleichförmigkeit aller Menschentümer der Erde unter der Herrschaft des Willens zum Willen macht die Sinnlosigkeit des absolut gesetzten menschlichen Handelns deutlich. Die Verwüstung der Erde beginnt als gewollter, aber in seinem Wesen nicht gewußter und auch nicht wißbarer Prozeß zu der Zeit, da das Wesen der Wahrheit sich als Gewißheit umgrenzt, in der zuerst das menschliche Vorstellen und Herstellen seiner selbst sicher wird. Hegel begreift diesen Augenblick der Geschichte der Metaphysik als denjenigen, in dem das absolute Selbstbewußtsein zum Prinzip des Denkens wird. Fast scheint es, als sei dem Menschen unter der Herrschaft des Willens das Wesen des Schmerzes verschlossen, insgleichen das Wesen der Freude. Ob das Übermaß an Leid hier noch einen Wandel bringen kann? Kein Wandel kommt ohne vorausweisendes Geleit. Wie aber naht ein Geleit, wenn nicht das Ereignis sich lichtet, das rufend, brauchend das Menschenwesen er-äugnet, d. h. er-blickt und im Erblicken Sterbliche auf den Weg des denkenden, dichtenden Bauens bringt?*
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ÜBERWINDUNG DER METAPHYSIK
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ie Frage läßt sich, so will es scheinen, leicht beantworten. Denn wir finden die Antwort bei Nietzsche selbst in klar gesetzten und sogar gesperrt gedruckten Sätzen. Sie stehen in jenem Werk Nietzsches, das eigens die Gestalt des Zarathustra darstellt. Das Buch besteht aus vier Teilen, ist in den Jahren 1883 bis 1885 entstanden und trägt den Titel: »Also sprach Zarathustra«.* Nietzsche gab diesem Buch einen Untertitel auf den Weg. Er lautet: »Ein Buch für Alle und Keinen«. »Für Alle«, das heißt freilich nicht: für jedermann als jeden Beliebigen. »Für Alle«, dies meint: für jeden Menschen als Menschen, für jeden jeweils und sofern er sich in seinem Wesen denkwürdig wird. »… und Keinen«, dies sagt: für niemanden aus den überallher angeschwemmten Neugierigen, die sich nur an vereinzelten Stücken und besonderen Sprüchen dieses Buches berauschen und blindlings in seiner halb singenden, halb schreienden, bald bedächtigen, bald stürmischen, oft hohen, bisweilen platten Sprache umhertaumeln, statt sich auf den Weg des Denkens zu machen, das hier nach seinem Wort sucht. »Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen.« Wie unheimlich hat sich dieser Untertitel des Werkes in den siebzig Jahren seit seinem Erscheinen bewahrheitet – aber in genau umgekehrtem Sinne. Es wurde ein Buch für jedermann, und kein Denkender zeigt sich bis zur
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Stunde, der dem Grundgedanken dieses Buches gewachsen wäre und seine Herkunft in ihrer Tragweite ermessen könnte. Wer ist Zarathustra? Wenn wir den Haupttitel des Werkes aufmerksam lesen, gewahren wir einen Wink: »Also sprach Zarathustra«. Zarathustra spricht. Er ist ein Sprecher. Von welcher Art? Ein Volksredner oder gar ein Prediger? Nein. Der Sprecher Zarathustra ist ein »Fürsprecher«. In diesem Namen begegnet uns ein sehr altes Wort der deutschen Sprache, und zwar in mehrfältiger Bedeutung. »Für« bedeutet eigentlich »vor«. »Fürtuch« ist der heute noch im Alemannischen gebräuchliche Name für die Schürze. Der »Fürsprech« spricht vor und führt das Wort. Aber »für« bedeutet zugleich: zugunsten und zur Rechtfertigung. Der Fürsprecher ist schließlich derjenige, der das, wovon und wofür er spricht, auslegt und erklärt. Zarathustra ist ein Fürsprecher in diesem dreifachen Sinne. Doch was spricht er vor? Zu wessen Gunsten spricht er? Was versucht er auszulegen? Ist Zarathustra nur irgendein Fürsprecher für irgend etwas, oder ist er der Fürsprecher für das Eine, was den Menschen vor allem und stets anspricht? Gegen Ende des dritten Teiles von »Also sprach Zarathustra« steht ein Abschnitt mit der Überschrift »Der Genesende«. Das ist Zarathustra. Doch was heißt »der Genesende«? »Genesen« ist das selbe Wort wie das griechische neÂomai, noÂstow. Dies bedeutet: heimkehren; Nostalgie ist der Heimschmerz, das Heimweh. »Der Genesende« ist derjenige, der sich zur Heimkehr sammelt, nämlich zur Einkehr in seine Bestimmung. Der Genesende ist unterwegs zu ihm selber, so daß er von sich sagen kann, wer er ist. In dem genannten Stück sagt der Genesende: »Ich, Zarathustra, der Fürsprecher des Lebens, der Fürsprecher des Leidens, der Fürsprecher des Kreises – …«
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Zarathustra spricht zugunsten des Lebens, des Leidens, des Kreises, und dies spricht er vor. Diese Drei: »Leben – Leiden – Kreis« gehören zusammen, sind das Selbe. Wenn wir dieses Dreifache als Eines und das Selbe recht zu denken vermöchten, wären wir imstande zu ahnen, wessen Fürsprecher Zarathustra ist und wer er wohl selbst als dieser Fürsprecher sein möchte. Zwar könnten wir jetzt durch eine grobschlächtige Erklärung eingreifen und mit unbestreitbarer Richtigkeit sagen: »Leben« bedeutet in Nietzsches Sprache: der Wille zur Macht als der Grundzug alles Seienden, nicht nur des Menschen. Was »Leiden« bedeutet, sagt Nietzsche in folgenden Worten: »Alles, was leidet, will leben …« (WW VI, 469)*, d. h. alles, was in der Weise des Willens zur Macht ist. Dies besagt: »Die gestaltenden Kräfte stoßen sich« (XVI, 151)**. »Kreis« ist das Zeichen des Ringes, dessen Ringen in sich selbst zurückläuft und so immer das wiederkehrende Gleiche erringt. Demnach stellt sich Zarathustra als der Fürsprecher dessen vor, daß alles Seiende Wille zur Macht ist, der als schaffender, sich stoßender Wille leidet und so sich selber in der ewigen Wiederkehr des Gleichen will. Mit dieser Aussage haben wir das Wesen Zarathustras auf eine Definition gebracht, wie man schulmäßig sagt. Wir können uns diese Definition aufschreiben, dem Gedächtnis einprägen und sie bei Gelegenheit nach Bedarf vorbringen. Wir können das Vorgebrachte sogar noch eigens durch jene Sätze belegen, die in Nietzsches Werk, durch Sperrdruck hervorgehoben, sagen, wer Zarathustra sei. In dem schon erwähnten Stück »Der Genesende« (314) lesen wir: »Du (nämlich Zarathustra) bist der Lehrer der ewigen Wiederkunft … !« Und in der Vorrede zum ganzen Werk (n. 3) steht:
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»Ich (nämlich Zarathustra) lehre euch den Übermenschen.« Nach diesen Sätzen ist Zarathustra, der Fürsprecher, ein »Lehrer«. Er lehrt augenscheinlich zweierlei: die ewige Wiederkunft des Gleichen und den Übermenschen. Allein, man sieht zunächst nicht, ob und wie das, was er lehrt, zusammengehört. Doch selbst wenn sich der Zusammenhang aufklärte, bliebe fraglich, ob wir den Fürsprecher hören, ob wir von diesem Lehrer lernen. Ohne dieses Hören und Lernen wissen wir nie recht, wer Zarathustra ist. So genügt es denn nicht, nur Sätze zusam menzustellen, aus denen sich ergibt, was der Fürsprecher und Lehrer von sich sagt. Wir müssen darauf achten, wie er es sagt und bei welcher Gelegenheit und in welcher Absicht. Das entscheidende Wort »Du bist der Lehrer der ewigen Wiederkunft!« sagt nicht Zarathustra aus sich zu sich selber. Dies sagen ihm seine Tiere. Sie werden sogleich am Beginn der Vorrede des Werkes und deutlicher in ihrem Schluß (n. 10) genannt. Hier heißt es: »… als die Sonne im Mittag stand: da blickte er (Zarathustra) fragend in die Höhe – denn er hörte über sich den scharfen Ruf eines Vogels. Und siehe! Ein Adler zog in weiten Kreisen durch die Luft, und an ihm hieng eine Schlange, nicht einer Beute gleich, sondern einer Freundin: denn sie hielt sich um seinen Hals geringelt.« Wir ahnen schon in diesem geheimnisvollen Umhalsen, wie unausgesprochen im Kreisen des Adlers und im Ringeln der Schlange Kreis und Ring sich umringen. So erglänzt der Ring, der anulus aeternitatis heißt: Siegelring und Jahr der Ewigkeit. Im Anblick der beiden Tiere zeigt sich, wohin sie selbst, kreisend und sich ringelnd, gehören. Denn sie machen nie erst Kreis und Ring, sondern fügen sich darein, um so ihr Wesen zu haben. Im Anblick der beiden Tiere erscheint Jenes, was den fragend in die Höhe blickenden Zarathustra angeht. Darum fährt der Text fort:
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»›Es sind meine Tiere!‹ sagte Zarathustra und freute sich von Herzen. Das stolzeste Tier unter der Sonne und das klügste Tier unter der Sonne – sie sind ausgezogen auf Kundschaft. Erkunden wollen sie, ob Zarathustra noch lebe. Wahrlich, lebe ich noch?« Zarathustras Frage behält nur dann ihr Gewicht, wenn wir das unbestimmte Wort »Leben« im Sinne von »Wille zur Macht« verstehen. Zarathustra frägt: entspricht mein Wille dem Willen, der als Wille zur Macht das Ganze des Seienden durchherrscht? Seine Tiere erkunden Zarathustras Wesen. Er frägt sich selber, ob er noch, d. h. ob er schon derjenige ist, der er eigentlich ist. In einer Notiz zu »Also sprach Zarathustra« aus dem Nachlaß (XIV, 279)* steht: »›Habe ich Zeit, auf meine Tiere zu warten? Wenn es meine Tiere sind, so werden sie mich zu finden wissen‹. Zarathustras’s Schweigen.« So sagen ihm dann seine Tiere an der angeführten Stelle, im Stück »Der Genesende«, das Folgende, das wir über dem gesperrt gedruckten Satz nicht übersehen dürfen. Sie sagen: »Denn deine Tiere wissen es wohl, o Zarathustra, wer du bist und werden mußt: siehe, du bist der Lehrer der ewigen Wiederkunft –, das ist nun dein Schicksal!« So kommt es ans Licht: Zarathustra muß allererst derjenige werden, der er ist. Vor solchem Werden schreckt Zarathustra zurück. Der Schrecken zieht durch das ganze Werk, das ihn darstellt. Dieser Schrecken bestimmt den Stil, den zögernden und immer wieder verzögerten Gang des ganzen Werkes. Dieser Schrecken erstickt alle Selbstsicherheit und Anmaßung Zarathustras schon am Beginn seines Weges. Wer diesen Schrecken nicht aus allen oft anmaßend klingenden und oft nur rauschhaft sich gebärden-
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den Reden zuvor vernommen hat und stets vernimmt, wird nie wissen können, wer Zarathustra ist. Wenn Zarathustra der Lehrer der ewigen Wiederkunft erst werden soll, dann kann er mit dieser Lehre auch nicht sogleich beginnen. Deshalb steht am Beginn seines Weges das andere Wort: »Ich lehre euch den Übermenschen.« Bei dem Wort »Übermensch« müssen wir allerdings zum voraus alle falschen und verwirrenden Töne fernhalten, die für das gewöhnliche Meinen anklingen. Mit dem Namen »Übermensch« benennt Nietzsche gerade nicht einen bloß überdimensionalen bisherigen Menschen. Er meint auch nicht eine Menschenart, die das Humane wegwirft und die nackte Willkür zum Gesetz und eine titanische Raserei zur Regel macht. Der Übermensch ist vielmehr, das Wort ganz wörtlich genommen, derjenige Mensch, der über den bisherigen Menschen hinausgeht, einzig um den bisherigen Menschen allererst in sein noch ausstehendes Wesen zu bringen und ihn darin fest zu stellen. Eine Nachlaßnotiz zum »Zarathustra« sagt (XIV, 271)*: »Zarathustra will keine Vergangenheit der Menschheit verlieren, Alles in den Guß werfen.« Doch woher stammt der Notruf nach dem Übermenschen? Weshalb genügt der bisherige Mensch nicht mehr? Weil Nietzsche den geschichtlichen Augenblick erkennt, da der Mensch sich anschickt, die Herrschaft über die Erde im Ganzen anzutreten. Nietzsche ist der erste Denker, der im Hinblick auf die zum ersten Male heraufkommende Weltgeschichte die entscheidende Frage stellt und sie in ihrer metaphysischen Tragweite durchdenkt. Die Frage lautet: ist der Mensch als Mensch in seinem bisherigen Wesen für die Übernahme der Erdherrschaft vorbereitet? Wenn nicht, was muß mit dem bisherigen Menschen geschehen, daß er sich die Erde »untertan« machen und so das
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Wort eines alten Testamentes erfüllen kann? Muß dann der bisherige Mensch nicht über sich selbst hinaus gebracht werden, um diesem Auftrag entsprechen zu können? Steht es so, dann kann der recht gedachte »Über-mensch« kein Produkt einer zügellosen und ausgearteten und ins Leere wegstürmenden Phantasie sein. Seine Art läßt sich jedoch ebensowenig historisch durch eine Analyse des modernen Zeitalters auffinden. Wir dürfen darum die Wesensgestalt des Übermenschen niemals in jenen Figuren suchen, die als Hauptfunktionäre eines vordergründigen und mißdeuteten Willens zur Macht in die Spitzen seiner verschiedenen Organisationsformen geschoben werden. Eines freilich sollten wir bald merken: dieses Denken, das auf die Gestalt eines Lehrers zudenkt, der den Über-menschen lehrt, geht uns, geht Europa, geht die ganze Erde an, nicht nur heute noch, sondern erst morgen. Das ist so, ganz unabhängig davon, ob wir dieses Denken bejahen oder bekämpfen, ob man es übergeht oder in falschen Tönen nachmacht. Jedes wesentliche Denken geht unantastbar durch alle Anhängerschaft und Gegnerschaft hindurch. So gilt es denn, daß wir erst lernen, von dem Lehrer zu lernen, und sei es auch nur dies, über ihn hinauszufragen. Nur so erfahren wir eines Tages, wer Nietzsches Zarathustra ist, oder wir erfahren es nie. Zu bedenken bleibt allerdings, ob das Hinausfragen über Nietzsches Denken eine Fortsetzung desselben sein kann oder ein Schritt zurück werden muß. Zu bedenken bleibt vordem, ob dieses »Zurück« nur eine historisch feststellbare Vergangenheit meint, die man erneuern möchte (z. B. die Welt Goethes), oder ob das »Zurück« in ein Gewesen weist, dessen Anfang immer noch auf ein Andenken wartet, um ein Beginn zu werden, den die Frühe aufgehen läßt.*
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Doch jetzt beschränken wir uns darauf, Weniges und Vorläufiges über Zarathustra kennen zu lernen. Sachgemäß geschieht dies am besten so, daß wir versuchen, die ersten Schritte des Lehrers, der er ist, mitzugehen. Er lehrt, indem er zeigt. Er blickt in das Wesen des Über-menschen voraus und bringt es in eine sichtbare Gestalt. Zarathustra ist nur der Lehrer, nicht schon der Über-mensch selbst. Und wiederum ist Nietzsche nicht Zarathustra, sondern der Fragende, der Zarathustras Wesen zu erdenken versucht. Der Übermensch geht über die Art des bisherigen und heutigen Menschen hinaus und ist so ein Übergang, eine Brücke. Damit wir lernend dem Lehrer, der den Übermenschen lehrt, folgen können, müssen wir, um bei dem Bild zu bleiben, auf die Brücke gelangen. Den Übergang denken wir einigermaßen vollständig, wenn wir dreierlei beachten: 1. Das, von wo der Hinübergehende weggeht. 2. Den Übergang selbst. 3. Das, wohin der Übergehende hinübergeht. Dies zuletzt Genannte müssen wir, muß vor allem der Hinübergehende, muß vordem der Lehrer, der ihn zeigen soll, im Blick haben. Fehlt der Vorblick in das Wohin, dann bleibt das Hinübergehen ohne Steuer und das, von wo weg der Hinübergehende sich lösen muß, im Unbestimmten. Doch andererseits zeigt sich das, wohin der Hinübergehende gerufen ist, erst im vollen Licht, wenn er dorthin übergegangen ist. Für den Hinübergehenden und vollends für den, der den Übergang als Lehrer zeigen soll, für Zarathustra selbst, bleibt das Wohin stets in einer Ferne. Das Ferne bleibt. Insofern es bleibt, bleibt es in einer Nähe, in jener nämlich, die das Ferne als das Ferne bewahrt, indem es an das Ferne und zu ihm hin denkt. Die andenkende
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Nähe zum Fernen ist das, was unsere Sprache die Sehnsucht nennt. Irrigerweise bringen wir die Sucht mit »suchen« und »getriebensein« zusammen. Aber das alte Wort »Sucht« (Gelbsucht, Schwindsucht) bedeutet: Krankheit, Leiden, Schmerz. Die Sehnsucht ist der Schmerz der Nähe des Fernen. Wohin der Hinübergehende geht, dem gehört seine Sehnsucht. Der Hinübergehende und schon der, der ihn zeigt, der Lehrer, ist, wie wir schon hörten, unterwegs zur Heimkehr in sein eigenstes Wesen. Er ist der Genesende. Im dritten Teil von »Also sprach Zarathustra« folgt unmittelbar auf das Stück, das überschrieben ist »Der Genesende«, jenes Stück, das den Titel trägt: »Von der großen Sehnsucht«. Mit diesem Stück, dem drittletzten des III. Teils, erreicht das ganze Werk »Also sprach Zarathustra« seine Gipfelhöhe. In einer Nachlaßaufzeichnung (XIV, 285)* vermerkt Nietzsche: »Ein göttliches Leiden ist der Inhalt des III. Zarathustra.« In dem Stück »Von der großen Sehnsucht« spricht Zarathustra mit seiner Seele. Nach der Lehre Platons, die für die abendländische Metaphysik maßgebend wurde, beruht im Selbstge spräch der Seele mit sich selbst das Wesen des Denkens. Es ist der loÂgow, oÊn ayÆthÁ proÁw ayëthÁn hë cyxhÁ diejeÂrxetai periÁ nn aÃn skopgi : das sagende Sichsammeln, das die Seele selbst auf dem Weg zu sich selbst durchgeht, im Umkreis dessen, was je sie erblickt (Theaetet 189 e; vgl. Sophistes 263 e).** Zarathustra denkt im Gespräch mit seiner Seele seinen »abgründlichsten Gedanken« (Der Genesende, n. 1; vgl. III. Vom Gesicht und Rätsel, n. 2). Das Stück »Von der großen Sehnsucht« beginnt Zarathustra mit den Worten: »Oh meine Seele, ich lehrte dich ›Heute‹ sagen wie
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›Einst‹ und ›Ehemals‹ und über alles Hier und Da und Dort deinen Reigen hinweg tanzen.« Die drei Worte »Heute«, »Ehemals«, »Einst« sind groß geschrieben und stehen in Anführungszeichen. Sie nennen die Grundzüge der Zeit. Die Art, wie Zarathustra sie ausspricht, deutet auf jenes, was Zarathustra selber sich im Grunde seines Wesens fortan sagen muß. Und was ist dies? Daß »Einst« und »Ehemals«, Zukunft und Vergangenheit, wie das »Heute« sind. Das Heute aber ist wie das Vergangene und das Kommende. Alle drei Phasen der Zeit rücken zum Gleichen als das Gleiche in eine einzige Gegenwart zusammen, in ein ständiges Jetzt. Die Metaphysik nennt das stete Jetzt: die Ewigkeit. Auch Nietzsche denkt die drei Phasen der Zeit aus der Ewigkeit als stetem Jetzt. Aber die Stete beruht für ihn nicht in einem Stehen, sondern in einem Wiederkehren des Gleichen. Zarathustra ist, wenn er seine Seele jenes Sagen lehrt, der Lehrer der ewigen Wiederkunft des Gleichen. Sie ist die unerschöpfliche Fülle des freudigschmerzlichen Lebens. Darauf geht »die große Sehnsucht« des Lehrers der ewigen Wiederkunft des Gleichen. Darum heißt »die große Sehnsucht« im selben Stück auch »die Sehnsucht der Über-Fülle«. »Die große Sehnsucht« lebt am meisten aus dem, woraus sie den einzigen Trost, d. h. die Zuversicht schöpft. An die Stelle des älteren Wortes »Trost« (dazu: trauen, zutrauen) ist in unserer Sprache das Wort »Hoffnung« getreten. »Die große Sehnsucht« stimmt und bestimmt den von ihr beseelten Zarathustra in seine »größte Hoffnung«. Was aber berechtigt und führt ihn zu dieser? Welches ist die Brücke, die ihn hinübergehen läßt zum Übermenschen und ihn im Hinübergehen weggehen läßt vom bisherigen Menschen, so daß er sich von ihm lösen kann?
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Es liegt im eigentümlichen Bau des Werkes »Also sprach Zarathustra«, das den Übergang des Hinübergehenden zeigen soll, daß die Antwort auf die soeben gestellte Frage im vorbereitenden II. Teil des Werkes gegeben wird. Hier läßt Nietzsche in dem Stück »Von den Taranteln« Zarathustra sagen: »Denn daß der Mensch erlöst werde von der Rache: das ist mir die Brücke zur höchsten Hoffnung und ein Regenbogen nach langen Unwettern.« Wie seltsam und wie befremdlich für die gängige Meinung, die man sich über die Philosophie Nietzsches zurecht gemacht hat. Gilt Nietzsche nicht als der Antreiber zum Willen zur Macht, zu Gewaltpolitik und Krieg, zur Raserei der »blonden Bestie«? Die Worte »daß der Mensch erlöst werde von der Rache« sind im Text sogar gesperrt gedruckt. Nietzsches Denken denkt auf die Erlösung vom Geist der Rache. Sein Denken möchte einem Geist dienen, der als Freiheit von der Rachsucht jeder bloßen Verbrüderung voraufgeht, aber auch allem Nur-bestrafen-wollen, einem Geist, der vor aller Friedensbemühung und vor jedem Betreiben des Krieges liegt, außerhalb eines Geistes, der die Pax, den Frieden, durch Pakte begründen und sichern will. Der Raum dieser Freiheit von der Rache liegt in gleicher Weise außerhalb von Pazifismus und Gewaltpolitik und berechnender Neutralität. Er liegt ebenso außerhalb eines schwächlichen Gleitenlassens der Dinge und des Sichdrückens um das Opfer, wie außerhalb der blinden Zugriffe und des Handelns um jeden Preis. Dem Geist der Freiheit von der Rache gehört Nietzsches angebliche Freigeisterei. »Daß der Mensch erlöst werde von der Rache« – Wenn wir auch nur im ungefähren diesen Geist der Freiheit als den
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Grundzug im Denken Nietzsches beachten, muß das bisher und immer noch umlaufende Bild von Nietzsche in sich zerfallen. »Denn daß der Mensch erlöst werde von der Rache: das ist mir die Brücke zur höchsten Hoffnung« sagt Nietzsche. Er sagt damit zugleich, in der Sprache des vorbereitenden Verbergens, wohin seine »große Sehnsucht« geht. Doch was versteht Nietzsche hier unter Rache? Worin besteht nach ihm die Erlösung von der Rache? Wir begnügen uns damit, einiges Licht in diese zwei Fragen zu bringen. Dieses Licht läßt uns dann vielleicht deutlicher die Brücke sehen, die für ein solches Denken vom bisherigen Menschen zum Übermenschen hinüberführen soll. Mit dem Übergang kommt Jenes zum Vorschein, wohin der Übergehende geht. So kann uns dann eher einleuchten, inwiefern Zarathustra als der Fürsprecher des Lebens, des Leidens, des Kreises der Lehrer ist, der zugleich die ewige Wiederkunft des Gleichen und den Übermenschen lehrt. Warum hängt dann aber so Entscheidendes an der Erlösung von der Rache? Wo haust ihr Geist? Nietzsche antwortet uns im drittletzten Stück des zweiten Teiles von »Also sprach Zarathustra«. Es ist überschrieben: »Von der Erlösung«. Hier heißt es: »Der Geist der Rache: meine Freunde, das war bisher der Menschen bestes Nachdenken; und wo Leid war, da sollte immer Strafe sein.« Durch diesen Satz wird die Rache im vorhinein auf das ganze bisherige Nachdenken der Menschen bezogen. Das hier genannte Nachdenken meint nicht irgend ein Überlegen, sondern jenes Denken, worin das Verhältnis des Menschen zu dem beruht und schwingt, was ist, zum Seienden. Insofern der Mensch sich zum Seienden verhält,
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stellt er das Seiende hinsichtlich dessen vor, daß es ist, was es und wie es ist, wie es sein möchte und sein soll, kurz gesagt: das Seiende hinsichtlich seines Seins. Dieses Vor-stellen ist das Denken. Nach dem Satz Nietzsches wird dieses Vorstellen bisher durch den Geist der Rache bestimmt. Die Menschen halten ihr so bestimmtes Verhältnis zu dem, was ist, für das Beste. Wie immer auch der Mensch das Seiende als solches vorstellen mag, er stellt es im Hinblick auf dessen Sein vor. Durch diesen Hinblick geht er über das Seiende immer schon hinaus und hinüber zum Sein. Hinüber heißt griechisch metaÂ. Darum ist jedes Verhältnis des Menschen zum Seienden als solchen in sich metaphysisch. Wenn Nietzsche die Rache als den Geist versteht, der den Bezug des Menschen zum Seienden durchstimmt und bestimmt, dann denkt er die Rache im vorhinein metaphysisch. Die Rache ist hier kein bloßes Thema der Moral, und die Erlösung von der Rache keine Aufgabe der moralischen Erziehung. Ebensowenig bleibt die Rache und die Rachsucht ein Gegenstand der Psychologie. Wesen und Tragweite der Rache sieht Nietzsche metaphysisch. Doch was heißt überhaupt Rache? Wenn wir uns mit dem nötigen Weitblick zunächst an die Wortbedeutung halten, können wir daraus einen Wink mitnehmen. Rache, rächen, wreken, urgere heißt: stoßen, treiben, vor sich hertreiben, verfolgen, nachstellen. In welchem Sinne ist die Rache ein Nachstellen? Sie sucht doch nicht bloß etwas zu erjagen, es einzufangen, in Besitz zu nehmen. Sie sucht das, dem sie nachstellt, auch nicht bloß zu erlegen. Das rächende Nachstellen widersetzt sich im voraus dem, woran es sich rächt. Es widersetzt sich ihm in der Weise, daß es herabsetzt, um dem Herabgesetzten gegenüber sich selbst in die Überlegenheit zu stellen und so
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die eigene, für einzig maßgebend gehaltene Geltung wiederherzustellen. Denn die Rachsucht wird vom Gefühl des Besiegt- und Geschädigtseins umgetrieben. In den Jahren, da Nietzsche sein Werk »Also sprach Zarathustra« schuf, schrieb er die Bemerkung: »Ich empfehle allen Märtyrern zu überlegen, ob nicht die Rachsucht sie zum Äußersten trieb.« (XII3, S. 298)*. Was ist Rache? Wir können jetzt vorläufig sagen: Rache ist das widersetzliche, herabsetzende Nachstellen. Und dieses Nachstellen soll alles bisherige Nachdenken, das bisherige Vorstellen des Seienden hinsichtlich seines Seins tragen und durchziehen? Wenn dem Geist der Rache die genannte metaphysische Tragweite zukommt, muß sie sich aus der Verfassung der Metaphysik ersehen lassen. Damit uns diese Sicht einigermaßen gelingt, achten wir darauf, in welcher Wesensprägung das Sein des Seienden innerhalb der neuzeitlichen Metaphysik erscheint. Diese Wesensprägung des Seins kommt in einer klassischen Form durch wenige Sätze zur Sprache, die Schelling in seinen »Philosophischen Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände« 1809 niedergelegt hat. Die drei Sätze lauten: »– Es giebt in der letzten und höchsten Instanz gar kein andres Seyn als Wollen. Wollen ist Urseyn und auf dieses (das Wollen) allein passen alle Prädikate desselben (des Urseyns): Grundlosigkeit, Ewigkeit, Unabhängigkeit von der Zeit, Selbstbejahung. Die ganze Philosophie strebt nur dahin, diesen höchsten Ausdruck zu finden« (F. W. J. Schellings philosophische Schriften, 1. Bd., Landshut 1809, S. 419)**. Schelling findet die Prädikate, die das Denken der Metaphysik von altersher dem Sein zuspricht, nach ihrer letzten und höchsten und somit vollendeten Gestalt im Wollen.
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Der Wille dieses Wollens ist hier jedoch nicht als Vermögen der menschlichen Seele gemeint. Das Wort »Wollen« nennt hier das Sein des Seienden im Ganzen. Dieses ist Wille. Das klingt uns befremdlich und ist es auch, solange uns die tragenden Gedanken der abendländischen Metaphysik fremd bleiben. Dies bleiben sie, solange wir diese Gedanken nicht denken, sondern nur immer über sie berichten. Man kann z. B. die Aussagen von Leibniz über das Sein des Seienden historisch genau feststellen, ohne das Geringste von dem zu denken, was er dachte, als er das Sein des Seienden von der Monade aus als die Einheit von perceptio und appetitus, als Einheit von Vorstellen und Anstreben, d. h. als Wille bestimmte. Was Leibniz denkt, kommt durch Kant und Fichte als der Vernunftwille zur Sprache, dem Hegel und Schelling, jeder auf seine Weise, nachdenken. Das Selbe meint Schopenhauer, wenn er seinem Hauptwerk den Titel gibt: »Die Welt (nicht der Mensch) als Wille und Vorstellung.« Das Selbe denkt Nietzsche, wenn er das Ursein des Seienden als Wille zur Macht erkennt. Daß hier überall das Sein des Seienden durchgängig als Wille erscheint, beruht nicht auf Ansichten, die sich einige Philosophen über das Seiende zurechtlegen. Was dieses Erscheinen des Seins als Wille heißt, wird keine Gelehrsamkeit je ausfindig machen; es läßt sich nur im Denken erfragen, als zu-Denkendes in seiner Fragwürdigkeit würdigen und so als Gedachtes im Gedächtnis bewahren. Das Sein des Seienden erscheint für die neuzeitliche Metaphysik und durch sie eigens ausgesprochen als Wille. Der Mensch aber ist Mensch, insofern er sich denkend zum Seienden verhält und so im Sein gehalten wird. Das Denken muß mit in seinem eigenen Wesen dem entsprechen, wozu es sich verhält, zum Sein des Seienden als Wille. Nun ist nach Nietzsches Wort das bisherige Denken
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durch den Geist der Rache bestimmt. Wie denkt also Nietzsche das Wesen der Rache, gesetzt, daß er es metaphysisch denkt? Im zweiten Teil von »Also sprach Zarathustra«, in dem schon genannten Stück »Von der Erlösung«, läßt Nietzsche seinen Zarathustra sagen: »Dies, ja dies allein ist Rache selber: des Willens Widerwille gegen die Zeit und ihr ›Es war‹.« Daß eine Wesensbestimmung der Rache auf das Widerwärtige und Widersetzliche in ihr und somit auf einen Widerwillen abhebt, entspricht dem eigentümlichen Nachstellen, als welches wir die Rache kennzeichneten. Aber Nietzsche sagt nicht bloß: Rache ist Widerwille. Das gilt auch vom Haß. Nietzsche sagt: Rache ist des Willens Widerwille. »Wille« aber nennt das Sein des Seienden im Ganzen, nicht nur das menschliche Wollen. Durch die Kennzeichnung der Rache als »des Willens Widerwille« bleibt ihr widersetzliches Nachstellen zum voraus innerhalb des Bezugs zum Sein des Seienden. Daß es sich so verhält, wird klar, wenn wir darauf achten, wogegen der Widerwille der Rache angeht. Rache ist »des Willens Widerwille gegen die Zeit und ihr ›Es war‹«. Beim ersten, auch beim zweiten und noch beim dritten Lesen dieser Wesensbestimmung der Rache wird man die betonte Beziehung der Rache auf »die Zeit« für überraschend, für unverständlich und zuletzt für willkürlich halten. Man muß dies sogar, wenn man nicht weiter bedenkt, was hier der Name »Zeit« meint. Nietzsche sagt: Rache ist »des Willens Widerwille gegen die Zeit …« Es heißt nicht: gegen etwas Zeitliches. Es heißt auch nicht: gegen einen besonderen Charakter der Zeit. Es heißt schlechthin: »Widerwille gegen die Zeit …« Allerdings folgen sogleich die Worte nach: »gegen die
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Zeit und ihr ›Es war‹«. Dies sagt aber doch: Rache ist der Widerwille gegen das »Es war« an der Zeit. Man wird mit Recht darauf hinweisen, daß zur Zeit nicht nur das »es war«, sondern gleichwesentlich das »es wird sein« und ebenso das »es ist jetzt« gehören; denn Zeit ist nicht bloß durch Vergangenheit, sondern auch durch Zukunft und Gegenwart bestimmt. Wenn daher Nietzsche in betonter Weise auf das »Es war« an der Zeit abhebt, dann meint er doch offenkundig bei seiner Kennzeichnung des Wesens der Rache keineswegs »die« Zeit als solche, sondern die Zeit in einer besonderen Hinsicht. Doch wie steht es mit »der« Zeit? Es steht so mit ihr, daß sie geht. Und sie geht, indem sie vergeht. Das Kommende der Zeit kommt nie, um zu bleiben, sondern um zu gehen. Wohin? Ins Vergehen. Wenn ein Mensch gestorben ist, sagen wir, er habe das Zeitliche gesegnet. Das Zeitliche gilt als das Vergängliche. Nietzsche bestimmt die Rache als »des Willens Widerwille gegen die Zeit und ihr ›Es war‹«. Diese nachgetragene Bestimmung hebt nicht einen vereinzelten Charakter der Zeit unter Vernachlässigung der beiden anderen einseitig heraus, sondern sie kennzeichnet den Grundzug der Zeit in ihrem ganzen und eigentlichen Zeitwesen. Mit dem »und« in der Wendung »die Zeit und ihr ›Es war‹« leitet Nietzsche nicht zu einer bloßen Anfügung eines besonderen Zeitcharakters über. Das »und« bedeutet hier so viel wie: und das heißt. Rache ist des Willens Widerwille gegen die Zeit und das heißt: gegen das Vergehen und sein Vergängliches. Dieses ist für den Willen solches, wogegen er nichts mehr ausrichten kann, woran sein Wollen sich ständig stößt. Die Zeit und ihr »Es war« ist der Stein des Anstoßes, den der Wille nicht wälzen kann. Die Zeit als Vergehen ist das Widrige, an dem der Wille leidet. Als so leidender Wille wird er selbst zum Leiden am Vergehen,
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welches Leiden dann sein eigenes Vergehen will und damit will, daß überhaupt alles wert sei, zu vergehen. Der Widerwille gegen die Zeit setzt das Vergängliche herab. Das Irdische, die Erde und alles, was zu ihr gehört, ist das, was eigentlich nicht sein sollte und im Grunde auch kein wahres Sein hat. Schon Platon nannte es das mhÁ oÍn, das Nicht-Seiende. Nach den Sätzen Schellings, die nur die Leitvorstellung aller Metaphysik aussprechen, sind »Unabhängigkeit von der Zeit, Ewigkeit« Urprädikate des Seins. Der tiefste Widerwille gegen die Zeit besteht aber nicht in der bloßen Herabsetzung des Irdischen. Die tiefste Rache besteht für Nietzsche in jenem Nachdenken, das überzeitliche Ideale als die absoluten ansetzt, an denen gemessen das Zeitliche sich selber zum eigentlich Nicht-Seienden herabsetzen muß. Wie aber soll der Mensch die Erdherrschaft antreten können, wie kann er die Erde als Erde in seine Obhut nehmen, wenn er und solange er das Irdische herabsetzt, insofern der Geist der Rache sein Nachdenken bestimmt? Gilt es, die Erde als Erde zu retten, dann muß zuvor der Geist der Rache verschwinden. Darum ist für Zarathustra die Erlösung von der Rache die Brücke zur höchsten Hoffnung. Doch worin besteht diese Erlösung vom Widerwillen gegen das Vergehen? Besteht sie in einer Befreiung vom Willen überhaupt? Im Sinne Schopenhauers und des Buddhismus? Insofern nach der Lehre der neuzeitlichen Metaphysik das Sein des Seienden Wille ist, käme die Erlösung vom Willen einer Erlösung vom Sein und somit einem Fall in das leere Nichts gleich. Die Erlösung von der Rache ist für Nietzsche zwar die Erlösung vom Widrigen, vom Widersetzlichen und Herabsetzenden im Willen, aber keineswegs die Herauslösung aus allem Wollen. Die Erlösung
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löst den Widerwillen von seinem Nein und macht ihn frei für ein Ja. Was bejaht dieses Ja? Genau das, was der Widerwille des Rachegeistes verneint: die Zeit, das Vergehen. Dieses Ja zur Zeit ist der Wille, daß das Vergehen bleibe und nicht in das Nichtige herabgesetzt werde. Aber wie kann das Vergehen bleiben? Nur so, daß es als Vergehen nicht stets nur geht, sondern immer kommt. Nur so, daß das Vergehen und sein Vergangenes in seinem Kommen als das Gleiche wiederkehrt. Diese Wiederkehr selbst ist jedoch nur dann eine bleibende, wenn sie eine ewige ist. Das Prädikat »Ewigkeit« gehört nach der Lehre der Metaphysik zum Sein des Seienden. Die Erlösung von der Rache ist der Übergang vom Widerwillen gegen die Zeit zum Willen, der das Seiende in der ewigen Wiederkehr des Gleichen vorstellt, indem der Wille zum Fürsprecher des Kreises wird. Anders gewendet: erst wenn das Sein des Seienden als ewige Wiederkehr des Gleichen sich dem Menschen vorstellt, kann der Mensch über die Brücke hinübergehen und, erlöst vom Geist der Rache, der Hinübergehende, der Übermensch sein. Zarathustra ist der Lehrer, der den Übermenschen lehrt. Aber er lehrt diese Lehre einzig deshalb, weil er der Lehrer der ewigen Wiederkehr des Gleichen ist. Dieser Gedanke von der ewigen Wiederkehr des Gleichen ist der dem Range nach erste, der »abgründlichste« Gedanke. Deshalb wird er vom Lehrer zuletzt und auch dann immer nur zögernd ausgesprochen. Wer ist Nietzsches Zarathustra? Er ist der Lehrer, dessen Lehre das bisherige Nachdenken vom Geist der Rache in das Ja zur ewigen Wiederkehr des Gleichen befreien möchte. Zarathustra lehrt als Lehrer der ewigen Wiederkehr den
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Übermenschen. Der Kehrreim dieser Lehre lautet nach einer Nachlaßnotiz (XIV, 276): »Refrain: ›Nur die Liebe soll richten‹ – (die schaffende Liebe, die sich selber über ihren Werken vergißt).«* Zarathustra lehrt als Lehrer der ewigen Wiederkehr und des Übermenschen nicht zweierlei. Was er lehrt, gehört in sich zusammen, weil eines das andere in die Entsprechung fordert. Diese Entsprechung, das, worin sie west und wie sie sich entzieht, ist es, was die Gestalt Zarathustras in sich verbirgt und doch zugleich zeigt und so allererst denkwürdig werden läßt. Allein, der Lehrer weiß, daß, was er lehrt, ein Gesicht bleibt und ein Rätsel. In diesem nachdenklichen Wissen harrt er aus. Wir Heutigen sind durch die eigentümliche Vorherrschaft der neuzeitlichen Wissenschaften in den seltsamen Irrtum ver strickt, der meint, das Wissen lasse sich aus der Wissenschaft gewinnen und das Denken unterstehe der Gerichtsbarkeit der Wissenschaft. Aber das Einzige, was jeweils ein Denker zu sagen vermag, läßt sich logisch oder empirisch weder beweisen noch widerlegen. Es ist auch nicht die Sache eines Glaubens. Es läßt sich nur fragenddenkend zu Gesicht bringen. Das Gesichtete erscheint dabei stets als das Fragwürdige. Damit wir das Gesicht des Rätsels erblicken und im Blick behalten, das sich in der Gestalt Zarathustras zeigt, achten wir erneut auf den Anblick seiner Tiere, der ihm zu Beginn seiner Wanderschaft erscheint: »… da blickte er fragend in die Höhe – denn er hörte über sich den scharfen Ruf eines Vogels. Und siehe! Ein Adler zog in weiten Kreisen durch die Luft, und an ihm hieng eine Schlange, nicht einer Beute gleich, sondern einer Freundin: denn sie hielt sich um seinen Hals geringelt.
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›Es sind meine Tiere!‹ sagte Zarathustra und freute sich von Herzen.« So lautet denn die früher mit Absicht nur teilweise angeführte Stelle aus dem Stück »Der Genesende« n. 1: »Ich, Zarathustra, der Fürsprecher des Lebens, der Fürsprecher des Leidens, der Fürsprecher des Kreises – dich rufe ich, meinen abgründlichsten Gedanken!« Mit dem selben Wort benennt Zarathustra den Gedanken der ewigen Wiederkehr des Gleichen in dem Stück des III.* Teiles »Vom Gesicht und Rätsel« n. 2. Dort versucht Zarathustra zum ersten Male in der Auseinandersetzung mit dem Zwerg das Rätselvolle dessen zu denken, was er sieht als das, dem seine Sehnsucht gilt. Die ewige Wiederkehr des Gleichen bleibt für Zarathustra Gesicht zwar, aber Rätsel. Sie läßt sich logisch oder empirisch weder beweisen noch widerlegen. Im Grunde gilt dies von jedem wesentlichen Gedanken jedes Denkers: Gesichtetes, aber Rätsel – frag-würdig. Wer ist Nietzsches Zarathustra? Wir können jetzt formelhaft antworten: Zarathustra ist der Lehrer der ewigen Wiederkunft des Gleichen und der Lehrer des Übermenschen. Aber jetzt sehen wir, sehen vielleicht auch wir über die bloße Formel hinaus deutlicher: Zarathustra ist nicht ein Lehrer, der zweierlei und verschiedenes lehrt. Zarathustra lehrt den Übermenschen, weil er der Lehrer der ewigen Wiederkunft des Gleichen ist. Aber auch umgekehrt: Zarathustra lehrt die ewige Wiederkunft des Gleichen, weil er der Lehrer des Übermenschen ist. Beide Lehren gehören in einem Kreis zusammen. Durch ihr Kreisen entspricht die Lehre dem, was ist, dem Kreis, der als ewige Wiederkehr des Gleichen das Sein des Seienden, das heißt das Bleibende im Werden ausmacht. In dieses Kreisen gelangt die Lehre und ihr Denken,
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wenn sie über die Brücke geht, die heißt: Erlösung vom Geist der Rache. Dadurch soll das bisherige Denken überwunden werden. Aus der Zeit unmittelbar nach der Vollendung des Werkes »Also sprach Zarathustra«, aus dem Jahr 1885, stammt eine Aufzeichnung, die als n. 617 in das Buch aufgenommen ist, das man aus dem Nachlaß Nietzsches zusammengestoppelt und unter dem Titel »Der Wille zur Macht« veröffentlicht hat. Die Aufzeichnung trägt die unterstrichene Überschrift: »Recapitulation«. Nietzsche versammelt hier die Hauptsache seines Denkens aus einer ungewöhnlichen Hellsicht in wenige Sätze zusammen. In einer eingeklammerten Nebenbemerkung des Textes wird eigens Zarathustra genannt. Die »Recapitulation« beginnt mit dem Satz: »Dem Werden den Charakter des Seins aufzuprägen – das ist der höchste Wille zur Macht.«* Der höchste Wille zur Macht, d. h. das Lebendigste alles Lebens ist es, das Vergehen als ständiges Werden in der ewigen Wiederkehr des Gleichen vorzustellen und es so ständig und beständig zu machen. Dieses Vorstellen ist ein Denken, das, wie Nietzsche in betonter Weise vermerkt, dem Seienden den Charakter seines Seins »aufprägt«. Dieses Denken nimmt das Werden, zu dem ein ständiges Sichstoßen, das Leiden, gehört, in seine Obhut, unter seine Protektion. Ist durch dieses Denken das bisherige Nachdenken, ist der Geist der Rache überwunden? Oder verbirgt sich in diesem Aufprägen, das alles Werden in die Obhut der ewigen Wiederkehr des Gleichen nimmt, nicht doch und auch noch ein Widerwille gegen das bloße Vergehen und somit ein höchst vergeistigter Geist der Rache? Sobald wir diese Frage stellen, macht sich der Anschein breit, als versuchten wir, Nietzsche dasjenige als sein Ei-
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genstes vorzurechnen, was er gerade überwinden will, als hegten wir die Meinung, durch eine solche Rechnung sei das Denken dieses Denkers widerlegt. Die Geschäftigkeit des Widerlegenwollens gelangt aber nie auf den Weg eines Denkers. Sie gehört in jene Kleingeisterei, deren Auslassungen die Öffentlichkeit zu ihrer Unterhaltung bedarf. Überdies hat Nietzsche selbst die Antwort auf unsere Frage längst vorweggenommen. Die Schrift, die dem Buch »Also sprach Zarathustra« unmittelbar voraufgeht, erschien 1882 unter dem Titel »Die fröhliche Wissenschaft«. In ihrem vorletzten Stück n. 341 wird Nietzsches »abgründlichster Gedanke« unter der Überschrift »Das größte Schwergewicht« zum ersten Male dargelegt. Das ihm folgende Schlußstück n. 342 ist als Beginn der Vorrede wörtlich in das Werk »Also sprach Zarathustra« aufgenommen. Im Nachlaß (WW. Bd. XIV, S. 404 ff.)* finden sich Entwürfe zur Vorrede für die Schrift »Die fröhliche Wissenschaft«. Wir lesen da folgendes: »Ein durch Kriege und Siege gekräftigter Geist, dem die Eroberung, das Abenteuer, die Gefahr, der Schmerz sogar, zum Bedürfnis geworden ist; eine Gewöhnung an scharfe hohe Luft, an winterliche Wanderungen, an Eis und Gebirge in jedem Sinne; eine Art sublimer Bosheit und letzten Muthwillens der Rache, – denn es ist Rache darin, Rache am Leben selbst, wenn ein Schwer-Leidender das Leben unter seine Protection nimmt.« Was bleibt uns anderes, als zu sagen: Zarathustras Lehre bringt nicht die Erlösung von der Rache? Wir sagen es. Allein, wir sagen es keineswegs als vermeintliche Widerlegung der Philosophie Nietzsches. Wir sagen es nicht einmal als Einwand gegen Nietzsches Denken. Aber wir sagen es, um unseren Blick darauf zu wenden, daß und inwiefern
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auch Nietzsches Denken sich im Geist des bisherigen Nachdenkens bewegt. Ob dieser Geist des bisherigen Denkens überhaupt in seinem maßgebenden Wesen getroffen ist, wenn er als Geist der Rache gedeutet wird, lassen wir offen. In jedem Falle ist das bisherige Denken Metaphysik, und Nietzsches Denken vollzieht vermutlich ihre Vollendung. Dadurch kommt in Nietzsches Denken etwas zum Vorschein, was dieses Denken selber nicht mehr zu denken vermag. Solches Zurückbleiben hinter dem Gedachten kennzeichnet das Schöpferische eines Denkens. Wo gar ein Denken die Metaphysik zur Vollendung bringt, zeigt es in einem ausnehmenden Sinne auf Ungedachtes, deutlich und verworren zugleich. Aber wo sind die Augen, dies zu sehen? Das metaphysische Denken beruht auf dem Unterschied zwischen dem, was wahrhaft ist,* und dem, was, daran gemessen, das nicht wahrhaft Seiende ausmacht. Für das Wesen der Metaphysik liegt das Entscheidende jedoch keineswegs darin, daß der genannte Unterschied sich als der Gegensatz des Übersinnlichen zum Sinnlichen darstellt, sondern darin, daß jener Unterschied im Sinne einer Zerklüftung das Erste und Tragende bleibt. Sie besteht auch dann fort, wenn die platonische Rangordnung zwischen dem Übersinnlichen und Sinnlichen umgekehrt und das Sinnliche wesentlicher und weiter in einem Sinne erfahren wird, den Nietzsche mit dem Namen Dionysos benennt. Denn die Überfülle, wonach »die große Sehnsucht« Zarathu stras geht, ist die unerschöpfliche Beständigkeit des Werdens, als welche der Wille zur Macht in der ewigen Wiederkehr des Gleichen sich selber will. Nietzsche hat das wesenhaft Metaphysische seines Denkens auf die äußerste Form des Widerwillens gebracht und
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zwar mit den letzten Zeilen seiner letzten Schrift »Ecce homo« »Wie man wird, was man ist«. Nietzsche verfaßte diese Schrift im Oktober 1888. Sie wurde erst zwanzig Jahre später in einer beschränkten Auflage zum ersten Male veröffentlicht und 1911 in den Bd. XV der Großoktavausgabe aufgenommen.* Die letzten Zeilen von »Ecce homo« lauten: » – Hat man mich verstanden? – Dionysos gegen den Gekreuzigten …« Wer ist Nietzsches Zarathustra? Er ist der Fürsprecher des Dionysos. Das will sagen: Zarathustra ist der Lehrer, der in seiner Lehre vom Übermenschen und für diese die ewige Wiederkunft des Gleichen lehrt. Gibt der Satz die Antwort auf unsere Frage? Nein. Er gibt sie auch dann nicht, wenn wir den Hinweisen folgen, die ihn erläuterten, um den Weg Zarathustras, wenn auch nur bei seinem ersten Schritt über die Brücke, nachzugehen. Der Satz, der wie eine Antwort aussieht, möchte uns indessen aufmerken lassen und uns aufmerksamer in die Titelfrage zurückbringen. Wer ist Nietzsches Zarathustra? Dies frägt jetzt: Wer ist dieser Lehrer? Wer ist diese Gestalt, die im Stadium der Vollendung der Metaphysik innerhalb dieser erscheint? Nirgends sonst in der Geschichte der abendländischen Metaphysik wird die Wesensgestalt ihres jeweiligen Denkers in dieser Weise eigens gedichtet oder, sagen wir gemäßer und wörtlich: er-dacht; nirgends sonst außer am Beginn des abendländischen Denkens bei Parmenides, und hier nur in verhüllten Umrissen. Wesentlich an der Gestalt Zarathustras bleibt, daß der Lehrer etwas Zwiefaches lehrt, was in sich zusammengehört: ewige Wie derkunft und Übermensch. Zarathustra ist selbst in gewisser Weise dieses Zusammengehören. Nach
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dieser Hinsicht bleibt auch er ein Rätsel, das wir noch kaum zu Gesicht bekommen haben. »Ewige Wiederkunft des Gleichen« ist der Name für das Sein des Seienden. »Übermensch« ist der Name für das Menschenwesen, das diesem Sein entspricht. Von woher gehören Sein und Menschenwesen zusammen? Wie gehören sie zusammen, wenn das Sein weder ein Gemächte des Menschen, noch der Mensch nur ein Sonderfall innerhalb des Seienden ist? Läßt sich die Zusammengehörigkeit von Sein und Menschenwesen überhaupt erörtern, solange das Denken am bisherigen Begriff des Menschen hängenbleibt? Darnach ist er das animal rationale, das vernünftige Tier. Ist es Zufall oder nur eine poetische Ausschmückung, daß die beiden Tiere, Adler und Schlange, bei Zarathustra sind, daß sie ihm sagen, wer er werden muß, um der zu sein, der er ist? In der Gestalt der beiden Tiere soll für den Denkenden das Beisammen von Stolz und Klugheit zum Vorschein kommen. Doch man muß wissen, wie Nietzsche über beides denkt. In Aufzeichnungen aus der Zeit der Niederschrift von »Also sprach Zarathustra« heißt es: »Es scheint mir, daß Bescheidenheit und Stolz eng zu einander gehören … Das Gemeinsame ist: der kalte, sichere Blick der Schätzung in beiden Fällen.« (WW XIV, 99)* An einer anderen Stelle heißt es: »Man redet so dumm vom Stolze – und das Christentum hat ihn gar als sündlich empfinden machen! Die Sache ist: wer Großes von sich verlangt und erlangt, der muß sich von Denen sehr fern fühlen, welche dies nicht thun, – diese Distanz wird von diesen Andern gedeutet als ›Meinung über sich‹; aber Jener kennt sie (die Distanz) nur als fortwährende Arbeit, Krieg, Sieg, bei Tag und Nacht: von dem Allen wissen die Anderen Nichts!« (a. a. O. 101).
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Der Adler: das stolzeste Tier; die Schlange: das klügste Tier. Und beide eingefügt in den Kreis, darin sie schwingen, in den Ring, der ihr Wesen umringt; und Kreis und Ring noch einmal ineinandergefügt. Das Rätsel, wer Zarathustra als der Lehrer der ewigen Wiederkunft und des Übermenschen sei, wird uns zum Gesicht im Anblick der beiden Tiere. In diesem Anblick können wir unmittelbar und leichter festhalten, was die Darlegung als das Fragwürdige zu zeigen versuchte: den Bezug des Seins zum Lebewesen Mensch. »Und siehe! Ein Adler zog in weiten Kreisen durch die Luft, und an ihm hieng eine Schlange, nicht einer Beute gleich, sondern einer Freundin: denn sie hielt sich um seinen Hals geringelt. ›Es sind meine Tiere!‹ sagte Zarathustra und freute sich von Herzen.«
ANMERKUNG ÜBER DIE EWIGE WIEDERKEHR DES GLEICHEN Nietzsche selber wußte, daß sein »abgründlichster Gedanke« ein Rätsel bleibt. Um so weniger dürfen wir meinen, das Rätsel lösen zu können. Das Dunkle dieses letzten Gedankens der abendländischen Metaphysik darf uns nicht dazu verleiten, ihm durch Ausflüchte auszuweichen. Der Ausflüchte gibt es im Grunde nur zwei. Entweder sagt man, dieser Gedanke Nietzsches sei eine Art »Mystik« und gehöre nicht vor das Denken. Oder man sagt: dieser Gedanke ist schon uralt. Er läuft auf die längst bekannte zyklische Vorstellung vom Weltgeschehen hinaus. Sie läßt sich innerhalb der abendländischen Philosophie zuerst bei Heraklit nachweisen.
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Die zweite Auskunft sagt, wie jede ihrer Art, überhaupt nichts. Denn was soll uns dies helfen, wenn man über einen Gedanken feststellt, daß er sich z. B. »schon« bei Leibniz oder sogar »schon« bei Platon finde? Was soll diese Angabe, wenn sie das von Leibniz und von Platon Gedachte in der selben Dunkelheit liegen läßt wie den Gedanken, den man durch solche historische Verweisungen für geklärt hält? Was jedoch die erste Ausflucht angeht, nach der Nietzsches Gedanke von der ewigen Wiederkehr des Gleichen eine phantastische Mystik sei, so dürfte wohl das jetzige Zeitalter uns eines anderen belehren; gesetzt freilich, daß es dem Denken bestimmt ist, das Wesen der modernen Technika ans Licht zu bringen. Was ist das Wesen der modernen Kraftmaschine anderes als eine Ausformung der ewigen Wiederkehr des Gleichen? Aber das Wesen dieser Maschine ist weder etwas Maschinelles noch gar etwas Mechanisches. Ebensowenig läßt sich Nietzsches Gedanke von der ewigen Wiederkehr des Gleichen in einem mechanischen Sinne auslegen.b Daß Nietzsche seinen abgründlichsten Gedanken vom Dionysischen her deutete und erfährt, spricht nur dafür, daß er ihn noch metaphysisch und nur so denken mußte. Es spricht aber nicht dagegen, daß dieser abgründlichste Gedanke etwas Ungedachtes verbirgt, was sich dem metaphysischen Denken zugleich verschließt. (Vgl. die Vorlesung »Was heißt Denken?« W. S. 51 / 52, 1954 als Buch erschienen im Verlag M. Niemeyer, Tübingen.)*
a b
[1954] ob[en] 13 ff. [1954] dazu Löwith! N[ietzsches] Philos[ophie] d[er] ew[i]g[en] Wiederkehr d[es] Gl[eichen]? S. 222 !!**
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II
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ir gelangen in das, was Denken heißt, wenn wir selber denken. Damit ein solcher Versuch glückt, müssen wir bereit sein, das Denken zu lernen. Sobald wir uns auf das Lernen einlassen, haben wir auch schon zugestanden, daß wir das Denken noch nicht vermögen. Aber der Mensch gilt doch als jenes Wesen, das denken kann. Er gilt dafür mit Recht. Denn der Mensch ist das vernünftige Lebewesen. Die Vernunft aber, die ratio, entfaltet sich im Denken. Als das vernünftige Lebewesen muß der Mensch denken können, wenn er nur will. Doch vielleicht will der Mensch denken und kann es doch nicht. Am Ende will er bei diesem Denkenwollen zu viel und kann deshalb zu wenig. Der Mensch kann denken, insofern er die Möglichkeit dazu hat. Allein dieses Mögliche verbürgt uns noch nicht, daß wir es vermögen. Denn etwas vermögen heißt: etwas nach seinem Wesen bei uns einlassen, inständig diesen Einlaß hüten.a Doch wir vermögen immer nur solches, was wir mögen, solches, dem wir zugetan sind, indem wir es zulassen. Wahrhaft mögen wir nur jenes, was je zuvor von sich aus uns magb * und zwar uns in unserem Wesen, indem es
W
a b
[31967, S. 3] uns auf etwas einlassen – [1954] 〈uns mag〉
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sich diesem zuneigt. Durch diese Zuneigung ist unser Wesen in den Anspruch genommen.a Die Zuneigung ist Zuspruch. Der Zuspruch spricht uns auf unser Wesen an, ruft uns ins Wesen hervor und hält uns so in diesem. Halten heißt eigentlich Hüten. Was uns im Wesen hält, hält uns jedoch nur solange, als wir, von uns her, das uns Haltende selber behalten. Wir behalten es, wenn wir es nicht aus dem Gedächtnis lassen. Das Gedächtnis ist die Versammlung des Denkens. Worauf? Auf das, was uns im Wesen hält, insofern es zu gleich bei uns bedacht ist. Inwiefern muß das uns Haltende bedacht sein? Insofern es von Hause aus das zu-Bedenkende ist. Wird es bedacht, dann wird es mit Andenken beschenkt. Wir bringen ihm das An-denken entgegen, weil wir es als den Zuspruch unseres Wesens mögen. Nur wenn wir das mögen, was in sich das zu-Bedenkende ist, vermögen wir das Denken. Damit wir in dieses Denken gelangen, müssen wir an unserem Teil das Denken lernen. Was ist Lernen? Der Mensch lernt, indem er sein Tun und Lassen zu dem in die Entsprechung bringt, was ihm jeweils an Wesenhaftem zugesprochen wird. Das Denken lernen wir, indem wir auf das achten, was es zu bedenken gibt. Unsere Sprache nennt das, was zum Wesen des Freundes gehört und ihm entstammt, das Freundliche. Demgemäß nennen wir jetzt das, was in sich das zu-Bedenkende ist, das Bedenkliche. Alles Bedenkliche gibt zu denken. Aber es gibt diese Gabe immer nur insoweit, als das Bedenkliche schon von sich her das zu-Bedenkende ist. Wir nennen darum jetzt und in der Folge dasjenige, was stets, weil einsther, was allem voraus und so einsthin zu denken gibt: das Bedenklichste.* a
[31967, S. 3] Br. i. E. [Brauch im Ereignis] [?]
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Was ist das Bedenklichste? Woran zeigt es sich in unserera bedenklichen Zeit? Das Bedenklichste zeigt sich daran, daß wir noch nicht denken. Immer noch nicht, obgleich der Weltzustand fortgesetzt bedenklicher wird. Dieser Vorgang scheint freilich eher zu fordern, daß der Mensch handelt, statt in Konferenzen und auf Kongressen zu reden und dabei sich im bloßen Vorstellen dessen zu bewegen, was sein sollte und wie es gemacht werden müßte. Demnach fehlt es am Handeln und keineswegs am Denken. Und dennoch – vielleicht hat der bisherige Mensch seit Jahrhunderten bereits zu viel gehandelt und zu wenig gedacht. Aber wie kann heute jemand behaupten, daß wir noch nicht denken, wo doch überall das Interesse für die Philosophie rege ist und immer geschäftiger wird, so daß jedermann wissen will, was es denn mit der Philosophie auf sich habe. Die Philosophen sind die Denker. So heißen sie, weil das Denken sich vornehmlich in der Philosophie abspielt. Niemand wird leugnen, daß heute ein Interesse für die Philosophie besteht. Doch gibt es heute noch etwas, wofür der Mensch sich nicht interessiert, in der Weise nämlich, wie der heutige Mensch das »Interessieren« versteht? Inter-esse heißt: unter und zwischen den Sachen sein, mitten in einer Sache stehen und bei ihr ausharren. Allein, für das heutige Interesse gilt nur das Interessante. Das ist solches, was erlaubt, im nächsten Augenblick schon gleichgültig zu sein und durch anderes abgelöst zu werden, was einen dann ebensowenig angeht wie das vorige. Man meint heute oft, etwas sei dadurch besonders gewürdigt, daß man a
[31967, S. 4] 〈in unserer〉 unbedenklichen? 〈bedenklichen Zeit?〉
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es interessant findet. In Wahrheit hat man durch dieses Urteil das Interessante zum Gleichgültigen hinabgewürdigt und in das alsbald Langweilige weggeschoben. Daß man ein Interesse für die Philosophie zeigt, bezeugt keineswegs schon eine Bereitschaft zum Denken. Selbst die Tatsache, daß wir uns Jahre hindurch mit den Abhandlungen und Schriften der großen Denker eindringlich abgeben, leistet noch nicht die Gewähr, daß wir denken oder auch nur bereit sind, das Denken zu lernen. Die Beschäftigung mit der Philosophie kann uns sogar am hartnäckigsten den Anschein vorgaukeln, daß wir denken, weil wir doch »philosophieren«. Gleichwohl erscheint es als anmaßend, zu behaupten, daß wir noch nicht denken. Allein die Behauptung lautet anders. Sie sagt: das Bedenklichste zeigt sich in unserer bedenklichen Zeit daran, daß wir noch nicht denken. In der Behauptung wird darauf hingewiesen, daß das Bedenklichste sich zeigt. Die Behauptung versteigt sich keineswegs zu dem abschätzigen Urteil, überall herrsche nur die Gedankenlosigkeit. Die Behauptung, daß wir noch nicht denken, will auch keine Unterlassung brandmarken. Das Bedenkliche ist das, was zu denken gibt. Von sich her spricht es uns daraufhin an, daß wir uns ihm zuwenden, und zwar denkend. Das Bedenkliche wird keineswegs durch uns erst aufgestellt. Es beruht niemals nur darauf, daß wir es vorstellen. Das Bedenkliche gibt, es gibt uns zu denken. Es gibt, was es bei sich hat.a Es hat, was es selber ist. Was am meisten von sich aus zu denken gibt, das Bedenklichste, soll sich daran zeigen, daß wir noch nicht denken. Was sagt dies jetzt? Es sagt: Wir sind noch nicht eigens in den Bereich dessen gelangt, was von sich her vor allem anderen und für alles a
[31967, S. 6] Es gibt
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andere bedacht sein möchte. Weshalb sind wir dahin noch nicht gelangt? Vielleicht weil wir Menschen uns noch nicht hinreichend dem zuwenden, was das zu-Bedenkende bleibt? Dann wäre dies, daß wir noch nicht denken, doch nur ein Versäumnis von seiten des Menschen. Diesem Mangel müßte dann durch geeignete Maßnahmen am Menschen auf eine menschliche Weise abgeholfen werden können. Daß wir noch nicht denken, liegt jedoch keineswegs nur daran, daß der Mensch sich noch nicht genügend dem zuwendet, was von sich her bedacht sein möchte. Daß wir noch nicht denken, kommt vielmehr daher, daß dieses zu-Denkende selbst sich vom Menschen abwendet, sogar langher sich schon abgewendet hält.* Sogleich werden wir wissen wollen, wann und auf welche Weise die hier gemeinte Abwendung geschah. Wir werden vordem und noch begieriger fragen, wie wir denn überhaupt von einem solchen Vorkommnis wissen können. Die Fragen dieser Art überstürzen sich, wenn wir vom Bedenklichsten sogar behaupten: Das, was uns eigentlich zu denken gibt, hat sich nicht irgendwann zu einer historisch datierbaren Zeit vom Menschen abgewendet, sondern das zu-Denkende hält sich von einsther in solcher Abwendung. Allein, Abwendung ereignet sich nur dort, wo bereits eine Zuwendung geschehen ist. Wenn das Bedenklichste sich in einer Abwendung hält, dann geschieht das bereits und nur innerhalb seiner Zuwendung, das heißt so, daß es schon zu denken gegeben hat. Das zu-Denkende hat bei aller Abwendung sich dem Wesen des Menschen schon zugesprochen. Darum hat der Mensch unserer Geschichte auch stets schon in einer wesentlichen Weise gedacht. Er hat sogar Tiefstes gedacht. Diesem Denken bleibt das zu-Denkende anvertraut, frei-
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lich in einer seltsamen Weise. Das bisherige Denken nämlich bedenkt gar nicht, daß und inwiefern das zu-Denkende sich dabei gleichwohl entzieht.* Doch wovon reden wir? Ist das Gesagte nicht eine einzige Kette leerer Behauptungen? Wo bleiben die Beweise? Hat das Vorgebrachte noch das Geringste mit Wissenschaft zu tun? Es wird gut sein, wenn wir möglichst lange in solcher Abwehrhaltung zu dem Gesagten ausharren. Denn so allein halten wir uns in dem nötigen Abstand für einen Anlauf, aus dem her vielleicht dem einen oder anderen der Sprunga in das Denken des Bedenklichsten** gelingt. Es ist nämlich wahr: Das bisher Gesagte und die ganze folgende Erörterung hat nichts mit Wissenschaft zu tun und zwar gerade dann, wenn die Erörterung ein Denken sein dürfte. Der Grund dieses Sachverhaltes liegt darin, daß die Wissenschaft nicht denkt. Sie denkt nicht, weil sie nach der Art ihres Vorgehens und ihrer Hilfsmittel niemals denken kann – denken nämlich nach der Weise der Denker. Daß die Wissenschaft nicht denken kann, ist kein Mangel, sondern ein Vorzug.*** Er allein sichert ihr die Möglichkeit, sich nach der Art der Forschung auf ein jeweiliges Gegenstandsgebiet einzulassen und sich darin anzusiedeln. Die Wissenschaft denkt nicht.b Das ist für das gewöhnliche Vorstellen ein anstößiger Satz. Lassen wir dem Satz seinen anstößigen Charakter, auch dann, wenn ihm der Nachsatz folgt, die Wissenschaft sei, wie jedes Tun und Lassen des Menschen, auf das Denken angewiesen. Allein, die Beziehung der Wissenschaft zum Denken ist nur dann eine echte und fruchtbare, wenn die Kluft, die zwischen den Wissenschaften und dem Denken besteht, a b
[31967, S. 7] 〈Sprung〉 vgl. D[er] S[atz] d[er] Identität.**** [1954] 〈Die Wissenschaft denkt nicht.〉
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sichtbar geworden ist, und zwar als eine unüberbrückbare.* Es gibt von den Wissenschaften her zum Denken keine Brücke, sondern nur den Sprung.a Wohin er uns bringt, dort ist nicht nur die andere Seite, sondern eine völlig andere Ortschaft. Was mit ihr offen wird, läßt sich niemals beweisen, wenn beweisen heißt: Sätze über einen Sachverhalt aus geeigneten Voraussetzungen durch Schlußketten herleiten. Wer das, was nur offenkundig wird, insofern es von sich her erscheint, indem es sich zugleich verbirgt, wer solches noch beweisen und bewiesen haben will, urteilt keineswegs nach einem höheren und strengeren Maßstab des Wissens. Er rechnet lediglich mit einem Maßstab, und zwar mit einem ungemäßen. Denn was sich nur so kundgibt, daß es im Sichverbergen erscheint, dem entsprechen wir auch nur dadurch, daß wir darauf hinweisen und hierbei uns selber anweisen, das, was sich zeigt, in die ihm eigene Unverborgenheit erscheinen zu lassen. Dieses einfache Weisen ist ein Grundzug des Denkens, der Weg zu dem, was dem Menschen einsther und einsthin zu denken gibt. Beweisen, das heißt aus geeigneten Voraussetzungen ableiten, läßt sich alles. Aber Weisenb, durch ein Hinweisen zur Ankunft freigeben**, läßt sich nur Weniges und dieses Wenige überdies noch selten. Das Bedenklichste zeigt sich in unserer bedenklichen Zeit daran, daß wir noch nicht denken. Wir denken noch nicht, weil das zu-Denkende sich vom Menschen abwendet und keinesfalls nur deshalb, weil der Mensch sich dem zu-Denkenden nicht hin-reichend zuwendet. Das zu-Denkende wendet sich vom Menschen ab. Es entzieht sich ihm, a b
[31967, S. 8] 〈Sprung〉 vgl. Id[entität] u[nd] Diff[erenz]*** [1954] 〈Weisen〉
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indem es sich ihm vorenthälta. Das Vorenthaltene aber ist uns stets schon vorgehalten. Was sich nach der Art des Vorenthaltens entzieht, verschwindet nicht. Doch wie können wir von dem, was sich auf solche Weise entzieht, überhaupt das geringste wissen? Wie kommen wir darauf, es auch nur zu nennen? Was sich entzieht, versagt die Ankunft. Allein – das Sichentziehenb c ist nicht nichts. Entzug ist hier Vorenthalt und ist als solcher – Ereignisd. Was sich entzieht, kann den Menschen wesentlicher angehen und inniger in den Anspruch nehmen als jegliches Anwesende, das ihn trifft und betrifft. Man hält die Betroffenheit durch das Wirkliche gern für das, was die Wirklichkeit des Wirklichen ausmacht. Aber die Betroffenheit durch das Wirkliche kann den Menschen gerade gegen das absperren, was ihn angeht, – angeht in der gewiß rätselhaften Weise, daß das Angehen ihm entgeht, indem es sich entzieht. Der Entzug, das Sichentziehen des zu-Denkenden, könnte darum jetzt als Ereignis gegenwärtiger sein denn alles Aktuelle. Was sich uns in der genannten Weise entzieht, zieht zwar von uns weg. Aber es zieht uns dabei gerade mit und zieht uns auf seine Weise an. Was sich entzieht, scheint völlig abwesend zu sein. Aber dieser Schein trügt. Was sich entzieht, west an, nämlich in der Weise, daß es uns anzieht, ob wir es sogleich oder überhaupt merken oder gar nicht. Was uns anzieht, hat schon Ankunft gewährt. Wenn wir in das Ziehen des Entzugs gelangen, sind wir auf dem Zug zu dem, was uns anzieht, indem es sich entzieht.* Sind wir aber als die so Angezogenen auf dem Zuge zu … dem uns Ziehenden, dann ist unser Wesen auch a b c d
[1954] 〈ihm vorenthält〉 [1954] vgl. Identität und D[ifferenz] 47.** [31967, S. 7] vgl. Identität und Diff[erenz] 47.*** [1954] 〈Ereignis〉 140****
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schon geprägt, nämlich durch dieses »auf dem Zuge zu …«. Als die so Geprägten weisen wir selber auf das Sichentziehende. Wir sind überhaupt nur wir und sind nur die, die wir sind, indem wir in das Sichentziehende weisen. Dieses Weisen ist unser Wesen. Wir sind, indem wir in das Sichentziehende zeigen. Als der dahin Zeigende ist der Mensch der Zeigende. Und zwar ist der Mensch nicht zunächst Mensch und dann noch außerdem und vielleicht gelegentlich ein Zeigender, sondern: gezogen in das Sichentziehende, auf dem Zug in dieses und somit zeigend in den Entzug ist der Mensch allererst Mensch. Sein Wesen beruht darin, ein solcher Zeigender zu sein. Was in sich, seiner eigensten Verfassung nach, etwas Zeigendes ist, nennen wir ein Zeichen. Auf dem Zug in das Sichentziehende gezogen, ist der Mensch ein Zeichen. Weil jedoch dieses Zeichen in solches zeigt, das sich entzieht, kann das Zeigen das, was sich da entzieht, nicht unmittelbar deuten. Das Zeichen bleibt so ohne Deutung. Hölderlin sagt in einem Entwurf zu einer Hymne: Ein Zeichen sind wir, deutungslos Schmerzlos sind wir und haben fast Die Sprache in der Fremde verloren.* Die Entwürfe zur Hymne sind neben Titeln wie »Die Schlange«, »Die Nymphe«, »Das Zeichen« auch überschrieben »Mnemosyne«. Wir können das griechische Wort in unser deutsches übersetzen, das lautet: Gedächtnis. Unsere Sprache sagt: das Gedächtnis. Sie sagt aber auch: die Erkenntnis, die Befugnis; und wieder: das Begräbnis, das Geschehnis. Kant z. B. sagt in seinem Sprachgebrauch und oft nahe beieinander bald »die Erkenntnis«, bald »das Erkenntnis«. Wir dürften daher ohne Gewaltsamkeit Mnhmo-
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syÂnh, dem griechischen Femininum entsprechend, überset-
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zen: »die Gedächtnis«. Hölderlin nennt nämlich das griechische Wort MnhmosyÂnh als den Namen einer Titanide. Sie ist die Tochter von Himmel und Erde. Mnemosyne wird als Braut des Zeus in neun Nächten die Mutter der Musen. Spiel und Tanz, Gesang und Gedicht gehören dem Schoß der Mnemosyne, der Gedächtnis. Offenbar nennt dieses Wort hier anderes als nur die von der Psychologie gemeinte Fähigkeit, Vergangenes in der Vorstellung zu behalten. Gedächtnis denkt an das Gedachte. Aber der Name der Mutter der Musen meint »Gedächtnis« nicht als ein beliebiges Denken an irgendwelches Denkbare. Gedächtnis ist hier die Versammlung des Denkens, das gesammelt bleibt auf das, woran im voraus schon gedacht ist, weil es allem zuvor stets bedacht sein möchte. Gedächtnis ist die Versammlung des Andenkens an das vor allem anderen zu-Bedenkende.a Diese Versammlung birgt bei sich und verbirgt in sich jenes, woran im vorhinein zu denken bleibt, bei allem, was west und sich als Wesendes und Gewesenes zuspricht. Gedächtnis, das gesammelte Andenken an das zu-Denkende, ist der Quellgrund des Dichtens. Demnach beruht das Wesen der Dichtung im Denken.b Dies sagt uns der Mythos, d. h. die Sage. Sein Sagen heißt das älteste, nicht nur, insofern es der Zeitrechnung nach das früheste ist, sondern weil es seinem Wesen nach, voreinst und dereinst das Denkwürdigste bleibt. Solange wir freilich das Denken nach den Auskünften vorstellen, die uns die Logik darüber gibt, solange wir nicht damit ernst machen, daß alle Logik sich bereits auf a
b
[31967, S. 11] 〈Gedächtnis ist die Versammlung des Andenkens an das vor allem anderen zu-Bedenkende.〉 [1954] 〈Demnach beruht das Wesen der Dichtung im Denken.〉*
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eine besondere Art des Denkens festgelegt hat – , solange werden wir es nicht beachten können, daß und inwiefern das Dichten im Andenken beruht. Alles Gedichtete ist der Andacht des Andenkens entsprungen.* Unter dem Titel Mnemosyne sagt Hölderlin: Ein Zeichen sind wir, deutungslos … Wer wir? Wir, die heutigen Menschen, die Menschen eines Heute, das schon lange und noch lange währt, in einer Länge, für die keine Zeitrechnung der Historie je ein Maß aufbringt. In derselben Hymne »Mnemosyne« heißt es: »Lang ist / die Zeit« – nämlich die, in der wir ein deutungsloses Zeichen sind. Gibt dies nicht genug zu denken, daß wir ein Zeichen sind, und zwar ein deutungsloses? Vielleicht gehört das, was Hölderlin in diesen und in den folgenden Worten sagt, zu dem, woran sich uns das Bedenklichste zeigt, zu dem, daß wir noch nicht denken. Doch beruht dies, daß wir noch nicht denken, darin, daß wir ein deutungsloses Zeichen und schmerzlos sind, oder sind wir ein deutungsloses Zeichen und schmerzlos, insofern wir noch nicht denken?** Träfe dieses zuletzt Genannte zu, dann wäre es das Denken, wodurch den Sterblichen allererst der Schmerz geschenkt und dem Zeichen, als welches die Sterblichen sind, eine Deutung gebracht würde. Solches Denken versetzte uns dann auch erst in eine Zwiesprache mit dem Dichten des Dichters, dessen Sagen wie kein anderes sein Echo im Denken sucht. Wenn wir es wagen, das dichtende Wort Hölderlins in den Bereich des Denkens einzuholen, dann müssen wir uns freilich hüten, das, was Hölderlin dichterisch sagt, unbedacht mit dem gleichzusetzen, was wir zu denken uns anschicken. Das dichtend Gesagte und das denkend Gesagte sind niemals das gleiche.
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Aber das eine und das andere kann in verschiedenen Weisen dasselbe sagen. Dies glückt allerdings nur dann, wenn die Kluft zwischen Dichten und Denken rein und entschieden klafft.* Es geschieht, so oft das Dichten ein hohes und das Denken ein tiefes ist. Auch dies wußte Hölderlin. Wir entnehmen sein Wissen den beiden Strophen, die überschrieben sind: Sokrates und Alcibiades Warum huldigest du, heiliger Sokrates, Diesem Jünglinge stets? Kennest du Größers** nicht? Warum siehet mit Liebe, Wie auf Götter, dein Aug’ auf ihn? Die Antwort gibt die zweite Strophe. Wer das Tiefste gedacht, liebt das Lebendigste, Hohe Jugend versteht, wer in die Welt geblikt, Und es neigen die Weisen Oft am Ende zu Schönem sich.*** [139]
Uns geht der Vers an: Wer das Tiefste gedacht, liebt das Lebendigste. Wir überhören jedoch bei diesem Vers allzuleicht die eigentlich sagenden und deshalb tragenden Worte. Die sagenden Worte sind die Verba. Wir hören das Verbale des Verses, wenn wir ihn, dem gewöhnlichen Ohr ungewohnt, anders betonen: Wer das Tiefste gedacht, liebt das Lebendigste.
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Die nächste Nähe der beiden Verba »gedacht« und »liebt« bildet die Mitte des Verses. Demnach gründet die Liebe darin, daß wir Tiefstes gedacht haben. Solches Gedachthaben entstammt vermutlich jenem Gedächtnis, in dessen Denken sogar das Dichten und mit ihm alle Kunst beruht.* Was heißt dann aber »denken«? Was z. B. schwimmen heißt, lernen wir nie durch eine Abhandlung über das Schwimmen. Was schwimmen heißt, sagt uns der Sprung in den Strom. Wir lernen so das Element erst kennen, worin sich das Schwimmen bewegen muß. Welches ist jedoch das Element, worin sich das Denken bewegt? Gesetzt, die Behauptung, daß wir noch nicht denken, sei wahr, dann sagt sie zugleich, daß unser Denken sich noch nicht eigens in seinem eigentlichen Element bewegea, und zwar deshalb, weil das zu-Denkende sich uns entzieht. Was sich auf solche Weise uns vorenthältb und darum ungedacht bleibt, können wir von uns aus nicht in die Ankunft zwingen, selbst den günstigen Fall angenommen, daß wir schon deutlich in das vordächten, was sich uns vorenthält.c So bleibt uns nur eines, nämlich zu warten, bis das zu-Denkende sich uns zuspricht. Doch warten besagt hier keineswegs, daß wir das Denken vorerst noch verschieben. Warten heißt hier: Ausschau halten, und zwar innerhalb des schon Gedachten nach dem Ungedachten, das sich im schon Gedachten noch verbirgt.** Durch solches Warten sind wir bereits denkend auf einen Gang in das zu-Denkende unterwegs.d Der Gang könnte ein Irr gang sein. Er a
b c d
[31967, S. 13] 〈daß unser Denken sich noch nicht eigens in seinem eigentlichen Element bewege〉 oder ist der Entzug – die Entzogenheit, die Verweigerung das Element des Denkens – Verweigerung des G.-V. [Ge-Vierts] [1954] 〈vorenthält〉 [1954] 〈vorenthält.〉 ahnen [31967, S. 13] 〈unterwegs〉
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bliebe jedoch einzig darauf gestimmt, dem zu entsprechen, was es zu bedenken gibt. Woran sollen wir jedoch das, was dem Menschen vor allem anderen einsther zu denken gibt, überhaupt bemerken? Wie kann sich das Bedenklichste uns zeigen? Es hieß: das Bedenklichste zeigt sich in unserer bedenklichen Zeit daran, daß wir noch nicht denken, noch nicht in der Weise, daß wir dem Bedenklichsten eigens entsprechen.a Wir sind bislang in das eigene Wesenb des Denkens nicht eingegangen, um darin zu wohnen.* Wir denken in diesem Sinne noch nicht eigentlichc. Aber dies gerade sagt: wir denken bereits, wir sind jedoch trotz aller Logik noch nicht eigens mit dem Element vertraut, worin das Denken eigentlich denkt. Darum wissen wir noch nicht einmal hinreichend, in welchem Element schon das bisherige Denken sich bewegt, insofern es ein Denken ist.d Der Grundzug des bisherigen Denkens ist das Vernehmen.e Das Vermögen dazu heißt die Vernunftf. Was vernimmt die Vernunft? In welchem Element hält sich das Vernehmen auf, daß hierdurch ein Denken geschieht? Vernehmen ist die Übersetzung des griechischen Wortes noejn, das bedeutet: etwas Anwesendes bemerken, merkend es vornehmen und als Anwesendes es annehmen. Dieses vornehmende Vernehmen ist ein Vor-stellen in dem einfachen, weiten und zugleich wesentlichen Sinne, daß wir Anwesendes vor uns stehen- und liegenlassen, wie es liegt und steht.g ** a b c d e f g
[1954] 〈entsprechen〉*** [31967, S. 14] 〈Wesen〉 in sein Element 〈des Denkens〉 [1954] 〈nicht eigentlich〉 135. (E) [(Ereignis)]. 143 [31967, S. 14] o. Di. [ontologische Differenz] [31967, S. 14] das »als« [1954] 〈Vernunft〉 ratio (leÂgein) [1954] noch nicht »Gegenstand«****
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Derjenige unter den frühgriechischen Denkern, der das Wesen des bisherigen abendländischen Denkens maßgebend bestimmt, achtet jedoch, wenn er vom Denken handelt, keineswegs lediglich und niemals zuerst auf das, was wir das bloße Denken nennen möchten. Vielmehr beruht die Wesensbestimmung des Denkens gerade darin, daß sein Wesen von dem her bestimmt bleibt, was das Denken als Vernehmen vernimmt – nämlich das Seiende in seinem Sein. Parmenides sagt (Fragm. VIII, 34 / 36)*: tayÆtoÁn dÆeÆstiÁ noejn te kaiÁ oyÏneken eÍsti noÂhma. oyÆ gaÁr aÍney too eÆoÂntow, eÆn vÎi pefatismeÂnon eÆstin, eyërhÂseiw toÁ noejna
Das Selbe aber ist Vernehmen sowohl als auch (das), wessentwegen Vernehmen ist.b Nicht nämlich ohne das Sein des Seienden, in welchem es (nämlich das Vernehmen) als Gesagtes ist, wirst du das Vernehmen finden. Aus diesen Worten des Parmenides tritt klar ans Licht: das Denken empfängt als Vernehmen sein Wesen aus dem Sein des Seienden. Doch was heißt hier und für die Griechen und in der Folge für das gesamte abendländische Denken bis zur Stunde: Sein des Seienden?c Die Antwort auf diese bisher nie gestellte, weil allzu einfache Frage lautet: Sein des Seienden heißt: Anwesen des Anwesenden, Präsenz des Präsenten. Die Antwort ist ein Sprungd ins Dunkle. a b c d
[1954] vgl. u[nten] 231 ff. [31967, S. 15] (Vernehmung) [1954] 〈Sein des Seienden?〉** [31967, S. 15] 〈Sprung〉 ?
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Was das Denken als Vernehmen vernimmt, ist das Präsente in seiner Präsenz. An ihr nimmt das Denken das Maß für sein Wesen als Vernehmen. Demgemäß ist das Denken jene Präsentation des Präsenten, die uns das Anwesende in seiner Anwesenheit zu-stellt und es damit vor uns stellt, damit wir vor dem Anwesenden stehen und innerhalb seiner dieses Stehen ausstehen können. Das Denken stellt als diese Präsentation das Anwesende in die Beziehung auf uns zu, stellt es zurück zu uns her. Die Präsentation ist darum Re-präsentation.a Das Wort repraesentatio ist der später geläufige Name für das Vorstellen.b Der Grundzug des bisherigen Denkens ist das Vorstellen. Nach der alten Lehre vom Denken vollzieht sich dieses Vorstellen im loÂgow, welches Wort hier Aussage, Urteil bedeutet. Die Lehre vom Denken, vom loÂgow, heißt darum Logik. Kant nimmt auf eine einfache Weise die überlieferte Kennzeichnung des Denkens als Vorstellen auf, wenn er den Grundakt des Denkens, das Urteil, als die Vorstellung einer Vorstellung des Gegenstandes bestimmt (Kr. d. r. V. A. 68, B. 93)*. Urteilen wir z. B. »dieser Weg ist steinig«, dann wird im Urteil die Vorstellung des Gegenstandes, d. h. des Weges, ihrerseits vorgestellt, nämlich als steinig.c Der Grundzug des Denkens ist das Vorstellen. Im Vorstellen entfaltet sich das Vernehmen. Das Vorstellen selbst ist Re-Präsentation. Doch weshalb beruht das Denken im Vernehmen? Weshalb entfaltet sich das Vernehmen im Vorstellen? Weshalb ist das Vorstellen Re-Präsentation? a b
c
[31967, S. 15] Refl[exion] [1954] das Moment des Praesentierens und Praesenz – verschwindet! ein »Präsent« »ein Geschenk«. kl[eine] Aufmerksamkeit [31967, S. 16] vgl. Kants These über das »Sein«**
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Die Philosophie verfährt so, als gäbe es hier überall nichts zu fragen. Daß jedoch das bisherige Denken im Vorstellen und das Vorstellen in der Re-Präsentation beruht, dies hat seine lange Herkunft. Sie verbirgt sich in einem unscheinbaren Ereignisa: das Sein des Seienden erscheint am Anfang der Geschichte des Abendlandes, erscheint für ihren ganzen Verlauf als Präsenzb, als Anwesen.* Dieses Erscheinen des Seins als das Anwesen des Anwesenden ist selbst der Anfang der abendländischen Geschichte, gesetzt, daß wir die Geschichte nicht nur nach den Geschehnissen vorstellen, sondern zuvor nach dem denken, was durch die Geschichte im vorhinein und alles Geschehende durchwaltend geschicktc d ist. Sein heißt Anwesen. Dieser leicht hingesagte Grundzug des Seins, das Anwesen, wird nun aber in dem Augenblick geheimnisvoll, da wir erwachene und beachten, wohin dasjenige, was wir Anwesenheit nennen, unser Denken verweist.** Anwesendes ist Währendes, das in die Unverborgenheit herein und innerhalb ihrer west. Anwesen ereignet sich nur, wo bereits Unverborgenheit waltet. Anwesendes ist aber, insofern es in die Unverborgenheit hereinwährt, gegenwärtig. Darum gehört zum Anwesen nicht nur Unverborgenheit, sondern Gegenwart. Diese im Anwesen waltende Gegenwart ist ein Charakter der Zeit. Deren Wesen läßt sich aber durch den überlieferten Zeitbegriff niemals fassen. a b c d e
[1954] 〈Ereignis〉 ! [1954] 〈Präsenz〉 [31967, S. 16] 〈 geschickt〉 [1954] 〈 geschickt〉 [1954] 〈wir erwachen〉
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Im Sein, das als Anwesen erschienen ist, bleibt jedoch die darin waltende Unverborgenheit auf die gleiche Weise ungedacht wie das darin waltende Wesen von Gegenwart und Zeit. Vermutlich gehören Unverborgenheit und Gegenwart als Zeitwesen zusammen. Insoweit wir das Seiende in seinem Sein vernehmen, insofern wir, neuzeitlich gesprochen, die Gegenstände in ihrer Gegenständlichkeit vorstellen, denken wir bereits.a Auf solche Weise denken wir schon lange.* Aber wir denken gleichwohl noch nicht eigentlichb, solange unbedacht bleibt, worin das Sein des Seienden beruht, wenn es als Anwesenheit erscheint.** Die Wesensherkunft des Seins des Seiendenc ist ungedacht. Das eigentlich zu-Denkende bleibt vorenthalten.d Es ist noch nicht für uns denk-würdig geworden.e Deshalb ist unser Denken noch nicht eigens in sein Elementf gelangt. Wir denken noch nicht eigentlich.g Darum fragen wir: Was heißth Denken?***
a b c d e f g h
[31967, S. 17] Repräsentation und Reflexion**** [1954] 〈eigentlich〉 140 [1954] 〈Seins des Seienden〉 o. Di [ontologische Differenz]***** [1954] 〈Das eigentlich zu-Denkende bleibt vorenthalten.〉 [1954] 〈Es ist noch nicht für uns denk-würdig geworden.〉 [31967, S. 17] das »Element« das E. [Ereignis] [1954] 〈eigentlich〉 [31967, S. 17] 〈heißt〉
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m folgenden versuchen wir, über Wohnen und Bauen zu denken. Dieses Denken über das Bauen maßt sich nicht an, Baugedanken zu finden oder gar dem Bauen Regeln zu geben. Dieser Denkversuch stellt das Bauen überhaupt nicht von der Baukunst und der Technik her dar, sondern er verfolgt das Bauen in denjenigen Bereich zurück, wohin jegliches gehört, was ist. Wir fragen: 1. Was ist das Wohnen? 2. Inwiefern gehört das Bauen in das Wohnen?
I
I Zum Wohnen, so scheint es, gelangen wir erst durch das Bauen. Dieses, das Bauen hat jenes, das Wohnen zum Ziel. Indessen sind nicht alle Bauten auch Wohnungen. Brücke und Flughalle, Stadion und Kraftwerk sind Bauten, aber keine Wohnungen; Bahnhof und Autobahn, Staudamm und Markthalle sind Bauten, aber keine Wohnungen. Dennoch stehen die genannten Bauten im Bereich unseres Wohnens. Er reicht über diese Bauten hinweg und beschränkt sich doch wieder nicht auf die Wohnung. Der Lastzugführer ist auf der Autobahn zu Hause, aber er hat dort nicht seine Unterkunft; die Arbeiterin ist in der Spinnerei zu Hause, hat jedoch dort nicht ihre Wohnung; der
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leitende Ingenieur ist im Kraftwerk zu Hause, aber er wohnt nicht dort. Die genannten Bauten behausen den Menschen. Er bewohnt sie und wohnt gleichwohl nicht in ihnen, wenn Wohnen nur heißt, daß wir eine Unterkunft innehaben. Bei der heutigen Wohnungsnot bleibt freilich dies schon beruhigend und erfreulich; Wohnbauten gewähren wohl Unterkunft, die Wohnungen können heute sogar gut gegliedert, leicht zu bewirtschaften, wünschens wert billig, offen gegen Luft, Licht und Sonne sein, aber: bergen die Wohnungen schon die Gewähr in sich, daß ein Wohnen geschieht? Jene Bauten jedoch, die keine Wohnungen sind, bleiben ihrerseits vom Wohnen her bestimmt, insofern sie dem Wohnen der Menschen dienen. So wäre denn das Wohnen in jedem Falle der Zweck, der allem Bauen vorsteht. Wohnen und Bauen stehen zueinander in der Beziehung von Zweck und Mittel. Allein, solange wir nur dies meinen, nehmen wir Wohnen und Bauen für zwei getrennte Tätigkeiten und stellen dabei etwas Richtiges vor. Doch zugleich verstellen wir uns durch das Zweck-MittelSchema die wesentlichen Bezüge.* Bauen nämlich ist nicht nur Mittel und Weg zum Wohnen, das Bauen ist in sich selber bereits Wohnen.** Wer sagt uns dies? Wer gibt uns überhaupt ein Maß, mit dem wir das Wesen von Wohnen und Bauen durchmessen? Der Zuspruch über das Wesen einer Sache kommt zu uns aus der Sprachea, vorausgesetzt, daß wir deren eigenes Wesen achten.b *** Inzwischen freilich rast ein zügelloses und zugleich gewandtes Reden, Schreiben und Senden von Gesprochenem um den Erdball. Der Mensch gebärdet sich, als sei er Bildner und Meister der Sprache, während sie doch die a b
[1954] 〈Sprache〉 [31967, S. 20] Sprache
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Herrin des Menschen bleibt. Vielleicht ist es vor allem anderen die vom Menschen betriebene Verkehrung dieses Herrschaftsverhältnisses, was sein Wesen in das Unheimische treibt. Daß wir auf die Sorgfalt des Sprechens halten, ist gut, aber es hilft nicht, solange uns auch dabei noch die Sprache nur als ein Mittel des Ausdrucks dient. Unter allen Zusprüchen, die wir Menschen von uns her mit zum Sprechen bringen können, ist die Sprache der höchste und der überall erste.* Was heißt nun Bauen? Das althochdeutsche Wort für bauen, »buan«, bedeutet wohnen. Dies besagt: bleiben, sich aufhalten. Die eigentliche Bedeutung des Zeitwortes bauen, nämlich wohnen, ist uns verlorengegangen. Eine verdeckte Spur hat sich noch im Wort »Nachbar« erhalten. Der Nachbar ist der »Nachgebur«, der »Nachgebauer«, derjenige, der in der Nähe wohnt. Die Zeitwörter buri, büren, beuren, beuron bedeuten alle das Wohnen, die Wohnstätte. Nun sagt uns freilich das alte Wort buan nicht nur, bauen sei eigentlich wohnen, sondern es gibt uns zugleich einen Wink, wie wir das von ihm genannte Wohnen denken müssen. Wir stellen uns gewöhnlich, wenn vom Wohnen die Rede ist, ein Verhalten vor, das der Mensch neben vielen anderen Verhaltungsweisen auch vollzieht. Wir arbeiten hier und wohnen dort. Wir wohnen nicht bloß, das wäre beinahe Untätigkeit, wir stehen in einem Beruf, wir machen Geschäfte, wir reisen und wohnen unterwegs, bald hier, bald dort. Bauen heißt ursprünglich wohnen. Wo das Wort bauen noch ursprünglich spricht, sagt es zugleich, wie weit das Wesen des Wohnens reicht. Bauen, buan, bhu, beo ist nämlich unser Wort »bin« in den Wendungen: ich bin, du bist, die Imperativform bis, sei. Was heißt dann: ich bin? Das alte Wort bauena, zu dem das »bin« gehört, antwortet: a
[1954] 〈bauen〉**
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»ich bin«, »du bist« besagt: ich wohne, du wohnst. Die Art, wie du bist und ich bin, die Weise, nach der wir Menschen auf der Erde sind, ist das Buan, das Wohnen. Mensch sein heißt: als Sterblicher auf der Erde sein, heißt: wohnen. Das alte Wort bauen, das sagt, der Mensch sei, insofern er wohne, dieses Wort bauen bedeutet nun aber zugleich: hegen und pflegen, nämlich den Acker bauen, Reben bauen.* Solches Bauen hütet nur, nämlich das Wachstum, das von sich aus seine Früchte zeitigt. Bauen im Sinne von hegen und pflegen ist kein Herstellen. Schiffsbau und Tempelbau dagegen stellen in gewisser Weise ihr Werk selbst her. Das Bauen ist hier im Unterschied zum Pflegen ein Errichten. Beide Weisen des Bauens – bauen als pflegen, lateinisch colere, cultura, und bauen als errichten von Bauten, aedificare – sind in das eigentliche Bauen, das Wohnen, einbehalten. Das Bauen als Wohnen, d. h. auf der Erde sein, bleibt nun aber für die alltägliche Erfahrung des Menschen das im vorhinein, wie die Sprache so schön sagt, »Gewohnte«. Darum tritt es hinter den mannigfaltigen Weisen, in denen sich das Wohnen vollzieht, hinter den Tätigkeiten des Pflegens und Errichtens, zurück. Diese Tätigkeiten nehmen in der Folge den Namen bauen und damit die Sache des Bauens für sich allein in Anspruch. Der eigentliche Sinn des Bauens, nämlich das Wohnena, gerät in die Vergessenheit.** Dieses Ereignis sieht zunächst so aus, als sei es lediglich ein Vorgang innerhalb des Bedeutungswandels bloßer Wörter. In Wahrheit verbirgt sich darin jedoch etwas Entscheidendes, nämlich: das Wohnen wird nicht als das Sein des Menschen erfahren***; das Wohnen wird vollends nie als der Grundzug des Menschseins gedacht. Daß die Sprache die eigentliche Bedeutung des Wortes a
[1954] 〈Wohnen〉****
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bauen, das Wohnen, gleichsam zurücknimmt, bezeugt jedoch das Ursprüngliche dieser Bedeutungen; denn bei den wesentlichen Worten der Sprache fällt ihr eigentlich Gesagtes zugunsten des vordergründig Gemeinten leicht in die Vergessenheit. Das Geheimnis dieses Vorganges hat der Mensch noch kaum bedacht. Die Sprachea entzieht dem Menschen ihr einfaches und hohes Sprechen.b * Aber dadurch verstummt ihr anfänglicher Zuspruch nicht, er schweigt nur. Der Mensch freilich unterläßt es, auf dieses Schweigen zu achten.** Hören wir jedoch auf das, was die Sprache im Wort bauen sagt, dann vernehmen wir dreierlei: 1. Bauen ist eigentlich Wohnen. 2. Das Wohnen ist die Weise, wie die Sterblichen auf der Erde sind. 3. Das Bauen als Wohnen entfaltet sich zum Bauen, das pflegt, nämlich das Wachstum, – und zum Bauen, das Bauten errichtet. Bedenken wir dieses Dreifache, dann vernehmen wir einen Wink und merken uns folgendes: Was das Bauen von Bauten in seinem Wesen sei, können wir nicht einmal zureichend fra gen, geschweige denn sachgemäß entscheiden, solange wir nicht daran denken, daß jedes Bauen in sich ein Wohnen ist. Wir wohnen nicht, weil wir gebaut haben, sondern wir bauen und haben gebaut, insofern wir wohnen, d. h. als die Wohnenden sind. Doch worin besteht das Wesen des Wohnens?*** Hören wir noch einmal auf den Zuspruch der Sprache: Das altsächsische »wunon«, das gotische »wua b
[1954] 〈Sprache〉 [31967, S. 22] Spr[ache]
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nian« bedeuten ebenso wie das alte Wort bauen das Bleiben, das Sich-Aufhalten. Aber das gotische »wunian« sagt deutlicher, wie dieses Bleiben erfahren wird. Wunian heißt: zufrieden sein, zum Frieden gebracht, in ihm bleiben. Das Wort Friede meint das Freie, das Frye, und fry bedeutet: bewahrt vor Schaden und Bedrohung, bewahrt – vor … d. h. geschont. Freien bedeutet eigentlich schonen. Das Schonen selbst besteht nicht nur darin, daß wir dem Geschonten nichts antun. Das eigentliche Schonen ist etwas Positives und geschieht dann, wenn wir etwas zum voraus in seinem Wesen belassen, wenn wir etwas eigens in sein Wesena zurückbergen, es entsprechend dem Wort freien: einfrieden. Wohnen, zum Frieden gebracht sein, heißt: eingefriedet bleiben in das Frye, d. h. in das Freie, das jegliches in sein Wesen schont. Der Grundzug des Wohnens ist dieses Schonen. Er durchzieht das Wohnen in seiner ganzen Weite. Sie zeigt sich uns, sobald wir daran denken, daß im Wohnen das Menschsein beruht und zwar im Sinne des Aufenthalts der Sterblichen auf der Erde. Doch »auf der Erde« heißt schon »unter dem Himmel«. Beides meint mit »Bleiben vor den Göttlichen« und schließt ein »gehörend in das Miteinander der Menschen«. Aus einer ursprünglichen Einheit gehören die Vier: Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen in eins. Die Erde ist die dienend Tragende, die blühend Fruchtende, hingebreitet in Gestein und Gewässer, aufgehend zu Gewächs und Getier. Sagen wir Erde, dann denken wir schon die anderen Drei mit, doch wir bedenken nicht die Einfalt der Vier. Der Himmel ist der wölbende Sonnengang, der gestaltwechselnde Mondlauf, der wandernde Glanz der Gestirne, a
[31967, S. 23] 〈eigens in sein (Wesen)〉 Eigenes (E [Ereignis])
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die Zeiten des Jahres und ihre Wende, Licht und Dämmer des Tages, Dunkel und Helle der Nacht, das Wirtliche und Unwirtliche der Wetter, Wolkenzug und blauende Tiefe des Äthers. Sagen wir Himmel, dann denken wir schon die anderen Drei mit, doch wir bedenken nicht die Einfalt der Vier. Die Göttlichen sind die winkenden Boten der Gottheit. Aus dem heiligen Walten dieser erscheint der Gott in seine Gegenwart oder er entzieht sich in seine Verhüllung. Nennen wir die Göttlichen, dann denken wir schon die anderen Drei mit, doch wir bedenken nicht die Einfalt der Vier. Die Sterblichen sind die Menschen. Sie heißen die Sterblichen, weil sie sterben können. Sterben heißt, den Tod als Tod vermögen.* Nur der Mensch stirbt, und zwar fortwährend, solange er auf der Erde, unter dem Himmel, vor den Göttlichen bleibt. Nennen wir die Sterblichen, dann denken wir schon die anderen Drei mit, doch wir bedenken nicht die Einfalt der Vier. Diese ihre Einfalt nennen wir das Geviert. Die Sterblichen sind im Geviert, indem sie wohnen. Der Grundzug des Wohnens aber ist das Schonen. Die Sterblichen wohnen in der Weise, daß sie das Geviert in sein Wesen schonen. Demgemäß ist das wohnende Schonen vierfältig. Die Sterblichen wohnen, insofern sie die Erde retten – das Wort in dem alten Sinne genommen, den Lessing noch kannte. Die Rettung entreißt nicht nur einer Gefahr, retten bedeutet eigentlich: etwas in sein eigenes Wesen freilassen.** Die Erde retten ist mehr, als sie ausnützen oder gar abmühen. Das Retten der Erde meistert die Erde nicht und macht sich die Erde nicht untertan, von wo nur ein Schritt ist zur schrankenlosen Ausbeutung. Die Sterblichen wohnen, insofern sie den Himmel als Himmel empfangen. Sie lassen der Sonne und dem Mond
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ihre Fahrt, den Gestirnen ihre Bahn, den Zeiten des Jahres ihren Segen und ihre Unbill, sie machen die Nacht nicht zum Tag und den Tag nicht zur gehetzten Unrast. Die Sterblichen wohnen, insofern sie die Göttlichen als die Göttlichen erwarten. Hoffend halten sie ihnen das Unverhoffte entgegen.a Sie warten der Winke ihrer Ankunft und verkennen nicht die Zeichen ihres Fehls. Sie machen sich nicht ihre Götter und betreiben nicht den Dienst an Götzen. Im Unheil noch warten sie des entzogenen Heils. Die Sterblichen wohnen, insofern sie ihr eigenes Wesen, daß sie nämlich den Tod als Tod vermögen*, in den Brauch dieses Vermögens geleiten, damit ein guter Tod sei. Die Sterblichen in das Wesen des Todes geleiten, bedeutet keineswegs, den Tod als das leere Nichts zum Ziel setzen; es meint auch nicht, das Wohnen durch ein blindes Starren auf das Ende verdüstern. Im Retten der Erde, im Empfangen des Himmels, im Erwarten der Göttlichen, im Geleiten der Sterblichen ereignetb sich das Wohnen als das vierfältige Schonen des Gevierts. Schonen heißt: das Geviert in seinem Wesen hüten.c Was in die Hut genommen wird, muß geborgen werden. Wo aber verwahrt das Wohnen, wenn es das Geviert schont, dessen Wesen? Wie vollbringen die Sterblichen das Wohnen als dieses Schonen? Die Sterblichen vermöchten dies niemals, wäre das Wohnen nurd ein Aufenthalt auf der a
b c
d
[1954] das jeh einst »Verhoffen« lassen – könnte – aber damit (mit solchem Lassen) nah (verborgener Weise) an sich hält – [?]** [1954] 〈ereignet〉 [31967, S. 25] 〈Schonen des Gevierts. Schonen heißt: das Geviert in seinem Wesen hüten.〉 Wie aber wenn Verweigerung? ihr sich fügen – mehr noch ihr eigenstes Er-eignen in der Sage zeigen – wenn? dann [31967, S. 25] 〈nur〉 unklar! keine o. Diff. [ontologische Differenz] mehr.***
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Erde, unter dem Himmel, vor den Göttlichen, mit den Sterblichen. Das Wohnen ist vielmehr immer schon ein Aufenthalt bei den Dingen. Das Wohnen als Schonen verwahrt das Geviert in dem, wobei die Sterblichen sich aufhalten: in den Dingen. Der Aufenthalt bei den Dingen ist jedoch der genannten Vierfalt des Schonens nicht als etwas Fünftes nur angehängt, im Gegenteil: der Aufenthalt bei den Dingen ist die einzige Weise, wie sich der vierfältige Aufenthalt im Geviert jeweils einheitlich vollbringt.* Das Wohnen schont das Geviert, indem es dessen Wesen in die Dinge bringta. Allein, die Dinge selbst bergen das Geviert nur dann, wenn sie selber als Dinge in ihrem Wesenb gelassen werden. Wie geschieht das? Dadurch, daß die Sterblichen die wachstümlichen Dinge hegen und pflegen, daß sie Dinge, die nicht wachsen, eigens errichten. Das Pflegen und das Errichten ist das Bauen im engeren Sinne. Das Wohnen ist, insofern es das Geviert in die Dinge verwahrt, als dieses Verwahren ein Bauen. Damit sind wir auf den Weg der zweiten Frage gebracht:
II Inwiefern gehört das Bauen in das Wohnen? Die Antwort auf diese Frage erläutert uns, was das Bauen, aus dem Wesen des Wohnens gedacht, eigentlich ist. Wir beschränken uns auf das Bauen im Sinne des Errichtens von Dingen und fragen: was ist ein gebautes Ding? Als Beispiel diene unserem Nachdenken eine Brücke. a b
[31967, S. 25] 〈dessen Wesen in die Dinge bringt〉 Eigentümliches – [31967, S. 26] Eigenen
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Die Brücke schwingt sich »leicht und kräftig« über den Strom. Sie verbindet nicht nur schon vorhandene Ufer. Im Übergang der Brücke treten die Ufer erst als Ufer hervor.a Die Brücke läßt sie eigens gegeneinander über liegen. Die andere Seite ist durch die Brücke gegen die eine abgesetzt. Die Ufer ziehen auch nicht als gleichgültige Grenzstreifen des festen Landes den Strom entlang. Die Brücke bringt mit den Ufern jeweils die eine und die andere Weite der rückwärtigen Uferlandschaft an den Strom. Sie bringt Strom und Ufer und Land in die wechselseitige Nachbarschaft. Die Brücke versammelt die Erde als Landschaft um den Strom. So geleitet sie ihn durch die Auen. Die Brükkenpfeiler tragen, aufruhend im Strombett, den Schwung der Bogen, die den Wassern des Stromes ihre Bahn lassen. Mögen die Wasser ruhig und munter fortwandern, mögen die Fluten des Himmels beim Gewittersturm oder der Schneeschmelze in reißenden Wogen um die Pfeilerbogen schießen, die Brücke ist bereit für die Wetter des Himmels und deren wendisches Wesen. Auch dort, wo die Brücke den Strom überdeckt, hält sie sein Strömen dadurch dem Himmel zu, daß sie es für Augenblicke in das Bogentor aufnimmt und daraus wieder freigibt. Die Brücke läßt dem Strom seine Bahn und gewährt zugleich den Sterblichen ihren Weg, daß sie von Land zu Land gehen und fahren. Brücken geleiten auf mannigfache Weise. Die Stadtbrücke führt vom Schloßbezirk zum Domplatz, die Flußbrücke vor der Landstadt bringt Wagen und Gespann zu den umliegenden Dörfern. Der unscheinbare Bachübergang der alten Steinbrücke gibt dem Erntewagen seinen Weg von der Flur in das Dorf, trägt die Holzfuhre vom Feldweg zur Landstraße. Die Autobahna
[31967, S. 26] überbrücken: den Strom zwischen seinen Ufern.
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brücke ist eingespannt in das Liniennetz des rechnenden und möglichst schnellen Fernverkehrs. Immer und je anders geleitet die Brücke hin und her die zögernden und die hastigen Wege der Menschen, daß sie zu anderen Ufern und zuletzt als die Sterblichen auf die andere Seite kommen. Die Brücke überschwingt bald in hohen, bald in flachen Bogen Fluß und Schlucht; ob die Sterblichen das Überschwingende der Brückenbahn in der Acht behalten oder vergessen, daß sie, immer schon unterwegs zur letzten Brücke, im Grunde danach trachten, ihr Gewöhnliches und Unheiles zu übersteigen, um sich vor das Heile des Göttlichen zu bringen. Die Brücke sammelt als der überschwingende Übergang vor die Göttlichen. Mag deren Anwesen eigens bedacht und sichtbarlich bedankt sein wie in der Figur des Brückenheiligen, mag es verstellt oder gar weggeschoben bleiben. Die Brücke versammelt auf ihre Weise Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen bei sich. Versammlung heißt nach einem alten Wort unserer Sprache »thing«. Die Brücke ist – und zwar als die gekennzeichnete Versammlung des Gevierts – ein Ding. Man meint freilich, die Brücke sei zunächst und eigentlich bloß eine Brücke. Nachträglich und gelegentlich könne sie dann auch noch mancherlei aus drücken. Als ein solcher Ausdruck werde sie dann zum Symbol, zum Beispiel für all das, was vorhin genannt wurde. Allein, die Brücke ist, wenn sie eine echte Brücke ist, niemals zuerst bloße Brücke und hinterher ein Symbol. Die Brücke ist ebensowenig im voraus nur ein Symbol in dem Sinn, daß sie etwas ausdrückt, was, streng genommen, nicht zu ihr gehört. Wenn wir die Brücke streng nehmen, zeigt sie sich nie als Ausdruck. Die Brücke ist ein Ding und nur dies. Nur? Als dieses Ding versammelt sie das Geviert.
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Unser Denken ist freilich von altersher gewohnt, das Wesen des Dinges zu dürftig anzusetzen. Dies hatte im Verlauf des abendländischen Denkens zur Folge, daß man das Ding als ein unbekanntes X vorstellt, das mit wahrnehmbaren Eigenschaften behaftet ist. Von da aus gesehen, erscheint uns freilich alles, was schon zum versammelnden Wesen dieses Dinges gehört, als nachträglich hineingedeutete Zutat. Indessen wäre die Brücke niemals eine bloße Brücke, wäre sie nicht ein Ding. Die Brücke ist freilich ein Ding eigener Art; denn sie versammelt das Geviert in der Weise, daß sie ihm eine Stätte verstattet. Aber nur solches, was selber ein Ort ist, kann eine Stätte einräumen. Der Ort ist nicht schon vor der Brücke vorhanden. Zwar gibt es, bevor die Brücke steht, den Strom entlang viele Stellen, die durch etwas besetzt werden können. Eine unter ihnen ergibt sich als ein Ort, und zwar durch die Brücke. So kommt denn die Brücke nicht erst an einen Ort hin zu stehen, sondern von der Brücke selbst her entsteht erst ein Ort. Sie ist ein Ding, versammelt das Geviert, versammelt jedoch in der Weise, daß sie dem Geviert eine Stätte verstattet. Aus dieser Stätte bestimmen sich Plätze und Wege, durch die ein Raum eingeräumt wird. Dinge, die in solcher Art Orte sind, verstatten jeweils erst Räume. Was dieses Wort »Raum« nennt, sagt seine alte Bedeutung. Raum, Rum heißt freigemachter Platz für Siedlung und Lager. Ein Raum ist etwas Eingeräumtes, Freigegebenes, nämlich in eine Grenze, griechisch peÂraw a. Die Grenze ist nicht das, wobei etwas aufhört, sondern, wie die Griechen es erkannten, die Grenze ist jenes, a
[1954] Aristot[eles] toÂpow peÂraw too perieÂxontow svÂmatow aÆkiÂnhton / oë toÂpow aÆggejon aÆmetakiÂnhton*.
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von woher etwas sein Wesen beginnt. Darum ist der Begriff: oërismoÂw, d. h. Grenze.a Raum ist wesenhaft das Eingeräumte, in seine Grenze Eingelassene. Das Eingeräumte wird jeweils gestattet und so gefügt, d. h. versammelt durch einen Ort, d. h. durch ein Ding von der Art der Brücke. Demnach empfangen die Räume ihr Wesen aus Orten und nicht aus »dem« Raum. Dinge, die als Orte eine Stätte verstatten, nennen wir jetzt vorgreifend Bauten.b Sie heißen so, weil sie durch das errichtende Bauen hervorgebracht sind. Welcher Art jedoch dieses Hervorbringen, nämlich das Bauen, sein muß, erfahren wir erst, wenn wir zuvor das Wesen jener Dinge bedacht haben, die von sich her zu ihrer Herstellung das Bauen als Hervorbringen verlangen. Diese Dinge sind Orte, die dem Geviert eine Stätte verstatten, welche Stätte jeweils einen Raum einräumt. Im Wesen dieser Dinge als Orte liegt der Bezug von Ort und Raum, liegt aber auch die Beziehung des Ortes zum Menschen, der sich an* ihm aufhält. Darum versuchen wir jetzt, das Wesen dieser Dinge, die wir Bauten nennen, dadurch zu verdeutlichen, daß wir folgendes kurz bedenken. Einmal: in welcher Beziehung stehen Ort und Raum? und zum anderen: welches ist das Verhältnis von Mensch und Raum?c ** Die Brücke ist ein Ort. Als solches Ding verstattet sie einen Raum, in den Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen eingelassen sind. Der von der Brücke verstattete Raum enthält mancherlei Plätze in verschiedener Nähe und Ferne zur Brücke. Diese Plätze lassen sich nun a b c
[31967, S. 29] 〈Darum ist der »Begriff«: oërismoÂw, d. h. Grenze.〉 ! [31967, S. 29] Bauten. [1954] 157
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aber als bloße Stellen ansetzen, zwischen denen ein durchmeßbarer Abstand besteht; ein Abstand, griechisch ein staÂdion, ist immer eingeräumt, und zwar durch bloße Stellen. Das so von den Stellen Einge räumte ist ein Raum eigener Art. Er ist als Abstand, als Stadion, das, was uns dasselbe Wort Stadion lateinisch sagt, ein »spatium«, ein Zwischenraum. So können Nähe und Ferne zwischen Menschen und Dingen zu bloßen Entfernungen, zu Abständen des Zwischenraums werden. In einem Raum, der lediglich als spatium vorgestellt ist, erscheint jetzt die Brücke als ein bloßes Etwas an einer Stelle, welche Stelle jederzeit von irgendetwas anderem besetzt oder durch eine bloße Markierung ersetzt werden kann. Nicht genug, aus dem Raum als Zwischenraum lassen sich die bloßen Ausspannungen nach Höhe, Breite und Tiefe herausheben. Dieses so Abgezogene, lateinisch abstractum, stellen wir als die reine Mannigfaltigkeit der drei Dimensionen vor. Was jedoch diese Mannigfaltigkeit einräumt, wird auch nicht mehr durch Abstände bestimmt, ist kein spatium mehr, sondern nur noch extensio – Ausdehnung. Der Raum als extensio läßt sich aber noch einmal abziehen, nämlich auf analytisch-algebraische Relationen. Was diese einräumen, ist die Möglichkeit der rein mathematischen Konstruktion von Mannigfaltigkeiten mit beliebig vielen Dimensionen. Man kann dieses mathematisch Eingeräumte »den« Raum nennen. Aber »der« Raum in diesem Sinne enthält keine Räume und Plätze. Wir finden in ihm niemals Orte, d. h. Dinge von der Art der Brücke. Wohl dagegen liegt umgekehrt in den Räumen, die durch Orte eingeräumt sind, jederzeit der Raum als Zwischenraum und in diesem wieder der Raum als reine Ausdehnung. Spatium und extensio geben jederzeit die Möglichkeit, die Dinge und das, was sie einräumen, nach Abständen, nach Strecken, nach Richtun-
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gen zu durchmessen und diese Maße zu berechnen. In keinem Falle sind jedoch die Maß-Zahlen und ihre Dimensionen nur deshalb, weil sie auf alles Ausgedehnte allgemein anwendbar sind, auch schon der Grund für das Wesen der Räume und Orte, die mit Hilfe des Mathematischen durchmeßbar sind. Inwiefern unterdessen auch die moderne Physik durch die Sache selbst ge zwungen wurde, das räumliche Medium des kosmischen Raumes als Feldeinheit vorzustellen, die durch den Körper als dynamisches Zentrum bestimmt wird, kann hier nicht erörtert werden. Die Räume, die wir alltäglich durchgehen, sind von Orten eingeräumta; deren Wesen gründet in Dingen von der Art der Bauten. Achten wir auf diese Beziehungen zwischen Ort und Räumen, zwischen Räumen und Raum, dann gewinnen wir einen Anhalt, um das Verhältnis von Mensch und Raum zu bedenken. Ist die Rede von Mensch und Raum, dann hört sich dies an, als stünde der Mensch auf der einen und der Raum auf der anderen Seite. Doch der Raum ist kein Gegenüber für den Menschen. Er ist weder ein äußerer Gegenstand noch ein inneres Erlebnis. Es gibt nicht die Menschen und außerdem Raum; denn sage ich »ein Mensch« und denke ich mit diesem Wort denjenigen, der menschlicher Weise ist, das heißt wohnt, dann nenne ich mit dem Namen »ein Mensch« bereits den Aufenthalt im Geviert bei den Dingen.* Auch dann, wenn wir uns zu Dingen verhalten, die nicht in der greifbaren Nähe sind, halten wir uns bei den Dingen selbst auf. Wir stellen die fernen Dinge nicht bloß – wie man lehrt – innerlich vor, so daß als Ersatz für die fernen Dinge in unserem Innern und im Kopf nur a
[31967, S. 31] 〈Die Räume, die wir alltäglich durchgehen, sind von Orten eingeräumt〉 die gewohnten »Räume«
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Vorstellungen von ihnen ablaufen. Wenn wir jetzt – wir alle – von hier aus an die alte Brücke in Heidelberg denken, dann ist das Hindenken zu jenem Ort kein bloßes Erlebnis in den hier anwesenden Personen, vielmehr gehört es zum Wesen unseres Denkens an die genannte Brücke, daß dieses Denken in sich die Ferne zu diesem Ort durchsteht. Wir sind von hier aus bei der Brücke dort und nicht etwa bei einem Vorstellungsinhalt in unserem Bewußtsein. Wir können sogar von hier aus jener Brücke und dem, was sie einräumt, weit näher sein als jemand, der sie alltäglich als gleichgültigen Flußübergang benützt. Räume und mit ihnen »der« Raum sind in den Aufenthalt der Sterblichen stets schon eingeräumt.* Räume öffnen sich dadurch, daß sie in das Wohnen des Menschen eingelassen sind. Die Sterblichen sind, das sagt: wohnend durchstehen sie Räume auf Grund ihres Aufenthaltes bei Dingen und Orten. Und nur weil die Sterblichen ihrem Wesen gemäß Räume durchstehen, können sie Räume durchgehen. Doch beim Gehen geben wir jenes Stehen nicht auf. Vielmehr gehen wir stets so durch Räume, daß wir sie dabei schon ausstehen, indem wir uns ständig bei nahen und fernen Orten und Dingen aufhalten. Wenn ich zum Ausgang des Saales gehe, bin ich schon dort und könnte niemals hingehen**, wenn ich nicht so wäre, daß ich dort bin. Ich bin niemals nur hier als dieser abgekapselte Leib, sondern ich bin dort, d. h., den Raum schon durchstehend, und nur so kann ich ihn durchgehen. Selbst dann, wenn die Sterblichen »in sich gehen«, verlassen sie die Zugehörigkeit zum Geviert nicht. Wenn wir uns – wie man sagt – auf uns selbst besinnen, kommen wir im Rückgang auf uns von den Dingen her, ohne den Aufenthalt bei den Dingen je preiszugeben. Sogar der Bezugsverlust zu den Dingen, der in depressiven Zuständen ein-
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tritt, wäre gar nicht möglich, wenn nicht auch dieser Zustand das bliebe, was er als ein menschlicher ist, nämlich ein Aufenthalt bei den Dingen. Nur wenn dieser Aufenthalt das Menschsein schon bestimmt, können uns die Dinge, bei denen wir sind, auch nicht ansprechen, uns auch nichts mehr angehen. Der Bezug des Menschen zu Orten und durch Orte zu Räumen beruht im Wohnen. Das Verhältnis von Mensch und Raum ist nichts anderes als das wesentlich gedachte Wohnen.* Wenn wir auf die versuchte Weise der Beziehung zwischen Ort und Raum, aber auch dem Verhältnis von Mensch und Raum nachdenken, fällt ein Licht auf das Wesen der Dinge, die Orte sind und die wir Bauten nennen. Die Brücke ist ein Ding solcher Art. Der Ort läßt die Einfalt von Erde und Himmel, von Göttlichen und von Sterblichen in eine Stätte ein, indem er die Stätte in Räume einrichtet. Der Ort räumt das Geviert in einem zwiefachen Sinne ein.a Der Ort läßt das Geviert zu und der Ort richtet das Geviert ein. Beide, nämlich Einräumen als Zulassen und Einräumen als Einrichten, gehören zusammen. Als das zwiefache Einräumen ist der Ort eine Hut des Gevierts oder wie dasselbe Wort sagt: ein Huis, ein Haus. Dinge von der Art solcher Orte behausen den Aufenthalt der Menschen. Dinge dieser Art sind Behausungen, aber nicht notwendig Wohnungen im engeren Sinne. Das Hervorbringen solcher Dinge ist das Bauen. Sein Wesen beruht darin, daß es der Art dieser Dinge entspricht. a
[31967, S. 33] Ein-räumen –: Zulassen Einrichten – Aus-statten! (die Stätte)
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Sie sind Orte, die Räume verstatten. Deshalb ist das Bauen, weil es Orte errichtet, ein Stiften und Fügen von Räumen. Weil das Bauen Orte hervorbringt, kommt mit der Fügung ihrer Räume notwendig auch der Raum als spatium und als extensio in das dinghafte Gefüge der Bauten. Allein das Bauen gestaltet niemals »den« Raum.a Weder unmittelbar noch mittelbar. Gleichwohl ist das Bauen, weil es Dinge als Orte hervorbringt, dem Wesen der Räume und der Wesensherkunft »des« Raumes näher als alle Geometrie und Mathematik. Das Bauen errichtet Orte, die dem Geviert eine Stätte einräumen. Aus der Einfalt, in der Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen zueinander gehören, empfängt das Bauen die Weisung für sein Errichten von Orten. Aus dem Geviert übernimmt das Bauen die Maße für alles Durchmessen und jedes Ausmessen der Räume, die jeweils durch die gestifteten Orte eingeräumt sind. Die Bauten verwahren das Geviert. Sie sind Dinge, die auf ihre Weise das Geviert schonen. Das Geviert zu schonen, die Erde zu retten, den Himmel zu empfangen, die Göttlichen zu erwarten, die Sterblichen zu geleiten, dieses vierfältige Schonen ist das einfache Wesen des Wohnens. So prägen denn die echten Bauten das Wohnen in sein Wesen und behausen dieses Wesen. Das gekennzeichnete Bauen ist ein ausgezeichnetes Wohnen lassen. Ist es dieses in der Tat, dann hat das Bauen schon dem Zuspruch des Gevierts entsprochen. Auf dieses Entsprechen bleibt alles Planen gegründet, das seinerseits den Entwürfen für die Risse die gemäßen Bezirke öffnet. Sobald wir versuchen, das Wesen des errichtenden Bauens aus dem Wohnenlassen zu denken, erfahren wir deutlicher, worin jenes Hervorbringen beruht, als welches das a
[31967, S. 33] 〈Allein das Bauen gestaltet niemals »den« Raum.〉
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Bauen sich vollzieht. Gewöhnlich nehmen wir das Hervorbringen als eine Tätigkeit, deren Leistungen ein Ergebnis, den fertigen Bau, zur Folge haben. Man kann das Hervorbringen so vorstellen: Man faßt etwas Richtiges und trifft doch nie sein Wesen, das ein Herbringen ist, das vorbringt. Das Bauen bringt nämlich das Geviert her in ein Ding, die Brücke, und bringt das Ding als einen Ort vor in das schon Anwesende, das jetzt erst durch diesen Ort eingeräumt ist.a * Hervorbringen heißt griechisch tiÂktv. Zur Wurzel tec dieses Zeitwortes gehört das Wort teÂxnh, Technik. Dies bedeutet für die Griechen weder Kunst noch Handwerk, sondern: etwas als dieses oder jenes so oder anders in das Anwesende erscheinen lassen. Die Griechen denken die teÂxnh, das Hervorbringen, vom Erscheinenlassen her. Die so zu denkende teÂxnh verbirgt sich von altersher im Tektonischen der Architektur. Sie verbirgt sich neuerdings noch und entschiedener im Technischen der Kraftmaschinentechnik. Aber das Wesen des bauenden Hervorbringens läßt sich weder aus der Baukunst noch aus dem Ingenieurbau, noch aus einer bloßen Verkoppelung beider zureichend denken. Das bauende Hervorbringen wäre auch dann nicht angemessen bestimmt, wollten wir es im Sinne der ursprünglich griechischen teÂxnh nur als Erscheinenlassen denken, das ein Hervorgebrachtes als ein Anwesendes in dem schon Anwesenden anbringt. Das Wesen des Bauens ist das Wohnenlassen. Der Wesensvollzug des Bauens ist das Errichten von Orten durch das Fügen ihrer Räume. Nur wenn wir das Wohnen vermögen, können wir bauen. Denken wir für eine Weile an einen Schwarzwaldhof, den vor zwei Jahrhunderten noch a
[31967, S. 34] her-vor-bringen
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bäuerliches Wohnen baute. Hier hat die Inständigkeit des Vermögens, Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen einfältig in die Dinge einzulassen, das Haus gerichtet. Es hat den Hof an die windgeschützte Berglehne gegen Mittag zwischen die Matten in die Nähe der Quelle gestellt. Es hat ihm das weit ausladende Schindeldach gegeben, das in geeigneter Schräge die Schneelasten trägt und tief herabreichend die Stuben gegen die Stürme der langen Winternächte schützt. Es hat den Herrgottswinkel hinter dem gemeinsamen Tisch nicht vergessen, es hat die geheiligten Plätze für Kindbett und Totenbaum, so heißt dort der Sarg, in die Stuben eingeräumt und so den verschiedenen Lebensaltern unter einem Dach das Gepräge ihres Ganges durch die Zeit vorgezeichnet. Ein Handwerk, das selber dem Wohnen entsprungen, seine Geräte und Gerüste noch als Dinge braucht, hat den Hof gebaut. Nur wenn wir das Wohnen vermögen, können wir bauen. Der Hinweis auf den Schwarzwaldhof meint keineswegs, wir sollten und könnten zum Bauen dieser Höfe zurückkehren, sondern er veranschaulicht an einem gewesenen Wohnen, wie es zu bauen vermochte.* Das Wohnen aber ist der Grundzug des Seins, demgemäß die Sterblichen sind. Vielleicht kommt durch diesen Versuch, dem Wohnen und Bauen nachzudenken, um einiges deutlicher ans Licht, daß das Bauen in das Wohnen gehört und wie es von ihm sein Wesen empfängt. Genug wäre gewonnen, wenn Wohnen und Bauen in das Fragwürdige gelangten und so etwas Denkwürdiges blieben. Daß jedoch das Denken selbst in demselben Sinn wie das Bauen, nur auf eine andere Weise, in das Wohnen gehört, mag der hier versuchte Denkweg bezeugen.** Bauen und Denken sind jeweils nach ihrer Art für das Wohnen unumgänglich. Beide sind aber auch unzulänglich
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für das Wohnen, solange sie abgesondert das Ihre betreiben, statt aufeinander zu hören. Dies vermögen sie, wenn beide, Bauen und Denken, dem Wohnen gehören, in ihren Grenzen bleiben und wissen, daß eines wie das andere aus der Werkstatt einer langen Erfahrung und unablässigen Übung kommt. Wir versuchen, dem Wesen des Wohnens nachzudenken. Der nächste Schritt auf diesem Wege wäre die Frage: wie steht es mit dem Wohnen in unserer bedenklichen Zeit? Man spricht allenthalben und mit Grund von der Wohnungsnot. Man redet nicht nur, man legt Hand an. Man versucht, die Not durch Beschaffung von Wohnungen, durch die Förderung des Wohnungsbaues, durch Planung des ganzen Bauwesens zu beheben. So hart und bitter, so hemmend und bedrohlich der Mangel an Wohnungen bleibt, die eigentliche Not des Wohnens besteht nicht erst im Fehlen von Wohnungen. Die eigentliche Wohnungsnot ist auch älter als die Weltkriege und die Zerstörungen, älter auch denn das Ansteigen der Bevölkerungszahl auf der Erde und die Lage des Industrie-Arbeiters. Die eigentliche Not des Wohnens beruht darin, daß die Sterblichen das Wesen des Wohnens immer erst wieder suchen, daß sie das Wohnen erst lernen müssen.* Wie, wenn die Heimatlosigkeit des Menschen darin bestünde, daß der Mensch die eigentliche Wohnungsnot noch gar nicht als die Not bedenkt? Sobald der Mensch jedoch die Heimatlosigkeit bedenkt, ist sie bereits kein Elend mehr. Sie ist, recht bedacht und gut behalten, der einzige Zuspruch, der die Sterblichen in das Wohnen ruft. Wie anders aber können die Sterblichen diesem Zuspruch entsprechen als dadurch, daß sie an ihrem Teil versuchen, von sich her das Wohnen in das Volle seines Wesens zu bringen? Sie vollbringen dies, wenn sie aus dem Wohnen bauen und für das Wohnen denken.**
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lle Entfernungen in der Zeit und im Raum schrumpfen ein. Wohin der Mensch vormals wochen- und monatelang unterwegs war, dahin gelangt er jetzt durch die Flugmaschine über Nacht. Wovon der Mensch früher erst nach Jahren oder überhaupt nie eine Kenntnis bekam, das erfährt er heute durch den Rundfunk stündlich im Nu. Das Keimen und Gedeihen der Gewächse, das die Jahreszeiten hindurch verborgen blieb, führt der Film jetzt öffentlich in einer Minute vor. Entfernte Stätten ältester Kulturen zeigt der Film, als stünden sie eben jetzt im heutigen Straßenverkehr. Der Film bezeugt überdies sein Gezeigtes noch dadurch, daß er zugleich den aufnehmenden Apparat und den ihn bedienenden Menschen bei solcher Arbeit vorführt. Den Gipfel der Beseitigung jeder Möglichkeit der Ferne erreicht die Fernsehapparatur, die bald das ganze Gestänge und Geschiebe des Verkehrs durchjagen und beherrschen wird. Der Mensch legt die längsten Strecken in der kürzesten Zeit zurück. Er bringt die größten Entfernungen hinter sich und bringt so alles auf die kleinste Entfernung vor sich. Allein, das hastige Beseitigen aller Entfernungen bringt keine Nähe; denn Nähe besteht nicht im geringen Maß der Entfernung. Was streckenmäßig in der geringsten Entfernung zu uns steht, durch das Bild im Film, durch den Ton im Funk, kann uns fern bleiben. Was streckenmäßig un-
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übersehbar weit entfernt ist, kann uns nahe sein. Kleine Entfernung ist nicht schon Nähe. Große Entfernung ist noch nicht Ferne. Was ist die Nähe, wenn sie, trotz der Verringerung der längsten Strecken auf die kürzesten Abstände, ausbleibt? Was ist die Nähe, wenn sie durch das rastlose Beseitigen der Entfernungen sogar abgewehrt wird? Was ist die Nähe, wenn mit ihrem Ausbleiben auch die Ferne wegbleibt? Was geht da vor sich, wenn durch das Beseitigen der großen Entfernungen alles gleich fern und gleich nahe steht? Was ist dieses Gleichförmige, worin alles weder fern noch nahe, gleichsam ohne Abstand ist? Alles wird in das gleichförmig Abstandlose zusammengeschwemmt. Wie? Ist das Zusammenrücken in das Abstandlose nicht noch unheimlicher als ein Auseinanderplatzen von allem? Der Mensch starrt auf das, was mit der Explosion der Atombombe kommen könnte. Der Mensch sieht nicht, was lang schon angekommen ist und zwar geschehen ist als das, was nur noch als seinen letzten Auswurf die Atombombe und deren Explosion aus sich hinauswirft, um von der einen Wasserstoffbombe zu schweigen, deren Initialzündung, in der weitesten Möglichkeit gedacht, genügen könnte, um alles Leben auf der Erde auszulöschen. Worauf wartet diese ratlose Angst noch, wenn das Entsetzliche schon geschehen ist? Das Entsetzende ist jenes, das alles, was ist, aus seinem vormaligen Wesen heraussetzt. Was ist dieses Entsetzende? Es zeigt und verbirgt sich in der Weise, wie alles anwest, daß nämlich trotz allem Überwinden der Entfernungen die Nähe dessen, was ist, ausbleibt. Wie steht es mit der Nähe? Wie können wir ihr Wesen erfahren? Nähe läßt sich, so scheint es, nicht unmittelbar
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vorfinden. Dies gelingt eher so, daß wir dem nachgehen, was in der Nähe ist. In der Nähe ist uns solches, was wir Dinge zu nennen pflegen. Doch was ist ein Ding? Der Mensch hat bisher das Ding als Ding so wenig bedacht wie die Nähe. Ein Ding ist der Krug. Was ist der Krug? Wir sagen: ein Gefäß; solches, was anderes in sich faßt. Das Fassende am Krug sind Boden und Wand. Dieses Fassende ist selbst wieder faßbar am Henkel. Als Gefäß ist der Krug etwas, das in sich steht. Das Insichstehen kennzeichnet den Krug als etwas Selbständiges. Als der Selbststand eines Selbständigen unterscheidet sich der Krug von einem Gegenstand. Ein Selbständiges kann Gegenstand werden, wenn wir es vor uns stellen, sei es im unmittelbaren Wahrnehmen, sei es in der erinnernden Vergegenwärtigung. Das Dinghafte des Dinges beruht jedoch weder darin, daß es vorgestellter Gegenstand ist, noch läßt es sich überhaupt von der Gegenständlichkeit des Gegenstandes aus bestimmen. Der Krug bleibt Gefäß, ob wir ihn vorstellen oder nicht. Als Gefäß steht der Krug in sich. Doch was heißt es, das Fassende stehe in sich? Bestimmt das Insichstehen des Gefäßes den Krug schon als ein Ding? Der Krug steht als Gefäß doch nur, insofern er zu einem Stehen gebracht wurde. Dies geschah indessen, und es geschieht durch ein Stellen, nämlich durch das Herstellen. Der Töpfer verfertigt den irdenen Krug aus der eigens dafür ausgewählten und zubereiteten Erde. Aus ihr besteht der Krug. Durch das, woraus er besteht, kann er auch auf der Erde stehen, sei es unmittelbar, sei es mittelbar durch Tisch und Bank. Was durch solches Herstellen besteht, ist das Insichstehende. Nehmen wir den Krug als hergestelltes Gefäß, dann fassen wir ihn doch, so scheint es, als ein Ding und keinesfalls als bloßen Gegenstand. Oder nehmen wir auch jetzt den Krug immer noch als
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einen Gegenstand? Allerdings. Zwar gilt er nicht mehr nur als Gegenstand des bloßen Vorstellens, dafür ist er aber Gegenstand, den ein Herstellen zu uns her, uns gegenüber und entgegen stellt. Das Insichstehen scheint den Krug als Ding zu kennzeichnen. In Wahrheit denken wir jedoch das Insichstehen vom Herstellen aus. Das Insichstehen ist das, worauf das Herstellen es absieht. Aber das Insichstehen wird auch so immer noch von der Gegenständlichkeit her gedacht, wenngleich das Gegenstehen des Hergestellten nicht mehr im bloßen Vorstellen gründet. Doch von der Gegenständlichkeit des Gegenstandes und des Selbststandes führt kein Weg zum Dinghaften des Dinges. Was ist das Dingliche am Ding? Was ist das Ding an sich? Wir gelangen erst dann zum Ding an sich, wenn unser Denken zuvor erst einmal das Ding als Ding erlangt hat. Der Krug ist ein Ding als Gefäß. Zwar bedarf dieses Fassende einer Herstellung. Aber die Hergestelltheit durch den Töpfer macht keineswegs dasjenige aus, was dem Krug eignet, insofern er als Krug ist. Der Krug ist nicht Gefäß, weil er hergestellt wurde, sondern der Krug mußte hergestellt werden, weil er dieses Gefäß ist. Die Herstellung läßt freilich den Krug in sein Eigenes eingehen. Allein dieses Eigene des Krugwesens wird niemals durch die Herstellung verfertigt. Losgelöst aus der Verfertigung, hat der für sich stehende Krug sich darein versammelt zu fassen. Beim Vorgang des Herstellens muß der Krug allerdings zuvor sein Aussehen für den Hersteller zeigen. Aber dieses Sichzeigende, das Aussehen (das ekdow, die ÆideÂa), kennzeichnet den Krug lediglich nach der Hinsicht, in der das Gefäß als Herzustellendes dem Hersteller entgegensteht. Was jedoch das so aussehende Gefäß als dieser Krug, was und wie der Krug als dieses Krug-Ding ist, läßt sich durch
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die Hinsicht auf das Aussehen, die ÆideÂa, niemals erfahren, geschweige denn sachgemäß denken. Darum hat Platon, der die Anwesenheit des Anwesenden vom Aussehen her vorstellt, das Wesen des Dinges so wenig gedacht wie Aristoteles und alle nachkommenden Denker. Platon hat vielmehr, und zwar maßgebend für die Folgezeit, alles Anwesende als Gegenstand des Herstellens erfahren. Wir sagen statt Gegenstand genauer: Herstand. Im vollen Wesen des Her-Standes waltet ein zwiefaches Her-Stehen; einmal das Her-Stehen im Sinne des Herstammens aus …, sei dies ein Sichhervorbringen oder ein Hergestelltwerden; zum andern das Her-Stehen im Sinne des Hereinstehens des Hervorgebrachten in die Unverborgenheit des schon Anwesenden. Alles Vorstellen des Anwesenden im Sinne des Herständigen und des Gegenständigen gelangt jedoch nie zum Ding als Ding. Das Dinghafte des Kruges beruht darin, daß er als Gefäß ist. Wir gewahren das Fassende des Gefäßes, wenn wir den Krug füllen. Boden und Wandung des Kruges übernehmen offenbar das Fassen. Doch gemach! Gießen wir, wenn wir den Krug mit Wein füllen, den Wein in die Wandung und in den Boden? Wir gießen den Wein höchstens zwischen die Wandung auf den Boden. Wandung und Boden sind wohl das Undurchlässige am Gefäß. Allein, das Undurchlässige ist noch nicht das Fassende. Wenn wir den Krug vollgießen, fließt der Guß beim Füllen in den leeren Krug. Die Leere ist das Fassende des Gefäßes. Die Leere, dieses Nichts am Krug, ist das, was der Krug als das fassende Gefäß ist. Allein, der Krug besteht doch aus Wand und Boden. Durch das, woraus der Krug besteht, steht er. Was wäre ein Krug, der nicht stünde? Zum mindesten ein mißratener Krug; also immer noch Krug, nämlich ein solcher, der zwar
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faßte, jedoch als ständig umfallender das Gefaßte auslaufen ließe. Doch auslaufen kann nur ein Gefäß. Wand und Boden, woraus der Krug besteht und wodurch er steht, sind nicht das eigentlich Fassende. Wenn dies aber in der Leere des Kruges beruht, dann verfertigt der Töpfer, der auf der Drehscheibe Wand und Boden bildet, nicht eigentlich den Krug. Er gestaltet nur den Ton. Nein – er gestaltet die Leere. Für sie, in sie und aus ihr bildet er den Ton ins Gebild. Der Töpfer faßt zuerst und stets das Unfaßliche der Leere und stellt sie als das Fassende in die Gestalt des Gefäßes her. Die Leere des Kruges bestimmt jeden Griff des Herstellens. Das Dinghafte des Gefäßes beruht keineswegs im Stoff, daraus es besteht, sondern in der Leere, die faßt. Allein, ist der Krug wirklich leer? Die physikalische Wissenschaft versichert uns, der Krug sei mit Luft angefüllt und mit alldem, was das Gemisch der Luft aus macht. Wir ließen uns durch eine halbpoetische Betrachtungsweise täuschen, als wir uns auf die Leere des Kruges beriefen, um das Fassende an ihm zu bestimmen. Sobald wir uns jedoch herbeilassen, den wirklichen Krug wissenschaftlich auf seine Wirklichkeit hin zu untersuchen, zeigt sich ein anderer Sachverhalt. Wenn wir den Wein in den Krug gießen, wird lediglich die Luft, die den Krug schon füllt, verdrängt und durch eine Flüssigkeit ersetzt. Den Krug füllen, heißt, wissenschaftlich gesehen, eine Füllung gegen eine andere auswechseln. Diese Angaben der Physik sind richtig. Die Wissenschaft stellt durch sie etwas Wirkliches vor, wonach sie sich objektiv richtet. Aber – ist dieses Wirkliche der Krug? Nein. Die Wissenschaft trifft immer nur auf das, was ihre Art des Vorstellens im Vorhinein als den für sie möglichen Gegenstand zugelassen hat.
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Man sagt, das Wissen der Wissenschaft sei zwingend. Gewiß. Doch worin besteht ihr Zwingendes? Für unseren Fall in dem Zwang, den mit Wein gefüllten Krug preiszugeben und an seine Stelle einen Hohlraum zu setzen, in dem sich Flüssigkeit ausbreitet. Die Wissenschaft macht das Krug-Ding zu etwas Nichtigem, insofern sie Dinge als das maßgebende Wirkliche nicht zuläßt. Das in seinem Bezirk, dem der Gegenstände, zwingende Wissen der Wissenschaft hat die Dinge als Dinge schon vernichtet, längst bevor die Atombombe explodierte. Deren Explosion ist nur die gröbste aller groben Bestätigungen der langher schon geschehenen Vernichtung des Dinges: dessen, daß das Ding als Ding nichtig bleibt. Die Dingheit des Dinges bleibt verborgen, vergessen. Das Wesen des Dinges kommt nie zum Vorschein, das heißt zur Sprache. Dies meint die Rede von der Vernichtung des Dinges als Ding. Die Vernichtung ist deshalb so unheimlich, weil sie eine zwiefache Verblendung vor sich her trägt: einmal die Meinung, daß die Wissenschaft allem übrigen Erfahren vor aus das Wirkliche in seiner Wirklichkeit treffe, zum andern den Anschein, als ob, unbeschadet der wissenschaftlichen Erforschung des Wirklichen, die Dinge gleichwohl Dinge sein könnten, was voraussetzte, daß sie überhaupt je schon wesende Dinge waren. Hätten aber die Dinge sich je schon als Dinge in ihrer Dingheit gezeigt, dann wäre die Dingheit des Dinges offenbar geworden. Sie hätte das Denken in den Anspruch genommen. In Wahrheit bleibt jedoch das Ding als Ding verwehrt, nichtig und in solchem Sinne vernichtet. Dies geschah und geschieht so wesentlich, daß die Dinge nicht nur nicht mehr als Dinge zugelassen sind, sondern daß die Dinge überhaupt noch nie als Dinge dem Denken zu erscheinen vermochten. Worauf beruht das Nichterscheinen des Dinges als
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Ding? Hat lediglich der Mensch es versäumt, das Ding als Ding vorzustellen? Der Mensch kann nur das versäumen, was ihm bereits zugewiesen ist. Vorstellen kann der Mensch, gleichviel in welcher Weise, nur solches, was erst zuvor von sich her sich gelichtet und in seinem dabei mitgebrachten Licht sich ihm gezeigt hat. Was ist nun aber das Ding als Ding, daß sein Wesen noch nie zu erscheinen vermochte? Kam das Ding noch nie genug in die Nähe, so daß der Mensch noch nicht hinreichend auf das Ding als Ding achten lernte? Was ist Nähe? Dies frugen wir schon. Wir befrugen, um es zu erfahren, den Krug in der Nähe. Worin beruht das Krughafte des Kruges? Wir haben es plötzlich aus dem Blick verloren und zwar in dem Augenblick, da sich der Anschein vordrängte, die Wissenschaft könne uns über die Wirklichkeit des wirklichen Kruges einen Aufschluß geben. Wir stellten das Wirkende des Gefäßes, sein Fassendes, die Leere, als einen mit Luft gefüllten Hohlraum vor. Das ist die Leere wirklich, physikalisch gedacht: aber es ist nicht die Leere des Kruges. Wir ließen die Leere des Kruges nicht seine Leere sein. Wir achteten dessen nicht, was am Gefäß das Fassende ist. Wir bedachten nicht, wie das Fassen selber west. Darum mußte uns auch das entgehen, was der Krug faßt. Der Wein wurde für das wissenschaftliche Vorstellen zur bloßen Flüssigkeit, diese zu einem allgemeinen, überall möglichen Aggregatzustand der Stoffe. Wir unterließen es, dem nachzudenken, was der Krug faßt und wie er faßt. Wie faßt die Leere des Kruges? Sie faßt, indem sie, was eingegossen wird, nimmt. Sie faßt, indem sie das Aufgenommene behält. Die Leere faßt in zwiefacher Weise: nehmend und behaltend. Das Wort »fassen« ist darum zweideutig. Das Nehmen von Einguß und das Einbehalten des
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Gusses gehören jedoch zusammen. Ihre Einheit aber wird vom Ausgießen her bestimmt, worauf der Krug als Krug abgestimmt ist. Das zwiefache Fassen der Leere beruht im Ausgießen. Als dieses ist das Fassen eigentlich, wie es ist. Ausgießen aus dem Krug ist schenken. Im Schenken des Gusses west das Fassen des Gefäßes. Das Fassen bedarf der Leere als des Fassenden. Das Wesen der fassenden Leere ist in das Schenken versammelt. Schenken aber ist reicher als das bloße Ausschenken. Das Schenken, worin der Krug Krug ist, versammelt sich in das zwiefache Fassen und zwar in das Ausgießen. Wir nennen die Versammlung der Berge das Gebirge. Wir nennen die Versammlung des zwiefachen Fassens in das Ausgießen, die als Zusammen erst das volle Wesen des Schenkens ausmacht: das Geschenk. Das Krughafte des Kruges west im Geschenk des Gusses. Auch der leere Krug behält sein Wesen aus dem Geschenk, wenngleich der leere Krug ein Ausschenken nicht zuläßt. Aber dieses Nichtzulassen eignet dem Krug und nur dem Krug. Eine Sense dagegen oder ein Hammer sind unvermögend zu einem Nichtzulassen dieses Schenkens. Das Geschenk des Gusses kann ein Trunk sein. Er gibt Wasser, er gibt Wein zu trinken. Im Wasser des Geschenkes weilt die Quelle. In der Quelle weilt das Gestein, in ihm der dunkle Schlummer der Erde, die Regen und Tau des Himmels empfängt. Im Wasser der Quelle weilt die Hochzeit von Himmel und Erde. Sie weilt im Wein, den die Frucht des Rebstocks gibt, in der das Nährende der Erde und die Sonne des Himmels einander zugetraut sind. Im Geschenk von Wasser, im Geschenk von Wein weilen jeweils Himmel und Erde. Das Geschenk des Gusses aber ist das Krughafte des Kruges. Im Wesen des Kruges weilen Erde und Himmel.
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Das Geschenk des Gusses ist der Trunk für die Sterblichen. Er labt ihren Durst. Er erquickt ihre Muße. Er erheitert ihre Geselligkeit. Aber das Geschenk des Kruges wird bisweilen auch zur Weihe geschenkt. Ist der Guß zur Weihe, dann stillt er nicht einen Durst. Er stillt die Feier des Festes ins Hohe. Jetzt wird das Geschenk des Gusses weder in einer Schenke geschenkt, noch ist das Geschenk ein Trunk für die Sterblichen. Der Guß ist der den unsterblichen Göttern gespendete Trank. Das Geschenk des Gusses als Trank ist das eigentliche Geschenk. Im Schenken des geweihten Trankes west der gießende Krug als das schenkende Geschenk. Der geweihte Trank ist das, was das Wort »Guß« eigentlich nennt: Spende und Opfer. »Guß«, »gießen« lautet griechisch: xeÂein, indogermanisch: ghu. Das bedeutet: opfern. Gießen ist, wo es wesentlich vollbracht, zureichend gedacht und echt gesagt wird: spenden, opfern und deshalb schenken. Darum allein kann das Gießen, sobald sein Wesen verkümmert, zum bloßen Ein- und Ausschenken werden, bis es schließlich im gewöhnlichen Ausschank verwest. Gießen ist nicht das bloße Ein- und Ausschütten. Im Geschenk des Gusses, der ein Trunk ist, weilen nach ihrer Weise die Sterblichen. Im Geschenk des Gusses, der ein Trank ist, weilen nach ihrer Weise die Göttlichen, die das Geschenk des Schenkens als das Geschenk der Spende zurückempfangen. Im Geschenk des Gusses weilen je verschieden die Sterblichen und die Göttlichen. Im Geschenk des Gusses weilen Erde und Himmel. Im Geschenk des Gusses weilen zumal Erde und Him mel, die Göttlichen und die Sterblichen. Diese Vier gehören, von sich her einig, zusammen. Sie sind, allem Anwesenden zuvorkommend, in ein einziges Geviert eingefaltet.
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Ima Geschenk des Gusses weilt die Einfalt der Vier. Das Geschenk des Gusses ist Geschenk, insofern es Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen verweiltb. Doch Verweilen ist jetzt nicht mehr das bloße Beharren eines Vorhandenen. Verweilen ereignet. Es bringt die Vier in das Lichte ihres Eigenen. Aus dessen Einfalt sind sie einander zugetraut. In diesem Zueinander einig, sind sie unverborgen. Das Geschenk des Gusses verweilt die Einfalt des Gevierts der Vier. Im Geschenk aber west der Krug als Krug. Das Geschenk versammelt, was zum Schenken gehört: das zwiefache Fassen, das Fassende, die Leere und das Ausgießen als Spenden. Das im Geschenk Versammelte sammelt sich selbst darin, das Geviert ereignend zu verweilen. Dieses vielfältig einfache Versammeln ist das Wesende des Kruges. Unsere Sprache nennt, was Versammlung ist, in einem alten Wort. Dies lautet: thing. Das Wesen des Kruges ist die reine schenkende Versammlung des einfältigen Gevierts in eine Weile. Der Krug west als Ding. Der Krug ist der Krug als ein Ding. Wie aber west das Ding? Das Ding dingt. Das Dingen versammelt. Es sammelt, das Geviert ereignendc, dessen Weile in ein je Weiliges: in dieses, in jenes Ding. Wir geben dem so erfahrenen und gedachten Wesen des Kruges den Namen Ding. Wir denken jetzt diesen Namen aus dem gedachten Wesen des Dinges, aus dem Dingen als dem versammelnd-ereignenden Verweilen des Gevierts. Wir erinnern jedoch dabei zugleich an das althochdeutsche Wort thing. Dieser sprachgeschichtliche Hinweis verführt leicht dazu, die Art, wie wir jetzt das Wesen des Dinges a b c
[1954] 〈Im〉 [1954] in das Verweilen bringen [1954] 〈das Geviert ereignend〉
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denken, mißzuverstehen. Es könnte so aussehen, als werde das jetzt gedachte Wesen des Dinges aus der zufällig aufgegriffenen Wortbedeutung des althochdeutschen Namens thing gleichsam herausgedröselt. Der Ver dacht regt sich, die jetzt versuchte Erfahrung des Wesens des Dinges sei auf die Willkür einer etymologischen Spielerei gegründet. Die Meinung verfestigt sich und wird schon landläufig, hier werde, statt die Wesensverhalte zu bedenken, lediglich das Wörterbuch benützt. Doch das Gegenteil solcher Befürchtungen ist der Fall. Wohl bedeutet das althochdeutsche Wort thing die Versammlung, und zwar die Versammlung zur Verhandlung einer in Rede stehenden Angelegenheit, eines Streitfalles. Demzufolge werden die alten deutschen Wörter thing und dinc zu den Namen für Angelegenheit; sie nennen jegliches, was den Menschen in irgendeiner Weise anliegt, sie angeht, was demgemäß in Rede steht. Das in Rede Stehende nennen die Römer res; eiÍrv (rëhtoÂw, rëhÂtra, rëgma) heißt griechisch: über etwas reden, darüber verhandeln; res publica heißt nicht: der Staat, sondern das, was jeden im Volke offenkundig angeht, ihn »hat« und darum öffentlich verhandelt wird. Nur deshalb, weil res das Angehende bedeutet, kann es zu den Wortverbindungen res adversae, res secundae kommen; jenes ist das, was den Menschen in widriger Weise angeht; dieses, was den Menschen günstig geleitet. Die Wörterbücher übersetzen res adversae zwar richtig mit Unglück, res secundae mit Glück; von dem jedoch, was die Wörter, als gedachte gesprochen, sagen, berichten die Wörterbücher wenig. In Wahrheit steht es darum hier und in den übrigen Fällen nicht so, daß unser Denken von der Etymologie lebt, sondern daß die Etymologie darauf verwiesen bleibt, zuvor die Wesensverhalte des-
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sen zu bedenken, was die Wörter als Worte unentfaltet nennen. Das römische Wort res nennt das, was den Menschen angeht, die Angelegenheit, den Streitfall, den Fall. Dafür gebrauchen die Römer auch das Wort causa. Das heißt eigentlich und zuerst keineswegs »Ursache«; causa meint den Fall und deshalb auch solches, was der Fall ist, daß sich etwas begibt und fällig wird. Nur weil causa, fast gleichbedeutend mit res, den Fall bedeutet, kann in der Folge das Wort causa zur Bedeutung von Ursache gelangen, im Sinne der Kausalität einer Wirkung. Das altdeutsche Wort thing und dinc ist mit seiner Bedeutung von Versammlung, nämlich zur Verhandlung einer Angelegenheit, wie kein anderes dazu geeignet, das römische Wort res, das Angehende, sachgemäß zu übersetzen. Aus demjenigen Wort der römischen Sprache aber, das innerhalb ihrer dem Wort res entspricht, aus dem Wort causa in der Bedeutung von Fall und Angelegenheit, wird das romanische la cosa und das französische la chose; wir sagen: das Ding. Im Englischen hat thing noch die erfüllte Nennkraft des römischen Wortes res bewahrt: he knows his things, er versteht sich auf seine »Sachen«, auf das, was ihn angeht; he knows how to handle things, er weiß, wie man mit Sachen umgehen muß, d. h. mit dem, worum es sich von Fall zu Fall handelt; that’s a great thing: das ist eine große (feine, gewaltige, herrliche) Sache, d. h. ein aus sich Kommendes, den Menschen Angehendes. Allein, das Entscheidende ist nun keineswegs die hier kurz erwähnte Bedeutungsgeschichte der Wörter res, Ding, causa, cosa und chose, thing, sondern etwas ganz anderes und bisher überhaupt noch nicht Bedachtes. Das römische Wort res nennt das, was den Menschen in irgend einer Weise angeht. Das Angehende ist das Reale der res.
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Die realitas der res wird römisch erfahren als der Angang. Aber: die Römer haben ihr so Erfahrenes niemals eigens in seinem Wesen gedacht. Vielmehr wird die römische realitas der res aus der Übernahme der spätgriechischen Philosophie im Sinne des griechischen oÍn vorgestellt; oÍn, lateinisch ens, bedeutet das Anwesende im Sinne des Herstandes. Die res wird zum ens, zum Anwesenden im Sinne des Her- und Vorgestellten. Die eigentümliche realitas der ursprünglich römisch erfahrenen res, der Angang, bleibt als Wesen des Anwesenden verschüttet. Umgekehrt dient der Name res in der Folge zeit, insbesondere im Mittelalter, zur Bezeichnung jedes ens qua ens, d. h. jedes irgendwie Anwesenden, auch wenn es nur im Vorstellen hersteht und anwest wie das ens rationis. Das Gleiche wie mit dem Wort res geschieht mit dem entsprechenden Namen dinc; denn dinc heißt jegliches, was irgendwie ist. Demgemäß gebraucht der Meister Eckhart das Wort dinc sowohl für Gott als auch für die Seele. Gott ist ihm das »hoechste und oberste dinc«. Die Seele ist ein »groz dinc«. Damit will dieser Meister des Denkens keineswegs sagen, Gott und die Seele seien dergleichen wie ein Felsblock: ein stofflicher Gegenstand; dinc ist hier der vorsichtige und enthaltsame Name für etwas, das überhaupt ist. So sagt der Meister Eckhart nach einem Wort des Dionysius Areopagita: diu minne ist der natur, daz si den menschen wandelt in die dinc, die er minnet. Weil das Wort Ding im Sprachgebrauch der abendländischen Metaphysik das nennt, was überhaupt und irgendwie etwas ist, deshalb ändert sich die Bedeutung des Namens »Ding« entsprechend der Auslegung dessen, was ist, das heißt des Seienden. Kant spricht in der gleichen Weise wie der Meister Eckhart von den Dingen und meint mit diesem Namen etwas, das ist. Aber für Kant wird das, was
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ist, zum Gegenstand des Vorstellens, das im Selbstbewußtsein des menschlichen Ich abläuft. Das Ding an sich bedeutet für Kant: der Gegenstand an sich. Der Charakter des »An-sich« besagt für Kant, daß der Gegenstand an sich Gegenstand ist ohne die Beziehung auf das menschliche Vorstellen, das heißt ohne das »Gegen«, wodurch er für dieses Vorstellen allererst steht. »Ding an sich« bedeutet, streng kantisch gedacht, einen Gegenstand, der für uns keiner ist, weil er stehen soll ohne ein mögliches Gegen: für das menschliche Vorstellen, das ihm entgegnet. Weder die längst vernutzte allgemeine Bedeutung des in der Philosophie gebrauchten Namens »Ding«, noch die althochdeutsche Bedeutung des Wortes »thing« helfen uns aber das geringste in der Notlage, die Wesensherkunft dessen zu erfahren und hinreichend zu denken, was wir jetzt vom Wesen des Kruges sagen. Wohl dagegen trifft zu, daß ein Bedeutungsmoment aus dem alten Sprachgebrauch des Wortes thing, nämlich »versammeln«, auf das zuvor gedachte Wesen des Kruges anspricht. Der Krug ist ein Ding weder im Sinne der römisch gemeinten res, noch im Sinne des mittelalterlich vorgestellten ens, noch gar im Sinne des neuzeitlich vorgestellten Gegenstandes. Der Krug ist Ding, insofern er dingt. Aus dem Dingen des Dinges ereignet sich und bestimmt sich auch erst das Anwesen des Anwesenden von der Art des Kruges. Heute ist alles Anwesende gleich nah und gleich fern. Das Abstandlose herrscht. Alles Verkürzen und Beseitigen der Entfernungen bringt jedoch keine Nähe. Was ist die Nähe? Um das Wesen der Nähe zu finden, bedachten wir den Krug in der Nähe. Wir suchten das Wesen der Nähe und fanden das Wesen des Kruges als Ding. Aber in diesem Fund gewahren wir zugleich das Wesen der Nähe. Das
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Ding dingt. Dingend verweilt es Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen; verweilend bringt das Ding die Vier in ihren Fernen einander nahe. Dieses Nahebringen ist das Nähern. Nähern ist das Wesen der Nähe. Nähe nähert das Ferne und zwar als das Ferne. Nähe wahrt die Ferne. Ferne wahrend, west die Nähe in ihrem Nähern. Solchermaßen nähernd, verbirgt die Nähe sich selber und bleibt nach ihrer Weise am nächsten. Das Ding ist nicht »in« der Nähe, als sei diese ein Behälter. Nähe waltet im Nähern als das Dingen des Dinges. Dingend verweilt das Ding die einigen Vier, Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen, in der Einfalt ihres aus sich her einigen Gevierts. Die Erde ist die bauend Tragende, die nährend Fruchtende, hegend Gewässer und Gestein, Gewächs und Getier. Sagen wir Erde, dann denken wir schon die anderen Drei mit aus der Einfalt der Vier. Der Himmel ist der Sonnengang, der Mondlauf, der Glanz der Gestirne, die Zeiten des Jahres, Licht und Dämmer des Tages, Dunkel und Helle der Nacht, die Gunst und das Unwirtliche der Wetter, Wolkenzug und blauende Tiefe des Äthers. Sagen wir Himmel, dann denken wir schon die anderen Drei mit aus der Einfalt der Vier. Die Göttlichen sind die winkenden Boten der Gottheit. Aus dem verborgenen Walten dieser erscheint der Gott in sein Wesen, das ihn jedem Vergleich mit dem Anwesenden entzieht. Nennen wir die Göttlichen, dann denken wir die anderen Drei mit aus der Einfalt der Vier. Die Sterblichen sind die Menschen. Sie heißen die Sterblichen, weil sie sterben können. Sterben heißt: den Tod als Tod vermögen. Nur der Mensch stirbt. Das Tier verendet.
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Es hat den Tod als Tod weder vor sich noch hinter sich. Der Tod ist der Schrein des Nichts, dessen nämlich, was in aller Hinsicht niemals etwas bloß Seiendes ist, was aber gleichwohl west, sogar als das Geheimnis des Seins selbst. Der Tod birgt als der Schrein des Nichts das Wesende des Seins in sich. Der Tod ist als der Schrein des Nichts das Gebirg des Seins. Die Sterblichen nennen wir jetzt die Sterblichen – nicht, weil ihr irdisches Leben endet, sondern weil sie den Tod als Tod vermögen. Die Sterblichen sind, die sie sind, als die Sterblichen, wesend im Gebirg des Seins. Sie sind das wesende Verhältnis zum Sein als Sein. Die Metaphysik dagegen stellt den Menschen als animal, als Lebewesen vor. Auch wenn die ratio die animalitas durchwaltet, bleibt das Menschsein vom Leben und Erleben her bestimmt. Die vernünftigen Lebewesen müssen erst zu Sterblichen werden. Sagen wir: die Sterblichen, dann denken wir die anderen Drei mit aus der Einfalt der Vier. Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen gehören, von sich her zueinander einig, aus der Einfalt des einigen Gevierts zusammen. Jedes der Vier spiegelt in seiner Weise das Wesen der übrigen wider. Jedes spiegelt sich dabei nach seiner Weise in sein Eigenes innerhalb der Einfalt der Vier zurück. Dieses Spiegeln ist kein Darstellen eines Abbildes. Das Spiegeln ereigneta, jedes der Vier lichtend, deren eigenes Wesen in die einfältige Vereignung zueinander. Nach dieser ereignend-lichtenden Weise spiegelnd, spielt sich jedes der Vier jedem der übrigen zu. Das ereignende Spiegeln gibt jedes der Vier in sein Eigenes frei, bindet aber die Freien in die Einfalt ihres wesenhaften Zueinander. a
[1954] 〈ereignet〉*
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Das ins Freie bindende Spiegeln ist das Spiel, das jedes der Vier jedem zutraut aus dem faltenden Halt der Vereignung. Keines der Vier versteift sich auf sein gesondertes Besonderes. Jedes der Vier ist innerhalb ihrer Vereignung vielmehr zu einem Eigenen enteignet. Dieses enteignende Vereignen ist das Spiegel-Spiel des Gevierts. Aus ihm ist die Einfalt der Vier getraut. Wir nennen das ereignendea Spiegel-Spiel der Einfalt von Erde und Himmel, Göttlichen und Sterblichen die Welt. Welt west, indem sie weltet. Dies sagt: das Welten von Welt ist weder durch anderes erklärbar noch aus anderem ergründbar. Dies Unmögliche liegt nicht daran, daß unser menschliches Denken zu solchem Erklären und Begründen unfähig ist. Vielmehr beruht das Unerklärbare und Unbegründbare des Weltens von Welt darin, daß so etwas wie Ursachen und Gründe dem Welten von Welt ungemäß bleiben. Sobald menschliches Erkennen hier ein Erklären verlangt, übersteigt es nicht das Wesen von Welt, sondern es fällt unter das Wesen von Welt herab. Das menschliche Erklärenwollen langt überhaupt nicht in das Einfache der Einfalt des Weltens hin. Die einigen Vierb sind in ihrem Wesen schon erstickt, wenn man sie nur als vereinzeltes Wirkliches vorstellt, das durch einander begründet und aus einander erklärt werden soll.* Die Einheit des Gevierts ist die Vierung. Doch die Vierung macht sich keineswegs so, daß sie die Vier umfaßt und als dieses Umfassende erst nachträglich zu ihnen dazukommt. Die Vierung erschöpft sich ebensowenig darin, daß die Vier, nun einmal vorhanden, lediglich beieinander stehen. a b
[1954] 〈ereignende〉 [1954] 〈Die einigen Vier〉
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Die Vierung west als das ereignende Spiegel-Spiel der einfältig einander Zugetrauten. Die Vierung west als das Welten von Welt. Das Spiegel-Spiel von Welt ist der Reigen des Ereignensa. Deshalb umgreift der Reigen auch die Vier nicht erst wie ein Reif. Der Reigen ist der Ring, der ringt, fügend waltet*, indem er als das Spiegeln spielt. Ereignend lichtet er die Vier in den Glanz ihrer Einfalt. Erglänzend vereignet der Ring die Vier überallhin offen in das Rätsel ihres Wesens. Das gesammelte Wesen des also ringenden Spiegel-Spiels der Welt ist das Geringb. Im Geringc des spiegelnd-spielenden Rings** schmiegen sich die Vier in ihr einiges und dennoch je eigenes Wesen. Also schmiegsam fügen sie fügsam weltend die Welt. Schmiegsam, schmiedbar, geschmeidig, fügsam, leicht heißt in unserer alten deutschen Sprache »ring« und »gering«d. Das Spiegel-Spiel der weltenden Welt entringte als das Gering des Ringes die einigen Vier in das eigene Fügsame, das Ringe ihres Wesens. Aus dem Spiegel-Spiel des Gerings des Ringen ereignet sich das Dingen des Dinges. Das Ding verweiltf das Geviert. Das Ding dingt Welt. Jedes Ding verweilt das Geviert in ein je Weiliges aus*** Einfalt der Welt.
a b
c
d
e f
[1954] 〈Ereignens〉**** [1954] die Versammlung des einfaltenden Fügens des Zusammengehörens der Vier. [1954] was versammelt in das Ringende – das schließende Binden – das doch freigibt das Wahren des Offen[en] – Freien – [1954] 〈 fügsam, leicht heißt in unserer alten deutschen Sprache »ring« und »gering«〉 [1954] 〈entringt〉 befreit 181 ob[en] [1954] weilen ≠ bloß währen – sondern – weg[?]gehend***** anwesen
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Wenn wir das Ding in seinem Dingen aus der weltenden Welt wesen lassen, denken wir an das Ding als das Ding. Dergestalt andenkend, lassen wir uns vom weltenden Wesen des Dinges angehen. So denkend sind wir vom Ding als dem Ding gerufen. Wir sind – im strengen Sinne des Wortes – die Be-Dingten. Wir haben die Anmaßung alles Unbedingten hinter uns gelassen. Denken wir das Ding als Ding, dann schonen wir das Wesen des Dinges in den Bereich, aus dem es west. Dingen ist Näherna von Welt. Nähern ist das Wesen der Nähe. Insofern wir das Ding als das Ding schonen, bewohnen wir die Nähe. Das Nähern der Nähe ist die eigentliche und die einzige Dimension des Spiegel-Spiels der Welt. Das Ausbleiben der Nähe in allem Beseitigen der Entfernungen hat das Abstandlose zur Herrschaft gebracht. Im Ausbleiben der Nähe bleibt das Ding in dem gesagten Sinne als Ding vernichtet. Wann aber und wie sind Dinge als Dinge? So fragen wir inmitten der Herrschaft des Abstandlosen. Wann und wie kommen Dinge als Dinge? Sie kommen nicht durch die Machenschaft des Menschen. Sie kommen aber auch nicht ohne die Wachsamkeit der Sterblichen. Der erste Schritt zu solcher Wachsamkeit ist der Schritt zurück aus dem nur vorstellenden, d. h. erklärenden Denken in das andenkende Denken. Der Schritt zurück von einem Denken in das andere ist freilich kein bloßer Wechsel der Einstellung. Dergleichen kann er schon deshalb nie sein, weil alle Einstellungen samt den Weisen ihres Wechselns in den Bezirk des vorstellenden Denkens verhaftet bleiben. Der Schritt zurück verläßt allerdings den Bezirk des bloßen Sicheinstellens. Der a
[1954] worin die Einfalt der Welt weilt
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Schritt zurück nimmt seinen Aufenthalt in einem Entsprechen, das, im Weltwesen von diesem angesprochen, innerhalb seiner ihm antwortet. Für die Ankunft des Dinges als Ding vermag ein bloßer Wechsel der Einstellung nichts, wie denn auch all das, was jetzt als Gegenstand im Abstandlosen steht, sich niemals zu Dingen lediglich umstellen läßt. Nie auch kommen Dinge als Dinge dadurch, daß wir vor den Gegenständen nur ausweichen und vormalige alte Gegenstände er-innern, die vielleicht einmal unterwegs waren, Dinge zu werden und gar als Dinge anzuwesen. Was Ding wird, ereignet sich aus dem Gering des Spiegel-Spiels der Welt. Erst wenn, jäha vermutlich, Welt als Welt weltet, erglänzt der Ring, dem sich das Gering von Erde und Himmel, Göttlichen und Sterblichen in das Ringe* seiner Einfalt entringt.b c d Diesem Geringen gemäß ist das Dingen selbst geringe und das je weilige Ding ring, unscheinbar fügsam seinem Wesen. Ring ist das Ding: der Krug und die Bank, der Steg und der Pflug. Ding ist aber auch nach seiner Weise der Baum und der Teich, der Bach und der Berg. Dinge sind, je weilig in ihrer Weise dingend, Reiher und Reh, Pferd und Stier. Dinge sind, je weilig nach ihrer Weise dingend, Spiegel und Spange, Buch und Bild, Krone und Kreuz. Ring und gering aber sind die Dinge auch in der Zahl, gemessen an der Unzahl der überall gleich gültigen Gegena b c d
e
[1954] 〈 jäh〉 [1954] sich löst ins Freie [1954] 109 [?]** [1954] – das Gering: Sich fügen das Versammeln in das Sich befreien in das Zusammengehören der Vier*** [1954] sich im Unscheinbaren zurückhalten das Schlichte
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stände, gemessen am Unmaß des Massenhaften des Menschen als eines Lebewesens. Erst die Menschen als die Sterblichen erlangen wohnend die Welt als Welt. Nur was aus Welt gering, wird einmal Ding.
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Ein Brief an einen jungen Studenten Freiburg i. Br. den 18. Juni 1950 Lieber Herr Buchner! Ich danke Ihnen für Ihren Brief. Die Fragen sind wesentlich und die Argumentation richtig. Dennoch bleibt zu bedenken, ob sie schon an das Entscheidende gelangen. Sie fragen: woher empfängt (verkürzt gesprochen) das Denken des Seins die Weisung? Sie werden dabei »Sein« nicht als ein Objekt und das Denken nicht als bloße Tätigkeit eines Subjekts nehmen. Denken, wie es dem Vortrag (Das Ding) zugrunde liegt, ist kein bloßes Vorstellen eines Vorhandenen. »Sein« ist keineswegs identisch mit der Wirklichkeit oder mit dem gerade festgestellten Wirklichen. Sein ist auch keineswegs dem Nicht-mehr-sein und dem Noch-nicht-sein entgegengesetzt; diese beiden gehören selber zum Wesen des Seins. Solches ahnte sogar ein Stück weit schon die Metaphysik in ihrer allerdings kaum verstandenen Lehre von den Modalitäten, nach der zum Sein die Möglichkeit ebenso gehört wie die Wirklichkeit und die Notwendigkeit. Im Denken des Seins wird niemals nur ein Wirkliches vor-gestellt und dieses Vorgestellte als das Wahre ausgegeben. »Sein« denken heißt: dem Anspruch seines Wesens entsprechen. Das Entsprechen entstammt dem Anspruch und entläßt sich zu ihm. Das Entsprechen ist ein Zurücktreten vor dem Anspruch und dergestalt ein Eintreten in seine Sprache. Zum Anspruch des Seins gehört aber das früh enthüllte Gewesene (ÆAlhÂûeia, LoÂgow, FyÂsiw) ebenso
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wie die verhüllte Ankunft dessen, was sich in der möglichen Kehre der Vergessenheit des Seins (in die Wahrnis seines Wesens) ankündigt. Auf all dieses zumal muß das Ent sprechen aus langer Sammlung und in steter Prüfung des Gehörs achten, um einen Anspruch des Seins zu hören. Aber gerade dabei kann es sich verhören. Die Möglichkeit des Irrgangs ist bei diesem Denken die größte. Dieses Denken kann sich nie ausweisen wie das mathematische Wissen. Aber es ist ebensowenig Willkür, sondern gebunden in* das Wesensgeschick des Seins, selber jedoch nie verbindlich als Aussage, vielmehr nur möglicher Anlaßa, den Weg des Entsprechens zu gehen, und zwar zu gehen in der vollen Sammlung der Bedachtsamkeit auf das schon zur Sprache gekommene Sein. Der Fehl Gottes und des Göttlichen ist Abwesenheit. Allein, Abwesenheit ist nicht nichts, sondern sie ist die gerade erst anzueignende Anwesenheit der verborgenen Fülle des Gewesenen und so versammelt Wesenden,b des Göttlichen im Griechentum, im Prophetisch-Jüdischen, in der Predigt Jesu. Dieses Nicht-mehr ist in sich ein Noch-nicht der verhüllten Ankunft seines unausschöpfbaren Wesens. Wächterschaft des Seins kann, da Sein niemals das nur gerade Wirkliche ist, keineswegs gleichgesetzt werden mit der Funktion eines Wachtpostens, der die in einem Gebäude untergebrachten Schätze vor Einbrechern schützt. Wächterschaft des Seins starrt nicht auf das Vorhandene. In diesem, für sich genommen, ist nie ein Anspruch des Seins zu finden. Wächterschaft ist Wachsamkeit für das gewea
b
[1954] 〈nie verbindlich als Aussage, vielmehr nur möglicher Anlaß〉** [1954] verschiedene Weisen des Anwesens; auch das Anwesen im Abwesen – Ab – aus welcher Anwesenheit – ?
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send-kommende Geschick des Seins aus langer und sich stets erneuernder Bedachtsamkeit, die auf die Weisung achtet, wie Sein anspricht. Im Geschick des Seins gibt es nie ein bloßes Nacheinander: jetzt Gestell, dann Welt und Ding, sondern jeweils Vorbeigang und Gleichzeitigkeit des Frühen und Späten. In Hegels Phänomenologie des Geistes west die ÆAlhÂûeia an, wenngleich verwandelt. Das Denken des Seins ist als Entsprechen eine sehr irrige und dazu eine sehr dürftige Sache. Das Denken ist vielleicht doch ein unumgänglicher Weg, der kein Heilsweg sein will und keine neue Weisheit bringt. Der Weg ist höchstens ein Feldweg, ein Weg über Feld, der nicht nur vom Verzicht redet, sondern schon verzichtet hat, nämlich auf den Anspruch einer verbindlichen Lehre und einer gültigen Kulturleistung oder einer Tat des Geistes. Alles liegt an dem sehr irrevollen Schritt zurücka in das Bedenken, das auf die im Geschick des Seins sich vorzeichnende Kehre der Vergessenheit des Seins achtet.* Der Schritt zurück aus dem vorstellenden Denkenb der Metaphysik verwirft dieses Denken nicht, aber er** öffnet die Ferne zum Anspruch der Wahr-heit des Seins, in der das Entsprechen steht und geht. Öfter schon begegnete es mir, und zwar gerade bei nahestehenden Menschen, daß man sehr gern und aufmerksam auf die Darstellung des Krugwesens hört, daß man aber sofort die Ohren verschließt, wenn von Gegenständlichkeit, Herstand und Herkunft der Hergestelltheit, wenn vom Gestell die Rede ist. Aber all dieses gehört notwendig mit zum Denken des Dinges, welches Denken an die mögliche Ankunft von Welt denkt und, also andenkend, viela b
[1954] 〈Alles liegt an dem sehr irrevollen Schritt zurück〉 [1954] 〈Der Schritt zurück aus dem vorstellenden Denken〉
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leicht im Allergeringsten und Unscheinbaren dazu hilft, daß solche Ankunft bis in den geöffneten Bereich des Menschenwesens gelangt. Zu den seltsamen Erfahrungen, die ich mit meinem Vortrag mache, gehört auch die, daß man mein Denken danach befragt, woher es seine Weisung empfange, gleich als ob diese Frage nur gegenüber diesem Denken nötig sei. Dagegen läßt sich niemand einfallen zu fragen: woher hat Platon die Weisung, das Sein als ÆideÂa zu denken, woher hat Kant die Weisung, das Sein als das Transzendentale der Gegenständlichkeit, als Positiona (Gesetztheit) zu denken? Aber vielleicht läßt sich eines Tages die Antwort auf diese Fragen gerade denjenigen Denkversuchen entnehmen, die wie die meinen sich als gesetzlose Willkür ausnehmen. Ich kann Ihnen, was Sie auch nicht verlangen, keine Ausweiskarte liefern, mit deren Hilfe das von mir Gesagte als mit »der Wirklichkeit« übereinstimmend jederzeit bequem ausgewiesen werden könnte. Alles ist hier Weg des prüfend hörenden Entsprechens. Weg ist immer in der Gefahr, Irrweg zu werden. Solche Wege zu gehen, verlangt Übung im Gang. Übung braucht Handwerk. Bleiben Sie in der echten Not auf dem Weg und lernen Sie un-ent-wegt, jedoch beirrt, das Handwerk des Denkens. Mit einem freundschaftlichen Gruß.
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[1954] 〈Position〉
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»… DICHTERISCH WOHNET DER MENSCH …«
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as Wort ist einem späten und eigentümlich überlieferten Gedicht Hölderlins entnommen. Es beginnt: »In lieblicher Bläue blühet mit dem metallenen Dache der Kirchturm …« (Stuttg. Ausg. 2, 1 S. 372 ff.*; Hellingrath VI, S. 24 ff.**) Damit wir das Wort »… dichterisch wohnet der Mensch …« recht hören, müssen wir es bedachtsam dem Gedicht zurückgeben. Darum bedenken wir das Wort. Wir klären die Bedenken, die es sogleich*** erweckt. Denn sonst fehlt uns die freie Bereitschaft, dem Wort dadurch zu antworten, daß wir ihm folgen. »… dichterisch wohnet der Mensch …« Daß Dichter bisweilen dichterisch wohnen, ließe sich zur Not vorstellen. Wie soll jedoch »der Mensch«, dies meint: jeder Mensch als Mensch**** und ständig dichterisch wohnen? Bleibt nicht alles Wohnen unverträglich mit dem Dichterischen? Unser Wohnen ist von der Wohnungsnot bedrängt. Selbst wenn es anders wäre, unser heutiges Wohnen ist gehetzt durch die Arbeit, unstet durch die Jagd nach Vorteil und Erfolg, behext durch den Vergnügungs- und Erholungsbetrieb. Wo aber im heutigen Wohnen noch Raum bleibt für das Dichterische und abgesparte Zeit, vollzieht sich, wenn es hoch kommt, eine Beschäftigung mit dem Schöngeistigen, sei dieses geschrieben oder gesendet. Die Poesie wird entweder als ein verspieltes Schmachten und Verflattern ins Unwirkliche verleugnet und als Flucht in die Idylle verneint, oder
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»… DICHTERISCH WOHNET DER MENSCH …«
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man rechnet die Dichtung zur Literatur. Deren Geltung wird mit dem Maßstab der jeweiligen Aktualität abgeschätzt.a Das Aktuelle seinerseits ist durch die Organe der öffentlichen zivilisatorischen Meinungsbildung gemacht und gelenkt. Einer ihrer Funktionäre, das heißt Antreiber und Getriebener zugleich, ist der literarische Betrieb. Dichtung kann so nicht anders erscheinen denn als Literatur. Wo sie gar bildungsmäßig und wissenschaftlich betrachtet wird, ist sie Gegenstand der Literarhistorie.b Abendländische Dichtung läuft unter dem Gesamttitel »Europäische Literatur«.* Wenn nun aber die Dichtung zum voraus ihre einzige Existenzform im Literarischen hat, wie soll da menschliches Wohnen auf das Dichterische gegründet werden? Das Wort, der Mensch wohne dichterisch, stammt denn auch nur von einem Dichter und zwar von jenem, der, wie man hört, mit dem Leben nicht fertig wurde. Die Art der Dichter ist es, das Wirkliche zu übersehen. Statt zu wirken, träumen sie. Was sie machen, ist nur eingebildet. Einbildungen sind lediglich gemacht. Mache heißt griechisch PoiÂhsiw. Das Wohnen des Menschen soll Poesie und poetisch sein? Dies kann doch nur annehmen, wer abseits vom Wirklichen steht und nicht sehen will, in welchem Zustand das heutige geschichtlich-gesellschaftliche Leben der Menschen – die Soziologen nennen es das Kollektivc – sich befindet. Doch ehe wir in so grober Weise Wohnen und Dichten für unvereinbar erklären, mag es gut sein, nüchtern auf das a
b c
[1954] Dichter als Schriftsteller, diese »Literaturprodu[zen]ten« [?]** [1954] Poetologie: Literatur und Reflexion – [1954] die Industriegesellschaft
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Wort des Dichters zu achten. Es spricht vom Wohnen des Menschen. Es beschreibt nicht Zustände des heutigen Wohnens. Es behauptet vor allem nicht, Wohnen bedeute das Innehaben einer Wohnung. Es sagt auch nicht, das Dichterische erschöpfe sich im unwirklichen Spiel der poetischen Einbildungskraft. Wer also unter den Nachdenklichen möchte sich dann anmaßen, bedenkenlos und von einer etwas fragwürdigen Höhe herab zu erklären, das Wohnen und das Dichterische seien unverträglich? Vielleicht vertragen sich beide. Mehr noch. Vielleicht trägt sogar das eine das andere, so nämlich, daß dieses, das Wohnen, in jenem, dem Dichterischen, beruht. Wenn wir freilich solches vermuten, dann ist uns zugemutet, das Wohnen und das Dichten aus ihrem Wesen zu denken. Sperren wir uns gegen diese Zumutunga nicht, dann denken wir das, was man sonst die Existenz des Menschen nennt, aus dem Wohnen. Damit lassen wir allerdings die gewöhnliche Vorstellung vom Wohnen fahren. Nach ihr bleibt das Wohnen nur eine Verhaltungsweise des Menschen neben vielen anderen. Wir arbeiten in der Stadt, wohnen jedoch außerhalb. Wir sind auf einer Reise und wohnen dabei bald hier, bald dort. Das so gemeinte Wohnen ist stets nur das Innehaben einer Unterkunft. Wenn Hölderlin vom Wohnen spricht, schaut er den Grundzug des menschlichen Daseins. Das »Dichterische« aber erblickt er aus dem Verhältnis zu diesem wesentlich verstandenen Wohnen. Dies bedeutet freilich nicht, das Dichterische sei nur eine Verzierung und eine Zugabe zum Wohnen. Das Dichterische des Wohnens meint auch nicht nur, das Dichterische komme auf irgendeine Weise bei allem Wohnen vor. a
[1954] 〈Zumutung〉
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[190]
Vielmehr sagt das Wort: »… dichterisch wohnet der Mensch …«: das Dichten läßt das Wohnen allererst ein Wohnen sein. Dichten ist das eigentliche Wohnenlassen. Allein, wodurch gelangen wir zu einer Wohnung? Durch das Bauen. Dichten ist, als Wohnenlassen, ein Bauen. So stehen wir vor einer doppelten Zumutung: einmal das, was man die Existenz des Menschen nennt, aus dem Wesen des Wohnens zu denken; zum anderen das Wesen des Dichtens als Wohnenlassena, als ein, vielleicht sogar als das ausgezeichnete Bauenb zu denken. Suchen wir das Wesen der Dichtung nach der jetzt genannten Hinsicht, dann gelangen wir in das Wesen des Wohnens. Allein, woher haben wir Menschen die Auskunft über das Wesen des Wohnens und des Dichtens? Woher nimmt der Mensch überhaupt den Anspruch, in das Wesen einer Sache zu gelangen? Der Mensch kann diesen Anspruch nur dorther nehmen, von woher er ihn empfängt. Er empfängt ihn aus dem Zuspruch der Sprache. Freilich nur dann, wenn er und solange er das eigene Wesen der Sprache schon achtet. Indessen rast ein zügelloses, aber zugleich gewandtes Reden und Schreiben und Senden von Gesprochenem rings um den Erdball. Der Mensch gebärdet sich, als sei er Bildner und Meister der Sprache, während doch sie die Herrin des Menschen bleibt. Wenn dieses Herrschaftsverhältnis sich umkehrt, dann verfällt der Mensch auf seltsame Machenschaften. Die Sprache wird zum Mittel des Ausdrucks. Als Ausdruck kann die Sprache zum bloßen Druckmittel herabsinken. Daß man auch bei solcher Benutzung der Sprache noch auf die Sorgfalt des Sprechens hält, ist gut. Dies allein hilft uns jedoch nie aus der Vera b
[1954] vgl. dazu Joh[ann] P[eter] Hebel, der Hausfreund –* [1954] 〈als das ausgezeichnete Bauen〉
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kehrung des wahren Herrschaftsverhältnisses zwischen der Sprache und dem Menschen. Denn eigentlich spricht die Sprache. Der Mensch spricht erst und nur, insofern er der Sprache entspricht, indem er auf ihren Zuspruch hört. Unter allen Zusprüchen, die wir Menschen von uns her mit zum Sprechen bringen dürfen, ist die Sprache der höchste und der überall erste. Die Sprache winkt uns zuerst und dann wieder zuletzt das Wesen einer Sache zu. Dies heißt jedoch nie, daß die Sprache in jeder beliebig aufgegriffenen Wortbedeutung uns schon mit dem durchsichtigen Wesen der Sache geradehin und endgültig wie mit einem gebrauchsfertigen Gegenstand beliefert. Das Entsprechen aber, worin der Mensch eigentlich auf den Zuspruch der Sprache hört, ist jenes Sagen, das im Element des Dichtens spricht. Je dichtender ein Dichter ist, um so freier, das heißt um so offener und bereiter für das Unvermutete ist sein Sagen, um so reiner stellt er sein Gesagtes dem stets bemühteren Hören anheim, um so ferner ist sein Gesagtes der bloßen Aussagea, über die man nur hinsichtlich ihrer Richtigkeit oder Unrichtigkeit verhandelt. … dichterisch, wohnet der Mensch … sagt der Dichter. Wir hören das Wort Hölderlins deutlicher, wenn wir es in das Gedicht zurücknehmen, dem es entstammt. Zunächst hören wir nur die zwei Verszeilen, aus denen wir das Wort herausgelöst und dadurch beschnitten haben. Sie lauten: Voll Verdienst, doch dichterisch, wohnet Der Mensch auf dieser Erde. a
[1954] 〈bloßen Aussage〉
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Der Grundton der Verse schwingt im Wort »dichterisch«. Dieses ist nach zwei Seiten herausgehoben: durch das, was ihm voraufgeht, und durch das, was ihm folgt. Vorauf gehen die Worte: »Voll Verdienst, doch …« Das klingt beinahe so, als brächte das folgende Wort »dichterisch« eine Einschränkung in das verdienstvolle Wohnen des Menschen. Allein, es ist umgekehrt. Die Einschränkung wird durch die Wendung »Voll Verdienst« genannt, dem wir ein »zwar« hinzudenken müssen. Der Mensch macht sich zwar bei seinem Wohnen vielfältig verdient. Denn der Mensch pflegt die wachstümlichen Dinge der Erde und hegt das ihm Zugewachsene. Pflegen und Hegen (colere, cultura) ist eine Art des Bauens. Der Mensch bebaut jedoch nicht nur das, was von sich aus ein Wachstum entfaltet, sondern er baut auch im Sinne des aedificare, indem er solches errichtet, was nicht durch Wachstum entstehen und bestehen kann. Gebautes und Bauten in diesem Sinne sind nicht nur die Gebäude, sondern alle Werke von Hand und durch Verrichtungen des Menschen. Doch die Verdienste dieses vielfältigen Bauens füllen das Wesen des Wohnens nie aus. Im Gegenteil: sie verwehren dem Wohnen sogar sein Wesen, sobald sie lediglich um ihretwillen erjagt und erworben werden. Dann zwängen nämlich die Verdienste gerade durch ihre Fülle überall das Wohnen in die Schranken des genannten Bauens ein. Dieses befolgt die Erfüllung der Bedürfnisse des Wohnens. Das Bauen im Sinne der bäuerlichen Pflege des Wachstums und des Errichtens von Bauten und Werken und des Herrichtens von Werkzeugen ist bereits eine Wesensfolge des Wohnens, aber nicht sein Grund oder gar seine Gründung. Diese muß in einem anderen Bauen geschehen. Das gewöhnlich und oft ausschließlich betriebene und darum allein bekannte Bauen bringt zwar die Fülle der Verdienste in das Wohnen. Doch
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der Mensch vermag das Wohnen nur, wenn er schon in anderer Weise gebaut hat und baut und zu bauen gesonnen bleibt. »Voll Verdienst (zwar), doch dichterisch, wohnet der Mensch …« Dem folgen im Text die Worte: »auf dieser Erde«. Man möchte diesen Zusatz für überflüssig halten; denn wohnen heißt doch schon: Aufenthalt des Menschen auf der Erde, auf »dieser«, der sich jeder Sterbliche anvertraut und ausgesetzt weiß. Allein, wenn Hölderlin zu sagen wagt, das Wohnen der Sterblichen sei dichterisch, dann erweckt dies, kaum gesagt, den Anschein, als reiße das »dichterische« Wohnen die Menschen gerade von der Erde weg. Denn das »Dichterische« gehört doch, wenn es als das Poetische gilt, in das Reich der Phantasie. Dichterisches Wohnen überfliegt phantastisch das Wirkliche. Dieser Befürchtung begegnet der Dichter, indem er eigens sagt, das dichterische Wohnen sei das Wohnen »auf dieser Erde«. Hölderlin bewahrt so das »Dichterische« nicht nur vor einer naheliegenden Mißdeutung, sondern er weist durch die Beifügung der Worte »auf dieser Erde« eigens in das Wesen des Dichtens. Dieses überfliegt und übersteigt die Erde nicht, um sie zu verlassen und über ihr zu schweben. Das Dichten bringt den Menschen erst auf die Erde, zu ihr, bringt ihn so in das Wohnen. Voll Verdienst, doch dichterisch, wohnet Der Mensch auf dieser Erde. Wissen wir jetzt, inwiefern der Mensch dichterisch wohnt? Wir wissen es noch nicht. Wir geraten sogar in die Gefahr, von uns aus Fremdes in das dichtende Wort Hölderlins hineinzudenken. Denn Hölderlin nennt zwar das Wohnen des Menschen und sein Verdienst, aber er bringt das Woh-
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[193]
nen doch nicht, wie es vorhin geschah, in den Zusammenhang mit dem Bauen. Er spricht nicht vom Bauen, weder im Sinne des Hegens, Pflegens und Errichtens, noch so, daß er gar das Dichten als eine eigene Art des Bauens vorstellt. Hölderlin sagt demnach vom dichterischen Wohnen nicht das gleiche wie unser Denken. Trotzdem denken wir das Selbe, was Hölderlin dichtet. Hier gilt es freilich, Wesentliches zu beachten. Eine kurze Zwischenbemerkung ist nötig. Das Dichten und das Denkena begegnen sich nur dann und nur so lange im selbenb, als sie entschieden in der Verschiedenheit ihres Wesens bleiben. Das selbec deckt sich nie mit dem gleichen, auch nicht mit dem leeren Einerlei des bloß Identischen. Das gleiched verlegt sich stets auf das Unterschiedlose, damit alles darin übereinkomme. Das selbe ist dagegen das Zusammengehören des Verschiedenen aus der Versammlung durch den Unterschied. Das Selbe läßt sich nur sagen, wenn der Unterschied gedacht wird. Im Austrag des Unterschiedenen kommt das versammelnde Wesen des selben zum Leuchten. Das selbe verbannt jeden Eifer, das Verschiedene immer nur in das gleiche auszugleichen. Das selbe versammelt das Unterschiedene in eine ursprüngliche Einigkeit. Das gleiche hingegen zerstreut in die fade Einheit des nur einförmig Einen. Hölderlin wußte auf seine Art von diesen Verhältnissen. Er sagt in einem Epigramm, das die Überschrift trägt: »Wurzel alles Übels« das folgende:
a b c d
[1954] 〈Das Dichten und das Denken〉 [1954] 〈im selben〉 [1954] 〈Das selbe〉* [1954] 〈Das gleiche〉**
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Einig zu seyn, ist göttlich und gut; woher ist die Sucht denn Unter den Menschen, daß nur Einer und Eines nur sei? (Stuttg. Ausg. I, 1 S. 305)* Wenn wir dem nachdenken, was Hölderlin über das dichterische Wohnen des Menschen dichtet, vermutena wir einen Weg, auf dem wir durch das verschieden Gedachte hindurch uns dem Selben nähern, was der Dichter dichtet. Doch was sagt Hölderlin vom dichterischen Wohnen des Menschen? Wir suchen die Antwort auf die Frage, indem wir auf die Verse 24 bis 38 des genannten Gedichtes hören. Denn aus ihrem Bereich sind die beiden zunächst erläuterten Verse gesprochen. Hölderlin sagt: Darf, wenn lauter Mühe das Leben, ein Mensch Aufschauen und sagen: so Willb ich auch seyn? Ja. So lange die Freundlichkeit noch Am Herzen, die Reine, dauert, misset Nicht unglüklich der Mensch sich Mit der Gottheit. Ist unbekannt Gott? Ist er offenbar wie der Himmel? Dieses Glaub’ ich eher. Des Menschen Maaß ist’s. Voll Verdienst, doch dichterisch, wohnet Der Mensch auf dieser Erde. Doch reiner Ist nicht der Schatten der Nacht mit den Sternen, Wenn ich so sagen könnte, als Der Mensch, der heißet ein Bild der Gottheit. Giebt es auf Erdenc ein Maaß? Es giebt Keines. a b c
[1954] 〈vermuten〉 [1954] 〈Will〉 [1954] 〈auf Erden〉 bloß der Erde zu enthörendes
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[194]
Wir bedenken nur weniges aus diesen Versen und zwar mit der einzigen Absicht, deutlicher zu hören, was Hölderlin meint, wenn er das Wohnen des Menschen ein »dichterisches« nennt. Die ersten der gelesenen Verse (24 bis 26) geben uns einen Wink. Sie stehen in der Form einer zuversichtlich bejahten Frage. Diese umschreibt, was die bereits erläuterten Verse unmittelbar aussprechen: »Voll Verdienst, doch dichterisch, wohnet der Mensch auf dieser Erde.« Hölderlin frägt: Darf, wenn lauter Mühe das Leben, ein Mensch Aufschauen und sagen: so Will ich auch seyn? Ja.
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Nur im Bezirk der bloßen Mühe ist der Mensch um »Verdienst« bemüht. Er verschafft es sich da in Fülle. Aber dem Menschen ist zugleich verstatteta, in diesem Bezirk, aus ihm her, durch ihn hindurch zu den Himmlischen aufzuschauen. Das Aufschauen durchgeht das Hinauf zum Himmel und verbleibt doch im Unten auf der Erde. Das Aufschauen durchmißt das Zwischenb von Himmel und Erde. Dieses Zwischen ist dem Wohnen des Menschen zugemessen. Wir nennen jetzt die zugemessenec Durchmessung, durch die das Zwischen von Himmel und Erde offen ist, die Dimension. Sie entsteht nicht dadurch, daß Himmel und Erde einander zugekehrt sind. Die Zukehr beruht vielmehr ihrerseits in der Dimension.* Diese ist auch keine Erstrekkung des gewöhnlich vorgestellten Raumes; denn alles a
b c
[1954] 〈verstattet〉 nur? eher: der Mensch verwiesen, gerufen, gebraucht – [1954] die Unzugangbarkeit. [1954 Akzente, S. 63] d. h. zugereichte
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Raumhafte bedarf als Eingeräumtes seinerseits schon der Dimension, d. h. dessen, worein es eingelassena wird. Das Wesen der Dimension ist die gelichtete und so durchmeßbare Zumessung des Zwischen: des Hinauf zum Himmel als des Herab zur Erde. Wir lassen das Wesen der Dimension ohne Namen. Nach den Worten Hölderlins durchmißt der Mensch die Dimension, indem er sich an den Himmlischen mißt. Dieses Durchmessen unternimmt der Mensch nicht gelegentlich, sondern in solchem Durchmessen ist der Mensch überhaupt erst Mensch. Darum kann er diese Durchmessung zwar sperrenb, verkürzen und verunstaltenc, aber er kann sich ihr nicht entziehen. Der Mensch hat sich als Mensch immer schon an etwas und mit etwas Himmlischem gemessen. Auch Luzifer stammt vom Himmel. Darum heißt es in den folgenden Versen (28 bis 29): »Der Mensch misset sich … mit der Gottheit.« Sie ist »das Maaß«, mit dem der Mensch sein Wohnen, den Aufenthalt auf der Erde unter dem Himmel, ausmißt. Nur insofern der Mensch sein Wohnen auf solche Weise ver-mißt, vermag er seinem Wesen gemäß zu seind. Das Wohnen des Menschen beruht im aufschauenden Vermessen der Dimension, in die der Himmel so gut gehört wie die Erde. Die Vermessung vermißt nicht nur die Erde, gg, und ist darum keine bloße Geo-metrie. Sie vermißt ebensowenig je den Himmel, oyÆranoÂw für sich. Die Vermessung ist keine Wissenschaft. Das Vermessen ermißt das Zwischen, das a b
c d
[1954] Ort wohin und woher versammelt [1954] 〈kann er diese Durchmessung zwar sperren〉 »die Gefahr« vgl. ob[en] Technik* und Die Technik und die Kehre** [1954] 〈verkürzen und verunstalten〉 »undichterisch« [1954] 〈seinem Wesen gemäß zu sein〉 d. h. gebraucht und Brauch 251
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[196]
beide, Himmel und Erde, einander zubringt. Dieses Vermessen hat sein eigenes meÂtron und deshalb seine eigene Metrik. Die Vermessung des menschlichen Wesens auf die ihm zugemessene Dimension bringt das Wohnen in seinen Grundrißa. Das Vermessen der Dimension ist das Element, worin das menschliche Wohnen seine Gewähr hat, aus der es währt. Das Vermessen ist das Dichterische des Wohnens. Dichten ist ein Messen. Doch was heißt Messen? Wir dürfen das Dichten, wenn es als Messen gedacht werden soll, offenbar nicht in einer beliebigen Vorstellung von Messen und Maß unterbringen. Das Dichten ist vermutlich ein ausgezeichnetes Messen.b Mehr noch. Vielleicht müssen wir den Satz: Dichten ist Messen in der anderen Betonung sprechen: Dichten ist Messen. Im Dichten ereignet sich, was alles Messen im Grunde seines Wesens ist. Darum gilt es, auf den Grundakt des Messens zu achten. Er besteht darin, daß überhaupt erst das Maß genommen wird, womit jeweils zu messen ist. Im Dichten ereignet sich das Nehmenc des Maßes. Das Dichten ist die im strengen Sinne des Wortes verstandene Maß-Nahme, durch die der Mensch erst das Maß für die Weite seines Wesens empfängt. Der Mensch west als der Sterbliche. So heißt er, weil er sterben kann. Sterbenkönnen heißt: den Tod als Tod vermögen. Nur der Mensch stirbt – und zwar fortwährend, solange er auf dieser Erde weilt, solange er wohnt. Sein Wohnen aber beruht im Dichterischen. Das Wesen des »Dichterischen« erblickt Hölderlin in der Maßa b c
[1954] 〈Grundriß〉* [1954] 197 [1954] 〈das Nehmen〉 in die Acht nehmen S. 249 198 an- und hinnehmen im Sagen als Ent-sagen**
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-Nahme, durch die sich die Vermessung des Menschenwesens vollzieht. Doch wie wollen wir beweisen, daß Hölderlin das Wesen des Dichtens als Maß-Nahme denkt? Wir brauchen hier nichts zu beweisen. Alles Beweisen ist immer nur ein nachträgliches Unternehmen auf dem Grunde von Voraussetzungen. Je nachdem diese angesetzt werden, läßt sich alles beweisen. Doch beachtena können wir nur weniges. So genügt es denn, wenn wir auf das eigene Wort des Dichters achten. In den folgenden Versen frägt nämlich Hölderlin allem zuvor und eigentlich nur nach dem Maß. Dies ist die durch den offenbaren Himmel verhüllte, fremde Gottheit*, womit der Mensch sich misset. Das Fragen beginnt mit Vers 29 in den Worten: »Ist unbekannt Gott?« Offenbar nicht. Denn wäre er dies, wie könnte er als Unbekannter je das Maß sein? Doch – und dies gilt es jetzt zu hören und festzuhalten – Gott ist als der, der Er ist, unbekannt für Hölderlin, und als dieser Unbekannte ist er gerade das Maß für den Dichter. Darum bestürzt ihn auch das erregende Fragen: wie kann, was seinem Wesen nach unbekannt bleibt, je zum Maß werden? Denn solches, womit der Mensch sich misset, muß sich doch mit-teilen, muß erscheinen. Erscheint es aber, dann ist es bekannt. Der Gott ist jedoch unbekannt und ist dennoch das Maß. Nicht nur dies, sondern der unbekannt bleibende Gott muß, indem er sich zeigt als der, der Er ist, als der unbekannt Bleibende erscheinen. Die Offenbarkeit Gottes, nicht erst Er selbst, ist geheimnisvoll. Darum frägt der Dichter sogleich die nächste Frage: »Ist er offenbar wie der Himmel?« Hölderlin antwortet: »Dieses / glaub’ ich eher.«b a b
[1954] 〈beachten〉 [1954] die Wolken des Himmels
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[197]
[198]
Weshalb, so fragen jetzt wir, neigt die Vermutung des Dichters dahin? Die unmittelbar anschließenden Worte antworten. Sie lauten knapp: »Des Menschen Maaß ist’s.« Was ist das Maß für das menschliche Messen? Gott? Nein! Der Himmel? Nein! Die Offenbarkeit des Himmels? Nein! Das Maß besteht in der Weise, wie der unbekannt bleibende Gott als dieser durch den Himmel offenbar ist. Das Erscheinen des Gottes durch den Himmel besteht in einem Enthüllen, das jenes sehen läßt, was sich verbirgt, aber sehen läßt nicht dadurch, daß es das Verborgene aus seiner Verborgenheit herauszureißen sucht, sondern allein dadurch, daß es das Verborgene in seinem Sichverbergen hütet*. So erscheint der unbekannte Gott als der Unbekannte durch die Offenbarkeit des Himmels. Dieses Erscheinen ist das Maß, woran der Mensch sich misset. Ein seltsames Maß, verwirrend, so scheint es, für das gewöhnliche Vorstellen der Sterblichen, unbequem für das billige Allesverstehen des täglichen Meinens, das sich gern als das Richtmaß für alles Denken und Besinnen behauptet. Ein seltsames Maß für das übliche und im besonderen auch für alles nur wissenschaftliche Vorstellen, in keinem Fall ein handgreiflicher Stecken und Stab; aber in Wahrheit einfacher zu handhaben als diese, wenn nur unsere Hände nicht greifen, sondern durch Gebärden geleitet sind, die dem Maß entsprechen, das hier zu nehmen ist. Dies geschieht in einem Nehmen, das nie das Maß an sich reißt, sondern es nimmt im gesammelten Vernehmen, das ein Hören bleibt.a b Aber warum soll dieses, für uns Heutige so befremdliche Maß dem Menschen zugesprochen und durch die Maßa b
[1954] 196 [1954] An-nehmen Sich verdanken
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-Nahme des Dichtens mitgeteilt sein? Weil nur dieses Maß das Wesen des Menschen er-mißt. Denn der Mensch wohnt, indem er das »auf der Erde« und das »unter dem Himmel« durchmißt. Dieses »auf« und dieses »unter« gehören zusammen. Ihr Ineinander ist die Durchmessung, die der Mensch jederzeit durchgeht, insofern er als Irdischer ist. In einem Bruchstück (Stuttg. Ausgabe 2, 1 S. 334)* sagt Hölderlin: Immer, Liebes! gehet Die Erd und der Himmel hält. Weil der Mensch ist, insofern er die Dimension aussteht, muß sein Wesen jeweils vermessen werden. Dazu bedarf es eines Maßes, das in einem zumal die ganze Dimension betrifft. Dieses Maß erblicken, es als das Maß er-messen und es als das Maß nehmen, heißt für den Dichter: dichten. Das Dichten ist diese Maß-Nahme, und zwar für das Wohnen des Menschen. Unmittelbar nach dem Wort »Des Menschen Maaß ist’s« folgen nämlicha im Gedicht die Verse: »Voll Verdienst, doch dichterisch, wohnet der Mensch auf dieser Erde.« Wissen wir jetzt, was für Hölderlin das »Dichterische« ist? Ja und nein. Ja, insofern wir eine Weisung empfangen, in welcher Hinsicht das Dichten zu denken ist, nämlich als ein ausgezeichnetes Messen. Nein, insofern das Dichten als das Er-messen jenes seltsamen Maßes immer geheimnisvoller wird. So muß es wohl auch bleiben, wenn anders wir bereit sind, uns im Wesensbereich der Dichtung auf-zu-halten.b a b
[1954] 〈nämlich〉 d. h. eigens genannt: gesagt – [1954] bleiben – aushalten – anhalten – zurückhalt[en]
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[199]
Indessen befremdet es doch, wenn Hölderlin das Dichten als ein Messen denkt. Und das mit Recht*, solange wir nämlich das Messen nur in dem uns geläufigen Sinne vorstellen.a Da wird mit Hilfe von Bekanntem, nämlich den Maßstäben und Maßzahlen, ein Unbekanntes abgeschritten, dadurch bekannt gemacht und so in eine jederzeit übersehbare Anzahl und Ordnung eingegrenzt. Dieses Messen kann sich je nach der Art der bestellbaren** Apparaturen abwandeln. Doch wer verbürgt denn, daß diese gewohnte Art des Messens, nur weil sie die gewöhnliche ist, schon das Wesen des Messens trifft? Wenn wir vom Maß hören, denken wir sogleich an die Zahl und stellen beides, Maß und Zahl, als etwas Quantitatives vor. Allein das Wesenb des Maßes ist sowenig wie das Wesenc der Zahl ein Quantum. Mit Zahlen können wir wohl rechnen, aber nicht mit dem Wesen der Zahl. Wenn Hölderlin das Dichten als ein Messen erblickt und es vor allem selber als die Maß-Nahme vollbringt, dann müssen wir, um das Dichten zu denkend, immer wieder zuerst das Maß bedenken, das im Dichten genommen wird; wir müssen auf die Art dieses Nehmens achten, das nicht in einem Zugriff, überhaupt nicht in einem Greifen beruht, sondern in einem Kommen-lassene des Zu-Gemessenen. Was ist das Maß für das Dichten? Die Gottheit; also Gott? Werf ist der Gott? Vielleicht ist diese Frage zu schwer für den Menschen und zu voreilig. Fragen wir darum zuvor, wasg von Gott zu sagen sei. Fragen wir erst nur: Was ist Gott? a b c d e f g
[1954] 196 [1954] 〈Wesen〉 [1954] 〈Wesen〉 [1954] 〈das Dichten zu denken〉 [1954] 〈Kommen-lassen〉 [1954] 〈Wer〉 [1954] 〈was〉
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Zum Glück und zur Hilfe sind uns Verse Hölderlins erhalten, die sachlich und zeitlich in den Umkreis des Gedichtes »In lieb licher Bläue blühet …« gehören. Sie beginnen (Stuttg. Ausgabe 2, 1 S. 210)*: Was ist Gott? unbekannt, dennoch Voll Eigenschaften ist das Angesicht Des Himmels von ihm. Die Blize nemlich Der Zorn sind eines Gottes. Jemehr ist eins Unsichtbar, schiket es sich in Fremdes … Was dem Gott fremd bleibt, die Anblicke des Himmels, dies ist dem Menschen das Vertraute. Und was ist dies? Alles, was am Himmel und somit unter dem Himmel und somit auf der Erde glänzt und blüht, tönt und duftet, steigt und kommt, aber auch geht und fällt, aber auch klagt und schweigt, aber auch erbleicht und dunkelt.** In dieses dem Menschen Vertraute, dem Gott aber Fremde, schicket sich der Unbekannte, um darin als der Unbekannte behütet zu bleiben. Der Dichter jedoch ruft alle Helle der Anblicke des Himmels und jeden Hall seiner Bahnen und Lüfte in das singende Wort und bringt darin das Gerufene zum Leuchten und Klingen. Allein, der Dichter beschreibt nicht, wenn er Dichter ist, das bloße Erscheinen des Himmels und der Erde. Der Dichter ruft in den Anblicken des Himmels Jenes, was im Sichenthüllen gerade das Sichverbergende erscheinen läßt, und zwar: als das Sichverbergende. Der Dichter ruft in den vertrauten Erscheinungen das Fremde als jenes, worein das Unsichtbare sich schicket, um das zu bleiben, was es ist: unbekannt. Der Dichter dichtet nur dann, wenn er das Maß nimmt, indem er die Anblicke des Himmels so sagt, daß er sich seinen Erscheinungen als dem Fremden fügt, worein der
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unbekannte Gott sich »schiket«. Der uns geläufige Name für Anblick und Aussehen von etwas lautet »Bild«. Das Wesen des Bildes ist: etwas sehen zu lassen.a * Dagegen sind die Abbilder und Nachbilder bereits Abarten des eigentlichen Bildes, das als Anblick das Unsichtbare sehen läßt und es so in ein ihm Fremdes einbildet.b c Weil das Dichten jenes geheimnisvolle Maß nimmt, nämlich am An gesicht des Himmels, deshalb spricht es in »Bildern«. Darum sind die dichterischen Bilder Ein-Bildungen in einem ausgezeichneten Sinne: nicht bloße Phantasien und Illusionen, sondern Ein-Bildungen als erblickbare Einschlüsse des Fremden in den Anblick des Vertrauten. Das dichtende Sagen der Bilder versammelt Helle und Hall der Himmelserscheinungen in Eines mit dem Dunkel und dem Schweigen des Fremden. Durch solche Anblicke befremdet der Gott. In der Befremdung bekundet er seine unablässige Nähe. Darum kann Hölderlin im Gedicht nach den Versen »Voll Verdienst, doch dichterisch, wohnet der Mensch auf dieser Erde« fortfahren: … Doch reiner Ist nicht der Schatten der Nacht mit den Sternen, Wenn ich so sagen könnte, als Der Mensch, der heißet ein Bild der Gottheit. »… der Schatten der Nacht« – die Nacht selber ist der Schatten, jenes Dunkle, das nie bloße Finsternis werden kann, weil es als Schatten dem Licht zugetraut, von ihm geworfen bleibt. Das Maß, welches das Dichten nimmt, a b c
[1954 Akzente, S. 68] vgl. Sprache und Heimat** »bilden« [1954] eiÍkv [1954] vgl. [?]***
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schickt sich als das Fremde, worein der Unsichtbare sein Wesen schont, in das Vertraute der Anblicke des Himmels. Darum ist das Maß von der Wesensart des Himmels. Aber der Himmel ist nicht eitel Licht. Der Glanz seiner Höhe ist in sich das Dunkle seiner alles bergenden Weite. Das Blau der lieblichen Bläue des Himmels ist die Farbe der Tiefe. Der Glanz des Himmels ist Aufgang und Untergang der Dämmerung, die alles Verkündbare birgt. Dieser Himmel ist das Maß. Darum muß der Dichter fragen: Giebt es auf Erden ein Maaß? Und er muß antworten: »Es giebt keines.« Warum? Weil das, was wir nennen, wenn wir sagen »auf der Erde«, nur besteht, insofern der Mensch die Erde be-wohnt und im Wohnen die Erde als Erde sein läßt. Das Wohnen aber geschieht nur, wenn das Dichten sich ereignet und west, und zwar in der Weise, deren Wesen wir jetzt ahnen, nämlich als die Maß-Nahme für alles Messen. Sie ist selber das eigentliche Vermessen, kein bloßes Abmessen mit fertigen Maßstäben zur Verfertigung von Plänen. Das Dichten ist darum auch kein Bauen im Sinne des Errichtens und Einrichtens von Bauten. Aber das Dichten ist als das eigentliche Ermessen der Dimension des Wohnens das anfängliche Bauen. Das Dichten läßt das Wohnen des Menschen allererst in sein Wesen ein. Das Dichten ist das ursprüngliche Wohnenlassen. Der Satz: Der Mensch wohnt, insofern er baut, hat jetzt seinen eigentlichen Sinn erhalten. Der Mensch wohnt nicht, insofern er seinen Aufenthalt auf der Erde unter dem Himmel nur einrichtet, indem er als Bauer das Wachstum pflegt und zugleich Bauten errichtet. Dieses Bauen vermag der Mensch nur, wenn er schon baut im Sinne der dichtenden
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[202]
Maß-Nahme. Das eigentliche Bauen geschieht, insofern Dichter sind, solche, die das Maß nehmen für die Architektonik, für das Baugefüge des Wohnens. Hölderlin schreibt am 12. März 1804 aus Nürtingen an seinen Freund Leo von Seckendorf: »Die Fabel, poe¨tische Ansicht der Geschichte und Architektonik des Himmels beschäfftiget mich gegenwärtig vorzüglich, besonders das Nationelle, sofern es von dem Griechischen verschieden ist.« (Hellingrath V2, S. 333)* … dichterisch, wohnet der Mensch …
[203]
Das Dichten erbaut das Wesen des Wohnens. Dichten und Wohnen schließen sich nicht nur nicht aus. Dichten und Wohnen gehören vielmehr, wechselweise einander fordernd, zusammen. »Dichterisch wohnet der Mensch.« Wohnen wir dichterisch? Vermutlich wohnen wir durchaus undichterisch.a Wird, wenn es so steht, das Wort des Dichters dadurch Lügen gestraft und unwahr? Nein. Die Wahrheit seines Wortes wird auf die unheim lichste Weise bestätigt. Denn undichterisch kann ein Wohnen nur sein, weil das Wohnen im Wesen dichterisch ist. Damit ein Mensch blind sein kann, muß er seinem Wesen nach ein Sehender bleiben. Ein Stück Holz kann niemals erblinden. Wenn aber der Mensch blind wird, dann ist immer noch die Frage, ob die Blindheit aus einem Mangel und Verlust kommt oder ob sie in einem Überfluß und Übermaß beruht. Hölderlin sagt im selben Gedicht, das dem Maß für alles Messen nachsinnt (Vers 75 / 76): »Der König Oedipus hat ein Auge zuviel vieleicht.« So könnte es sein, daß unser undichterisches Wohnen, sein Unvermögen, das Maß zu a
[1954] vgl. v[on] H[ellingrath] IV, 257, 392 ob[en]**
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»… DICHTERISCH WOHNET DER MENSCH …«
nehmen, aus einem seltsamen Übermaß eines rasenden Messens und Rechnens käme. Daß wir und inwiefern wir undichterisch wohnen, können wir in jedem Falle nur erfahren, wenn wir das Dichterische wissen. Ob uns und wann uns eine Wende des undichterischen Wohnens trifft, dürfen wir nur erwarten, wenn wir das Dichterische in der Acht behalten. Wie unser Tun und Lassen und inwieweit es einen Anteil an dieser Wende haben kann, bewähren nur wir selbst, wenn wir das Dichterische ernst nehmen. Das Dichten ist das Grundvermögen des menschlichen Wohnens. Aber der Mensch vermag das Dichten jeweils nur nach dem Maße, wie sein Wesen dem vereignet ist, was selber den Menschen mag und darum sein Wesen braucht. Je nach dem Maß dieser Vereignung ist das Dichten eigentlich oder uneigentlich. Darum ereignet sich das eigentliche Dichten auch nicht zu jeder Zeit. Wann und wie lange ist das eigentliche Dichten? Hölderlin sagt es in den bereits gelesenen Versen (26 / 29). Ihre Erläuterung wurde bis jetzt absichtlich zurückgestellt. Die Verse lauten: … So lange die Freundlichkeit noch Am Herzen, die Reine, dauert, misset Nicht unglüklich der Mensch sich Mit der Gottheit … »Die Freundlichkeit« – was ist dies? Ein harmloses Wort, aber von Hölderlin mit dem großgeschriebenen Beiwort »die Reine« genannt. »Die Freundlichkeit« – dieses Wort ist, wenn wir es wörtlich nehmen, Hölderlins herrliche Übersetzung für das griechische Wort xaÂriw. Von der xaÂriw sagt Sophokles im »Aias« (v. 522):
»… DICHTERISCH WOHNET DER MENSCH …«
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xaÂriw xaÂrin gaÂr eÆstin hë tiÂktoysÆ aÆei´ Huld denn ist’s, die Huld hervor-ruft immer.
»Solange die Freundlichkeit noch am Herzen, die Reine, dauert …« Hölderlin sagt in einer von ihm gern gebrauchten Wendung: »am Herzen«, nicht: im Herzen; »am Herzen«, das heißt angekommen beim wohnenden Wesen des Menschen, angekommen als Anspruch des Maßes an das Herz so, daß dieses sich an das Maß kehrt. So lange diese Ankunft der Huld dauert, so lange glückt es, daß der Mensch sich misset mit der Gottheit. Ereignet sich dieses Messen, dann dichtet der Mensch aus dem Wesen des Dichterischen. Ereignet sich das Dichterische, dann wohnet der Mensch menschlich auf dieser Erde, dann ist, wie Hölderlin in seinem letzten Gedicht sagt, »das Leben der Menschen« ein »wohnend Leben«. (Stuttg. Ausg. II, 1 S. 312)* Die Aussicht Wenn in die Ferne geht der Menschen wohnend Leben, Wo in die Ferne sich erglänzt die Zeit der Reben, Ist auch dabei des Sommers leer Gefilde, Der Wald erscheint mit seinem dunklen Bilde. Daß die Natur ergänzt das Bild der Zeiten, Daß die** verweilt, sie schnell vorübergleiten, Ist aus Vollkommenheit, des Himmels Höhe glänzet Den Menschen dann, wie Bäume Blüth’ umkränzet.
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»… DICHTERISCH WOHNET DER MENSCH …«
III
LOGOS
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(HERAKLIT, FRAGMENT 50)
eit ist der nötigste Weg unseres Denkens. Er führt jenem Einfachen zu, das unter dem Namen loÂgow zu denken bleibt. Noch sind erst wenige Zeichen, die den Weg weisen. Das Folgende versucht, in freiem Überlegen am Leitband eines Spruches von Heraklit (B 50),* einige Schritte auf dem Weg zu gehen. Vielleicht nähern sie uns der Stelle, wo wenigstens dieser eine Spruch frag-würdiger zu uns spricht:
W
oyÆk eÆmoo aÆllaÁ too LoÂgoy aÆkoyÂsantaw oëmologejn sofoÂn eÆstin ÊEn PaÂnta.
Eine der unter sich im ganzen einstimmigen Übersetzungen lautet: Habt ihr nicht mich, sondern den Sinn vernommen, so ist es weise, im gleichen Sinn zu sagen: Eins ist Alles. (Snell)** Der Spruch spricht von aÆkoyÂein, hören und gehört haben, von oëmologejn, das Gleiche sagen, vom LoÂgow, dem Spruch und der Sage, vom eÆgvÂ, dem Denker selbst, nämlich als leÂgvn, dem redenden. Heraklit bedenkt hier ein Hören und Sagen. Er spricht aus, was der LoÂgow sagt: ÊEn PaÂnta, Eins ist alles. Der Spruch des Heraklit scheint nach jeder Hinsicht verständlich zu sein. Dennoch bleibt hier alles
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fragwürdig. Am fragwürdigsten ist das Selbstverständlichste, nämlich unsere Voraussetzung, das, was Heraklit sage, müsse unserem später gekommenen Alltagsverstand unmittelbar einleuchten. Das ist eine Forderung, die sich vermutlich nicht einmal den Zeit- und Weggenossen des Heraklit erfüllt hat. Indessen dürften wir seinem Denken eher entsprechen, wenn wir zugeben, daß nicht erst für uns, auch nicht nur für die Alten schon, daß vielmehr in der gedachten Sache selbst einige Rätsel bleiben. Wir kommen ihnen eher nahe, wenn wir davor zurücktreten. Dabei zeigt sich: um das Rätsel als Rätsel zu merken, bedarf es vor allem anderen einer Aufhellung dessen, was loÂgow, was leÂgein bedeutet. Seit dem Altertum wurde der LoÂgow des Heraklit auf verschiedene Weise ausgelegt: als Ratio, als Verbum, als Weltgesetz, als das Logische und die Denknotwendigkeit, als der Sinn, als die Vernunft. Immer wieder verlautet ein Ruf nach der Vernunft als dem Richtmaß im Tun und Lassen. Doch was vermag die Vernunft, wenn sie zugleich mit der Un- und Widervernunft in der selben Ebene der gleichen Versäumnis verharrt, die vergißt, der Wesensherkunft der Vernunft nachzudenken und auf diese Ankunft sich einzulassen? Was soll die Logik, logikh (eÆpisthÂmh) jedweder Art, wenn wir nie beginnen, auf den LoÂgow zu achten und seinem anfänglichen Wesen zu folgen? Was loÂgow ist, entnehmen wir dem leÂgein. Was heißt leÂgein? Jedermann, der die Sprache kennt, weiß: leÂgein heißt: sagen und reden; loÂgow bedeutet: leÂgein als aussagen und legoÂmenon als das Ausgesagte. Wer möchte leugnen, daß in der Sprache der Griechen von früh an leÂgein reden, sagen, erzählen bedeutet?a Allein, a
[1954] vgl. Was heißt Denken? 120 ff.*
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es bedeutet gleich früh und noch ursprünglicher und deshalb immer schon und darum auch in der vorgenannten Bedeutung das, was unser gleichlautendes »legen« meint: niederund vorlegen. Darin waltet das Zusammenbringen, das lateinische legere als lesen im Sinne von einholen und zusammenbringen. Eigentlich bedeutet leÂgein das sich und anderes sammelnde Nieder- und Vorlegen. Medial gebraucht, meint leÂgesûai: sich niederlegen in die Sammlung der Ruhe; leÂxow ist das Ruhelager; loÂxow ist der Hinterhalt, wo etwas hinterlegt und angelegt ist. (Zu bedenken bleibt hier auch das alte, nach Aischylos und Pindar aussterbende Wort aÆleÂgv (a copulativum): mir liegt etwas an, es be-kümmert mich.) Gleichwohl bleibt unbestritten: leÂgein heißt andererseits auch und sogar vorwiegend, wenn nicht ausschließlich: sagen und reden. Müssen wir deshalb zugunsten dieser vorherrschenden und gängigen Bedeutung des leÂgein, die sich noch vielfältig abwandelt, den eigentlichen Sinn des Wortes, leÂgein als legen, einfach in den Wind schlagen? Dürfen wir denn überhaupt solches wagen? Oder ist es nicht endlich an der Zeit, daß wir uns auf eine Frage einlassen, die vermutlich vieles entscheidet? Die Frage lautet: Inwiefern gelangt der eigentliche Sinn von leÂgein, legen, zur Bedeutung von sagen und reden? Damit wir den Anhalt für eine Antwort finden, ist ein Nachdenken darüber nötig, was im leÂgein als legen eigentlich liegt. Legen heißt: zum Liegen bringen. Legen ist dabei zugleich: eines zum anderen-, ist zusammenlegen. Legen ist lesen. Das uns bekanntere Lesen, nämlich das einer Schrift, bleibt eine, obzwar die vorgedrängte Art des Lesens im Sinne von: zusammen-ins-Vorliegen-bringen. Die Ährenlese hebt die Frucht vom Boden auf. Die Traubenlese nimmt die Beeren vom Rebstock ab. Auflesen und Abnehmen ergehen sich in einem Zusammentragen. Solange wir
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im gewohnten Augenschein beharren, sind wir geneigt, dieses Zusammenbringen schon für das Sammeln oder gar für dessen Beendigung zu halten. Sammeln ist jedoch mehr als bloßes Anhäufen. Zum Sammeln gehört das einholende Einbringen. Darin waltet das Unterbringen; in diesem jedoch das Verwahren. Jenes »mehr«, das im Sammeln über das nur aufgreifende Zusammenraffen hinausgeht, kommt zu diesem nicht erst hinzu. Noch weniger ist es sein zuletzt eintretender Abschluß. Das einbringende Verwahren hat schon den Beginn der Schritte des Sammelns und sie alle in der Verflechtung ihrer Folge an sich genommen. Starren wir lediglich auf die Abfolge der Schritte, dann reiht sich dem Auflesen und Abheben das Zusammenbringen, diesem das Einbringen, diesem das Unterbringen im Behälter und Speicher an. So behauptet sich der Anschein, als gehöre das Aufbewahren und Verwahren nicht mehr zum Sammeln. Doch was bleibt eine Lese, die nicht vom Grundzug des Bergens gezogen und zugleich getragen wird? Das Bergen ist das erste im Wesensbau der Lese. Das Bergen selbst jedoch birgt nicht das Beliebige, das irgendwo und irgendwann vorkommt. Das vom Bergen her eigentlich anfangende Sammeln, die Lese, ist in sich zum voraus ein Auslesen dessen, was Bergung verlangt. Die Auslese ihrerseits wird aber von dem bestimmt, was innerhalb des Auslesbaren sich als das Erlesene zeigt. Das allererste gegenüber dem Bergen im Wesensbau der Lese ist das Erlesen (alemannisch: die Vor-lese), dem die Auslese sich fügt, die alles Zusammen-, Ein- und Unter-bringen sich unterstellt. Die Ordnung, nach der die Schritte des sammelnden Tuns einander folgen, deckt sich nicht mit derjenigen der langenden und tragenden Züge, in denen das Wesen der Lese beruht.
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Zu jedem Sammeln gehört zugleich, daß die Lesenden sich sammeln, ihr Tun auf das Bergen versammeln und, von da her gesammelt, erst sammeln. Die Lese verlangt aus sich und für sich diese Sammlung. Im gesammelten Sammeln waltet ursprüngliche Versammlung. Das so zu denkende Lesen steht jedoch keineswegs neben dem Legen. Jenes begleitet auch nicht nur dieses. Vielmehr ist das Lesen schon dem Legen eingelegt. Jedes Lesen ist schon Legen. Alles Legen ist von sich her lesend. Denn was heißt legen? Das Legen bringt zum Liegen, indem es beisammen-vor-liegen läßt. Allzugern nehmen wir das »lassen« im Sinne von weg- und fahren-lassen. Legen, zum Liegen bringen, liegen lassen be deutete dann: um das Niedergelegte und Vorliegende sich nicht mehr kümmern, es übergehen. Allein das leÂgein, legen, meint in seinem »beisammen-vor-liegen-Lassen« gerade dies, daß uns das Vorliegende anliegt und deshalb angeht. Dem »legen« ist als dem beisammen-vorliegen-Lassen daran gelegen, das Niedergelegte als das Vorliegende zu behalten. (»Legi« heißt im Alemannischen das Wehr, das im Fluß schon vor-liegt: dem Anströmen des Wassers.) Das jetzt zu denkende Legen, das leÂgein, hat im voraus den Anspruch preisgegeben, ihn sogar nicht einmal gekannt, selber das Vorliegende erst in seine Lage zu bringen. Dem Legen als leÂgein liegt einzig daran, das von-sich-her-beisammen-vor-Liegende als Vorliegendes in der Hut zu lassen, in die es nieder-gelegt bleibt. Welches ist diese Hut? Das beisammen-vor-Liegende ist in die Unverborgenheit ein-, in sie weg-, in sie hingelegt, in sie hinter-legt, das heißt in sie geborgen. Dem leÂgein liegt bei seinem gesammelt-vor-liegen-Lassen an dieser Geborgenheit des Vorliegenden im Unverborgenen. Das kejsûai, für-sich-Vorliegen des so Hinterlegten, des yëpokeiÂmenon, ist nichts Geringeres und
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nichts Höheres als das Anwesen des Vorliegenden in die Unverborgenheit. In dieses leÂgein des yëpokeiÂmenon bleibt das leÂgein als lesen, sammeln eingelegt. Weil dem leÂgein als dem beisammen-vor-liegen-Lassen einzig an der Geborgenheit des Vorliegenden in der Unverborgenheit liegt, deshalb wird das zu solchem Legen gehörende Lesen im vorhinein vom Verwahren her bestimmt. LeÂgein ist legen. Legen ist: in sich gesammeltes vorliegen-Lassen des beisammen-Anwesenden. Zur Frage steht: Inwiefern gelangt der eigentliche Sinn von leÂgein, das Legen, zur Bedeutung von sagen und reden? Die voraufgegangene Besinnung enthält schon die Antwort. Denn sie gibt uns zu bedenken, daß wir überhaupt nicht mehr in der versuchten Weise fragen dürfen. Weshalb nicht? Weil es sich in dem, was wir bedachten, keineswegs darum handelt, daß dieses Wort leÂgein von der einen Bedeutung: »legen« zu der anderen: »sagen« gelangt. Wir haben uns im vorigen nicht mit dem Bedeutungswandel von Wörtern beschäftigt.* Wir sind vielmehr auf ein Ereignis gestoßen, dessen Ungeheures sich in seiner bislang unbeachteten Einfachheit noch verbirgt. Das Sagen und Reden der Sterblichen ereignet sich von früh an als leÂgein, als Legen.** Sagen und Reden wesen als das beisammen-vor-liegen-Lassen alles dessen, was, in der Unverborgenheit gelegen, anwest. Das ursprüngliche leÂgein, das Legen, entfaltet sich früh und in einer alles Unverborgene durchwaltenden Weise als das Sagen und Reden. Das leÂgein läßt sich als das Legen von dieser seiner vorwaltenden Art überwältigen. Dies aber nur, um so das Wesen von sagen und reden zum voraus im Walten des eigentlichen Legens zu hinterlegen. Daß es das leÂgein ist als legen, worein sagen und reden ihr Wesen fügen, enthält den Hinweis auf die früheste und
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reichste Entscheidung über das Wesen der Sprache.a Woher fiel sie? Die Frage ist so gewichtig und vermutlich die selbe wie die andere: Wie weit hinaus langt diese Prägung des Sprachwesens aus dem Legen? Sie reicht in das Äußerste der möglichen Wesensherkunft der Sprache. Denn als sammelndes vor-liegen-Lassen empfängt das Sagen seine Wesensart aus der Unverborgenheit des beisammen-vor-Liegenden. Die Entbergung aber des Verborgenen in das Unverborgene ist das Anwesen selbst des Anwesenden. Wir nennen es das Sein des Seienden. So bestimmt sich das im leÂgein als legen wesende Sprechen der Sprache weder von der Verlautbarung (fvnhÂ) noch vom Bedeuten (shmaiÂnein) her. Ausdruck und Bedeutung gelten seit langem als die Erscheinungen, die fraglos Züge der Sprache darbieten. Aber sie reichen weder eigens in den Bereich der anfänglichen Wesensprägung der Sprache, noch vermögen sie überhaupt diesen Bereich in seinen Hauptzügen zu bestimmen. Daß unversehens und früh und so, als sei da nichts geschehen, sagen als legen waltet und demgemäß sprechen als leÂgein erscheint, hat eine seltsame Folge gezeitigt. Das menschliche Denken erstaunte weder jemals über dieses Ereignis*, noch gewahrte es darin ein Geheimnis, das eine wesenhafte Schickung des Seins an den Menschen verbirgt und diese vielleicht für jenen geschicklichen Augenblick aufspart, da die Erschütterung des Menschen nicht nur bis zu seiner Lage und zu seinem Stand reicht, sondern das Wesen des Menschen ins Wanken bringt. Sagen ist leÂgein. Dieser Satz hat, wenn er wohl bedacht wird, jetzt alles Geläufige, Vernutzte und Leere abgestreift. Er nennt das unausdenkliche Geheimnis, daß sich das Sprechen der Sprache aus der Unverborgenheit des Anwesena
[1954] 228**
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den ereigneta und sich gemäß dem Vorliegen des Anwesenden als das beisammen-vor-liegen-Lassen bestimmt. Ob das Denken endlich lernt, einiges von dem zu ahnen, was es heißt, daß noch Aristoteles das leÂgein als aÆpofaiÂnesûai umgrenzen kann? Der loÂgow bringt das Erscheinende, das ins Vorliegen hervor-Kommende, von ihm selbst her zum Scheinen, zum gelichteten Sichzeigen (vgl. Sein und Zeit § 7 B)*. Sagen ist gesammelt-sammelndes beisammen-vor-liegen-Lassen. Was ist dann, wenn es so mit dem Wesen des Sprechens steht, das Hören? Als leÂgein bestimmt sich das Sprechen nicht vom sinnausdrückenden Schall her. Wenn somit das Sagen nicht von der Verlautbarung aus bestimmt wird, dann kann auch das ihm entsprechende Hören erstlich nicht darin bestehen, daß ein Schall, der das Ohr trifft, aufgefangen wird, daß Laute, die den Gehörssinn bedrängen, weitergeleitet werden. Wäre unser Hören erstlich und immer nur dieses Auffangen und Weiterleiten von Lauten, zu dem sich dann noch andere Vorgänge gesellen, dann bliebe es dabei, daß Lautliches zum einen Ohr hinein- und zum anderen hinausginge. Das geschieht in der Tat, wenn wir nicht auf das Zugesprochene gesammelt sind. Das Zugesprochene ist selbst aber das gesammelt vorgelegte Vorliegende. Das Hören ist eigentlich dieses Sichsammeln, das sich auf Anspruch und Zuspruch zusammennimmt. Das Hören ist erstlich das gesammelte Horchen. Im Horchsamen west das Gehör. Wir hören, wenn wir ganz Ohr sind. Aber »Ohr« meint nicht den akustischen Sinnesapparat. Die anatomisch und physiologisch vorfindlichen Ohren bewirken als Sinneswerkzeuge nie ein Hören, nicht einmal dann, wenn wir dieses lediglich als ein Vernehmen a
[1954] 〈ereignet〉**
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von Geräuschen, Lauten und Tönen fassen. Solches Vernehmen läßt sich weder anatomisch feststellen, noch physiologisch nachweisen, noch überhaupt biologisch als ein Vorgang fassen, der innerhalb des Organismus abläuft, obwohl das Vernehmen nur lebt, indem es leibt. So wird denn, solange wir beim Bedenken des Hörens nach der Art der Wissenschaften vom Akustischen ausgehen, alles auf den Kopf gestellt. Wir meinen fälschlicherweise, die Betätigung der leiblichen Gehörwerkzeuge sei das eigentliche Hören. Dagegen dürfe das Hören im Sinne des Horchsamen und des Gehorsams nur als eine Übertragung jenes eigentlichen Hörens auf das Geistige gelten. Man kann im Bezirk der wissenschaftlichen Forschung viel Nützliches feststellen. Man kann zeigen, daß periodische Luftdruckschwankungen von einer bestimmten Frequenz als Töne empfunden werden. Aus der Art solcher Feststellungen über das Gehör kann eine Forschung eingerichtet werden, die schließlich nur noch die Spezialisten der Sinnesphysiologie beherrschen. Dagegen läßt sich über das eigentliche Hören vielleicht nur Weniges sagen, das freilich jeden Menschen unmittelbar angeht. Hier gilt es nicht zu forschen, sondern nachdenkend auf Einfaches zu achten. So gehört zum eigentlichen Hören gerade dieses, daß der Mensch sich verhören kann, indem er das Wesenhafte überhört. Wenn zum eigentlichen Hören im Sinne der Horchsamkeit unmittelbar nicht die Ohren gehören, dann hat es überhaupt eine eigene Bewandtnis mit dem Hören und den Ohren. Wir hören nicht, weil wir Ohren haben. Wir haben Ohren und können leiblich mit Ohren ausgerüstet sein, weil wir hören. Die Sterblichen hören den Donner des Himmels, das Rauschen des Waldes, das Fließen des Brunnens, das Klingen des Saitenspiels, das Rattern der Motoren, den Lärm der Stadt
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nur und nur so weit, als sie dem allen schon in irgendeiner Weise zugehören und nicht zugehören. Ganz Ohr sind wir, wenn unsere Sammlung sich rein ins Horchsame verlegt und die Ohren und den bloßen Andrang der Laute völlig vergessen hat. Solange wir nur den Wortlaut als den Ausdruck eines Sprechenden anhören, hören wir noch gar nicht zu. Wir gelangen so auch nie dahin, je etwas eigentlich gehört zu haben. Wann aber ist dieses? Wir haben gehört, wenn wir dem Zugesprochenen gehören.* Das Sprechen des Zugesprochenen ist leÂgein, beisammen-vor-liegen-lassen. Dem Sprechen gehören – dies ist nichts anderes als: jeweils das, was ein vor-liegen-Lassen beisammen vorlegt, beisammen liegen lassen in seinem Gesamt. Solches Liegenlassen legt das Vorliegende als ein Vorliegendes. Es legt dieses als es selbst. Es legt Eines und das Selbe in Eins. Es legt Eines als das Selbe. Solches leÂgein legt ein und das selbe, das oëmoÂn. Solches leÂgein ist das oëmologejn: Eines als Selbes, ein Vorliegendes im Selben seines Vorliegens gesammelt vorliegen-lassen. Im leÂgein als dem oëmologejn west das** eigentliche Hören. Dieses ist somit ein leÂgein, das vorliegen läßt, was schon beisammen-vor-liegt, und zwar liegt aus einem Legen, das alles von sich her beisammen-vor-Liegende in seinem Liegen angeht. Dieses ausgezeichnete Legen ist das leÂgein, als welches der LoÂgow sich ereignet. Damit wird der LoÂgow schlichthin genannt: oë LoÂgow, das Legen: das reine beisammen-vor-liegen-Lassen des von sich her Vorliegenden in dessen Liegen. So west der LoÂgow als das reine versammelnde lesende Legen. Der LoÂgow ist die ursprüngliche Versammlung der anfänglichen Lese aus der anfänglichen Lege. ëO LoÂgow ist: die lesende Lege und nur dieses. Allein, ist dies alles nicht ein willkürliches Deuten und
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ein allzu befremdendes Übersetzen angesichts der gewohnten Verständlichkeit, die den LoÂgow als den Sinn und die Vernunft zu kennen meint? Befremdlich klingt es zunächst und bleibt es vielleicht noch lange Zeit, wenn der LoÂgow die lesende Lege heißt. Wie soll aber jemand entscheiden, ob das, was diese Übersetzung als Wesen des LoÂgow vermutet, auch nur im entferntesten dem gemäß bleibt, was Heraklit im Namen oë LoÂgow gedacht und genannt hat? Der einzige Weg zur Entscheidung ist, das zu bedenken, was Heraklit selbst in dem angeführten Spruch sagt. Der Spruch beginnt: oyÆk eÆmoo … Er beginnt mit einem hart abweisenden »Nicht …«. Es bezieht sich auf den redenden, sagenden Heraklit selbst. Es betrifft das Hören der Sterblichen. »Nicht auf mich«, nämlich diesen Redenden, nicht auf die Verlautbarung seiner Rede dürft ihr hören. Ihr hört überhaupt nicht eigentlich, solange ihr nur die Ohren an Klang und Fluß einer menschlichen Stimme hängt, um an ihr eine Redensart für euch aufzuschnappen. Heraklit beginnt den Spruch mit einer Zurückweisung des Hörens aus bloßer Ohrenlust. Aber diese Abwehr beruht in einem Hinweis auf das eigentliche Hören. OyÆk eÆmoo aÆllaÁ … nicht mich sollt ihr an-hören (wie anstarren), sondern … das sterbliche Hören muß auf Anderes zugehen. Worauf? aÆllaÁ too LoÂgoy. Die Art des eigentlichen Hörens bestimmt sich vom LoÂgow her. Insofern aber der LoÂgow schlichthin genannt ist, kann er nicht irgend etwas Beliebiges unter dem Übrigen sein. Das ihm gemäße Hören kann daher auch nicht gelegentlich auf ihn zugehen, um ihn dann wieder zu übergehen. Die Sterblichen müssen, wenn ein eigentliches Hören sein soll, den LoÂgow schon gehört haben mit einem Gehör, das nichts Geringeres bedeutet als: dem LoÂgow gehören. OyÆk eÆmoo aÆllaÁ too LoÂgoy aÆkoyÂsantaw: »Wenn ihr nicht
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mich (den Redenden) bloß angehört habt, sondern wenn ihr euch im horchsamen Gehören aufhaltet, dann ist eigentliches Hören.« Was ist dann, wenn solches ist? Dann ist oëmologejn, das nur sein kann, was es ist, als ein leÂgein. Das eigentliche Hören gehört dem LoÂgow. Deshalb ist dieses Hören selbst ein leÂgein. Als solches ist das eigentliche Hören der Sterblichen in gewisser Weise das Selbe wie der LoÂgow. Gleichwohl ist es gerade als oëmologejn ganz und gar nicht das Selbe. Es ist nicht selber der LoÂgow selbst. Das oëmologejn bleibt vielmehr ein leÂgein, das immer nur legt, liegen läßt, was schon als oëmoÂn, als Gesamt beisammen vorliegt, und zwar vor-liegt in einem Liegen, das niemals dem oëmologejn entspringt, sondern in der lesenden Lege, im LoÂgow, beruht. Was ist aber dann, wenn eigentliches Hören als das oëmologejn ist? Heraklit sagt: sofoÂn eÆstin. Wenn oëmologejn geschieht, dann ereignet sich, dann ist sofoÂn. Wir lesen: sofoÁn eÍstin. Man übersetzt sofoÂn richtig mit »weise«. Aber was heißt »weise«? Meint es nur das Wissen der alten Weisen? Was wissen wir von solchem Wissen? Wenn dieses ein Gesehenhaben bleibt, dessen Sehen nicht das der sinnlichen Augen ist, so wenig wie das Gehörthaben ein Hören mit den Gehörwerkzeugen, dann fallen das Gehört- und Gesehenhaben vermutlich zusammen. Sie meinen kein bloßes Erfassen, sondern ein Verhalten. Aber welches? Jenes, das sich im Aufenthalt der Sterblichen hält. Dieser hält sich an das, was die lesende Lege schon jeweils an Vorliegendem vorliegen läßt. So bedeutet denn sofoÂn dasjenige, was sich an das Zugewiesene halten, in es sich schicken, für es sich schicken (auf den Weg machen) kann. Als ein schickliches wird das Verhalten geschickt. Mundartlich gebrauchen wir noch, wenn wir sagen wollen, jemand sei in einer Sache beson-
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ders geschickt, die Wendungen: er hat ein Geschick dafür und macht einen Schick daran. So treffen wir eher die eigentliche Bedeutung von sofoÂn, das wir durch »geschicklich«a übersetzen. Aber »geschicklich« sagt im vorhinein mehr als »geschickt«. Wenn das eigentliche Hören als oëmologejn ist, dann ereignet sich Geschickliches, dann schickt sich das sterbliche leÂgein in den LoÂgow. Dann liegt ihm an der lesenden Lege. Dann schickt sich das leÂgein in das Schickliche, das in der Versammlung des anfänglich sammelnden Vorlegens beruht, das heißt in dem, was die lesende Lege geschickt hat. So ist denn zwar Geschickliches, wenn die Sterblichen das eigentliche Hören vollbringen. Aber sofoÂn, »geschicklich« ist nicht toÁ SofoÂn, das Geschickliche, das so heißt, weil es alle Schickung, und gerade auch diejenige in das Schickliche des sterblichen Verhaltens, in sich versammelt. Noch ist nicht ausgemacht, was nach dem Denken Heraklits oë LoÂgow ist; unentschieden bleibt noch, ob die Übersetzung von oë LoÂgow als »die lesende Lege« ein Geringes von dem trifft, was der LoÂgow ist. Und schon stehen wir vor einem neuen Rätselwort: toÁ SofoÂn. Wir mühten uns vergeblich, es im Sinne Heraklits zu denken, solange wir nicht seinem Spruch, darin es spricht, bis in die Worte gefolgt sind, die ihn abschließen. Insofern das Hören der Sterblichen eigentliches Hören geworden ist, geschieht oëmologejn. Insofern solches geschieht, ereignet sich Geschickliches. Worin und als was west Geschickliches? Heraklit sagt: oëmologejn sofoÁn* eÍstin ÊEn PaÂnta, »Geschickliches ereignet sich, insofern Eins Alles.« Der jetzt geläufige Text lautet: eÊn paÂnta eknai. Das eiÎnai ist die Abänderung der einzig überlieferten Lesung: eÊn a
[1954] schicklich als geschickt
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paÂnta eiÆdeÂnai, die man versteht im Sinne von: weise ist es, zu wissen, Alles sei eins. Die Konjektur eËinai ist sachge-
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mäßer. Doch wir lassen das Verbum beiseite. Mit welchem Recht? Weil das ÊEn PaÂnta genügt. Aber es genügt nicht nur. Es bleibt für sich weit mehr der hier gedachten Sache und somit dem Stil des heraklitischen Sagens gemäß. ÊEn PaÂnta, Eins: Alles, Alles: Eins. Wie leicht spricht man diese Worte hin. Wie einleuchtend gibt sich das ins Ungefähre Gesprochene. Eine verschwimmende Mannigfaltigkeit von Bedeutungen nistet sich in die beiden gefährlich harmlosen Worte eÏn und paÂnta ein. Ihre unbestimmte Verknüpfung verstattet vieldeutige Aussagen. In den Worten eÊn paÂnta kann die flüchtige Oberflächlichkeit des ungefähren Vorstellens mit der zögernden Vorsicht des fragenden Denkens zusammentreffen. Ein eilfertiges Erklären der Welt kann sich des Satzes »Eins ist alles« bedienen, um sich damit auf eine überall und jederzeit irgendwie richtige Formel zu stützen. Aber auch die ersten, allem Geschick des Denkens weit voraus folgenden Schritte eines Denkers können sich im ÊEn PaÂnta verschweigen. In diesem anderen Fall sind die Worte Heraklits. Wir kennen ihren Gehalt nicht in dem Sinne, daß wir vermöchten, die Vorstellungsweise Heraklits wieder aufleben zu lassen. Wir sind auch weit davon entfernt, das in den Worten Gedachte nachdenkend auszumessen. Aber aus dieser weiten Ferne könnte es doch einmal glücken, einige Züge des Maßraumes der Worte ÏEn und PaÂnta und des Wortes ÊEn PaÂnta deutlicher zu zeichnen. Dieses Zeichnen bliebe eher ein freiwagendes Vorzeichnen als ein selbstsicheres Nachzeichnen. Wir dürfen eine solche Zeichnung freilich nur versuchen, wenn wir das von Heraklit Gesagte aus der Einheit seines Spruches bedenken. Der Spruch nennt, indem er sagt, was und wie
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Geschickliches ist, den LoÂgow. Der Spruch schließt mit ÏEn PaÂnta. Ist dieser Schluß nur ein Ende oder schließt er das zu Sagende erst zurücksprechend auf? Die gewöhnliche Auslegung versteht den Spruch des Heraklit so: es ist weise, auf den Ausspruch des LoÂgow zu hören und den Sinn des Ausgesprochenen zu beachten, indem man das Gehörte nachspricht in der Aussage: Eins ist Alles. Es gibt den LoÂgow. Dieser hat etwas zu verkünden. Es gibt dann auch das, was er verkündet, daß nämlich Alles Eins sei. Allein, das ÊEn PaÂnta ist nicht das, was der LoÂgow als Spruch verkündet und als Sinn zu verstehen gibt. ÊEn PaÂnta ist nicht das, was der LoÂgow aussagt, sondern ÊEn PaÂnta besagt, in welcher Weise der LoÂgow west.* ÏEn ist das Einzig-Eine als das Einende. Es eint, indem es versammelt. Es versammelt, indem es lesend vorliegen läßt das Vorliegende als solches und im Ganzen. Das Einzig-Eine eint als die lesende Lege. Dieses lesend-legende Einen versammelt in sich das Einende dahin, daß es dieses Eine und als dieses das Einzige ist. Das im Spruch des Heraklit genannte ÊEn PaÂnta gibt den einfachen Wink in das, was der LoÂgow ist. Kommen wir vom Weg ab, wenn wir vor allen tiefsinnigen metaphysischen Deutungen den LoÂgow als das LeÂgein denken und denkend damit ernst machen, daß das LeÂgein als lesendes beisammen-vor-liegen-Lassen nichts anderes sein kann als das Wesen des Einens, das alles ins All des einfachen Anwesens versammelta? Auf die Frage, was der LoÂgow sei, gibt es nur eine gemäße Antwort. Sie lautet in unserer Fassung: oë LoÂgow leÂgei. Er läßt beisama
[1954] 〈des Einens, das alles ins All des einfachen Anwesens versammelt〉**
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men-vor-liegen. Was? PaÂnta. Was dieses Wort nennt, sagt uns Heraklit unmittelbar und eindeutig am Beginn des Spruches B 7: EiÆ paÂnta taÁ oÍnta … »Wenn Alles (nämlich) das Anwesende …« Die lesende Lege hat als der LoÂgow Alles, das Anwesende, in die Unverborgenheit niedergelegt. Das Legen ist ein Bergen. Es birgt alles Anwesende in sein Anwesen, aus dem es eigens als das jeweilige Anwesende durch das sterbliche leÂgein ein- und hervor-geholt werden kann. Der LoÂgow legt ins Anwesen vor und legt das Anwesende ins Anwesen nieder, d. h. zurück. An-wesen besagt jedoch: hervorgekommen im Unverborgenen währen. Insofern der LoÂgow das Vorliegende als ein solches vorliegen läßt, entbirgt er das Anwesende in sein Anwesen. Das Entbergen aber ist die ÆAlhÂûeia. Diese und der LoÂgow sind das Selbe. Das leÂgein läßt aÆlhûeÂa, Unverborgenes als solches vorliegen (B 112). Alles Entbergen enthebt Anwesendes der Verborgenheit. Das Entbergen braucht die Verborgenheit. Die ÆA-LhÂûeia ruht in der LhÂûh, schöpft aus dieser, legt vor, was durch diese hinterlegt bleibt. Der LoÂgow ist in sich zumal ein Entbergen und Verbergen. Er ist die ÆAlhÂûeia. Die Unverborgenheit braucht die Verborgenheit, die LhÂûh, als ihre Rücklage, aus der das Entbergen gleichsam schöpft. Der LoÂgow, die lesende Lege, hat in sich den entbergend-bergenden Charakter. Insofern am LoÂgow zu ersehen ist, wie das ÏEn als das Einende west, zeigt sich zugleich, daß dieses im LoÂgow wesende Einen unendlich verschieden bleibt von dem, was man als Verknüpfen und Verbindena vorzustellen pflegt. Dieses im leÂgein beruhende Einen ist weder nur ein umfassendes Zusammengreifen, noch ein bloß ausgleichendes Verkoppeln der Gegensätze. Das ÊEn PaÂnta läßt beisammen in a
[1954] 〈Verknüpfen und Verbinden〉 Synthesis als Vermitteln.*
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einem Anwesen vorliegen, was voneinander weg- und so gegeneinander abwesta, wie Tag und Nacht, Winter und Sommer, Frieden und Krieg, Wachen und Schlafen, Dionysos und Hades. Solches durch die äußerste Weite zwischen An- und Abwesendem hindurch Ausgetragene, diaferoÂmenon, läßt die lesende Lege in seinem Austrag vorliegen. Ihr Legen selber ist das Tragende im Austrag. Das ÏEn selber ist austragend. ÊEn PaÂnta sagt, was der LoÂgow ist. LoÂgow sagt, wie ÊEn PaÂnta west. Beide sind das Selbe. Wenn das sterbliche leÂgein sich in den LoÂgow schickt, geschieht oëmologejn. Dieses versammelt sich im ÏEn auf dessen einendes Walten. Wenn das oëmologejn geschieht, ereignet sich Geschickliches. Dennoch ist das oëmologejn nie das Geschickliche selber und eigentlich. Wo finden wir nicht nur Geschickliches, sondern das Geschickliche schlichthin? Was ist dieses selbst? Heraklit sagt es eindeutig im Beginn des Spruches B 32*: ÊEn toÁ sofoÂn moonon, »das Einzig-Eine Alles Einende ist das Geschickliche allein«. Wenn jedoch das ÏEn das Selbe ist mit dem LoÂgow, dann ist oë LoÂgow toÁ sofoÁn mooon. Das allein und d. h. zugleich eigentlich Geschickliche ist der LoÂgow. Insofern jedoch sterbliches leÂgein als oëmologejn sich in das Geschickliche schickt, ist es auf seine Weise Geschickliches. Inwiefern ist aber der LoÂgow das Geschickliche, das eigentliche Geschick, d. h. die Versammlung des Schickens, das Alles je in das Seine schickt? Die lesende Lege versammelt alles Schicken bei sich, insofern es zubringend vorliegen läßt, jegliches An- und Abwesende auf seinen Ort und seine Bahn zuhält und alles ins All versammelnd birgt. So a
[1954] 〈voneinander weg- und so gegeneinander〉 zu 〈abwest〉
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[222]
kann sich alles und jedes jeweils in das Eigene schicken und fügen. Heraklit sagt (B 64): TaÁ deÁ PaÂnta oiÆakiÂzei KeraynoÂw. »Das Alles jedoch (des Anwesenden) steuert (ins Anwesen) der Blitz.« Das Blitzen legt jäh, in einem zumal, alles Anwesende ins Lichte seines Anwesens hervor. Der jetzt genannte Blitz steuert. Er bringt jegliches im voraus auf seinen ihm gewiesenen Wesensort zu. Solches Hinbringen in einem zumal ist die lesende Lege, der LoÂgow. »Der Blitz« steht hier als nennendes Wort für Zeus. Dieser ist als der Höchste der Götter das Geschick des Alls. Demgemäß wäre der LoÂgow, das ÊEn PaÂnta, nichts anderes als der oberste Gott. Das Wesen des LoÂgow gäbe so einen Wink in die Gottheit des Gottes. Dürfen wir jetzt LoÂgow, ÊEn PaÂnta, ZeyÂw in eins setzen und gar noch behaupten, Heraklit lehre den Pantheismus? Heraklit lehrt weder diesen, noch lehrt er eine Lehre. Als Denker gibt er nur zu denken. Im Hinblick auf unsere Frage, ob LoÂgow (ÊEn PaÂnta) und ZeyÂw das Selbe seien, gibt er sogar Schweres zu denken. Daran hat das vorstellende Denken der nachkommenden Jahrhunderte und Jahrtausende lang und ohne es zu bedenken getragen, um schließlich die unbekannte Bürde mit Hilfe des schon bereitgestellten Vergessens abzuwerfen. Heraklit sagt (B 32): ÊEn toÁ SofoÁn moonon leÂgesûai oyÆk eÆûeÂlei kaiÁ eÆûeÂlei ZhnoÁw oÍnoma. »Eins, das allein Weise, will nicht und will doch mit dem Namen Zeus benannt werden.« (Diels-Kranz)* [223]
Das tragende Wort des Spruches, eÆûeÂlv, bedeutet nicht »wollen«, sondern: von sich her bereit sein für …; eÆûeÂlv
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meint nicht ein bloßes Fordern, sondern: in der Rückbeziehung auf sich selber etwas zulassena. Damit wir jedoch das Gewicht des im Spruch Gesagten recht abwägen, müssen wir erwägen, was der Spruch in erster Linie sagt: ÊEn … leÂgesûai oyÆk eÆûeÂlei. »Das Einzig-Eine-Einende, die lesende Lege, ist nicht bereit …« Wofür? leÂgesûai, versammelt zu werden unter dem Namen »Zeus«. Denn durch solche Versammlung käme das ÏEn als Zeus zum Vorschein, der vielleicht immer nur ein Anschein bleiben müßte. Daß in dem angeführten Spruch von leÂgesûai in unmittelbarer Beziehung zu oÍnoma (nennendes Wort) die Rede ist, bezeugt doch unbestreitbar die Bedeutung von leÂgein als sagen, reden, nennen. Indessen ist gerade dieser Heraklitspruch, der eindeutig allem zu widersprechen scheint, was im Voraufgegangenen über leÂgein und loÂgow erörtert wurde, geeignet, uns erneut daran denken zu lassen, daß und inwiefern das leÂgein in seiner Bedeutung von »sagen« und »reden« nur verstehbar ist, wenn es in seiner eigensten Bedeutung als »legen« und »lesen« bedacht wird. Nennen heißt: hervor-rufen. Das im Namen gesammelt Niedergelegte kommt durch solches Legen zum Vorliegen und Vorschein. Das vom leÂgein her gedachte Nennen (oÍnoma) ist kein Ausdrückenb einer Wortbedeutung, sondern ein vor-liegen-Lassen in dem Licht, worin etwas dadurch steht, daß es einen Namen hat. In erster Linie ist das ÏEn, der LoÂgow, das Geschick alles Geschicklichen, von seinem eigensten Wesen her nicht bereit, unter dem Namen »Zeus«, das heißt als dieser zu erscheinen: oyÆk eÆûeÂlei. Erst darauf folgt kaiÁ eÆûeÂlei »aber auch bereit« ist das ÏEn. a b
[1954] 〈etwas zulassen〉 [1954] 〈kein Ausdrücken〉
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[224]
Ist es nur eine Art zu reden, wenn Heraklit zuerst sagt, das ÏEn lasse die fragliche Nennung nicht zu, oder hat der Vorrang der Verneinung seinen Grund in der Sache? Denn das ÊEn PaÂnta ist als der LoÂgow das Anwesenlassen alles Anwesenden. Das ÏEn ist selbst jedoch kein Anwesendes unter anderem. Es ist in seiner Weise einzig. Zeus dagegen ist nicht nur ein Anwesendes unter anderen. Er ist das höchste Anwesende. So bleibt Zeus auf eine ausnehmende Weise in das Anwesen gewiesen, diesem zugeteilt und gemäß solcher Zuteilung (Mojra) versammelt in das alles versammelnde ÏEn, in das Geschick. Zeus ist nicht selbst das ÏEn, wenngleich er als der Blitz steuernd die Schickungen des Geschickes vollbringt. Daß in Bezug auf das eÆûeÂlei das oyÆk zuerst genannt wird, besagt: eigentlich läßt das ÏEn es nicht zu, Zeus genannt und damit auf das Wesen eines Anwesenden unter anderem herabgesetzt zu werden, mag hier auch das »unter« den Charakter des »über allem übrigen Anwesenden« haben. Andererseits läßt jedoch das ÏEn nach dem Spruch die Benennung als Zeus auch wieder zu. Inwiefern? Die Antwort ist im soeben Gesagten schon enthalten. Wird das ÏEn nicht von ihm selbst her als der LoÂgow vernommen, erscheint es vielmehr als das PaÂnta, dann und nur dann zeigt sich das All des Anwesenden unter dem Steuer des höchsten Anwesenden als das eine Ganze unter diesem Einen. Das Ganze des Anwesenden ist unter seinem Höchsten das ÏEn als Zeus. Das ÏEn selbst jedoch als ÊEn PaÂnta ist der LoÂgow, die lesende Lege. Als der LoÂgow ist das ÏEn allein toÁ SofoÂn, das Geschickliche als das Geschick selber: die Versammlung des Schickens ins Anwesen. Wenn dem aÆkoyÂein der Sterblichen einzig am LoÂgow, an der lesenden Lege, gelegen ist, dann hat sich das sterbliche
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leÂgein in das Gesamt des LoÂgow schicklich verlegt. Das sterbliche leÂgein liegt im LoÂgow geborgen. Vom Geschick her ist es in das oëmologejn er-eignet*. So bleibt es dem LoÂgow vereignet. Auf solche Weise ist das sterbliche leÂgein geschicklich. Aber es ist nie das Geschick selbst: ÊEn PaÂnta als oë LoÂgow.
Jetzt, da der Spruch des Heraklit deutlicher spricht, droht sein Gesagtes erneut ins Dunkel zu entfliehen. Das ÊEn PaÂnta enthält zwar den Wink in die Weise, wie der LoÂgow in seinem leÂgein west. Doch bleibt das leÂgein, mag es als legen, mag es als sagen gedacht sein, nicht stets nur eine Art des sterblichen Verhaltens? Wird nicht, wenn ÊEn PaÂnta der LoÂgow sein soll, ein gesonderter Zug des sterblichen Wesens zum Grundzug dessen hinaufgesteigert, was über allem, weil vor allem sterblichen und unsterblichen Wesen das Geschick des Anwesens selber ist? Liegt im LoÂgow die Erhöhung und Übertragung einer sterblichen Wesensart auf das Einzig-Eine? Bleibt das sterbliche leÂgein nur die nachgebildete Entsprechung zu dem LoÂgow, der in sich das Geschick ist, worin das Anwesen als solches und für alles Anwesende beruht? Oder reicht solches Fragen, das sich am Leitfaden eines Entweder-Oder aufspannt, überhaupt nicht zu, weil im voraus nie hin in das zu Erfragende? Steht es so, dann kann der LoÂgow weder die Übersteigerung des sterblichen leÂgein, noch dieses nur die Nachbildung des maßgebenden LoÂgow sein. Dann hat sowohl das Wesende im leÂgein des oëmologejn, als auch das Wesende im leÂgein des LoÂgow zugleich eine anfänglichere Herkunft in der einfachen Mitte zwischen beiden. Gibt es dahin für sterbliches Denken einen Weg? In jedem Falle bleibt der Pfad zunächst gerade durch die Wege, die das frühgriechische Denken den Nachkommenden öffnet, verlegt und verrätselt. Wir beschränken uns
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darein, erst einmal vor dem Rätsel zurückzutretena, um einiges Rätselhafte an ihm zu erblicken.* Der angeführte Spruch des Heraklit (B 50) lautet in der erläuternden Übertragung: »Nicht mich, den sterblichen Sprecher, hört an; aber seid horchsam der lesenden Lege; gehört ihr erst dieser, dann hört ihr damit eigentlich; solches Hören ist, insofern ein beisammen-vor-liegen-Lassen geschieht, dem das Gesamt, das versammelnde liegen-Lassen, die lesende Lege vorliegt; wenn ein liegen-Lassen geschieht des vor-liegen-Lassens, ereignet sich Geschickliches; denn das eigentlich Geschickliche, das Geschick allein, ist: das Einzig-Eine einend Alles.«
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Stellen wir die Erläuterungen, ohne sie zu vergessen, auf die Seite, versuchen wir das Gesprochene Heraklits in unsere Sprache herüberzusetzen, dann dürfte sein Spruch lauten: »Nicht mir, aber der lesenden Lege gehörig: Selbes liegen lassen: Geschickliches west (die lesende Lege): Eines einend Alles.« Geschicklich sind die Sterblichen, deren Wesen dem oëmologejn vereignet bleibt, wenn sie den LoÂgow als das ÊEn PaÂnta ermessen und seiner Zumessung gemäß werden. Darum sagt Heraklit (B 43): ÏYbrin xrhÁ sbennyÂnai mfllon hà pyrkaiÈhÂn.
»Vermessenheit braucht es zu löschen eher denn Feuersbrunst.« a
[1954] 〈vor dem Rätsel zurückzutreten〉
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Dergleichen braucht es, weil der LoÂgow das oëmologejn braucht, wenn Anwesendes im Anwesen scheinen und erscheinen soll. Das oëmologejn schickt sich unvermessen in das Ermessen des LoÂgow. Weither vernehmen wir aus dem erstgenannten Spruch (B 50) eine Weisung, die sich im letztgenannten Spruch (B 43) als die Not des Nötigsten uns zuspricht: Bevor ihr euch auf die Feuersbrünste einlaßt, sei es, um sie zu entfachen, sei es, um sie zu löschen, löscht zuvor erst den Brand der Vermessenheit, die sich deshalb vermißt, in der Maßnahme versieht, weil sie das Wesen des LeÂgein vergißt.* Die Übersetzung von leÂgein als gesammelt-vorliegen-lassen, von LoÂgow als lesende Lege mag befremden. Doch es ist heilsamer für das Denken, wenn es im Befremdlichen wandert, statt sich im Verständlichen einzurichten. Vermutlich hat Heraklit seine Zeitgenossen noch ganz anders, und zwar dadurch befremdet, daß er die ihnen geläufigen Worte leÂgein und LoÂgow in ein solches Sagen verwob und daß ihm oë LoÂgow zum Leitwort seines Denkens wurde. Wohin geleitet dieses Wort oë LoÂgow, das wir jetzt als die lesende Lege nachzudenken versuchen, das Denken Heraklits? Das Wort oë LoÂgow nennt Jenes, das alles Anwesende ins Anwesen versammelt und darin vorliegen läßt.a ëO LoÂgow nennt Jenes, worin sich das Anwesen des Anwesenden ereignet. Das Anwesen des Anwesenden heißt bei den Griechen toÁ eÆoÂn, d. h. toÁ eknai tln oÍntvn, römisch: esse entium; wir sagen: das Sein des Seienden. Seit dem Beginn des abendländischen Denkens entfaltet sich das Sein des Seienden als das einzig Denkwürdige. Wenn wir diese historische Feststela
[1954] aÆl. [aÆlhÂûeia]
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lung geschichtlich denken, dann zeigt sich erst, worin der Beginn des abendländischen Denkens beruht: daß im Zeitalter des Griechentums das Sein des Seienden zum Denkwürdigen wird, ist der Beginn des Abendlandes, ist der verborgene Quell seines Geschickes. Verwahrte* dieser Beginn nicht das Gewesene, d. h. die Versammlung des noch Währenden, dann waltete jetzt nicht das Sein des Seienden aus dem Wesen der neuzeitlichen Technik. Durch dieses wird heute der ganze Erdball auf das abendländisch erfahrene, in der Wahrheitsform der europäischen Metaphysik und Wissenschaft vorgestellte Sein um- und festgestellt. Im Denken Heraklits erscheint das Sein (Anwesen) des Seienden als oë LoÂgow, als die lesende Lege. Aber dieser Aufblitz des Seins bleibt vergessen. Die Vergessenheit wird ihrerseits noch dadurch verborgen, daß sich die Auffassung des LoÂgow alsbald wandelt. Darum liegt es zunächst und für eine lange Zeit außerhalb des Vermutbaren, im Wort oë LoÂgow könnte sich gar das Seina des Seienden zur Sprache gebracht haben.** Was geschieht, wenn das Sein des Seienden, das Seiende in seinem Sein, wenn der Unterschied beider als Unterschied zur Sprache gebracht wird? »Zur Sprache bringen« heißt für uns gewöhnlich: etwas mündlich oder schriftlich ausdrücken. Aber die Wendung möchte jetzt anderes denken: zur Sprache bringen: Sein in das Wesen der Sprache bergen. Dürfen wir vermuten, daß solches sich vorbereitete, als für Heraklit oë LoÂgow zum Leitwort seines Denkens, weil zum Namen des Seins des Seienden wurde? ëO LoÂgow, toÁ LeÂgein ist die lesende Lege. Doch leÂgein heißt für die Griechen immer zugleich: vorlegen, darlegen, erzählen, sagen. ëO LoÂgow wäre dann der griechische Name a
[1954] 〈Sein〉
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für das Sprechen als Sagen, für die Sprache. Nicht nur dies. ëO LoÂgow wäre, als die lesende Lege gedacht, das griechisch gedachte Wesen der Sage. Sprache wäre Sage. Sprache wäre: versammelndes vorliegen-Lassen des Anwesenden in seinem Anwesen. In der Tat: die Griechen wohnten in diesem Wesen der Sprache. Allein, sie haben dieses Wesen der Sprache niemals gedacht, auch Heraklit nicht. So erfahren die Griechen zwar das Sagen. Aber sie denken niemals, auch Heraklit nicht, das Wesen der Sprache eigens als den LoÂgow, als die lesende Lege. Was hätte sich ereignet, wenn Heraklit – und seit ihm die Griechen – eigens das Wesen der Sprache als LoÂgow, als die lesende Lege gedacht hätten! Nichts Geringeres hätte sich ereignet als dieses: die Griechen hätten das Wesen der Sprache aus dem Wesen des Seins, ja sogar als dieses selbst gedacht. Denn oë LoÂgow ist der Name für das Sein des Seienden. Doch all dieses ereignete sich nicht. Nirgends finden wir eine Spur davon, daß die Griechen das Wesen der Sprache unmittelbar aus dem Wesen des Seins dachten. Statt dessen wurde die Sprache – und zwar durch die Griechen zuerst – von der Verlautbarung her vorgestellt als fvnhÂ, als Laut und Stimme, phonetischa. Das griechische Wort, das unserem Wort »Sprache« entspricht, heißt gllssa, die Zunge.* Die Sprache ist fvnhÁ shmantikhÂ, Verlautbarung, die etwas bezeichnet. Dies besagt: die Sprache gelangt zum voraus in den Grundcharakter, den wir dann mit dem Namen »Ausdruck« kennzeichnen. Diese zwar richtige, aber von außen her genommene Vorstellung von der Sprache, Sprache als Ausdruck, bleibt fortan maßgebend. Sie ist es heute noch. Sprache gilt als Ausdruck und umgekehrt. Jede Art des Ausdrückens stellt man gern als eine Art von a
[1954] 212
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Sprache vor. Die Kunsthistorie redet von der Formensprache. Einmal jedoch, im Beginn des abendländischen Denkens, blitzte das Wesen der Sprache im Lichte des Seins auf. Einmal, da Heraklit den LoÂgow als Leitwort dachte, um in diesem Wort das Sein des Seienden zu denken. Aber der Blitz verlosch jäh. Niemand faßte seinen Strahl und die Nähe dessen, was er erleuchtete. Wir sehen diesen Blitz erst, wenn wir uns in das Gewitter des Seins stellen. Doch heute spricht alles dafür, daß man lediglich bemüht ist, das Gewitter zu vertreiben. Man veranstaltet mit allen nur möglichen Mitteln ein Wetterschießen, um vor dem Gewitter Ruhe zu haben. Doch diese Ruhe ist keine Ruhe. Sie ist nur eine Betäubung, zuerst die Betäubung der Angst vor dem Denken. Um das Denken freilich ist es eine eigene Sache.* Das Wort der Denker hat keine Autorität. Das Wort der Denker kennt keine Autoren im Sinne der Schriftsteller. Das Wort des Denkens ist bildarm und ohne Reiz. Das Wort des Denkens ruht in der Ernüchterung zu dem, was es sagt. Gleichwohl verändert das Denken die Welt. Es verändert sie in die jedesmal dunklere Brunnentiefe eines Rätsels, die als dunklere das Versprechen auf eine höhere Helle ist. Das Rätsel ist uns seit langem zugesagt im Wort »Sein«. Darum bleibt »Sein« nur das vorläufige Wort. Sehen wir zu, daß unser Denken ihm nicht blindlings nur nachläuft. Bedenken wir erst, daß »Sein« anfänglich »Anwesen« heißt und »Anwesen«: her-vor-währen in die Unverborgenheit.
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MOIRA a
[231]
(PARMENIDES VIII, 34 – 41)*
as Verhältnis von Denken und Sein bewegt alle abendländische Besinnung. Es bleibt der unversehrliche Prüfstein, an dem ersehen werden kann, inwieweit und auf welche Art die Gunst und das Vermögen gewährt sind, in die Nähe zu dem zu gelangen, was sich dem geschichtlichen Menschen als das zu-Denkende zuspricht. Parmenides nennt das Verhältnis in seinem Spruch (Fragment III):
D
toÁ gaÁr ayÆtoÁ noejn eÆstiÂn te kaiÁ eknai.
Denn dasselbe ist Denken und Sein. Parmenides erläutert den Spruch an anderer Stelle im Fragment VIII, 34 – 41. Sie lautet: tayÆtoÁn dÆeÆstiÁ noejn te kaiÁ oyÏneken eÍsti noÂhma. oyÆ gaÁr aÍney too eÆoÂntow, eÆn ni pefatismeÂnon eÆstin, eyërhÂseiw toÁ noejn b . oyÆdeÁn gaÁr hà eÍstin hà eÍstai aÍllo paÂrej too eÆoÂntow, eÆpeiÁ to ge MojrÆ eÆpeÂdhsen oyËlon aÆkiÂnhtoÂn tÆ eÍmmenai . tli paÂntÆ oÍnomÆ eÍstai, oÏssa brotoiÁ kateÂûento pepoiûoÂtew eËinai aÆlhûg,
a
b
[1954] vgl. das Gespräch mit J[ean] Beaufret zu Fr[agment] IV – Mai 1971 und Oktober 1971.** [1954] ob[en] 141 f.
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giÂgnesûai te kaiÁ oÍllysûai, eknai te kaiÁ oyÆxiÂ, kaiÁ toÂpon aÆllaÂssein dia te xroÂa fanoÁn aÆmeiÂbein.
[232]
»Dasselbe ist Denken und der Gedanke, daß IST* ist; denn nicht ohne das Seiende, in dem es als Ausgesprochenes ist, kannst du das Denken finden. Es ist ja nichts oder wird nichts anderes sein außerhalb des Seienden, da es ja die Moira daran gebunden hat, ein Ganzes und unbeweglich zu sein. Darum wird alles bloßer Name sein, was die Sterblichen so festgesetzt haben, überzeugt, es sei wahr: ›Werden‹ sowohl als ›Vergehen‹, ›Sein‹ sowohl als ›Nichtsein‹ und ›Verändern des Ortes‹ und ›Wechseln der leuchtenden Farbe‹.« (Walther Kranz)**
Inwiefern bringen diese acht Verszeilen das Verhältnis von Denken und Sein deutlicher ans Licht? Sie scheinen das Verhältnis eher zu verdunkeln, weil sie selber ins Dunkel führen und uns im Ratlosen lassen. Darum suchen wir zuvor eine Belehrung über das Verhältnis von Denken und Sein, indem wir die bisherigen Auslegungen in ihren Grundzügen verfolgen. Sie bewegen sich jeweils in einer der drei Hinsichten, die kurz erwähnt seien, ohne daß wir im einzelnen weitläufig darstellen, inwiefern sie durch den Text des Parmenides belegbar sind. Einmal findet man das Denken vor im Hinblick darauf, daß es als etwas Vorhandenes neben vielem anderen auch vorkommt und in solchem Sinne »ist«. Dies also Seiende muß demgemäß wie jedes seinesgleichen dem übrigen Seienden zugerechnet und mit diesem in eine Art des zusammenfassenden Ganzen verrechnet werden. Diese Einheit des Seienden heißt das Sein. Weil das Denken als etwas Seiendes mit jedem anderen Seienden gleichartig ist, erweist sich das Denken als das Gleiche wie das Sein.
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Um dergleichen festzustellen, bedarf es kaum der Philosophie. Die Einordnung des Vorhandenen in das Ganze des Seienden ergibt sich wie von selbst und betrifft nicht nur das Denken. Auch das Befahren des Meeres, das Bauen von Tempeln, das Reden in der Volksversammlung, jede Art menschlichen Tuns gehört zum Seienden und ist so das Gleiche wie das Sein. Man wundert sich, weshalb Parmenides darauf bestand, gerade hinsichtlich des menschlichen Tuns, das Denken heißt, noch ausdrücklich festzustellen, daß es in den Bereich des Seienden falle. Man könnte sich vollends wundern, weshalb Parmenides für diesen Fall noch eine besondere Begründung anfügt und zwar durch den Gemeinplatz, außerhalb des Seienden und neben dem Seienden im Ganzen sei kein Seiendes sonst. Doch recht besehen, wundert man sich dort längst nicht mehr, wo die Lehre des Parmenides noch in der geschilderten Weise vorgestellt wird. Man ist über sein Denken hinausgekommen, das jetzt unter die groben und unbeholfenen Bemühungen fällt, für die es freilich noch eine Anstrengung war, jegliches vorkommende Seiende, unter anderem auch das Denken, erst einmal in das Ganze des Seienden einzuordnen. Darum lohnt es sich auch für unsere Besinnung kaum noch, auf diese massive Auslegung des Verhältnisses von Denken und Sein, die alles nur von der Masse des vorhandenen Seienden her vorstellt, einen Blick zu werfen. Indessen gibt sie uns den unschätzbaren Anlaß, eigens und im voraus einzuschärfen, daß Parmenides nirgends die Rede darauf bringt, das Denken sei auch eines der vielen eÆoÂnta, des mannigfaltigen Seienden, davon jegliches bald ist, bald nicht ist und darum stets beides zumal, zu sein und nicht zu sein, in den Anschein bringt: Vorkommendes und Weggehendes.
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[234]
Gegenüber der genannten, jedermann sogleich eingängigen Auslegung des Parmenidesspruches findet eine andere und nachdenklichere Behandlung des Textes in den Versen VIII, 34 ff. wenigstens »schwerverständliche Äußerungen«. Zur Erleichterung des Verständnisses muß man sich nach einer geeigneten Hilfe umsehen. Wo findet man sie? Offenbar in einem Verstehen, das gründlicher in das Verhältnisa von Denken und Sein eingedrungen ist, das Parmenides zu denken versucht. Solches Eindringen bekundet sich in einem Fragen. Es betrifft das Denken, das heißt das Erkennen hinsichtlich seiner Beziehung zum Sein, das heißt zur Wirklichkeit. Die Betrachtung des so verstandenen Verhältnisses zwischen Denken und Sein ist ein Hauptanliegen der neuzeitlichen Philosophie. Sie hat dafür schließlich eine besondere Disziplin, die Erkenntnistheorie, ausgebildet, die heute noch vielfach als das grundlegende Geschäft der Philosophie gilt. Es hat nur den Titel gewechselt und heißt jetzt »Metaphysik« oder »Ontologie der Erkenntnis«. Seine heute maßgebende und weittragendste Gestalt entwickelt sich unter dem Namen »Logistik«. In dieser gelangt der Spruch des Parmenides durch eine seltsame, vormals unvermutbare Verwandlung zu einer entscheidenden Herrschaftsform. So weiß sich denn die neuzeitliche Philosophie überall in den Stand gesetzt, von ihrem sich überlegen dünkenden Standort aus dem Spruch des Parmenides über das Verhältnis von Denken und Sein den wahren Sinn zu geben. Angesichts der ungebrochenen Macht des neuzeitlichen Denkens (Existenzphilosophie und Existenzialismus sind neben der Logistik seine wirksamsten Ableger) ist es nötig, die maßgebende Hinsicht deutlicher hervorzuheben, innerhalb deren sich die neuzeitliche Deutung des Parmenidesspruches bewegt. a
[1954] 〈Verhältnis〉
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Die neuzeitliche Philosophie erfährt das Seiende als den Gegenstand. Es kommt zu seinem Entgegenstehen durch die Perception und für sie. Das percipere greift, was Leibniz deutlicher sah, als appetitus nach dem Seienden aus, greift es an, um es durchgreifend im Begriff an sich zu bringen und seine Präsenz auf das percipere zurückzubeziehen (repraesentare). Die repraesentatio, die Vorstellung, bestimmt sich als das percipierende auf sich (das Ich) Zu-stellen dessen, was erscheint. Unter den Lehrstücken der neuzeitlichen Philosophie ragt ein Satz hervor, der auf jeden wie eine Erlösung wirken muß, der versucht, mit ihrer Hilfe den Spruch des Parmenides aufzuklären. Wir meinen den Satz Berkeleys, der auf der metaphysischen Grundstellung von Descartes fußt und lautet: esse = percipi*: Sein ist gleich Vorgestelltwerden. Das Sein gelangt in die Botmäßigkeit zum Vorstellen im Sinne der Perception. Der Satz schafft erst den Raum, innerhalb dessen der Spruch des Parmenides einer wissenschaftlich-philosophischen Auslegung zu gänglich und so dem Dunstkreis eines halbpoetischen Ahnens, worin man das vorsokratische Denken vermutet, entzogen wird. Esse = percipi, Sein ist Vorgestelltwerden. Sein ist kraft des Vorstellens. Das Sein ist gleich dem Denken, insofern sich die Gegenständigkeit der Gegenstände im vorstellenden Bewußtsein, im »ich denke etwas« zusammenstellt, konstituiert. Im Lichte dieser Aussage über die Beziehung von Denken und Sein nimmt sich der Spruch des Parmenides wie eine ungeschlachte Vorform der neuzeitlichen Lehre von der Wirklichkeit und ihrer Erkenntnis aus. Es ist wohl kein Zufall, daß Hegel in seinen »Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie« (WW XIII, 2. Aufl., S. 274)** den Spruch des Parmenides über das Verhältnis von Denken und Sein in der Form des Fragmentes VIII anführt und übersetzt: MOIRA
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[235]
»›Das Denken und das, um weswillen der Gedanke ist, ist dasselbe. Denn nicht ohne das Seiende, in welchem es sich ausspricht (eÆn vÎì pefatismeÂnon eÆstin), wirst du das Denken finden, denn es ist nichts und wird nichts sein, außer dem Seienden.‹ Das ist der Hauptgedanke. Das Denken produziert sich; und was produziert wird, ist ein Gedanke. Denken ist also mit seinem Sein identisch; denn es ist nichts außer dem Sein, dieser großen Affirmation.« Sein ist für Hegel die Bejahung des sich selbst pro-duzierenden Denkens. Sein ist Produktion des Denkens, der Perception, als welche schon Descartes die idea deutet. Durch das Denken wird Sein als Bejahtheit und Gesetztheit des Vorstellens in den Bereich des »Ideellen« versetzt. Auch für Hegel ist, nur in einer unvergleichlich durchdachteren und durch Kant vermittelten Weise, Sein das gleiche wie Denken. Sein ist dasselbe wie Denken, nämlich dessen Ausgesagtes und Bejahtes. So kann Hegel aus dem Gesichtskreis der neuzeitlichen Philosophie über den Spruch des Parmenides also urteilen: [236]
»Indem hierin die Erhebung in das Reich des Ideellen zu sehen ist, so hat mit Parmenides das eigentliche Philosophieren angefangen; … Dieser Anfang ist freilich noch trübe und unbestimmt, und es ist nicht weiter zu erklären, was darin liegt; aber gerade dieß Erklären ist die Ausbildung der Philosophie selbst, die hier noch nicht vorhanden ist« (a. a. O. S. 274 ff.). Vorhanden ist die Philosophie für Hegel erst dort, wo das Sichselbstdenken des absoluten Wissens die Wirklichkeit selbst und schlechthin ist. In der spekulativen Logik und
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als diese geschieht die sich vollendende Erhebung des Seins in das Denken des Geistes als der absoluten Wirklichkeit. Im Horizont dieser Vollendung der neuzeitlichen Philosophie erscheint der Spruch des Parmenides als der Beginn des eigentlichen Philosophierens, d. h. der Logik im Sinne Hegels; doch nur als Beginn. Dem Denken des Parmenides fehlt noch die spekulative, d. h. dialektische Form, die Hegel indes bei Heraklit findet. Von diesem sagt er: »Hier sehen wir Land; es ist kein Satz des Heraklit, den ich nicht in meine Logik aufgenommen« (a. a. O. S. 301.). Hegels »Logik« ist nicht nur die einzig gemäße neuzeitliche Auslegung des Berkeleyschen Satzes, sie ist dessen unbedingte Verwirklichung. Daß Berkeleys Satz esse = percipi auf dem beruht, was der Spruch des Parmenides erstmals zur Sprache gebracht hat, duldet keinen Zweifel. Aber diese geschichtliche Zusammengehörigkeit des neuzeitlichen Satzes mit dem altertümlichen Spruch gründet zugleich und eigentlich in einer Verschiedenheit des hier und dort Gesagten und Gedachten, wie sie entschiedener kaum ermessen werden kann. Die Verschiedenheit geht so weit, daß durch sie die Möglichkeit eines Wissens von Unterschiedenem abgestorben, verschieden ist. Mit dem Hinweis auf diese Verschiedenheit deuten wir zugleich an, inwiefern unsere Auslegung des Parmenidesspruches aus einer ganz anderen Denkweise kommt als diejenige Hegels. Enthält der Satz esse = percipi die gemäße Auslegung des Spruches: toÁ gaÁr ayÆtoÁ noejn eÆstiÂn te kaiÁ eknai? Sagen beide Aussagen, falls wir sie dafür halten dürfen, Denken und Sein sei dasselbe? Und selbst wenn sie dies sagen, sagen sie es im gleichen Sinne? Dem aufmerksamen Blick zeigt sich sogleich ein Unterschied beider Aussagen, den man als anscheinend äußerlichen
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leicht abtun möchte. Parmenides nennt an beiden Stellen (Fragment III und VIII, 34) den Spruch so, daß jeweils das noejn (Denken) dem eknai (Sein) voraufgeht. Berkeley dagegen nennt das esse (Sein) vor dem percipi (Denken). Dies scheint darauf zu deuten, daß Parmenides dem Denken den Vorrang gibt, Berkeley jedoch dem Sein. Indes trifft das Gegenteil zu. Parmenides überantwortet das Denken dem Sein. Berkeley verweist das Sein in das Denken. In einer Entsprechung, die sich mit dem griechischen Spruch einigermaßen decken könnte, müßte der neuzeitliche Satz lauten: percipi = esse. Der neuzeitliche Satz sagt etwas über das Sein im Sinne der Gegenständigkeit für das durchgreifende Vorstellen aus. Der griechische Spruch spricht das Denken als das versammelnde Vernehmen dem Sein im Sinne des Anwesens zu. Darum geht jede Deutung des griechischen Spruches, die sich im Gesichtskreis des neuzeitlichen Denkens bewegt, im vorhinein fehl. Dennoch genügen diese in mannigfachen Formen spielenden Deutungen einer unumgänglichen Aufgabe: sie machen das griechische Denken dem neuzeitlichen Vorstellen zugänglich und bestätigen dieses in seinem von ihm selbst gewollten Fortschreiten zu einer »höheren« Stufe der Philosophie. Die erste der drei Hinsichten, die alle Auslegungen des Parmenidesspruches bestimmen, stellt das Denken als etwas Vorhandenes vor und reiht es in das übrige Seiende ein. Die zweite Hinsicht begreift neuzeitlich das Sein im Sinne der Vorgestelltheit von Gegenständen als Gegenständigkeit für das Ich der Subjektivität. Die dritte Hinsicht folgt einem Grundzug der durch Platon bestimmten antiken Philosophie. Nach der sokratisch-platonischen Lehre machen die Ideen an jedem Seienden das »seiend« aus. Die Ideen gehören aber nicht in
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den Bereich der aiÆsûhtaÂ, des sinnlich Vernehmbaren. Die Ideen sind rein nur im noejn, im nichtsinnlichen Vernehmen schaubar. Das Sein gehört in den Bereich der nohtaÂ, des Nicht- und Übersinnlichen. Plotin deutet den Spruch des Parmenides im platonischen Sinne. Demnach will Parmenides sagen: Sein ist etwas Nichtsinnliches. Das Gewicht des Spruches fällt, nur in einem anderen Sinne als für die neuzeitliche Philosophie, auf das Denken. Durch dessen nichtsinnliche Art wird das Sein gekennzeichnet. Nach der neuplatonischen Auslegung des Parmenidesspruches ist er weder eine Aussage über das Denken, noch eine solche über das Sein, noch gar eine solche über das Wesen der Zusammengehörigkeit beider als verschiedener. Der Spruch ist die Aussage über die gleichmäßige Zugehörigkeit beider in den Bereich des Nichtsinnlichen. Jede der drei Hinsichten rückt das frühe Denken der Griechen in den Herrschaftsbereich von Fragestellungen der nachkommenden Metaphysik. Vermutlich muß jedoch alles spätere Denken, das ein Gespräch mit dem frühen versucht, jeweils aus seinem eigenen Aufenthaltsbereich her hören und so das Schweigen des frühen Denkens in ein Sagen bringen. Hierdurch wird zwar das frühere Denken unvermeidlich in das spätere Gespräch einbezogen, in dessen Hörfeld und Gesichtskreis versetzt und so gleichsam der Freiheit seines eigenen Sagens beraubt. Dennoch zwingt solcher Einbezug keineswegs zu einer Auslegung, die sich darin erschöpft, das im Beginn des abendländischen Denkens Gedachte nur in die späteren Vorstellungsweisen umzudeuten. Alles liegt daran, ob sich das eröffnete Gespräch zum voraus und je und je erneut dafür freigibt, dem zu erfragenden Anspruch des frühen Denkens zu entsprechen, oder ob das Gespräch sich ihm verschließt und das frühe Denken mit späteren Lehrmeinungen überdeckt.
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Solches ist schon geschehen, sobald das spätere Denken versäumt, dem Hörfeld und Gesichtskreis des frühen Denkens eigens nachzufragen. Eine Bemühung darum darf sich indes nicht in einer historischen Nachforschung erschöpfen, die nur feststellt, was dem früheren Denken an unausgesprochenen Voraussetzungen zugrundeliegt, wobei die Voraussetzungen darnach errechnet werden, was für die spätere Auslegung als schon gesetzte Wahrheit und was nicht mehr als eine solche gilt, insofern es durch die Entwicklung überholt ist. Jenes Nachfragen muß statt dessen eine Zwiesprache sein, in der die frühen Hörfelder und Gesichtskreise nach ihrer Wesensherkunft bedacht werden, damit jenes Geheiß sich zuzusagen anfängt, unter dem das frühe und das nachfolgende und das kommende Denken, jedes auf seine Art, stehen. Ein Versuch solchen Nachfragens wird sein erstes Augenmerk auf die dunklen Stellen eines frühen Textes richten und sich nicht bei jenen ansiedeln, die den Anschein des Verständlichen vor sich her tragen; denn so ist das Gespräch zu Ende, bevor es begonnen hat. Die nachstehende Erörterung beschränkt sich darauf, den angeführten Text mehr nur in der Folge vereinzelter Erläuterungen zu durchgehen. Sie möchten eine denkende Übersetzung des frühen griechischen Sagens in das Kommende eines zum Anfang erwachten Denkens vorbereiten helfen.
I Das Verhältnis von Denken und Sein steht zur Erörterung. Allem zuvor müssen wir beachten, daß der Text (VIII, 34 ff.), der das Verhältnis eingehender bedenkt, vom eÆoÂn
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spricht und nicht wie das Fragment III vom eiÎnai. Sogleich kommt man deshalb und sogar mit einem gewissen Recht auf die Meinung, im Fragment VIII sei nicht vom Sein, sondern vom Seienden die Rede. Doch Parmenides denkt im Namen eÆoÂn keineswegs das Seiende an sich, worein als das Ganze auch das Denken gehört, insofern es etwas Seiendes ist. Ebensowenig meint eÆoÂn das eknai im Sinne des Seins für sich, gleich als ob dem Denker daran gelegen sei, die nichtsinnliche Wesensart des Seins gegen das Seiende als das Sinnliche abzusetzen. Das eÆoÂn, das Seiend, ist vielmehr in der Zwiefalt von Sein und Seiendem gedacht und participial gesprochen, ohne daß der grammatische Begriff schon eigens in das sprachliche Wissen eingreift. Die Zwiefalt läßt sich durch die Wendungen »Sein des Seienden« und »Seiendes im Sein« wenigstens andeuten. Allein das Entfaltende der Zwiefalt verbirgt sich mehr durch das »im« und »des«, als daß es in sein Wesen weist.* Die Wendungen sind weit davon entfernt, die Zwiefalt als solche zu denken oder gar ihre Entfaltung ins Fragwürdige zu heben.a Das vielberufene »Sein selbst« bleibt in Wahrheit, solange es als Sein erfahren wird, stets Sein im Sinne von Sein des Seienden. Indes ist dem Beginn des abendländischen Denkens aufgegeben, das im Wort eknai, sein, Gesprochene aus einem zugemessenen Blick als FyÂsiw, LoÂgow, ÏEn zu erblicken. Weil die im Sein waltende Versammlung alles Seiende einigt, entsteht aus dem Denken an die Versammlung der unvermeidliche und immer hartnäckigere Anschein, Sein (des Seienden) sei nicht nur das Gleiche wie das Seiende im Ganzen, sondern es sei als das Gleiche, zugleich aber Einende, sogar das Seiendste. Alles wird dem Vorstellen zu Seiendem. a
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Die Zwiefalt von Sein und Seiendem scheint als solche ins Wesenlose zu zerrinnen, obzwar das Denken seit seinem griechischen Beginn sich fortan innerhalb ihres Entfalteten bewegt, ohne doch seinen Aufenthalt zu bedenken und gar der Entfaltung der Zwiefalt zu gedenken. Im Beginn des abendländischen Denkens geschieht der unbeachtete Wegfall der Zwiefalt. Allein, er ist nicht nichts. Der Wegfall gewährt sogar dem griechischen Denken die Art des Beginns: daß sich die Lichtung des Seins des Seienden als Lichtung verbirgta. Die Verbergungb des Wegfalls der Zwiefalt waltet so wesenhaft wie jenes, wohin die Zwiefalt entfällt. Wohin fällt sie? In die Vergessenheit. Deren währendes Walten verbirgt sich als LhÂûh, der die ÆAlhÂûeia so unmittelbar angehört, daß jene zugunsten dieser sich entziehen und ihr das reine Entbergen in der Weise der FyÂsiw, des LoÂgow, des ÏEn überlassen kann, und zwar so, als bräuchte es keiner Verbergung. Doch das anscheinend eitel Lichtende ist vom Dunklen durchwaltet. Darin bleibt die Entfaltung der Zwiefalt ebenso verborgen wie deren Wegfall für das beginnende Denken. Dennoch müssen wir im eÆoÂn auf die Zwiefalt von Sein und Seiendem achten, um der Erörterung zu folgen, die Parmenides dem Verhältnis von Denken und Sein widmet.
II In aller Kürze sagt das Fragment III, das Denken gehöre dem Sein zu. Wie sollen wir diese Zugehörigkeit kenna b
[1954] 〈als Lichtung verbirgt〉* [1954] 〈Verbergung〉**
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zeichnen? Die Frage kommt zu spät. Die Antwort hat der knappe Spruch schon mit seinem ersten Wort gegeben: toÁ gaÁr ayÆtoÂ, das nämlich Selbe. Mit dem gleichen Wort beginnt die Fassung des Spruches im Fragment VIII, 34: tayÆtoÂn. Gibt uns das Wort eine Antwort auf die Frage, in welcher Weise das Denken dem Sein zugehöre, insofern es sagt, beide seien das Selbe? Das Wort gibt keine Antwort. Einmal deshalb, weil durch die Bestimmung »das Selbe« jede Frage nach einer Zusammengehörigkeit unterbunden wird, die nur zwischen Verschiedenem bestehen kann. Zum anderen deshalb, weil das Wort »das Selbe« nicht das Geringste darüber sagt, nach welcher Hinsicht und aus welchem Grunde das Verschiedene im Selben übereinkommt. Darum bleibt toÁ ayÆtoÂ, das Selbe, in beiden Fragmenten, wenn nicht gar für das ganze Denken des Parmenides, das Rätselwort.a * Wenn wir freilich meinen, das Wort toÁ ayÆtoÂ, das Selbe, meine das Identische, wenn wir vollends die Identität für die sonnenklarste Voraussetzung der Denkbarkeit alles Denkbaren halten, dann verlieren wir durch solches Meinen in zunehmendem Maße das Gehör für das Rätselwort, gesetzt, daß wir je schon den Ruf des Rätselwortes hörten. Indessen geschieht schon genug, wenn wir das Wort als denkwürdiges im Gehör behalten. So bleiben wir Hörende und bereit, das Wort als Rätselwort in sich beruhen zu lassen, damit wir uns erst einmal nach einem Sagen umhören, das helfen könnte, das Rätselvolle in seiner Fülle zu bedenken. Parmenides bietet eine Hilfe an. Er sagt im Fragment VIII deutlicher, wie das »Sein« zu denken sei, dem das noejn zugehört. Parmenides sagt statt eknai jetzt eÆoÂn, das a
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»Seiend«, das in seiner Zweideutigkeit die Zwiefalt nennt. Das noejn aber heißt noÂhma: das in die Acht Genommene eines achtenden Vernehmens. Das eÆoÂn wird eigens als jenes genannt, oyÏneken eÍsti noÂhma, wessentwegen anwest Gedanc. (Über Denken und Gedanc vgl. die Vorlesung »Was heißt Denken?«, Niemeyer, Tübingen 1954, S. 91 ff.)* Das Denken west der ungesagt bleibendena Zwiefalt wegen an. Das An-wesen des Denkens ist unterwegs zur Zwiefalt von Sein und Seiendem. In-die-Acht-Nehmen west die Zwiefalt an**, ist schon (nach Fragment VI) durch das voraufgehende leÂgein, vorliegen-lassen, auf die Zwiefalt versammelt. Wodurch und wie? Nicht anders wie so, daß die Zwiefalt, derentwegen die Sterblichen sich in das Denken finden, selbst solches Denken für sich verlangt.*** Noch sind wir weit davon entfernt, die Zwiefalt selbst und das heißt zugleich sie, sofern sie das Denken verlangt, wesensgerecht zu erfahren. Nur das eine wird aus dem Sagen des Parmenides deutlich: weder der eÆoÂnta, des »Seienden an sich«, wegen, noch dem eknai im Sinne des »Seins für sich« zuwillen west das Den ken an. Damit ist gesagt: weder das »Seiende an sich« macht ein Denken erforderlich, noch benötigt das »Sein für sich« das Denken. Beide, je für sich genommen, lassen niemals erkennen, inwiefern »Sein« das Denken verlangt. Aber der Zwiefalt beider wegen, des eÆoÂn wegen, west das Denken. Auf die Zwiefalt zu west das in-die-Acht-Nehmen das Sein an.b **** In solchem An-wesen gehört das Denken dem Sein zu. Was sagt Parmenides von diesem Zugehören?
a b
[1954] 〈(ungesagt bleibenden)〉***** [1954] inwiefern?******
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III Parmenides sagt, das noejn sei pefatismeÂnon eÆn tli eÆoÂnti. Man übersetzt: das Denken, das als Ausgesprochenes im Seienden ist. Doch wie sollen wir dieses Ausgesprochensein erfahren und verstehen können, solange wir uns nicht um die Frage kümmern, was hier »Gesprochenes«, »sprechen«, »Sprache« bedeutet, solange wir übereilt das eÆoÂn als das Seiende nehmen und den Sinn von Sein im Unbestimmten lassen? Wie sollen wir den Bezug des noejn zum pefatismeÂnon kennen, solange wir das noejn nicht mit Rücksicht auf das Fragment VI zureichend bestimmen? (vgl. die angeführte Vorlesung S. 124 ff.).* Das noejn, dessen Zugehörigkeit zum eÆoÂn wir bedenken möchten, gründet in und west aus dem leÂgein. Darin geschieht das Vorliegenlassen von Anwesendem in seinem Anwesen. Nur als so Vorliegendes kann Anwesendes als solches das noejn, das in-die-Acht-Nehmen, angehen. Demgemäß ist das noÂhma als nooyÂmenon des noejn immer schon ein legoÂmenon des leÂgein. Das griechisch erfahrene Wesen des Sagens beruht aber im leÂgein. Das noejn ist darum seinem Wesen nach und nie erst nachträglich oder zufällig ein Gesagtes. Allerdings ist nicht jedes Gesagte notwendig auch schon ein Gesprochenes. Es kann auch und muß sogar bisweilen ein Geschwiegenes bleiben. Alles Gesprochene und Geschwiegene ist je schon ein Gesagtes. Nicht aber gilt das Umgekehrte. Worin besteht der Unterschied zwischen dem Gesagten und Gesprochenen? Weshalb kennzeichnet Parmenides das nooyÂmenon und noejn (VIII, 34 f.) als pefatismeÂnon? Das Wort wird lexikalisch richtig durch »Gesprochenes« übersetzt. Doch in welchem Sinne ist ein Sprechen erfahren, das durch faÂskein und faÂnai benannt wird? Gilt hier das Spre-
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chen nur als die Verlautbarung (fvnhÂ) dessen, was ein Wort oder Satz bedeuten (shmaiÂnein)? Wird hier das Sprechen als Ausdruck eines Inneren (Seelischen) gefaßt und so auf die beiden Bestandstücke des Phonetischen und Semantischen verteilt? Keine Spur davon findet sich in der Erfahrung des Sprechens als faÂnai, der Sprache als faÂsiw. In faÂskein liegt: anrufen, rühmend nennen, heißen; all dies jedoch deshalb, weil es west als erscheinenlassen. FaÂsma ist das Erscheinen der Sterne, des Mondes, ihr zum-Vorschein-Kommen, ihr Sichverbergen. FaÂseiw nennt die Phasen. Die wechselnden Weisen seines Scheinens sind die Mondphasen. FaÂsiw ist die Sage; sagen heißt: zum Vorschein bringena. FhmiÂ, ich sage, ist des selben, obzwar nicht des gleichen Wesens wie leÂgv: Anwesendes in sein Anwesen vor in das Erscheinen und Liegen bringen. Parmenides liegt daran zu erörtern, wohin das noejn gehört. Denn nur dort, wohin es von Hause aus gehört, können wir es finden und über den Fund befinden, inwiefern das Denken mit dem Sein zusammengehört. Wenn Parmenides das noejn als pefatismeÂnon erfährt, dann heißt das nicht, es sei ein Ausgesprochenes und müsse demzufolge in der verlauteten Rede oder in der gezeichneten Schrift als einem so und so sinnlich wahrnehmbaren Seienden gesucht werden. Dies zu meinen, wäre auch dann abwegig und vom griechischen Denken so entfernt als möglich, wollte man das Sprechen und sein Gesprochenes wie Bewußtseinserlebnisse vorstellen und innerhalb ihres Bezirkes das Denken als Bewußtseinsakt feststellen. Das noejn, das in-die-Acht-Nehmen und das, was es vernommen, sind ein Gesagtes, zum Vorschein Gebrachtes. Aber wo? Parmenides sagt: eÆn tli eÆoÂnti, im eÆoÂn, in der Zwiefalt von Anwesen und a
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Anwesendem. Dies gibt zu denken und befreit uns eindeutig von der übereilten Vormeinung, das Denken sei im Ausgesprochenen ausgedrückt. Davon ist nirgends die Rede. Inwiefern kann das noejn, muß das Denken in der Zwiefalt zum Vorschein kommen?* Insofern die Entfaltung in die Zwiefalt von Anwesen und Anwesendem das Vorliegenlassen, leÂgein, hervorruft und mit dem so entlassenen Vorliegen des Vorliegenden dem noejn solches gibt, was es in die Acht nehmen kann, um es in ihr zu verwahren. Allein, Parmenides denkt noch nicht die Zwiefalt als solche; er denkt vollends nicht die Entfaltung der Zwiefalt. Aber Parmenides sagt (VIII, 35 f.): oyÆ gaÁr aÍney too eÆoÂntow … eyërhÂseiw toÁ noejn: nicht nämlich abgetrennt von der Zwiefalt kannst du das Denken finden. Weshalb nicht? Weil es in die Versammlung mit dem eÆoÂn, von diesem her geheißen, gehört, weil das Denken selber, im leÂgein beruhend, die geheißene Versammlung vollbringt und so seiner Zugehörigkeit zum eÆoÂn als einer von diesem her gebrauchten entspricht. Denn das noejn vernimmt nichts Beliebiges, sondern nur das Eine, das im Fragment VI genannt wird: eÆoÁn eÍmmenai: das Anwesend in seinem Anwesen. So viel des ungedachten Denkwürdigen sich in der Darlegung des Parmenides ankündigt, so deutlich tritt ans Licht, was allem zuvor verlangt wird, um der von Parmenides gesagten Zugehörigkeit des Denkens zum Sein gebührend nachzusinnen. Wir müssen lernen, das Wesen der Sprachea aus dem Sagen her und dieses als vorliegen-Lassen (loÂgow) und als zum-Vorschein-Bringen (faÂsiw) zu denken. Diesem Geheiß zu genügen, bleibt zunächst deshalb schwer, weil jenes erste Aufleuchten des Sprachwesens als Sage alsbald in eine Verhüllung entschwindet und eine a
[1954] 〈Wesen der Sprache〉**
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Kennzeichnung der Sprache zur Herrschaft kommen läßt, nach der sie fortan von der fvnhÂ, der Verlautbarung aus als ein System des Bezeichnens und Bedeutens und schließlich des Meldens und der Information vorgestellt wird.
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Auch jetzt, nachdem sich die Zugehörigkeit des Denkens zum Sein um einiges deutlicher ans Licht hoba, vermögen wir es kaum, das Rätselwortb des Spruches: toÁ ayÆtoÂ, das Selbe, inständiger in seiner Rätselfülle zu hören. Doch wenn wir sehen, daß die Zwiefalt des eÆoÂn, das Anwesen des Anwesenden, das Denken zu sich versammelt, dann gibt vielleicht die also waltende Zwiefalt einen Hinweis in die Rätselfülle dessen, was die gewöhnliche Bedeutungsleere des Wortes »das Selbe« verbirgt.* Ist es die Entfaltung der Zwiefalt, aus der her die Zwiefalt ihrerseits das Denken auf den Weg des »Ihretwegen« ruft und dadurch das Zusammengehören des Anwesens (des Anwesenden) mit dem Denken verlangt?** Doch was ist die Entfaltung der Zwiefalt?c Wie geschieht sie? Finden wir im Sagen des Parmenides einen Anhalt, um der Entfaltung der Zwiefalt auf einem geeigneten Weg nachzufragen, um ihr Wesendes in dem zu hören, was das Rätselwort des Spruches verschweigt? Wir finden unmittelbar keinen. Indes muß auffallen, daß in beiden Fassungen des Spruches über das Verhältnis von Denken und Sein das Rätsela b c
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wort am Beginn steht. Das Fragment III sagt: »Das nämlich Selbe In-die-Acht-nehmen ist so auch Anwesen (von Anwesendem).« Das Fragment VIII, 34 sagt: »Das Selbe ist In-die-Acht-nehmen und (jenes), unterwegs zu dem das achtende Vernehmen.« Was bedeutet die an den Beginn des Spruches gerückte Wortstellung im Sagen des Spruches? Was möchte Parmenides dadurch betonen, daß wir diesen Ton hören? Es ist vermutlich der Grundton. In ihm klingt die Vorwegnahme dessen, was der Spruch eigentlich zu sagen hat. Das so Gesagte nennt man grammatisch das Prädikat im Satz. Dessen Subjekt aber ist das noejn (Denken) in seinem Bezug zum eknai (Sein). Dem griechischen Text gemäß wird man den Satzbau des Spruches in diesem Sinne deuten müssen. Daß der Spruch das Rätselwort als Prädikat voranstellt, heißt uns, bei diesem Wort aufmerksam zu verweilen und immer neu zu ihm zurückzukehren.* Aber auch so sagt das Wort nichts von dem, was wir erfahren möchten. So müssen wir denn im unablässigen Blick auf die Vorrangstellung von toÁ ayÆtoÂ, das Selbe, in einem freien Wagnis versuchen, aus der Zwiefalt des eÆoÂn (Anwesen des Anwesenden) in ihre Entfaltung vorzudenken.** Dabei kommt uns die Einsicht zu Hilfe, daß in der Zwiefalt des eÆoÂn das Denken zum Vorschein gebracht, ein in ihr Gesagtes ist: pefatismeÂnon. Demgemäß waltet in der Zwiefalt die faÂsiw, das Sagen als das rufende, verlangende in-den-Vorschein-Bringen. Was bringt das Sagen ins Scheinen? Das Anwesen des Anwesenden. Das in der Zwiefalt waltende, sie ereignende Sagen ist die Versammlung des Anwesens, in dessen Scheinen Anwesendes erscheinen kann.*** Heraklit nennt die FaÂsiw, die Parmenides denkt, den LoÂgow, das versammelnde Vorliegenlassen.
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Was geschieht in der FaÂsiw und im LoÂgow? Sollte das in ihnen waltende, versammelnd-rufende Sagen jenes Bringen sein, das allererst ein Scheinen* erbringt, das Lichtung gewährt, in welchema Währen erst Anwesen sich lichtet, damit in seinem Licht Anwesendes erscheine** und so die Zwiefalt beider walte? Sollte die Entfaltung der Zwiefalt darinberuhen,daßsichlichtendesScheinenereignet?***Seinen Grundzug erfahren die Griechen als das Entbergen. Dementsprechend waltet in der Entfaltung der Zwiefalt die Entbergung. Die Griechen nennen sie ÆAlhÂûeia. So dächte denn Parmenides doch und auf seine Weise in die Entfaltung der Zwiefalt, gesetzt, daß er von der ÆAlhÂûeia sagt. Nennt er sie? Allerdings, und zwar im Eingang seines »Lehrgedichtes«. Mehr noch: die ÆAlhÂûeia ist Göttin. Ihr Sagen hörend, sagt Parmenides sein Gedachtes. Gleichwohl läßt er im Ungesagten, worin das Wesen der ÆAlhÂûeia beruhe. Ungedacht bleibt auch, in welchem Sinne von Gottheit die ÆAlhÂûeia Göttin ist. All dies bleibt für das beginnende Denken der Griechen so unmittelbar außerhalb des Denkwürdigen wie eine Erläuterung des Rätselwortes toÁ ayÆtoÂ, das Selbe. Vermutlich waltet jedoch zwischen all diesem Ungedachten ein verborgener Zusammenhang. Die einleitenden Verse des Lehrgedichtes I, 22 ff. sind anderes als eine poetische Umkleidung abstrakter Begriffsarbeit. Man macht sich die Zwiesprache mit dem Denkweg des Parmenides zu leicht, wenn man in den Worten des Denkers die mythische Erfahrung vermißt und einwendet, die Göttin ÆAlhÂûeia sei im Vergleich zu den eindeutig geprägten »Götterpersonen« Hera, Athene, Demeter, Aphrodite, Artemis überaus unbestimmt und ein leeres Gedankengebilde. Man spricht in a
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diesen Vorbehalten so, als sei man im Besitz eines längst gesicherten Wissens darüber, was die Gottheit der griechischen Götter sei, daß es einen Sinn habe, hier von »Personen« zu sprechen, daß über das Wesen der Wahrheit entschieden sei, daß, falls sie als Göttin erscheint, dies nur eine abstrakte Personifikation eines Begriffes sein könne. Im Grunde ist das Mythische noch kaum bedacht, vor allem nicht in der Hinsicht, daß der moûow Sage ist, das Sagen aber das rufende zum-Scheinen-Bringen. Deshalb bleiben wir besser im vorsichtigen Fragen und hören auf das Gesagte (Fragment I, 22 f.): kai me ûeaÁ proÂfrvn yëpedeÂjato, xejra deÁ xeiri Πde dÆ eÍpow faÂto kai me proshyÂda´ dejiterhÁn eÏlen, v
Und mich empfing die Göttin zugeneigt voraussinnend, Hand aber mit Hand die rechte nahm sie, also denn das Wort sagte sie und sang mir zu: Was sich hier dem Denker zu denken gibt, bleibt zugleich hinsichtlich seiner Wesensherkunft verhüllt. Dies schließt nicht aus, sondern ein, daß in dem, was der Denker sagt, die Entber gung waltet als das, was er stets im Gehör hat, insofern es in das zu-Denkende die Weisung gibt. Dies aber ist im Rätselworta toÁ ayÆtoÂ, das Selbe, genannt, welches Genannte vom Verhältnis des Denkens zum Sein ausgesagt wird. Darum dürfen wir wenigstens fragen, ob nicht im ayÆtoÂ, im Selben, die Entfaltung der Zwiefalt, und zwar im Sinne der Entbergung des Anwesens von Anwesendem geschwiegen ist. Wenn wir solches vermuten, gehen wir über a
[1954] 〈Rätselwort〉*
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das von Parmenides Gedachte nicht hinaus, sondern nur zurück in das anfänglichera zu-Denkende. Die Erörterung des Spruches über das Verhältnis von Denken und Sein gerät dann in den unvermeidlichen Anschein willkürlicher Gewaltsamkeit. Jetzt zeigt sich der Satzbau des Spruches toÁ gaÁr ayÆto noejn eÆstiÂn te kaiÁ eknai, grammatisch vorgestellt, in einem anderen Licht. Das Rätselwort toÁ ayÆtoÂb, das Selbe, mit dem der Spruch beginnt, ist nicht mehr das vorangestellte Prädikat, sondern das Subjekt, das im Grunde Liegende, das Tragende und Haltende. Das unscheinbare eÆstiÂn, ist, bedeutet jetzt: west, währt, und zwar gewährend aus dem Gewährenden, als welches toÁ ayÆtoÂ, das Selbe, waltet,* nämlich als die Entfaltung der Zwiefalt im Sinne der Entbergung: das nämlich entbergend die Zwiefalt Entfaltende gewährt das in-die-Acht-Nehmenc auf seinem Weg zum versammelnden Vernehmen des Anwesens von Anwesendem. Die Wahrheit als die gekennzeichnete Entbergung der Zwiefalt läßt aus dieser her das Denken dem Sein zugehören. Im Rätselwort toÁ ayÆtoÂ, das Selbe, schweigt das entbergende Gewähren der Zusammengehörigkeit der Zwiefalt mit dem in dieser zum Vorschein kommenden Denken.**
V So gehört denn das Denken nicht deshalb zum Sein, weil es auch etwas Anwesendes ist und darum in das Ganze des a b c
[1954] 〈anfänglicher〉 [1954] 〈Rätselwort toÁ ayÆtoÂ〉*** 〈in-die-Acht-Nehmen〉 ob[en] 196
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Anwesens, man meint: des Anwesenden, eingeordnet werden muß. Allein, es scheint so, daß auch Parmenides die Beziehung des Denkens zum Sein in dieser Weise vorstellt. Fügt er doch (VIII, 36 f.), durch ein gaÂr (denn) anknüpfend, eine Begründung bei, die sagt: paÂrej too eÆoÂntow: außerhalb des Seienden war und sei und werde sein nichts anderes Seiendes (nach einer Konjektur von Bergk*: oyÆdÆhËn). Indes heißt toÁ eÆoÂn nicht »das Seiende«, sondern es nennt die Zwiefalt. Außerhalb ihrer freilich gibt es niemals ein Anwesen von Anwesendem, denn dieses beruht als solches in der Zwiefalt, scheint und erscheint in ihrem entfalteten Licht. Doch weshalb fügt Parmenides im Hinblick auf das Verhältnis des Denkens zum Sein noch eigens die genannte Begründung bei? Weil der Name noejn, anders lautend als eknai, weil der Name »Denken« den Anschein erwecken muß, als sei es doch ein aÍllo, ein Anderes, gegenüber dem Sein und deshalb außerhalb seiner. Aber nicht nur der Name als Wortlaut, sondern sein Genanntes zeigt sich, als halte es sich »neben« und »außerhalb« dem eÆoÂn auf. Dieser Anschein ist auch kein bloßer Schein. Denn leÂgein und noejn lassen Anwesendes im Licht von Anwesen vor-liegen. Demgemäß liegen sie selber dem Anwesen gegenüber, freilich niemals gegenüber wie zwei für sich vorhandene Gegenstände. Das Gefüge von leÂgein und noejn gibt (nach Fragment VI) das eÆoÂn eÍmmenai, das Anwesen in sein Erscheinen für das Vernehmen frei und hält sich dabei in gewisser Weise aus dem eÆoÂn heraus. Das Denken ist in einer Hinsicht außerhalb der Zwiefalt, zu der es, ihr entsprechend und von ihr verlangt, unterwegs bleibt.** In anderer Hinsicht bleibt gerade dieses Unterwegs zu … innerhalb der Zwiefalt, die niemals nur eine irgendwo vorhandene und vorgestellte Unterscheidung von Sein und Seiendem ist***, sondern aus der entbergenden Entfaltung west. Diese
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gewährt als ÆAlhÂûeia jeglichem Anwesen das Licht, darin Anwesendes erscheinen kann. Doch die Entbergung gewährt die Lichtung des Anwesens, indem sie zugleich, wenn Anwesendes erscheinen soll, ein vorliegen-Lassen und Vernehmen braucht und also brauchenda das Denken in die Zugehörigkeit zur Zwiefalt einbehält.* Darum gibt es auf keine Weise ein irgendwo und irgendwie Anwesendes außerhalb der Zwiefalt. Das jetzt Erörterte bliebe etwas willkürlich Ausgedachtes und nachträglich Untergeschobenes, wenn nicht Parmenides selbst die Begründung sagte, inwiefern ein Außerhalb von Anwesen neben dem eÆoÂn unmöglich bleibt.
VI Was der Denker hierzu über das eÆoÂn sagt, steht, grammatisch vorgestellt, in einem Nebensatz. Wer auch nur eine geringe Erfahrung hat im Hören dessen, was große Denker sagen, wird zuweilen vor dem Seltsamen verhoffen, daß sie das eigentlich zu-Denkende in einem unversehens angefügten Nebensatz sagen und es dabei bewenden lassen. Das Spiel des rufenden, entfaltenden und wachstümlichen Lichtes wird nicht eigens sichtbar. Es scheint so unscheinbar wie das Morgenlicht in der stillen Pracht der Lilien auf dem Felde und der Rosen im Garten. Der Nebensatz des Parmenides, der in Wahrheit der Satz aller seiner Sätze ist, lautet (VIII, 37 f.): … … eÆpeiÁ to ge MojrÆ eÆpeÂdhsen oyËlon aÆkiÂnhtoÂn tÆ eÍmenai´ a
[1954] 〈braucht und also brauchend〉 ob[en] 195
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»… … da es (das Seiende) ja die Moira daran gebunden hat, ein Ganzes und unbeweglich zu sein. (Walther Kranz)* Parmenides spricht vom eÆoÂn, vom Anwesen (des Anwesenden), von der Zwiefalt und keineswegs vom »Seienden«. Er nennt die Mojra, die Zuteilung, die gewährend verteilt und so die Zwiefalt entfaltet. Die Zuteilung beschickt (versieht und beschenkt) mit der Zwiefalt. Sie ist die in sich gesammelte und also entfaltende Schickung des Anwesens als Anwesen von Anwesendem. Mojra ist das Geschick des »Seins« im Sinne des eÆoÂn. Sie hat dieses, to ge, in die Zwiefalt entbunden und so gerade in die Gänze und Ruhe gebunden, aus welchen und in welchen beiden sich Anwesen von Anwesendem ereignet. Im Geschick der Zwiefalt gelangen jedoch nur das Anwesen ins Scheinen und das Anwesende zum Erscheinen. Das Geschick behält die Zwiefalt als solche und vollends ihre Entfaltung im Verborgenen. Das Wesen der ÆAlhÂûeia bleibt verhüllt. Die von ihr gewährte Sichtbarkeit läßt das Anwesen des Anwesenden als »Aussehen« (ekdow) und als »Gesicht« (ÆideÂa) aufgehen. Demgemäß bestimmt sich die vernehmende Beziehung zum Anwesen des Anwesenden als ein Sehen (eiÆdeÂnai). Das von der visio her geprägte Wissen und dessen Evidenz können auch dort ihre Wesensherkunft aus der lichtenden Entbergung nicht verleugnen, wo die Wahrheit sich in die Gestalt der Gewißheit des Selbstbewußtseins gewandelt hat. Das lumen naturale, das natürliche Licht, d. h. hier die Erleuchtung der Vernunft, setzt schon die Entbergung der Zwiefalt voraus. Das Gleiche gilt von der augustinischen und von der mittelalterlichen Lichttheorie, die, von ihrer platonischen Herkunft ganz zu schweigen, nur im Bereich der schon im Geschick der Zwiefalt waltenden ÆAlhÂûeia ihren möglichen Spielraum finden können.
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Wenn von der Geschichte des Seins die Rede sein darf, dann müssen wir zuvor bedacht haben, daß Sein besagt: Anwesen des Anwesenden: Zwiefalt. Nur von dem so bedachten Sein aus können wir dann mit der nötigen Bedachtsamkeit erst einmal fragen, was hier »Geschichte« heißt. Sie ist das Geschick der Zwiefalt. Sie ist das entbergend entfaltende Gewähren des gelichteten Anwesens, worin Anwesendes erscheint. Die Geschichte des Seins ist niemals eine Abfolge von Geschehnissen, die das Sein für sich durchläuft. Sie ist vollends nicht ein Gegenstand, der neue Möglichkeiten des historischen Vorstellens dar bietet, das gewillt wäre, sich an die Stelle der bisher üblichen Betrachtung der Geschichte der Metaphysik zu setzen gleich der Anmaßung eines Besserwissens. Was Parmenides im unscheinbaren Nebensatz von der Mojra sagt, in deren Gebind das eÆoÂn als die Zwiefalt freigelassen wird, öffnet dem Denker die Weite des Ausblicks, der seinem Weg geschicklich beschieden ist. Denn in dieser Weite kommt jenes zum Scheinen, worin sich das Anwesen (des Anwesenden) selbst zeigt: taÁ shÂmata too eÆoÂntow. Deren sind gar vielfältige (pollaÂ). Die shÂmata sind keine Merkzeichen für anderes. Sie sind das vielfältige Scheinen des Anwesens selber aus der entfalteten Zwiefalt.
VII Aber noch ist, was die Mojra schickend verteilt, nicht erschöpfend dargelegt. Darum bleibt auch ein wesentlicher Zug der Art ihres Waltens ungedacht. Was geschieht dadurch, daß das Geschick das Anwesen des Anwesenden in die Zwiefalt entbindet und es so in ihre Gänze und Ruhe bindet?
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Um zu ermessen, was Parmenides darüber im unmittelbaren Anschluß an den Nebensatz sagt (VIII, 39 ff.), ist nötig, an früher Dargelegtes (n. III) zu erinnern. Die Entfaltung der Zwiefalt waltet als die faÂsiw, das Sagen als zumVorschein-Bringena. Die Zwiefalt birgt in sich das noejn und sein Gedachtes (noÂhma) als Gesagtes. Vernommen aber wird im Denken das Anwesen des Anwesenden. Das denkende Sagen, das der Zwiefalt entspricht, ist das leÂgein als das Vorliegenlassen des Anwesens. Es geschieht rein nur auf dem Denkweg des von der ÆAlhÂûeia gerufenen Denkers. Was aber wird aus der im entbergenden Geschick waltenden faÂsiw (Sage), wenn das Geschick das in der Zwiefalt Entfaltete dem alltäglichen Vernehmen von seiten der Sterblichen überläßt? Diese nehmen auf (deÂxesûai, doÂja), was sich ihnen un mittelbar, sogleich und zunächst, darbietet. Sie bereiten sich nicht erst auf einen Denkweg vor. Sie hören nie eigens den Ruf der Entbergung der Zwiefalt. Sie halten sich an das in ihr Entfaltete, und zwar an jenes, was die Sterblichen unmittelbar beansprucht: an das Anwesende ohne Rücksicht auf das Anwesen. Sie vergeben ihr Tun und Lassen an das gewohntermaßen Vernommene, taÁ dokoonta (Fragm. I, 31). Sie halten dieses für das Unverborgene, aÆlhûg (VIII, 39); denn es erscheint ihnen doch und ist so ein Entborgenes. Allein, was wird aus ihrem Sagen, wenn es nicht vermag, das leÂgein, das Vorliegenlassen, zu sein? Das gewöhnliche Sagen der Sterblichen wird, insofern sie auf das Anwesen nicht achten, das heißt nicht denken, zum Sagen von Namen, an denen sich die Verlautbarung und die unmittelbar faßliche Gestalt des Wortes im Sinne der verlautenden und geschriebenen Wörter vordrängt. a
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Die Vereinzelung des Sagens (des Vorliegenlassens) in die bezeichnenden Wörter zerschlägt das versammelnde in-die-Acht-Nehmen. Es wird zum katatiÂûesûai (VIII, 39), zum Festsetzen, das je gerade dieses oder jenes für das eilige Meinen festlegt. Alles so Festgesetzte bleibt oÍnoma. Parmenides sagt keineswegs, das gewöhnlich Vernommene werde zum »bloßen« Namen. Aber es bleibt einem Sagen überlassen, das die einzige Weisung aus den gängigen Wörtern nimmt, die, rasch gesprochen, alles von allem sagen und sich im »Sowohl-als-auch« umhertreiben. Auch das Vernehmen des Anwesenden (der eÆoÂnta) nennt das eknai, kennt das Anwesen, aber so flüchtig wie dieses auch das Nichtanwesen; freilich nicht wie das Denken, das auf seine Weise den Vorenthalt der Zwiefalt beachtet (das mhÁ eÆoÂn). Das gewöhnliche Meinen kennt nur eknai te kaiÁ oyÆxi (VIII, 40), Anwesen sowohl als auch Nichtanwesen. Das Gewicht des so Bekannten liegt im te-kai (VIII, 40 f.), sowohl-alsauch. Und wo das gewohnte, aus den Wörtern sprechende Vernehmen das Aufgehen und Untergehen antrifft, begnügt es sich mit dem Sowohl- als auch des Entstehens, giÂgnesûai, und Vergehens, oÍllysûai (VIII, 40). Den Ort, toÂpow, vernimmt es nie als die Ortschaft, als welche die Zwiefalt dem Anwesen des Anwesenden die Heimat bietet. Das Meinen der Sterblichen verfolgt im Sowohl-alsauch nur das je und je Andere (aÆllaÂssein VIII, 41) der Plätze. Das gewohnte Vernehmen bewegt sich zwar im Gelichteten des Anwesenden, sieht Scheinendes, fanoÂn (VIII, 41) in der Farbe, aber tummelt sich in ihrem Wechsel, aÆmeiÂbein, achtet nicht des stillen Lichtes der Lichtung, die aus der Entfaltung der Zwiefalt kommt und die FaÂsiw ist, das zum-Vorschein-Bringen, die Weise, in der das Wort sagt, nicht aber die Wörter, das verlautende Nennen, sprechen.
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Tli paÂntÆ oÍnomÆ eÍstai (VIII, 38), dadurch alles (das An-
wesende) wird anwesen im vermeintlichen Entbergen, das die Herrschaft der Wörter erbringt. Wodurch geschieht dies? Durch die Mojra, durch das Geschick der Entbergung der Zwiefalt. Wie sollen wir dies verstehen? In der Entfaltung der Zwiefalt kommt mit dem Scheinen des Anwesens das Anwesende zum Erscheinen. Auch das Anwesende ist Gesagtes, aber gesagt in den nennenden Wörtern, in deren Sprechen sich das gewöhnliche Sagen der Sterblichen bewegt. Das Geschick der Entbergung der Zwiefalt (des eÆoÂn) überläßt das Anwesende (taÁ eÆoÂnta) dem alltäglichen Vernehmen der Sterblichen. Wie geschieht dieses geschickliche Überlassen? Allein schon dadurch, daß die Zwiefalt als solche und damit ihre Entfaltung verborgen bleiben. Dann waltet in der Entbergung ihr Sichverbergena? Ein kühner Gedanke. Heraklit hat ihn gedacht. Parmenides hat dies Gedachte ungedacht erfahren*, insofern er, den Ruf der ÆAlhÂûeia hörend, die Mojra des eÆoÂn, das Geschick der Zwiefalt im Hinblick auf das Anwesen sowohl als auch auf das Anwesende denkt. Parmenides wäre nicht ein Denker in der Frühe des Beginns jenes Denkens, das sich in das Geschick der Zwiefalt schickt, dächte er nicht in die Weite des Rätselvollen, das sich im Rätselwort toÁ ayÆtoÂ, das Selbe, verschweigt.b Hierin ist das Denkwürdige geborgen, das sich uns als das Verhältnis des Denkens zum Sein, als die Wahrheit des Seins im Sinne der Entbergung der Zwiefalt, als Vorenthalt der Zwiefalt (mhÁ eÆoÂn), in der Vorherrschaft des Anwesenden (taÁ eÆoÂnta, taÁ dokoonta) zu denken gibt. a b
[1954] 〈Sichverbergen〉 Vergessenh[eit] [1954] 241. 246 249
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Das Gespräch mit Parmenides gelangt an kein Ende; nicht nur, weil vieles in den überlieferten Bruchstücken seines Lehrgedichtes dunkel, sondern weil auch das Gesagte immerfort denkwürdig bleibt. Aber das Endlose des Gesprächs ist kein Mangel. Es ist das Zeichen des Grenzenlosen, das in sich und für das Andenken die Möglichkeit einer Verwandlung des Geschickes verwahrt. Wer jedoch vom Denken nur eine Versicherung erwartet und den Tag errechnet, an dem es ungebraucht übergangen werden kann, der fordert dem Denken die Selbstvernichtung ab. Die Forderung erscheint in einem seltsamen Licht, wenn wir uns darauf besinnen, daß das Wesen der Sterblichen in die Achtsamkeit auf das Geheiß gerufen ist, das sie in den Tod kommen heißt. Er ist als äußerste Möglichkeit des sterblichen Daseins nicht Ende des Möglichen, sondern das höchste Ge-birg (das versammelnde Bergen) des Geheimnisses der rufenden Entbergung.
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(HERAKLIT, FRAGMENT 16)*
r heißt der Dunkle, oë SkoteinoÂw. In diesem Ruf stand Heraklit schon zu der Zeit, da seine Schrift noch vollständig erhalten war. Jetzt kennen wir nur noch Bruchstücke daraus. Spätere Denker, Platon und Aristoteles, nachkommende Schriftsteller und Gelehrte der Philosophie, Theophrast, Sextus Empiricus, Diogenes Lae¨rtius und Plutarch, aber auch christliche Kirchenväter, Hippolytus, Clemens Alexandrinus und Origenes führen in ihren Werken hier und dort Stellen aus der Schrift des Heraklit an. Diese Zitate sind als Fragmente gesammelt, welche Sammlung wir der philologischen und philosophiehistorischen Forschung verdanken. Die Fragmente bestehen bald aus mehreren Sätzen, bald nur aus einem einzigen, zuweilen sind es bloße Satzfetzen und vereinzelte Wörter. Der Gedankengang der späteren Denker und Schriftsteller bestimmt die Auswahl und die Art der Anführung von Worten Heraklits. Dadurch ist der Spielraum ihrer jeweiligen Auslegung festgelegt. Deshalb können wir durch eine genauere Betrachtung ihres Fundortes in den Schriften der späteren Autoren stets nur denjenigen Zusammenhang ausmachen, in den das Zitat von ihnen eingerückt, nicht aber jenen, aus dem es bei Heraklit entnommen wurde. Die Zitate samt den Fundstellen überliefern uns das Wesentliche gerade nicht: die alles gliedernde und maßgebende Einheit des inneren Baues der Schrift Heraklits. Nur
E
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aus einem ständig wachsenden Einblick in dieses Baugefüge ließe sich dartun, von woher die einzelnen Bruchstücke sprechen, in welchem Sinne jedes als ein Sprucha gehört werden darf. Weil jedoch die quellende Mitte, aus der Heraklits Schrift ihre Einheit empfing, kaum zu vermuten und immer schwer zu denken ist, kann dieser Denker erst recht für uns »der Dunkle« heißen. Der eigentliche Sinn, in dem der Beiname zu uns spricht, bleibt selbst dunkel. Heraklit heißt »der Dunkle«. Aber er ist der Lichte. Denn er sagt das Lichtende, indem er versucht, dessen Scheinen in die Sprache des Denkens hervorzurufen. Das Lichtende währt, insofern es lichtet. Wir nennen sein Lichten die Lichtung. Was zu ihr gehört, wie sie geschieht und wo, bleibt zu bedenken. Das Wort »licht« bedeutet: leuchtend, strahlend, hellend. Das Lichten gewährt das Scheinen, gibt Scheinendes in ein Erscheinen freib. Das Freie ist der Bereich der Unverborgenheit. Ihn verwaltet das Entbergen. Was zu diesem notwendig gehört, ob und inwiefern die Entbergung und die Lichtung das Selbe sind, bleibt zu erfragen.* Mit der Berufung auf die Bedeutung des Wortes aÆlhûesiÂa ist nichts getan und wird Ersprießliches nie gewonnen. Auch muß offen bleiben, ob das, was man unter den Titeln »Wahrheit«, »Gewißheit«, »Objektivität«, »Wirklichkeit«** verhandelt, das Geringste mit dem zu tun hat, wohin die Entbergung und die Lichtung das Denken weisen. Vermutlich stehtc für das Denken, das solcher Weisung folgt, a b
c
[1954] 〈als ein Spruch〉 ? [1954] 〈 gibt Scheinendes in ein Erscheinen frei〉 Lichten freigeben vgl. Die Bestimmung der Sache des Denkens.*** [1954] 〈Vermutlich steht〉
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Höheres in Frage als die Sicherstellung der objektiven Wahrheit im Sinne gültiger Aussagen.* Woran liegt es, daß man sich immer wieder beeilt, die Subjektivität zu vergessen, die zu jeder Objektivität gehört? Wie kommt es, daß man auch dann, wenn man das Zusammengehören beider vermerkt, dieses von einer der beiden Seiten her zu erklären versucht oder aber ein drittes beizieht, was Objekt und Subjekt zusammengreifen soll? Woran liegt es, daß man sich hartnäckig sträubt, einmal zu bedenken, ob das Zusammengehören von Subjekt und Objekt nicht in Solchem west, was dem Objekt und seiner Objektivität, was dem Subjekt und seiner Subjektivität erst ihr Wesen und das heißt zuvor den Bereich ihres Wechselbezuges gewährt? Daß unser Denken so mühsam in dieses Ge währende findet, um auch nur erst nach ihm auszuschauen, kann weder an einer Beschränktheit des herrschenden Verstandes liegen, noch an einem Widerwillen gegen Ausblicke, die das Gewohnte beunruhigen und das Gewöhnliche stören. Eher dürfen wir anderes vermuten: wir wissen zu viel und glauben zu eilig, um in einem recht erfahrenen Fragena heimisch werden zu können. Dazu braucht es das Vermögen, vor dem Einfachen zu erstaunen und dieses Erstaunenb als Wohnsitz anzunehmen.** Das Einfache ist uns freilich noch nicht dadurch gegeben, daß wir in einer simplen Art die wörtliche Bedeutung von aÆlhûesiÂa als »Unverborgenheit« aus- und nachsprechen. Unverborgenheit ist der Grundzug dessen, was schon zum Vorschein gekommen ist und die Verborgenheit hinter sich gelassen hat. Das ist hier der Sinn des a-, das nur eine im spätgriechischen Denken gegründete Grammatik als a b
[1954] 〈recht erfahrenen Fragen〉 [1954] 〈Erstaunen〉
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a-privativum kennzeichnet. Der Bezug zur lhÂûh, Verber-
gung und diese selbst verlieren für unser Denken keineswegs dadurch an Gewicht, daß das Unverborgene unmittelbar nur als das zum-Vorschein-Gekommene, Anwesende erfahren wird. Mit der Frage, was dies alles heiße und wie es geschehen könne, beginnt erst das Erstaunen. Wie vermögen wir es, dahin zu gelangen? Vielleicht so, daß wir uns auf ein Erstaunen einlassen, das nach dem ausschaut, was wir Lichtung und Entbergung nennen? Das denkende Erstaunen spricht im Fragen. Heraklit sagt: toÁ mhÁ donoÂn pote plw aÍn tiw laÂûoi;
Wie kann einer sich bergen vor dem, was nimmer untergeht? (Übersetzt von Diels-Kranz)*
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Der Spruch wird als Fragment 16 gezählt. Vielleicht sollte es für uns, was den inneren Rang und die weisende Tragweite angeht, das erste werden.** Heraklits Spruch wird von Clemens Alexandrinus in seinem Paidagogos (Buch III, Kap. 10)*** angeführt, und zwar als Beleg für einen theologisch-erzieherischen Gedanken. Er schreibt: lhÂsetai (!) meÁn gaÁr Íisvw toÁ aiÆsûhtoÁn flw tiw, toÁ deÁ nohtoÁn aÆdyÂnatoÂn eÆstin, hà v Ï w fhsin ëHraÂkleitow … »Vielleicht kann sich einer vor dem sinnlich wahrnehmbaren Licht verborgen halten, vor dem geistigen aber ist es unmöglich oder, wie Herakleitos sagt …« Clemens Alexandrinus denkt an die Allgegenwart Gottes, der alles, auch die im Finsteren begangene Untat sieht. Darum sagt seine Schrift »Der Erzieher« an anderer Stelle (Buch III, Kap. 5): oyÏtvw gaÁr moÂnvw aÆptvÂw tiw diameÂnei, eiÆ paÂntote symparejnai nomiÂzoi toÁn ûeoÂn. »So denn
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allein kommt einer nie zu Fall, wenn er dafürhält, daß überall bei ihm anwese der Gott.« Wer wollte es verwehren, daß Clemens Alexandrinus seinen theologisch-erzieherischen Absichten gemäß sieben Jahrhunderte später das Wort Heraklits in den christlichen Vorstellungsbereich einbezieht und es dadurch auf seine Weise deutet? Der Kirchenvater denkt dabei an das Sichverborgenhalten des sündigen Menschen vor einem Licht. Heraklit dagegen spricht nur von einem Verborgenbleiben. Clemens meint das übersinnliche Licht, toÁn ûeoÂn, den Gott des christlichen Glaubens. Heraklit dagegen nennt nur das nie-Untergehen. Ob dieses von uns betonte »nur« eine Einschränkung bedeutet oder anderes, bleibe hier und im folgenden offen.* Was wäre gewonnen, wollte man die theologische Deutung des Fragments nur als eine unrichtige zurückweisen? So könnte sich höchstens der Anschein verfestigen, die nachstehenden Bemerkungen huldigten der Meinung, Heraklits Lehre in der einzig richtigen Weise und absolut zu treffen. Das Bemühen beschränkt sich darauf, näher am Wort des heraklitischen Spruches zu bleiben. Dies könnte dazu beitragen, ein künftiges Denken in den Bereich noch ungehörter Zusprüche einzuweisen.** Insofern diese aus dem Geheiß kommen, unter dem das Denken steht, liegt wenig daran, abzuschätzen und zu vergleichen, wel che Denker in welche Nähe jener Zusprüche gelangten. Vielmehr sei alle Bemühung darauf verwendet, uns durch die Zwiesprache mit einem frühen Denker dem Bereich des zu-Denkenden näher zu bringen.a *** Einsichtige verstehen, daß Heraklit anders zu Platon, anders zu Aristoteles, anders zu einem christlichen Kirchenschriftsteller, anders zu Hegel, anders zu Nietzsche a
[1954] 36 f. [?]****
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spricht. Bleibt man in der historischen Feststellung dieser vielfältigen Deutungen hängen, dann muß man sie für nur beziehungsweise richtig erklären. Man sieht sich durch eine solche Vielfalt von dem Schreckgespenst des Relativismus bedroht und zwar notwendig. Weshalb? Weil das historische Verrechnen der Auslegungen das fragende Gespräch mit dem Denker schon verlassen, vermutlich sich nie darauf eingelassen hat. Das jeweils Andere jeder gesprächsweisen Deutung des Gedachten ist das Zeichen einer ungesagten Fülle dessena, was auch Heraklit selbst nur auf dem Weg der ihm gewährten Hinblicke zu sagen vermochte. Der objektiv richtigen Lehre des Heraklit nachjagen zu wollen, ist ein Vorhaben, das sich der heilsamen Gefahr entzieht, von der Wahrheitb eines Denkens betroffen zu werden.* Die folgenden Bemerkungen führen zu keinem Ergebnis. Sie zeigen in das Ereignis.** Heraklits Spruch ist eine Frage. Das Wort, worin sie sich im Sinne des teÂlow be-endet, nennt jenes, von woher das Fragen beginnt. Es ist der Bereich, worin sich das Denken bewegt. Das Wort, in das die Frage aufsteigt, heißt laÂûoi. Was kann jemand leichter feststellen als dies: lanûaÂnv, aor. eÍlaûon, bedeute: ich bleibe verborgen? Gleichwohl vermögen wir es kaum noch, unmittelbar in die Weise zurückzufinden, nach der dieses Wort griechisch spricht. Homer erzählt (Od. VIII, 83 ff.)***, wie Odysseus beim ernsten sowohl wie beim heiteren Lied des Sängers Demodokos im Palast des Phäakenkönigs jedesmal sein Haupt verhüllt und, so von den Anwesenden unbemerkt, weint. Vers 93 lautet: eÍnûÆ aÍlloyw meÁn paÂntaw eÆlaÂnûane a b
[1954] 〈dessen〉 was ist dies? das E [Ereignis]?**** [1954] 〈»Wahrheit«〉
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daÂkrya leiÂbvn. Wir übersetzen nach dem Geist unserer
Sprache richtig: »alsdann vergoß er Tränen, ohne daß alle anderena es merkten.« Die Übersetzung von Voß* kommt dem griechischen Sagen näher, weil sie das tragende Zeitwort eÆlaÂnûane in die deutsche Fassung übernimmt: »Allen übrigen Gästen verbarg er die stürzende Träne.«b Doch eÆlaÂnûane heißt nicht transitiv »er verbarg«, sondern »er blieb verborgen« – als der Tränen Vergießende. Das »verborgen bleiben« ist in der griechischen Sprache das regierende Wort. Die deutsche Sprache sagt dagegen: er weinte, ohne daß die anderen es merkten. Entsprechend übersetzen wir das bekannte epikure¨ische Mahnwort laÂûe bivÂsaw durch: »lebe im Verborgenen«. Griechisch gedacht sagt das Wort: »bleibe als der sein Leben Führende (dabei) verborgen.« Die Verborgenheit bestimmt hier die Weise, wie der Mensch unter Menschen anwesen sollc. Die griechische Sprache gibt durch die Art ihres Sagens kund, daß das Verborgen-** und d. h. zugleich das Unverborgenbleiben*** einen beherrschenden Vorrang vor allen übrigen Weisen hat, nach denen Anwesendes anwest. Der Grundzug des Anwesens selbst ist durch das Verborgen- und Unverborgenbleiben bestimmt. Es bedarf nicht erst einer anscheinend freischwebenden Etymologie des Wortes aÆlhûesiÂa, um zu erfahren, wie überall das Anwesen des Anwesenden nur im Scheinen, Sichbekunden, Vor-liegen, Aufgehen, Sich-hervor-bringen, im Aussehen zur Sprache kommt.****
a b
c
[1954] »die anderen alle« er? [1954] Jetzt Schadewaldt: »Da blieb (es) allen anderen verborgen, wie er Tränen weinte.«***** [1954] 〈Die Verborgenheit bestimmt hier die Weise, wie der Mensch unter Menschen anwesen soll〉
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Dies alles wäre in seinem ungestörten Zusammenklang innerhalb des griechischen Daseins und seiner Sprache undenkbar, waltete nicht Verborgenbleiben – Unverborgenbleibena als jenesb, was sich gar nicht erst eigens zur Sprache bringen muß, weil aus ihmc her diese Sprache selbst kommt.* Demgemäß denkt das griechische Erfahren im Falle des Odysseus nicht nach der Hinsicht, daß die anwesenden Gäste als Sub jekte vorgestellt werden, die in ihrem subjektiven Verhalten den weinenden Odysseus als ihr Wahrnehmungsobjekt nicht erfassen. Vielmehr waltet für das griechische Erfahren um den Weinenden eine Verborgenheit, die ihn den anderen entzieht. Homer sagt nicht: Odysseus verbarg seine Tränen. Der Dichter sagt auch nicht: Odysseus verbarg sich als ein Weinender, sondern er sagt: Odysseus blieb verborgend. Wir müssen diesen Sachverhalt oft und immer eindringlicher bedenken auf die Gefahr hin, weitschweifig und umständlich zu werden.** Ohne die zureichende Einsicht in diesen Sachverhalt bleibt die Auslegung des Anwesens durch Platon als ÆideÂa und damit die ganze nachfolgende Auslegung des Seins des Seienden*** für uns entweder eine Willkür oder ein Zufall. Im angeführten Zusammenhang heißt es bei Homer allerdings einige Verse vorher (V. 86): aiÍdeto gaÁr FaiÂhkaw yëpÆ oÆfryÂsi daÂkrya leiÂbvn. Voß übersetzt gemäß der Sageweise der deutschen Sprache: (Odysseus verhüllte sein Haupt) »daß die Phäaken nicht die tränenden Wimpern erblickten.« Das tragende Wort läßt Voß sogar unübersetzt: a b c d
[1954] (Licht[un]g d[es] Sich verb[ergenden] Berg[ens])**** [1954] 〈 jenes〉 E. [Ereignis] [1954] 〈ihm〉 E. [Ereignis] [1954] er sagt auch nicht: »es blieb verborgen, daß O[dysseus] weinte«
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aiÍdeto. Odysseus scheute sich – als ein Tränen Vergießen-
der vor den Phäaken. Heißt dies nun aber nicht deutlich genug soviel wie: er verbarg sich aus Scheu vor den Phäaken? Oder müssen wir auch die Scheu, aiÆdvÂw, aus dem Verborgenbleiben her denken, wenn wir uns bemühen, ihrem griechisch erfahrenen Wesen näher zu kommen? Dann hieße »sich scheuen«: geborgen und verborgen bleiben im Verhoffen, im an-sich-Halten. In der griechisch gedichteten Szene des in der Verhüllung weinenden Odysseus wird offenkundig, wie der Dichter das Walten des Anwesens erfährt, welcher Sinn von Sein, noch ungedacht, schon Geschick geworden. Anwesen ist das gelichtete Sichverbergena. Ihm entspricht die Scheu. Sie ist das verhaltene Verborgenbleiben vor dem Nahen des Anwesenden. Sie ist das Bergen des Anwesenden in die unantastbare Nähe des je und je im Kommen Verbleibenden, welches Kommen ein wachsendes Sich verhüllen bleibt. So ist denn die Scheu und alles ihr verwandte Hohe im Licht des Verborgenbleibens zu denken. So müssen wir uns denn auch bereit machen, ein anderes griechisches Wort, das zum Stamm laû- gehört, nachdenklicher zu gebrauchen. Es lautet eÆpilanûaÂnesûai. Wir übersetzen es richtig durch »vergessen«. Auf Grund dieser lexikalischen Richtigkeit scheint alles im reinen zu sein. Man tut so, als sei das Vergessen die sonnenklarste Sache von der Welt. Man bemerkt nur flüchtig, daß im entsprechenden griechischen Wort das Verborgenbleiben genannt ist. Doch was heißt »vergessen«? Der moderne Mensch, der alles darauf anlegt, möglichst rasch zu vergessen, müßte doch wissen, was das Vergessen ist. Aber er weiß es nicht. Er a
[1954] 〈welcher Sinn von Sein, noch ungedacht, schon Geschick geworden. Anwesen ist das gelichtete Sichverbergen〉*
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hat das Wesen des Vergessens vergessen, gesetzt, daß er es je hinreichend bedacht, d. h., in den Wesensbereich der Vergessenheit hinausgedacht hata. Die bestehende Gleichgültigkeit gegenüber dem Wesen des Vergessens liegt keineswegs nur an der Flüchtigkeit der heutigen Art zu leben. Was in solcher Gleichgültigkeit geschieht, kommt selbst aus dem Wesen der Vergessenheit. Dieser ist es eigen, sich selbst zu entziehen und in den eigenen Sog ihres Verbergens zu geratenb. Die Griechen haben die Vergessenheit, lhÂûh, als ein Geschick der Verbergungc erfahren. LanûaÂnomai sagt: ich bleibe mir – hinsichtlich des Bezugs eines sonst Unverborgenen zu mir – verborgen. Das Unverborgene ist damit seinerseits ebenso, wie ich mir in meinem Bezug zu ihm, verborgen. Das Anwesende sinkt dergestalt in die Verborgenheit weg, daß ich mir bei solcher Verbergung selbst verborgen bleibe als derjenige, dem sich das Anwesende entzieht. In einem damit wird diese Verbergung ihrerseits verborgen.* Solches geschieht in dem Vorkommnis, das wir meinen, wenn wir sagen: ich habe (etwas) vergessen. Beim Vergessen entfällt uns nicht nur etwas. Das Vergessen selbst fällt in eine Verbergung und zwar von einer Art, daß wir dabei selbst samt unserem Bezug zum Vergessenen in die Verborgenheit geraten. Deshalb sagen die Griechen in der medialen Form verschärfend eÆpilanûaÂnomai. So ist die Verborgenheit, in die der Mensch gerät, zugleich hinsichtlich ihres Bezugs zu dem genannt, was durch sie dem Menschen entzogen wird. Sowohl in der Weise wie die griechische Sprache das a
b c
[1954] 〈in den Wesensbereich der Vergessenheit hinausgedacht hat〉 261 ob[en]** [1954] 〈eigenen Sog ihres Verbergens zu geraten〉 [1954] 〈Verbergung〉
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lanûaÂnein, Verborgenbleiben, als tragendes und leitendes
Zeitwort gebraucht, wie auch in der Erfahrung des Vergessens vom Verborgenbleiben her zeigt* sich deutlich genug, daß lanûaÂnv, ich bleibe verborgen, nicht irgendeine Verhaltungsweise des Menschen unter vielen anderen meint, sondern den Grundzug alles Verhaltens zu An- und Abwesendem, wenn nicht gar den Grundzug des An- und Abwesens selbst nennt.** Spricht nun aber das Wort lhÂûv, ich bleibe verborgen, im Spruch eines Denkers zu uns, beendet dieses Wort gar noch eine denkende Frage, dann müssen wir uns auf dieses Wort und sein Gesagtes so weiträumig und ausdauernd besinnen, als wir es heute schon vermögen. Jedes Verborgenbleiben schließt den Bezug auf solches in sich, dem das Verborgene entzogen, aber dadurch in manchen Fällen gerade zugeneigt bleibt. Die griechische Sprache nennt jenes, worauf das im Verbergen Entzogene bezogen bleibt, im Accusativus: eÆnûÆaÍlloyw meÁn paÂntaw eÆlaÂnûane … Heraklit frägt: plw aÍn tiw laÂûoi; »wie denn könnte irgendwer verborgen bleiben?« In Bezug worauf? Auf das, was in den vorangehenden Worten genannt wird, mit denen der Spruch anhebt: toÁ mhÁ donoÂn pote, das niemals Untergehende. Der hier genannte »irgendwer« ist somit nicht das Subjekt, in Rückbeziehung auf welches irgend etwas anderes verborgen bleibt, sondern der »irgendwer« steht hinsichtlich der Möglichkeit seines Verborgenbleibens in Frage. Heraklits Frage bedenkt im vorhinein nicht die Verborgenheit und die Unverborgenheit in Beziehung auf denjenigen Menschen, den wir nach der neuzeitlichen Vorstellungsgewohnheit gern zum Träger, wenn nicht gar Macher der Unverborgenheit erklären möchten. Heraklits Frage denkt, neuzeitlich gesprochen, umgekehrt. Sie bedenkt das Ver-
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hältnis des Menschen zum »niemals Untergehenden« und denkt den Menschen aus diesem Verhältnis. Mit diesen Worten »das niemals Untergehende« übersetzen wir, als verstünde sich dies von selbst, das griechische Wortgefüge toÁ mhÁ donoÂn pote. Was meinen diese Worte? Woher nehmen wir die Auskunft darüber? Es liegt nahe, dem zuerst nachzuforschen, auch wenn uns dieses Vorhaben weit vom Spruch Heraklits wegführen sollte. Indes kommen wir hier und in ähnlichen Fällen leicht in die Gefahr, daß wir zu weit suchen. Denn wir halten das Wortgefüge im voraus für deutlich genug, um sogleich und ausschließlich nach solchem Ausschau zu halten, dem nach Heraklits Denken »das niemals Untergehen« zugesprochen werden muß. Doch wir fragen so weit nicht. Wir lassen auch unentschieden, ob die erwähnte Frage so gefragt werden kann. Denn der Versuch, darüber zu entscheiden, fällt dahin, wenn sich zeigen sollte, daß die Frage, was denn jenes sei, dem Heraklit »das niemals Untergehen« zuspreche, sich erübrigt. Wie kann sich dies zeigen? Wie sollen wir der Gefahr entgehen, zu weit zu fragen? Nur so, daß wir erfahren, inwiefern das Wortgefüge toÁ mhÁ donoÂn pote schon genug zu denken gibt, sobald wir erläutern, was es sagt. Das leitende Wort ist toÁ donon. Es hängt mit dyÂv zusammen, das einhüllen, versenken bedeutet. DyÂein besagt: in etwas eingehen: die Sonne geht ins Meer ein, taucht darin unter; proÁw dyÂnontow hëliÂoy heißt: gegen die untergehende Sonne zu, gegen Abend; neÂfea donai meint: unter die Wolken gehen, hinter Wolken verschwinden. Das griechisch gedachte Untergehen geschieht als Eingehen in die Verbergung. Wir sehen leicht, wenn auch nur erst ungefähr: die beiden tragenden, weil inhaltlichen Worte des Spruches, mit
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denen er anhebt und endet, toÁ donon und laÂûoi, sagen vom Selben. Doch die Frage bleibt, in welchem Sinne dies zutrifft. Indessen ist schon einiges gewonnen, wenn wir gewahren, daß der Spruch sich fragend im Bereich des Verbergens bewegta. Oder fallen wir, sobald wir dem nachdenken, nicht eher einer groben Täuschung anheim? Es scheint in der Tat so; denn der Spruch nennt toÁ mhÁ donoÂn pote, das doch ja nicht Untergehende je.* Dies ist offenkundig jenes, das niemals in eine Verbergung eingeht. Diese bleibt ausgeschlossen. Der Spruch frägt zwar nach einem Verborgenbleiben. Aber er stellt die Möglichkeit einer Verbergung so entschieden in Frage, daß solches Fragen einer Antwort gleichkommt. Diese weist den möglichen Fall des Verborgenbleibens ab. In der nur rhetorischen Frageform spricht die behauptende Aussage: vorb dem niemals Untergehenden kann keiner verborgen bleiben. Dies hört sich beinahe wie ein Lehrsatz an.** Sobald wir die tragenden Worte toÁ donon und laÂûoi nicht mehr als vereinzelte Wörter herausgreifen, sondern sie im unversehrten Ganzen des Spruches hören, wird deutlich: der Spruch bewegt sich durchaus nicht im Felde des Verbergens, sondern in dem schlechthin entgegengesetzten Bereich. Eine geringe Umstellung des Wortgefüges in die Form toÁ mhÂpote donon macht augenblicklich klar, wovon der Spruch sagt: vom niemals Untergehenden. Wenden wir vollends die verneinende Redeweise noch in die entsprechende Bejahung um, dann hören wir erst, was der Spruch mit »dem niemals Untergehenden« nennt: das ständig Aufgehende. Im griechischen Wortlaut müßte dies heißen: toÁ aÆeiÁ fyÂon. Diese Wendung findet sich bei Heraklit nicht. a b
[1954] 〈sich fragend im Bereich des Verbergens bewegt〉*** [1954] 〈vor〉****
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Allein, der Denker spricht von der fyÂsiw. Wir hören darin ein Grundwort des griechischen Denkens. So ist uns unversehens eine Antwort auf die Frage zugefallen, was denn jenes sei, dem Heraklit das Untergehen abspreche. Doch kann uns der Hinweis auf die fyÂsiw als Antwort gelten, solange dunkel bleibt, in welchem Sinne die fyÂsiw zu denken sei? Und was helfen uns großtönende Titel wie »Grundwort«, wenn uns die Gründe und Abgründe griechischen Denkens so wenig angehen, daß wir sie mit beliebig aufgegriffenen Namen zudecken, die wir, immer noch unbedacht genug, aus den uns geläufigen Vorstellungsbezirken entlehnen? Wenn schon toÁ mhÂpote donon die fyÂsiw meinen soll, dann erläutert uns die Bezugnahme auf die fyÂsiw nicht, was toÁ mhÁ donoÂn pote ist, sondern umgekehrt: »das niemals Untergehende« weist uns an, zu bedenken, daß und inwiefern die fyÂsiw als das ständig Aufgehende erfahren wird. Was ist dieses jedoch anderes als das immerwährend Sichentbergende? Demnach bewegt sich das Sagen des Spruches im Bereich des Entbergens und nicht in dem des Verbergens. Wie und im Hinblick auf welchen Sachverhalt sollen wir uns den Bereich des Entbergens und dieses selbst so denken, daß wir nicht Gefahr laufen, bloßen Wörtern nachzujagen? Je entschiedener wir davon abkommen, das immerwährend Aufgehende, das niemals Untergehende uns wie ein anwesendes Ding anschaulich vorzustellen, umso notwendiger wird eine Auskunft darüber, was denn nun dieses selbst sei, dem »das niemals Untergehen« als Eigenschaft zugesprochen ist. Wissenwollen verdient oft ein Lob, nur dann nicht, wenn es sich übereilt. Doch bedächtiger, um nicht zu sagen umständlicher, können wir kaum vorgehen, wo wir überall am Wort des Spruches bleiben. Blieben wir es denn? Oder
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hat uns eine kaum merkliche Umstellung von Wörtern zur Eile verleitet und uns dadurch um die Gelegenheit gebracht, Wichtiges zu beachten? Allerdings. Wir stellten toÁ mhÁ donoÂn pote um in die Wendung toÁ mhÂpote donon und übersetzten mhÂpote richtig durch »niemals«, toÁ donon richtig durch »das Untergehende«. Wir bedachten weder das vor dem donon für sich gesagte mhÂ, noch das nachgestellte poteÂ. Wir konnten deshalb auch nicht auf einen Wink achten, den die Negation mh und das Adverbium pote uns für eine bedachtsamere Erläuterung des donon vorbehalten. Das mh ist ein Wort der Verneinung. Es meint wie das oyÆk ein »nicht«, jedoch in einem anderen Sinne. Das oyÆk spricht dem, was von der Verneinung betroffen wird, geradehin etwas ab. Das mh dagegen spricht dem in den Bereich seiner Verneinung Gelangten etwas zu: eine Abwehr, ein Fernhalten, ein Verhüten. MhÁ … pote sagt: daß ja nicht … jemals … Was denn? Etwas anders wese, als wie es westa. Im Spruch Heraklits umschließen mh und pote das donon. Das Wort ist grammatisch gesehen ein Participium. Bisher übersetzten wir es in die anscheinend näher liegende nominale Bedeutung und bestärkten so die gleichfalls naheliegende Meinung, Heraklit spräche von solchem, was niemals dem Untergehen anheimfällt. Aber das verneinende mhÁ … pote betrifft ein so und so Währen und Wesen. Die Verneinung geht somit den verbalen Sinn des Participiums donon an. Das Selbe gilt vom mh im eÆoÂn des Parmenides. Das Wortgefüge toÁ mhÁ donoÂn pote sagt: das doch ja nicht Untergehen je. Wagen wir es noch einmal für einen Augenblick, das a
[1954] 〈daß ja nicht … jemals … Was denn? Etwas anders wese, als wie es west〉
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verneinende Wortgefüge in ein bejahendes zu wenden, dann zeigt sich: Heraklit denkt das immerwährende Aufgehen, nicht irgend etwas, dem das Aufgehen als Eigenschaft zufällt, auch nicht das All, das vom Aufgehen betroffen wird. Heraklit denkt vielmehr das Aufgehen und nur dieses. Das eh und je währende Aufgehen wird im denkend gesagten Wort fyÂsiw genannt. Wir müßten es auf eine ungewohnte, aber gemäße Weise durch »Aufgehung« übersetzen, entsprechend dem geläufigen Wort »Entstehung«. Heraklit denkt das niemals Untergehen.a Griechisch gedacht ist es das niemals Eingehen in die Verbergung. In welchem Bereich bewegt sich demnach das Sagen des Spruches? Es nennt dem Sinne nach die Verbergung, nämlich das niemals Eingehen in sie. Der Spruch meint zugleich und gerade das immerwährende Aufgehen, die eh und je währende Entbergung. Das Wortgefüge toÁ mhÁ donoÂn pote, das doch ja nicht Untergehen je, meint beides: Entbergung und Verbergung, nicht als zwei verschiedene, nur aneinandergeschobene Geschehnisse,* sondern als Eines und das Selbe. Achten wir hierauf, dann ist uns verwehrt, an die Stelle von toÁ mhÁ donoÂn pote unbedacht thÁn fyÂsin zu setzen. Oder ist dies immer noch möglich, wenn nicht gar unumgänglich? Im letzteren Fall dürfen wir jedoch die fyÂsiw nicht mehr nur als Aufgehen denken. Dies ist sie im Grunde auch niemals. Kein Geringerer als Heraklit sagt es deutlich und geheimnisvoll zugleich. Das Fragment 123 lautet: »FyÂsiw kryÂptesûai filej«. Ob die Übersetzung: »das Wesen der Dinge versteckt sich gern« auch nur entfernt in a
[1954] Hommel: das sein Aufgehen niemals Endende Praesens.**
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den Bereich des heraklitischen Denkens zeigt, sei hier nicht genauer erörtert. Vielleicht dürfen wir Heraklit einen solchen Gemeinplatz nicht zumuten, davon abgesehen, daß ein »Wesen der Dinge« erst seit Platon gedacht wird. Auf anderes müssen wir achten: fyÂsiw und kryÂptesûai, Aufgehen (Sichentbergen) und Verbergen, sind in ihrer nächsten Nachbarschaft genannt. Dies mag auf den ersten Blick befremden. Denn wenn die fyÂsiw als Aufgehen sich von etwas abkehrt oder gar gegen etwas sich kehrt, dann ist es das kryÂptesûai, Sichverbergen. Doch Heraklit denkt beide in der nächsten Nachbarschaft zueinander. Ihre Nähe wird sogar eigens genannt. Sie ist durch das filej bestimmt. Das Sichentbergen liebta das Sichverbergen. Was soll dies heißen? Sucht das Aufgehen die Verborgenheit auf? Wo soll diese sein und wie, in welchem Sinne von »sein«? Oder hat die fyÂsiw nur eine gewisse, bisweilen sich einstellende Vorliebe dafür, statt ein Aufgehen zur Abwechslung ein Sichverbergen zu sein? Sagt der Spruch, das Aufgehen schlage gern einmal in ein Sichverbergen um, sodaß bald das eine, bald das andere waltet? Keineswegs. Diese Deutung verfehlt den Sinn des filej, wodurch das Verhältnis zwischen fyÂsiw und kryÂptesûai genannt ist. Die Deutung vergißt vor allem das Entscheidende, was der Spruch zu denken gibt: die Weise, wie das Aufgehen als Sichentbergen west. Wenn hier schon im Hinblick auf die fyÂsiw von »wesen« die Rede sein darf, dann meint fyÂsiw nicht das Wesen, das oÏ ti, das Was der Dinge. Davon spricht Heraklit weder hier noch in den Fragmenten 1 und 112, wo er die Wendung kataÁ fyÂsin a
[1954] 〈liebt〉 dazu Hommel, brieflich 21. 8. 55: Hinweis auf Indogerm[anische] Forschungen II.* filej: »es hat zu eigen« sfiÂlow – sfi – mein, dein, sein Eigener; (der fyÂsiw ist eigen-tümlich)**
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gebraucht. Nicht die fyÂsiw als Wesenheit der Dinge, sondern das Wesen (verbal) der fyÂsiw denkt der Spruch. Das Aufgehen ist als solches je schon dem Sichverschließen zugeneigt. In dieses bleibt jenes geborgen. Das kryÂptesûai ist als Sichver-bergen nicht ein bloßes Sichverschließen, sondern ein Bergen, worin die Wesensmöglichkeit des Aufgehens verwahrt bleibt, wohin das Aufgehen als solches gehört. Das Sichverbergen verbürgt dem Sichentbergen sein Wesen.* Im Sichverbergen waltet umgekehrt die Verhaltenheit der Zuneigung zum Sichentbergen. Was wäre ein Sichverbergen, wenn es nicht an sich hielte in seiner Zuwendung zum Aufgehen? So sind denn fyÂsiw und kryÂptesûai nicht voneinander getrennt, sondern gegenwendig einander zugeneigta. Sie sind das Selbe. In solcher Zuneigung gönnt erst eines dem anderen das eigene Wesen. Diese in sich gegenwendige Gunstb ist das Wesen des filejn und der filiÂa. In dieser das Aufgehen und Sichverbergen ineinander verneigenden Zuneigung beruht die Wesensfülle der fyÂsiw. Die Übersetzung des Fragments 123 fyÂsiw kryÂptesûai filej könnte darum lauten: »Das Aufgehen (aus dem Sichverbergen) dem Sichverbergen schenkt’s die Gunst.« Wir denken die fyÂsiw auch dann noch vordergründig, wenn wir sie nur als Aufgehen und Aufgehenlassen denken und ihr dann noch irgendwelche Eigenschaften zusprechen, dabei aber das Entscheidende außerachtlassen, daß das Sichentbergen das Verbergen nicht nur nie beseitigt, sondern es brauchtc, um so zu wesen, wie es west, als Ent-bergen. Erst wenn wir die fyÂsiw in diesem Sinne dena b c
[1954] 〈zugeneigt〉 [1954] 〈in sich gegenwendige Gunst〉** [1954] 〈braucht〉
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ken, dürfen wir statt toÁ mhÁ donoÂn pote auch thÁn fyÂsin sagen. Beide Namen nennen den Bereich, den die schwebende Innigkeit von Entbergen und Verbergen stiftet und durchwaltet. In dieser Innigkeit birgt sich die Einigkeit und Ein-heit des ÏEn, welches Eine die frühen Denker vermutlich in einem Reichtum seines Einfachen geschaut haben, der den Nachkommenden verschlossen bleibt. ToÁ mhÁ donoÂn pote, »das niemals Eingehen in die Verbergung,« fällt der Verbergung nie anheim, um in ihr zu verlöschen, aber es bleibt dem Sichverbergen zugetan, weil es als das niemals Eingehen in … stets ein Aufgehen aus der Verbergung ist. Für das griechische Denken wird in toÁ mhÁ donoÂn pote ungesprochen das kryÂptesûai gesagt und so die fyÂsiw in ihrem vollen, von der filiÂa zwischen Entbergen und Sichverbergen durchwalteten Wesen genannt. Vielleicht sind die filiÂa des filejn in Fragment 123 und die aërmoniÂh aÆfanhÂw in Fragment 54 das Selbe, gesetzt, daß die Fuge, dank deren sich Entbergen und Verbergen gegenwendig ineinanderfügen, das Unscheinbare alles Unscheinbaren bleiben muß, da es jedem Erscheinenden das Scheinen schenkt. Der Hinweis auf fyÂsiw, filiÂa, aërmoniÂh hat das Unbestimmte herabgemindert, worin uns zunächst toÁ mhÁ donoÂn pote, das doch ja* nicht Untergehen je, vernehmlich wurde. Dennoch läßt sich der Wunsch kaum noch länger zurückhalten, an die Stelle der bild- und ortlosen Erläuterung über Entbergen und Sichverbergen möchte eine anschauliche Auskunft darüber treten, wohin das Genannte eigentlich gehöre. Mit dieser Frage kommen wir freilich zu spät. Weshalb? Weil toÁ mhÁ donoÂn pote für das frühe Denken den Bereich aller Bereiche nennt.a Er ist indes nicht die a
[1954] 〈den Bereich aller Bereiche nennt.〉** 278 ob[en]
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oberste Gattung, der sich verschiedene Arten von Bereichen unterordnen. Er ist jenes, worin im Sinne der Ortschaft jedes mögliche Wohin eines Hingehörens beruht. Demgemäß ist der Bereich im Sinne des mhÁ donoÂn pote aus seiner versammelnden Reichweite her einzig. In ihm wächst alles auf und zusammen (concrescit), was in das Ereignisa des recht erfahrenen Entbergens gehört. Er ist das Konkrete schlechthin. Wie soll aber dieser Bereich durch die voraufgegangenen abstrakten Darlegungen konkret vorgestellt werden? Die Frage scheint berechtigt zu sein, solange nämlich, als wir außerachtlassen, daß wir das Denken Heraklits nicht vorschnell mit Unterscheidungen wie »konkret« und »abstrakt«, »sinnlich« und »nichtsinnlich«, »anschaulich« und »unanschaulich« überfallen dürfen. Daß sie uns und seit langem geläufig sind, verbürgt noch nicht ihre vermeintlich unbegrenzte Tragweite. So könnte es denn geschehen, daß Heraklit gerade dort, wo er durch ein Wort spricht, das Anschauliches nennt, das schlechthin Unanschauliche denkt. Dadurch wird klar, wie wenig wir mit solchen Unterscheidungen auskommen.* Nach der Erläuterung dürfen wir statt toÁ mhÁ donoÂn pote unter zwei Bedingungen toÁ aÆeiÁ fyÂon setzen. Wir müssen fyÂsiw vom Sichverbergen her und fyÂon verbal denken. Wir suchen bei Heraklit das Wort aÆeiÂfyon vergeblich, finden jedoch statt seiner in Fragment 30 aÆeiÂzvon, immerwährend lebendb. Das Zeitwort »leben« spricht ins Weiteste, Äußerste, Innigste aus einer Bedeutung, die auch Nietzsche noch in seiner Aufzeichnung aus dem Jahre 1885 / 86 denkt, wenn er sagt: »›das Sein‹ – wir haben keine andere Vorstellung davon als ›leben‹. – Wie kann also** etwas Todtes ›sein‹?« (Wille zur Macht, n. 582)***. a
[1954] 〈das Ereignis〉 ! [1954] 〈Fragment 30 aÆeiÂzvon, immerwährend lebend〉****
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Wie müssen wir unser Wort »leben« verstehen, wenn wir es als getreue Übersetzung des griechischen zgn in Anspruch nehmen? In zgn, zaÂv spricht die Wurzel za-. Wir können freilich niemals aus diesem Lautgebilde hervorzaubern, was »leben« im griechischen Sinne bedeutet. Doch wir beachten, daß die griechische Sprache vor allem im Sagen Homers und Pindars Wörter wie zaÂûeow, zamenhÂw, zaÂpyrow, gebraucht. Die Sprachwissenschaft erklärt, zabedeute eine Verstärkung; zaÂûeow heißt demnach »sehr göttlich«, »sehr heilig«; zamenhÂw »sehr wuchtig«; zaÂpyrow »sehr feurig«. Aber diese »Verstärkung« meint weder eine mechanische noch eine dynamische Mehrung. Pindar nennt Orte und Berge, Auen und Ufer eines Flusses zaÂûeow, und zwar dann, wenn er sagen möchte, die Götter, die scheinend Hereinblickenden, ließen sich hier oft und eigentlich blicken, westen im Erscheinen an. Die Orte sind besonders heilig, weil sie rein im Erscheinenlassen des Scheinenden aufgehen. So meint auch zamenhÂw jenes, was das Hervor- und Ankommen des Sturmes in sein volles Anwesen aufgehen läßt. Za- bedeutet das reine Aufgehenlassen innerhalb der und für die Weisen des Erscheinens, Hereinblickens, Hereinbrechens, Ankommens. Das Zeitwort zgn nennt das Aufgehen in das Lichte. Homer sagt: zgn kaiÁ oërfn faÂow hÆeliÂoio »leben und dies sagt: schauen das Licht der Sonne«. Das griechische zgn, zvhÂ, zli on dürfen wir weder vom Zoologischen noch vom Biologischen im weiteren Sinne her denken. Was das griechische zli on nennt, liegt so weit ab von allem biologisch vorgestellten Tierwesen, daß die Griechen sogar ihre Götter zli a nennen können. Weshalb? Die Hereinblickenden sind die ins Schauen Aufgehenden. Die Götter werden nicht als Tiere erfahren. Das Tierwesen gehört jedoch in einem besonderen Sinne dem zgn an. Das
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Aufgehen des Tieres zum Freien bleibt auf eine zugleich befremdende und bestrickende Weise in sich verschlossen und gebunden. Sichentbergen und Sichverbergen sind im Tier auf eine Art einig, daß unser menschliches Auslegen kaum Wege findet, sobald es die mechanische Erklärung des Tierwesens, die jederzeit durchführbar ist, ebenso entschieden meidet wie die anthropomorphe Deutung. Weil das Tier nicht spricht, haben Sichentbergen und Sichverbergen samt ihrer Einheit bei den Tieren ein ganz anderes Lebe-Wesen. Doch zvh und fyÂsiw sagen das Selbe: aÆeiÂzvon bedeutet: aÆeiÂfyon, bedeutet: toÁ mhÁ donoÂn pote. Das Wort aÆeiÂzvon folgt in Fragment 30 auf por, Feuer, weniger als Eigenschaftswort, eher als neu im Sagen anhebender Name, der sagt, wie das Feuer zu denken sei, nämlich als immerwährendes Aufgehen. Durch das Wort »Feuer« nennt Heraklit jenes, was oyÍte tiw ûeln oyÍte aÆnûrv  pvn eÆpoiÂhsen »was weder irgendwer der Götter noch der Menschen her-vor-brachte«, was vielmehr schon immer, vor den Göttern und Menschen und für sie als fyÂsiw in sich beruht, in sich verbleibt und so alles Kommen verwahrt. Dies aber ist der koÂsmow. Wir sagen »die Welt« und denken sie ungemäß*, solange wir sie ausschließlich oder auch nur in erster Linie kosmologisch und naturphilosophisch vorstellen. Welt ist währendes Feuer, währendes Aufgehen nach dem vollen Sinne der fyÂsiw. Sofern man hier von einem ewigen Weltbrand redet, darf man sich nicht zuerst eine Welt für sich vorstellen, die außerdem noch von einer fortdauernden Feuersbrunst befallen und durchwütet wird. Vielmehr sind das Welten der Welt, toÁ por, toÁ aÆeiÂzvon, toÁ mhÁ donoÂn pote das Selbe. Dementsprechend liegt das Wesen des Feuers, das Heraklit denkt, nicht so unmittelbar am
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Tag, wie es uns der Anblick einer lodernden Flamme einreden möchte. Wir brauchen nur auf den Sprachgebrauch zu achten,* der das Wort por aus vielfältigen Hinsichten spricht und so in die Wesensfülle dessen weist, was sich im denkenden Sagen des Wortes andeutet. Por nennt das Opferfeuer, das Herdfeuer, das Wachtfeuer, aber auch den Schein der Fackeln, das Leuchten der Gestirne. Im »Feuer« waltet das Lichten, das Glühen, das Lodern, das milde Scheinen, solches, was eine Weite in Helle entbreitet. Im »Feuer« waltet aber auch das Versehren, Zusammenschlagen, Verschließen, Verlöschen. Wenn Heraklit vom Feuer spricht, denkt er vornehmlich das lichtende Walten, das Weisen, das Maße gibt und entzieht. Nach einem von Karl Reinhardt (Hermes Bd. 77, 1942 S. 1 ff.)** bei Hippolytus entdeckten und über zeugend gesicherten Fragment ist für Heraklit toÁ por zugleich toÁ froÂnimon, das Sinnende. Jeglichem weist es die Wegrichtung und legt jeglichem vor, wohin es gehört. Das vor-legend sinnende Feuer versammelt alles und birgt es in sein Wesen. Das sinnende Feuer ist die vor- (ins Anwesen) legende und darlegende Versammlung. ToÁ Por ist oë LoÂgow. Dessen Sinnen ist das Herz, d. h. die lichtend-bergende Weite der Welt. Heraklit denkt in der Vielfalt verschiedener Namen: fyÂsiw, por, loÂgow, aërmoniÂh, poÂlemow, eÍriw, (filiÂa), eÏn die Wesensfülle des Selben. Von daher und dorthin zurück ist das Wortgefüge gesagt, mit dem das Fragment 16 anhebt: toÁ mhÁ donoÂn pote, das doch ja nicht Untergehen je. Was hier genannt wird, müssen wir in allen angeführten Grundworten des heraklitischen Denkens mithören. Inzwischen zeigte sich: das niemals Eingehen in die Verbergung ist das währende Aufgehen aus dem Sichverbergen. Auf solche Weise glüht und scheint und sinnt das
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Weltfeuer. Denken wir es als das reine Lichten, dann bringt dieses nicht nur die Helle, sondern zugleich das Freie, worin alles, zumal das Gegenwendige, ins Scheinen kommt. Lichtena ist somit mehr als nur Erhellen, mehr auch als Freilegen.* Lichten ist das sinnend-versammelnde Vorbringen ins Freieb, ist Gewähren von Anwesen. Das Ereignis der Lichtung ist die Welt.** Das sinnendversammelnde, ins Freie bringende Lichten ist Entbergen und beruht im Sichverbergen, das zu ihm gehört als jenes, das selber im Entbergen sein Wesen findet und darum nie ein bloßes Eingehen in die Verbergung, nie ein Untergehen sein kann. Plw aÍn tiw laÂûoi; »wie denn könnte irgendwer verborgen bleiben?« frägt der Spruch im Hinblick auf das vorgenannte toÁ mhÁ donoÂn pote, das im Accusativus steht. Übersetzend nennen wir es im Dativus: »Wie könnte dem, der Lichtung nämlich, irgendwer verborgen bleiben?« Die Art des Fragens weist eine solche Möglichkeit ohne eine Begründung ab. Diese müßte denn schon im Gefragten selbst liegen. Wir sind auch rasch bei der Hand, sie vorzubringen. Weil das niemals Untergehen, das Lichten, alles sieht und bemerkt, kann sich nichts vor ihm verstecken. Allein, von einem Sehen und Bemerken ist im Spruch keine Rede. Vor allem aber sagt er nicht plw aÍn ti »wie könnte irgendetwas …«, sondern plw aÍn tiw »wie könnte denn irgendwer …?« Die Lichtung ist nach dem Spruch keineswegs auf jedes beliebige Anwesende bezogen. Wer ist in dem tiÂw gemeint? Nahe liegt, an den Menschen zu denken, zumal die Frage von einem Sterblichen gestellt und zu Menschen gesprochen ist. Doch weil hier ein Denker spricht, und zwar jener, der in a b
[1954] 〈Lichten〉 [1954] 〈Vorbringen ins Freie〉
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der Nähe zu Apollon und Artemis wohnt, könnte sein Spruch eine Zwiesprache mit dem Hereinblickenden sein und im tiÂw, irgendwer, die Götter mitmeinen. In dieser Vermutung werden wir durch das Fragment 30 bestärkt, das sagt: oyÍte tiw ûeln oyÍte aÆnûrvÂpvn. Insgleichen nennt das oft und meist unvollständig angeführte Fragment 53 die Unsterblichen und die Sterblichen zusammen, indem es sagt: poÂlemow, die Aus-einander-setzung (die Lichtung), zeige die einen der Anwesenden als Götter, die anderen als Menschen, sie bringe die einen als Knechte, die anderen als Freie hervor – zum Vorschein. Dies sagt: die währende Lichtung läßt Götter und Menschen in die Unverborgenheit anwesen, sodaß nie irgendwer von ihnen je verborgen bleiben könnte; dies aber nicht, weil er erst noch von irgendwem bemerkt wird, sondern allein schon insofern, als jedweder anwest. Indessen bleibt das Anwesen der Götter ein anderes als das der Menschen. Jene sind als daiÂmonew, ûeaÂontew die Hereinblickenden, herein in die Lichtung des Anwesenden, das die Sterblichen auf ihre Weise an-gehen, indem sie es in seiner Anwesenheit vorliegenlassen und in der Acht behalten. Demgemäß ist das Lichten kein bloßes Erhellen und Belichten. Weil Anwesen heißt: aus der Verbergung her in die Entbergung vor währen, deshalb betrifft das entbergend-verbergende Lichten das Anwesen des Anwesenden. Aber das Fragment 16 spricht nicht von allem und jedem beliebigen etwas, tiÂ, das anwesen könnte, sondern eindeutig nur von tiÂw, irgendwer der Sterblichen und der Götter. Demnach scheint der Spruch nur einen beschränkten Bezirk des Anwesenden zu nennen. Oder enthält der Spruch statt einer Beschränkung auf einen besonderen Bereich des Anwesenden eine Auszeichnung und Entschränkung*, die den Bereich aller Bereichea angeht? Ist diese Auszeichnung a
[1954] 〈Bereich aller Bereiche〉 272 u[nten]
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gar von einer Art, daß der Spruch solches erfrägt, was ungesprochen auch jenes Anwesende zu sich einholt und bei sich einbehält, das zwar gebietsmäßig nicht mehr unter die Menschen und die Götter zu rechnen, aber gleichwohl in einem anderen Sinne göttlich und menschlich ist, Gewächs und Getier, Gebirg und Meer und Gestirn? Worin anders könnte jedoch die Auszeichnung der Götter und Menschen beruhen, wenn nicht darin, daß gerade sie es niemals vermögen, in ihrem Verhältnis zur Lichtung verborgen zu bleiben? Weshalb vermögen sie dies nicht? Weil ihr Verhältnis zur Lichtung nichts anderes ist als die Lichtung selber, insofern diese die Götter und Menschen in die Lichtung einsammelt und einbehält. Die Lichtung beleuchtet Anwesendes nicht nur, sondern sie versammelt und birgt es zuvor ins Anwesen. Welcher Art ist jedoch das Anwesen der Götter und Menschen? Sie sind in der Lichtung nicht nur beleuchtet, sondern aus ihr zu ihr er-leuchtet. So vermögen sie es denn auf ihre Weise, das Lichten zu vollbringen (ins Volle seines Wesens bringen) und dadurch die Lichtung zu hüten. Götter und Menschen sind nicht nur von einem Licht, und sei dies auch ein übersinnliches, belichtet, sodaß sie sich vor ihm nie in das Finstere verstecken können. Sie sind in ihrem Wesen gelichtet. Sie sind er-lichtet: in das Ereignis der Lichtung vereignet, darum nie verborgen, sondern ent-borgen*, dies noch in einem anderen Sinne gedacht. Wie die Entfernten der Ferne gehören, so sind die in dem jetzt zu denkenden Sinne Entborgenen der bergenden, sie haltenden und verhaltenden Lichtung zugetraut. Sie sind ihrem Wesen nach in das Verbergende des Geheimnisses ver-legt, versammelt, dem LoÂgow zu eigen im oëmologejn (Fragment 50). Meint Heraklit seine Frage so, wie wir es jetzt erörterten? Stand das durch diese Erörterung Gesagte im Feld
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seines Vorstellens? Wer wollte dies wissen und behaupten? Doch vielleicht sagt der Spruch, unabhängig vom damaligen Vorstellungsfeld Heraklits, solches, was die versuchte Erörterung vorbrachte. Der Spruch sagt es, gesetzt, daß ein denkendes Gespräch ihn zum Sprechen bringen darf. Er sagt es und läßt es im Ungesprochenen. Die Wege, die durch die Gegend des also Ungesprochenen führen, bleiben Fragen, die immer nur solches hervorrufen, was ihnen von altersher in vielfältiger Verhüllung gezeigt worden.* Daß Heraklit das entbergend-verbergende Lichten, das Weltfeuer, in einem kaum erschaubaren Bezug zu jenen bedenkt, die ihrem Wesen nach Erlichtete und so in einem ausgezeichneten Sinne der Lichtung Zu-hörende und Zugehörige sind**, darauf deutet der fragende Grundzug des Spruches. Oder spricht der Spruch aus einer Erfahrung des Denkens, die schon jeden seiner Schritte trägt? Möchte Heraklits Frage nur sagen, keine Möglichkeit lasse sich ersehen, nach der das Verhältnis des Weltfeuers zu den Göttern und Menschen je anders sein könnte als so, daß diese nicht nur als Belichtete und Angeschaute in die Lichtung gehören, sondern als jene Unscheinbaren, die auf ihre Weise das Lichten miterbringen und es in seinem Währen verwahren und überliefern? In diesem Falle könnte der fragende Spruch das denkende Erstaunen zur Sprache bringen, das vor dem Verhältnis verhofft, in das die Lichtung das Wesen der Götter und Menschen zu ihr selbst einbehält. Das fragende Sagen entspräche dem, was eh und je des denkenden Erstaunens würdig und durch dieses in seiner Würde gewahrt bleibt. Wie weit und wie deutlich Heraklits Denken den Bereich aller Bereiche vordeutend erst ahnen durfte, läßt sich nicht abschätzen. Daß der Spruch sich jedoch im Bereich
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der Lichtung bewegt, duldet keinen Zweifel, sobald wir fortan immer deutlicher dies eine bedenken: Beginn und Ende der Frage nennen das Entbergen und Verbergen und zwar hinsichtlich ihres Bezugs.* Es bedarf dann nicht einmal des gesonderten Hinweises auf das Fragment 50, wo das entbergend-bergende Sammeln genannt ist, das sich den Sterblichen so zuspricht, daß ihr Wesen sich darin entfaltet, dem LoÂgow zu entsprechen oder nicht. Zu leicht meinen wir, das Geheimnis des zu-Denkenden liege jedes Mal weit ab und tief versteckt in schwer durchdringbaren Schichten einer Verheimlichung. Indes hat es seinen Wesensort in der Nähe, die alles ankommend Anwesende nähert und das Genahte verwahrt. Das Wesende der Nähe ist unserem gewohnten Vorstellen, das ins Anwesende und dessen Bestellung sich ausgibt, zu nahe, als daß wir das Walten der Nähe unvorbereitet erfahren und zureichend denken könnten. Vermutlich ist das Geheimnis, das im zu-Denkenden ruft, nichts anderes als das Wesende dessen, was wir mit dem Namen »die Lichtung« anzudeuten versuchen. Darum geht auch das alltägliche Meinen sicher und hartnäckig am Geheimnis vorbei. Heraklit wußte dies. Das Fragment 72 lautet: li maÂlista dihneklw oëmiloosi LoÂgvi, toyÂtvi diafeÂrontai, kaiÁ oÎiw kaûÆ hëmeÂran eÆgkyroosi, taota ayÆtojw jeÂna faiÂnetai.
»Dem sie am meisten, von ihm durchgängig getragen, zugekehrt sind, dem LoÂgow, mit dem bringen sie sich auseinander; und so zeigt sich denn: das, worauf sie täglich treffen, dies bleibt ihnen (in seinem Anwesen) fremd.«
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Die Sterblichen sind unablässig dem entbergend-bergenden Versammeln zugekehrt, das alles Anwesende in sein Anwesen lichtet. Doch sie kehren sich dabei ab von der Lichtung und kehren sich nur an das Anwesende, das sie im alltäglichen Verkehr mit allem und jedem unmittelbar antreffen. Sie meinen, dieser Verkehr mit dem Anwesenden verschaffe ihnen wie von selbst die gemäße Vertrautheit. Und dennoch bleibt es ihnen fremd. Denn sie ahnen nichts von jenem, dem sie zugetraut sind: vom Anwesen, das lichtend jeweils erst Anwesendes zum Vorschein kommen läßt. Der LoÂgow, in dessen Lichtung sie gehen und stehen, bleibt ihnen verborgen, ist für sie vergessen.a * Je bekannter ihnen alles Kennbare wird, um so befremdlicher bleibt es ihnen, ohne daß sie dies wissen können. Sie würden auf all solches erst aufmerksam, wenn sie fragen möchten: wie könnte denn irgendwer, dessen Wesen der Lichtung zugehört, jemals sich dem Empfangen und Hüten der Lichtung entziehen?** Wie könnte er dies, ohne alsbald zu erfahren, daß ihm das Alltägliche nur deshalb das Geläufigste sein kann, weil diese Geläufigkeit an das Vergessen dessen verschuldet bleibt, was auch das anscheinend von selbst Bekannte erst ins Licht eines Anwesenden bringt? Das alltägliche Meinen sucht das Wahre im Vielerlei des immer Neuen, das vor ihm ausgestreut wird. Es sieht nicht den stillen Glanz (das Gold) des Geheimnisses, das im Einfachen der Lichtung immerwährend scheint. Heraklit sagt (Fragment 9): oÍnoyw syÂrmatÆ aÃn eëleÂsûai mfllon hà xrysoÂn.
»Esel holen sich Spreu eher als Gold.« a
[1954] Fr[a]g[ment] 1
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Aber das Goldene des unscheinbaren Scheinens der Lichtung läßt sich nicht greifen, weil es selbst kein Greifendesa, sondern das reine Ereignenb ist. Das unscheinbare Scheinen der Lichtung entströmt dem heilen Sichbergen in der ansichhaltenden Verwahrnis des Geschickes. Darum ist das Scheinen der Lich tung in sich zugleich das Sichverhüllen und in diesem Sinne das Dunkelste. Heraklit heißt oë SkoteinoÂw. Er wird diesen Namen auch künftig behalten. Er ist der Dunkle, weil er fragend in die Lichtung denkt.
a b
[1954] 〈kein Greifendes〉* [1954] 〈reine Ereignen〉
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HINWEISE
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DIE FRAGE NACH DER TECHNIKa
Vortrag, gehalten am 18. November 1953 im Auditorium Maximum der Technischen Hochschule München, in der Reihe »Die Künste im technischen Zeitalter«, veranstaltet von der Bayerischen Akademie der Schönen Künste unter Leitung des Präsidenten Emil Preetorius, im Druck erschienen in Band III des Jahrbuches der Akademie (Redaktion: Clemens Graf Podewils), R. Oldenbourg München 1954, S. 70 ff.* WISSENSCHAFT UND BESINNUNG
Vortrag, in der vorliegenden Fassungb für einen kleinen Kreis gehalten zur Vorbereitung der oben genannten Tagung am 4. August 1953 in München.** ÜBERWINDUNG DER METAPHYSIK
Der Text gibt Aufzeichnungen zur Verwindung der Metaphysik aus den Jahren 1936 bis 1946. Der Hauptteil ist als Beitrag zur Festschrift für Emil Preetorius (1953***) ausgewählt****; ein Stück (n. XXVI) ist im Barlachheft des a
b
[1954] früher Bremen Dez. 1949 – Einblick in das was ist. März 1950 Bühlerhöhe***** [1954] 〈vorliegenden Fassung〉
HINWEISE
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Landestheaters Darmstadt 1951 erschienen (Redaktion: Egon Vietta)*. WER IST NIETZSCHES ZARATHUSTRA?
Vortrag, gehalten am 8. Mai 1953 im Club zu Bremen (vgl. die Vorlesunga »Was heißt Denken?«. Niemeyer Tübingen 1954, S. 19 ff.).** WAS HEISST DENKEN?
Vortrag, gesprochen (Mai 1952) im Bayerischen Rundfunk; gedruckt in der Zeitschrift »Merkur« (Herausgeber J. Moras und H. Paeschke), VI, Jahrgang 1952, S. 601 ff. (vgl. die obengenannte Vorlesung).*** BAUEN WOHNEN DENKEN
Vortrag, gehalten am 5. August 1951 im Rahmen des »Darmstädter Gesprächs II« über »Mensch und Raum«; gedruckt in der Veröffentlichung dieses Gesprächs, Neue Darmstädter Verlagsanstalt, 1952, S. 72 ff.**** [284]
DAS DING
Vortrag, gehalten in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste am 6. Juni 1950; gedruckt im Jahrbuch der Akademie Band I, Gestalt und Gedanke 1951, S. 128 ff. (Redaktion: Clemens Graf Podewils).b *****
a b
gehalten 1951/52 und 1952 bereits Dez. 1949 Bremen. 1944 AgxibasiÂh******
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HINWEISE
»… DICHTERISCH WOHNET DER MENSCH …«
Vortrag, gehalten am 6. Oktober 1951 auf »Bühlerhöhe«; gedruckt im ersten Heft der »Akzente«, Zeitschrift für Dichtung (herausgegeben von W. Höllerer und Hans Bender) Heft 1,1954, S. 57 ff.* LOGOS (Heraklit, Fragment 50)
Beitrag zur Festschrift für Hans Jantzen (hrsg. von Kurt Bauch). Berlin, 1951, S. 7 ff,** und als Vortrag gehalten im Club zu Bremen am 4. Mai 1951; ausführlich erörtert in einer unveröffentlichten Vorlesung »Logik« vom Sommersemester 1944. MOIRA (Parmenides VIII, 34–41)
Ein nicht vorgetragenes Stück der Vorlesung »Was heißt Denken?« Niemeyer Tübingen 1954, zu S. 146 ff.*** ALETHEIA (Heraklit, Fragment 16)
Beitrag zur Festschrift der 350. Jahresfeier des Humanistischen Gymnasiums in Konstanz 1954****; zuerst vorgetragen in einer unveröffentlichten Heraklitvorlesung des Sommersemesters 1943.*****
HINWEISE
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HEIDEGGERS NOTIZEN
[Anm. d. Hrsg.: Im Handexemplar von Vorträge und Aufsätze (Erstausgabe 1954) und im Handexemplar der 3. Auflage von 1967 fanden sich Beilageblätter mit Notizen, Exzerpten und Stichworten. Diese werden hier wiedergegeben. Die Textanordnung entspricht optisch annähernd der Anordnung des Manuskripts. Umrahmungen, Verweisungs- und Markierungszeichen werden als solche wiedergegeben. Hinweise und Ergänzungen in eckigen Klammern stammen von den Herausgebern.]
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Beilagen aus »Vorträge und Aufsätze« (EA 1954)
[Beilageblatt 1] [zu »Die Frage nach der Technik«, EA S. 22 f.; in vorliegender Ausgabe S. 23] »Der Mensch an sich selbst, insofern er sich seiner gesunden Sinne bedient; ist der größte und genaueste physikalische Apparat, den es geben kann, und das ist eben das größte Unheil der neuen Physik, daß man die Experimente gleichsam vom Menschen abgesondert hat, und bloß in dem, was künstliche Instrumente zeigen, die Natur erkennen, ja was sie leisten kann, dadurch beschränken und beweisen will.« Goethe. Spr[üche] in Prosa 351*
»Wir würden gar vieles besser kennen, wenn wir es nicht zu genau erkennen wollten.« ebd. Durch Heisenb[erg]s Unbest[immtheits] Rel[ation] ist der Mensch schließlich ausdrücklich in die Künstlichkeit der Instrumente einbezogen und ein Bestandstück dieser geworden. So gesehen, kann er in allen Gegenständen nur noch sich selbst begegnen – / aber was ist er da »selbst« (die Instrumentation!)
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[Beilageblatt 2] [zu »Die Frage nach der Technik«, EA S. 27; in vorliegender Ausgabe S. 29]
das Ge-Stell ×
der Gedanke und – das Ge-stell. Kr[eis]. Quadrat.[?]*
1. als Wesen d[es] Willens zum Willen – »Wesen« i[m] S[inne] des durchgängig Währenden – der Grund-Zug – Durchzug des Grundes – durchgängiges Gründen 2. als verhaltener Anklang Vergessenheit – Ge-»setz« des Seins × 3. als Schleier des E. [Ereignisses] erstes Erblitzen äußerster verhülltester Bereich im Be-stellen.
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[Beilageblatt 3] [zum Aufbau von »Wissenschaft und Besinnung«, EA S. 45; in vorliegender Ausgabe S. 51] Aufbau Wissenschaft und Bes[innung] die moderne Wissensch[aft] 46. I. Erläuterung (Wirklichk[eit] – Theorie) 48 ff.–59. I. Schritt. II. Welcher unsch[einbare] Sachverhalt verbirgt sich im Wes[en der Wissenschaft] 59–68 ob[en]. II. Schr[itt]. das u[nzugängliche] U[numgängliche] * III. Was ist der u[nscheinbare] Sachverhalt in sich selber
dazu ein neues Fragen nötig andersartig – jedoch in eine »Wegrichtung« (Sinn) gewiesen [?]** – auf welchem Weg und Gang! – welcher Sache
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[Beilageblatt 4] [zu »Wissenschaft und Besinnung«, EA S. 62; in vorliegender Ausgabe S. 73] zu Wiss[enschaft] und Besinnung – V[orträge] und A[ufsätze] 62 Gegenständlichkeit* und Ansicht »Das Wahre ist eine Fackel, aber eine ungeheure; deswegen suchen wir alle nur blinzend so daran vorbeizukommen, in der Furcht, uns zu verbrennen.« Goethe. Sprüche in Prosa.** »Mit den Ansichten, wenn sie aus der Welt verschwinden, gehen oft die Gegenstände selbst verloren. Kann man doch im höheren Sinne sagen, daß die Ansicht der Gegenstand sei.« ebd.*** »Es ist viel mehr schon entdeckt, als man glaubt. Da die Gegenstände durch die Ansichten der Menschen erst aus dem Nichts hervorgehoben werden, so kehren sie, wenn sich die Ansichten verlieren, auch wieder in’s Nichts zurück.« ebd.****
Gegenständigkeit und »Seiendes« ? ?
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[Beilageblatt 5] [zu »Wissenschaft und Besinnung«, EA S. 66 f.; in vorliegender Ausgabe S. 78 f.] zu S. 66 Das Übergehen des unzug[änglichen] Unumg[änglichen] geschieht in den und durch die Wissenschaften selbst.* Sie gehen in einen Fortriß – einen geschicklichen – wohin? Text. M[anu]scr[ipt] 20.** Antwort: »in die vollständige Ausformung ihres eigenen vorgezeichneten Wesens. Auf welche Weise diese Ausformung (Einrichtung des jetz[igen] Aufenthalts des Menschen auf der Erde)*** von statten gehen wird, kann niemand voraussagen. Das, was die moderne Wissenschaft in ihrem innersten Wesen bewegt, das, wodurch sich der gezeigte unscheinbare Sachverhalt ereignet, können wir heute nur erst ganz unzureichend und überdies leicht mißdeutbar kennzeichnen, wenn wir dafür den Namen »Technik« nennen. Das Wesen der modernen Technik ist indessen noch dunkler als dasjenige der Wissenschaft – so dunkel, daß wir vermutlich noch nicht einmal dahin gelangt sind, nach der mod[ernen] Technik sachgerecht zu fragen.«
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[Beilageblatt 6] [zu »Wissenschaft und Besinnung«, EA S. 68 f.; in vorliegender Ausgabe S. 80 f.] zu V[orträge] [und] A[ufsätze] 68 f.
»Der Sach-Verhalt«
»Der Sinn ist der Weg, die Wegrichtung, die eine Sache nimmt. Der Sinn ist die offene Wegrichtung, die der Gang einer Sache schon eingeschlagen hat. Der Sinn ist der gelichtete Bereich, worin eine Sache ihr Wesen entfaltet und zugleich verwahrt. Der Sinn ist es, worin eine Sache ihr Wesen wahrt und hält und d. h. hütet. Der Sinn ist es, aus dem her eine Sache mit dem in ihr verborgen[en] Wesen an sich hält: das Verhaltene – der Verhalt einer Sache:* der Sach-Verhalt – das Wort jetzt tiefer gedacht.« (nicht gedruckter – aber vorgetragener Text)
die Sache – der Streit- der Zwischen-Fall der Unter-Schied
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[Beilageblatt 7] [zu »Wissenschaft und Bildung«, EA S. 69 f.; in vorliegender Ausgabe S. 81 f.] Bildung »Die Civilisation ist die Vermenschlichung der Völker in ihren äußeren Einrichtungen und Gebräuchen und der darauf Bezug habenden inneren Gesinnung. Die Cultur fügt dieser Veredlung des gesellschaftlichen Zustandes Wissenschaft und Kunst hinzu. Wenn wir aber in unsrer Sprache Bildung sagen, so meinen wir damit etwas zugleich Höheres und mehr Innerliches, nämlich die Sinnesart, die sich aus der Erkenntnis und dem Gefühle des gesamten geistigen und sittlichen Strebens harmonisch auf die Empfindung und den Charakter ergießt.« W[ilhelm] v[on] Humboldt, Über d[ie] Versch[iedenheit] d[es] menschl[ichen] Sprachb[aues] § 4*
[Beilageblatt 8] [zu »Überwindung der Metaphysik«, EA S. 74 f.; in vorliegender Ausgabe S. 89 f.] ego cogito ¤ das subiectum. −− −− A[nwesenheit] Obiectum
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[Beilageblatt 9] [zu »Überwindung der Metaphysik«, EA S. 75 f.; in vorliegender Ausgabe S. 89 f.] zu S. 76 Wesen und Sein Das Wesen denkt die Metaphysik als essentia und diese als quidditas, d. h. die oyÆsiÂa als Seiendheit Die erste und zweite oyÆsiÂa. Weshalb kommt das Was-Sein (tiÂ) in den Vorrang vor dem oÏti? In Wahrheit ist das Was-Sein nur eine Stillstellung des oÏti, des noch unbegreifbaren und schon als fyÂsiw aufgegebenen »Daß« des Ereignisses. Weil das »Daß« gleichsam verborgen bleibt in seiner Wahrheit, erscheint es als das factum brutum und das weiter nicht Befragbare, dessen sich dann die Erklärung aus der Verursachung bemächtigt, worin schon die Vorhabe des Daß als Gewirktheit sich ankündigt. Hier west überall der Vorrang der ÆideÂa; die existentia wird der Name für ein Unumgängliches, aber nicht Wissbares. Aus Heideggers Manuscript.*
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[Beilageblatt 10] Zu Ho[lz]we[ge]* vgl. Identitätsvortrag** – Ge-Stell vgl. Ursp[run]g d[es] K[unst]w[erkes] – »Zusatz« Recl[am]***
[Beilageblatt 11] Wandruszka Deutschunterricht 1958 H[e]ft 4**** Zur Sprachwiss[enschaft] und Sprachtheorie Klett.*****
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Beilagen aus »Vorträge und Aufsätze« ( 31967)
[HE 31967, Beilageblatt 1] [zu HE 31967, S. 20, EA S. 146, 148, 157; in vorliegender Ausgabe S. 168; 171; 181] – bauen – wohnen –
1
bauen – in sich selber bereits ein Wohnen – 20 »buan« und »wohnen« aber was ist »Wohnen« – bhu – bin – bist – Wohnen: Menschsein, als Sterblicher auf der Erde wohnen. Wohnen: als Sein d[es] Menschen; Grundzug des Menschseins. Wohnen: bleiben, sich aufhalten Wunian – zufrieden sein – fry: bewahrt vor Schaden und Bedrohung Freien – schonen – positiv – : etwas eigens in sein Eigenes zurückbergen (E) [(Ereignis)] »retten« etwas in sein Eigenes frei lassen Wohnen: schonender Aufenthalt im Geviert (schonen – im Br. [Brauch] [?])*
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[HE 31967, Beilageblatt 2] [zu HE 31967, S. 32, EA S. 158; in vorliegender Ausgabe S. 183] bauen – wohnen –
2
der Ort – nicht schon vor der Brücke vorhanden (zwar besetzbare Stellen, den Fluß entlang) der Ort – versammelnd – zus[ammen] im Ding der Raum – frei gemachter – eingeräumter Platz das in seine Grenzen Eingelassene Freie Wohnen – 32 – und die Räumlichkeit des Da-seins.
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HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS
[Anm. d. Hrsg.: Auf den Nachsatzseiten seines Handexemplars der Erstausgabe hat Martin Heidegger ein Stichwortverzeichnis notiert, dessen Wortlaut einschließlich Verweisungs- und Markierungszeichen hier wiedergegeben wird. Die dort aufgeführten Seitenverweise beziehen sich auf die Seitenzahlen der Erstausgabe: Martin Heidegger, Vorträge und Aufsätze, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954. In der vorliegenden Ausgabe sind die Seitenzahlen der Erstausgabe in eckigen Klammern an den Seitenrändern angegeben. Die von Heidegger unterstrichenen Stichworte und Seitenzahlen werden hier kursiv wiedergegeben. Die Textanordnung entspricht optisch annähernd der Anordnung des Manuskripts.]
Andenken 107
Kant 79
Verhängnis S. 77
bauen 146 ff. Dimension – 195 f. Dichten 137! 139. 189
Dichten als Messen 196
×! »Ereignis« 99, 135, (»eigentlich«) 140, 142 f. / 71. 98/9 – / 212.212* 281 u[nten],
HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS
341
Entsprechen 140* Gedächtnis 136 ff.
Vergessen. 261 ff.**
Etymologie 48 »Werk« – eÍrgon 49 f.
Geviert 249 ff.*** Ge-birg – Tod – / Denken 256 Gewesen 107 Gering 179
Geviert 149 ff. 159! 176 ff.
Sprache 189 f. 146.148. 54**** Freiheit – 32 ff. Wille – das Ja zu – 194 ob[en] ×
Ereignis 178 z. B. 99 261 –
Mensch-sein 147 Wohnen
Tod 177 Vergessen 262 f.*****
Unerverhoffte 151 Raum und Dimension Denken – als Weisen 134. 135 f. Denken als Vernehmen und Vorstellen – 140 ff. Weilen 179 ×
Schonen 149 Reflexion 85 ff. s[iehe] Nietzsche II******
[neue Nachsatzseite] Aussage 190 Theorie« 52/3
342
das Selbe 193 das Gleiche
»bilden« 69 sinnen 68
HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS
Subjektität 77. 85 Stellen – Thesis 28. 49.
¥ »Welt« zgn – 273 f.
Gespräch mit d[er] Geschichte des Denkens. 238 f. beachten 196 beweisen LhÂûh 240 f. 241!
Identität – 242 ob[en] 246 f.! (Rätselwort 241.246 249 ob[en] 256) 193 Zwiefalt 240 ff. 242 u[nten] Sprache 243 f. 245! 253 ff. / 189 ff. / 212* und »Sage« ″ Seinsgeschichte 251 f. 253 99 V Gebraucht – Brauch – / 33/4. 41 / 249 Ge-Stell 91 / 194 Anmerk[ung] Künste 45 Ge-Stell 27 ff. und Beilage!** Der unscheinbare Sachverh[alt] Hegel (Absetz[ung] gegen) 61 f. 66 236 u[nten] »die Wissenschaft denkt nicht« 133 brauchen 251 ob[en] 99 »Voren[t]halt« 134 f. 139. 143 Gewährnis (E[Ereignis]) 251 f. »Geschick«
HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS
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ANHANG
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
Editorische Anmerkungen zu »Inhalt« S. 5 * HE [1954]: In der EA folgen »Inhalt« und »Vorwort« auf die Widmung; in vorliegender Ausgabe wurde diese Reihenfolge umgestellt. ** HE [1954]: Randmarkierung: Bogen K auf der Höhe von 〈ÆAlhÂûeia〉. S. 7 * Fritz Heidegger (1894–1980) war der jüngere Bruder von Martin Heidegger. Als Heidegger 1938 seine Manuskripte zur Aufbewahrung nach Meßkirch gebracht hatte, begann Fritz damit, diese mit der Schreibmaschine abzuschreiben. In seiner Tischrede zum 70. Geburtstag seines Bruders am 6. Februar 1964 wandte sich Martin Heidegger mit folgenden Worten an ihn: »[…] Es fügte sich, daß Du zum Mitarbeiter wurdest an der selben Sache, die mich schon lange anging und noch angeht. Von außen gesehen übernahmst Du die Übertragung der zum Teil schwer lesbaren Vorlesungsund Arbeitsmanuskripte in die Maschinenschrift. Aber es war mehr als die Herstellung von Abschriften, denn es verlangte Anderes: nämlich das Einarbeiten in Gedankengänge, die auch der damaligen wissenschaftli-
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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chen Welt und den Fachleuten noch unbekannt und unzugänglich waren. Diese ›Abschriften‹ verschafften mir jedesmal die Grundlage für ein neues Durchdenken der Fragen. […]«. Martin Heidegger, Reden und andere Zeugnisse eines Lebensweges (1910 – 1976), hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 16), 2000, S. 594 – 597, hier S. 596.
Editorische Anmerkungen zu »Vorwort« S. 9 * HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, auf den ganzen Satz bezogen. ** HE [1954]: Randmarkierung: zwei senkrechte Pfeile ausgehend von »ÆAlhÂûeia« nach oben und unten .
Editorische Anmerkungen zu »Die Frage nach der Technik« S. 13 * Die Ausgabe Die Technik und die Kehre, Opuscula 1, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1962, enthält eine »Vorbemerkung«, die hier wiedergegeben wird: VORBEMERKUNG
Unter dem Titel »Einblick in das was ist« hielt der Verfasser am 1. Dezember 1949 im Club zu Bremen vier Vorträge, die im Frühjahr 1950 (25. und 26. März) auf Bühlerhöhe unverändert wiederholt wurden. Die
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ANHANG
Titel lauteten: Das Ding. Das Gestell. Die Gefahr. Die Kehre. Der erste Vortrag wurde in erweiterter Fassung am 6. Juni 1950 in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste gehalten. (Siehe: Vorträge und Aufsätze, 1954, S. 163 ff.). Der zweite Vortrag wurde am 18. November 1955 in der von der genannten Akademie veranstalteten Reihe »Die Künste im technischen Zeitalter« unter dem Titel »Die Frage nach der Technik« gleichfalls in erweiterter Fassung gehalten. (Siehe: Vorträge und Aufsätze, 1954, S. 9 ff.). Die vorliegende Schrift gibt diesen Text unverändert wieder. Der dritte Vortrag bleibt noch unveröffentlicht. Der vierte Vortrag »Die Kehre« wird hier nach der ersten Fassung unverändert zum erstenmal veröffentlicht. [Anm. d. Hrsg.] In seinem Handexemplar der Erstausgabe von Die Technik und die Kehre hat Heidegger das Datum des zweiten Vortrags (»18. November 1955«) korrigiert. Das korrekte Datum lautet: »18. November 1953«. S. 19 * HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 77]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈kennzeichen〉. ** Heidegger zitiert und übersetzt Platon nach der folgenden Ausgabe: Platonis Opera, Vol. 2, recognovit brevique adnotatione critica instruxit Ioannes Burnet. Oxonii e typographeo Clarendoniano, 1901.
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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S. 20 * HE [1962 Beilageblatt]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne 〈die Gebilde〉. S. 22 * Heidegger zitiert Aristoteles nach der folgenden Ausgabe: Ethica Nicomachea, recognovit Franciscus Susemihl, Lipsiae in aedibus B. G. Teubneri, 1882. ** HE [1954]: Randmarkierung: Kreuz, auf der Höhe von 〈Das Entscheidende der teÂxnh liegt somit keineswegs im Machen und Hantieren〉. S. 23 * Vgl. Beilageblatt [1] unter »Heideggers Notizen«, in vorliegender Ausgabe S. 330. ** HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈Das〉. *** HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈als solche〉 nicht kursiviert. **** HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 81]: Randmarkierung: Pluszeichen. S. 25 * Friedrich Hölderlin, »Der Rhein«, in: Ders., Sämtliche Werke, Bd. IV: Gedichte 1800 – 1806, unter Mitarbeit von Friedrich Seebass besorgt durch Norbert von Hellingrath, München / Leipzig, Müller, 21923, S. 172–180. S. 26 * Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Jenenser Realphilosophie I. Die Vorlesungen von 1803 / 04. Aus dem Manuskript hrsg. von Johannes Hoffmeister, Leipzig, Felix Meiner Verlag, 1932, z. B. S. 232: »In der Ma-
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ANHANG
schine hebt der Mensch selbst diese seine formale Tätigkeit auf und läßt sie ganz für ihn arbeiten. Aber jener Betrug, den er gegen die Natur ausübt und mit dem er innerhalb ihrer Einzelheit stehen bleibt, rächt sich gegen ihn selbst; was er ihr abgewinnt, je mehr er sie unterjocht, desto niedriger wird er selbst. Indem er die Natur durch mancherlei Maschinen bearbeiten läßt, so hebt er die Notwendigkeit seines Arbeitens nicht auf, sondern schiebt es nur hinaus, entfernt es von der Natur und richtet sich nicht lebendig auf sie als eine lebendige; sondern es entflieht diese negative Lebendigkeit, und das Arbeiten, das ihm übrig bleibt, wird selbst maschinenmäßiger; er vermindert sie nur fürs Ganze, aber nicht für den Einzelnen, sondern vergrößert sie vielmehr, denn je maschinenmäßiger die Arbeit wird, desto weniger Wert hat sie, und desto mehr muß er auf diese Weise arbeiten.« S. 27 * HE [1954]; HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 86] und HE [1962 Beilageblatt]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈hat nicht Platon gemacht〉. S. 28 * Der Aufsatz »Zur Seinsfrage« erschien zuerst unter dem Titel »Über ›die Linie‹«, in: Armin Mohler (Hrsg.), Freundschaftliche Begegnungen. Festschrift für Ernst Jünger zum 60. Geburtstag, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1955, S. 9 – 45. Als selbständige Schrift erschien der Aufsatz 1956 um ein Vorwort ergänzt: Martin Heidegger, Zur Seinsfrage, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1956. Die 4., durchgesehene Auflage erschien 1977. Die Schrift wurde unter
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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dem Titel »Zur Seinsfrage« aufgenommen in: Martin Heidegger, Wegmarken, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1967, S. 213 – 254; 2., durchgesehene und um zwei Texte erweiterte Auflage 1978, 52013. In der HGA: Martin Heidegger, »Zur Seinsfrage«, in: Ders., Wegmarken, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 9), 1976, 32004, S. 385 – 426. Heideggers Aufsatz ist eine Antwort auf Ernst Jüngers Beitrag »Über die Linie« zur Festschrift Anteile. Martin Heidegger zum 60. Geburtstag, hrsg. von Hans-Georg Gadamer, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1950, S. 245 – 284. Siehe zu Martin Heidegger und Ernst Jünger auch: Ernst Jünger / Martin Heidegger, Briefe 1949 – 1975, unter Mitarbeit von Simone Maier, hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Günter Figal, Gemeinschaftsausgabe, Stuttgart, Klett-Cotta / Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 2008. In diesem Band sind die Festschriftbeiträge von Heidegger und Jünger aufgenommen, S. 103– 196. ** HE [1954]: Verweisungszeichen F–F vor »vgl. 30«. S. 29 * In Heideggers HE [1954] findet sich ein Beilageblatt [2], das sich auf diese Stelle bezieht, vgl. in vorliegender Ausgabe unter »Heideggers Notizen«, S. 331. ** HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 88]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Absatz sowie die letzte Zeile des vorangehenden Absatzes. *** HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 88]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈mit der so Worte der gewachsenen Sprache mißhandelt werden〉. HE [1962 Beilageblatt]:
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ANHANG
Korrekturanweisung M.H.: 〈mit der〉 hier 〈Worte der gewachsenen Sprache mißhandelt werden〉. **** Martin Heidegger, Identität und Differenz, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954, 122002. In der HGA: Martin Heidegger, Identität und Differenz, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 11), 2006, S. 27 – 110. S. 30 * HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 88]: 〈ÆideÂa〉 ** HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 88]: 〈ÆideÂa〉 S. 31 * HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 89]: Randmarkierung: Längsstrich, auf der Höhe von 〈nämlich an jenes Her- und Dar-stellen, das im Sinne der poiÂhsiw das Anwesende in die Unverborgenheit hervorkommen läßt.〉 ** HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Abschnitt und die Annotation »vgl. S. 49«. *** HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 89]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Satz. **** HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈sie läßt sich nicht durch eine nur dahinter geschaltete metaphysische oder religiöse Erklärung ergänzen〉. Außerdem Randmarkierung: geschlängelte Längslinie, bezogen auf den zitierten Satzteil. ***** Martin Heidegger, »Der Ursprung des Kunstwerkes. Nachwort«, in: Ders., Holzwege, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1950, S. 66 – 68. Die von Heidegger erwähnte Passage findet sich nicht im Nachwort, sondern im Zusatz, den er 1960 in einer Sonderausgabe aufgenommen hat: Martin Heidegger, »Zu-
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353
satz«, in: Ders., Der Ursprung des Kunstwerkes, mit einer Einführung von Hans-Georg Gadamer, Stuttgart, Reclam, 1960, 31970, Nachdruck 2010, S. 95 – 101. In der HGA: Martin Heidegger, »Zusatz«, in: Ders., Holzwege, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 5), 1977, 22003, S. 70 – 74. S. 32 * HE [1954 Gestalt und Gedanke, S. 91]: Beide Sätze ohne Kommata: 〈Historisch gerechnet bleibt dies richtig. Geschichtlich gedacht trifft es nicht das Wahre.〉 S. 33 * HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich mit schließender spitzer Klammer >, bezogen auf 〈nicht der widersinnige Wille, Vergangenes zu erneuern, sondern die nüchterne Bereitschaft, vor dem Kommenden der Frühe zu erstaunen.〉; HE [1962, S. 22]: Randmarkierung: durchkreuzter Kreis G, auf der Höhe von 〈vor dem Kommenden der Frühe zu erstaunen〉; außerdem drei Längsstriche, bezogen auf den ganzen Satz. ** HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf 〈Er ist vom Walten des Ge-stells herausgefordert, das die Bestellbarkeit der Natur als Bestand verlangt. Darum kann die Physik bei allem Rückzug aus dem bis vor kurzem allein maßgebenden, nur den Gegenständen zugewandten Vorstellen auf eines niemals verzichten〉. S. 34 * Werner Heisenberg, »Das Naturbild in der heutigen Physik«, in: Bayerische Akademie der Schönen Künste
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ANHANG
(Hrsg.), Gestalt und Gedanke. Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Band 3: Die Künste im technischen Zeitalter, München, Oldenbourg, 1954, S. 43–69. Werner Karl Heisenberg (1901 – 1976) wurde 1932 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Martin Heidegger lernte ihn schon Anfang der 1930er Jahre persönlich kennen und war seitdem mit ihm freundschaftlich verbunden. ** HE [1954]: Randmarkierung: Kreis. S. 35 * HE [1954]: Randmarkierung: geschlängelte Längslinie, bezogen auf folgende Passage: 〈Als der so Herausgeforderte steht der Mensch im Wesensbereich des Gestells. Er kann gar nicht erst nachträglich eine Beziehung zu ihm aufnehmen.〉 ** HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈vom〉. *** Martin Heidegger, Vom Wesen der Wahrheit, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1943, S. 16 f.; 8., ergänzte Auflage 1997. Aufgenommen in: Martin Heidegger, Wegmarken, a. a. O., 1967, S. 73 – 98. Die 2., durchgesehene und um zwei Texte erweiterte Auflage dieser Ausgabe erschien 1978, 52013. In der HGA: Martin Heidegger, »Vom Wesen der Wahrheit (1930)«, in: Ders., Wegmarken (HGA 9), a. a. O., S. 177– 202. Heidegger hat den Vortrag »Vom Wesen der Wahrheit« in vier verschiedenen Versionen gehalten; (1) am 14. Juli 1930 in Karlsruhe, (2) am 8. Oktober 1930 in Bremen (die erste Ausarbeitung), (3) am 5. Dezember 1930 in Marburg und am 11. Dezember 1930 in Freiburg. An Pfingsten 1940 überarbeitete er den Text (4). Die vier Fassungen dieses Vortrags sind jetzt zugänglich in: Martin Heidegger, Vorträge. Teil 1: 1915 – 1932,
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hrsg. von Günther Neumann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 80.1), 2016, S. 327 – 428. **** HE [1962]: Der Querverweis bezieht sich auf folgende Stelle (dort auch Rückverweis auf »ob[en] 24« des HE [1962]: 〈So sieht es aus, solange wir nicht darauf achten, daß auch das Herausfordern in das Bestellen des Wirklichen als Bestand immer noch ein Schicken bleibt, das den Menschen auf einen Weg des Entbergens bringt〉. ***** Martin Heidegger, »Zeit und Sein«, in: Ders., Zur Sache des Denkens, Tübingen, Max Niemeyer, 1969, 2 1976, S. 1 – 60. In der HGA: Martin Heidegger, Zur Sache des Denkens (1962– 1964), hrsg. von FriedrichWilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 14), 2007, S. 3 – 66. S. 36 * Die in HE [1962] gedruckte Korrektur wurde hier übernommen. In den anderen HE: ohne 〈für〉. ** HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf 〈Geschick in dem genannten Sinne ist auch das Hervor-bringen, die poiÂhsiw.〉 und den nachfolgenden Satz. S. 38 * Martin Heidegger, »Einblick in das was ist. Bremer Vorträge 1949«, in: Ders., Bremer und Freiburger Vorträge, hrsg. von Petra Jaeger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 79), 1994, 22005, S. 1 – 77, hier S. 67. S. 39 * Siehe Anmerkung * zu S. 34. ** HE [1962 Beilageblatt]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne den Zusatz 〈im Ge-stell von diesem〉.
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ANHANG
*** Die in HE [1962] gedruckte Korrektur wurde hier übernommen. In den anderen Handexemplaren ohne Komma. **** HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich mit öffnender spitzer Klammer . *** Vgl. Anm. *** zu S. 57. S. 62 * HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈Beachten〉. ** HE [1954]: Siehe Anm.*** zu S. 60. *** HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈was〉. Auch im folgenden Satz Kleinschreibung in der EA: 〈»die moderne Wissenschaft ist die Theorie des Wirklichen«〉. **** HE [1954]: Unklare Randmarkierung: Kreis oder Kringel oder Ziffer 6 [?], bezogen auf 〈daß sich im Wesen und Walten der Sprache jedesmal ein Schicksal entscheidet〉. S. 63 * Alfred Ernout et Antoine Meillet, Dictionnaire e´tymologique de la langue latine, 3e e´dition, corrige´e et augmente´e d’un index, Paris, Klincksieck, 1951, S. 1202. S. 64 * HE [1954]: Randmarkierung: rechtsgerichteter Pfeil schräg nach unten ¥, bezogen auf den folgenden Absatz. S. 65 * HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Satz sowie auf den vorangegangenen Satz.
364
ANHANG
** HE [1954]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich. *** HE [1954]: Umrahmung von »ist« und Verbindungslinie von »ist« zu »Dies«. Pfeil von »es« in Richtung auf »Anwesende«. Randmarkierungen: Längsstriche und senkrecht abwärtsgerichteter Pfeil . **** Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen, neu geordnet, eingeleitet und erläutert von Günther Müller, Stuttgart, Kröner, 1943, Nr. 1073: »Mit den Ansichten, wenn sie aus der Welt verschwinden, gehen oft die Gegenstände selbst verloren. Kann man doch im höheren Sinne sagen, dass die Ansicht der Gegenstand sei.« S. 66 * HE [1954]: Randmarkierung des ganzen Absatzes: Längsstrich mit Kreuz vor der Ziffer 59. ** HE [1954]: Randmarkierungen: links von der Ziffer 68: Kreis; rechts: Pluszeichen. *** HE [1954]: Randmarkierung: hinter »61«: Kreis. S. 67 * HE [1954]: Randmarkierung: Pluszeichen, auf der Höhe von 〈was Zweck heißt.〉 ** HE [1954]: Entzifferung unklar, andere Lesarten: »Verzeichnen« oder »Vorzeichnen«. *** Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, »Einleitung II. Vom Gebiete der Philosophie überhaupt«, in: Kants Gesammelte Schriften, Band 5, Kritik der praktischen Vernunft, Kritik der Urteilskraft, hrsg. von der BerlinBrandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin, Reimer, 1908, n. II. **** Vgl. Martin Heidegger, Nietzsche I, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1961, 6., ergänzte Auflage 1998, bes.
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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S. 173 ff. In der HGA: Martin Heidegger, Nietzsche I, hrsg. von Brigitte Schillbach, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 6.1), 1997, S. 173 ff. Vgl. außerdem Ders., Nietzsche II, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1961, 6., ergänzte Auflage 1998, bes. S. 117 f., 125, 150 ff., 165 ff. In der HGA: Martin Heidegger, Nietzsche II, hrsg. von Brigitte Schillbach, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 6.2), 1997, bes. S. 133 f., 142, 170 ff., 186 ff. S. 68 * HE [1954]: Randmarkierung des ganzen Satzes: doppelter Längsstrich. Dieser Satz von Max Planck ist nur mündlich überliefert. ** HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf folgenden Satz: 〈Das nachstellend-sicherstellende Verfahren aller Theorie des Wirklichen ist ein Berechnen.〉 S. 69 * HE [1954]: Randmarkierung: Kreis, bezogen auf den ganzen Satz. ** HE [1954]: Randmarkierung: Kreis, bezogen auf den ganzen Satz. *** HE [1954]: Randmarkierung: öffnende spitze Klammer , auf der Höhe von 〈Sodann ist die Natur nicht zu umgehen〉. **** HE [1954]: Randmarkierung: Kreis über »zweite N[atur]«. S. 74 * HE [1954]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, bezogen auf den ganzen Satz. S. 77 * HE [1954]: Randmarkierung: Kreis. ** Zitat aus Martin Heidegger, Was heißt Denken?, Tübingen, Max Niemeyer, 1954, 51997, S. 4. Vgl. zur Erörterung dieses Satzes »Martin Heidegger im Gespräch (17. September 1969)«, in: Martin Heidegger, Reden und andere Zeugnisse eines Lebensweges (1910 – 1976), hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 16), 2000, S. 702 – 710, hier S. 705 f.: »Und dieser Satz: die Wissenschaft denkt nicht, der viel Aufsehen erregte, als ich ihn in einer Freiburger Vorlesung aussprach, bedeutet: Die Wissenschaft bewegt sich nicht in der Dimension der Philosophie. Sie ist aber, ohne daß sie es weiß, auf diese Dimension angewiesen. 368
ANHANG
Zum Beispiel: Die Physik bewegt sich in Raum und Zeit und Bewegung. Was Bewegung, was Raum, was Zeit ist, kann die Wissenschaft als Wissenschaft nicht entscheiden. Die Wissenschaft denkt also nicht, sie kann in diesem Sinne mit ihren Methoden gar nicht denken. Ich kann nicht z. B. mit physikalischen Methoden sagen, was die Physik ist. Was die Physik ist, kann ich nur denken, in der Weise des philosophischen Fragens. Der Satz: die Wissenschaft denkt nicht, ist kein Vorwurf, sondern nur eine Feststellung der inneren Struktur der Wissenschaft: zu ihrem Wesen gehört, daß sie einerseits auf das, was die Philosophie denkt, angewiesen ist, andererseits selbst aber dieses zu-Denkende vergißt und nicht beachtet.« *** HE [1954]: Randmarkierung: durchkreuzter Kreis G. S. 78 * Ein Beilageblatt [5] bezieht sich auf diese Stelle, (EA S. 66 ff.), vgl. in vorliegender Ausgabe unter »Heideggers Notizen«, S. 334. ** HE [1954]: Randmarkierung: schließende spitze Klammer > oberhalb der Ziffer 59. *** HE [1954]: Kreuz neben der Ziffer 59. S. 79 * HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf folgenden Satzteil: 〈nämlich wesenhaft Anderes als eine bloße Unsicherheit in der Ansetzung der Grundbegriffe, durch die jeweils den Wissenschaften das Gebiet beigestellt wird.〉 ** Siehe Anm. * zu S. 78. *** HE [1954]: Randmarkierung: Verweisungszeichen ×–× mit senkrecht abwärtsgerichtetem Pfeil , bezogen auf den ganzen Absatz. EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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**** HE [1954]: Randmarkierung: Pluszeichen. ***** HE [1954]: Randmarkierung: durchkreuzter Kreis G. S. 80 * HE [1954]: Randmarkierung: Schrägstrich mit Querstrich, bezogen auf 〈die Wissenschaften ruhen ihrerseits im unscheinbaren Sachverhalt wie der Fluß im Quell.〉 ** HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈Wir sind aufmerksam geworden für das stets übergangene unzugängliche Unumgängliche.〉 *** Ein Beilageblatt [6] bezieht sich auf diese Stelle, vgl. in dieser Ausgabe unter »Heideggers Notizen«, S. 335. **** HE [1954]: Randmarkierung: Kreis hinter der Ziffer 57. ***** HE [1954]: Umrahmung: »Ver-Hältnis«. ****** Martin Heidegger, Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1959, S. 215: »Die Sprache ist als die Sage des Weltgeviertes nicht mehr nur Solches, wozu wir, die sprechenden Menschen, ein Verhältnis haben im Sinne einer Beziehung, die zwischen Mensch und Sprache besteht. Die Sprache ist als die Weltbewe¨gende Sage das Verhältnis aller Verhältnisse. Sie verhält, unterhält, reicht und bereichert das Gegeneinander-über der Weltgegenden, hält und hütet sie, indem sie selber – die Sage – an sich hält. Also an sich haltend, be-langt uns die Sprache als die Sage des Weltgeviertes, uns, die wir als die Sterblichen in das Geviert gehören, uns, die wir nur insofern sprechen ko¨nnen, als wir der Sprache entsprechen.« Vgl. auch ebd., S. 67: »Um dem Sprachwesen nachzudenken, ihm das Seine nachzusagen, braucht es einen Wandel der Sprache, den wir weder erzwingen noch erfinden können. Der Wandel ergibt sich nicht durch
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ANHANG
die Beschaffung neu gebildeter Wörter und Wortreihen. Der Wandel rührt an unser Verhältnis zur Sprache. Dieses bestimmt sich nach dem Geschick, ob und wie wir vom Sprachwesen als der Ur-Kunde des Ereignisses in dieses einbehalten werden. Denn das Ereignis ist, eignend-haltend-ansichhaltend, das Verhältnis aller Verhältnisse. Darum bleibt unser Sagen als Antworten stets im Verhältnisartigen. Das Ver-hältnis wird hier u¨berall aus dem Ereignis gedacht und nicht mehr in der Form der bloßen Beziehung vorgestellt. Unser Verhältnis zur Sprache bestimmt sich aus der Weise, nach der wir als die Gebrauchten in das Ereignis gehören.« ******* Martin Heidegger, Vier Hefte I und II (Schwarze Hefte 1947–1950), hrsg. von Peter Trawny, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 99), 2019. ******** HE [1954]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich. Einkreisung von 〈Was〉 und 〈ist〉; Umrahmung: 〈in sich selber〉. S. 81 * HE [1954]: Ein Beilageblatt [7] bezieht sich auf diese Stelle, vgl. in vorliegender Ausgabe unter »Heideggers Notizen«, S. 336. S. 83 * HE [1954]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, bezogen auf 〈von dem her das Entsprechen im geeigneten Augenblick den Charakter des Fragens verliert und zum einfachen Sagen wird.〉
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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Editorische Anmerkungen zu »Überwindung der Metaphysik« S. 85 * Heideggers Aufzeichnungen aus den Jahren 1936 bis 1946 zur Verwindung der Metaphysik sind 1954 in seinem Sammelband Vorträge und Aufsätze unter dem Titel »Überwindung der Metaphysik« erschienen. Der Hauptteil war zuerst unter dem Titel »Anmerkungen über die Metaphysik« publiziert worden, in: Fritz Hollwich (Hrsg.), Im Umkreis der Kunst, Festschrift für Emil Preetorius, Wiesbaden, Insel-Verlag, 1953, S. 117–136. Ein Teil (in vorliegender Ausgabe der Vorträge und Aufsätze Abschnitt XXVI) war zuerst unter dem Titel »Seinsverlassenheit und Irrnis« erschienen in: Egon Vietta (Hrsg.), Ernst Barlach. Dramatiker, Bildhauer, Zeichner. Zu Anlass der Uraufführung »Der Graf von Ratzeburg« und einer Ausstellung »Ernst Barlach« in Darmstadt, Kulturverwaltung der Stadt Darmstadt und Landestheater Darmstadt, 1951, S. 5–12. ** HE [1954]: Randmarkierung: Kreuz, auf der Höhe von 〈Es ist das Er-eignis〉. *** Martin Heidegger, »Anmerkungen über die Metaphysik«, in: Fritz Hollwich (Hrsg.), Im Umkreis der Kunst, a.a. O., S. 117 – 136. S. 86 * Ernst Jünger, Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt, Hamburg, Hanseatische Verlagsanstalt, 1932.
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ANHANG
S. 88 * HE [1954]: Korrekturanweisung. M.H. EA: 〈auf sich zu und so in das »gegen« zu anderem stellt.〉 S. 89 * HE [1954]: Ein Beilageblatt [8] bezieht sich auf diese Stelle; siehe in vorliegender Ausgabe unter »Heideggers Notizen«, S. 336. ** Heidegger verweist hier auf Abschnitt XV von »Überwindung der Metaphysik«, siehe S. 84 der EA, dort auch Rückverweis auf Abschnitt V. S. 90 * HE [1954]: Ein Beilageblatt [9] (»Wesen und Sein«) bezieht sich auf diese Stelle, siehe in vorliegender Ausgabe unter »Heideggers Notizen«, S. 337. S. 92 * Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, 21787, Berlin, Reimer, 1904/11 (Kant’s gesammelte Schriften, hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Bd. III). ** HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne den Zusatz 〈, d. h. aus der absoluten Subjektivität〉. S. 94 * Martin Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik, Bonn, Friedrich Cohen, 1929. Die zweite, unveränderte, mit einem neuen Vorwort versehene Auflage erschien 1951 bei Vittorio Klostermann. Die fünfte, um vier Texte im Anhang erweiterte Auflage erschien 1991 im gleichen Verlag. In der HGA: Martin Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik (1929), hrsg. von
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 3), 1991, 22010. ** HE [1954]: Randmarkierung: Kreuz. S. 97 * Martin Heidegger, »Nachwort«, in: Ders., Was ist Metaphysik?, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 4 1943, S. 39 f. In der 5., erweiterten Auflage von 1949 wurde das »Nachwort« auf S. 43 – 51 aufgenommen. Später in: Martin Heidegger, Wegmarken, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1967, S. 99 – 108. In der HGA: Ders., Wegmarken, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 9), 1976, 32004 (HGA 9), S. 303 – 312; hier S. 303 f. ** HE [1954]: Randmarkierung: Ausrufezeichen, auf der Höhe von 〈Begriffes〉. S. 99 * Friedrich Nietzsche, Sokrates und die griechische Tragödie: ursprüngliche Fassung der Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik, hrsg. von Hans Joachim Mette, München, C. H. Beck, 1933. ** »Lugano am 22. Februar 1871, am Geburtstage Schopenhauers«. Friedrich Nietzsche, »Vorwort an Richard Wagner«, in: Ders., Kritische Studienausgabe, Bd. 7: Nachgelassene Fragmente 1869 – 1874, hrsg. von Giorgio Colli uns Mazzino Montinari, Berlin, Deutscher Taschenbuchverlag / De Gruyter, 2. durchgesehene Auflage, 1999, S. 351– 357, hier S. 357. *** HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈Die Ordnung bedarf der Philosophie nicht mehr, weil sie ihr schon zugrunde liegt.〉
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ANHANG
**** Martin Heidegger, Zur Sache des Denkens, Tübingen, Max Niemeyer, 1969, 21976, 31988, S. 63 ff. In der HGA: Ders., Zur Sache des Denkens (1962 – 1964), hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 14), 2007, S. 67 – 90, hier S. 71 ff. S. 100 * Friedrich Nietzsche, Unveröffentlichtes aus der Zeit der Fröhlichen Wissenschaft und des Zarathustra (1881– 1886), neugestaltete Ausgabe, dritte Auflage, Leipzig, Kröner (Nietzsche’s Werke, Großoktavausgabe, Band XII; Abteilung 2, Band 4), 1919, S. 410. ** Friedrich Nietzsche, Unveröffentlichtes aus der Zeit des Menschlichen, Allzumenschlichen und der Morgenröthe (1875/76–1880/81), dritte Auflage, Leipzig, Kröner (Nietzsche’s Werke, Großoktavausgabe, Band XI; Abteilung 2, Band 3), 1919, S. 159. S. 101 * Heidegger verweist hier auf Abschnitt V von »Überwindung der Metaphysik«, siehe S. 74 ff. der EA. ** Martin Heidegger, »Entwürfe zur Geschichte des Seins als Metaphysik«, in: Ders., Nietzsche II, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1961, S. 458 – 480, hier S. 465. In der HGA: Martin Heidegger, Nietzsche II, hrsg. von Brigitte Schillbach, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 6.2), 1997, S. 417– 438, hier S. 424. *** Martin Heidegger, »Nietzsches Wort ›Gott ist tot‹«, in: Ders., Holzwege, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1950, S. 193– 247, hier S. 221. In der HGA: Martin Heidegger, »Nietzsches Wort ›Gott ist tot‹«, in: Ders., Holzwege, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 5), 1977, 22003, S. 209 – 267. Eine Fassung vom 6. Juli 1943 wurde veröffentlicht in: Martin Heidegger, Vorträge. Teil 2: 1935–1967, nach den Handschriften hrsg. von Günther Neumann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 80.2), 2020, S. 887 – 918. S. 102 * Immanuel Kant, »Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe«, in: Ders., Kritik der reinen Vernunft, a. a. O., A 260–292, B 316 – 349. S. 103 * HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈Kein Ich ist an sich vorhanden, sondern es ist »an sich« stets nur als »in sich« erscheinendes und d. h. als Ichheit.〉 Möglicherweise sind die Randbemerkungen unter a und b ebenfalls als Korrekturanweisungen intendiert, da sich auf einem Beilageblatt mit Korrekturanweisungen Heideggers die Notiz findet: »zu ändern S. 86«. ** Martin Heidegger, »Die Zeit des Weltbildes«, in: Ders., Holzwege, a. a. O., 1950, S. 91 f.: »Durch die Anthropologie wird der Übergang der Metaphysik in den Vorgang des bloßen Aufhörens und des Aussetzens aller Philosophie eingeleitet. Daß Dilthey die Metaphysik leugnete, im Grunde schon ihre Frage nicht mehr begriff und der metaphysischen Logik hilflos gegenüberstand, ist die innere Folge seiner anthropologischen Grundstellung. Seine ›Philosophie der Philosophie‹ ist die vornehme Form einer anthropologischen Abschaffung, nicht Überwindung der Philosophie. Deshalb hat nun auch jede Anthropologie, in der die bisherige Philosophie zwar nach Belieben benutzt,
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ANHANG
aber als Philosophie für überflüssig erklärt wird, den Vorzug, klar zu sehen, was mit der Bejahung der Anthropologie gefordert ist. Dadurch erfährt die geistige Lage eine Klärung, während die mühseligen Anfertigungen so widersinniger Erzeugnisse, wie es die nationalsozialistischen Philosophien sind, nur Verwirrung anrichten. Die Weltanschauung braucht zwar und benutzt die Philosophiegelehrsamkeit, aber sie bedarf keiner Philosophie, weil sie als Weltanschauung eine eigene Deutung und Gestaltung des Seienden übernommen hat. Eines freilich kann auch die Anthropologie nicht. Sie vermag es nicht, Descartes zu überwinden oder auch nur gegen ihn aufzustehen; denn wie soll jemals die Folge gegen den Grund angehen können, auf dem sie steht?« In der HGA: Martin Heidegger, »Die Zeit des Weltbildes«, in: Ders., Holzwege (HGA 5), a. a. O., S. 75 – 113, hier S. 98 ff. Zwei Ausarbeitungen dieses Vortrags unter dem Titel »Die Begründung des neuzeitlichen Weltbildes durch die Wissenschaft« (1938) sind erschienen in: Martin Heidegger, Vorträge. Teil 2: 1935 – 1967 (HGA 80.2), a. a. O., S. 697–775. S. 106 * Friedrich Nietzsche, Ecce homo. Der Wille zur Macht. Erstes und Zweites Buch. Zweite, völlig neugestaltete und vermehrte Ausgabe des Willens zur Macht, Leipzig, Kröner (Nietzsche’s Werke, Großoktavausgabe, Band XV; Abteilung 2, Band 7), 1911, Nr. 458. S. 109 * HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, auf der Höhe von 〈Die Loslassung nimmt den Menschen in eine unbedingte Dienstschaft.〉 EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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** Vermutlich verweist Heidegger hier auf seine Aufzeichnungen aus dem Zeitraum 1939 bis 1940 zur Verwindung der Metaphysik oder auf seine Vorlesung vom 2. Trimester 1940 »Der europäische Nihilismus«, vgl. Martin Heidegger, Nietzsche II, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1961, S. 23 – 229. S. 117 * HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf 〈Keine bloße Aktion wird den Weltzustand ändern, weil das Sein als Wirksamkeit und Wirken alles Seiende gegenüber dem Ereignis verschließt.〉 S. 118 * HE [1954]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, bezogen auf 〈das rufend, brauchend das Menschenwesen er-äugnet, d. h. er-blickt und im Erblicken Sterbliche auf den Weg des denkenden, dichtenden Bauens bringt?〉
Editorische Anmerkungen zu »Wer ist Nietzsches Zarathustra?« S. 119 * Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra, Leipzig, Naumann (Nietzsche’s Werke, Großoktavausgabe, Band VI; Abteilung 1, Band 6), 1904. Heideggers Seiten- und Nummerangaben im Text beziehen sich auf diese Ausgabe.
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ANHANG
S. 121 * Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra, a. a. O., S. 469. ** Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Werke. Der Wille zur Macht. Drittes und Viertes Buch. Zweite, völlig neugestaltete und vermehrte Ausgabe, Leipzig, Kröner (Nietzsche’s Werke, Großoktavausgabe, Band XVI; Abteilung 2, Band 8), 1911, S. 151. S. 123 * Friedrich Nietzsche, Unveröffentlichtes aus der Umwerthungszeit (1882/83 – 1888), Leipzig, Naumann (Nietzsche’s Werke, Großoktavausgabe Band XIV; Abteilung 2, Band 6), 1904, S. 279. S. 124 * Friedrich Nietzsche, Unveröffentlichtes aus der Umwerthungszeit (1882/83 – 1888), a. a. O., S. 271. S. 125 * HE [1954]: Randmarkierung: geschlängelte Längslinie, bezogen auf den ganzen Absatz. S. 127 * Friedrich Nietzsche, Unveröffentlichtes aus der Umwerthungszeit (1882/83 – 1888), a. a. O., S. 285. ** Platon, Theaitetos, 189e. Heidegger zitiert Platon nach der folgenden Ausgabe: Platonis Opera, Vol. 2, recognovit brevique adnotatione critica instruxit Ioannes Burnet, Oxonii e typographeo Clarendoniano, 1902.
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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S. 132 * Friedrich Nietzsche, Unveröffentlichtes aus der Zeit der Fröhlichen Wissenschaft und des Zarathustra (1881– 1886), neugestaltete Ausgabe, dritte Auflage, Leipzig, Kröner (Nietzsche’s Werke, Großoktavausgabe, Band XII; Abteilung 2, Band 4), 1919, S. 298. ** Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegenstände, in: Philosophische Schriften, Band 1, Landshut, 1809, S. 397–511, hier S. 419. S. 138 * Friedrich Nietzsche, Unveröffentlichtes aus der Umwerthungszeit (1882/83 – 1888), a. a. O., S. 276. S. 139 * HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈II.〉. S. 140 * Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Werke. Der Wille zur Macht. Drittes und Viertes Buch, a. a. O., Nr. 617. S. 141 * Friedrich Nietzsche, Unveröffentlichtes aus der Umwerthungszeit (1882/83 – 1888), a. a. O., S. 404 ff. S. 142 * HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne Komma.
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ANHANG
S. 143 * Friedrich Nietzsche, Ecce homo. Der Wille zur Macht. Erstes und Zweites Buch. Zweite, völlig neugestaltete und vermehrte Ausgabe des Willens zur Macht, Leipzig, Kröner (Nietzsche’s Werke, Großoktavausgabe, Band XV; Abteilung 2, Band 7), 1911. S. 144 * Friedrich Nietzsche, Unveröffentlichtes aus der Umwerthungszeit (1882/83 – 1888), a. a. O., S. 99. S. 146 * Martin Heidegger, Was heißt Denken?, Tübingen, Max Niemeyer, 1954. In der HGA: Ders., Was heißt Denken?, hrsg. von Paola-Ludovika Coriando, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 8), 2002. ** Karl Löwith, Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkehr des Gleichen, Stuttgart, W. Kohlhammer, 21956, S. 222. Heideggers »fragendes Denken« verstand Löwith als Selbstauslegung: »Er deutet sein eigenes Denken in Nietzsche hinein, um sich in Nietzsche auszulegen. […] Nietzsche ist für Heidegger die erregendste Gestalt des uns noch unmittelbar angehenden ›bisherigen‹ Denkens und der Zarathustra dasjenige Werk, welches den ›einzigen‹ Gedanken Nietzsches, die ewige Wiederkehr des Gleichen denkt. Dieses Einzige, was Nietzsche zu sagen hat, lasse sich weder beweisen noch widerlegen; es sei aber auch nicht Sache eines Glaubens. Es lasse sich nur fragend-denkend zu Gesicht bringen und im Grunde gelte dies von jedem wesentlichen Gedanken eines jeden wesentlichen Denkens: ›Gesichtetes, aber Rätsel – frag-würdig‹ (Vorträge und Aufsätze, 119). Um so entscheidender ist die
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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Frage, ob Nietzsches Lehre Heidegger so zu Gesicht kommt, wie sie Nietzsche selber gesehen hat, nämlich als Urgesetz alles lebendigen Seins. Die abschließende Bemerkung zu dem Vortrag ›Wer ist Nietzsches Zarathustra?‹ läßt von vornherein vermuten, daß dies nicht der Fall ist. Denn wann hätte Nietzsche je gedacht, daß das Wesen der modernen Technik, der rotierenden Kraftmaschine, eine ›Ausformung der ewigen Wiederkehr des Gleichen‹ sein könnte? […]« (Löwith, a. a. O., S. 221 f.). Dass Heideggers dies nicht so gemeint hatte, zeigen die beiden letzten Abschnitte.
Editorische Anmerkungen zu »Was heißt Denken?« S. 149 * HE [1954]: Randmarkierung: Kreuz, auf der Höhe von 〈Wahrhaft mögen wir nur jenes, was je zuvor von sich aus uns mag〉. S. 150 * HE [1954]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, bezogen auf 〈dasjenige, was stets, weil einsther, was allem voraus und so einsthin zu denken gibt: das Bedenklichste.〉 S. 153 * HE [31967, S. 6]: Randmarkierung: Längsstrich mit Kreuz, bezogen auf 〈kommt vielmehr daher, daß dieses zu-Denkende selbst sich vom Menschen abwendet, sogar langher sich schon abgewendet hält.〉
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ANHANG
S. 154 * HE [31967, S. 7] Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf 〈daß und inwiefern das zu-Denkende sich dabei gleichwohl entzieht.〉 ** HE [31967, S. 7] unklare Randmarkierung: Ausrufeoder Fragezeichen oder geschlängelte Linie, auf der Höhe von 〈Sprung in das Denken des Bedenklichsten〉. *** HE [1954]: Randmarkierung: Querstrich über Längsstrich, auf der Höhe von 〈Daß die Wissenschaft nicht denken kann, ist kein Mangel, sondern ein Vorzug.〉 **** Martin Heidegger, »Der Satz der Identität«, in: Ders., Identität und Differenz, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1957, S. 11 – 34. Heidegger hat diesen Vortrag am 27. Juni 1957 anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Universität Freiburg in der Freiburger Stadthalle gehalten. Der Vortrag wurde zuerst veröffentlicht in: Gerd Tellenbach und Hans Detlef Rösiger (Hrsg.), Die Albert-Ludwigs-Universität 1457–1957, Die Festvorträge bei der Jubiläumsfeier, Band 1, Freiburg i. Br., Schulz, 1957, S. 69 – 79. In der HGA: Martin Heidegger, Identität und Differenz, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 11), 2006, S. 31 – 50. S. 155 * HE [31967, S. 8] Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf 〈wenn die Kluft, die zwischen den Wissenschaften und dem Denken besteht, sichtbar geworden ist, und zwar als eine unüberbrückbare.〉 ** HE [1954]: Randmarkierung: Kreis, auf der Höhe von 〈durch ein Hinweisen zur Ankunft freigeben〉. *** Martin Heidegger, Identität und Differenz, a. a. O., 1957, bes. S. 24 –34.
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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S. 156 * HE [1954]: Der Satz 〈Wenn wir in das Ziehen des Entzugs gelangen, sind wir auf dem Zug zu dem, was uns anzieht, indem es sich entzieht.〉 ist durch zwei Schrägstriche zu Satzbeginn und -ende markiert. ** Martin Heidegger, »Die onto-theo-logische Verfassung der Metaphysik«, in: Ders., Identität und Differenz, a. a. O., 1957, S. 35 – 73, hier S. 47. *** Ebd. **** HE [1954]: Randmarkierung: durchkreuzter Kreis G über der Ziffer 140, auf der Höhe von 〈Ereignis.〉. S. 157 * Friedrich Hölderlin, »Mnemosyne«, in: Ders., Sämtliche Werke, historisch-kritische Ausgabe, begonnen durch Norbert von Hellingrath, fortgeführt durch Friedrich Seebass und Ludwig von Pigenot. Vierter Band, besorgt durch Norbert von Hellingrath, Gedichte 1800 – 1806, Berlin, Propyläen Verlag, 21923, S. 225 f., hier S. 225. S. 158 * HE [1954]: Randmarkierung: Kreis. S. 159 * HE [1954]: Randmarkierung: Kreis, bezogen auf den ganzen Absatz. ** HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich mit Kreis, bezogen auf 〈sind wir ein deutungsloses Zeichen und schmerzlos, insofern wir noch nicht denken?〉
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ANHANG
S. 160 * HE [1954]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, bezogen auf folgenden Satz: 〈Dies glückt allerdings nur dann, wenn die Kluft zwischen Dichten und Denken rein und entschieden klafft.〉 ** HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈Größeres〉. *** Friedrich Hölderlin, »Sokrates und Alcibiades«, in: Ders., Sämtliche Werke, historisch-kritische Ausgabe, begonnen durch Norbert von Hellingrath fortgeführt durch Friedrich Seebass und Ludwig von Pignot, Dritter Band, besorgt durch Ludwig von Pignot, Gedichte – Empedokles – Philosophische Fragmente – Briefe 1798–1800, Berlin, Propyläen Verlag, 21922, S. 16. S. 161 * HE [1954]: Randmarkierung: durchkreuzter Kreis G, auf der Höhe von 〈vermutlich jenem Gedächtnis, in dessen Denken sogar das Dichten und mit ihm alle Kunst beruht.〉 ** HE [1954]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, auf der Höhe von 〈und zwar innerhalb des schon Gedachten nach dem Ungedachten, das sich im schon Gedachten noch verbirgt.〉 S. 162 * HE [31967, S. 14]: Randmarkierung: Längsstrich, auf der Höhe von 〈des Denkens nicht eingegangen, um darin zu wohnen〉. Verbindungslinie von »in sein Element« zu 〈wir sind jedoch trotz aller Logik noch nicht eigens mit dem Element vertraut, worin das Denken eigentlich denkt〉. ** HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, auf der Höhe von 〈daß wir Anwesendes vor uns stehen- und liegenlassen, wie es liegt und steht.〉 EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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*** HE [1954]: Randmarkierung: Kreis, auf der Höhe von 〈entsprechen.〉 **** HE [1954] Randmarkierung: Längsstrich. S. 163 * Hermann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, Band I–III, hrsg. von Walther Kranz, Band 1, Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 51934, Fragment VIII, 34/36. ** HE [1954]: Randmarkierung: Pfeil , in Richtung auf 〈Sein des Seienden?〉. S. 164 * Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft [21787], Berlin, Reimer, 1904/11 (Kant’s gesammelte Schriften, hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Bd. III), A 68, B 93. Im Zusammenhang lautet das Zitat: »Alle Anschauungen, als sinnlich, beruhen auf Affectionen, die Begriffe also auf Functionen. Ich verstehe aber unter Function die Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen. Begriffe gründen sich also auf der Spontaneität des Denkens, wie sinnliche Anschauungen auf der Receptivität der Eindrücke. Von diesen Begriffen kann nun der Verstand keinen andern Gebrauch machen, als daß er dadurch urtheilt. Da keine Vorstellung unmittelbar auf den Gegenstand geht, als bloß die Anschauung, so wird ein Begriff niemals auf einen Gegenstand unmittelbar, sondern auf irgend eine andre Vorstellung von demselben (sie sei Anschauung oder selbst schon Begriff) bezogen. Das Urtheil ist also die mittelbare Erkenntnis eines Gegenstandes, mithin die Vorstellung einer Vorstellung desselben.«
386
ANHANG
** Martin Heidegger, Kants These über das Sein, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1963. In der HGA: Ders., Wegmarken, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 9), 1976, 32004, S. 445– 480. S. 165 * HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, auf der Höhe von 〈erscheint für ihren ganzen Verlauf als Präsenz, als Anwesen.〉 ** HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich mit Kreis, auf der Höhe von 〈da wir erwachen und beachten, wohin dasjenige, was wir Anwesenheit nennen, unser Denken verweist.〉 S. 166 * HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf 〈Auf solche Weise denken wir schon lange.〉 ** HE [1954]: Randmarkierung: Kreis, bezogen auf 〈solange unbedacht bleibt, worin das Sein des Seienden beruht, wenn es als Anwesenheit erscheint.〉 HE [31967, S. 17]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf 〈solange unbedacht bleibt, worin das Sein des Seienden beruht, wenn es als Anwesenheit erscheint.〉 *** HE [1954]: Korrekturanweisung. M.H. EA: 〈was heißt Denken?〉 HE [31967, S. 17]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf die letzten beiden Sätze. Pfeil schräg nach unten ¥, ausgehend von 〈heißt〉, Zuordnung unklar. **** [31967, S. 17] Diese Randnotiz findet sich am unteren Ende der Seite, mit einer Pluszeichenmarkierung. Zuordnung unsicher. Möglicher Bezug: Martin Heidegger, »Reflexion und Repräsentation«, in: Ders., Nietz-
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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sche II, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1961, 61998, S. 423 f.; Ders., »repraesentatio und reflexio«, ebd., S. 425 f. In der HGA: Ders., Nietzsche II, hrsg. von Brigitte Schillbach, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 6.2), 1997, S. 423 f.; Ders., »repraesentatio und reflexio«, ebd., S. 425 f. ***** HE [1954]: Randmarkierung: Pfeil gerichtet auf »o. Di [ontologische Differenz]«.
Editorische Anmerkungen zu »Bauen Wohnen Denken« S. 168 * HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne Absatz. ** HE [31967]: Ein Beilageblatt [1] bezieht sich auf diese Stelle, siehe in vorliegender Ausgabe unter »Heideggers Notizen«, S. 339. *** HE [31967, S. 20]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf 〈Der Zuspruch über das Wesen einer Sache kommt zu uns aus der Sprache, vorausgesetzt, daß wir deren eigenes Wesen achten.〉, mit senkrecht abwärtsgerichtetem Pfeil , ausgehend von der Randnotiz »Sprache«. S. 169 * HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich mit Kreuz, bezogen auf den ganzen Absatz. ** HE [1954]: Umrahmung: 〈bauen〉.
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ANHANG
S. 170 * HE [1954]: Randmarkierung: schließende spitze Klammer > über Kreis, auf der Höhe von 〈dieses Wort bauen bedeutet nun aber zugleich: hegen und pflegen, nämlich den Acker bauen, Reben bauen.〉 ** HE [1954]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, bezogen auf den Satz: 〈Der eigentliche Sinn des Bauens, nämlich das Wohnen, gerät in die Vergessenheit.〉 *** HE [1954]: Randmarkierung: Kreis, auf der Höhe von 〈das Wohnen wird nicht als das Sein des Menschen erfahren〉. **** HE [1954]: Randmarkierung: Kreis. S. 171 * HE [31967, S. 20]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf 〈Die Sprache entzieht dem Menschen ihr einfaches und hohes Sprechen.〉 ** HE [1954]: Randmarkierungen: Zwei Längsstriche mit Kreis, bezogen auf den ganzen Absatz, vgl. hierzu auch HE [31967], Beilageblatt [1], in vorliegender Ausgabe S. 339. *** HE [1954]: Randmarkierung: senkrecht abwärtsgerichteter Pfeil , ab 〈Doch worin besteht das Wesen des Wohnens?〉. S. 173 * HE [31967, S. 24]: Randmarkierung: T. (Entzifferung unklar, T[od] [?]), auf der Höhe von 〈Die Sterblichen sind die Menschen. Sie heißen die Sterblichen, weil sie sterben können. Sterben heißt, den Tod als Tod vermögen.〉 ** HE [31967, S. 24]: Randmarkierung: schließende spitze Klammer >, auf der Höhe von 〈etwas in sein eigenes Wesen freilassen.〉 EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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S. 174 * HE [31967, S. 25]: Randmarkierung: T (Entzifferung unklar, T[od] [?]), auf der Höhe von 〈Die Sterblichen wohnen, insofern sie ihr eigenes Wesen, daß sie nämlich den Tod als Tod vermögen〉. ** HE [1954] Entzifferung unklar. *** HE [31967, S. 25]: Randmarkierung: Längsstrich auf der Höhe der Randnotiz, bezogen auf 〈wäre das Wohnen nur ein Aufenthalt auf der Erde, unter dem Himmel, vor den Göttlichen, mit den Sterblichen. Das Wohnen ist vielmehr immer schon ein Aufenthalt bei den Dingen.〉 S. 175 * HE [31967, S. 25]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, bezogen auf 〈der Aufenthalt bei den Dingen ist die einzige Weise, wie sich der vierfältige Aufenthalt im Geviert jeweils einheitlich vollbringt.〉 S. 178 * Heidegger zitiert Aristoteles verkürzt, vgl. Aristotelis Physica. Recensuit Carl Prantl, Lipsiae in aedibus B. G. Teubneri, 1879, 212 a 2 sqq. S. 179 * HE [31967, S. 29]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈der sich bei ihm aufhält〉. ** HE [1954]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, bezogen auf den ganzen Absatz. S. 181 * HE [31967, S. 31]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, auf der Höhe von 〈bereits den Aufenthalt im
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ANHANG
Geviert bei den Dingen.〉 Vgl. auch HE [31967], Beilageblatt [1], in vorliegender Ausgabe S. 339. S. 182 * HE [31967, S. 31]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, bezogen auf 〈Räume und mit ihnen »der« Raum sind in den Aufenthalt der Sterblichen stets schon eingeräumt.〉 ** HE [31967, S. 32]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈und könnte gar nicht hingehen〉. S. 183 * HE [31967, S. 32]: Unterstreichung des ganzen Absatzes: 〈Der Bezug des Menschen zu Orten und durch Orte zu Räumen beruht im Wohnen. Das Verhältnis von Mensch und Raum ist nichts anderes als das wesentlich gedachte Wohnen.〉 Ein Beilageblatt [2] bezieht sich auf diese Stelle, vgl. in vorliegender Ausgabe S. 340. S. 185 * HE [31967, S. 34]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, bezogen auf: 〈Das Bauen bringt nämlich das Geviert her in ein Ding, die Brücke, und bringt das Ding als einen Ort vor in das schon Anwesende, das jetzt erst durch diesen Ort eingeräumt ist.〉 S. 186 * HE [31967, S. 35]: Randmarkierung: Längsstrich, auf der Höhe von 〈veranschaulicht an einem gewesenen Wohnen, wie es zu bauen vermochte.〉 ** HE [31967, S. 35]: Randmarkierung: Längsstrich, auf der Höhe von 〈mag der hier versuchte Denkweg bezeugen.〉
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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S. 187 * HE [31967, S. 36]: Unterstreichung des ganzen Satzes: 〈Die eigentliche Not des Wohnens beruht darin, daß die Sterblichen das Wesen des Wohnens immer erst wieder suchen, daß sie das Wohnen erst lernen müssen.〉 ** HE [31967, S. 36]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den letzten Satz.
Editorische Anmerkungen zu »Das Ding« S. 205 * HE [1954]: Randmarkierung: schließende spitze Klammer >, bezogen auf 〈ereignet〉. S. 206 * HE [1954]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, bezogen auf den ganzen Satz. S. 207 * HE [1954]: Korrekturanweisung M.H.: »fügend waltet« ist ein späterer Zusatz. EA: 〈Der Reigen ist der Ring, der ringt, indem er als das Spiegeln spielt.〉 ** HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, auf der Höhe von 〈Im Gering des spiegelnd-spielenden Rings〉. *** HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈von〉 statt 〈aus〉. **** HE [1954]: Randmarkierung: Halbkreis I, bezogen auf 〈Ereignens〉. ***** HE [1954]: Entzifferung unklar.
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ANHANG
S. 209 * Vermutlich: Ringen. ** HE [1954]: Entzifferung unklar. *** HE [1954]: unterhalb der Randnotiz: doppelseitiger gezackter Pfeil – –. S. 211 * Heidegger veröffentlicht hier seine Antwort auf einen Brief des Studenten Hartmut Buchner (1927 – 2004), der von 1950 bis 1957 in Freiburg i. Br. bei ihm studierte und dem Heidegger seither freundschaftlich verbunden war. Heidegger zog Buchner auch bei der Herausgabe seiner Schriften als Korrekturleser heran. Von 1969 bis 1994 war Buchner Lehrbeauftragter für die Philosophie Heideggers an der Universität München und von 1974 bis 1993 als Mitarbeiter bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften mit der historisch-kritischen Schelling-Ausgabe betraut. Buchner war auch Mitbegründer und Mitherausgeber der japanischen Heidegger-Gesamtausgabe. S. 212 * HE [1954]: Korrekturanweisung. M.H. EA: 〈an〉. ** HE [1954]: Randmarkierung: linksgerichteter Pfeil in Richtung auf 〈möglicher Anlaß〉. S. 213 * HE [1954]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, bezogen auf folgenden Satz: 〈Alles liegt an dem sehr irrevollen Schritt zurück in das Bedenken, das auf die im Geschick des Seins sich vorzeichnende Kehre der Vergessenheit des Seins achtet.〉 ** HE [1954]: Korrekturanweisung durch Hermann Heidegger. EA: 〈es〉. EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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Editorische Anmerkungen zu »… dichterisch wohnet der Mensch …« S. 215 * Friedrich Hölderlin, »In lieblicher Bläue«, in: Ders., Sämtliche Werke, hrsg. von Friedrich Beißner, große Stuttgarter Ausgabe, Band 2, Gedichte nach 1800, Hälfte 1, Text, Stuttgart, Kohlhammer, 1951, S. 372 ff. ** Friedrich Hölderlin, »In lieblicher Bläue«, in: Ders., Sämtliche Werke, historisch-kritische Ausgabe, begonnen durch Norbert von Hellingrath, fortgeführt von Friedrich Seebass und Ludwig von Pigenot. Sechster Band, Dichtungen – Jugendarbeiten – Dokumente 1806–1843, besorgt durch Ludwig von Pigenot und Friedrich Seebass, Berlin, Propyläen-Verlag, 21923, S. 24 ff. Die Stelle im Gedicht lautet: IN LIEBLICHER BLÄUE …
In lieblicher Bläue blühet mit dem Metallenen Dache der Kirchthurm. Den Umschwebet Geschrey der Schwalben, den Umgiebt die rührendste Bläue. Die Sonne Gehet hoch darüber und färbet das Blech, Im Winde aber oben stille Krähet die Fahne. Wenn einer Unter der Glocke dann herabgeht, jene Treppen, Ein stilles Leben ist es, weil, Wenn abgesondert so sehr die Gestalt ist, die Bildsamkeit herauskommt dann des Menschen. Die Fenster, daraus die Glocken tönen, sind Wie Thore an Schönheit. Nämlich, weil
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ANHANG
Noch der Natur nach sind die Thore, haben diese Die Ähnlichkeit von Bäumen des Walds. Reinheit Aber ist auch Schönheit. Innen aus Verschiedenem entsteht ein ernster Geist. So sehr einfältig aber die Bilder, so sehr Heilig sind die, daß man wirklich Oft fürchtet, die zu beschreiben. Die Himmlischen aber, Die immer gut sind, alles zumal, wie Reiche, Haben diese, Tugend und Freude. Der Mensch Darf das nachahmen. Darf, wenn lauter Mühe das Leben, ein Mensch aufschauen und sagen: so Will ich auch seyn? Ja. So lange die Freundlichkeit noch Am Herzen, die Reine, dauert, misset Nicht unglücklich der Mensch sich mit der Gottheit. Ist unbekannt Gott? Ist er offenbar wie die Himmel? Dieses Glaub’ ich eher. Des Menschen Maaß ist’s. Voll Verdienst, doch dichterisch wohnet Der Mensch auf dieser Erde. Doch reiner Ist nicht der Schatten der Nacht mit den Sternen, Wenn ich so sagen könnte, als Der Mensch, der heisset ein Bild der Gottheit. Giebt es auf Erden ein Maaß? Es giebt Keines. […] *** HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈so gleich〉. **** HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne den Zusatz »als Mensch«.
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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S. 216 * HE [1954]: Randmarkierung: Kreuz, auf der Höhe von 〈Abendländische Dichtung läuft unter dem Gesamttitel »Europäische Literatur«.〉 ** HE [1954]: Entzifferung unklar. S. 218 * Vgl. Martin Heidegger, Hebel – Der Hausfreund, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1957, bes. S. 32 f. In der HGA: Martin Heidegger, »Hebel – Der Hausfreund«, in: Ders., Aus der Erfahrung des Denkens, hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 13), 1983, 22002, S. 133 – 150, hier S. 147 ff. S. 222 * HE [1954]: Halbumrahmung von 〈Das selbe〉 und darauf bezogene Randmarkierung: Kreuz. ** HE [1954]: Halbumrahmung von 〈Das gleiche〉 und darauf bezogene Randmarkierung: Kreuz. S. 223 * Friedrich Hölderlin, »Wurzel alles Übels«, in: Ders., Sämtliche Werke, hrsg. von Friedrich Beißner, große Stuttgarter Ausgabe, Band 1, Gedichte bis 1800, Hälfte 1, Text, Stuttgart, Kohlhammer, 1946, S. 305. S. 224 * HE [1954 Akzente, S. 63]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf folgenden Satz: 〈Die Zukehr beruht vielmehr ihrerseits in der Dimension.〉
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ANHANG
S. 225 * Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954, S. 13 – 44. In der HGA: Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 7), 2000, S. 5 – 36. ** Martin Heidegger, Die Technik und die Kehre, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1962. S. 226 * HE [1954]: Umrahmung: 〈Grundriß〉. ** HE [1954]: Randmarkierung: doppelseitiger gezackter Pfeil unterhalb der Randnotiz »im Sagen als Ent-sagen« – –. S. 227 * HE [1954]: Korrekturanweisung M.H.: »durch den offenbaren Himmel verhüllte, fremde« ist eine spätere Ergänzung, nachträgliche Kursivierung von 〈Gottheit〉. EA: 〈Dies ist die Gottheit, womit der Mensch sich misset.〉 S. 228 * HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, auf der Höhe von 〈allein dadurch, daß es das Verborgene in seinem Sichverbergen hütet〉. S. 229 * Friedrich Hölderlin, »Bruchstück«, in: Ders., Sämtliche Werke, hrsg. von Friedrich Beißner und Adolf Beck, Band 1, Gedichte bis 1800, Hälfte 1, Text, Stuttgart, Cotta/Kohlhammer, 1946, S. 334. EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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S. 230 * HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈recht〉. ** HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈bestellten〉. S. 231 * Friedrich Hölderlin, »Verse«, in: Ders., Sämtliche Werke, hrsg. von Friedrich Beißner und Adolf Beck, Band 2, Gedichte nach 1800, Hälfte 1, Text, a. a. O., S. 210. ** HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf folgenden Satz: 〈Alles, was am Himmel und somit unter dem Himmel und somit auf der Erde glänzt und blüht, tönt und duftet, steigt und kommt, aber auch geht und fällt, aber auch klagt und schweigt, aber auch erbleicht und dunkelt.〉 S. 232 * HE [1954]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, bezogen auf folgenden Satz: 〈Das Wesen des Bildes ist: etwas sehen zu lassen.〉 HE [1954, Akzente]: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf 〈Das Wesen des Bildes ist: etwas sehen zu lassen. Dagegen sind die Abbilder und Nachbilder bereits Abarten des eigentlichen Bildes〉. ** Martin Heidegger, »Sprache und Heimat«, Vortrag gehalten anlässlich der Jahrestagung der Hebbel-Gesellschaft in Wesselburen am 2. Juli 1960. Erstveröffentlichung im Auftrag der Hebbel-Gesellschaft, hrsg. von Ludwig Koopmann unter Mitarbeit von Erich Trunz, in: Hebbel-Jahrbuch 1960, Heide in Holstein, 1960, S. 27– 50. In geringfügig geänderter Fassung in: Hermann Rinn u. a. (Hrsg.), Dauer im Wandel, Festschrift zum 70. Geburtstag von Carl J. Burckhardt,
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ANHANG
München, Callwey, 1961, S. 174– 193. In der HGA: Martin Heidegger, »Sprache und Heimat«, in: Ders., Aus der Erfahrung des Denkens, hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, (HGA 13), 1983, 22002, S. 155– 180, hier S. 171. *** HE [1954]: Entzifferung unklar. S. 234 * Friedrich Hölderlin, »An Leo von Seckendorf«, in: Ders., Sämtliche Werke, historisch-kritische Ausgabe, begonnen durch Norbert von Hellingrath, fortgeführt von Friedrich Seebass und Ludwig von Pigenot. Fünfter Band, Übersetzungen und Briefe 1800– 1806, besorgt durch Norbert von Hellingrath, Berlin, PropyläenVerlag, 21923, S. 333 f., hier S. 333. ** Friedrich Hölderlin, »Das nächste Beste«, in: Ders., Sämtliche Werke, historisch-kritische Ausgabe, begonnen durch Norbert von Hellingrath, fortgeführt durch Friedrich Seebass und Ludwig von Pigenot. Vierter Band: Gedichte 1800–1806, besorgt durch Norbert von Hellingrath, Berlin, Propyläen Verlag, 21923, S. 257, 392. Das Fragment lautet: offen die Fenster des Himmels Und freigelassen der Nachtgeist Der himmelstürmende, der hat nur unser Land Beschwäzet, mit Sprachen viel, undichtrischen, und Den Schutt gewälzet Bis diese Stunde. Doch kommt das, was ich will,
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S. 236 * Friedrich Hölderlin, »Die Aussicht«, in: Ders., Sämtliche Werke, Band 2, Gedichte nach 1800, Hälfte 1, Text, a. a. O., S. 312. ** HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈sie〉.
Editorische Anmerkungen zu » LOGOS ( HERAKLIT, FRAGMENT 50)« S. 239 * Hermann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. I – III, hrsg. von Walther Kranz, Bd. 1, Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 51934, Fragment B 50. ** Die Fragmente des Heraklit. Griechisch und deutsch, hrsg. von Bruno Snell, München, Heimeran, 41944. S. 240 * Martin Heidegger, »Was heißt Denken?«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954, S. 129 – 143, vgl. dort bereits ab S. 120, in vorliegender Ausgabe S. 146– 149, vgl. bereits ab S. 140. In der HGA: Martin Heidegger, »Was heißt Denken?«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 7), 2000, S. 127– 143, dort bereits ab S. 122. Vgl. außerdem: Martin Heidegger, Was heißt Denken?, Tübingen, Max Niemeyer, 1954. In der HGA: Ders., Was heißt Denken?, hrsg. von Paola-Ludovika Coriando, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 8), 2002.
400
ANHANG
S. 244 * HE [1954]: Randmarkierung: schließende spitze Klammer >, auf der Höhe von 〈Wir haben uns im vorigen nicht mit dem Bedeutungswandel von Wörtern beschäftigt.〉 ** HE [1954]: Randmarkierung: schließende spitze Klammer >, auf der Höhe von 〈Das Sagen und Reden der Sterblichen ereignet sich von früh an als leÂgein, als Legen.〉 S. 245 * HE [1954]: unklare Randmarkierung in Form eines T, auf der Höhe von 〈Das menschliche Denken erstaunte weder jemals über dieses Ereignis〉. ** HE [1954]: Randmarkierung: Kreis (unterhalb der Ziffer 228). Auf S. 228 der EA findet sich ein Rückverweis auf S. 212 der EA. S. 246 * Martin Heidegger, »Sein und Zeit. Erste Hälfte«, in: Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung 8, hrsg. von Edmund Husserl, Halle an der Saale, Max Niemeyer, 1927, § 7 B: »Der Begriff des Logos«. Sein und Zeit erschien auch als Einzelausgabe (Sonderdruck aus dem Jahrbuch). In der 5. Auflage 1941 wurde die Widmung an Husserl auf Betreiben des Verlags gestrichen. In der 6. Auflage wurde die Widmung wieder eingefügt. Ab der 7. Auflage von 1953 wurde die Kennzeichnung »Erste Hälfte« gestrichen und eine »Vorbemerkung zur siebenten Auflage« eingefügt. 1977 erschien die 14. Auflage mit den Randbemerkungen aus dem »Hüttenexemplar« des Autors im Anhang. Die 15., durchgesehene Auflage
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
401
erschien 1979. Die letzte, 19. Auflage, erschien 2006. In der HGA: Martin Heidegger, Sein und Zeit, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 2), 1977, 22018. ** HE [1954]: Randmarkierung: öffnende spitze Klammer , bezogen auf folgenden Satz: 〈Das Denken ist in einer Hinsicht außerhalb der Zwiefalt, zu der es, ihr entsprechend und von ihr verlangt, unterwegs bleibt.〉 *** HE [1954]: Randmarkierung: Pfeil, schräg nach oben ¤, in Richtung auf 〈innerhalb der Zwiefalt, die niemals nur eine irgendwo vorhandene und vorgestellte Unterscheidung von Sein und Seiendem ist〉. S. 288 * HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich, auf der Höhe von 〈ein vorliegen-Lassen und Vernehmen braucht und also brauchend das Denken in die Zugehörigkeit zur Zwiefalt einbehält〉. S. 289 * Hermann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, hrsg. von Walther Kranz, Bd. I, a. a. O. S. 293 * HE [1954]: Randmarkierung: senkrecht geschlängelte Linie mit Fragezeichen, auf Höhe der ersten Satzhälfte.
Editorische Anmerkungen zu » ALETHEIA ( HERAKLIT, FRAGMENT 16)« S. 295 * Hermann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, Bd. I–III, hrsg. von Walther Kranz, Bd. 1, Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 51934, Fragment 16.
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
409
S. 296 * HE [1954]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, bezogen auf folgenden Satz: 〈Was zu diesem notwendig gehört, ob und inwiefern die Entbergung und die Lichtung das Selbe sind, bleibt zu erfragen.〉 ** HE [1954]: Randmarkierung: senkrecht abwärtsgerichteter Pfeil , ab 〈»Wahrheit«, »Gewißheit«, »Objektivität«, »Wirklichkeit«〉. *** Martin Heidegger hat den Vortrag »Die Bestimmung (Zur Frage nach der Bestimmung) der Sache des Denkens« zwischen 1964 und 1967 vier Mal gehalten. Die verschiedenen Fassungen sind mittlerweile veröffentlicht in: Martin Heidegger, Vorträge. Teil 2: 1935 – 1967, hrsg. von Günther Neumann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 80.2), 2020, S. 1197 – 1288. Vgl. dort auch die »Nachweise und Erläuterungen« des Herausgebers, S. 1396 – 1400. S. 297 * HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich mit Kreuz, bezogen auf folgenden Satz: 〈Vermutlich steht für das Denken, das solcher Weisung folgt, Höheres in Frage als die Sicherstellung der objektiven Wahrheit im Sinne gültiger Aussagen.〉 ** HE [1954]: Randmarkierung: doppelter Längsstrich mit öffnender spitzer Klammer , auf der Höhe von 〈nur aneinandergeschobene Geschehnisse〉. ** Heideggers Randbemerkung bezieht sich auf den vierten Absatz eines zweiseitigen maschinenschriftlichen Briefes von Prof. Dr. Hildebrecht Hommel aus Heidelberg vom 21. August 1955: »S. 67 f. [EA S. 267 f.] toÁ mhÁ dyÄnoÂn pote (ausgezeichnet die scharfe Wiedergabe des mh durch ›doch ja nicht‹!) fassen Sie als ein ›ständig Aufgehendes‹. Ich würde – wiederum unter schärferer Beachtung der Aktionsart – lieber sagen, ›ein sein Aufgehen niemals Beendendes‹.« Hier zitiert nach Friedrich-Wilhelm von Herrmann, »Nachwort des Herausgebers«, in: Martin Heidegger, Vorträge und Aufsätze, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 7), 2000, S. 297. S. 311 * Heideggers Randbemerkung bezieht sich auf den fünften Absatz des Hommel-Briefes. »In fr. 123 heißt
414
ANHANG
fileiÅ wohl nicht ›es liebt‹, sondern ›es hat zu eigen‹;
denn nach einer schon in den 90er-Jahren gemachten, auch in der Zunft sich nur langsam durchsetzenden Entdeckung (Johansson, Indogermanische Forschungen II) heißt (s)fiÂlow ursprünglich – mit sfi zusammenhängend – ›mein, dein, sein (usw.) Eigener‹, also eine Art Äquivalent des Poss.-Pronomens«. Karl Ferdinand Johansson, »Sanskritische Etymologien«, in: Indogermanische Forschungen, Zeitschrift für Indogermanische Sprach- und Altertumskunde, II. Band, Erstes und zweites Heft, Straßburg, Verlag Karl J. Trübner, 1892, S. 1 – 64, hier S. 7, hier zitiert nach Friedrich-Wilhelm von Herrmann, »Nachwort des Herausgebers«, in: Martin Heidegger, Vorträge und Aufsätze (HGA 7), a. a. O., S. 297. ** HE [1954]: 〈der fyÂsiw ist eigentümlich〉 in eckigen Klammern. S. 312 * HE [1954]: Randmarkierung: Kreis, auf der Höhe von 〈Das Sichverbergen verbürgt dem Sichentbergen sein Wesen.〉 ** HE [1954]: Randmarkierung: Kreuz. S. 313 * HE [1954]: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈je〉. ** HE [1954]: Randmarkierung: Längsstrich. S. 314 * HE [1954]: Randmarkierungen: zwei Längsstriche, bezogen auf die letzten beiden Sätze des Absatzes. ** HE [1954]: Korrekturanweisung durch Hermann Heidegger [?]. EA: ohne 〈also〉.
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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*** Friedrich Nietzsche, Nietzsche’s Werke, Band XV, Abteilung 2, Band 7, Ecce homo. Der Wille zur Macht. Erstes und Zweites Buch. Zweite, völlig neugestaltete und vermehrte Ausgabe des Willens zur Macht, Leipzig, Kröner, 1911, Nr. 582. Im Original lautet das Zitat: »Das Sein – wir haben keine andere Vorstellung davon als ›leben‹. – Wie kann also etwas Todtes ›sein‹?« **** HE [1954]: Randmarkierung: öffnende spitze Klammer 〈〉
Fragezeichen Ausrufezeichen Gleichheitszeichen Ungleichheitszeichen diverse Verbindungslinien öffnende eckige Klammer schließende eckige Klammer öffnende spitze Klammer (von Heidegger verwendet) schließende spitze Klammer (von Heidegger verwendet) editorische Klammern zur Markierung von Heideggers gedruckten Texten (von den Herausgebern verwendet)
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN
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»Ich habe einen früheren Standpunkt verlassen, nicht um dagegen einen anderen einzutauschen, sondern weil auch der vormalige Standort nur ein Aufenthalt war in einem Unterwegs. Das Bleibende im Denken ist der Weg. Und Denkwege bergen in sich das Geheimnisvolle, daß wir sie vorwärts und rückwärts gehen können, daß sogar der Weg zurück uns erst vorwärts führt.« (Martin Heidegger, Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1959, S. 98 –99)
Grundlage der in dieser vierbändigen Ausgabe aufgenommenen Schriften Martin Heideggers sind die Erstausgaben und die entsprechenden durch dessen Randnotizen erweiterten Handexemplare. Sie reichen von kleineren Einzelpublikationen mit ganz wesentlichen Themen wie Gelassenheit oder Was ist das, die Philosophie? über die Sammlung Vorträge und Aufsätze bis zu den großen Buchpublikationen Der Satz vom Grund und Unterwegs zur Sprache. Sie gelten als Schlüsseltexte nicht nur für das Denken Martin Heideggers, sondern für die Philosophie des 20. Jahrhunderts allgemein. Heidegger hatte diese Schriften für ein akademisches wie auch für ein breiteres Publikum bestimmt. Er selbst hat sie ausgewählt und zur Publikation vorbereitet. Sie wurden zu seinen Lebzeiten vom Verlag Günther Neske veröffentlicht. Diese Schriften haben entscheidend zu seinem Weltruhm beigetragen und bieten einen repräsentativen Einblick in die Vielfalt und Vielschichtigkeit sei-
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nes Denkens, das sich in leicht verständlichen Beiträgen wie Hebel – der Hausfreund ebenso erschließt wie in anspruchsvollen Schriften, beispielsweise Identität und Differenz. Der Sammelband Vorträge und Aufsätze enthält Schriften Martin Heideggers aus den Jahren 1936 bis 1954. Er erschien erstmals 1954 im Verlag Günther Neske in Pfullingen. Diese Erstausgabe wurde dann in mehreren Auflagen unverändert vom Verlag Günther Neske und ab 1993 vom Verlag Klett-Cotta, Stuttgart, nachgedruckt. 2000 erschien Vorträge und Aufsätze ebenfalls in der Heidegger-Gesamtausgabe (HGA), erweitert um die Ergänzungen und Korrekturen des Autors: Martin Heidegger, Vorträge und Aufsätze, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 7), 2000. In Heideggers Handexemplaren befinden sich die Ergänzungen und Korrekturen meist am Rand des gedruckten Textes oder auf eingelegten Blättern. Sie enthalten zusammenhängende Reflexionen und Kommentare, Exzerpte, stichwortartige Bemerkungen sowie Seitenangaben oder durch besondere Zeichen markierte Hervorhebungen und Verweise. Für die hier vorliegende Ausgabe unter dem Titel Bauen Wohnen Denken. Vorträge und Aufsätze wurden Heideggers Annotationen anhand seiner Handexemplare überprüft und gegebenenfalls vervollständigt. Aufgenommen wurden Heideggers handschriftliche Notizen auf Beilageblättern. Zum ersten Mal erfasst wurden Heideggers auf den Nachsatzpapieren notierten Stichwortverzeichnisse sowie seine handschriftlichen Seitenverweise in seinen Handexemplaren. Sie beziehen sich überwiegend auf die Seitenzahlen der Erstausgabe von Vorträge
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und Aufsätze bei Neske, auf deren Paginierung sich auch ein Großteil der Forschung bibliographisch bezieht. In der vorliegenden Ausgabe wird daher die ursprüngliche Paginierung der Erstausgabe an den Seitenrändern des Haupttextes in eckigen Klammern [ ] wiedergegeben. Die Seitenumbrüche sind jeweils durch einen Mittelstrich gekennzeichnet. Auf diese Weise lassen sich auch die Bezüge, die Heidegger mittels interner Seitenverweise und anderer Verweisungszeichen hergestellt hat, leichter auffinden. Außerdem wurden Heideggers Randmarkierungen, Unterstreichungen und durch besondere Zeichen markierte Textstellen erstmals berücksichtigt. Sie heben bestimmte Textstellen hervor und verweisen auf Zusammenhänge innerhalb des Textes. Sie sind für die Rezeption von Interesse, weil Martin Heidegger selbst diese Zusammenhänge hergestellt hat. Heideggers Annotationen verdeutlichen innere Zusammenhänge seiner Philosophie und belegen, dass er sein Denken fortwährend überdacht hat: »ein Unterwegs im Wegfeld des sich wandelnden Fragens der mehrdeutigen Seinsfrage«. Mit diesen Worten charakterisierte er in einem Entwurf zum Vorwort der Gesamtausgabe den »Wegcharakter des Denkens«: »Die Gesamtausgabe soll auf verschiedene Weisen zeigen: ein Unterwegs im Wegfeld des sich wandelnden Fragens der mehrdeutigen Seinsfrage. Die Gesamtausgabe soll dadurch anleiten, die Frage aufzunehmen, mitzufragen und vor allem dann fragender zu fragen. Fragender fragen – d. h. den Schritt zurück vollziehen; zurück vor den Vorenthalt; zurück in das nennende Sagen (›zurück‹ als Wegcharakter des Denkens, nicht zeitlich-historisch).«1 1
Martin Heidegger, Gesamtausgabe, I. Abteilung: Veröffentlichte Schriften 1914–1970, Band 1: Frühe Schriften (1912 – 1916), hrsg.
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Im Haupttext der vorliegenden Ausgabe werden Heideggers Annotationen mit hochgestellten Kleinbuchstaben (z. B. a) kenntlich gemacht und auf derselben Seite als Fußnoten des Haupttextes präsentiert. Die arabisch nummerierten Fußnoten stammen von Martin Heidegger. Der Wortlaut der Erstausgabe wird im Haupttext exakt wiedergegeben – mit Ausnahme von abgekürzten Namen und von eindeutigen und eigenhändigen Korrekturanweisungen Martin Heideggers, die sich auf Druckfehler in den Erstausgaben und den Nachauflagen beziehen. In diesen eindeutigen Fällen wurden Heideggers Korrekturen auch im Haupttext übernommen. In den Editorischen Anmerkungen – im Haupttext mit Sternchen (z. B. *) markiert – wird jeweils auf die Änderungen hingewiesen. Die für diese Ausgabe verwendeten Handexemplare werden jeweils in eckigen Klammern wie folgt angegeben: [1954] Editorische Verweise (in eckigen Klammern) auf die Jahreszahl 1954 beziehen sich auf Heideggers Handexemplar der ersten Auflage von Vorträge und Aufsätze, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954. Die Seitenzahlen dieser Erstausgabe sind an den Seitenrändern vorliegender Ausgabe in eckigen Klammern wiedergegeben. [1954 Gestalt und Gedanke] Editorische Verweise (in eckigen Klammern und mit Seitenangaben) auf die Jahreszahl 1954 mit dem Zusatz »Gestalt und Gedanke« beziehen sich auf Heideggers Handexemplar eines Sonderdrucks der Erstveröffentlichung seines Vortrags »Die Frage nach der Technik« in: Gestalt und Gedanke. Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Band 3: Die Künste im von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 1), 1978, 22018, S. 437.
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technischen Zeitalter, München, Oldenbourg, 1954, S. 70–108. [1954 Akzente] Editorische Verweise (in eckigen Klammern und mit Seitenangaben) auf die Jahreszahl 1954 mit dem Zusatz »Akzente« beziehen sich auf Heideggers Handexemplar des Sonderdrucks der Erstveröffentlichung von »… dichterisch wohnet der Mensch ...« in: Walter Höllerer und Hans Bender (Hrsg.), Akzente, Zeitschrift für Dichtung, 1 (1954), München, Carl Hanser Verlag, S. 57 – 71. [1962] Der editorische Verweis auf die Jahreszahl 1962 (in eckigen Klammern und mit Seitenangaben) bezieht sich auf Annotationen, die Heideggers Handexemplar von Die Technik und die Kehre, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1962 entnommen sind. [31967/II] Der editorische Verweis »31967/II« (in eckigen Klammern und mit Seitenangaben) bezieht sich auf Heideggers Handexemplar der dritten Auflage von Vorträge und Aufsätze, die 1967 in drei Teilbändchen erschien. Hier sind die Annotationen Heideggers insgesamt dem zweiten Teilbändchen (Vorträge und Aufsätze II, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 3. Auflage 1967) entnommen. Die Herausgeber haben sich im Bemühen um eine philologisch exakte Wiedergabe der Texte, die in diese vierbändige Kassette aufgenommen wurden, an folgende Richtlinien gehalten: – Heideggers Annotationen sind mit hochgestellten Kleinbuchstaben (z. B. a) kenntlich gemacht. – Sternchenmarkierungen (z. B. *) verweisen auf Anmerkungen, Ergänzungen und Kommentare der Herausgeber, die im editorischen Anhang zu finden sind. – Alle Texte wurden unverändert in der Rechtschreibung und Zeichensetzung der Erstausgaben wiedergegeben.
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– Abweichungen in der Orthographie und Zeichensetzung wurden im editorischen Anhang kommentiert. – Handschriftliche Korrekturzeichen Heideggers wurden berücksichtigt und im editorischen Anhang ausgewiesen. – Heideggers Trennungen und Schreibweisen von Wörtern wie »Er-eignis«, »Her-vor-bringen« oder »Ge-stell« wurden auch bei Zeilenumbrüchen beibehalten. In diesen Fällen wurden die für Martin Heidegger typischen Trennungen als Divis sowohl am Zeilenende als auch am darauffolgenden Zeilenanfang kenntlich gemacht. – Im Unterschied zu den gedruckten Erstausgaben wurden im Haupttext zum besseren Verständnis alle Namen ausgeschrieben. – Spruchzitate aus antiken Quellen sowie Gedichtzitate wurden – wenn sie vom Text abgesetzt sind – kursiviert. – Gesperrt Gedrucktes wurde kursiviert bzw. innerhalb von kursiv Gedrucktem recte gesetzt. – Handschriftliche Unterstreichungen Heideggers wurden kursiv gesetzt. – Handschriftliche Doppeltunterstreichungen Heideggers wurden mit einfacher Unterstreichung und kursiv wiedergegeben. – Handschriftliche Durchstreichungen Heideggers (z. B. Sein × ) wurden als solche dargestellt. – Hervorhebungen Heideggers anderer Art werden in den Editorischen Anmerkungen beschrieben. – Textvarianten, die durch Heideggers Ergänzungen, Tilgungen, Markierungen u. ä. in seinen Handexemplaren hinzugekommen sind, wurden in den Fußnotenteil aufgenommen. In besonderen Fällen weisen die Herausgeber im editorischen Anhang ausdrücklich auf die Art der Varianten hin.
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– Um die handschriftlichen Varianten nachvollziehbar zuordnen zu können, wurden – wenn nötig – einzelne Wörter oder Satzteile des gedruckten Haupttextes im Fußnotenteil wieder aufgenommen. Diese Wörter oder Satzteile werden in editorischen Klammern 〈 〉 eingefasst, wobei gegebenenfalls handschriftliche Annotationen wie Kursivierung, Anführungszeichen, Doppelpunkte, Klammern oder Divis einbezogen werden. – Bei handschriftlichen Zeichen Heideggers wie doppelter Längsstrich, Kreis, Kreuz oder Pluszeichen wird in den Editorischen Anmerkungen (Sternchenmarkierung) im Anhang die Art der Hervorhebung beschrieben. Dabei werden gegebenenfalls die markierten Textteile in editorischen Klammern 〈 〉 wieder aufgenommen. – Auf Heideggers Markierungszeichen (wie Kreis, durchstrichener oder durchkreuzter Kreis, Kreuz, Längsoder Querstrich sowie Pluszeichen) wird nur dann eigens hingewiesen, wenn das Zeichen keine Zuordnungsfunktion zu einer Randbemerkung hat. – Heidegger hat in seinen Handexemplaren gelegentlich verschiedene Farben verwendet, was auf thematische Zuordnungen oder verschiedene Phasen der Bearbeitung hinweisen könnte. Jeder farblichen Differenzierung wird in den vorliegenden Bänden dieser Kassette eine eigene Fußnote zugeordnet. Ausnahmen bilden verschiedenfarbige Hervorhebungen innerhalb eines Satzes oder unmittelbar aufeinanderfolgender Sätze, für die in der Regel nur eine Fußnote verwendet wird. Auf besondere Hervorhebungen wird in den Editorischen Anmerkungen eigens hingewiesen. – Soweit möglich wurden die von Heidegger zitierten Texte anhand der von ihm verwendeten Ausgaben seiner Bibliothek überprüft und im editorischen Anhang
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dieser Ausgabe in ihrem jeweiligen Kontext zitiert und ergänzt. Zusätze in eckigen Klammern [ ] im Haupttext dieser Ausgabe stammen von Martin Heidegger. Zusätze in eckigen Klammern im Fußnotenteil des Haupttextes sowie in den Abschnitten »Heideggers Notizen« und »Heideggers Stichwortverzeichnisse« stammen – falls nicht anders angemerkt – von den Herausgebern. Abkürzungen in handschriftlichen Texten Heideggers wurden in eckigen Klammern von den Herausgebern vervollständigt. Nur die Abkürzung »u.« wurde in »und« aufgelöst. Unsichere Lesarten wurden mit [?] gekennzeichnet und gegebenenfalls im editorischen Anhang (Sternchenmarkierung) kommentiert. Wichtige Abkürzungen und weitere Zeichen, die in dieser vierbändigen Ausgabe verwendet werden, finden sich unmittelbar vor diesem Nachwort im Verzeichnis der Abkürzungen, Verweisungs- und Markierungszeichen.
Den Nachlassverwaltern, Dr. Hermann Heidegger (1920 – 2020) und Arnulf Heidegger, möchten wir für ihr Vertrauen und die gute Zusammenarbeit danken. Ihnen und Detlev Heidegger sind wir überdies für die Bereitstellung von Handexemplaren sowie für ihre Hilfe bei der Entzifferung der handschriftlichen Notizen von Martin Heidegger zu Dank verpflichtet. Für ihr sorgfältiges Korrekturlesen sprechen wir Jutta Heidegger (1929– 2020) unseren besonderen Dank aus. Prof. Dr. Dr. Günther Neumann danken wir für die Durchsicht und Korrektur der griechischen Zitate. Für ihre Hilfe bei der Durchsicht und Bereitstellung des
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Archivmaterials aus dem Deutschen Literaturarchiv Marbach danken wir Gudrun Bernhardt, Dr. Julia Maas und M. A. Simone Waidmann. Ganz besonderen Dank schulden wir Marion Winter (Esslingen) und Thomas Ziegler (pagina, Tübingen) für ihre aufmerksame Hilfe bei den Korrekturen und für die unermüdliche Zusammenarbeit. Ebenso danken wir dem Verlag Klett-Cotta, dem Verleger Dr. h. c. Michael Klett, dem verlegerischen Geschäftsführer Tom Kraushaar und dem Lektor Dr. Johannes Czaja. Wir hoffen, dass diese Ausgabe die Erforschung des Denkens von Martin Heidegger erweitert und vertieft. Alfred Denker (Sevilla, Messkirch) Dorothea Scholl (Kiel, Tübingen) Stuttgart, den 26. Mai 2021
DENKWEGE
MARTIN HEIDEGGER DER SATZ VOM GRUND
Martin Heidegger – DENKWEGE ISBN 978-3-608-94761-8
E-Book ISBN 978-3-608-20177-2
Die vierbändige Kassette beinhaltet: Kleine Schriften Bauen Wohnen Denken. Vorträge und Aufsätze Der Satz vom Grund Unterwegs zur Sprache
Martin Heidegger
DER SATZ VOM GRUND
Klett-Cotta
Der Satz vom Grund Text der durchgesehenen Erstausgabe (Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1957), erweitert um die handschriftlichen Ergänzungen des Autors aus seinem Handexemplar. Herausgegeben von Alfred Denker und Dorothea Scholl
Die Sternchenmarkierungen (*), die Ziffern in eckigen Klammern [ ] am Seitenrand, die Fußnoten sowie wichtige Hinweise zur Lektüre werden in den Editorischen Anmerkungen, im Verzeichnis der Abkürzungen, Verweisungsund Markierungszeichen und im Nachwort der Herausgeber erläutert.
Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe. Klett-Cotta www.klett-cotta.de © 2022 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart Alle Rechte vorbehalten Cover: Rothfos & Gabler, Hamburg Foto: © ullstein bild – bpk / Digne M. Markovicz Signatur: © ullstein bild – Granger, NYC Gesetzt von pagina GmbH, Tübingen Gedruckt und gebunden von GGP Media GmbH, Pößneck ISBN 978-3-608-94759-5 E-Book ISBN 978-3-608-20175-8 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
INHALT
Vorwort – 7 Vorlesung – 9 Vortrag – 197 Heideggers Notizen – 221 Heideggers Stichwortverzeichnis – 227
ANHANG – 229
Editorische Anmerkungen – 231 Editorische Anmerkungen zu »Vorlesung« – 231 Editorische Anmerkungen zu »Vortrag« – 249 Editorische Anmerkungen zu »Heideggers Notizen« – 254 Verzeichnis der Abkürzungen, Verweisungs- und Markierungszeichen – 259 Nachwort der Herausgeber – 263
VORWORT
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ie hier mitgeteilten Gedanken zum Satz vom Grund gehören in den weiteren Umkreis eines Versuches, dessen Darstellung andere Formen verlangt. Der unveränderte Vorlesungstext (gelesen im Wintersemester 1955/56 an der Universität Freiburg i. Br.) hat mit Absicht die Wiederholungen des selben Gedankenganges beibehalten. Der Vortrag wurde am 25. Mai 1956 im Club zu Bremen und am 24. Oktober 1956 an der Universität Wien gehalten. Nicht Vorgetragenes und die nachträglichen Hinweise sind in eckige Klammern gesetzt.
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Freiburg i. Br., März 1957
VORWORT
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VORLESUNG*
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er Satz vom Grund lautet: Nihil est sine ratione. Man übersetzt: Nichts ist ohne Grund. Was der Satz aussagt, leuchtet ein. Das Einleuchtende verstehen wir, und zwar ohne weiteres. Unser Verstand wird nicht weiter bemüht, um den Satz vom Grund zu verstehen. Woran liegt dies? Daran, daß der menschliche Verstand selbst überall und stets, wo und wann er tätig ist, alsbald nach dem Grund Ausschau hält, aus dem das, was ihm begegnet, so ist, wie es ist. Der Verstand schaut nach dem Grund aus, insofern er selbst, der Verstand nämlich, die Angabe des Grundes verlangt. Der Verstand fordert Be-gründung für seine Aussagen und seine Behauptungen. Nur begründete Aussagen sind verständlich und verständig. Indes verlangt der Verstand Gründe nicht erst für seine Aussagen, sondern das menschliche Vorstellen schaut bereits nach Gründen aus, wenn es sich mit dem abgibt, worüber dann erst Aussagen gemacht werden sollen. Das menschliche Vorstellen trachtet in all dem, wovon es umgeben ist und angegangen wird, nach Gründen, oft nur nach den nächstliegenden, bisweilen auch nach den weiter zurückliegenden Gründen, schließlich aber nach den ersten und letzten Gründen. Dieses Trachten nach den Gründen durchzieht das menschliche Vorstellen, bevor es sich damit abgibt, nur die Aussagen zu begründen. Das überall waltende Trachten nach Gründen verlangt, das Begegnende zu ergründen.
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ERSTE STUNDE
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In allem Er-gründen und Be-gründen finden wir uns auf einem Weg zum Grund. Ohne es recht zu wissen, sind wir stets in irgendeiner Weise davon angesprochen, dahin aufgerufen, die Gründe und den Grund zu beachten. Als ob sich dies von selbst ergäbe, sind wir in unserem Verhalten und Vorstellen unterwegs zum Grund. Wir haben gleichsam den Satz vom Grund ständig im Ohr: Nihil est sine ratione. Nichts ist ohne Grund. Unser Verhalten trägt überall dem Rechnung, was der Satz vom Grund sagt. So kann denn auch folgendes nicht überraschen: Überall dort, wo das menschliche Vorstellen nicht nur verständig, sondern mit Überlegung vorgeht, geht ihm mit der Zeit auch eigens auf, daß es dem folgt, was der erst später eigens gesetzte Satz vom Grund aussagt. Dies – daß der Mensch im Gefolge des Satzes vom Grund geht und steht – kommt dem Menschen langsam in den Sinn. Insofern sich das menschliche Vorstellen darauf besinnt, daß es überall alles auf irgendeine Weise ergründet und begründet, klingt in ihm der Satz vom Grund als Beweggrund seines Verhaltens an. Wir sagen mit Vorsicht: Der Satz vom Grund klingt an. Er wird durchaus nicht so leicht und selbstverständlich ausgesprochen, wie man dies auf Grund seines Inhalts vermuten möchte. Selbst dort, wo das menschliche Vorstellen zu einer Besinnung auf sein eigenes Tun übergeht und diese Besinnung pflegt, selbst dort, wo diese Besinnung zu dem aufsteigt, was man seit langem mit dem griechischen Wort filosofiÂa benennt, selbst in der Philosophie klingt der Satz vom Grund lange Zeit hindurch nur erst an. Es braucht Jahrhunderte, bis der Satz vom Grund in der zunächst erwähnten kurzen Fassung als Satz ausgesprochen wird. Diese Fassung spricht in der lateinischen Sprache. Der Satz vom Grund wurde in dieser Fassung zum ersten Mal im Umkreis derjenigen Besinnun-
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VORLESUNG
gen erreicht und besonders erörtert, die Leibniz im 17. Jahrhundert geglückt sind (vgl. Couturat, Opuscules et fragments ine´dits de Leibniz, Paris 1903, p. 515).* Die Philosophie waltet und wandelt sich jedoch im Abendland bereits seit dem 6. vorchristlichen Jahrhundert. Demnach dau- erte es zweitausenddreihundert Jahre, bis das abendländisch-europäische Denken dahin gelangte, den einfachen Satz vom Grund zu finden und aufzustellen. Wie seltsam, daß ein so naheliegender Satz, der unausgesprochen alles menschliche Vorstellen und Verhalten überall lenkt, so viele Jahrhunderte gebraucht hat, um eigens als Satz in der genannten Fassung ausgesprochen zu werden. Aber noch seltsamer ist es, daß wir uns immer noch nicht darüber wundern, mit welcher Langsamkeit der Satz vom Grund zum Vorschein kommt. Man möchte die lange Zeit, die er dazu brauchte, seine Incubationszeit nennen: zweitausenddreihundert Jahre für das Setzen dieses einfachen Satzes. Wo und wie hat der Satz vom Grund so lange geschlafen und das in ihm Ungedachte vorausgeträumt? Es ist jetzt noch nicht der rechte Augenblick, um dem nachzudenken. Vermutlich sind wir jetzt auch noch nicht wach genug für das Seltsame, das sich ankündigt, wenn wir einmal beginnen, auf die ungewöhnlich lange Incubationszeit des Satzes vom Grund gebührend zu achten. Zunächst finden wir nichts Aufregendes daran. Die aussagemäßige Fassung des Satzes unterblieb nun einmal lange Zeit. Und als der Satz ausgesprochen war, änderte sich am Gang des Denkens anscheinend nichts Wesentliches. Wozu also die Verwunderung über die seltsame Geschichte des Satzes vom Grund? Machen wir uns nichts vor. Der Satz vom Grund und seine Geschichte reizen uns durchaus nicht, länger dabei zu verweilen. Dafür haben wir
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genug anderes, was uns aufregt, z. B. die Entdeckung neuer Elemente in den Naturwissenschaften, z. B. die Entdekkung neuartiger Uhren, die es ermöglichen, das Alter der Erde zu errechnen; oder z. B. ein Buch über »Götter, Gräber und Gelehrte«;* oder ein Bericht über die Konstruktion des Weltraumschiffes. Aber der Satz vom Grund – diese naheliegende Aussage, und daß die gleichfalls naheliegende kurze Fassung so lange Zeit hindurch nicht gefunden werden konnte! Warum rührt uns dergleichen nicht an, gar so, daß es uns umwirft? Warum nicht? Antwort: weil unser Verhältnis zum Naheliegenden seit je stumpf ist und dumpf. Denn der Weg zum Nahen ist für uns Menschen jederzeit der weiteste und darum der schwerste. Deshalb ahnen wir auch kaum, wie nahe uns das liegt, was der Satz vom Grund sagt. Kein Wunder, daß uns nicht im geringsten anrührt, was man die seltsame Geschichte dieses Satzes nennen könnte. Was sollen wir uns denn überhaupt um so leere Sätze wie den Satz vom Grund kümmern? Leer ist er doch, weil es daran nichts Anschauliches zu erblicken, nichts mit der Hand zu greifen und selbst mit dem Verstand nichts weiter zu begreifen gibt. Wir sind mit dem Satz vom Grund, kaum daß wir ihn hören, auch schon fertig. Und dennoch – vielleicht ist der Satz vom Grund der rätselvollste aller nur möglichen Sätze. Wäre dem so, dann täten wir gut daran, achtsamer mit ihm umzugehen als bisher. Sind wir dazu bereit, dann ist es nötig, daß wir erst einmal bedächtig auf das hören, was der Satz sagt und wie er sein Gesagtes sagt. Nihil est sine ratione. Nichts ist ohne Grund. Nichts, d. h. hier: nicht ein Etwas von all dem, was auf irgendeine Weise ist, ist ohne Grund. An dieser Fassung des Satzes vom Grund fällt sogleich auf, daß er zwei Verneinungen
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enthält: Nihil – sine; Nichts – ohne. Die doppelte Verneinung ergibt eine Bejahung: Nichts von dem, was irgendwie ist, ist ohne Grund. Dies sagt: Jegliches, was ist, jedes irgendwie Seiende hat einen Grund. In der lateinischen Fassung lautet dies: omne ens habet rationem. Gewöhnlich geben wir der bejahenden Form eines Satzes sowohl sachlich als auch sprachlich vor der verneinenden den Vorzug. Bei der jetzt genannten Fassung des Satzes vom Grund liegt es anders. Inwiefern? Die bejahende Aussage: »Jegliches Seiende hat einen Grund« klingt wie eine Feststellung. Sie vermerkt, daß jedes Seiende mit einem Grund ausgestattet ist. Eine Feststellung läßt sich daraufhin prüfen, ob das Festgestellte und wie weit es zutrifft. Können wir nun nachprüfen, ob jedes Seiende einen Grund hat? Um diese Nachprüfung durchzuführen, müßten wir jegliches Seiende, das irgendwann und irgendwo ist, war und sein wird, vor uns bringen, um dann nachzusehen, inwiefern es einen Grund für sich bei sich hat. Eine solche Nachprüfung bleibt dem Menschen versagt. Wir kennen jederzeit nur Ausschnitte aus den verschiedenen Bezirken des Seienden und auch diese wiederum nur nach beschränkten Hinsichten, in einzelnen Schichten und auf besonderen Stufen. Unsere Feststellung: »Jedes Seiende hat einen Grund« ruht somit, wie man sagt, auf schwachen Füßen. Angenommen, wir wären imstande, alles wirklich Seiende daraufhin zu prüfen, daß es jeweils einen Grund hat, so bliebe doch immer noch das offene Feld dessen, was nicht wirklich ist und dennoch ist, insofern es möglich – ist. Auch dieses Mögliche, das möglicherweise Seiende gehört zum Seienden im weiteren Sinne und hat einen Grund seiner Möglichkeit. Wer aber dürfte sich anmaßen, all das, was möglich ist und möglicherweise wirklich ist, im geringsten zu überblicken?
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Indessen wird mancher sich schon gesagt haben, der Satz vom Grund sei in der Fassung: »Jedes Seiende hat einen Grund« gar keine bloße Feststellung, deshalb brauche er auch nicht in der Weise nachgeprüft zu werden wie eine Feststellung sonst. Wäre der Satz vom Grund ein bloß feststellender Satz, dann müßte er in der genauen Fassung lauten: Jedes Seiende, soweit das Seiende bislang beobachtet werden konnte, hat einen Grund. Allein der Satz vom Grund will mehr sagen, nämlich dies: Allgemein und d. h. in der Regel hat jedes Seiende irgendeinen Grund dafür, daß es ist und so ist, wie es ist. Doch inwiefern gilt die Regel? Die Gültigkeit einer Regel ist kaum leichter nachzuprüfen als die Richtigkeit einer Feststellung. Außerdem gehört zur Regel die Ausnahme. Der Satz vom Grund sagt jedoch schlichthin: Jedes Seiende hat einen Grund. Was der Satz setzt, setzt er als ausnahmslos. Der Satz vom Grund ist weder eine Feststellung noch eine Regel. Er setzt, was er setzt, als Notwendiges. Dieses spricht er als Un-umgängliches durch die doppelte Verneinung »Nichts … ohne« aus. Die verneinende Satzform spricht deutlicher als die bejahende. Diese muß sachgemäß lauten: Jedes Seiende hat notwendig einen Grund. Doch welcher Art ist diese Notwendigkeit? Worin beruht sie? Worauf gründet der Satz vom Grund? Wo hat der Satz vom Grund selber seinen Grund? Indem wir so fragen, streifen wir schon das Verfängliche und Rätselvolle dieses Satzes. Freilich kann man das Rätselhafte des Satzes vom Grund mit einem Machtspruch auf einen Schlag beseitigen. Man versichert, was der Satz aussage, sei unmittelbar einleuchtend; er bedürfe weder einer Nachprüfung noch gar eines Beweises. Angesichts solcher Sätze ist nämlich die Philosophie allzugern geneigt, sich auf das unmittelbar Einleuchtende zu berufen. Allein
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VORLESUNG
niemand wird die Behauptung wagen, daß der Satz vom Grund bedingungslos unmittelbar einleuchte in dem, was er aussagt. Damit etwas einleuchte und d. h. leuchte, muß nämlich ein Licht scheinen. Das Scheinen dieses Lichtes ist eine entscheidende Bedingung dafür, daß das im Satz Gesagte so leuchtet, daß es uns eingeht, einleuchtet. In welchem Licht ist dann der Satz vom Grund ein einleuchtender Satz? Welches Licht braucht der Satz, um zu leuchten? Sehen wir dieses Licht? Und falls wir es sehen, ist es nicht immer gefährlich, ins Licht zu sehen? Offensichtlich können wir das Licht, worin der Satz vom Grund einleuchtet, nur so finden, daß wir erst klären, welcher Art von Sätzen dieser Satz vom Grund zugehört. Über den Satzcharakter des Satzes vom Grund wurde schon einiges erwähnt. Wir unterschieden die verneinende und bejahende Form seiner Fassung. Manche werden finden, daß bisher schon genug von der Form dieses Satzes geredet wurde, daß es an der Zeit sein dürfte, ohne weitere Umschweife auf den Inhalt des Satzes vom Grund einzugehen. Man wird behaupten, Betrachtungen über die Form von Sätzen gehörten in die Grammatik und Logik. Diese Stellungnahme scheint berechtigt zu sein. Sie ist es sogar, und zwar überall dort, wo es sich um Aussagen und Sätze handelt, bei denen es ausschließlich auf den Inhalt des Satzes ankommt und vordem auf das, worauf der Satzinhalt selbst sich bezieht. Solches ist der Fall bei allen Aussagen, die sich in unseren Überlegungen, Planungen, Verhandlungen und Berechnungen ergeben. Denselben Stil des Aussagens zeigt auch das Betrachten und Forschen der Wissenschaften. Sie bleiben unmittelbar auf den vorliegenden Gegenstandsbereich bezogen. Auch dort, wo die Wissenschaften ihren jeweiligen Bezug zu ihrem Gegenstand eigens in die wissenschaftlich-methodischen Überlegungen
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einbeziehen, wird die Beziehung zum Gegenstand wie etwas unmittelbar Gegebenes vorgestellt. Dies gilt sogar für den Bezirk, in dem sich die Beziehung des erkennenden Subjektes zum Objekt wesentlich verändert wie in der modernen Atomphysik. Nur beiläufig sei vorerst gestreift, daß sich in der modernen Atomphysik ein Wandel des Bezugs zu den Gegenständen vorbereitet, der auf dem Weg über die moderne Technik die Vorstellungsweise des Menschen im ganzen verändert. Indes bleibt auch diese veränderte Art des Vorstellens und das ihm zugeordnete Aussagen immer noch durch eine Kluft von der Weise des Sagens getrennt, die der Satz vom Grund in sich schließt. Dieser Satz läßt sich hinsichtlich seines Satzcharakters niemals auf die Ebene der geläufigen Sätze zurückbringen, auch nicht auf die Ebene der wissenschaftlichen Sätze. Allerdings gibt sich der Satz auf den ersten Anschein hin und beim ersten Anhören so wie alle anderen Sätze auch: Jedes Seiende hat notwendig einen Grund. Jeder Baum hat seine Wurzel. 5 und 7 ist 12. Goethe starb im Jahre 1832. Die Zugvögel fliegen im Herbst nach dem Süden. Die genannten Sätze sind, grob gesehen, grammatisch auf dieselbe Weise gebaut. Es sind einfache Aussagen. In dieser Hinsicht vernehmen wir zunächst auch den Satz vom Grund. Solange diese Hinsicht als die allein maßgebende festgehalten wird, können wir auch den Satz vom Grund nicht aus dem Umkreis dieser Satzform herauslösen. Allein das, was der Satz vom Grund setzt und wie er es setzt, die Weise, wie er, streng gedacht, ein Satz ist, läßt sich mit allen anderen Sätzen nicht vergleichen. Dies behaupten wir. Falls diese Behauptung wahr ist, legt sie schon jetzt den Zweifel nahe, ob der Satz vom Grund überhaupt ein Satz
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im Sinne der grammatisch verstandenen Aussage ist. Vermutlich könnte das, was er sagt und wie er es sagt, uns in eine ganz andere Weise des Sagens versetzen. Darum müssen wir jetzt schon, bei dem ersten tastenden Versuch, den Satz vom Grund zu erörtern, deutlicher, wenn auch immer noch grobschlächtig genug, auf seine Eigenart hinweisen. Es hieß vorhin, der Satz vom Grund enthalte keine bloße Feststellung, er spreche auch nicht nur eine Regel aus, die Ausnahmen zuläßt. Der Satz sagt etwas, was sich notwendig so verhält, wie es sich verhält: Jedes und alles Seiende hat notwendig einen Grund. Der Satz sagt solches, von dem wir nicht abgehen können. Der Satz sagt etwas Unabdingbares. Der Satz spricht, wie wir zu sagen pflegen, etwas Grundsätzliches aus. Der Satz vom Grund ist ein Grundsatz. Vielleicht dürfen wir sogar noch mehr behaupten und sagen: Der Satz vom Grund ist d e r Grundsatz aller Grundsätze. Dieser Hinweis verweist uns mit einem kaum merklichen Stoß in das Rätselvolle, das sich um den Satz und d. h. um das, was er sagt, auftut. Die Behauptung, der Satz vom Grund sei der Grundsatz, meint zunächst, der Satz vom Grund sei nicht ein Grundsatz neben mehreren anderen, er sei vielmehr der oberste, der dem Rang nach erste aller Grundsätze. Welcher Grundsätze? möchten wir sogleich fragen. Wir halten uns in verschiedenen Bezirken des Vorstellens, Wollens und Fühlens an Grundsätze. Wenn der Satz vom Grund der oberste aller Grundsätze sein soll, dann meinen wir mit dieser Mehrzahl von Grundsätzen jene mehreren ersten Grundsätze, die für alles menschliche Vorstellen richtungund maßgebend sind. Als solche ersten Grundsätze kennt man den Satz der Identität, den Satz des Unterschiedes, den Satz des Widerspruchs, den Satz vom ausgeschlossenen Dritten. Zu diesen Sätzen rechnet die überlieferte Lehre
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der Philosophie seit Leibniz ausdrücklich auch den Satz vom Grund. Dieser Satz gilt jedoch nicht – auch für Leibniz nicht – als der oberste Grundsatz, geschweige denn als der Grundsatz schlichthin. Als der oberste aller ersten Grundsätze gilt der Satz der Identität. Man faßt diesen Satz öfter in die Formel: A = A. Aber Gleichheit ist etwas anderes als Identität. Doch was Identität eigentlich besagt, ist durchaus nicht eindeutig und einhellig bestimmt. Identität kann bedeuten, daß etwas das Selbe ist und nichts weiter als das Selbe: das Selbe es selber, das Selbe mit sich selbst. Man sagt statt dessen oft ungenau, identisch heiße: mit sich selbst gleich. Aber Gleiches gibt es nur, wo mehreres ist. Selbig mit sich selber kann aber jedes einzelne für sich, kann jedes einzige sein. Andere wiederum bestimmen die Identität anders. Identität bedeute Zusammengehörigkeit von Verschiedenen im Selben, deutlicher: Zusammengehörigkeit von Verschiedenen auf Grund des Selben. Auf dem Grund? Das Selbe kommt hier als der Grund der Zusammengehörigkeit ins Spiel. In der Identität spricht der Charakter des Grundes als das, worauf und worin die Zusammengehörigkeit von Verschiedenen beruht. Daraus ersehen wir schon, wenngleich nur ungefähr, daß die Identität in dem, was sie ist, nicht ohne den Grund auskommt. Vom Grund aber handelt der Satz vom Grund. Der Satz der Identität könnte also im Satz vom Grund gründen. So wäre nicht jener, der Satz der Identität, sondern dieser, der Satz vom Grund, der oberste Grundsatz aller ersten Grundsätze. Vielleicht ist der Satz vom Grund auch nur der primus inter pares, der Erste unter den ersten Grundsätzen, die im Grunde untereinander gleichen Ranges sind. Auf jeden Fall ist die Behauptung, der Satz vom Grund sei der oberste
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Grundsatz, nicht völlig aus der Luft gegriffen. Die Behauptung widerstreitet allerdings der überlieferten Lehre von den Grundsätzen. Diese Lehre ist denn auch, was ihre vorgebliche Klarheit und Gültigkeit betrifft, mehr durch eine weit zurückreichende Gewöhnung des Vorstellens gesichert als durch ein Denken, das sich auf das Fragwürdige einläßt und dabei verweilt. Um dieses Fragwürdige zu finden, brauchen wir jedoch nicht erst in weitabliegendes Gelände des Denkens fortzuwandern. Die Frage nach den obersten Grundsätzen und nach der Rangordnung unter ihnen irrt freilich im Nebel herum, solange sich nicht eine Klarheit darüber auftut, was denn ein Grundsatz ist. Die Beantwortung dieser Frage verlangt, daß wir hinreichend deutlich wissen, erstens was ein Grund und zweitens was ein Satz ist. Wo und wie erhalten wir eine verläßliche Auskunft darüber, was ein Grund ist? Vermutlich durch den Satz vom Grund. Doch merkwürdigerweise handelt der Satz vom Grund durchaus nicht vom Grund als solchem. Der Satz vom Grund sagt vielmehr: Jedes Seiende hat notwendig einen Grund. Der Satz vom Grund setzt seinerseits schon voraus, daß bestimmt sei, was ein Grund ist, daß klar sei, worin das Wesen des Grundes beruht. Der Satz vom Grund gründet auf dieser Voraussetzung. Ist dann aber ein Satz, der so Wesentliches voraussetzt, im Ernst noch als ein Grundsatz anzusprechen und gar als der oberste? Der Satz vom Grund hilft uns nicht weit beim Versuch, deutlich zu machen, worin das Wesen von dergleichen wie Grund besteht. Dies zu wissen, ist jedoch nötig, wenn wir uns bei der Erörterung des Grundsatzes nicht in einer verschwommenen Vorstellung dessen aufhalten wollen, was ein Grund-Satz ist. Doch ebenso nötig ist zu klären, was ein Satz ist. Nach der Lehre der Grammatik besteht der einfache Satz aus
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einer Verbindung eines Satzsubjektes mit einem Prädikat. Dieses, das Prädikat, wird dem Subjekt zugesagt, vom Subjekt ausgesagt. Doch was heißt Subjekt? Das lateinische subiectum, das griechische yëpokeiÂmenon bedeutet: das zu Grunde Liegende, das, was als Grund vorliegt, nämlich für die Aussage darüber. Also auch dies, was ein Satz ist, läßt sich nur aufhellen, wenn wir zuvor geklärt haben, worin das Wesen des Grundes beruht. Was ein Grund-Satz ist, bleibt dunkel. Was der Satz vom Grund als der oberste Grundsatz ist, bleibt das für uns Frag-würdige. Solches läßt sich nur unter der Bedingung behaupten, daß wir uns abgewöhnen, das, was unter dem Titel der »Grundsätze« abgehandelt wird, gleichsam nur über den Daumen weg rasch einmal vorzustellen, um uns dann mit wichtigeren Sachen abzugeben. Wohin wir blicken mögen, die Erörterung des Satzes vom Grund gerät schon bei den ersten Schritten ins Dunkle. So gehört es sich auch. Denn wir möchten den Satz vom Grund verdeutlichen. Das Deutliche und Lichte braucht indes das Dunkle und den Schatten, sonst gäbe es nichts zu verdeutlichen. Goethe erwähnt einmal (Sprüche in Prosa, ed. Rudolf Steiner, S. 365) einen Satz von Johann Georg Hamann, dem Freund Herders und Kants. Der Satz von Hamann lautet: »Deutlichkeit ist eine gehörige Verteilung von Licht und Schatten.« Goethe fügt kurz und bündig hinzu: »Hamann – Hört!«*
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s könnte förderlich sein, wenn wir schon bei den ersten Schritten, die der Denkweg dieser Vorlesung uns abverlangt, darauf achten, an welchem Leitfaden wir gehen und in welche Gegend uns dieser Gang führt. Der Weg geht auf den Satz vom Grund zu, auf das, was der Satz sagt, wovon er sagt und wie er es sagt. Der Satz vom Grund lautet: Nihil est sine ratione; Nichts ist ohne Grund. Wir sind auf den Inhalt des Satzes nicht eingegangen. Der Weg bog sogleich von dieser naheliegenden Blickrichtung ab. Wir haben uns vielmehr darauf besonnen, welcher Art von Sätzen der Satz vom Grund zugehört. Die Philosophie rechnet ihn zu den obersten Grundsätzen, die man auch Prinzipien nennt. Indem wir über den Satz vom Grund als einen Grundsatz nachdenken, führt uns der zunächst aufgenommene Leitfaden gleichsam außen am Satz entlang. Wir vermeiden es, geradewegs an sein Inneres, den Satzinhalt, zu rühren. Das Bestürzende an diesem Satz ist es, daß schon der Weg außen herum übergenug zu denken gibt. Später muß sich dann herausstellen, ob wir mit diesem Verfahren recht getan haben, d. h. inwiefern dieses Verfahren uns gleichwohl und sogar eher dem Gehalt des Satzes nahebringt, als wenn wir jetzt sogleich eine Erörterung seines Inhalts versuchen wollten. Wir möchten darum den in der ersten Vorlesungsstunde ergriffenen Faden nicht vorzeitig fallenlassen. Er soll uns
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zu einem Standort führen, aus dem wir erst einmal eine nähere Kenntnis darüber erlangen, wie sich der Satz vom Grund im Feld des abendländischen Denkens ausnimmt. Wir gelangen so in eine erste Bekanntschaft mit dem Satz vom Grund als einem Grund satz. Aus dieser Kenntnis ergibt sich eine Einsicht in unser gewohntes Verhältnis zum Satz vom Grund. Mit dieser Einsicht in unser Verhältnis zu ihm fällt aber zugleich ein Licht auf uns selbst und auf die uns geläufige Art zu denken. So könnte es denn geschehen, daß der Satz vom Grund, auf solche Weise bedacht, uns zugleich einigen Aufschluß über unser eigenes Wesen vermittelte, ohne daß wir uns mit uns selbst beschäftigen. Wir mögen es wissen oder nicht, wir mögen auf das Gewußte besonders achten oder nicht, überall ist unser Aufenthalt in der Welt, ist unser Gang über die Erde unterwegs zu Gründen und zum Grund. Was uns begegnet, wird ergründet, oft nur recht vordergründig, bisweilen wagen wir uns auch an das Hintergründige und selten genug bis an den Rand der Abgründe des Denkens. Von den Aussagen jedoch, die wir über das vorbringen, was uns umgibt und angeht, verlangen wir, daß man sie begründe. Ergründen und Begründen bestimmen unser Tun und Lassen. Daß es so mit uns steht, woran liegt dies? Ist es nur eine Tatsache, an die wir uns nicht zu kehren brauchen? Welt und Leben gehen ihren Gang, ohne daß wir uns auf den Satz vom Grund besinnen. Unser Tun und Lassen ist nun einmal davon beseelt, alles irgendwie zu ergründen und zu begründen. Wir können jedoch auch fragen, und zwar allein und genau deshalb, weil unser Tun und Lassen so beseelt ist: Aus welchem Grunde ist unser Tun und Lassen ergründend und begründend? Die Antwort auf diese Frage enthält der Satz vom Grund. Er enthält die Antwort, gibt sie aber nicht, sondern
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verbirgt sie in dem, wovon er sagt. Der Satz vom Grund lautet in der kurzen Fassung: Nihil est sine ratione; Nichts ist ohne Grund. Dies besagt in der bejahenden Fassung: Jegliches, was in irgendeiner Weise ist, hat notwendig einen Grund. Was der Satz sagt, versteht man ohne weiteres. Wir stimmen seiner Aussage zu; dies jedoch keineswegs nur deshalb, weil wir meinen, der Satz habe sich bislang überall bestätigt und er werde sich auch fernerhin jederzeit bestätigen. Wir stimmen dem Satz vom Grund zu, weil wir, wie man sagt, das sichere Gefühl haben, der Satz selber müßte stimmen. Allein genügt es, wenn wir den Satz vom Grund auf diese reichlich lockere Weise nur eben gelten lassen? Oder ist dieses Geltenlassen in Wahrheit die gröbste Mißachtung des Satzes selbst? Der Satz vom Grund ist doch als ein Satz nicht nichts. Der Satz ist selber Etwas. Er ist mithin solches, was nach der eigenen Aussage des Satzes einen Grund haben muß. Welches ist der Grund für den Satz vom Grund? Der Satz selber ruft uns in dieses Fragen. Doch einerseits sträuben wir uns dagegen, auf diese Art noch weiterzufragen, weil sie gegenüber dem einfachen Satz vom Grund eine überdrehte und spitzfindige Frage zu sein scheint. Andererseits sehen wir uns durch den Satz vom Grund selber dazu genötigt, ihm gemäß auch in bezug auf ihn selbst nach dem Grund zu fragen. Wie retten wir uns aus dieser Verlegenheit? Wir stehen vor zwei Möglichkeiten, die beide in gleichem Maße unser Denken aufregen. Entweder ist der Satz vom Grund derjenige Satz, allgemein dasjenige Etwas, was einzig nicht von dem betroffen wird, was der Satz sagt: Jedes, was irgendwie ist, hat notwendig einen Grund. Es ergäbe sich in diesem Fall das höchst Seltsame, daß gerade der Satz vom Grund – und er allein – aus seinem eigenen
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Geltungsbereich herausfiele; der Satz vom Grund bliebe ohne Grund. Oder aber der Satz vom Grund hat auch und zwar notwendig einen Grund. Ist aber solches der Fall, dann kann vermutlich dieser Grund nicht nur auch einer neben vielen anderen sein. Vielmehr dürfen wir erwarten, daß der Satz vom Grund, wenn er in seiner vollen Tragweite spricht, gerade sich selber in den höchsten Anspruch auf Begründung nimmt. Der Grund für den Satz vom Grund wäre dann der ausgezeichnete unter allen Gründen, so etwas wie der Grund des Grundes. Wohin geraten wir aber, wenn wir den Satz vom Grund bei seinem eigenen Wort nehmen und so auf den Grund des Grundes zugehen? Drängt der Grund des Grundes nicht über sich hinaus zum Grund des Grundes des Grundes? Wo ist, wenn wir in dieser Art zu fragen fortfahren, noch ein Halten und damit noch eine Aussicht auf Grund? Ginge das Denken diesen Weg zum Grund, dann müßte es doch unaufhaltsam ins Grundlose fallen. So möchte man denn hier warnend vermerken: Wer auf solchem Weg zum Grund geht, dessen Denken läuft Gefahr, daß es dabei zugrunde geht. Diese Warnung kann eine tiefe Wahrheit enthalten. Sie kann aber auch nur eine hilflose Abwehr gegen den Anspruch des Denkens sein. In jedem Falle zeigt sich: Mit dem Satz vom Grund und seiner Begründung, mit dem Satz als Grundsatz, ist es eine eigene Sache. Nach der einen Hinsicht versteht man den Satz ohne weiteres und läßt ihn unbesehen gelten. Nach der anderen Hinsicht scheint der Satz unser Denken ins Grundlose zu stürzen, sobald wir in bezug auf den Satz selber mit dem Ernst machen, was er selbst sagt. Der Satz vom Grund ist es also, der sogleich ein seltsames Licht auf den Weg zum Grund wirft und uns zeigt, daß
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wir, wenn wir uns auf die Grundsätze und Prinzipien einlassen, in eine merkwürdig zwielichtige, um nicht zu sagen gefährliche Gegend gelangen. Diese Gegend ist manchen Denkern bekannt, wenngleich sie mit Recht nur wenig davon sagen. Für uns, die wir am Beginn des Weges zum Grundsatz vom Grund stehen und in dieser Gegend fremd sind, mag es eine Hilfe sein, von jenem Wenigen einiges zu wissen. Wir hüten uns dann bei der Erörterung des Satzes vom Grund sowohl vor übereilten und hochgetriebenen Ansprüchen, als auch vor einer denkmüden Genügsamkeit. Es ist bekannt, daß Descartes alles menschliche Wissen dadurch auf einen unerschütterlichen Grund (fundamentum inconcussum) bringen wollte, daß er zunächst an allem zweifelte und nur das als sichere Erkenntnis zuließ, was sich klar und deutlich darstellt. Leibniz vermerkt zum Vorgehen Descartes’, dieser habe es unterlassen auszumachen, worin die Klarheit und Deutlichkeit des Vorstellens, die ihm als Leitprinzipien gelten, bestünden. Descartes hat nach Leibniz an dieser Stelle zu wenig gezweifelt. Darum sagt Leibniz in einem Brief an Johann Bernoulli vom 23. August 1696: sed ille dupliciter peccavit, nimis dubitando et nimis facile a dubitatione discedendo; »aber jener (nämlich Descartes) hat auf zwiefache Weise gefehlt, dadurch, daß er allzusehr zweifelte, und dadurch, daß er allzuleicht vom Zweifel Abstand nahm«.* Was lernen wir aus dem Wort von Leibniz? Für den Weg zum Grund und für den Aufenthalt in der Gegend der Grundsätze und Prinzipien braucht es zugleich zweierlei: die Kühnheit des Denkens und die Zurückhaltung – beide aber je am rechten Ort. Deshalb vermerkt schon Aristoteles im 4. Kapitel des vierten Buches der »Metaphysik«, wo er von dem später so
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genannten Grundsatz des Widerspruchs und dessen Begründung handelt, folgendes: eÍsti gaÁr aÆpaideysiÂa toÁ mhÁ gignv  skein tiÂnvn deiÄ zhteiÄn aÆpoÂdeijin kaiÁ tiÂnvn oyÆ deiÄ. (Met. G 4, 1006 a 6 sq.).* »Es liegt nämlich ein Mangel an paideiÂa vor, wenn man nicht weiß, wofür ein Beweis zu suchen ist und wofür nicht«. Das griechische Wort paideiÂa, noch halblebendig in unserem Fremdwort Pädagogik, läßt sich nicht übersetzen. Gemeint ist hier der wache und bereite Sinn für das jeweils Geeignete und Ungeeignete. Was lernen wir aus dem Wort von Aristoteles? Wer sich in die Gegend der Grundsätze begibt, braucht, um sie weder zu überfordern noch zu unterschätzen, die paideiÂa – wir können auch sagen: die Gabe der Unterscheidung zwischen dem, was sich angesichts einfacher Sachverhalte gehört und was sich nicht gehört. Wenn wir den Worten von Leibniz und Aristoteles noch besinnlicher nachdenken könnten, müßten wir auf den Gedanken kommen, daß die geläufige Meinung viel Fragwürdiges an sich hat, die vorgibt, die ersten Grundsätze und obersten Prinzipien müßten unmittelbar einleuchtend, sonnenklar und schlechthin beruhigend für das Denken sein. Novalis, der Dichter, der zugleich ein großer Denker war, wußte es anders. Er sagt in einem Fragment (Minor III, S. 171**; Wasmuth III, n. 381***): »Sollte das höchste Prinzip das höchste Paradoxon in seiner Aufgabe enthalten? Ein Satz sein, der schlechterdings keinen Frieden ließe, der immer anzöge und abstieße, immer von neuem unverständlich würde, so oft man ihn auch schon verstanden hätte? Der unsere Tätigkeit unaufhörlich rege machte, ohne sie je zu ermüden, ohne je gewohnt zu werden? Nach alten mystischen Sagen ist Gott für die Geister etwas Ähnliches.«
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Was lernen wir aus dem Wort von Novalis? Dies, daß es in der Gegend der höchsten Prinzipien vermutlich ganz anders aussieht, als es die landläufige Lehre von der unmittelbaren Evidenz der obersten Grundsätze wahrhaben möchte. Der Satz vom Grund wird von uns überall als Stütze und Stab benützt und befolgt; zugleich stürzt er uns aber, kaum daß wir ihm in seinem eigensten Sinne nachdenken, ins Grundlose. So liegt denn über dem Satz vom Grund schon genug Schatten. Der Schatten wird dunkler, sobald wir festhalten, daß der Satz vom Grund kein beliebiger Satz unter anderen Sätzen ist. Er gilt als Grundsatz. Nach unserer Behauptung soll er der Satz aller Sätze sein. Ins Äußerste gesprochen heißt dies: Der Satz des Grundes ist der Grund der Sätze. Der Satz des Grundes ist der Grund des Satzes. Halten wir eine Weile still, falls wir dahin zugelassen sind: der Satz des Grundes – der Grund des Satzes. Hier dreht sich etwas in sich selber. Hier ringelt sich etwas in sich selber ein, verschließt sich aber nicht, sondern entriegelt sich zugleich. Hier ist ein Ring, ein lebendiger Ring, dergleichen wie eine Schlange. Hier fängt etwas sich selber an seinem eigenen Ende. Hier ist ein Anfang, der schon Vollendung ist. Der Satz des Grundes als der Grund des Satzes – dieses seltsame Verhältnis bringt unser gewohntes Vorstellen in Verwirrung. Solches darf uns nicht überraschen, gesetzt daß die jetzt auftauchende Verwirrung einen echten Ursprung hat. Man könnte dies freilich bezweifeln und darauf hinweisen, das Verwirrende entspringe nur daraus, daß wir mit den Wörtern »Grund« und »Satz« spielen, die den Titel des Grundsatzes vom Grund ausmachen. Die Wort-
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spielerei hat indes sogleich ein Ende, wenn wir uns an die lateinische Fassung des Satzes vom Grund verwiesen sehen. Sie lautet: Nihil est sine ratione. Wie aber lautet der entsprechende lateinische Titel? Leibniz nennt den Satz vom Grund das principium rationis. Was hier principium bedeutet, erfahren wir am besten durch die knappe Definition, die der wirksamste Schüler von Leibniz, Christian Wolff, in seiner Ontologie gibt. Er sagt dort (§ 70): Principium dicitur id, quod in se continet rationem alterius.* Principium ist darnach jenes, was in sich die ratio für anderes enthält. Somit ist das principium rationis nichts anderes als die ratio rationis: der Grund des Grundes. Auch der lateinische Titel des Satzes vom Grund stößt uns in dieselbe Verwirrung und Verwicklung: der Grund des Grundes; der Grund dreht sich auf sich selber zurück, wie es sich beim Satz des Grundes als dem Grund des Satzes ankündigt. Somit liegt es nicht am Wortlaut der Titel für den Satz, weder am deutschen, noch am lateinischen, daß wir am Satz vom Grund nicht geradeaus entlang gehen können, sondern sogleich in eine Ringbewegung gezogen werden. Denn es bleibt wohl zu beachten, daß der deutsche Titel: »Der Satz vom Grund« alles andere ist als die wörtliche Übersetzung des lateinischen Titels: principium rationis, auch dann, wenn wir statt Satz vom Grund gemäßer sagen: Grundsatz vom Grund. Denn weder ist das Wort Grund die wörtliche Übersetzung des Wortes ratio (raison), noch ist das Wort Grundsatz die wörtliche Übersetzung des Wortes principium. Gerade dies gehört zum Rätselvollen des Satzes vom Grund als des principium rationis, daß der Satz und das Prinzip uns schon durch den bloßen Titel verwirren, ohne daß wir im geringsten dem Inhalt nachdenken. Das Rätselvolle liegt nicht in den Titeln, als ob wir mit diesen Wörtern ein leeres Spiel treiben könnten. Das
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Rätselvolle des Satzes vom Grund liegt darin, daß der zur Erörterung stehende Satz als der Satz, der er ist, Rang und Rolle eines Prinzips hat. Die Übersetzung des lateinischen principium durch das neugebildete Wort »Grundsatz« gelangt erst im Beginn des 18. Jahrhunderts in unseren Sprachgebrauch; nur ein unscheinbares Vorkommnis der Sprachgeschichte, so scheint es. Auch die uns geläufigen Worte wie »Absicht« für intentio, »Ausdruck« für expressio, »Gegenstand« für obiectum, »Dasein« für praesentia werden erst im 18. Jahrhundert gebildet. Wer möchte bestreiten, daß diese deutschen Wörter schön gewachsene Worte sind? Heute wächst bei uns nichts mehr. Warum? Weil die Möglichkeiten des denkenden Gesprächs mit einer uns erregenden, fördersamen Überlieferung fehlen, weil wir statt dessen unser Sprechen in die elektronischen Denk- und Rechenmaschinen hineinschicken, ein Vorgang, der die moderne Technik und Wissenschaft zu völlig neuen Verfahrensweisen und unabsehbaren Erfolgen führen wird, die vermutlich das besinnliche Denken als etwas Unnützes und darum Entbehrliches abdrängen. In der Bedeutung des lateinischen Wortes principium liegt unmittelbar nichts von dem, was unser Wort Grund-Satz sagt. Indessen gebrauchen wir sowohl in der Philosophie wie auch in den Wissenschaften die Titel principium, Prinzip und Grundsatz unterschiedslos in derselben Bedeutung. Dies gilt auch von dem aus dem Griechischen stammenden Titel Axiom. Man spricht von Axiomen der Geometrie. Euklid verzeichnet in seinen »Elementa« Gruppen von aÆjivÂmata. Ein Axiom ist für ihn z. B. der Satz: »Was dem Selben gleich ist, ist untereinander gleich.« Die griechischen Mathematiker verstanden die Axiomata nicht als Grundsätze. Was sie meinten, zeigt sich in der
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Umschreibung des Wortes. Die aÆjivÂmata sind koinaiÁ eÍnnoiai. Platon gebraucht das Wort gern; es besagt: Einblick, Einblick nehmen und zwar mit dem geistigen Auge. Die Umschreibung von aÆjivÂmata durch koinaiÁ eÍnnoiai übersetzt man gewöhnlich durch: »allgemein angenommene Vorstellungen«. Noch Leibniz hält sich in gewisser Weise an diese Auslegung dessen, was ein Axiom ist, freilich mit dem wesentlichen Unterschied, daß er das Axiom als Satz bestimmt: A x i o m a t a sunt [propositiones], quae ab omnibus pro manifestis habentur, und Leibniz fügt bei: et attente considerata ex terminis constant. (Couturat, op. cit. p. 32); »Axiome sind Sätze, die von allen für offenkundig gehalten werden und die – aufmerksam besehen – aus Grenzbegriffen bestehen«. Das principium rationis, der Grundsatz vom Grund, ist für Leibniz ein solches Axiom. Entscheidend ist zu beachten: Die Prinzipien und Axiome haben den Charakter von Sätzen. Sie sind oberste Sätze, insofern sie bei der Ableitung von Sätzen auseinander, in den Beweisen und Schlußfolgerungen auf irgendeine Weise obenan stehen. Schon Aristoteles kennt das, was in den Umkreis der Axiome gehört. Aber bis heute fehlt uns eine zureichende Aufhellung der tieferen Einsichten, die Aristoteles zwar nicht unmittelbar, aber mittelbar über das Wesen des Axioms entfaltet. Dies geschieht im Zusammenhang der bereits erwähnten Behandlung des Satzes vom Widerspruch (Met. G 3 sqq.). Was soll der Hinweis auf die Titel Axiom, Prinzip, Grundsatz? Er soll uns daran erinnern, daß sie in der Philosophie und in den Wissenschaften seit langem einer für den anderen gebraucht werden, trotzdem jeder von ihnen einem jeweils verschiedenen Vorstellungsbereich entstammt.a Indessen müssen sie doch, wenn auch in einer a
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abgeschliffenen Weise, das Selbe meinen, sonst könnte nicht einer den anderen in eine andere Sprache übersetzen. Das griechische aÆjiÂvma leitet sich her von aÆjioÂv, ich würdige etwas. Allein was besagt »etwas würdigen«? Wir Heutigen sind schnell bei der Hand und sagen: würdigen, d. h. etwas werten, in seinem Wert schätzen. Aber wir möchten wissen, was aÆjioyÄn als das griechisch verstandene Würdigen besagt. Wir müssen bedenken, was griechisch gedacht, würdigen heißen könnte; denn die Griechen kennen die Vorstellung des Wertens und den Begriff des Wertes nicht. Was heißt »etwas würdigen«, und zwar im Sinne des ursprünglichen griechischen Bezugs des Menschen zu dem, was ist? Würdigen heißt: etwas in dem Ansehen, darin es steht, zum Vorschein bringen und darin bewahren. Das Axiom zeigt jenes, was im höchsten Ansehen steht, und zwar steht nicht zufolge einer Schätzung, die vom Menschen ausgeht und durch diesen erteilt wird. Das im höchsten Ansehen Stehende bringt diese Ansicht aus ihm selber mit. Dieses Ansehen beruht in seinem eigenen Aussehen. Das von sich her im höchsten Ansehen Ste hende öffnet die Aussicht in jene Höhe, von deren Aussehen her alles andere jeweils sein Aussehen empfängt und sein Ansehen besitzt. Der verborgene Sinn dessen, wohin das griechisch gedachte Axiom verweist, ist an sich einfach. Für uns freilich ist dieser Sinn nur schwer zu fassen. Dies liegt vor allem daran, daß wir seit langem gewohnt sind, das Axiom im Sinne des Prinzips und des Grundsatzes zu verstehen, ein Verständnis, dem überdies die spätgriechische Auffassung der Axiome als Sätze selber Vorschub leistet. Allein auch das lateinische principium sagt unmittelbar wiederum nichts von dem, was im griechischen aÆjiÂvma spricht. Principium – id quod primum cepit, das, was erstlich gefaßt, gegriffen hat und also das Erste enthält und in solcher Weise das-
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jenige ist, was in der Rangordnung an erster Stelle steht. Im lateinischen principium verlautet wiederum nichts von dem, was das deutsche Wort Grund-Satz sagt. Wollten wir dieses Wort ins Griechische zurückübersetzen, dann müßte das griechische Wort für Grund-Satz yëpoÂûesiw lauten. Platon gebraucht dieses Wort in einem für sein ganzes Denken wesentlichen Sinne. Es bedeutet freilich nicht das, was unser Fremdwort Hypothese meint, eine Annahme, die noch nicht erwiesen ist. ëYpoÂûesiw bedeutet das, was anderem schon zu Grunde liegt und durch das andere hindurch immer schon zum Vorschein gekommen ist, auch wenn wir Menschen es nicht sogleich und nicht immer eigens bemerken. Falls es gelänge, unser deutsches Wort Grund-Satz als reines wörtliches Echo des platonischen Wortes yëpo – ûesiw zu hören, dann käme in den Titel Grundsatz ein anderer Ton und anderes Gewicht. Unsere Erörterung des Grundsatzes vom Grund käme dadurch im Nu auf einen anderen Grund und Boden. [ûeÂsiw muß in Platons yëpoÂûesiw allerdings im griechischen Sinne gedacht werden; vgl. Holzwege, 1950, S. 49* und Vorträge und Aufsätze, 1954, S. 28, 49**.]
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ihil est sine ratione. Nichts ist ohne Grund – sagt der Satz vom Grund. Nichts, also auch nicht dieser Satz vom Grund, er fürwahr am wenigsten. Es sei denn, gerade der Satz vom Grund und das, wovon er sagt, und dieses Sagen selber gehörten nicht in den Geltungsbereich des Satzes vom Grund. Dies zu denken, bleibt eine arge Zumutung. Sie meint, kurz gesagt: Der Satz vom Grund ist ohne Grund. Noch deutlicher gesprochen: »Nichts ohne Grund« – dies, also etwas, ohne Grund. Verhält es sich so, dann erscheint vor uns ein Sachverhalt, der aufs äußerste befremdet, aber nur für einen Augenblick; denn wir wissen in solchen Fällen einen Ausweg. Welcher Fall liegt vor? »Nichts ohne Grund« – selber grundlos – das ist ein offenkundiger Widerspruch. Was jedoch in sich widersprechend ist, kann nicht sein. Dies sagt der Grundsatz vom Widerspruch. Er lautet kurz gefaßt: esse non potest, quod implicat contradictionem; was einen Widerspruch in sich schließt, kann nicht sein. Wann und wo immer wir zu dem gelangen wollen, was sein kann und wirklich ist, müssen wir die Widersprüche vermeiden, d. h. den Grundsatz vom Widerspruch befolgen. Darum sieht es jede Bemühung um ein gesichertes Wissen von dem, was ist, darauf ab, Widersprüche nicht nur zu vermeiden, sondern vorliegende Widersprüche durch geeignete neue Annahmen aufzulösen. Die Wissenschaften trachten darnach, die je und je in den
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Theorien auftretenden Widersprüche und die in den beobachteten Tatbeständen auftauchenden Widerstreite schrittweise zu beseitigen. Dieser Stil des Vorstellens bestimmt die Leidenschaft der modernen Wissenschaft. Der Grundsatz des Widerspruchs, sein Anspruch auf unbedingte Befolgung, ist der geheime Stachel, der die moderne Wissenschaft antreibt. Wie steht es aber in unserem Fall, den wir auf die Formel bringen können: Der oberste Grundsatz vom Grund ist grundlos? Der Grundsatz vom Widerspruch verwehrt es uns, dergleichen zu denken. Allein dürfen wir in diesem Fall, wo es sich um die Erörterung des obersten Grundsatzes handelt, einen anderen Grundsatz, den des Widerspruchs, unbedacht als maßgebenden Grund-Satz beiziehen? Wie ist es mit der Geltung des Grundsatzes vom Widerspruch bestellt? Können wir ihn als Grundsatz ansetzen, ohne zu erörtern, was ein Grund ist und was ein Satz? Die ständige Berufung auf den Satz vom Widerspruch mag für die Wissenschaften die einleuchtendste Sache von der Welt sein. Wer aber die Geschichte des Satzes vom Widerspruch kennt, muß zugestehen, daß schon die Deutung seines Inhalts eine fragwürdige Sache bleibt. Außerdem und vor allem gibt es seit bald hundertfünfzig Jahren die »Wissenschaft der Logik« von Hegel. Sie zeigt: Widerspruch und Widerstreit sind kein Grund dagegen, daß etwas wirklich ist. Der Widerspruch ist vielmehr das innere Leben der Wirklichkeit des Wirklichen. Diese Deutung von Wesen und Wirken des Widerspruchs ist das Kernstück der Metaphysik Hegels. Seit Hegels »Logik« ist es keineswegs mehr unmittelbar gewiß, daß, wo ein Widerspruch vorliegt, das Sichwidersprechende nicht doch wirklich sein könnte. So bleibt es denn im Felde unserer Überlegungen über den Grundsatz vom Grund ein in mehrfa-
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cher Hinsicht übereiltes Vorgehen, wenn wir uns kurzerhand, ohne Besinnung auf den Satz vom Widerspruch berufen und erklären: Der Satz vom Grund – ohne Grund, dies widerspricht sich selbst und ist deshalb unmöglich. Freilich – wie sollen wir uns aber diesen Sachverhalt vorstellen: der Satz vom Grund ohne Grund? So bald wir nämlich etwas vorstellen, stellen wir es als dies und als jenes vor. Mit diesem »als dies, als jenes« bringen wir das Vorgestellte irgendwo unter, legen es dort gleichsam nieder, bringen es auf einen Grund. Unser Vorstellen nimmt überall die Zuflucht zu einem Grund. Der Satz vom Grund ohne Grund – dies gilt uns als unvorstellbar. Aber das Unvorstellbare ist keineswegs auch schon undenkbar, gesetzt, daß sich das Denken nicht im Vorstellen erschöpft. Bleiben wir jedoch dabei, daß der Satz vom Grund, und er vor allem anderen, einen Grund habe, dann steht die Frage vor uns: Welches ist der Grund des Satzes vom Grund, von welcher Art ist dieser gewiß seltsame Grund? Der Satz vom Grund gilt als Grundsatz. Wir behaupten sogar, er sei der oberste Grundsatz: der Grund aller Sätze und d. h. des Satzes als solchen. In dieser Behauptung liegt: Der Satz vom Grund, d. h. das, wovon er sagt, ist der Grund dessen, was der Satz ist, was das Aussagen ist, dessen, was das Sagen als solches ist. Das, wovon der Satz vom Grund spricht, ist der Grund des Wesens der Sprache. Ein weitläufiger Gedanke. Darum müssen wir, um ihm zu folgen, beim Nächstliegenden beginnen. Wäre der Satz vom Grund der oberste aller Sätze, dann wäre er zugleich und in jedem Fall der Grund des Satzes. Der Satz des Grundes ist der Grund des Satzes. Wir geraten hier in einen Wirbel. Gelangen wir wirklich schon in diesen Wirbel? Oder stellen wir nur von außen her fest: dies, der Satz des Grundes als Grund des Satzes, nimmt sich wie ein Wirbel aus? Es
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wäre erfreulich und förderlich, wenn wir so rasch in den Wirbel gelangen könnten und gar in seinen Kern. Denn im Kernbereich eines Wirbelsturmes soll, wie man sagen hört, Stille herrschen. Doch vorerst ist uns die Gegend des Satzes vom Grund nicht vertraut und der Gang in diese Gegend ebensowenig. Wir bemerken: Gang und Gegend liegen im Schatten, und das Licht dazu ist gering. Es besteht nur darin, daß man sagt, der Satz vom Grund sei ein einleuchtender Satz. Dies, daß solche Sätze unmittelbar einleuchten, gilt allenthalben von den Grundsätzen, die auch Prinzipien heißen oder Axiome. Zuletzt zeigte sich, daß diese glatte Art, gleichsam obenweg aus dem Ärmel in der gleichen eingeebneten Bedeutung von Axiomata, Principia und Grundsätzen zu reden, doch bedenklich ist. Denn die drei Titel, das griechische Wort aÆjiÂvma, das lateinische Wort principium, das deutsche Wort Grundsatz sprechen aus ganz verschiedenen Vorstellungsbereichen. Hinter dieser, dem Anschein nach harmlosen Verschiedenheit von Wortbedeutungen verbirgt sich der Grundzug der Geschichte des abendländischen Denkens: die Geschichte, nicht als vergangenes, sondern die Geschichte als noch währendes, uns heute, wie kaum je, bestimmendes Geschick. Inzwischen hat man sich seit Jahrhunderten auf eine abgeschliffene Rede- und Denkweise geeinigt. Axiome sind die vor allen gewürdigten obersten Grundsätze im Hinblick auf andere, unter ihnen stehende Sätze. Man achtet nicht darauf, inwiefern und in welchem Sinne die Axiome in sich Würdigungen sind, die ohne Rücksicht auf abgeleitete Sätze etwas würdigen, d. h. griechisch: etwas in seinem Ansehen stehen lassen und verwahren. Die principia sind solches, was an erster Stelle steht, in der vordersten Reihe. Die principia sind auf eine Reihung und Ordnung bezogen.
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Die »Grund-Sätze« sagen es schon durch ihren Namen, daß der Ordnungsbezirk, um den es sich nach der geläufigen Meinung bei den Axiomen und Prinzipien handelt, der Bezirk von Sätzen ist. Wir halten dies für selbstverständlich und denken nichts dabei. Allein aus dieser satzmäßigen Auffassung der Axiome hat sich in neuester Zeit eine Vorstellung von den Axiomen entfaltet, nach der die Rolle der Axiome darin aufgeht, daß sie als Annahmen und Festsetzungen den Aufbau eines widerspruchs freien Systems von Sätzen sicherstellen. Der axiomatische Charakter der Axiome besteht ausschließlich in dieser Rolle der Ausschaltung von Widersprüchen und der Sicherung gegen sie. Was ein Axiom, für sich genommen, noch aussagen könnte, bleibt ohne gegenständliche Bedeutung. Die in solchem Sinne gegenstandslose axiomatische Form des wissenschaftlichen Denkens steht heute vor unabsehbaren Möglichkeiten. Dieses axiomatische Denken ist bereits dabei, ohne daß wir dies merken und in seiner Tragweite durchschauen, das Denken des Menschen so zu verändern, daß es sich dem Wesen der modernen Technik anpaßt. Wer diesem Vorgang nachsinnt, wird alsbald erkennen, daß die oft gehörte Rede von der Meisterung der Technik durch den Menschen einer Vorstellungsweise entstammt, die sich nur noch in den Randbezirken dessen bewegt, was jetzt ist. An der Oberfläche bleibt auch die Feststellung, der heutige Mensch sei zum Sklaven der Maschinen und Apparaturen geworden. Denn eines ist es, dergleichen festzustellen; ein ganz anderes aber wird es, dem nachzudenken, inwiefern der Mensch dieses Zeitalters nicht nur der Technik unterworfen ist, sondern inwiefern er dem Wesen der Technik entsprechen muß, inwiefern sich in dieser Entsprechung ursprünglichere Möglichkeiten eines freien Daseins des Menschen ankündigen. Die technisch-wissen-
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schaftliche Weltkonstruktion entfaltet ihre eigenen Ansprüche auf die Gestaltung aller Bestände, die in einer solchen Welt an ihr Licht drängen. Darum hat im Bereich dieser technisch-wissenschaftlichen Weltkonstruktion das, was man mit einem ungemäßen Titel »abstrakte Kunst« nennt, seine legitime Funktion. Ich gebrauche für diese Bemerkung mit Absicht planetarisch verständliche Fremdwörter. Wenn wir jetzt auf den eingeebneten Gebrauch der Axiome, Prinzipien und Grundsätze hinweisen und dabei beachten, daß dieser Gebrauch im Dienste der axiomatischen Sicherung des rechnenden Denkens steht, dann bewegen wir uns auf eine Besinnung zu, in der sich einiges entscheiden muß. Es wäre kurzsichtig und anmaßend zugleich, wollten wir das moderne axiomatische Denken abschätzig beurteilen. Es bliebe aber auch eine kindliche und rührende Vorstellung, wollten wir meinen, dieses moderne Denken ließe sich auf seinen großen und freien Ursprung im Denken der Griechen zurückbiegen. Der allein fruchtbare Weg führt durch das moderne axiomatische Vorstellen und dessen verborgene Gründe hindurch. Vorerst bleibt es bei der geläufigen Vorstellung von den Axiomen, Prinzipien, Grundsätzen und ihrer Rolle. Wir besinnen uns darauf, wie wir uns zu den obersten Grundsätzen verhalten. Es zeigt sich: wir befolgen sie ohne Besinnung. Wir machen uns durchaus keine Gedanken darüber, wo es dergleichen wie Axiome, Prinzipien und Grundsätze gibt, wo sie hausen, woher sie stammen. Prinzipien – das scheint eine Sache der Vernunft zu sein und die Grundsätze solches, was unseren Verstand angeht, solches, was wir mit uns im Kopf herumtragen. Überdies zeigen die Formeln dieser Grundsätze zwar deren anscheinend allgemeine Geltung,
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aber die Sätze bleiben auch hohl, solange wir es nicht vermögen, ihren Gehalt aus der Wesensfülle dessen zu denken, wovon sie sagen. Wovon sagt der Grundsatz des Grundes? Wohin gehört er? Woher spricht er? Diese Fragen sind nicht ganz abwegig, obgleich sie den Anschein erwecken, als könnte ihre Erörterung wenig zur Förderung der Wissenschaften beitragen, als müßte ihre Erörterung sogar die Philosophie dazu verleiten, an den drängenden Nöten des gegenwärtigen Zeitalters vorbeizudenken. Solche Befürchtungen sind berechtigt. Darum sei, bevor wir eine Erörterung des Satzes vom Grund versuchen, eine letzte derjenigen Kennzeichnungen gegeben, die sich gleichsam nur außen um den Satz herumbewegen. Das Folgende soll noch deutlicher machen, wo wir stehen und gehen, falls wir uns anschicken, den Satz vom Grund zu erörtern. Leibniz nennt den Satz vom Grund ein principium grande, ein großmächtiges Prinzip. Was diese Auszeichnung meint, könnte in seiner vollen Tragweite erst klar werden, wenn wir bereits imstand wären, uns mit Leibniz in ein denkendes Gespräch zu bringen. Dies bleibt uns aber so lang verwehrt, als uns keine zureichende Erörterung des Satzes vom Grund zu Gebote steht. Das erste und zwar metaphysische Gespräch mit Leibniz hat Schelling eingeleitet, es erstreckt sich bis in Nietzsches Lehre vom Willen zur Macht. Allein das Großmächtige des Satzes vom Grund geht uns auch dann schon auf, wenn wir nur eine Fassung des principium rationis beachten, die sich öfter bei Leibniz findet. Er sagt: nihil est sine ratione seu nullus effectus sine causa. »Nichts ist ohne Grund oder keine Wirkung ohne
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Ursache.« Man nennt den Satz »keine Wirkung ohne Ursache« auch das Prinzip der Kausalität. Leibniz setzt in der soeben angeführten Formel das Prinzip des Grundes und das Prinzip der Kausalität durch das sive (oder) offensichtlich einander gleich. Man ist versucht, diese Gleichsetzung zu bemängeln, indem man zu bedenken gibt: Jede Ursache ist zwar eine Art von Grund, aber nicht jeder Grund zeigt den Charakter der Ursache, die einen Effekt zur Folge hat. Denken wir z. B. an das angeführte Axiom aus den Elementa des Euklid: »Was dem Selben gleich ist, ist untereinander gleich.« Dieses Axiom kann in der Rolle des Obersatzes eines Schlusses als der Grund dienen. Diesem Grund zufolge stellen sich zwei bestimmte Größen als einander gleiche heraus. Allein das Axiom bewirkt nicht, daß die beiden bestimmten Größen erst einander gleich werden, so wie ein Regen bewirkt, daß das Dach eines Hauses naß wird. Grund und Folge sind nicht das gleiche wie Ursache und Wirkung. Diese Bemerkungen sind in gewisser Hinsicht richtig. Aber man scheut sich, Leibniz darüber zu belehren. Eine solche Belehrung wäre sogar geeignet, uns den Weg in das Eigentümliche des leibnizischen Denkens zu versperren. Wir lassen darum die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Satz vom Grund und dem Prinzip der Kausalität offen. Soviel wird deutlich: Das Kausalitätsprinzip gehört in den Machtbereich des Prinzips des Grundes. Besteht nun also das Großmächtige des Satzes vom Grund darin, daß er auch das Kausalitätsprinzip einschließt? Mit dem Hinweis auf diesen Einschluß, der oft wie eine Gleichsetzung beider Prinzipien aussieht, haben wir, wenn es hoch kommt, nur den Umfang des Machtbezirkes des großmächtigen Prinzips bestimmt. Wir möchten aber wissen, worin die Macht des großmächtigen Prinzips besteht. Wir möchten das er-
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blicken, was in diesem Prinzip eigentlich machtet und wie es machtet. Bisher wurde immer nur von einer Fassung des Satzes vom Grund gesprochen, die wir die kurze Fassung nannten. Die kurze Fassung ist eine verkürzte im Vergleich zu derjenigen, die für Leibniz als die echte und strenge und darum allein maßgebende gilt. Leibniz schreibt in einer späten Abhandlung (Specimen inventorum, Philos. Schriften ed. Gerhardt VII, 309): duo sunt prima principia omnium ratiocinationum, Principium nempe contradictionis […] et principium reddendae rationis; »es gibt zwei oberste Prinzipien für alle Beweisgänge, das Prinzip – versteht sich – des Widerspruchs und das Prinzip reddendae rationis«.* Dieses an zweiter Stelle genannte Prinzip sagt, quod omnis veritatis reddi ratio potest (ib.), »daß für jede Wahrheit (d. h. nach Leibniz für jeden wahren Satz) der Grund erstattet werden kann«. Das principium rationis ist für Leibniz, streng gedacht, das principium reddendae rationis. Rationem reddere heißt: den Grund zurückgeben. Weshalb zurück und wohin zurück? Weil es sich in den Beweisgängen, allgemein gesprochen im Erkennen, um das Vorstellen der Gegenstände handelt, kommt dieses »zurück« ins Spiel. Die lateinische Sprache der Philosophie sagt es deutlicher: das Vorstellen ist re-praesentatio. Das Begegnende wird auf das vorstellende Ich zu, auf es zurück und ihm entgegen praesentiert, in eine Gegenwart gestellt. Gemäß dem principium reddendae rationis muß das Vorstellen, wenn es ein erkennendes sein soll, den Grund des Begegnenden auf das Vorstellen zu und d. h. ihm zurückgeben (reddere). Im erkennenden Vorstellen wird dem erkennenden Ich der Grund zu-gestellt. Dies verlangt das principium rationis. Der Satz vom Grund ist darum für Leibniz der Grundsatz des zuzustellenden Grundes.
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Leibniz vermerkt zu der Bestimmung des principium rationis als principium reddendae rationis dies: vel ut vulgo ajunt, quod nihil fit sine causa; »oder wie man gewöhnlich sagt, daß nichts ohne Ursache geschieht«. Leibniz hebt die vulgäre Fassung des principium rationis gegen die philosophisch denkende ab. Aus der angeführten und aus ähnlichen Stellen zeigt sich: Die strenge Fassung des Satzes vom Grund wird nur dann erreicht, wenn der Satz als Grundsatz des Beweisens, d. h. im weiteren Sinne als Grundsatz des Aussagens vorgestellt wird. Duobus utor in demonstrando principiis (ib. VII, 199); »Zwei Prinzipien gebrauche ich beim Beweisen«. Leibniz meint den Satz vom Widerspruch und den Satz vom Grund. Für Leibniz ist der Satz vom Grund ein Prinzip für Sätze und Aussagen, in erster Linie für diejenigen des philosophischen und wissenschaftlichen Erkennens. Der Satz vom Grund ist der Grundsatz der jederzeit möglichen und notwendigen Zustellung des Grundes für einen wahren Satz. Der Satz vom Grund ist der Grundsatz der notwendigen Begründung von Sätzen. Das Großmächtige des Prin zips besteht darin, daß es alles Erkennen, das sich in Sätzen aussagt, durchherrscht, leitet und trägt. Nun enthält aber die strenge Fassung des principium rationis als principium reddendae rationis offenkundig eine Einschränkung. In dem Titel principium reddendae rationis ist zu ergänzen: cognitioni: das Prinzip des Grundes, insofern dieser dem Erkennen zurückgegeben werden muß, damit dieses ein begründetes und so ein wahres sei. Das principium reddendae rationis betrifft somit nur das Erkennen, nicht aber, so will es scheinen, jegliches, was irgendwie sonst noch ist. Bleibt die Geltung des principium reddendae rationis auf das Erkennen beschränkt? Dem steht entgegen, daß das principium rationis in seiner ge-
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wöhnlichen Fassung von jeglichem gilt, was auf irgendeine Weise ist. Allein das principium rationis ist in der Form des principium reddendae rationis ganz und gar keine Einschränkung des Prinzips auf das Erkennen. Es liegt viel daran, dies von Anfang an klar zu sehen. Denn nur aus dieser Einsicht verstehen wir ganz, in welchem Sinne das principium rationis das principium grande, das großmächtige Prinzip ist. Erst wenn wir diesen Sinn erfaßt haben, erblikken wir deutlicher, was das Machtende im Satz vom Grund ist. Das Erkennen gilt als eine Art des Vorstellens. In diesem Stellen kommt etwas, was uns begegnet, zum Stehen, zum Stand. Das im Vorstellen zum Stand gebrachte Begegnende ist der Gegenstand. Für Leibniz und alles neuzeitliche Denken beruht die Weise, wie das Seiende »ist«, in der Gegenständigkeit der Gegenstände. Zur Gegenständigkeit des Gegenstandes für das Vorstellen gehört die Vorgestelltheit der Gegenstände. Nun sagt aber das principium rationis als principium reddendae rationis: Dieses Vorstellen und sein Vorgestelltes, d. h. der Gegenstand in seinem Gegenstehen, muß ein begründetes sein. Das Gegenstehen des Gegenstandes macht jedoch die Weise aus, wie der Gegenstand als solcher steht, d. h. ist. Die strenge Fassung des principium rationis als principium reddendae rationis ist somit keine Einschränkung des Satzes vom Grund, vielmehr gilt das principium reddendae rationis von allem, was Gegenstand, d. h. was im bezeichneten Sinne »ist«. Die strenge Fassung des principium rationis als principium reddendae rationis enthält demnach eine bestimmt gerichtete und entscheidende Auslegung dessen, was der uneingeschränkte Satz vom Grund sagt: Nichts ist ohne Grund. Dies sagt jetzt:
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Etwas »ist« nur, d. h. ist als Seiendes ausgewiesen, wenn es in einem Satz ausgesagt ist, der dem Grundsatz des Grundes als dem Grundsatz der Begründung genügt. Das Großmächtige des Satzes vom Grund entfaltet darin seine Macht, daß das principium reddendae rationis – dem Anschein nach nur ein Prinzip des Erkennens – zugleich und gerade als Grundsatz des Erkennens das Prinzip wird für jegliches, was ist. Leibniz konnte den schon seit Jahrhunderten befolgten, weil immer anklingenden Satz vom Grund eigens entdekken, weil er das principium rationis als principium reddendae rationis aussprechen mußte; »mußte« sagen wir und meinen freilich nicht einen unwiderstehlichen blinden Zwang, unter dem Leibniz stand. Wir meinen die Freiheit, mit der Leibniz zu seiner Zeit im schon anklingenden Spruch des Satzes vom Grund den entscheidenden Anspruch heraushörte und ihn – im wörtlichen Sinne – zur Sprache brachte, in der sich der Inhalt des als Grundsatz noch ungesetzten Satzes ausspricht. Dessen Anspruch spricht in dem Wort reddere, zurückgeben, herbeibringen, zu-stellen. Wir sprechen von der Zustellung der Post. Die ratio ist ratio reddenda. Dies sagt: Der Grund ist solches, was dem vorstellenden, denkenden Menschen zugestellt werden muß. Das Große und Bleibende im Denken der Denker besteht nur darin, das, was immer schon anklingt, eigens ins Wort zu bringen. Füglich und gänzlich zeigt sich das Bewegende im Denken von Leibniz in der Einfügung eines einzigen, überdies geläufigen Wortes: Das principium rationis ist das principium reddendae rationis. Das reddendum, der Anspruch auf die Zustellung des Grundes ist das, was im Satz vom Grund als dem großmächtigen Prinzip machtet. Das reddendum, der Anspruch auf die Zustellung des Grundes, spricht jetzt unabdingbar und unablässig
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durch die Neuzeit hindurch und über uns Heutige hinweg. Das reddendum, der Anspruch auf die Zustellung des Grundes, hat sich jetzt zwischen den denkenden Menschen und seine Welt geschoben, um sich des menschlichen Vorstellens auf eine neue Weise zu bemächtigen. Haben wir, die wir jetzt hier sind, dieses Machtende des großmächtigen Satzes vom Grund schon gespürt, gar eigens erfahren und vollends hinreichend bedacht? Wenn wir uns nichts vormachen, müssen wir alle gestehen: nein. Alle, sage ich, auch diejenigen, die sich hin und wieder schon Gedanken über das »Wesen des Grundes«* gemacht haben. Wie steht es? Wir betreiben das Studium der Wissenschaften mit größtem Eifer. Wir lernen ihre Gebiete bis in die abgelegenen Ecken und winzigen Winkel kennen. Wir üben uns in den Verfahrensweisen der Wissenschaften. Wir hören sogar über die einzelnen Fächer hinaus und merken auf das Ganze der Wissenschaften. Wir lassen uns erzählen, daß die Reiche der Natur und der Geschichte durchaus nicht so weit und hart voneinander getrennt sind, wie dies nach der Einrichtung getrennter Fakultäten scheinen möchte. Überall ist im Studium der Wissenschaften ein regsamer, erfreulicher Geist am Werk. Aber wenn wir uns für einen Augenblick auf die vorhin gestellte Frage besinnen, müssen wir sagen, daß wir in allem Bemühen um die Wissenschaften noch nirgends und nie auf den Satz vom Grund gestoßen sind. Und dennoch – ohne dieses großmächtige Prinzip gäbe es keine moderne Wissenschaft, ohne eine solche Wissenschaft gäbe es nicht die heutige Universität. Diese gründet auf dem Satz vom Grund. Wie sollen wir uns dies vorstellen: Die Universität auf einen Satz gegründet? Dürfen wir eine solche Behauptung wagen?
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ir vernehmen den Satz vom Grund: Nihil est sine ratione. Nichts ist ohne Grund. Kaum vernommen, ist der Satz von uns auch schon angenommen. Denn wir finden unmittelbar nichts, was gegen den Satz sprechen könnte. Wir finden aber zunächst auch nichts, was dafür spräche, dem Satz auf eine besondere Weise nachzudenken. So gehört denn der Satz unter das viele Selbstverständliche und Gleichgültige, durch das wir täglich hindurchgehen. Darum meinen wir auch, der Satz müßte immer schon bekannt gewesen sein. Das trifft in gewisser Weise zu. Inwiefern der Satz vom Grund nicht nur tatsächlich immer schon anklingt, sondern notwendig und in welchem Sinne von Notwendigkeit, werden wir alsbald deutlicher erfahren. Indessen mußten wir uns schon am Beginn unseres Weges darüber belehren lassen, daß der Satz vom Grund als Satz erst von Leibniz im 17. Jahrhundert entdeckt wurde. Man ist geneigt zu sagen, der Geist des 17. Jahrhunderts habe zur Entdeckung des Satzes vom Grund als eines Prinzips geführt. Man kann aber mit dem gleichen Recht sagen, die Entdeckung des principium rationis als eines der ersten Axiome alles Vorstellens und Verhaltens habe erst den Geist des 17. Jahrhunderts und der ihm folgenden Jahrhunderte bis zu uns und über uns hinweg geprägt. Vielleicht sind beide Meinungen richtig. Doch keine von beiden genügt der ruhigen Umsicht, deren es hier
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bedarf, um die Geschichte zu durchschauen, die im langen Ausbleiben und jähen Hervorkommen des Satzes vom Grund waltet. Jedenfalls steht fest, daß der Entdecker des Satzes vom Grund als eines Grundsatzes, Leibniz selbst, das principium rationis mit der Auszeichnung des principium grande, des großmächtigen Prinzips, belegt hat. Wir sind dabei, in den Grenzen einer vorbereitenden Besinnung zu klären, inwiefern der Satz vom Grund das großmächtige Prinzip ist. Nach welcher Hinsicht müssen wir die Großmächtigkeit verstehen? Der Sinn des Großmächtigen wäre sogleich allzusehr eingeschränkt, wollten wir das Großmächtige des principium rationis nur auf die Rolle beziehen, die ihm innerhalb der Philosophie von Leibniz zukommt, die wie jede neuzeitliche Philosophie den Charakter des Systems hat, auch dann, wenn dieses nicht als ein fertiges Gedankengebäude dasteht. Der Satz vom Grund ist nur deshalb ein maßgebendes Prinzip innerhalb des leibnizischen Systems, weil dieses Prinzip sich auf alles bezieht, was ist. Denn in der Fassung, die Leibniz selber die vulgäre nennt, lautet es: nihil fit sine causa. Nichts geschieht, d. h. nichts wird zu etwas Seiendem ohne Ursache. Die vulgäre Fassung des Satzes vom Grund ist nicht falsch, sie ist jedoch im Sinne von Leibniz ungenau. Das principium rationis, das von allem gilt, was irgendwie ist, durchwaltet nicht nur den Bereich der Naturvorgänge, sondern auch den Bereich, den wir heute »die Geschichte« nennen. Mehr noch: Natur und Geschichte gehören in das Wesensganze des Seienden, das Leibniz im Anklang an den frühesten Sprachgebrauch des abendländischen Denkens »Natura« nennt. Das Wort ist groß geschrieben. Eine der tiefsten unter den schweren späten Abhandlungen von Leibniz beginnt also (Gerhardt VII, 289 ff.)*: Ratio est in Natura, cur aliquid potius existat
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quam nihil – »Grund ist in der Natur, warum etwas vielmehr existiert als nichts«. »Natur« ist hier nicht als ein Bezirk des Seienden im Unterschied zu einem anderen gemeint. »Natur« ist jetzt genannt in dem Sinne, den wir denken, wenn wir von der Natur der Dinge sprechen: Natura, quam rebus tribuere solemus (Gerhardt IV, 504)*; »die Natur, die wir den Dingen zuzuteilen, zuzusprechen pflegen«. Grundartiges ist in der so verstandenen Natur der Dinge, warum vielmehr etwas existiert als nichts. Das erste und entscheidende Wort der Abhandlung, nämlich Ratio, ist im Manuscript unterstrichen. Leibniz sagt dann in einem der folgenden Sätze: Ea ratio debet esse in aliquo Ente Reali seu causa. »Dieser Grund (in der ›Natur‹ der Dinge, demgemäß sie nämlich die Neigung haben, eher zu existieren als nicht zu existieren) muß in einem irgendwie Wirklichen Seienden sein oder in seiner Ursache.« Es muß eine erste Ursache existieren. Dieses Existierende wird im folgenden Satz die ultima ratio Rerum genannt, der äußerste (höchste) seiende Grund aller Dinge. Leibniz fügt hinzu: et (nämlich illud Ens necessarium) uno vocabulo solet appellari DEUS, »und (jenes notwendig als der höchste Grund Seiende) pflegt mit einem Wort Gott genannt zu werden«.** Das Wesensganze des Seienden bis zur prima causa, zu Gott, ist vom principium rationis durchwaltet. Der Geltungsbereich des Satzes vom Grund umfängt alles Seiende bis zu seiner ersten seienden Ursache, diese mit eingeschlossen. Durch diesen Hinweis wird das Großmächtige des principium rationis deutlicher. Aber so genommen, zeigt es doch erst nur den Umfang seines Geltungsbereichs. Wir fragen jedoch nach dem, was im großmächtigen Prinzip das Machtende ist. Dieses Machtende erblicken wir dann, wenn wir uns an diejenige Fassung des principium
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rationis halten, die Leibniz gegenüber der vulgären für die strenge und allein maßgebende hält. Diese strenge Fassung des principium rationis kommt in dem entsprechend genaueren Titel zum Vorschein. Er lautet: principium reddendae rationis: der Grundsatz des zurückzugebenden Grundes. Dies sagt: Nach dem Satz vom Grund ist der Grund nicht irgendwo und nicht irgendwie im Unbestimmten und Gleichgültigen vorhanden. Der Grund als solcher verlangt es, als Grund zurückgegeben zu werden –, zurück (re) nämlich in der Richtung auf das re-präsentierende, d. h. vorstellende Subjekt und durch dieses für es. Der Grund verlangt, überall so zum Vorschein zu kommen, daß alles im Bereich dieses Anspruches als eine Folge erscheint und d. h. als Konsequenz vorgestellt werden muß. Nur das, was sich unserem Vorstellen so darstellt, uns so be-gegnet, daß es auf seinen Grund gesetzt und gestellt ist, gilt als sicher Stehendes, d. h. als Gegenstand. Nur das so Stehende ist solches, von dem wir in Gewißheit sagen können: es ist. Nur das in einem begründeten Vorstellen zum Stehen Gebrachte kann als Seiendes gelten. Begründend aber ist ein Vorstellen dann, wenn jeweils der Grund als begründender dem vorstellenden Subjekt zugestellt wird. Insofern dieses geschieht und nur insofern, genügt das Vorstellen dem Anspruch auf Begründung. Dieser Anspruch aber spricht im Grund selber, insofern er als solcher die Zu-stellung in allem Vorstellen verlangt. Das Machtende im Satz vom Grund ist der Anspruch auf Zustellung des Grundes. Dieser Anspruch, das reddendum, durchmachtet alles menschliche Vorstellen. Allein das principium reddendae rationis ist darum gleichwohl nicht ein bloßes Prinzip des Erkennens. Weil vielmehr nach dem Leitgedanken der neuzeitlichen Philosophie etwas nur »ist«, insofern ein be-
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gründetes Vorstellen es für sich als seinen Gegenstand sichergestellt hat, bleibt das principium reddendae rationis der oberste Grundsatz nicht nur des Erkennens, sondern zugleich der Gegenstände des Erkennens. Alles was ist, ist infolge von …, ist selber Folge eines Grundes und d. h., es ist infolge und gemäß dem Anspruch auf Zustellung eines Grundes, welcher Anspruch im Satz vom Grund als dem principium reddendae rationis spricht. Das Gesagte läßt sich verdeutlichen und zugleich eindeutig belegen, wenn wir die angeführten Sätze von Leibniz in der umgekehrten Richtung zu dem zurückverfolgen, worin sie nach der eigenen Aussage von Leibniz gründen. Als die ultima ratio der Natura, als der äußerste, höchste und d. h. erste seiende Grund für die Natur der Dinge ist das zu setzen, was man Gott zu nennen pflegt. In der Natur der Dinge ist ein Grund dafür, daß eher etwas ist, als daß nichts ist. Der Grund heißt Gott als die erste seiende Ursache alles Seienden. Doch weshalb gilt der Satz, es müsse ein Grund sein, daß eher etwas ist, als daß nichts ist? Mit diesem Satz beginnt Leibniz seine Abhandlung. Der Wortlaut des Satzes sei wiederholt: Ratio est in Natura, cur aliquid potius existat quam nihil. »Grund ist in der Natur der Dinge, warum viel eher etwas existiert als nichts.« Dieser an die Spitze gerückte Satz ist nun aber selbst schon eine Folge, nämlich eine Folge des Satzes vom Grund. Unmittelbar im Anschluß an den vorgenannten Satz fährt Leibniz im Text fort: Id consequens est magni illius principii, quod nihil fiat sine ratione. »Dies – nämlich was der erste Satz sagt – , ist consequens, eine Folge jenes principium magnum, jenes großen Grundsatzes, der sagt, nichts werde, d. h. nichts gelange ins Sein ohne Grund.«* Ins äußerste gesprochen, heißt dies: Nur insofern der Satz vom Grund gilt, existiert Gott. Man fragt sogleich
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zurück: Inwiefern gilt jedoch der Satz vom Grund? Wenn der Satz vom Grund das großmachtende Prinzip ist, dann liegt in seinem Machten eine Art von Wirken. In der Tat spricht Leibniz in der genannten Abhandlung (n. 2)* davon, daß den obersten Sätzen ein Wirken, ein efficere zukommt. Alles Wirken verlangt jedoch (nach dem Satz vom Grund) eine Ursache. Die erste Ursache aber ist Gott. Also gilt der Satz vom Grund nur, insofern Gott existiert. Allein Gott existiert nur, insofern der Satz vom Grund gilt. Solches Denken bewegt sich im Kreis. Wir würden allerdings weit außerhalb des leibnizischen Denkens bleiben, wollten wir meinen, Leibniz habe sich bei dem Zirkelverhältnis beruhigt, das man leicht vorweisen oder gar als fehlerhaft ausgeben kann. Niemand von uns allen hier darf sich einbilden, die angeführten Sätze von Leibniz schon bis ins Letzte verstanden zu haben. Worauf es jetzt zunächst und allein ankommt, bleibt die Einsicht: Der Satz vom Grund ist insofern das alles durchmachtende Prinzip, als der Grund nach der strengen Fassung des Grundsatzes beansprucht, daß jegliches, was ist, ist infolge von, d. h. durch die eigens vollzogene Erfüllung des Anspruches des Grundes. Es gilt künftighin im Auge zu behalten, daß in der ersten strengen Fassung des Satzes vom Grund der Anspruchscharakter des Grundes zum Vorschein kommt. Das principium reddendae rationis verlangt, daß alles Vorstellen der Gegenstände ein sich begründendes sei und in einem damit der Gegenstand selbst jeweils ein begründeter, d. h. sichergestellter. Als die ausgezeichnete Weise des begründenden Vorstellens der Gegenstände versteht sich nun aber die neuzeitliche Wissenschaft. Sie ruht demnach auf dem Grundsatz des zuzustellenden Grundes. Ohne die neuzeitliche Wis-
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senschaft keine moderne Universität. Wenn wir uns hier als zugehörig zur Universität wissen, dann bewegen wir uns auf dem Boden, auf dem die Universität selber ruht. Das ist der Satz vom Grund. Das Erstaunliche bleibt jedoch, daß wir hier dem Satz vom Grund noch nie begegnet sind. So wäre denn die Aussage, die Universität ruhe auf dem Satz vom Grund, eine übertriebene und absonderliche Behauptung. Wenn die Universität nicht auf einen Satz gebaut ist, dann vielleicht auf das, wovon der Satz sagt? Wir hörten, er spreche von einem reddendum. Im Satz spricht der Anspruch auf die Zu stellung des Grundes für alle Aussagen, für jedes Sagen. Woher spricht dieser Anspruch des Grundes auf seine Zustellung? Liegt dieser Anspruch im Wesen des Grundes selbst? Ehe wir so weit hinaus fragen, beschränken wir uns darauf, zunächst bei uns selber anzufragen, ob wir den Anspruch auf Zustellung des Grundes hören. Wir müssen antworten: ja und nein. Ja – denn wir haben den Anspruch auf Zustellung des Grundes neuerdings allzu drangvoll im Ohr. Nein – denn wir vernehmen den drängenden Anspruch doch kaum. Wir bewegen uns überall im Strahlungsbereich des Anspruches auf Zustellung des Grundes und haben es zugleich ungewöhnlich schwer, eigens auf diesen Anspruch zu achten, um darin die Sprache zu vernehmen, die er eigentlich spricht. Wir bedienen zwar Apparaturen, um die Radioaktivität der Atmosphäre festzustellen und zu kontrollieren. Für das Hören des Anspruches, der die Zustellung des Grundes verlangt, gibt es keine Apparate. Allerdings bezeugen die Apparate durch ihren Bestand, bezeugen die Bestände dessen, was die Apparate registrieren, daß der großmächtige Satz vom Grund jetzt sein Machten auf eine bislang unerhörte Weise entfaltet.
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Denn die Menschheit ist jetzt so weit, daß sie diejenige Epoche, in die ihr geschichtliches Dasein eintritt, nach der zustellbar gewordenen Atomenergie benennt. Wir sind, heißt es, im Atomzeitalter. Wir brauchen noch gar nicht zu durchschauen, was dies sagt. Wer möchte sich anmaßen, dieses Durchschauen zu leisten? Allein wir können heute schon ein anderes. Jeder kann eine Strecke weit über das Unheimliche nachsinnen, das sich in der anscheinend harmlosen Namengebung für das Zeitalter verbirgt. Der Mensch bestimmt eine Epoche seines geschichtlich-geistigen Daseins aus dem Andrang und der Beistellung einer Naturenergie. Das Dasein des Menschen – geprägt durch das Atom. Dieses Wort nennt heute etwas, was zur Zeit vielleicht nur einer geringen Anzahl von Menschen vom »Denken« her zugänglich ist. Indes trifft vermutlich die Kennzeichnung der Epoche als Atomzeitalter das, was ist. Denn das Übrige, was es auch noch gibt und was man noch Kultur nennt: Theater, Kunst, Film und Funk, aber auch die Literatur und Philosophie, sogar Glaube und Religion – dies alles hinkt überall nur noch hinter dem her, was dem Zeitalter das Gepräge des Atomzeitalters zuweist. Man könnte darüber vielerlei berichten, ein Geschäft, das heute die »Illustrierten Zeitungen« äußerst gewandt und gefällig besorgen. Diese Art »Information« ist freilich nur auch ein Kennzeichen des Zeitalters. Das Fremdwort »Information« spricht hier deutlicher, insofern es einmal die unmittelbare Benachrichtigung und Meldung meint, die zugleich und zum anderen die unauffällige Prägung (Formierung) der Leser und Hörer übernommen hat. Lassen wir es unserem nachsinnenden Blick nicht mehr entgehen: eine Epoche der Menschheitsgeschichte geprägt durch das Atom.
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Das Atomzeitalter gäbe es jedoch nicht ohne die Atomwissenschaft. Das ist, wie man zu sagen pflegt, eine Binsenwahrheit. Gleichwohl enthält sie nur Halbgedachtes, falls wir uns damit begnügen. Indessen dürfen und müssen wir sogar fragen: Woher stammt die Atomwissenschaft? Sie wird von der Disziplin gesteuert, die Kernphysik heißt, heute aber bereits schon angemessener als Physik der Elementarteilchen bezeichnet wird. Denn vor kurzem noch kannte die moderne Wissenschaft vom Atom nur Proton und Neutron als dessen Teilchen. Heute sind bereits mehr als zehn bekannt. Und schon ist die Wissenschaft dahin fortgerissen, dieses zerstreute Mannigfaltige der Elementarteilchen auf eine neue Einheit als das Tragende zurückzuverlegen. Was besagt dieser Fortriß, der die Wissenschaften dahin fortzieht, eine je und je gemäßere Einheit dessen sicherzustellen, was sich ihr als vorstellbarer Bestand von Theorien und beobachteten Tatsachen darbietet? Es wurde bereits erwähnt, daß das Fragen der Wissenschaften immer neu angestachelt wird, auftretende Widersprüche zu beseitigen. Die Beseitigung geschieht durch den Fortgang zu einer Auflösung der Widersprüche in eine Einheit, die geeignet ist, das anscheinend Widersprechende zu tragen, d. h. ihm einen Grund zu geben. Im Fortriß des Vorstellens und Fragens über die Widersprüche hinaus waltet der Anspruch auf Zustellung des gemäßen Grundes. Wir sagten, das Atomzeitalter beruhe auf der Atomwissenschaft, und wir frugen, woher diese Wissenschaft stamme. Diese Frage will jedoch nicht dem Verlauf der Entstehungsgeschichte und der Entwicklung dieser Wissenschaft nachgehen; sie möchte sich darauf besinnen, was der innerste Antrieb dieser Wissenschaft selbst ist, gleichviel ob dieser den Forschern bewußt wird oder nicht. Es zeigt sich: Antrieb und Fortriß zur ständigen Beseitigung
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der Widersprüche innerhalb der Mannigfaltigkeit widerstreitender Theorien und unvereinbarer Tatbestände entstammen dem Anspruch des principium reddendae rationis. Dieser Anspruch ist etwas anderes als die Wissenschaft selber. Der Anspruch auf die Zustellung des Grundes ist für die Wissenschaften das Element, darin ihr Vorstellen sich bewegt wie der Fisch im Wasser und der Vogel in der Luft. Die Wissenschaft entspricht dem Anspruch der ratio reddenda, und zwar unbedingt. Sonst könnte sie nicht sein, was sie ist. Aber indem die Wissenschaft dem Anspruch des reddendum entspricht, ihn im Ohr hat, hört sie ihn gleichwohl nicht so, daß sie ihm nachsinnen könnte. Sagen wir also »Atomzeitalter«, und sagen wir diesen Namen nicht mehr gedankenlos, dann achten wir darauf, daß wir, die wir in diesem Zeitalter leben, im Walten des Anspruches des großmächtigen principium reddendae rationis stehen. Wir sind nur die Heutigen, die wir sind, insofern uns der großmächtige Anspruch der Zustellung des Grundes durchmachtet. Das Atomzeitalter ist als planetarische Epoche der Menschheit dadurch ausgezeichnet, daß sich die Macht des großmächtigen Prinzips, des principium reddendae rationis auf eine unheimliche Weise im maßgebenden Bereich des Daseins des Menschen entfaltet, wenn nicht gar entfesselt. Wenn hier das Wort »unheimlich« gebraucht wird, ist es nicht in einem rührseligen Sinne gemeint. Es ist wörtlich-sachlich dahin zu denken, daß die einzigartige Entfesselung des Anspruches auf Zu-stellung des Grundes alles Heimische des Menschen bedroht und ihm jeden Grund und Boden für eine Bodenständigkeit raubt, d. h. für jenes, woraus bislang jedes große Zeitalter der Menschheit, jeder weltaufschließende Geist, jede Prägung der Menschengestalt gewachsen ist.
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So zeigt sich eine äußerst seltsame Lage des modernen Menschen, eine solche, die gegen alles gewöhnliche Meinen der Alltagsvorstellungen geht, in denen wir wie blind und taub umhertreiben: Der Anspruch des großmächtigen Prinzips vom zuzustellenden Grund entzieht dem heutigen Menschen die Bodenständigkeit. Wir können auch sagen: Je entschiedener die Jagd auf die Bändigung der Riesenenergien angelegt wird, durch die der Energiebedarf des Menschen auf der Erde für alle Zeiten gedeckt werden soll, um so dürftiger wird das Vermögen des Menschen, im Bereich des Wesenhaften zu bauen und zu wohnen. Es ist ein rätselhaftes Widerspiel zwischen dem Anspruch auf Zustellung des Grundes und dem Entzug des Bodens. Es gilt, die Bewegungsform dieses hohen Spieles zwischen Zustellung und Entzug zu sehen. Es gilt, die Herkunft dieses Spieles zu bedenken. Es gilt zu fragen, inwiefern in diesem Spiel das unscheinbare Walten des großmächtigen Prinzips vom Grunde mitspielt. Es gilt zu merken, in welcher Gegend wir uns aufhalten, wenn wir nachdenkend den Satz vom Grund durchdenken.
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eibniz hat den Satz vom Grund als eines der obersten Prinzipien erblickt. Leibniz hat für den Satz vom Grund: Nihil est sine ratione, Nichts ist ohne Grund, die strenge Fassung des principium reddendae rationis gefunden. In der ratio reddenda zeigt sich der Grund im Charakter des Anspruches auf Zustellung. Wir sprechen von einer strengen Fassung des Satzes vom Grund, weil sie sich demjenigen Charakter des Grundes genau anmißt, der sich dem Denken von Leibniz und seinem Zeitalter erstmals zeigte. Gleichwohl ist die bisher erläuterte strenge Fassung des principium rationis auch im Sinne von Leibniz noch nicht die vollständige Fassung des Satzes vom Grund. Die erste veröffentlichte Erwähnung des principium rationis findet sich bei Leibniz in der Abhandlung »Theoria motus abstracti« (Gerhardt Philos. IV, 232).* Diese Theorie betrachtet diejenigen Bedingungen für die Möglichkeit der Bewegung, die von den sinnlich wahrnehmbaren Erscheinungen unabhängig sind. Leibniz übersandte die Abhandlung 1671 als Fünfundzwanzigjähriger der Pariser Akademie der Wissenschaften. In dieser Abhandlung sagt er gegen Ende von einem der über die abstrakt betrachtete Bewegung aufgestellten Sätze folgendes: pendet ex nobilissimo illo (24) (zu ergänzen principio) Nihil est sine ratione; »er (nämlich der betreffende Satz über die abstrakte Bewegung) hängt ab von jenem bekanntesten und zugleich
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hervorragendsten Prinzip: Nichts ist ohne Grund«. Leibniz setzt hier die gewöhnliche Fassung des Satzes vom Grund als allgemein bekannt und als zugestanden voraus, schreibt dem Satz vom Grund jedoch zugleich eine ausgezeichnete herrschaftliche Rolle zu. Der Satz vom Grund ist das principium nobilissimum; er ist das nobelste Prinzip. Sechs Jahre später (1677) spricht Leibniz vom principium rationis in seinen Anmerkungen zu Niederschriften eines Schülers von Spinoza. Leibniz hatte Spinoza auf seiner Rückreise von London nach Deutschland in Amsterdam zwischen dem 18. und 28. November 1676 besucht. Leibniz schreibt an der genannten Stelle (I*, 138): [id,] quod dicere soleo, nihil existere nisi cujus reddi possit ratio existentiae sufficiens**, »(das Prinzip), das ich (in der Form) zu sagen pflege, nichts existiert, dessen zureichender Existenzgrund nicht zugestellt werden kann«. Der Grund, der seine Zustellung beansprucht, verlangt zugleich, daß er als Grund zureiche, d. h. vollständig genüge. Wofür? Dafür, um einen Gegenstand in seinem Stand sicherzustellen. Im Hintergrund der Bestimmung des Zureichens, der Suffizienz (der suffectio), steht eine Leitvorstellung des leibnizischen Denkens, diejenige der perfectio, d. h. der Voll-ständigkeit der Bestimmungen für das Stehen eines Gegenstandes. Erst in der Voll-ständigkeit der Bedingungen seiner Möglichkeit, erst in der Voll-ständigkeit seiner Gründe ist die Ständigkeit eines Gegenstandes durch und durch sichergestellt, perfekt. Der Grund (ratio) ist als Ursache (causa) auf den Effekt (efficere) bezogen; der Grund selber muß zureichend sein (sufficiens, sufficere). Dieses Zureichen wird verlangt und bestimmt durch die perfectio (perficere) des Gegenstandes. Daß in der Gegend des Satzes vom Grund die Sprache wie von selbst von einem efficere, sufficere, perficere, d. h. von
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einem mannigfaltigen facere, machen, von einem her- und zu-stellen spricht, ist gewiß kein Zufall. Der Titel des streng und vollständig gedachten Satzes vom Grund lautet für Leibniz: principium reddendae rationis sufficientis (vgl. Monadologie § 32)*, der Grundsatz vom zuzustellenden zureichenden Grund. Wir können auch sagen: der Satz vom zuständigen Grund. Wo, wie im Fall der leibnizischen Entdeckung und Bestimmung des Satzes vom zureichenden Grund, ein großmächtiges Prinzip ans Licht kommt, gerät das Denken und Vorstellen nach allen wesentlichen Hinsichten in eine neuartige Bewegung. Es ist die neuzeitliche Denkweise, in der wir selbst uns tagtäglich aufhalten, ohne den Anspruch des Grundes auf Zustellung in allem Vorstellen noch eigens zu merken und zu vermerken. Demgemäß bestimmt Leibniz mehr geschichtlich verborgen als historisch sichtbar nicht nur die Entwicklung der modernen Logik zur Logistik und zur Denkmaschine, nicht nur die radikalere Auslegung der Subjektivität des Subjektes innerhalb der Philosophie des Deutschen Idealismus und ihrer nachkommenden Ableger. Das Denken von Leibniz trägt und prägt die Haupttendenz dessen, was wir, weit genug gedacht, die Metaphysik des modernen Zeitalters nennen können. Der Name Leibniz steht deshalb in unseren Überlegungen nicht als Bezeichnung für ein vergangenes System der Philosophie. Der Name nennt die Gegenwart eines Denkens, dessen Stärke noch nicht ausgestanden ist, eine Gegenwart, die uns erst noch entgegenwartet. Nur im Blick zurück auf das, was Leibniz denkt, können wir das gegenwärtige Zeitalter, das man das Atomzeitalter nennt, als jenes kennzeichnen, das von der Macht des principium reddendae rationis sufficientis durchmachtet wird. Der Anspruch auf Zustellung des zureichenden Grundes für alles Vorgestellte spricht in
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dem, was heute unter dem Namen Atom und Atomenergie Gegenstand geworden ist. Streng gedacht, dürfen wir jedoch, wie sich zeigen wird, kaum noch von Gegenständen sprechen. Wir bewegen uns bereits, wenn wir scharf zusehen, in einer Welt, wo es Gegen-stände nicht mehr gibt. Aber dieses Gegen-standlose ist nicht schon das Standlose. Vielmehr kommt im Gegenstandlosen eine anders geartete Ständigkeit herauf. Für eine Welt, in der das Gegenständige einem Ständigen anderer Art weichen muß, büßt das principium grande, das großmächtige Prinzip, der Satz vom Grund keineswegs seine Macht ein. Die Macht des zuzustellenden zuständigen Grundes für die Beständigung und Sicherung von allem beginnt vielmehr jetzt erst, sich ins Äußerste zu entfalten. Daß in einem solchen Zeitalter die Kunst zur gegenstandlosen wird, bezeugt ihre geschichtliche Rechtmäßigkeit, und dies vor allem dann, wenn die gegenstandlose Kunst selber begreift, daß ihre Hervorbringungen keine Werke mehr sein können, sondern etwas, wofür noch das gemäße Wort fehlt. Daß es die Kunstausstellungen modernen Stils gibt, hat mehr mit dem großmächtigen Satz vom Grund, vom zuzustellenden Grund zu tun, als wir zunächst meinen. Die Neuzeit ist nicht zu Ende. Sie beginnt erst ihre Vollendung, insofern sie sich auf die vollständige Zustellbarkeit von allem, was ist und sein kann, einrichtet. Der Hinweis auf das Atomzeitalter wurde nötig, damit wir merken, daß wir und inwiefern wir uns überall im Machtbereich des großmächtigen Prinzips aufhalten. Der Hinweis sollte uns in die Gegend weisen, aus der uns der Satz vom Grund anspricht, wenn wir fragend auf ihn zugehen. Verharren wir auf diesem Gang des Denkens, dann
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sehen wir alsbald zweierlei um einiges deutlicher: Einmal dies, daß unser geläufiges wissenschaftlich-technisches Vorstellen nicht ausreicht, um in die Gegend des Satzes vom Grund zu gelangen und innerhalb ihrer etwas in den Blick zu bekommen; zum anderen dies, daß auch die philosophische Lehre von den obersten Grundsätzen als den unmittelbar einleuchtenden Prinzipien vor den entscheidenden Fragen des Denkens ausweicht. Zum Satzcharakter des Satzes vom Grund gehört es, daß der Grundsatz zwei Fassungen zuläßt. Bisher schien es so, als sei die vulgäre und verkürzte Fassung nicht geeignet, eine fruchtbare Erörterung des Satzes vom Grund einzuleiten. Dagegen hat die strenge Fassung uns bereits eine wichtige Einsicht in den Anspruchscharakter des Grundes, in die ratio als ratio reddenda verschafft. Ob dieser Charakter jedoch schlichthin zum Wesen des Grundes gehört, oder ob er nur die Weise betrifft, in der sich das Wesen des Grundes für ein bestimmtes Zeitalter zeigt, muß offenbleiben. Denn auch die strenge Fassung des Satzes vom Grund läßt eine verkürzte Form zu, so daß plötzlich die vulgäre und die strenge Fassung des Prinzips als gleichwesentlich erscheinen. Der anscheinend klare Satz vom Grund wird aufs neue undurchsichtig. Inwiefern – das gilt es jetzt noch zu bedenken, bevor wir den Satz vom Grund unmittelbar erörtern. Der Satz vom Grund sagt nach der strengen Auslegung dies: Keine Wahrheit, d. h. nach Leibniz kein richtiger Satz ist ohne den notwendig ihm zuzustellenden Grund. Auf welche Weise läßt sich auch die strenge Fassung des Satzes vom Grund, des principium reddendae rationis, in einer verkürzten Form wiedergeben? Wenn unser Vorstellen sich dahin verwiesen sieht, für sein Vorgestelltes sich jeweils den Grund zuzustellen, dar-
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auf und darin das Vorgestellte als Gegenstand sicher steht, dann hält das Vorstellen nach dem zuzustellenden Grund Ausschau. Dies geschieht, indem das Vorstellen frägt: Warum ist das Vorgestellte und warum ist es so, wie es ist? Im Warum? fragen wir nach dem Grund. Die strenge Fassung des Satzes vom Grund »Nichts ist ohne den zuzustellenden Grund« kann daher in die Form gebracht werden: Nichts ist ohne Warum. Halten wir die verkürzte Form beider Fassungen gegeneinander, dann gewinnen sie eine eigentümliche Schärfe, die uns eine noch deutlichere Sicht auf den Satz vom Grund erlaubt. Er lautet einmal: Nichts ist ohne Grund. Er lautet auch: Nichts ist ohne Warum. Dagegen hören wir nun folgendes Wort: Die Ros ist ohn warum; sie blühet, weil sie blühet, Sie acht nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie siehet. Die Verse stehen im ersten Buch der geistlichen Dichtung des Angelus Silesius, die betitelt ist: »Der Cherubinische Wandersmann. Sinnliche Beschreibung der vier letzten Dinge«.* Das Werk erschien zuerst im Jahre 1657. Die Verse tragen die Nummer 289 mit der Überschrift: »Ohne Warum«. Angelus Silesius, mit dem bürgerlichen Namen Johann Scheffler, doctor philosophiae et medicinae, von Beruf Arzt, lebte von 1624– 1677 in Schlesien. Leibniz (1646 – 1716) war ein jüngerer Zeitgenosse von Angelus Silesius und kannte den »Cherubinischen Wandersmann«. Leibniz spricht in seinen Schriften und Briefen öfter von Angelus Silesius. So einmal in einem Brief an Paccius vom 28. Januar 1695 (Leibnitii opera ed. Dutens VI, p. 56)**:
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»Bei jenen Mystikern gibt es einige Stellen, die außerordentlich kühn sind, voll von schwierigen Metaphern und beinahe zur Gottlosigkeit hinneigend, so wie ich Gleiches bisweilen in den deutschen – im übrigen schönen – Gedichten eines gewissen Mannes bemerkt habe, der sich Johannes Angelus Silesius nennt …« Und Hegel sagt in seinen »Vorlesungen über die Aesthetik« (X, 477, Glockner XII, 493 f.) folgendes: »Die pantheistische Einheit nun in bezug auf das Subjekt hervorgehoben, das sich in dieser Einheit mit Gott, und Gott als diese Gegenwart im subjektiven Bewußtsein empfindet, giebt überhaupt die Mystik, wie sie in dieser subjektiveren Weise auch innerhalb des Christentums ist zur Ausbildung gekommen. Als Beispiel will ich nur Angelus Silesius anführen, der mit der größten Kühnheit und Tiefe der Anschauung und Empfindung das substantielle Daseyn Gottes in den Dingen, und die Vereinigung des Selbst mit Gott, und Gottes mit der menschlichen Subjektivität in wunderbar mystischer Kraft der Darstellung ausgesprochen hat.«* Die Urteile von Leibniz und Hegel über Angelus Silesius möchten nur kurz andeuten, daß das angeführte Wort über das »Ohne Warum« aus einer gewichtigen Quelle stammt. Wir werden aber auch sogleich entgegnen, diese Quelle sei doch Mystik und Dichtung. Die eine wie die andere gehören gleichwenig in das Denken. Gewiß, nicht in das Denken, aber vielleicht vor das Denken. Dies bezeugen uns Leibniz und Hegel, deren Denken an Nüchternheit und Strenge schwer zu übertreffen ist. Sehen wir zu, wie es mit dem mystischen Wort des Angelus Silesius steht.
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Zuvor sei an die kurze Fassung des leibnizischen principium reddendae rationis erinnert. Sie lautet: Nichts ist ohne Warum. Das Wort des Angelus Silesius spricht schroff dagegen: »Die Ros ist ohn warum«. Die Rose steht hier offenbar als Beispiel für alles Blühende, für alle Gewächse, für jegliches Wachstum. In diesem Feld gilt nach dem Wort des Dichters der Satz vom Grund nicht. Die Botanik wird uns dagegen mit Leichtigkeit eine Kette von Ursachen und Bedingungen für das Wachstum der Gewächse nachweisen. Wir brauchen für den Nachweis, daß das Wachstum der Gewächse entgegen dem Spruch des Angelus Silesius sein Warum, d. h. seine notwendigen Gründe hat, nicht einmal die Wissenschaft zu bemühen. Für die Notwendigkeit von Gründen des Wachsens und Blühens spricht die alltägliche Erfahrung. Allein es erübrigt sich, dem Dichter diese Notwendigkeit von Gründen eigens vorzurechnen, denn noch in derselben Verszeile bestätigt er sie selbst: Die Ros ist ohn warum; sie blühet, weil sie blühet. Weil? Nennt dieses Wort nicht die Beziehung auf einen Grund, indem es ihn gleichsam herbeizieht? Die Rose – ohne warum und dennoch nicht ohne weil. Also widerspricht sich der Dichter und redet dunkel. Darin besteht doch das Mystische. Aber der Dichter spricht klar. »Warum« und »weil« bedeuten Verschiedenes. »Warum« ist das Wort für die Frage nach dem Grund. Das »weil« enthält den antwortenden Hinweis auf den Grund. Das Warum sucht den Grund. Das Weil bringt den Grund. Ver-
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schieden ist demgemäß die Art, nach der die Beziehung auf den Grund vorgestellt wird. Im Warum ist die Beziehung zum Grund die des Suchens. Im Weil ist die Beziehung zum Grund die des Beibringens. Allein das, worauf die jeweils verschiedenen Beziehungen gehen, der Grund bleibt, so scheint es, der selbe. Insofern der erste Teil des ersten Verses das Vorliegen des Grundes verneint, der zweite Teil desselben Verses das Bestehen des Grundes durch das »weil« ausdrücklich bejaht, liegt doch ein Widerspruch vor, d. h. ein gleichzeitiges Bejahen und Verneinen des Selben, nämlich des Grundes. Doch ist der Grund, den das »warum« sucht und den das »weil« bringt, der gleiche Grund? Die Antwort gibt uns der zweite Vers des Spruches. Er enthält die Erläuterung des ersten Verses. Der ganze Spruch ist so erstaunlich klar und knapp gebaut, daß man auf den Gedanken kommen möchte, zur echten und großen Mystik gehöre die äußerste Schärfe und Tiefe des Denkens. Dies ist denn auch die Wahrheit. Meister Eckehart bezeugt sie. Der zweite Vers im Spruch des Angelus Silesius lautet: Sie acht nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie siehet. Der erste Teil des zweiten Verses sagt uns, wie das »ohne« im ersten Teil des ersten Verses zu verstehen sei: Die Rose ist Rose, ohne daß sie auf sich selber achten müßte. Sie braucht sich nicht eigens in die Acht zu nehmen. Zur Weise, nach der die Rose ist, bedarf es nicht eigens eines Achtens auf sich selbst und d. h. auf all das, was zu ihr gehört, indem es sie bestimmt, d. h. begründet. Sie blühet, weil sie blühet. Zwischen ihr Blühen und die Gründe des Blühens schiebt sich nicht ein Achten auf die Gründe, kraft dessen erst die Gründe jeweils als Gründe sein könn-
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ten. Angelus Silesius will nicht leugnen, daß das Blühen der Rose einen Grund hat. Sie blühet, weil – sie blühet. Dagegen muß der Mensch, um in den wesenhaften Möglichkeiten seines Daseins zu sein, darauf achten, was für ihn je die bestimmenden Gründe sind und wie sie es sind. Doch davon spricht der Spruch des Angelus Silesius nicht, und zwar deshalb, weil er noch Verborgeneres meint. Die Gründe, die den Menschen als geschicklichen wesenhaft be-stimmen, stammen aus dem Wesen des Grundes. Deshalb sind diese Gründe ab-gründig (vgl. was im folgenden über die andere Tonart des Satzes vom Grund gesagt ist). Aber der Rose geschieht das Blühen, indem sie darin aufgeht und nicht dessen achtet, was als etwas anderes, nämlich als Ursache und Bedingung des Blühens dieses erst bewirken könnte. Der Grund ihres Blühens braucht ihr nicht erst und eigens zugestellt zu werden. Anders dagegen der Mensch. Wie dieser sich zum Grund verhält, kommt im zweiten Vers des Spruches zum Vorschein. Hier heißt es von der Rose: Sie acht nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie siehet. Der Mensch lebt im Unterschied zur Rose vielfach so, daß er nach dem schielt, wie er in seiner Welt wirkt, was sie von ihm hält und verlangt. Aber auch dort, wo solches Schielen unterbleibt, können wir Menschen nicht die Wesen sein, die wir sind, ohne daß wir auf die Welt achten, die uns bestimmt, in welchem Achten wir zugleich auf uns selbst achten. Dessen bedarf die Rose nicht. Von Leibniz her gedacht, heißt dies: Damit die Rose blüht, braucht sie nicht die Zustellung der Gründe, darin ihr Blühen gründet. Die Rose ist Rose, ohne daß ein reddere rationem, ein Zustellen des Grundes, zu ihrem Rose-sein gehören müßte. Gleichwohl
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ist die Rose niemals ohne Grund. Die Beziehung der Rose zu dem, was der Satz vom Grund sagt, bleibt, so scheint es, zwiespältig. Die Rose ist zwar ohne Warum, aber sie ist doch nicht ohne Grund. »Ohne Warum« und »ohne Grund« sind nicht das Gleiche. Nur dies sollte uns der angeführte Spruch vorerst deutlicher machen. Die Rose fällt, insofern sie etwas ist, nicht aus dem Machtbereich des großmächtigen Prinzips heraus. Gleichwohl ist die Art, wie sie in diesen Machtbereich gehört, eine eigene und darum unterschieden von der Art, wie wir Menschen uns im Machtbereich des Satzes vom Grund aufhalten. Freilich dächten wir zu kurz, wollten wir meinen, der Sinn des Spruches von Angelus Silesius gehe darin auf, nur den Unterschied der Weisen zu nennen, nach denen Rose und Mensch sind, was sie sind. Das Ungesagte des Spruches – und darauf kommt alles an – sagt vielmehr, daß der Mensch im verborgensten Grunde seines Wesens erst dann wahrhaft ist, wenn er auf seine Weise so ist wie die Rose* – ohne Warum. Diesem Gedanken können wir hier nicht weiter nachgehen. Wir bedenken jetzt nur das Wort: »Die Ros ist ohn warum;« wir bedenken es im Hinblick auf die kurze strenge Fassung des Satzes vom Grund: Nichts ist ohne Warum. Was hat sich uns gezeigt? Es zeigte sich: Von der Rose und von allem, was nach ihrer Weise ist, gilt das principium reddendae rationis nicht. Die Rose ist ohne das suchende, um sich blickende Zustellen der Gründe, auf Grund derer sie blüht. [Der Grund, aus dem die Rose blüht, hat für die Rose nicht den Anspruchscharakter, der von ihr für sie die Zustellung des Grundes verlangt. Wäre dem so, dann hieße das, zum Blühen der Rose gehöre das Zustellen der Gründe des Blühens als der Gründe, die hier walten. Aber die Rose
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blühet, weil sie blühet. Ihr Blühen ist einfaches aus-sichAufgehen.] Gleichzeitig können wir mit Recht behaupten, das principium reddendae rationis gelte auch von der Rose. Es gilt nämlich, insofern die Rose zum Gegenstand unseres Vorstellens wird und wir für uns eine Auskunft darüber verlangen, auf welche Weise, d. h. aus welchen Gründen und Ursachen, unter welchen Bedingungen die Rose das sein kann, was sie ist. Wie steht es hier also mit dem principium reddendae rationis? Es gilt von der Rose, aber nicht für die Rose; von der Rose, insofern sie Gegenstand unseres Vorstellens ist; nicht für die Rose, insofern diese in sich selber steht, einfach Rose ist. Wir sehen uns vor einen merkwürdigen Sachverhalt gebracht: Etwas, wie die Rose, ist zwar nicht ohne Grund und ist gleichwohl ohne Warum. Etwas fällt in den Geltungsbereich des vulgär gefaßten Satzes vom Grund. Dasselbe Etwas fällt aus dem Geltungsbereich des streng gefaßten Satzes vom Grund heraus. Für Leibniz und alles neuzeitliche Vorstellen ist aber, wie wir in den vorigen Stunden sahen, der Geltungsbereich des streng gedachten Satzes vom Grund genauso weit, d. h. uneingeschränkt wie derjenige des vulgär verstandenen. Für Leibniz sagt der Satz »Nichts ist ohne Grund« so viel wie: Nichts ist ohne Warum. Nach dem Spruch des Angelus Silesius gilt diese Gleichsetzung nicht. So ist durch die Besinnung auf den Spruch des Angelus Silesius der Satz vom Grund nur noch undurchsichtiger geworden. Die Gegend, in die er gehört, liegt im Nebel. Auch der Versuch, uns an die strenge Fassung des Satzes vom Grund zu halten, führt, wie sich jetzt zeigte, nicht ins Klare. Dabei haben wir auf die Frage verzichtet, ob denn die im Sinne von Leibniz strenge Fassung gleichsam die
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grundsätzliche Fassung des Grundsatzes vom Grund sei, wenn nicht gar die absolut wahre. Der Hinweis auf die leibnizische Form des Satzes vom Grund hat uns allerdings gezeigt, daß zum Grund der Charakter des Anspruches auf Zustellung, das reddendum, gehört. Wir sahen uns jedoch auch gleichzeitig zur Frage genötigt: Woher stammt dieser Anspruch des Grundes? Wer oder was stellt den Anspruch auf Zustellung der Gründe in allem Vorstellen und für dieses? Sind wir Menschen diejenigen, die ihr eigenes Vorstellen unter den Anspruch stellen, daß jeweils der Grund zugestellt werde? Oder stellt der Grund selber, von sich aus, als Grund solchen Anspruch an unser Vorstellen? Aber wie kann der Grund einen Anspruch stellen? Diese Frage läßt sich offensichtlich nur beantworten, wenn wir klar genug wissen, worin das Wesen des Grundes besteht, wenn wir zuvor nach dem Wesen des Grundes gefragt haben, um auf diesem Weg von dem zu hören, was das ist, was man Grund und ratio nennt. Darüber muß doch der Satz vom Grund die nächste und alles erhellende Auskunft geben. Weshalb haben wir nicht sogleich beim Satz vom Grund angefragt, was er uns vom Grund zu wissen gibt? Weshalb haben wir die vielfachen Umwege dem nächstliegenden geraden Weg vorgezogen? Antwort: Weil uns die Umwege mancherlei Hinsichten auf den Satz vom Grund verschafften, so daß wir jetzt und im folgenden stets auf den Satz vom Grund gleichsam zurückblicken können. Denn bei diesem Rückblick auf den Satz vom Grund als Grundsatz und Prinzip gelangen wir zu einer bestürzenden Einsicht. Der Satz vom Grund sagt nichts über den Grund aus. Der Satz vom Grund ist keine unmittelbare Aussage über das Wesen des Grundes. Dieser Sachverhalt sollte uns auf den bisher gegangenen Umwegen um den Satz herum aufgehen. Mer-
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ken wir es wohl: Der Satz vom Grund sagt zwar vom Grund und ist gleichwohl keine Aussage über den Grund als Grund. Was wird von dem Satz vom Grund gesagt? Eine Antwort wird uns nur, wenn wir den Satz vom Grund hören. Dazu ist nötig, daß wir auf den Ton achten, in dem er spricht. Der Satz tönt nämlich in zwei verschiedenen Tonarten. Er sagt in beiden Verschiedenes. Bisher hörten wir den Satz vom Grund mehr in einer unbestimmten Tonart. Dies erlaubte, den Satz vom Grund in verschiedenen Fassungen zu denken, ohne zu bedenken, woran dies wohl liegen möchte. Der Satz vom Grund lautet: Nihil est sine ratione. Nichts ist ohne Grund. Wir hören dies nun schon oft genug, fast bis zum Überdruß. Doch wir sollen jetzt vernehmen, wie in diesem gleichtönend hingesagten Satz zwei verschiedene Tonarten schwingen. Wir können sagen: Nihil est sine ratione. Nichts ist ohne Grund. In der bejahenden Form heißt dies: Alles hat einen Grund. Wir können jedoch den Ton auch so legen: Nihil est sine ratione. Nichts ist ohne Grund. In der bejahenden Form heißt dies: Jedes Seiende (als Seiendes) hat einen Grund. Worüber spricht also der Satz vom Grund?
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ie Hinweise auf den Satz vom Grund, die der bisherige Gang unserer Besinnung erbrachte, stellen den Satz in den Gesichtskreis, der sich durch das Denken von Leibniz geöffnet und durch ihn den Aufriß empfangen hat. Zuletzt brachten wir die gewöhnliche und die strenge Fassung des Satzes vom Grund auf ihre verkürzte Form: »Nichts ist ohne Grund« und: »Nichts ist ohne Warum«. Ein Spruch des Angelus Silesius gab uns den Anhalt, um zu zeigen, daß der Satz vom Grund in der strengen Fassung nicht durchgängig gilt. Denn gegenüber dem »Nichts ist ohne Warum« sagt der Spruch:
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Die Ros ist ohn warum; sie blühet, weil sie blühet, Sie acht nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie siehet.a Das »ohne warum« sagt, grob gesprochen: Die Rose hat keinen Grund. Hingegen sagt das »weil« im selben Vers, grob gehört: die Rose hat einen Grund. Demgemäß kann solches sein, das wie die Rose zugleich mit Grund und ohne Grund ist. Wir sagten allerdings in der vorigen Stunde genauer: Die Rose ist zwar ohne Warum, aber – im Hinblick auf das »weil« – doch nicht ohne Grund. Dadurch wird zunächst festgehalten, was der unmittelbar vernommene a
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Text von der Rose sagt: ein »ohne warum« und ein »weil«. Wir klären zunächst ohne Rücksicht auf den Spruch des Angelus Silesius allgemein, was im »warum« und im »weil« gemeint ist. Das »warum« und das »weil« sagen von einer jeweils verschiedenen Beziehung unseres Vorstellens zum Grund. Im »warum« gehen wir fragend dem Grund nach. Im »weil« holen wir antwortend den Grund herbei. Demnach bringen wir, so scheint es, im »weil« den Grund in eine nähere Beziehung zu uns, während wir im »warum« den Grund gleichsam von uns entfernen. Genau besehen, liegt die Sache jedoch umgekehrt. Im »warum« stellen wir den Grund, damit er uns Rede stehe und antworte. Im »weil« lassen wir dagegen unser Vorstellen gerade in der Richtung auf den Grund und auf die durch ihn begründete Sache los. Im »weil« überlassen wir uns der begründeten Sache; wir überlassen die Sache ihr selbst und der Art, wie der Grund, sie begründend, einfach die Sache sein läßt, die sie ist. Nur ins Grobe gehört, sagt »die Ros ist ohn warum« das Selbe wie »die Rose hat keinen Grund«. Genau gesprochen, besagt »ohne warum« so viel wie: ohne Beziehung auf den Grund. Allein das »weil« nennt doch auch eine Beziehung auf den Grund. Gewiß. Nur müssen wir bedenken, daß das, was wir leichthin Beziehung nennen, eine der verfänglichsten Sachen ist, zumal wir im Hinblick auf sie in einseitigen Meinungen befangen sind. Maßgebend für jede Beziehung bleibt stets, in welchem Bereich sie spielt. Wer z. B. in der Fremde weilt, dem ist die wohnende Beziehung zur Heimat versagt. Die Beziehung des Wohnens in der Heimat fehlt. Aber das Fehlen der Beziehung ist selber eine eigene Innigkeit dieser Beziehung, nämlich das Heimweh. Die Beziehung kann somit durch ihr Fehlen gerade bestehen. Vorbereitend sprechen wir von der Beziehung zum Grund
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in einer gewissen Einförmigkeit. Im »ohne warum« ist die Beziehung zum Grund verneint, im »weil« ist sie bejaht. Dies bleibt richtig, aber auch an der Oberfläche. Darum fragen wir: Was verneint das »ohne« im Vergleich mit dem »weil«? Nicht einfach die Beziehung auf den Grund, sondern zunächst dies, daß die Rose ohne die fragende, den Grund eigens vorstellende Beziehung zum Grund bleibt. Dagegen ist die vorstellende Beziehung auf den Grund uns Menschen geläufig. Dies alles zeigt vorerst nur: Der Grund kann in mannigfachen Beziehungen zu uns als den vorstellenden Wesen stehen. Aber sind nicht auch die Tiere und sogar die Gewächse vorstellende Wesen? Gewiß. Die Grund-erfahrung des leibnizischen Denkens geht sogar so weit zu sagen, auch das, was wir leblose Materie zu nennen pflegen, sei vorstellend. Jedes Wesen ist nach Leibniz Lebewesen und als solches vorstellend-strebend. Allerdings ist erst der Mensch ein solches Lebewesen, das in seinem Vorstellen einen Grund als Grund vor sich bringen kann (vgl. Monadologie § 29 sqq.).* Der Mensch ist nach einer überlieferten Bestimmung das animal rationale. Darum lebt der Mensch in der vorstellenden Beziehung zur ratio als dem Grund. Oder müssen wir umgekehrt sagen: Weil der Mensch in der vorstellenden Beziehung zur ratio steht, deshalb ist er ein animal rationale? Oder ist sogar diese Umkehrung unzureichend? Für jeden Fall lebt der Mensch im Vermögen, den Grund als Grund vorzustellen. Die anderen irdischen Lebewesen leben zwar durch Gründe und Ursachen, aber niemals nach Gründen. Man könnte daher versucht sein, den zweiten Teil des ersten Verses »sie blühet, weil sie blühet« hier unterzubringen und erklären: Die Rose lebt nicht nach Gründen, sie lebt ohne Warum, aber sie lebt durch Gründe. Indes möchte Angelus Silesius mit
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dem »sie blühet, weil sie blühet« ganz anderes sagen. Wollte er nur den Unterschied der Rose zum Menschen hervorheben, dann könnte er sagen: Die Rose blüht, weil die Sonne scheint und weil vielerlei anderes sie umgibt und bestimmt. Angelus Silesius sagt jedoch: »sie blühet, weil sie blühet«. Dies sagt eigentlich nichts; denn es ist dem »weil« eigen, etwas anderes beizubringen, was uns als Grund für das zu Begründende verständlich ist. Aber dieses anscheinend Nichtssagende »sie blühet, weil sie blühet« sagt eigentlich alles, nämlich alles hier zu Sagende in der ihm eigenen Weise des Nichtsagens. Das »weil« scheint nichtssagend, leer und sagt doch die Fülle dessen, was sich auf der Stufe des Denkens dieses Dichters vom Grund und vom »warum« sagen läßt. Indes reicht dahin unser bisher begangener Weg noch nicht. Außerdem hat sich inzwischen ein Hindernis über diesen Weg gelegt, an dem wir uns noch öfter stoßen werden. Wir haben die beiden verkürzten Fassungen des Satzes vom Grund gegeneinander gehalten: Nichts ist ohne Grund – Nichts ist ohne Warum. Durch den Vergleich beider Sätze wurden wir darauf aufmerksam, daß der Grund bisweilen, und zwar notwendig ein jeweils vorgestellter ist. Wir werden stutzig und möchten fragen: Kann es denn überhaupt je einen Grund geben, der losgelöst aus jedem »warum« und »weil« noch ein Grund ist? Muß nicht dergleichen wie ein »Grund« von sich aus und darum notwendig die Beziehung zu uns als den denkenden Wesen bei sich tragen? Die Antwort auf diese Frage und vordem die Überlegung, ob wir auf solche Weise fragen dürfen, hängen daran, wie wir das bestimmen, was jetzt ständig »Grund« und »ratio« genannt wird. Von dieser Bestimmung hängt überhaupt ab, wie wir uns in all dem Undurchsichtigen
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zurechtfinden sollen, das sich trotz gewonnener Kenntnisse jetzt um den Satz vom Grund versammelt hat. Von dieser getrübten Aussicht auf den Satz vom Grund bleibt jedoch ein Anderes unberührt. Das ist die Macht, mit der das principium magnum, grande et nobilissimum waltet. Denn sein Machten durchstimmt und bestimmt das, was wir den Geist der Neuzeit, den Geist ihrer vermutlichen Vollendung, den Geist des Atomzeitalters nennen können. Das von Leibniz gedachte principium rationis bestimmt in der Art seines Anspruches das neuzeitliche Vorstellen nicht nur im allgemeinen, sondern es durchstimmt in entscheidender Weise jenes Denken, das wir als Denken der Denker kennen, die Philosophie. Weil dies, soweit ich sehe, noch nicht in seiner vollen Tragweite beachtet wird, sei ein Hinweis eingeschaltet, mit dem wir ein weiteres Eingehen auf das leibnizische Denken abbrechen, jedoch keineswegs abschließen; denn ein Abschluß müßte wenigstens einen Hinweis auf das einschließen, was den verborgensten Tiefblick des leibnizischen Denkens ausmacht. Die tiefen Blicke leuchten nur im Dunkeln. Darüber lassen wir uns leicht hinwegtäuschen. Wir meinen oft, wir hätten das von Leibniz denkend Erblickte auch erblickt, wenn wir uns an die beiden Schriften halten, in denen Leibniz, wie man zu sagen pflegt, seine Hauptgedanken zusammenfassend darstellt. Leibniz hat die beiden Schriften wenige Jahre vor seinem Tod verfaßt, aber nicht veröffentlicht. Die eine besteht aus 18 größeren Paragraphen; die andere aus 90 kürzeren; diese ist unter dem nicht von Leibniz stammenden Titel »Monadologie« bekannt. Aus ihren Paragraphen werden die Nachdenkenden immer wieder viel lernen. Und dennoch: Das Verhältnis dieser Paragraphen zur innersten Bewegung des leibnizischen Denkens, die in man-
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chen Briefen zum Vorschein kommt, gleicht dem Verhältnis, das vorläge, wenn Hölderlin uns eine gedichtete Hymne nur in einer Aufreihung von 20 Paragraphen hinterlassen hätte. Dies gilt auch heute noch, wo wir die Unruhe der leibnizischen Gedankenbewegung in den Manuskripten der beiden Schriften verfolgen können, die erst im vorigen Jahr durch die hervorragende Edition von Andre´ Robinet zugänglich geworden sind (Presses Universitaires de France, Paris 1954).* Die erste Ausgabe des französischen Originaltextes der »Monadologie« erschien erst 130 Jahre nach Leibnizens Tod. Sie ist einem Schüler von Hegel, Johann Eduard Erdmann, zu verdanken (Leibnizii opera philosophica. Berlin 1840).** Im Rückblick auf den bisherigen Weg zeigt sich, daß wir uns, falls wir schon eine Betonung in den Satz vom Grund legten, mehr an die zuerst gesprochene Tonart hielten, und das nicht zufällig. Denn wir folgten zunächst den geläufigen Vorstellungen, Fragerichtungen und Hinsichten, in denen die Philosophie, auch die leibnizische, den Satz vom Grund behandelt. Jetzt aber, da wir dem Satz vom Grund eine Auskunft über das Wesen des Grundes abverlangen, müssen wir erst einmal fragen, worüber denn der Satz vom Grund aussagt. Demgemäß suchen wir nach dem, was, grammatisch gemeint, in diesem Aussagesatz das Satzsubjekt ist und was Prädikat. Zur Beantwortung dieser Frage verhilft uns die an zweiter Stelle genannte Tonart. Sie bleibt deshalb auch die maßgebende: Nihil est sine ratione. Nichts ist ohne Grund. Jedes Seiende hat einen Grund. Das Subjekt des Satzes vom Grund ist nicht der Grund, sondern: »Jedes Seiende«; diesem wird das Prädikat zugesprochen, einen Grund zu haben. Der Satz vom Grund ist, nach der gewohnten Weise verstanden, keine Aussage über den Grund, sondern über das Seiende, insofern es jeweils ein Seiendes ist.
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Manche der Hörer werden jetzt im Stillen denken: Warum wurde uns dieser offenkundige Inhalt des Satzes vom Grund nicht sogleich genannt? Warum wurden wir statt dessen stundenlang auf Umwegen um den Satz herumgeführt? Die Antwort ist leicht gegeben: Weil die bisherige Behandlung des Satzes vom Grund ihn als Satz, genauer als Grundsatz und Prinzip nahm und noch nimmt. Der Grundsatz vom Grund stellt zwar den Grund in einer wesentlichen Hinsicht vor, sagt jedoch in dieser Hinsicht über das Seiende aus und nicht über den Grund. Die nicht weiter bestimmte Vorstellung des Grundes ermöglicht jedoch dem Satz vom Grund seine Rolle als Leitsatz für die Ableitung und Begründung von Sätzen. Von hier aus gesehen, empfängt die also leitende Vorstellung des Grundes ihrerseits die Auszeichnung der Unableitbarkeit. Wenngleich der Satz vom Grund nur aus einer Hinsicht auf den Grund setzt, was er setzt, und keine unmittelbare Aussage über den Grund ist, so bleibt doch die bisherige Behandlung des principium rationis von der größten Bedeutung, nicht nur hinsichtlich ihres Inhaltes sondern als Überlieferung. Wenn wir versuchen, den Satz vom Grund zu erörtern, dann ist dieser wie jeder andere Versuch nur möglich als Gespräch innerhalb der Überlieferung und mit ihr. Allein die Überlieferung des vormaligen Denkens und seines Gedachten ist kein bloßes wirres Gemengsel abgelegter philosophischer Ansichten. Die Überlieferung ist Gegenwart, gesetzt, daß wir das überlieferte Denken dort aufsuchen, von woher es uns am weitesten über uns hinausträgt und uns so eigens der Überlieferung einfügt. Deshalb und nur deshalb gehen wir die Umwege um den Satz vom Grund herum. Doch wenn wir jetzt auf den Satz vom Grund unmit-
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telbar eingehen und dabei finden, daß er das gar nicht leistet, was sein Titel uns einredet, dann ist mit dieser Feststellung zwar ein wichtiger Schritt getan; allein er verbürgt noch keineswegs, daß die Erörterung des Satzes vom Grund mit diesem Schritt schon auf einen aussichtsreichen Weg gelangt ist. Die Erörterung des Satzes vom Grund sucht demnach eine Aussicht auf das, was im Satz zwar vom Grund gesagt, aber nicht ausgesprochen ist. Doch die Aussicht, die wir jetzt für unser Denken suchen, ist jene, in der sich das bisherige Denken schon bewegt, zu der uns nur die Überlieferung befreit, wenn wir das erblicken, was sie uns zubringt. Aber bislang bleibt diese Aussicht verstellt und verriegelt. Der Riegel ist der Satz vom Grund, der wie ein Gebirgszug sich vor die Aussicht geschoben hat; ein Gebirgszug, der unübersteigbar zu sein scheint; denn der Satz vom Grund ist als ober ster Grundsatz etwas Unableitbares, solches, was dem Denken Einhalt gebietet. Der Vollzug der Einsicht, daß der Satz vom Grund nicht unmittelbar über den Grund aussagt, sondern über das Seiende, ist ein gefährlicher Schritt. Er führt in eine kritische Zone des Denkens. Weil unser Denken, auch wenn es noch so geübt ist, oft an den entscheidenden Stellen unbeholfen bleibt, bedürfen wir der Aushilfen. Zu diesen gehört jene Besinnung, die den Weg betrifft. Wir nennen die jetzt betretene Zone die kritische, weil hier trotz der Sicht auf das, worüber der Satz vom Grund aussagt, noch alle folgenden Schritte der Erörterung in die Irre laufen können. Dies gilt von meiner Abhandlung »Vom Wesen des Grundes«, die zuerst als Beitrag zur Festschrift für Edmund Husserl im Jahre 1929 erschienen ist.* Dort steht im ersten Absatz des I. Teils folgendes: »Der Satz (gemeint ist der Satz vom Grund) sagt über das Seiende
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aus und dies aus der Hinblicknahme auf so etwas wie ›Grund‹. Was jedoch das Wesen von Grund ausmacht, wird in diesem Satz nicht bestimmt. Das ist für diesen Satz als eine selbstverständliche ›Vorstellung‹ vorausgesetzt.«* Diese Darlegungen bleiben richtig. Dennoch führten sie in die Irre. Einmal hinsichtlich der möglichen Wege, die der Satz vom Grund für die besondere Frage nach dem Wesen des Grundes darbietet; zum anderen aber und vor allem hinsichtlich jener Besinnung, von der alles Denken befeuert wird, in deren Dienst auch die genannte Abhandlung sich zu stellen versuchte. Worin besteht im genannten Fall die Irreführung? Wie ist überhaupt eine Irreführung trotz richtiger Feststellungen möglich? Auf eine einfache und darum doppelt beirrende Weise. Sie befällt denn auch das Denken oft genug. Darum kann der Irrgang, den wir im Auge haben, uns belehren, sobald wir eigens auf ihn achthaben.** Es kommt vor, daß wir einen Sachverhalt sehen und klar vor Augen liegen haben. Dennoch erblicken wir im Vorliegenden das Nächstliegende nicht. Etwas sehen und das Gesehene eigens er-blicken, ist nicht das gleiche. Er-blicken meint hier: einblicken in das, was uns aus dem Gesehenen her eigentlich, d. h. als dessen Eigenstes anblickt. Wir sehen viel und erblicken wenig. Sogar dann, wenn wir das Gesehene er-blickt haben, vermögen wir selten den Anblick des Erblickten auszuhalten und das Erblickte im Blick zu behalten. Denn zum wahren Behalten braucht es für die Sterblichen die stets erneuerte, d. h. je und je ursprünglichere Aneignung. Wenn das Denken im Gesehenen dessen Eigenstes nicht erblickt, dann versieht sich das Denken am Vorliegenden. Die Gefahr, daß das Denken sich versieht, wird oft durch es selbst gesteigert, nämlich dadurch, daß das Denken zu eilig auf eine falsche Gründlichkeit drängt. Solches Drängen kann sich in bezug
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auf eine Erörterung des Satzes vom Grund besonders mißlich auswirken. Wenden wir das, was jetzt kurz über Sehen, Erblicken und Sich-versehen erwähnt wurde, auf den Fall der Abhandlung an, die »Vom Wesen des Grundes« handelt. Für diese Abhandlung liegt klar vor Augen, daß der Satz »Nichts ist ohne Grund« etwas über das Seiende aussagt und keine Aufhellung darüber gibt, was »Grund« heißt. Diese Sicht auf den vorliegenden Inhalt des Satzes gelangt nun aber nicht zum Einblick in das Nächstliegende. Statt dessen läßt sie sich zu einem Schritt fortreißen, der fast unvermeidlich ist. Den Schritt können wir in einer Schlußfolge also darstellen: Der Satz vom Grund ist eine Aussage über das Seiende. Demnach gibt er keine Auskunft über das Wesen des Grundes. Also eignet sich der Satz vom Grund, zumal in seiner überlieferten Fassung, nicht als Leitfaden für eine Erörterung dessen, wonach unser Sinn steht, wenn wir das Wesen des Grundes bedenken. Wir sehen: Der Satz vom Grund sagt etwas über das Seiende. Was aber lassen wir nicht in den Blick kommen, wenn wir es bei der vorigen Feststellung bewenden lassen? Was ist im Gesehenen noch erblickbar? Wir kommen dem hier Erblickbaren näher, sobald wir den Satz vom Grund in derjenigen Betonung noch deutlicher hören und im Gehör behalten, die wir vorgreifend die maßgebende nannten: Nihil est sine ratione. »Nichts ist ohne Grund«. Die Betonung läßt uns einen Einklang von »ist« und »Grund«, est und ratio hören. Diesen Einklang haben wir sogar schon gehört, bevor wir feststellen, der Satz vom Grund sage über das Seiende aus, darüber daß es einen Grund habe. Unser Denken soll jetzt das in der Betonung eigentlich schon Gehörte erblicken. Das Denken soll Hörbares erblik-
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ken. Es er-blickt dabei das zuvor Un-erhörte. Das Denken ist ein Erhören, das erblickt. Im Denken vergeht uns das gewöhnliche Hören und Sehen deshalb, weil das Denken uns in ein Erhören und Erblicken bringt. Das sind befremdliche und doch nur sehr alte Weisungen. Wenn Platon das, was am Seienden das Eigentliche ausmacht, ÆideÂa nennt, das Gesicht des Seienden und das von uns Gesichtete, wenn früher noch Heraklit das, was am Seienden das Eigentliche ausmacht, loÂgow nennt, den Spruch des Seienden, dem wir im Hören entsprechen, dann gibt uns dieses beides Kunde davon, daß das Denken ein Hören und ein Sehen ist. Wir sind jedoch schnell bei der Hand zu erklären: Ein Hören und Sehen kann das Denken nur in einem übertragenen Sinne heißen. In der Tat. Das im Denken Erhörte und Erblickte läßt sich nicht mit unseren Ohren hören, nicht mit unseren Augen sehen. Es ist nicht durch unsere Sinnesorgane wahrnehmbar. Fassen wir das Denken als eine Art Hören und Sehen, dann wird das sinnliche Hören und Sehen übernommen und hinübergenommen in den Bereich des nicht-sinnlichen Vernehmens, d. h. des Denkens. Solches Hinübertragen heißt griechisch metafeÂrein. Die Gelehrtensprache nennt eine solche Übertragung Metapher. Das Denken darf somit nur im metaphorischen, übertragenen Sinne ein Hören und Erhören, ein Blicken und Erblicken genannt werden. Wer sagt hier »darf«? Derjenige, der behauptet, das Hören mit dem Ohr und das Sehen mit dem Auge sei das eigentliche Hören und Sehen. Die Weise, wie wir im Hören und Sehen etwas wahrnehmen, geschieht durch die Sinne, ist sinnlich. Diese Feststellungen sind richtig. Sie bleiben dennoch unwahr, weil sie Wesentliches auslassen. Wir hören zwar eine Bachsche
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Fuge durch die Ohren, allein wenn hier nur dies das Gehörte bliebe, was als Schallwelle das Trommelfell beklopft, dann könnten wir niemals eine Bachsche Fuge hören. Wir hören, nicht das Ohr. Wir hören allerdings durch das Ohr, aber nicht mit dem Ohr, wenn »mit« hier sagt, das Ohr als Sinnesorgan sei das, was uns das Gehörte ermittelt. Wenn daher das menschliche Ohr stumpf wird, d. h. taub, dann kann es sein, daß, wie der Fall Beethovens zeigt, ein Mensch gleichwohl noch hört, vielleicht sogar noch mehr und Größeres hört als zuvor. Nebenbei sei vermerkt, daß »taub«, »tumb« soviel bedeutet wie stumpf, weshalb dasselbe tumb im Griechischen wiederkehren kann im Wort tyfloÂw, d. h. stumpf im Sehen, also blind. Das jeweils von uns Gehörte erschöpft sich niemals in dem, was unser Ohr als ein in gewisser Weise abgesondertes Sinnesorgan aufnimmt. Genauer gesprochen: Wenn wir hören, kommt nicht nur etwas zu dem hinzu, was das Ohr aufnimmt, sondern das, was das Ohr vernimmt und wie es vernimmt, wird schon durch das gestimmt und bestimmt, was wir hören, sei dies nur, daß wir die Meise und das Rotkehlchen und die Lerche hören. Unser Gehörorgan ist zwar eine in gewisser Hinsicht notwendige, aber niemals die zureichende Bedingung für unser Hören, jenes, was das eigentlich zu-Vernehmende uns zureicht und gewährt. Das gleiche gilt für unser Auge und unser Sehen. Bliebe das menschliche Sehen auf das beschränkt, was dem Auge als Empfindungen auf der Netzhaut zugeleitet wird, dann hätten z. B. die Griechen niemals in einer Jünglingsstatue den Apollon, besser gesagt, im Apollon und durch ihn das Standbild sehen können. Den alten griechischen Denkern war ein Gedanke vertraut, den man allzu grob so darstellt: Gleiches wird nur durch Gleiches erkannt. Gemeint ist: Das, was sich uns zuspricht, wird nur durch unser Ent-
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sprechen vernehmbar. Unser Vernehmen ist in sich ein Entsprechen. Goethe nimmt in der Einleitung zu seiner »Farbenlehre« Bezug auf jenen griechischen Gedanken und möchte ihn folgendermaßen in deutschen Reimen ausdrücken: Wär nicht das Auge sonnenhaft, Wie könnten wir das Licht erblicken? Lebt nicht in uns des Gottes eigne Kraft, Wie könnt uns Göttliches entzücken?* Es scheint, wir haben bis heute noch nicht genügend dem nachgedacht, worin das Sonnenhafte des Auges besteht und worin des Gottes eigene Kraft in uns beruht; inwiefern beides zusammengehört und die Weisung auf ein tiefer gedachtes Sein des Menschen gibt, der das denkende Wesen ist. Doch hier genügt die folgende Überlegung. Weil unser Hören und Sehen niemals ein bloß sinnliches Aufnehmen ist, deshalb bleibt es auch ungemäß zu behaupten, das Denken als Er-hören und Er-blicken sei nur als Übertragung gemeint, nämlich als Übertragung des vermeintlich Sinnlichen in das Nichtsinnliche. Die Vorstellung von »übertragen« und von der Metapher beruht auf der Unterscheidung, wenn nicht gar Trennung des Sinnlichen und Nichtsinnlichen als zweier für sich bestehender Bereiche. Die Aufstellung dieser Scheidung des Sinnlichen und Nichtsinnlichen, des Physischen und des Nichtphysischen ist ein Grundzug dessen, was Metaphysik heißt und das abendländische Denken maßgebend bestimmt. Mit der Einsicht, daß die genannte Unterscheidung des Sinnlichen und Nichtsinnlichen unzureichend bleibt, verliert die Metaphysik den Rang der maßgebenden Denkweise.
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Mit der Einsicht in das Beschränkte der Metaphysik wird auch die maßgebende Vorstellung von der »Metapher« hinfällig. Sie gibt nämlich das Maß für unsere Vorstellung vom Wesen der Sprache. Darum dient die Metapher als vielgebrauchtes Hilfsmittel bei der Auslegung der Werke des Dichtens und des künstlerischen Bildens überhaupt. Das Metaphorische gibt es nur innerhalb der Metaphysik. Was sollen diese Hinweise, die sich wie eine Abschweifung ausnehmen? Sie möchten uns zur Behutsamkeit bringen, damit wir nicht voreilig die Rede vom Denken als einem Er-hören und einem Er-blicken für eine bloße Metapher halten und sie so zu leicht nehmen. Wenn unser menschlich-sterbliches Hören und Blicken sein Eigentliches nicht im bloß sinnlichen Empfinden hat, dann ist es auch nicht völlig unerhört, daß Hörbares zugleich erblickt werden kann, wenn das Denken hörend blickt und blikkend hört. Solches geschieht aber, wenn wir in der Betonung des Satzes vom Grund »Nichts ist ohne Grund« beim Hören des Einklanges von »ist« und »Grund« im vorliegenden Aussageinhalt des Satzes vom Grund ein Nächstliegendes erblicken. Was erblicken wir, wenn wir den Satz vom Grund in der angeführten Tonart bedenken? »Nichts ist …« Was sagt: »ist«? Aus der Grammatik wissen wir: »ist« gehört zu den Abwandlungen des Hilfszeitwortes »sein«. Es bedarf jedoch nicht der Zuflucht zur Grammatik. Der Inhalt des Satzes gibt genü gend Auskunft. »Nichts«, d. h. kein irgendwie Seiendes »ist – ohne Grund«. Das »ist« nennt, wenngleich völlig unbestimmt, das Sein des je und je Seienden. Der Satz vom Grund, der jetzt als Aussage über das Seiende vorliegt, sagt: Zum Sein des Seienden gehört dergleichen wie Grund. Somit erweist sich der Satz vom Grund nicht nur als Aussage über das Sei-
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ende. Wir erblicken vielmehr dies: Der Satz vom Grund sagt vom Sein des Seienden. Was sagt der Satz? Der Satz vom Grund sagt: Zum Sein gehört dergleichen wie Grund. Das Sein ist grundartig, grundhaft. Der Satz: »Sein ist grundhaft« spricht ganz anders als die Aussage: Das Seiende hat einen Grund. »Sein ist grundhaft« meint also keineswegs: »Sein hat einen Grund«, sondern sagt: Sein west in sich als gründendes. Der Satz vom Grund sagt dies freilich nicht aus. Was er sagt, läßt der unmittelbar vernehmliche Satzinhalt ungesagt. Das, wovon der Satz vom Grund sagt, kommt nicht zur Sprache, nämlich nicht zu jener Sprache, die dem entspricht, wovon der Satz vom Grund sagt. Der Satz vom Grund ist ein Sagen vom Sein. Er ist dies, aber verborgenerweise. Verborgen bleibt nicht nur, wovon er sagt, verborgen bleibt auch, daß er vom Sein sagt.
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etzt, d. h. in den folgenden Stunden, kommt alles darauf an, ob wir in das, was der Satz vom Grund unausgesprochen sagt, gesammelt bleiben oder nicht. Bleiben wir auf dem Weg zu solcher Sammlung, dann vermögen wir den Satz eigentlich zu hören. Der Satz vom Grund ist einer jener Sätze, die ihr Eigenstes verschweigen. Das Verschwiegene ist das, was nicht verlautet. Das Lautlose zu hören, verlangt ein Gehör, das jeder von uns hat und keiner recht gebraucht. Dieses Gehör hängt nicht nur mit dem Ohr zusammen, sondern zugleich mit der Zugehörigkeit des Menschen zu dem, worauf sein Wesen gestimmt ist. Ge-stimmt bleibt der Mensch auf das, von woher sein Wesen be-stimmt wird. In der Be-Stimmung ist der Mensch durch eine Stimme betroffen und angerufen, die um so reiner tönt, je lautloser sie durch das Lautende hindurchklingt. »Nichts ist ohne Grund«, lautet der Satz vom Grund. Nihil est sine ratione. Wir nennen diese Fassung des Satzes die gewöhnliche. Sie bringt es mit sich, daß der Satz zunächst und auf lange Zeit nirgends als ein besonderer Satz hervorragt. Was er aussagt, bleibt als unauffällig Geläufiges im Umlauf des menschlichen Vorstellens. Dagegen hat Leibniz den Satz vom Grund aus seinem gleichgültigen Zustand heraus- und zu einem obersten Grundsatz zusammengerissen. Leibniz brachte den Grundsatz in die strenge
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Fassung des principium reddendae rationis sufficientis. Ihr gemäß sagt der Satz vom Grund: Nichts ist ohne einen zureichenden Grund, der seine Zustellung beansprucht. In der bejahenden Form heißt dies: Jedes Seiende hat seinen zuzustellenden zureichenden Grund. Kurz gesagt: Nichts ist ohne Grund. Zuletzt hörten wir aber den Satz vom Grund in einer anderen Tonart. Statt: »Nichts ist ohne Grund« lautet er jetzt: »Nichts ist ohne Grund«. Der Ton hat sich vom »Nichts« auf das »ist« und vom »ohne« auf den »Grund« verlagert. Das Wort »ist« nennt stets auf irgendeine Weise das Sein. Die Verlagerung des Tones läßt uns einen Zusammenklang von Sein und Grund hören. Der Satz vom Grund sagt, in der neuen Tonart gehört, dies: Zum Sein gehört dergleichen wie Grund. Der Satz sagt jetzt vom Sein. Was der Satz jetzt sagt, verfällt zunächst allerdings leicht einer Mißdeutung. »Zum Sein gehört der Grund« –, dies möchte man verstehen im Sinne von: Das Sein hat Grund, d. h. das Sein ist gegründet. Davon spricht das gewöhnlich verstandene und als gültig angenommene principium rationis nie. Gegründet ist nach dem Satz vom Grund jeweils nur das Seiende. »Zum Sein gehört Grund« sagt dagegen soviel wie: Sein ist als Sein gründend. Demzufolge erst hat das Seiende je und je seinen Grund. Die neue Tonart enthüllt den Satz vom Grund als einen Satz vom Sein. Dementsprechend bewegen wir uns, wenn wir jetzt den Satz in der neuen Tonart erörtern, im Bereich dessen, was man mit einem allgemeinen Titel die »Seinsfrage« nennen kann. Wenn wir den Satz vom Grund als einen Satz vom Sein verstehen, dann lassen wir, so scheint es, die Frage nach dem Wesen des Grundes fallen. Allein das genaue Gegenteil trifft zu. Die Erörterung des Wesens des Grundes gelangt allererst durch den anders betonten
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Satz vom Grund in ihren zuständigen Bereich. Jetzt gilt es zu erblicken, daß und in welchem Sinne dergleichen wie Grund zum Wesen des Seins gehört. Sein und Grund gehören zusammen. Aus seiner Zusammengehörigkeit mit dem Sein als Sein empfängt der Grund sein Wesen. Umgekehrt waltet aus dem Wesen des Grundes das Sein als Sein. Grund und Sein (»sind«) das Selbe, nicht das Gleiche, was schon die Verschiedenheit der Namen »Sein« und »Grund« anzeigt. Sein »ist« im Wesen: Grund. Darum kann Sein nie erst noch einen Grund haben, der es begründen sollte. Demgemäß bleibt der Grund vom Sein weg. Der Grund bleibt ab vom Sein. Im Sinne solchen Ab-bleibens des Grundes vom Sein »ist« das Sein der Ab-Grund. Insofern das Sein als solches in sich gründend ist, bleibt es selbst grundlos. Das »Sein« fällt nicht in den Machtbereich des Satzes vom Grund, sondern nur das Seiende. Wenn wir sorgfältig auf die Sprache achten, in der wir das aussprechen, was der Satz vom Grund als Satz vom Sein sagt, dann zeigt sich, daß wir in einer seltsamen, in Wahrheit nicht angängigen Weise vom Sein sprechen. Wir sagen: Sein und Grund »sind« das Selbe. Sein »ist« der Ab-Grund. Wenn wir von etwas sagen: »Es ist« und »es ist das und das«, dann wird es in solchem Sagen als Seiendes vorgestellt. Nur Seiendes »ist«, das »ist« selber, das »Sein« »ist« nicht. Diese Wand vor Ihnen hinter mir ist. Sie zeigt sich uns unmittelbar als etwas Anwesendes. Wo aber ist ihr »ist«? Wo sollen wir das Anwesen der Wand suchen? Vermutlich gehen schon diese Fragen in die Irre. Gleichwohl »ist« die Wand. Mit dem »ist« und »Sein« hat es somit eine eigentümliche Bewandtnis. Um ihr zu entsprechen, sprechen wir das, was der Satz vom Grund als Satz vom Sein sagt, so aus: Sein
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und Grund: das Selbe. Sein: der Ab-Grund. Zu sagen, »Sein« »ist« Grund, so vermerkten wir, sei nicht angängig. Diese zunächst unvermeidliche Art zu sprechen, geht das »Sein« nicht an, erreicht es nicht in seinem Eigenen. Einmal sagen wir: Sein und Grund: das Selbe. Zum anderen sagen wir: Sein: der Ab-Grund. Es gilt, die Einstimmigkeit beider »Sätze«, der Sätze, die keine »Sätze« mehr sind, zu denken. Dies verlangt nichts Geringeres, als daß sich die Weise unseres Denkens verwandelt, so verwandelt, daß es dem Sachverhalt, den der Satz vom Grund als Satz vom Sein sagt, entspricht. Diese Verwandlung des Denkens erreichen wir weder durch eine anspruchsvolle Theorie, noch durch irgendeine Hexerei, sondern allein so, daß wir uns auf einen Weg begeben, einen Weg bauen, der in die Nähe des genannten Sachverhaltes führt. Dabei zeigt sich, daß solche Wege selber zum Sachverhalt gehören. Je näher wir der Sache kommen, um so be-deutender wird der Weg. Wenn daher im Stil der folgenden Darlegungen öfter vom Weg die Rede ist, dann kommt darin die Sache zur Sprache. Die Erörterungen des Weges sind keine bloßen Überlegungen über die Methode, kein bloßes Zurichten des Zeichenstiftes, der nie zum Strich der Zeichnung ansetzt. Es gilt, in den Bereich des Sachverhaltes zu gelangen, den der Satz vom Grund als Satz vom Sein sagt. Dies ist die Aufgabe der folgenden Stunden. Wir gelangen dadurch in eine Gelegenheit und Lage, selber zu erfahren und zu ermessen, was dies heißt: »Sein und Grund: das Selbe« und: »Sein: der Ab-Grund«. Wenn wir den Satz vom Grund als Satz vom Sein erörtern, folgen wir ihm dorthin, wohin der Satz, eigentlich gedacht, uns versetzt. Doch bevor wir eine Erörterung des Satzes vom Grund als Satz vom Sein versuchen, denken wir für einen Augenblick
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an den Beginn der ersten Stunde der ganzen Vorlesung zurück. Sie beginnt: »Der Satz vom Grund lautet: Nihil est sine ratione. Man übersetzt: Nichts ist ohne Grund. Was der Satz aussagt, leuchtet ein.« Von der jetzt erreichten Stelle unseres Weges aus können wir dazu feststellen: Der Satz vom Grund wurde am Beginn der Vorlesung in der geläufigen Tonart gesprochen. Ihr gemäß sagt der Satz: Alles hat einen Grund. Nachdem aber jetzt gezeigt worden ist, daß der Satz vom Grund einen Wechsel der Tonart zuläßt, vielleicht sogar fordert, können wir die Frage nicht mehr länger zurückhalten: Warum wurde der Wechsel der Tonart nicht sogleich am Beginn der ganzen Vorlesung eingeführt? Warum wurde der Satz vom Grund nicht sogleich ausschließlich in der neuen Tonart bedacht? In diesem Falle wäre der Satz vom Grund von Anfang an als ein Satz vom Sein zum Vorschein gekommen. Alles in den bisherigen Stunden Dargelegte könnten wir entbehren, wenn anders es darauf ankommt, den Satz vom Grund als Satz vom Sein zu durchdenken. Diese Überlegungen sind in gewissem Sinne richtig; aber sie berechtigen uns nicht, den bisher gegangenen Weg für unnötig zu halten. Inwiefern hätten wir schon am Beginn der Vorlesung nach einer kurzen Anführung des Satzes vom Grund in der gewöhnlichen Tonart sogleich den Satz in der anderen Tonart vorbringen können? Insofern als die zweite Tonart von der ersten nicht abgeleitet ist. Die zweite Tonart klingt für sich aus sich, ohne einen Anhalt an die erste. Der Wechsel der Tonart ist ein jäher. Hinter dem Wechsel der Tonart verbirgt sich ein Sprung des Denkens. Der Sprung bringt das Denken ohne Brücke, d. h. ohne die Stetigkeit eines Fortschreitens, in einen anderen Bereich und in eine andere Weise des Sagens. Damit geben wir zu,
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daß der Gang der bisherigen Stunden keinen Übergang aus dem Bereich des Satzes vom Grund in den Bereich eines Satzes vom Sein darstellt. Wir gingen, was öfter und mit Absicht vermerkt wurde, auf Umwegen um den Satz vom Grund herum. Allein diese Umwege haben uns dem Sprung näher gebracht. Die Umwege können freilich den Sprung weder ersetzen, noch gar vollziehen. Aber sie behalten in gewisser Hinsicht, nämlich als eine Vorbereitung des Sprunges, ihre Aufgabe. Darum erinnern wir jetzt kurz an die Hauptsachen, die wir auf dem Umweg um den Satz vom Grund herum antrafen. Der Aufzählung nach sind es fünf. Die Erinnerung an die fünf Hauptsachen soll jedoch mehr sein als ein Nachbericht über schon Gesagtes. Die Erinnerung möchte uns in den inneren Zusammenhang der fünf Hauptsachen blicken lassen. Der innere Zusammenhang zeigt auf etwas Einheitliches und Einziges, an das wir auch nach dem Sprung denken müssen. Wir gelangen sogar erst durch den Sprung in ein solches Andenken. Zugleich wird zusehends klarer, inwiefern das bisher Durchgangene den Sprung aus dem Satz vom Grund in den Satz vom Sein vorbereitet. Der Weg der vorausgegangenen Stunden führte uns auf und durch ein Feld, dessen der Sprung für den Absprung bedarf. Der Sprung selbst hängt in der Luft. In welcher Luft, in welchem Äther? Dies erfahren wir nur durch den Sprung. Der Satz vom Grund ist nicht nur Satz als ein oberster Grundsatz. Der Satz vom Grund ist ein »Satz« in dem ausgezeichneten Sinne, daß er ein Sprung ist. Unsere Sprache kennt die Redeweise: Er war mit einem Satz, d. h. mit einem jähen Sprung zur Tür hinaus. Im Sinne eines solchen Satzes ist der Satz vom Grund ein Satz in das Wesen des Seins. Wir dürfen eigentlich nicht mehr sagen, der Satz vom Grund sei ein Satz vom Sein, sondern wir müssen
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sagen: Der Satz vom Grund ist ein Satz in das Sein als Sein, d. h. als Grund. Die erste der fünf Hauptsachen wurde flüchtig gestreift, als von der Incubationszeit des Satzes vom Grund die Rede war. Was der Satz vom Grund in seiner gewöhnlichen Fassung aussagt, klingt zwar seit je auf irgendeine Weise im abendländischen Denken an. Allein es bedurfte, historisch gerechnet, zweitausenddreihundert Jahre, bis der Satz vom Grund sich eigens als Grundsatz herausstellte und aufstellen ließ. Unser Hinweis auf die ungewöhnliche Incubationszeit des Satzes vom Grund fügte folgende Frage ein: »Wo und wie hat der Satz vom Grund so lang ge schlafen und das in ihm Ungedachte vorausgeträumt?« Wir ließen die Frage ohne Antwort. Jetzt aber blicken wir, wenngleich noch unbestimmt, bereits in die Richtung, aus der eine Antwort kommen kann. Wenn nämlich der Satz vom Grund ein Satz vom Sein ist, dann hängt die Incubation des Satzes vom Grund damit zusammen, daß das, was der Satz in Wahrheit sagt, das Sein, eigentlich noch schläft. Wir sagen damit keineswegs, daß es während der Incubationszeit des Satzes vom Grund Sein nicht gibt. Die Geschichte der antiken und mittelalterlichen Metaphysik bezeugt, daß im Fragen nach dem Seienden als solchem immer schon Sein zum Vorschein kommt. Die Rede vom Schlaf des Seins möchte sagen: Sein ist noch nicht als solches dergestalt erwacht, daß Es uns aus seinem wachen Wesen anblickt. Solange das Wesen des Seins sich entzieht, können wir auch nicht erblicken, was es vorausgeträumt hat. Erfahren wir den Satz vom Grund jedoch im Sinne eines Satzes in das Sein als solches, dann ergibt sich ein anderer Ausblick. Was wir die Incubationszeit des Satzes vom Grund nannten, enthüllt sich jetzt als eine Epoche, in der das Sein sich als Sein entzieht.
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In diesem Entzug verbirgt sich das Wesen des Seins. Dies besagt keineswegs, Sein bleibe schlechthin verborgen. Denn sobald Seiendes als solches in seinem Sein erscheint, ist beim Erscheinen des Seienden das Scheinen des Seins im Spiel. Dies läßt sich durch jede beliebige und alltägliche Erfahrung verdeutlichen. Es bedarf hierzu keiner ausgesuchten Fälle. Wenn z. B. im Frühjahr die Wiesen grünen, dann kommt im Erscheinen der grünen Wiesen, d. h. dieses Seienden, das Weben und Walten der Natur zum Scheinen. Wir wandern jedoch durch die grünenden Wiesen, ohne daß sich die Natur eigens als Natur zum Vorschein bringt. Und selbst wenn wir dabei das Wesen der Natur ahnen und das Geahnte in eine bestimmende Vorstellung oder gar in einen Begriff fassen, dann hält sich das Wesen der Natur immer noch als Sein verborgen. Das Sichverbergen des Wesens des Seins bleibt jedoch zugleich gerade die Weise, wie Sein sich im Seienden uns zuwendet, zuschickt. Aus dieser Schickung kommt das Geschick, kraft dessen es die Incubation des Satzes vom Grund gibt. Die zweite der fünf Hauptsachen wurde genannt, indem wir zeigten, daß und wie Leibniz den Satz vom Grund in die strenge Fassung des principium reddendae rationis sufficientis brachte. Durch die ausdrückliche Erhebung des Satzes vom Grund zu einem obersten Grundsatz kommt der Satz erst als Satz von der Art eines Prinzips zum Vorschein und gleichsam zum Ausbruch. Die Incubationszeit des Satzes vom Grund wird dadurch beendet. Die Incubation des Satzes vom Grund geschieht kraft des Geschickes des Seins, in welchem Geschick sich das Sein als solches entzieht. Wenn nun mit der Aufstellung des Satzes vom Grund als eines obersten Grundsatzes die Incubation des Satzes vom Grund ihr Ende findet, dann muß diese Beendung der Incubation darin beruhen, daß sich inzwischen
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das Geschick des Seins gewendet hat, vermutlich in dem Sinne, daß das Sein als solches erwacht ist und sich zum Vorschein bringt. Doch gerade dahin kommt es am Ende der Incubationszeit des Satzes vom Grund nicht. Im Geschick des Seins hat sich zwar etwas gewendet, aber in einem ganz anderen Sinne. Indem der Satz vom Grund eigens als oberster Grundsatz zur Herrschaft gelangt, wird die eigentliche Macht des Satzes vom Grund als principium rationis allererst losgelassen. Die Herrschaft des Satzes vom Grund beginnt jetzt erst in dem offenkundigen Sinne, daß alles Vorstellen dem Anspruch auf unbedingte Zustellung des zureichenden Grundes für jedes Seiende durchgängig entspricht. Dadurch schwindet jedoch die Möglichkeit, daß der Satz vom Grund als Satz ins Sein zum Vorschein kommt, für eine lange Zeit vollends aus dem Blick. Demgemäß dürfen wir vermuten, daß sich inzwischen das Sein als Sein noch entschiedener entzieht im Vergleich zu der genannten Incubationszeit des Satzes vom Grund. Nun hörten wir aber: Entzug des Seins waltet nur so, daß jeweils das Sichentziehende zugleich und gerade in einem Vorschein bleibt. Dies geschieht dadurch, daß das Seiende als solches auf eine neue Weise erscheint, dergemäß es sich dem Vorstellen auf- und entgegen-drängt. Das Seiende erscheint als Gegenstand. Das Sein kommt als die Gegenständigkeit der Gegenstände zum Scheinen. Die Gegenständigkeit der Gegenstände, die Objektivität der Objekte, gelangt in die Wechselbeziehung zur Subjektivität der Subjekte. Sein als Gegenständigkeit der Gegenstände wird in den Bezug zum Vorstellen des Subjektes eingespannt. Dieser Bezug zwischen Subjekt und Objekt gilt fortan als der Bereich, worin allein über das Seiende hinsichtlich seines Seins entschieden wird, über das Sein nämlich je und je nur als Gegenständigkeit des Gegenstandes, aber nie über das
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Sein als solches. Insofern das Sein in der Gegenständigkeit der Gegenstände erscheint, überantwortet es seine Bestimmbarkeit dem Vorstellen im Sinne der reflektierenden Repräsentation. Diese stellt das Seiende dem Vorstellen als Gegenstand zu. Damit öffnet sich erst der Bereich für eine eigens eingerichtete Zustellbarkeit der Gründe des Seienden. So ergibt sich erst die Möglichkeit dessen, was wir moderne Naturwissenschaft und moderne Technik nennen. Der neuerdings vielverhandelte Streit über die Art und die Reichweite der Geltung des Prinzips der Kausalität hat nur dadurch Grund und Boden, daß die Streitenden alle unter demselben Anspruch auf Zustellung des zureichenden Grundes für das Vorstellen stehen. Der Vorgang, daß sich das Sein in die Gegenständigkeit der Gegenstände schickt, sich aber in seinem Wesen als Sein gerade entzieht, bestimmt eine neue Epoche des Entzugs. Diese Epoche kennzeichnet das innerste Wesen des Zeitalters, das wir die Neuzeit nennen. So müssen wir denn sagen: Mit der Beendigung der Incubationszeit des Satzes vom Grund durch das leibnizische Denken hört zwar die Incubation des fernerhin bekannten Satzes vom Grund auf, aber keineswegs die Incubation des Satzes vom Grund als eines Satzes vom Sein. Vielmehr schlägt die Incubation des Satzes dadurch, daß der Satz vom Grund als Grundsatz, als principium reddendae rationis sufficientis zur Herrschaft gelangt, gleichsam in einen noch tieferen Schlaf und in einen noch entschiedeneren Entzug des Seins als solchen zurück. Heute scheint sich der Entzug des Wesens des Seins zu vollenden. Heute, sagen wir und meinen das beginnende Atomzeitalter, durch das sich vermutlich die Neuzeit vollendet, insofern sich der anfängliche Grundzug dieser Epoche ins Letzte und uneingeschränkt entfaltet.
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Die dritte der fünf Hauptsachen wurde genannt, indem wir das principium reddendae rationis sufficientis als das principium grande, magnum et nobilissimum, als das großmächtige, gewaltige und hervorragende Prinzip erläuterten. Hierbei galt es zu zeigen, daß der Anspruch des Grundes auf Zustellung sich nicht darin erschöpft, als abstrakte Regel des Denkens zu gelten. Der Anspruch machtet in der unheimlichen Weise, daß Naturenergien und die Art ihrer Bereitstellung und Nutzung das geschichtliche Dasein des Menschen auf der Erde bestimmen. Daß die Natur in diesen Energien erscheint, besagt: Die Natur ist zum Gegenstand geworden, und zwar eines Vorstellens, das ihre Vorgänge als berechenbaren Bestand herausstellt und sichert. Wir fügten dem Hinweis auf das hierbei Machtende des Satzes vom Grund die Frage ein: Woher spricht der Anspruch des Grundes auf seine Zustellung? Liegt dieser Anspruch im Wesen des Grundes selbst? Nunmehr ist uns auch für diese Frage der Weg zur Antwort gewiesen. Wenn nämlich der Satz vom Grund in Wahrheit ein Satz vom Sein ist, wenn Grund und Sein das Selbe sagen, dann waltet im eigens machtenden Anspruch des Grundes auf Zustellung das Geschick des Seins auf eine bisher unerhörte Weise. Darin liegt eine Bürgschaft dafür, daß das Denken erst im äußersten Entzug des Seins das Wesen des Seins erblickt. Dies ist vermutlich durchaus in der Ordnung des Menschenwesens, wenn anders wir so geartet sind, daß uns erst im Verlust des Verlorenen aufscheint, was uns gehört.* Das Wesen des Seins erblicken, dies sagt nach dem inzwischen Dargelegten: das Wesen des Grundes mit dem Sein als solchem in eins denken. Ein solches Vorhaben muß
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schon am Beginn zu seiner Vorbereitung darauf achten, daß, was »Grund« genannt wird, in verschiedenartigen Beziehungen zu dem stehen kann, was der Grund gründet und wie er begründet. Die vierte der fünf Hauptsachen wurde genannt, indem wir einen Spruch des Angelus Silesius bedachten, dessen jüngerer Zeitgenosse Leibniz war. Die Rose ist ohne warum, aber nicht ohne Grund. Das »warum« nennt den Grund, der immer so gründet, daß er zugleich als Grund vorgestellt wird. Die Rose indes braucht, um Rose zu sein, d. h. zu blühen, den Grund ihres Blühens nicht eigens vorzustellen. Gleichwohl ist die Rose, die »blühet, weil sie blühet«, nicht ohne Grund. Das »weil« nennt den Grund, aber einen seltsamen und vermutlich ausgezeichneten Grund. Was sagt dies: Die Rose »blühet, weil sie blühet«? Das »weil« weist hier nicht wie gewöhnlich weg und fort zu etwas anderem, was nicht ein Blühen ist und das Blühen anderswoher begründen soll. Das »weil« des Spruches weist das Blühen einfach auf es selbst zurück. Das Blühen gründet in ihm selbst, hat seinen Grund bei und in ihm selbst. Das Blühen ist reines Aufgehen aus ihm selbst, reines Scheinen. »Was aber schön ist, selig scheint es in ihm selbst« – sagt Mörike im Schlußvers seines Gedichtes »Auf eine Lampe«.* Schönheit ist darnach nicht eine Eigenschaft, die zum Seienden als eine Ausstattung hinzukommt. Schönheit ist eine höchste Weise des Seins, d. h. hier: das reine aus-sich-Aufgehen und Scheinen. Die Ältesten der griechischen Denker sagten FyÂsiw, welches Wort wir in seinem Sagen heillos verderben, wenn wir es durch »Natur« übersetzen. Das »weil« nennt den Grund, aber der Grund ist im Spruch das einfache Blühen der Rose, ihr Rose-sein. Der Satz vom Grund wird durch den Spruch »Die Ros ist ohn warum« nicht verleugnet. Vielmehr klingt der Satz
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vom Grund in einer Weise an, daß dabei in gewisser Hinsicht der Grund als das Sein und das Sein als der Grund erblickbar werden. Indessen läßt sich dieser Anklang im Bereich der Denkungsart des Spruches nicht eigens hören oder gar weiter bedenken. Überdies verklingt dieser Anklang des Grundes als Sein unvermerkt zugunsten des Anspruches des principium grande. Dieses Verklingen hängt jedoch mit dem zusammen, was wir das Geschick des Seins nannten, welches Geschick in der Weise waltet, daß in ihm Sein als solches immer entschiedener sich entzieht, und zwar entzieht zugunsten des Vorranges, der einzig im Seienden als dem Gegenständigen zu liegen scheint. Die fünfte der fünf Hauptsachen wurde genannt, als wir den Satz vom Grund in einer anderen Tonart sprachen und dabei auf die mögliche Verschiedenheit des Tones im Satz hinwiesen. Viele Sätze, die wir sprechen, lassen sich oft in einer verschiedenen Betonung der einzelnen Wörter sagen. Im vorliegenden Falle bleibt der Wechsel der Tonart keine beliebige Sache, sondern eine Hauptsache, sogar die Hauptsache, die den folgenden Weg bestimmt. Denn durch den jetzt gehörten Wechsel der Tonart wird der Satz vom Grund zu einem ganz anderen Satz, anders nicht nur hinsichtlich dessen, was der Satz als Satz vom Sein sagt, sondern auch in bezug auf die Weise, wie er sein Gesagtes sagt, wie er da noch »Satz« ist.* Im Hinblick auf die Weise des Sagens sehen wir uns vor die Frage gestellt, ob der Satz vom Sein überhaupt noch ein Satz im Sinne der Grammatik und Logik ist. Achten wir genau darauf, in welcher Fassung wir den Satz vom Sein aussprechen und aufschreiben. Die Erinnerung der fünf Hauptsachen nannte: 1. Die Incubation des Satzes vom Grund. 2. Die Aufstellung des Satzes vom Grund als eines obersten Grundsatzes.
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3. Den Anspruch des Satzes vom Grund als des großmächtigen Prinzips, das unser Zeitalter bestimmt. 4. Den Grund als »warum« und als »weil«. 5. Den Wechsel der Tonart im Satz vom Grund. Die Erinnerung versammelt unseren Blick auf einen einfachen Sachverhalt, dessen Einheitlichkeit und Einzigkeit wir bedenken, wenn wir den Satz vom Grund als Satz in das Sein als solches denken, d. h. diesen »Satz« vollziehen.
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er Satz vom Grund, in der anderen Tonart gehört, sagt als Satz vom Sein dieses: Sein und Grund: das Selbe; Sein: der Ab-Grund. Wir scheinen durch diesen Satz ins Bodenlose zu stürzen. Doch anderes tritt ein. Der Satz vom Sein bestürzt uns, und zwar aus einer Richtung, die wir nicht vermuten. Um die ankommende Be-stürzung aufzufangen, wird es nötig, das in der vorigen Stunde Zusammengeblickte auf seine sammelnde Einheit hin zu er-blicken. Der Satz vom Grund ist als Prinzip, als oberster Grundsatz ein allgemeiner Satz. Das Unfaßliche von allgemeinen Sätzen pflegt darin zu liegen, daß wir es unterlassen, sie anzuwenden. Die Anwendung wendet sich an einzelne Fälle, die alsdann wie Beispiele aus dem unmittelbar Anschaulichen uns das zuspielen, was der Satz allgemein und gleichsam ohne rechten Anhalt sagt. Nun wenden wir den Satz vom Grund häufiger an, als wir meinen. Wir finden überall Begründetes und solches, was begründet, sei dies auch nur in der vorherrschenden Weise des Verursachens. Alles Wirkliche ist für uns Wirkendes und Gewirktes, Begründendes und Begründetes. In der Form »Nihil est sine causa« spricht der Satz vom Grund sein Selbstverständliches aus. So gesehen hat der Satz vom Grund nichts Unfaßliches. Dies trifft uns erst dann, wenn wir den Satz vom Grund gleichsam in der entgegengesetzten Richtung bedenken, nicht in der Richtung auf die Fel-
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der und Bezirke seiner Anwendung, sondern in der Richtung auf seine eigene Herkunft, in der Richtung auf das, von woher der Satz selber spricht. Das Unfaßliche des Satzes liegt jetzt nicht mehr in einem Mangel an Anwendung durch uns, sondern in der Zu wendung des Anspruches des Satzes an uns. Dies, von woher der Anspruch des Satzes spricht, nennen wir den Ort des Satzes vom Grund. Den Weg, der zu diesem Ort führen und den Ort allererst erkunden soll, nennen wir die Erörterung des Satzes vom Grund. Alles liegt am Weg. Dies meint zweierlei. Einmal, daß alles auf den Weg ankommt, darauf, ihn zu finden und auf ihm zu bleiben. Dies besagt, das »unterwegs« auszuhalten. Die Denkwege der Erörterung haben das Eigentümliche, daß wir unterwegs auf solchen Wegen dem Ort näher sind, als wenn wir uns einreden, am Ort angelangt zu sein, um uns dort niederzulassen; denn der Ort ist anderen Wesens als eine Stelle oder ein Platz im Raum. Was wir den Ort nennen, hier den Ort des Satzes vom Grund, ist jenes, was das Wesende einer Sache in sich versammelt. Alles liegt am Weg – sagt zum anderen: Alles, was es zu erblicken gilt, zeigt sich je nur unterwegs am Weg. Das zu Erblickende liegt am Weg. Innerhalb des Gesichtsfeldes, das der Weg öffnet, durch das er führt, sammelt sich das vom Weg aus jeweils Erblickbare. Um auf den Weg der Erörterung des Satzes vom Grund zu gelangen, müssen wir jedoch springen. Der Sprung kündigt sich darin an, daß wir einem Wechsel der Tonart des Satzes vom Grund folgen. Inwiefern hier kein allmählicher Übergang von einer Tonart in die andere möglich, sondern der Sprung nötig ist, wird sich im folgenden verdeutlichen. Inwiefern etwas zwischen dem liegt, was der im gewöhnlichen Sinne verstandene Satz vom Grund meint, und dem, was der Satz
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vom Grund als Satz vom Sein sagt, bleibt eine Frage, die zugleich frägt, was dieses Zwischen ist, das wir im Sprung in gewisser Weise überspringen oder besser gesagt: durchspringen wie eine Flamme. Zunächst ist jedoch anderes zu bedenken, damit wir den Weg der Erörterung in der ganzen Weite seiner Bahn im Blick behalten. Der Sprung ist jeweils Absprung. Dasjenige, wovon der Sprung des Denkens abspringt, wird in solchem Sprung nicht preisgegeben, vielmehr wird der Absprungbereich erst aus dem Sprung her und auf eine andere Weise als zuvor überblickbar. Der Sprung des Denkens läßt das, wovon er abspringt, nicht hinter sich, sondern eignet es sich auf eine ursprünglichere Weise an. Nach dieser Hinsicht wird das Denken im Sprung zum Andenken, nicht an Vergangenes, sondern an das Gewesene. Damit meinen wir die Versammlung dessen, was gerade nicht vergeht, sondern west, d. h. währt, indem es dem Andenken neue Einblicke gewährt. In allem Gewesen verbirgt sich ein Gewähren, dessen Schätze oft lange Zeit hindurch ungehoben bleiben, welche Schätze jedoch das Andenken immer wieder vor einen unerschöpflichen Brunnen stellen. Die Größe eines Zeitalters bemißt sich, geschicklich gedacht, nicht darnach, was von ihm vergeht und was bleibt, sondern nach dem, was in sich vergänglich ist, wie z. B. alles nur Planbare, und dem, was dagegen aus sich, bevor es schon geworden, in das Gewesen gehört, insofern es ein Gewährtes ist. Nur das Gewährte hat in sich die Gewähr zu währen. Währen aber meint hier: als Gewährtes bleiben, statt nur als Übergangenes in einer Leere des Vergehens fortzudauern. Unzählig ist das Vergehende und Vergangene, selten das Gewesene, seltener noch sein Gewähren. Der Hinweis auf die fünf Hauptsachen sollte uns auf den Weg zurückbringen, der durch einen Bereich führt, den
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wir jetzt als den Absprungbereich für den Sprung erkennen. Der Sprung bringt das Denken aus dem Bereich des Satzes vom Grund als eines obersten Grundsatzes über das Seiende in ein Sagen, das vom Sein als solchem sagt. Die an fünfter Stelle angeführte Hauptsache nennt den Wechsel der Tonart im Satz vom Grund, verweist somit schon auf den Sprung. Die vier zuvor genannten Hauptsachen kennzeichnen dagegen den Absprungbereich, und zwar nur nach einigen Hinsichten, aber zugleich einheitlich. Inwiefern? Insofern, als dabei immer wieder vom Geschick und vom Entzug des Seins die Rede war, genauer davon, daß das Sein sich uns zuschickt, indem es sich entzieht. Das klingt nicht nur befremdlich, es ist überhaupt zunächst unverständlich, weil gegen alle Gewohnheit unseres Vorstellens. Dennoch wurde der Hinweis auf das Geschick des Seins mit Absicht bei der Anführung der vier ersten Hauptsachen vorgebracht. Was Geschick des Seins genannt wird, kennzeichnet die bisherige Geschichte des abendländischen Denkens, sofern wir auf sie und in sie aus dem Sprung her zurückblicken. An das, was Geschick des Seins heißt, können wir nicht denken, solange wir nicht den Sprung vollziehen. Der Sprung ist der Satz aus dem Grundsatz vom Grund als einem Satz vom Seienden in das Sagen des Seins als Sein. Wenn nun auch das Andenken an das Geschick des Seins nur aus dem Sprung möglich ist, so kann doch die seinsgeschichtliche Erfahrung der bisherigen Geschichte des abendländischen Denkens nichts sein, was völlig befremdet und gar auf einer willkürlichen Konstruktion der Geschichte beruht. Also muß die Geschichte des abendländischen Denkens ihrerseits Fingerzeige geben, die, falls wir ihnen folgen, uns einiges, wenngleich verhüllt, von dem erblicken lassen, was hier Seinsgeschichte heißt. Seinsge-
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schichte ist das Geschick des Seins, das sich uns zuschickt, indem es sein Wesen entzieht. Zum Gebrauch des Wortes »Geschick« in der Rede vom Geschick des Seins sei folgendes vermerkt: Gewöhnlich verstehen wir unter Geschick dasjenige, was durch das Schicksal bestimmt und verhängt worden ist: ein trauriges, ein böses, ein gutes Geschick. Diese Bedeutung ist eine abgeleitete. Denn »schicken« besagt ursprünglich: bereiten, ordnen, jegliches dorthin bringen, wohin es gehört, daher auch einräumen und einweisen; ein Haus, eine Kammer beschicken heißt: in der rechten Ordnung, eingeräumt und aufgeräumt halten. So hat Stefan George in einem seiner späten und schönsten Gedichte den alten Klang des Wortes »schicken« und »beschicken« wieder gehört, im »Seelied« (Das Neue Reich 1919, S. 130 f.).* Das Gedicht beginnt: Wenn an der kimm in sachtem fall Eintaucht der feurig rote ball: Die vorletzte Strophe lautet: Mein herd ist gut, mein dach ist dicht, Doch eine freude wohnt dort nicht. Die netze hab ich all geflickt Und küch und kammer sind beschickt. Wenn wir das Wort »Geschick« vom Sein sagen, dann meinen wir, daß Sein sich uns zuspricht und sich lichtet und lichtend den Zeit-Spiel-Raum einräumt, worin Seiendes erscheinen kann. Im Geschick des Seins ist die Geschichte des Seins nicht von einem Geschehen her gedacht, das durch einen Verlauf und einen Prozeß gekennzeichnet
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wird. Vielmehr bestimmt sich das Wesen von Geschichte aus dem Geschick des Seins, aus dem Sein als Geschick, aus solchem, was sich uns zuschickt, indem es sich entzieht. Beides, Sichzuschicken und Sichentziehen, sind Ein und das Selbe, nicht zweierlei. In beiden waltet auf verschiedene Weise das vorhin genannte Gewähren, in beiden, d. h. auch im Entzug, hier sogar noch wesentlicher. Das Wort vom Geschick des Seins ist keine Antwort, sondern eine Frage, unter anderen die Frage nach dem Wesen der Geschichte, insofern wir die Geschichte als Sein und das Wesen aus dem Sein denken. Der geschickhafte Charakter des Seins befremdet uns zunächst am meisten, abgesehen von der ständig mitlaufenden Schwierigkeit, daß wir die Rede vom Sein zwar ohne weiteres und ins Unbestimmte verstehen, zugleich aber ratlos darin sind, was, streng gedacht, dies heißt: »das Sein«. Hat es jedoch damit seine Wahrheit, daß Sein jeweils sich uns zuschickt, als solches sich uns einräumt und Schickung ist, dann ergibt sich hieraus, daß »Sein« und »Sein« jeweils in den verschiedenen Epochen seines Geschickes anderes sagt. Gleichwohl waltet im Ganzen des Seinsgeschickes etwas Selbiges, was sich allerdings nicht durch einen allgemeinen Begriff vorstellen oder als ein roter Faden aus dem vielfältigen Geschichtsgang herausziehen läßt. Das zunächst Befremdliche bleibt jedoch dies: Sein schickt sich uns zu, indem es zugleich sein Wesen entzieht, dieses im Entzug verbirgt.a Indes kündigt sich gerade dieser befremdlichste Charakter des Seins schon früh in der Geschichte des abendländischen Denkens an. Er kündigt sich insofern an, als das frühe Denken der Griechen dort, wo es sich vollendet, bei Platon und Aristoteles, eigens auf einen Sachverhalt achten a
Lichtung »des« Sichverbergens Bergen
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muß, den das nachkommende Denken zwar im Blick behalten, aber in seiner Tragweite keineswegs ermessen hat. Um diesen Sachverhalt in aller Wesentlichkeit und Kürze vor unseren Blick zu bringen, sei ein hervorragendes Zeugnis aus vielen ausgewählt. Es findet sich am Beginn des ersten Kapitels des ersten Buches der »Physik« des Aristoteles. Diese »Physik« ist eine Vorlesung, in der er das von-sich-her-Seiende, taÁ fyÂsei oÍnta, hinsichtlich seines Seins zu bestimmen versucht. Die aristotelische »Physik« ist von dem, was wir heute unter diesem Namen verstehen, nicht nur insofern verschieden, als sie in die Antike, die physikalische Wissenschaft dagegen in die Neuzeit gehört, sondern vor allem dadurch, daß die »Physik« des Aristoteles Philosophie ist, die neuzeitliche Physik aber eine positive Wissenschaft, die eine Philo sophie voraussetzt. Die »Physik« des Aristoteles bleibt das Grundbuch dessen, was man später Metaphysik nennt. Diese bestimmt das Gefüge des gesamten abendländischen Denkens, auch dort, wo es als neuzeitliches Denken gegen das antike Denken zu denken scheint. Allein Gegnerschaft schließt stets eine entschiedene und oft sogar gefährliche Abhängigkeit in sich. Ohne die »Physik« des Aristoteles gäbe es keinen Galilei. Aristoteles beginnt seine Vorlesung, indem er den Weg überlegt, auf dem das Denken dahin gelangt, das von-sichher-Seiende, taÁ fyÂsei oÍnta, hinsichtlich seines Seins und dieses Sein als fyÂsiw zu umgrenzen. Der Weg heißt griechisch oëdoÂw; meta heißt »nach«; meÂûodow ist der Weg, auf dem wir einer Sache nachgehen: die Methode. Es gilt, dem Sein des Seienden nachzugehen. Das Sein des von-sich-her-Aufgehenden und -Anwesenden heißt fyÂsiw. Wie steht es nun mit dem Weg des Denkens, das unterwegs zur fyÂsiw ist? Der Weg dahin empfängt seinen eigenen Charakter aus der Weise, wie das Sein des Seienden für den erkennenden
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Menschen offenbar ist. Nun zeigt sich überall leicht, daß uns das jeweilig Seiende, z. B. die Erde, das Meer, die Gebirge, die Gewächse und die Tiere, jederzeit offenkundig gegenüberliegt. Darum ist es uns vertraut und unmittelbar zugänglich. Dagegen liegt das, wohindurch all dieses von-sich-her-Anwesende auf seine Weise anwest und aufgeht, uns niemals gegenüber wie das hier und dort jeweils Anwesende. Das Sein ist uns keineswegs so unmittelbar vertraut und offenkundig wie das jeweilig Seiende. Nicht als ob das Sein sich gänzlich verborgen hielte. Geschähe dies, dann könnte uns auch niemals Seiendes gegenüberliegen und vertraut sein. Sein muß sogar von sich her und schon zuvor scheinen, damit jeweilig Seiendes erscheinen kann. Würde Sein nicht scheinen, dann gäbe es keine Gegend, innerhalb deren allein ein Gegenüber sich ansiedeln kann. Hieraus ersehen wir: Sein zeigt im Vergleich mit dem unmittelbar zugänglichen Seienden den Charakter, an sich zu halten, sich in gewisser Weise zu verbergen. Gemäß diesem Grundzug des Seins bestimmt sich die Natur des Weges, der zur Bestimmung des Seins des Seienden führen soll. Zur Kennzeichnung des Weges, der das Denken in die Gegend des Seins des Seienden führt, sagt Aristoteles am Beginn der Physik-Vorlesung dies: peÂfyke deÁ eÆk tv Ä n gnvrimvteÂrvn hëmiÄn hë oëdoÁw kaiÁ safesteÂrvn eÆpiÁ taÁ safeÂstera tìhÄ fyÂsei kaiÁ gnvrimv  tera (184 a 16 sqq.).* Erläuternd übersetzt, sagt dies: »Der Weg (auf das Sein des Seienden zu) aber ist aus seinem Wesen so geartet und geleitet, daß er von dem uns Vertrauteren, weil nämlich für uns Offenkundigeren aus auf das zuführt, was, weil von ihm selbst her aufgehend, das an ihm selbst Offenkundigere und in solchem Sinne das zuvor schon Zugetraute ist.«
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Wir müssen hier auf eine durchgängige Auslegung dieses Satzes verzichten, dessen sprachlicher Bau einer Komposition der schönsten griechischen Vasenmalerei gleichkommt. Die Auslegung des Satzes verlangte ein Eingehen auf das 1. Kapitel des I. Buches der Physik des Aristoteles. Dieses kurze Kapitel ist die klassische Einführung in die Philosophie. Es macht auch heute noch ganze Bibliotheken philosophischer Literatur überflüssig. Wer dieses Kapitel verstanden hat, kann die ersten Schritte im Denken wagen. Aristoteles unterscheidet in dem angeführten Satz taÁ hëmiÄn safeÂstera gegen taÁ safeÂstera tìhÄ fyÂsei. Jedesmal handelt es sich um toÁ safeÂw: das Offenkundige. Genauer gesprochen: Aristoteles unterscheidet einmal Offenkundigeres, insofern es von uns aus und in Rücksicht auf unser Vernehmen gesehen wird; zum anderen Offenkundigeres, das von solcher Art ist, daß es von sich her sich öffnet und kundgibt. Das ist, was der Name fyÂsiw sagt, das Sein. Das zuerst genannte Offenkundigere, d. h. das für uns Zugänglichere, ist das jeweilig Seiende. Der Weg der Philosophie führt nun nach dem Satz des Aristoteles von dem für uns Offenkundigeren aus auf das an ihm selbst von-sich-her-Aufgehende zu. Mithin erblicken wir das Sein nie unmittelbar. Dies liegt daran, daß unsere Augen nicht ohne weiteres zum Erblicken des Seins taugen, also keineswegs daran, daß das Sein sich entzieht. Der Satz des Aristoteles sagt vielmehr genau das Gegenteil von dem, was er uns durch seine Anführung doch bezeugen soll, daß nämlich das Sein selbst sich entziehe. Aristoteles sagt: Die fyÂsiw und was zu ihr gehört, ist taÁ aëplvÄw safeÂstera. Sein ist das von sich her Offenkundigere. Ohne Rücksicht darauf, ob es von uns eigens erblickt wird oder nicht, scheint es schon; denn es scheint bereits auch dort, wo wir das erfahren, was nur
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für uns das Offenkundigere ist: das jeweilig Seiende. Solches zeigt sich nur im Licht von Sein. Indes würden wir uns arg übereilen und das Entscheidende völlig außer acht lassen, wollten wir es bei der soeben getroffenen Feststellung bewenden lassen, die sagt: Sein ist das von sich her Offenkundigere und entzieht sich gerade nicht. Denn hier erhebt sich die Frage: Lichtet das Sein in dem genannten Sichnichtentziehen auch schon sein eigenes Wesen und dessen Herkunft? Wir müssen antworten: nein.* In dem Von-sich-her-Aufgehen, in der fyÂsiw, waltet also doch ein Sichentziehen und dies so entschieden, daß ohne dieses jenes nicht walten könnte. Schon vor Platon und Aristoteles hat einer der frühen griechischen Denker, Heraklit, gesagt: fyÂsiw kryÂptesûai fileiÄ (Frg. 123)**: Sein liebt (ein) Sichverbergen. Doch was heißt, griechisch gedacht, fileiÄn, lieben? Es heißt: zusammengehören im Selben. Heraklit will sagen: Zum Sein gehört ein Sichverbergen. Damit sagt er keineswegs, Sein sei nichts anderes als Sichverbergen, sondern: Sein west zwar als fyÂsiw, als Sichentbergen, von sich her Offenkundiges, aber dazu gehört ein Sichverbergen. Fiele die Verbergung aus und weg, wie sollte dann noch Entbergung geschehen? Wir sagen heute: Sein schickt sich uns zu, aber so, daß es zugleich schon sich in seinem Wesen entzieht. Dies meint der Titel »Seinsgeschichte«. Unter diesem Namen ist nicht willkürlich etwas ausgedacht, sondern nur entschiedener an schon Gedachtes gedacht. In solchem Andenken an die kaum erblickbare Seinsgeschichte kommt diese als solche erst zum Vorschein. Wenn wir sagen: Sein schickt sich uns zu, indem es sich als solches in seinem Wesen zugleich schon entzieht, dann sagt dies freilich noch anderes als das, was Heraklits Wort und die Sätze des Aristoteles nennen. Zunächst aber kommt es nur darauf an, daß wir einsehen,
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inwiefern aus dem Andenken an die Geschichte des abendländischen Denkens Sein als Seinsgeschick erblickbar wird. Die Rede von einer Incubation des Seins klingt jetzt weniger befremdlich. Denn das Wort »Incubation« ist nur ein anderer Name für das Sichentziehen des Seins in die Verbergung, welche Verbergung die Quelle jeder Entbergung bleibt. Wo der letzte Rest der Verbergung des Seins schwindet, nämlich im absoluten Sichselbstwissen des absoluten Geistes in der Metaphysik des deutschen Idealismus, ist die Entbergung des Seienden hinsichtlich seines Seins, d. h. die Metaphysik, vollendet und die Philosophie am Ende. Aus der Incubation des Seins und ihrer Epochen stammt die Incubationszeit des Satzes vom Grund, wenn anders dieser Satz in Wahrheit ein Satz vom Sein ist und als dieser Satz hinsichtlich der Weise seines Sagens vom Seinsgeschick her bestimmt bleibt. Mit dem Ende der Incubationszeit des Satzes vom Grund fällt jedoch keineswegs das Ende der Incubation des Seins als solchen zusammen. Vielmehr kommt damit, daß der Satz vom Grund als ein oberster Grundsatz sich herausstellt und so sein Anspruch sich erst ins Großmächtige entfaltet, das Unheimliche herauf, daß sich das Sein als solches je und je entschiedener entzieht. Dem widerspricht es nicht, wenn mit dem wachsenden Anspruch des Satzes vom Grund als einem obersten Grundsatz des Denkens und Erkennens eine neue Auslegung des Seins des Seienden sich entfaltet. Sein enthüllt sich in der Folge als Gegenständigkeit für das Bewußtsein und dies sagt zugleich: Sein bringt sich als Wille zum Vorschein. Es wäre eine eigene und für das heutige Vorstellen noch recht schwer zu fassende Aufgabe zu zeigen, inwiefern die Prägung des Seins als Gegenständigkeit und als Wille das
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Selbe sagt. Den entscheidenden Schritt in der Ausprägung des Seins als Gegenständigkeit und Wille vollzieht nach der Vorbereitung durch Descartes, Spinoza und Leibniz erst die Philosophie Kants. Wenn wir den Satz vom Grund in der zweiten Tonart hören, dann spricht der Satz vom Grund als Satz vom Sein. Der wachsende Herrschaftsanspruch des Satzes vom Grund besagt demnach, daß sich das Sein – nämlich als Gegenständigkeit (Wille) – entschiedener zur Herrschaft bringt. Mit dem Blick auf diesen Sachverhalt gewinnen wir einen weiteren Einblick in das Seinsgeschick, und zwar jetzt aus der Epoche, die man nach der historischen Periodeneinteilung die Neuzeit nennt. Weil sowohl in Beziehung auf das bisher Erörterte als auch im Vorblick auf den folgenden Gang viel daran liegt, daß wir dem, was Seinsgeschick heißt, verläßlich und deutlich genug nachdenken, sei eine zweite Charakteristik der Seinsgeschichte gegeben. Sie betrifft, von der Geschichte des neuzeitlichen Denkens her gesehen, das Verhältnis von Kant zu Leibniz. Durch Leibniz gelangt der Satz vom Grund eigens in den Rang eines obersten Grundsatzes. Das Machtende des principium rationis besteht jedoch weniger im Maß seiner ausdrücklichen Anwendung als einer befolgten Denkregel. Der machtende Anspruch des principium rationis besteht vielmehr darin, daß nicht nur die neuzeitliche Wissenschaft in der Gestalt der mathematischen Physik, sondern vor allem das Denken der Philosophie unter dem Geheiß steht, das aus dem Anspruch auf Zustellung des zureichenden Grundes spricht.
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eute vor zweihundert Jahren wurde Wolfgang Amadeus Mozart geboren. Ich bin nicht befugt, ein Wort zu seinem Werk, ein Wort über sein Dasein, ein Wort vom Ineinanderspiel beider zu sagen. Vielmehr möge Mozarts eigenes Wort uns in diesem Augenblick einen Wink auf unseren Weg geben. Mozart schreibt einmal in einem Brief (vgl. »Auszüge aus Mozartbriefen«, Das Musikleben, I. Jahrgang, 1. Heft, Mainz 1948)*:
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»Etwa auf Reisen im Wagen, oder nach guter Mahlzeit, beim Spazieren und in der Nacht, wenn ich nicht schlafen kann, da kommen mir die Gedanken stromweis und am besten. Die mir nun gefallen, die behalte ich im Kopf und summe sie wohl auch für mich hin, wie mir andere wenigstens gesagt haben. Halt ich das nun fest, so kömmt mir bald eins nach dem andern bei, wozu ein Brocken zu brauchen wär, um eine Pastete daraus zu machen, nach Kontrapunkt, nach Klang der verschiedenen Instrumente usw. Das erhitzt mir nun die Seele, wenn ich nämlich nicht gestört werde; da wird es immer größer und ich breite es immer weiter und heller aus, und das Ding wird im Kopf wahrlich fast fertig, wenn es auch lang ist, so daß ich’s hernach mit einem Blick gleichsam wie ein schönes Bild oder einen hübschen Menschen im Geist übersehe,
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und es auch gar nicht nacheinander, wie es hernach kommen muß, in der Einbildung höre, sondern wie gleich alles zusammen. Das ist ein Schmaus! Alles, das Finden und Machen geht in mir nun nur in einem schönen starken Traum vor. Aber das Überhören, so alles zusammen, ist doch das Beste.« Weshalb ich dieses Wort anführe, werden Sie aus der Erinnerung an früher Gesagtes merken. Das Hören ist ein Blikken. Dies »mit einem Blick« das Ganze »übersehen« und das »Überhören, so alles zusammen« sind eines und dasselbe. Die verborgene Einheit dieses Er-blickens und Er-hörens bestimmt das Wesen des Denkens, das uns Menschen, die wir die denkenden Wesen sind, zugetraut ist. Wir würden die angeführte Briefstelle Mozarts zu äußerlich und schief fassen, wollten wir sie nur, psychologisch deutend, als einen Beleg zur Beschreibung des künstlerischen Schaffens nehmen. Die Stelle sagt uns, daß Mozart der Hörendsten einer unter den Hörenden gewesen, d. h. west und also noch ist. Was Wesen und Herz Mozarts ist, kann uns der schon einmal gehörte Angelus Silesius auf seine Weise durch einen uralten Gedanken andeuten. Der Spruch 366 aus dem »Cherubinischen Wandersmann« (V. Buch) sagt: Ein Herze, das zu Grund Gott still ist, wie er will, Wird gern von ihm berührt: es ist sein Lautenspiel. Der Spruch trägt die Überschrift: »Das Lautenspiel Gottes«. Das ist Mozart. ————
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Wir können den Satz vom Grund auf eine zweifache Weise hören: einmal als obersten Grundsatz über das Seiende, zum anderen als Satz vom Sein. In dem zweiten Fall sind wir dahin gewiesen, den Grund als Sein und Sein als Grund zu denken. In solchem Falle beginnen wir mit dem Versuch: Sein als Sein zu denken. Dies sagt: Sein nicht mehr durch etwas Seiendes erklären. Wie weit solches Beginnen und an welche Grenze es führt, kann nur ein Versuch zeigen, das Sein als Sein zu sagen. Der Weg in ein solches Denken ist nun aber nichts anderes als das Hören des Satzes vom Grund als eines Satzes vom Sein. Auf den Weg solchen Hörens gelangen wir allerdings nur durch einen Sprung. Der Sprung springt ab von einem und aus einem Absprungbereich. Der Sprung verläßt diesen Bereich und läßt ihn gleichwohl nicht hinter sich. Durch das Verlassen gewinnt der Sprung den Absprungbereich auf eine neue Weise zurück, und zwar nicht nur nebenbei, sondern notwendig. Der Sprung ist ein wesenhaft zurückblickender Sprung. Was wir im Rückblick den Hauptsachen nach erblicken, versuchen wir einheitlich zu behalten, indem wir den Hauptzug des Absprungbereiches kennzeichnen. Dieser Bereich zeigte sich uns als die Geschichte des abendländischen Denkens. Im Hinblick auf sie war vom Seinsgeschick die Rede. Was es in der zweiten Tonart des Satzes vom Grund als dem Satz vom Sein zu hören gilt, ist keineswegs von solcher Art, daß wir es überhaupt noch nicht im Ohr hätten. Es ist vielmehr von solcher Art, daß es uns in unserem Wesen beansprucht, wohlgemerkt: in unserem Wesen. Das will sagen: Der Anspruch des Seins räumt den Menschen erst in sein Wesen ein. Im Geschick des Seins und aus ihm sind wir erst geschicklich und als geschickliche Wesen daran gehalten, das Schickliche zu fin-
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den, und d. h. immer zugleich darin verstrickt, das Schickliche zu verfehlen. Alles Denken muß jedoch im Hinblick darauf, was es zu denken gibt, in einer Erfahrung bewandert bleiben, die niemals nur Erfahrung des Einzelnen ist und sich kurz so aussprechen läßt: Selten genug finden wir uns eigens von dem angesprochen, was uns im Wesen beansprucht, und d. h. braucht. In dieser Bean spruchung schickt Sein sich uns zu. Es währt als dieses Sichzuschicken in der Weise, daß es sich zugleich in sein Wesen entzieht. Der Entzug ist ein Grundzug des Geschickes in dem Sinne, der erläutert wurde. Wenn von »Seinsgeschichte« gesprochen wird, dann hat diese Rede nur einen Sinn, wenn wir Geschichte aus dem Geschick als Entzug denken, nicht aber wenn wir umgekehrt und nach der Gewöhnung das Geschick aus der Geschichte als einem Geschehen nach der Art eines stetig ablaufenden Prozesses vorstellen. Doch nicht weniger wichtig als der erste Blick in die Geschichte des Seins als Geschick bleibt das Andere. Es gilt nämlich im voraus zu beachten, daß und inwiefern schon in der Geschichte des abendländischen Denkens das zu einem Vorschein kommt, was wir Geschick des Seins nennen. Um dies deutlicher zu sehen und künftig eindringlicher anzueignen, versuchen wir zwei Winke aus der Geschichte des abendländischen Denkens aufzufangen. Den ersten entnehmen wir der Vorlesung des Aristoteles über die »Physis«.* In der »Physik« des Aristoteles wird die Wesensherkunft dessen angezeigt, was, philosophisch gedacht, Metaphysik ist und durch alle Abwandlungen hindurch bleibt. Aristoteles sagt im Beginn seiner Physikvorlesung Sätze über das Sein des Seienden, die zeigen: Sein ist fyÂsiw, das von sich her Offenkundige. Dies sagt: Sichentbergen ist ein Grundzug des Seins. Aber schon dieser Satz
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bleibt in der Weise, wie wir ihn geradewegs aussagen, für unser gewöhnliches Hören und Sprechen immer mißverständlich. Sichentbergen ist ein Grundzug des Seins. Dies hört sich so an: Es gibt Sein, und dieses Sein hat dann außerdem noch die Beschaffenheit, daß es sich entbirgt. Aber Sein ist nicht mit der Beschaffenheit ausgestattet, daß es sich entbirgt, sondern das Sichentbergen gehört zum Eigenen des Seins. Sein hat sein Eigenes im Sichentbergen. Sein ist nicht zuvor etwas für sich, das dann erst ein Sichent bergen bewerkstelligt. Sichentbergen ist keine Beschaffenheit des Seins, sondern: Sichentbergen gehört in die Eigenschaft des Seins. Wir gebrauchen hier das Wort Eigenschaft in der Einzahl, wie z. B. das Wort: die Kundschaft. Die Eigenschaft meint dann jenes, worin »Sein« das eigene Wesen als sein Eigentum wahrt. Sichentbergen gehört in die Eigenschaft des Seins. Doch selbst diese Rede ist noch schief. Streng gedacht, müssen wir sagen: Sein gehört in die Eigenschaft des Sichentbergens. Aus diesem, dem Sichentbergen, und als dieses spricht sich uns zu, was »Sein« heißt. Was »Sein« heißt, können nicht wir, von uns aus, beliebig ausmachen und durch Machtsprüche festsetzen. Was »Sein« heißt, das bleibt geborgen in dem Geheiß, das aus den Leitworten des griechischen Denkens spricht. Was dieses Geheiß sagt, können wir niemals wissenschaftlich beweisen und beweisen wollen. Wir können es hören oder nicht. Wir können dieses Hören vorbereiten oder die Vorbereitung außer acht lassen. Aristoteles sagt: Sein ist das von sich her Offenkundigere. Aber dieses von ihm selbst her Offenkundigere ist zugleich für uns, d. h. von der Art und Richtung unseres gewohnten Vernehmens her gesehen, das weniger Offenkundige. Für uns gilt als offenkundiger das jeweils Seiende. Also liegt es, möchte man meinen, nur an uns Menschen,
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daß das Sein, das von sich aus Offenkundigere, für uns das weniger Offenkundige ist, und zwar zugunsten des Seienden. Daß das Sein weniger offenkundig ist, geht, so möchte man folgern, zu Lasten von uns Menschen. Aber diese anscheinend richtige Überlegung denkt zu kurz. Was heißt denn hier »zu Lasten von uns Menschen«, wenn das Wesen des Menschen darin beruht, daß es vom Sein beansprucht wird? Daß für uns das jeweilig Seiende das mehr Offenkundige ist und das Sein das weniger Offenkundige, dies kann nur am Wesen des Seins liegen, nicht an uns, »an uns« so gemeint, daß wir uns gleichsam für uns ins Leere und Bezuglose stellten. Wir sind jedoch außerhalb des Anspruches des Seins niemals diejenigen, die wir sind. Demnach ist es nicht irgendeine Beschaffenheit des anthropologisch vorgestellten Menschen, die es verursacht, daß das Sein für uns weniger offenkundig ist als das jeweilig Seiende. Vielmehr liegt es im Wesen des Seins, das als das Sichentbergen sich so entbirgt, daß zu diesem Entbergen ein Sichverbergen und d. h. Sichentziehen, gehört. Dies sagt der Spruch des Heraklit, den man als Fragment 123 zählt: FyÂsiw kryÂptesûai fileiÄ. »Zum Sichentbergen gehört ein Sichverbergen«. Sein als lichtendes Sichzuschicken ist zugleich Entzug. Zum Geschick des Seins gehört der Entzug. Ein zweiter Hinweis auf die Geschichte des abendländischen Denkens soll uns einen weiteren Einblick geben, inwiefern in der Geschichte dieses Denkens das Geschick des Seins als Entzug waltet. Aber nicht oft genug kann vor unseren inneren Blick gebracht werden, was hier Entzug besagt. So wenig wie das Sichentbergen die erst hinzukommende Beschaffenheit eines sonst bereits irgendwie bestehenden »Seins« ist, so wenig gilt dies vom Entzug und Sichentziehen. Wäre dies eine Beschaffenheit des Seins, dann
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besagte dies: Durch den Entzug bleibt das Sein einfach weg. Es gäbe dann dem so verstandenen Entzug zufolge kein Sein. Man verstünde hier Entzug in einem Sinne, der ein Verfahren meint, durch das man z. B. einem Wein die Säure entzieht, damit er sie nicht mehr hat. Aber Sein ist kein Ding, das irgendwer uns wegnimmt und beseitigt, sondern das Sichentziehen ist die Weise, wie Sein west, d. h. als Anwesen sich zuschickt. Der Entzug bringt das Sein nicht auf die Seite, sondern das Sichentziehen gehört als Sichverbergen in die Eigenschaft des Seins. Sein wahrt sein Eigenes im Sichentbergen, insofern es sich als dieses zugleich verbirgt. Das Sichverbergen, der Entzug, ist eine Weise, in der Sein als Sein währt, sich zuschickt, d. h. sich gewährt. Um das Sein des Seienden deutlicher als Geschick in den Blick zu bekommen, beachten wir innerhalb der Geschichte des abendländischen Denkens das Verhältnis zwischen Leibniz und Kant. Der Hinweis bleibt notgedrungen in dem begrenzten Gesichtskreis, der sich auf dem Weg dieser Vorlesung öffnete. Leibniz hat den Satz vom Grund als obersten Grundsatz heraus- und aufgestellt. Das leibnizische Denken, das die Überlieferung des abendländischen Denkens auf eine neue Weise erweckt und sammelt, gibt dem Anspruch des Satzes vom Grund als eines obersten Grundsatzes die Bahn frei, damit das in diesem Anspruch sich bergende Machten zum Tragen kommt. Doch was ist das Machtende im Anspruch des Grundes, wenn der Satz vom Grund ein Satz des Seins ist, demgemäß Sein und Grund das Selbe »sind«? Im Machten des Anspruches des Grundes waltet das Sein als Geschick – und wenn als Geschick, dann in der Weise des Entzugs. Es gilt jetzt, in die Epoche des Seinsgeschickes, die das Wesen der Neuzeit bestimmt, einen Einblick zu versuchen.
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Obwohl das Denken von Leibniz und Kant nach der historisch gerechneten Zeitferne uns um vieles näher liegt als das Denken des Griechentums, ist das neuzeitliche Denken in seinen Grundzügen weit schwerer zugänglich; denn die Schriften und Werke der neuzeitlichen Denker sind anders gebaut, vielschichtiger, mit Überlieferung durchsetzt und überall in die Auseinandersetzung mit dem Christentum eingelassen. Im Hinblick auf diese verwickelte Sachlage bleibt der folgende Hinweis auf Kant immer ein vereinzelter, schwacher Lichtstrahl. Er soll uns nur dazu verhelfen, ein Geringes vom Walten des Seinsgeschickes innerhalb des neuzeitlichen Denkens zu erblicken. Wir beherzigen dabei den folgenden Leitgedanken: Je größer das Denkwerk eines Denkers ist, das sich keineswegs mit dem Umfang und der Anzahl seiner Schriften deckt, um so reicher ist das in diesem Denkwerk Ungedachte, d. h. jenes, was erst und allein durch dieses Denkwerk als das Noch-nicht-Gedachte heraufkommt. Dies Ungedachte betrifft freilich nicht etwas, was ein Denker übersehen oder nicht bewältigt hat und was dann die besserwissenden Nachkommen nachholen müßten. Leibniz bestimmte die geläufige Vorstellung, daß alles einen Grund und jede Wirkung eine Ursache habe, als principium reddendae rationis sufficientis, als den Grundsatz von der Zustellung des zureichenden Grundes. Die ratio sufficiens, der zureichende Grund, ist aber im Sinne von Leibniz keineswegs der Grund, der gerade noch ausreicht, um etwas als ein Seiendes so zu halten, daß es nicht sogleich in Nichts zerfällt. Der zureichende Grund ist jener, der dem Seienden dasjenige zu- und darreicht, was es in den Stand setzt, sein volles Wesen, d. h. die perfectio, zu erfüllen. Die ratio sufficiens heißt daher bei Leibniz auch die summa ratio, der höchste Grund. Hier müssen wir uns mit der Be-
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merkung begnügen, daß der zureichende Grund für Leibniz stets der am weitesten reichende und so allem vorgreifende Grund ist. Durch die strenge Fassung des Satzes vom Grund als principium reddendae rationis sufficientis hat das neuzeitliche Denken erst seinen Tiefgang gefunden. In der Geschichte dieses Denkens ragt das Werk von Kant zu einer eigenen Höhe hinauf. Alle drei seiner Hauptwerke beginnen ihren Titel mit dem Wort »Kritik«: Kritik der reinen Vernunft, Kritik der praktischen Vernunft, Kritik der Urteilskraft. Urteilskraft ist das Vermögen zu urteilen. Die reine, d. h. nicht durch die Sinnlichkeit bestimmte Vernunft, sowohl die theoretische als auch die praktische Vernunft ist ein Vermögen, nach Prinzipien a priori zu urteilen. Darum gehört zu einer vollständigen Kritik der reinen (theoretischen wie praktischen Vernunft) eine Kritik der Urteilskraft. Auch in der dritten Kritik ist die Vernunft das eigentliche Thema. Vernunft aber heißt lateinisch ratio. Wie das lateinische Wort ratio, Rechnung und Vernunft, zur Bedeutung von »Grund« gelangt, (Satz vom Grund = principium rationis), werden wir alsbald hören. Das Denken Kants ist Kritik der reinen Vernunft, der ratio pura. Die Vernunft ist nach Kant das Vermögen der Prinzipien, d. h. der Grundsätze, der Grundgebung. Schon nach diesen Andeutungen springt in die Augen, daß der Satz vom Grund, das principium rationis, im Denken Kants auf eine ausgezeichnete Weise waltet. Gerade dieses ist der Grund dafür, daß Kant vom Satz des Grundes nur selten spricht. Kritik der reinen Vernunft meint hier überall nicht: kritisieren im Sinne von bemängeln. Die Kritik ist auch nicht bloß Prüfung und Musterung. Die Kritik setzt der Vernunft auch nicht nur Schranken. Die Kritik bringt vielmehr die Vernunft in ihre Grenzen. Schranke und Grenze sind nicht das gleiche. Gewöhnlich meinen wir,
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die Grenze sei jenes, wobei etwas aufhört. Aber die Grenze hat – nach dem alten griechischen Sinn – durchaus den Charakter des Versammelns, nicht des Abschneidens. Grenze ist jenes, von woher und worin etwas anfängt, aufgeht als das, was es ist. Wem dieser Sinn von Grenze fremd bleibt, vermag niemals einen griechischen Tempel, ein griechisches Standbild, eine griechische Vase in ihrem Anwesen zu erblicken. Im kantischen Gebrauch des Titels »Kritik« schwingt noch der griechische Sinn von kriÂnein nach: unterscheiden, dies jedoch in der Weise eines Abhebens, wodurch jenes herausgehoben wird, worauf es ankommt. Die Grenze wehrt nicht ab, sie hebt die Gestalt ans Licht des Anwesens heraus und trägt dieses. Kant wußte vom hohen Sinn der Kritik. Seine drei Kritiken zielen auf das, was er die »Bedingungen der Möglichkeit a priori« nennt. Das Wort von den »Bedingungen der Möglichkeit a priori« ist das Leitmotiv, das durch das ganze Werk Kants hindurchklingt. Die Wendung »a priori« – »von früherem her« ist der später aufkommende Nachklang dessen, was Aristoteles proÂteron tìhÄ fyÂsei nennt, das, was hinsichtlich des Sichentbergens das frühere ist, indem es als das von sich her Offenkundigere allem voraufgeht. In diesem Sinne sind für Kant die »Bedingungen der Möglichkeit« solche a priori. »Möglichkeit« besagt hier soviel wie: Ermöglichung. Worauf beziehen sich die Bedingungen der Ermöglichung a priori? Genau auf das, worauf sich schon für Aristoteles das proÂteron tìhÄ fyÂsei bezieht, nämlich auf taÁ safeÂstera proÁw hëmaÄw: was in Bezug auf uns und für uns das zunächst Offenkundige ist gegenüber der fyÂsiw, dem Sein. Das ist das Seiende. Kant bedenkt unter dem Titel »Bedingungen der Möglichkeit a priori« die Ermöglichung dessen, von wo aus sich für uns das Seiende als solches im Ganzen bestimmt. Von wo aus geschieht dies? Offensichtlich aus den-
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jenigen Bezirken des Seienden, in die wir als Menschen gestellt sind. Der Mensch ist das animal rationale. Er gehört als Naturwesen in den Bereich der Natur, als vernünftiges in das Reich der Vernunft, d. h. des Willens und damit der Freiheit. Demnach muß die »Kritik der reinen Vernunft« die Vernunft in ihrem Verhältnis zur Natur und in ihrem Verhältnis zum Willen und d. h. zur Kausalität des Willens, d. h. zur Freiheit bestimmen. Die Frage der Kritik ist die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit a priori von Natur und Freiheit. Die Bedingungen der Möglichkeit a priori stellen den jeweiligen Grund bei, der Natur und Freiheit in ihrem Wesen eingrenzt und sie uns so in der Vollständigkeit ihrer Bestimmungen dar- und zureicht. Hinter der Formel »Bedingungen der Möglichkeit a priori« verbirgt sich die Zustellung des zureichenden Grundes, der ratio sufficiens, die als ratio die reine Vernunft ist. Nach Kant läßt sich nur im Rückbezug auf die Vernunft (ratio) etwas in dem bestimmen, was es ist und wie es für das vernünftige Lebewesen »Mensch« ein Seiendes ist. Dies besagt aber jetzt nicht allein, daß im Sinne des neuzeitlichen Denkens das Seiende je nur als Objekt ist und das Objekt je nur Objekt für ein Subjekt, sondern jetzt wird deutlicher: Dieses Subjekt, d. h. die Vernunft, die ratio, d. h. die Versammlung der Bedingungen der Möglichkeit a priori für Natur und Freiheit, ist diese Versammlung nur als die Zustellung des zureichenden Grundes. In einer weithin verwandelten Gestalt kommt jetzt ans Licht, was ein Spruch des frühen griechischen Denkens sagt: toÁ gaÁr ayÆtoÁ noeiÄn eÆstiÂn te kaiÁ eiËnai*
Das nämlich Selbe ist Vernehmen sowohl als auch Sein.**
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Dies sagt, neuzeitlich gedacht: Vernehmen, Vernunft (ratio) und Sein gehören zusammen, und zwar so, daß die reine Vernunft, die ratio, jetzt nichts anderes ist als das Setzen, d. h. Zustellen des zureichenden Grundes für jegliches im Hinblick darauf, wie es als Seiendes erscheinen, d. h. vorgestellt und bestellt, behandelt und gehandelt werden kann. Nichts verwehrt uns, daß wir uns damit zufrieden geben, den Titel »Kritik der reinen Vernunft« als einen historisch vorliegenden Titel für das erste Hauptwerk Kants zu erläutern. Wir können aber auch darüber nachdenken, inwiefern das Denken Kants durchgängig unter diesem Titel als einem Anspruch steht. Dann zeigt sich die reine Vernunft, die theoretische und praktische, als ratio pura in dem Sinne, daß sie die Setzung des Grundes, d. h. der Grund aller Begründung ist: das Bestimmende aller Bedingungen der Möglichkeit des Seienden in ihrer Einheit. Die Kritik der reinen Vernunft bringt den Grund aller Begründung in seine umrissene Gestalt. Insofern durch Kant das Denken zur Kritik der reinen Vernunft wird, entspricht es dem Anspruch des principium rationis sufficientis. Kants Denken bringt durch diese Entsprechung den Anspruch des principium rationis in seiner ganzen Weite zum Vorschein, und zwar so, daß die ratio nur Grund ist als ratio im Sinne der Vernunft als des Vermögens der Grundsätze. Dieser Hinweis auf das, was sich hinter dem Titel »Kritik der reinen Vernunft« verbirgt, bleibt indes durchaus unzureichend, solange uns nicht im anschaulich nachvollziehenden Durchblick das Ganze der drei Kritiken Kants gegenwärtig wird. Diese drei Werke liegen, von außen gesehen, wie drei Riesenblöcke unverbunden nebeneinander. Kant selber hat zwar immer wieder versucht, die innere Einheit, die er gewiß sah, durch eine mehr äußere Architektonik sichtbar zu machen. Indessen wußte Kant mehr,
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als er durch diese Architektonik der Werke darzustellen vermochte. Was uns jedoch vor allem den Einblick in das Wesen dessen verwehrt, was in der Geschichte des abendländischen Denkens unter dem Titel »Kritik der reinen Vernunft« sich uns zuschickt, bleibt die Tatsache, daß wir noch nicht genügend durchdenken, inwiefern die maßgebenden Horizonte der kantischen Fragestellung sich erst im Lichte der strengen und vollständigen Fassung des Satzes vom Grund durch Leibniz öffnen konnten. Andererseits wird freilich der innerste Zug des leibnizischen Denkens durch die Philosophie Kants, genauer durch die Art, wie sie wirkte, in einen Schatten gerückt, worin das leibnizische Denken bis heute steht. Hierzu muß angemerkt werden, daß Kant selbst überall den zu seiner Zeit bekannten Schriften »des Herrn von Leibniz« mit der größten Hochachtung begegnet.
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ichts ist ohne Grund.«a Diese gewöhnliche Fassung des Satzes vom Grund lautet in der Umschreibung: »Jedes Seiende hat einen Grund.« Hierbei wird der Grund, den jedes Seiende hat, selbst als etwas Seiendes vorgestellt. Ein früher gegebener Hinweis auf einen Text aus Leibniz sollte dies zeigen. Der Satz vom Grund ist eine Aussage über das Seiende. In der anderen Tonart lautet der Satz vom Grund: »Nichts ist ohne Grund«. Dies sagt in der Umschreibung: »Zum Sein gehört Grund«. Oder: »Sein und Grund – das Selbe«. Der jetzt gehörte Satz sagt vom Sein. Der Übergang von der ersten in die zweite Tonart ist ein Sprung. Der Sprung aber ist ein rückblickender Sprung. Er blickt in den Absprungbereich zurück, um diesen im Blick zu behalten. Der Absprungbereich ist jenes Feld, worin der Satz vom Grund zwar nicht stets als Prinzip, so doch als mehr oder weniger deutlich gefaßter Leitgedanke öfter genannt wird. Der Absprungbereich, den wir damit meinen, ist nach der geläufigen Vorstellung die Geschichte des abendländischen Denkens. In diesem Denken wird überall und stets in vielfältig sich abwandelnden Begriffen und Namen das mannigfach erfahrene Seiende hinsichtlich seines Seins befragt. In der Geschichte dieses Denkens und für sie kommt so in gewisser Weise das Sein, nämlich als Sein »
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〈»Nichts ist ohne Grund.«〉
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des Seienden, zum Vorschein. Dieser Vorschein gibt jedoch einen Wink in das Sein als solches. Der Wink bringt eine Kunde vom Sein, darnach es nie erst durch menschliches Vorstellen gesetzt wird. Sein schickt sich dem Menschen zu, indem es lichtend dem Seienden als solchem einen Zeit-Spiel-Raum einräumt. Sein west als solches Geschick, als Sichentbergen, das zugleich währt als Sichverbergen. Die Geschichte des abendländischen Denkens ruht im Geschick des Seins. Was dieses Ruhen besagt, bedarf allerdings einer genaueren Bestimmung. Unerläßlich dafür bleibt, daß wir den unvermeidlich mehrdeutigen Titel »Geschick des Seins« eindeutig denken im Sinne von: Sein als sich-zusagendes, lichtendes Einräumen des Zeit-Spiel-Raumes für das je so oder so Erscheinende, das Seiende.* Aus der Abwehr läßt sich jetzt nur dies vermerken: Mit dem Hinweis auf das Geschick des Seins wird keineswegs nur dergleichen wie eine tiefere Schicht hinter die Geschichte des Denkens geschoben, so daß man leichthin wie durch die Umschaltung eines Hebels statt von »Philosophie« fortan von »Seinsgeschichte« reden dürfte. Das Geschick des Seins bleibt für uns zunächst deshalb so schwer erfahrbar, weil schon die Darstellung der Geschichte des Denkens uns nach mannigfachen Hinsichten überliefert und gedeutet ist. Dies hat eine fast heillose Verwirrung der Vorstellungen und Meinungen über die Geschichte der Philosophie zur Folge. Von hier aus geschätzt, erscheint jede Auslegung einer geschichtlich überlieferten Philosophie als einseitig. Hegel sagt mit Recht, der hausbackene Verstand treibe sich nur in solchen Einseitigkeiten herum und komme dadurch um die Sache. Das gewohnte Vorstellen vermag nicht jenes Einfache und Selbe zu erblicken, das sich zu seiner Zeit zur Sprache bringt und darüber entscheidet, ob an einer Auslegung etwas ist oder
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nicht. Diese läßt sich niemals im Gesichtsfeld zufällig aufgenommener Vorstellungen beurteilen. Die Maßgabe für eine Auslegung kommt aus der Weite des Fragens, in der sie das er-mißt, wovon ihr Fragen angesprochen werden soll. Das Gesagte gilt auch von den beiden Hinweisen auf die Geschichte des Denkens, die in den vorigen Stunden versuchten, mit Rücksicht auf Aristoteles und Kant einem Wink in das Geschick des Seins zu folgen. Kants Denken ist im Innersten und Äußersten Kritik der reinen Vernunft, wobei wir diesen Titel in seiner ganzen Fülle und Weite denken. Vernunft heißt und ist ratio, d. h. Vermögen der Grundsätze, d. h. des Grundes. Die Vernunft ist der gründende Grund. Grund ist nur als vernünftiger der reinen Vernunft. Wenn Kant, dem Leitmotiv seines Denkens gehorchend, den Bedingungen der Möglichkeit a priori für Natur und Freiheit nachdenkt, dann ist dieses Denken als vernünftiges Vorstellen das Zu-stellen des zureichenden Grundes für das, was dem Menschen als Seiendes erscheinen kann und was nicht, für die Weise, wie das Erscheinende erscheinen kann und wie nicht. Inwiefern verhilft uns der knappe Hinweis auf den inneren geschichtlichen Zusammenhang zwischen dem principium reddendae rationis sufficientis und der Kritik der reinen Vernunft zu einem Einblick in die neuzeitliche Epoche des Seinsgeschickes? Wie schickt sich im Umkreis des kantischen Denkens Sein zu? Die Frage frägt zugleich, wie in dieser Zuschickung Sein sich entzieht. Bei der Beantwortung dieser Frage müssen wir uns auf einen einzigen, aber entscheidenden Zug des kantischen Denkens beschränken. Er entfaltet sich darin, daß Kant zum ersten Mal wieder seit der Philosophie der Griechen die Frage nach dem Sein des Seienden als eine zu entfaltende Frage entwirft. Mit dieser Frage als Frage und durch sie besinnt
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sich Kant eigens auf den Weg, der dem Seienden hinsichtlich seines Seins nachgeht, auf die Methode. Dies alles geschieht freilich in einer ganz anderen Wegrichtung, weil in einer anderen Dimension als bei den griechischen Denkern. Wegrichtung und Wegbereich des kantischen Fragens sind durch die Ratio gekennzeichnet: Ratio in dem Doppelsinn von Vernunft und Grund. Gemäß dem Zug des neuzeitlichen Denkens, das sich im Bereich der Vernunft bewegt, denkt auch Kant in und aus der Dimension der Vernunft. Diese ist als Vermögen der Grundsätze allgemein das Vermögen, etwas als etwas vorzustellen. Das »ich stelle etwas als etwas vor mich« ist die strengere Fassung des ego cogito des Descartes, des »ich denke«. Die Dimension der Kritik, der theoretischen, der praktischen und der technischen Vernunft ist somit die Ichheit des Ich: die Subjektivität des Subjektes. In der Beziehung auf das Ich als Subjekt hat das im Vorstellen vor das Ich gestellte Seiende den Charakter des Objektes für das Subjekt. Das Seiende ist Seiendes als Gegenstand für ein Bewußtsein. Indem das Bewußtsein den Gegenstand auf sich zu stehen läßt, stellt es so sich selbst mit vor, ist Selbstbewußtsein. Weil nun aber der Bereich der Subjektivität als Bereich der Ratio im Sinne der Vernunft in sich der Bereich des principium rationis ist, der Ratio im Sinne des Grundes, geht die Kritik der reinen Vernunft dem zureichenden Grund für die Gegenstände nach, d. h. für die Gegenstände als Gegenstände des seiner selbst bewußten vorstellenden Subjektes. Die kritische Frage nach dem zureichenden Grund für die Gegenstände wird zur Frage nach den apriorischen Bedingungen der Möglichkeit des erfahrenden Vorstellens der Gegenstände. Worin diese Bedingungen bestehen und auf welche Weise sie nach Kant das Vorstellen ermöglichen, kann hier nicht dargelegt werden. Wichtig ist jetzt ein Anderes.
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Der Grund, der dem Gegenstand seine Möglichkeit als Gegenstand zureicht, umschreibt das, was wir die Gegenständigkeit der Gegenstände nennen. Die Gegenständigkeit ist das kantisch verstandene Sein des erfahrbaren Seienden. Die Gegenständigkeit des Gegenstandes ist offensichtlich das Eigenste des Gegenstandes. Gleichwohl haftet die Gegenständigkeit nicht am und im Gegenstand wie irgendeine seiner Beschaffenheiten sonst. Die Gegenständigkeit eignet sich vielmehr den* Gegenstand zu, dies jedoch nicht nachträglich, sondern bevor er als Gegenstand erscheint, damit er als solcher erscheinen kann. Die kritische Umgrenzung der Gegenständigkeit des Gegenstandes geht deshalb über den Gegenstand hinaus. Allein dieses Hinausgehen über den Gegenstand ist nichts anderes als das Hineingehen in den Bereich der gründenden Grundsätze, in die Subjektivität der Vernunft. Der Überstieg über den Gegenstand zur Gegenständigkeit ist der Einstieg in die Vernunft, die dabei erst in ihrem grund-setzenden Wesen zum Vorschein kommt. Dieses in die Subjektivität eigens einsteigende Übersteigen des Gegenstandes ist, lateinisch gesprochen, ein transcendere. Kant nennt darum sein kritisches Vorgehen, das den apriorischen Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände nachgeht, die überstieghafte, die transzendentale Methode. Bei der Wirrnis, in der heute die Titel Transzendenz, transzendental und transzendent umlaufen, ist es nötig, klar zu unterscheiden. Auch wer meint, über das Bescheid zu wissen, was Kant unter transzendentaler Methode versteht, muß sich das von Kant Gedachte immer wieder neu aneignen. Weshalb? Weil die transzendentale Methode kein Verfahren ist, das sich nur äußerlich um das herumbewegt, womit es sich beschäftigt. Kant nennt die Methode der
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»Kritik«, d. h. der umgrenzenden Zustellung des zureichenden Grundes, mit Bedacht transzendental und nicht transzendent; denn »transzendent« nennt Kant jenes, was außerhalb der Grenzen der menschlichen Erfahrung liegt, insofern es nicht die Gegenstände in der Richtung auf ihre Gegenständigkeit übersteigt, sondern die Gegenstände samt ihrer Gegenständigkeit überschreitet, und zwar ohne die zureichende Befugnis, weil ohne die Möglichkeit einer Begründung. Transzendent ist nach Kant ein Vorstellen, das sich anmaßt, erfahrungsmäßig nicht zugängliche Gegenstände zu erkennen. Dagegen geht die transzendentale Methode gerade auf den zureichenden Grund der Gegenstände der Erfahrung und damit dieser selbst. Die transzendentale Methode bewegt sich innerhalb des Umkreises der Gründe, die den Gegenstand der Erfahrung in seiner Möglichkeit begründen. Die transzendentale Methode umgrenzt den Umkreis der ins Spiel kommenden begründenden Gründe. Die transzendentale Methode hält sich auf diesem Umkreis und innerhalb dessen, was er eingrenzt. Weil sie auf dem Kreis des zureichenden Grundes für die Möglichkeit der Erfahrung bleibt, d. h. innerhalb des Wesens der Erfahrung, ist die also inbleibende transzendentale Methode immanent. Die Methode heißt aber gleichwohl transzendental, weil sie das Transzendente betrifft, indem sie dieses in seiner Befugnis kritisch begrenzt. Die transzendentale Methode durchgeht die Immanenz der Subjektivität, d. h. dasjenige Vorstellen, worin als ihrem zureichenden Grund die Gegenstände als Gegenstände des Vorstellens verbleiben. Das ist ihre Gegenständigkeit, das Sein des Seienden. Was in Kants transzendentaler Methode lebt und auf abgewandelte Weise im Wort »transzendental« schwingt, ermessen wir nur, wenn wir das Wort »transzendental« in
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einem weiten Bogen rückwärts in das Gewesene und vorwärts in das inzwischen Ankommende denken. Damit wir klar vor Augen haben, inwiefern die Erläuterung des Transzendentalen auf unseren Weg, genauer gesagt, zur Vorbereitung des Sprunges von der einen in die andere Tonart des Satzes vom Grund gehört, sei kurz an folgendes erinnert. Das kantisch verstandene »transzendental« betrifft den Überstieg vom Gegenstand, d. h. vom erfahrbaren Seienden, zur Gegenständigkeit, d. h. zum Sein. Der Sprung aber ist der Sprung aus dem Satz vom Grund als Satz über das Seiende in den Satz als Sagen vom Sein als Sein. Der Sprung durchspringt den Bereich zwischen Seiendem und Sein. Das Transzendentale, der Überstieg und der Sprung sind zwar nicht das Gleiche, aber das Selbe, insofern sie hinsichtlich der Unterscheidung von Seiendem und Sein zusammengehören. Bedenken wir das Wort »transzendental« und die in ihm genannte Sache rückwärts in das Gewesene, dann ergeben sich zwei Momente, die kurz vermerkt seien. Dem Wortgebrauch nach stammt die Bezeichnung transzendental aus der Scholastik des Mittelalters. Sie betrifft das transcendens, womit ein modus bezeichnet wird, eine Weise und ein Maß, wodurch omne ens qua ens bemessen wird; z. B.: omne ens est unum, jedes Seiende ist ein Seiendes und als dieses eine nicht das andere. Genauer wird dieser modus des Seienden bestimmt als modus generaliter consequens omne ens. Consequens ist hier gedacht als Gegenbestimmung zu antecedens. Das zu beachten, ist wichtig. Die allgemeinsten Bestimmungen jedes Seienden als solchen folgen dem Seienden und ergeben sich aus ihm. In solchem Sinne passieren sie, durchschreiten (transcendere) sie das, was zu jedem Seienden gehört; sie heißen darum »Transzendentalien«. Für Kant ist nun aber dasjenige, dem
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die transzendentale Methode nachgeht, nicht solches, was in bezug auf das Seiende im Sinne des Gegenstandes der Erfahrung ein consequens ist. Vielmehr ist die Gegenständigkeit, die dem Gegenstand den Grund seiner Möglichkeit zureicht, das antecedens, das Vorhergehende, das a priori. Die mittelalterlich-scholastische Bestimmung des ens qua ens stammt von Aristoteles, und zwar aus dem Beginn des IV. Buches der »Metaphysik«. Was man unter diesem Titel »Die Metaphysik des Aristoteles« kennt, ist kein »Werk«, sondern eine nicht von Aristoteles vorgenommene Zusammenstellung von Abhandlungen, deren Fragen jeweils in ganz verschiedenen Bezirken und Richtungen ansetzen. Die »Metaphysik« des Aristoteles ist, literarisch gesehen, völlig uneinheitlich, auf den Inhalt gedacht, in jedem Stück je auf andere Weise fragend. Der erste Satz des ersten Kapitels des IV. Buches lautet: ÍEstin eÆpisthÂmh tiw hÊ ûevreiÄ toÁ oÃn hìÎ oÃn kaiÁ taÁ toyÂtvì yëpaÂrxonta kaû’ ayëtoÂ. Erläuternd übersetzt, sagt dies: »Es gibt so etwas wie ein Verstehen, das in den Blick nimmt das Anwesende als anwesend und in einem damit das (in den Blick nimmt), was dem Anwesen, es von ihm selbst her darbietend, zu Gebote steht.« Hier ist weder von dem Transzendentalen die Rede, das im Sinne Kants das Seiende als Gegenstand in seiner Gegenständigkeit bestimmt, noch aber auch von einem modus entis generaliter consequens omne ens. Und dies aus dem einfachen Grunde, weil griechisch gedacht wird und vom oÍn die Rede ist. Das oÍn ist fyÂsiw tiw, dergleichen wie ein von-sich-her-Aufgehen. Das oÍn ist nicht ens im Sinne des ens creatum der mittelalterlichen Scholastik, Seiendes als das von Gott Geschaffene. ÍOn ist aber auch nicht der Gegenstand hinsichtlich seiner Gegenständigkeit. Was im
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Sinne des Aristoteles das Seiende hinsichtlich seines Seins bestimmt und wie das geschieht, ist anders erfahren als in der mittelalterlichen Lehre vom ens qua ens. Es wäre jedoch töricht zu sagen, die mittelalterlichen Theologen hätten den Aristoteles mißverstanden; vielmehr haben sie ihn anders verstanden, entsprechend der anderen Weise, nach der Sein sich ihnen zuschickte. Wiederum anders ist das Geschick des Seins für Kant. Zu einem Mißverständnis wird das Andersverstehen erst dort, wo es sich zur einzig möglichen Wahrheit aufspreizt und zugleich unter den Rang des zu Verstehenden hinabfällt. Erst für Kant wird die Methode, in der das Denken dem Sein des Seienden nachgeht, die transzendentale Methode. Das Auszeichnende der transzendentalen Bestimmung des Seienden als solchen erschöpft sich nämlich keineswegs darin, daß das Seiende jetzt als Gegenstand der ichhaften subjektiven Vernunft erfah ren wird. Vielmehr beruht das Auszeichnende der transzendentalen Methode darin, daß sie als Bestimmung der Gegenständigkeit der Gegenstände zur Gegenständigkeit selbst gehört. Die Zustellung des zureichenden Grundes für die Gegenstände ist jenes Vorstellen, das allererst die Gegenständigkeit des Gegenstandes heraus- und sicherstellt und dadurch zur Gegenständigkeit, d. h. zum Sein des erfahrbaren Seienden selbst gehört. Die transzendentale Methode entspricht dem Anspruch des Satzes vom Grund. Durch die transzendentale Methode kommt das in der Ratio (Vernunft) waltende principium rationis sufficientis in das Freie und Helle seines Machtens. Die neue Weise, wie Sein sich zuschickt, besteht nicht nur darin, daß das Sein jetzt als Gegenständigkeit zum Vorschein kommt, sondern daß dieses zum-Vorschein-Kommen eine Entschiedenheit zeigt, derzufolge Sein sich im Bereich der Subjektivität der Vernunft bestimmt und
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nur hier. Die Entschiedenheit dieses Geschickes von Sein besagt: Jede andere Gründung des Seins des Seienden außerhalb der Dimension der transzendentalen Vernunft ist ausgeschlossen; denn die apriorischen Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände, ihr zureichender Grund, ratio sufficiens, ist die Ratio, die Vernunft selbst. Formelhaft kann man auch sagen: Alle Gegenständigkeit der Gegenstände, d. h. alle Objektivität der Objekte beruht in der Subjektivität. Allein diese Formel spricht nur dann, wenn wir folgendes beachten: Die Subjektivität ist nichts Subjektives in dem Sinne, daß damit nur das auf einen einzelnen Menschen Beschränkte, das Zufällige seiner Besonderheit und Beliebigkeit gemeint sein könnte. Die Subjektivität ist die wesenhafte Gesetzlichkeit der Gründe, welche die Möglichkeit eines Gegenstandes zureichen. Die Subjektivität meint nicht einen Subjektivismus, sondern jenes Zustellen des Anspruches des Satzes vom Grund, demzufolge es heute das Atomzeitalter gibt, in dem die Besonderheit, Vereinzelung und Geltung des Einzelnen zugunsten der totalen Uniformität in einem rasenden Tempo dahinschwinden. Dies alles beruht, wir mögen es heute schon einsehen und wahrhaben wollen oder nicht, im Geschick des Seins als Gegenständigkeit für die Subjektivität der Vernunft, für die durch das principium rationis bestimmte Ratio. Deren Machtanspruch entfesselt die universale und totale Verrechnung von allem zum Berechenbaren. Dieser Hinweis möchte weder die vielberufene geistige Situation der Gegenwart vor Sie hinmalen, noch einer unvermeidlichen Ausweglosigkeit das Wort reden. Vielmehr ergibt sich dieser Hinweis auf dem Weg der Vorlesung, die zeigen möchte, was dazu gehört, um sich auf das zu besinnen, was ist. Was »ist«, das ist nämlich nicht das Aktuelle
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und nicht das Gegenwärtige. Was »ist«, ist das aus dem Gewesen und als dieses Ankommende. Dieses Ankommende, längst schon unterwegs, ist der unbedingte Anspruch des Satzes vom Grund in der Gestalt der vollständigen Rationalität. Es bedarf weder der Gabe noch der Geste des Propheten, um das zu sehen, wohl dagegen der Ausdauer des eigentlich geschichtlichen Denkens. Die zunehmende Flucht aus der geschichtlichen Überlieferung ist ihrerseits ein Zeichen des Anspruches, unter dem das Zeitalter steht. Bisweilen scheint es sogar, als sollte diese Flucht aus der Geschichte die letzten Schranken auf die Seite schaffen, die noch einer überall ungehemmten, vollständigen Technisierung der Welt und des Menschen entgegenstehen. Mit der genannten Flucht aus der Geschichte geht der Schwund des Vermögens der geschichtlichen Unterscheidung zusammen. Dafür sei jetzt ein Beispiel angeführt, das zugleich zeigt, inwiefern wir mit den vorigen Bemerkungen durchaus auf dem Weg einer Besinnung über das bleiben, was die transzendentale Methode ist, die Kants kritisches Denken auszeichnet. Öfter erwähnten wir schon, das Zeitalter, das die »Neuzeit« heißt, empfange den Grundzug seiner Geschichte aus demjenigen Geschick des Seins, worin Sein sich als Gegenständigkeit zuschickt und so das Seiende als die Gegenstände einräumt. Aber ebensooft blieb vielleicht gegenüber dieser Erwähnung ein Bedenken zurück. Man kann es so aussprechen: Was soll denn Besonderes daran liegen, daß das Seiende zum Gegenstand wird? War das Seiende nicht immer schon Gegenstand und dies gerade dort, wo das Sein als fyÂsiw, als reines Aufgehen, das Seiende von ihm selbst aus hervorkommen läßt? Kannte nicht schon das griechische Denken das Seiende als Gegenstand und sogar nur so? Achten wir doch z. B. nur auf die Standbilder ihrer Kunst.
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Um in dieser Frage klar zu sehen, gilt es, geschichtlich zu unterscheiden. Wie bereits früher vermerkt, ist das Wort »Gegenstand« die Übersetzung des lateinischen obiectum. Kein Geringerer als Lessing wehrte sich seinerzeit gegen diese Übersetzung. Lessing übersetzte obiectum durch »Gegenwurf«. Diese Übersetzung ist in der Tat nicht nur wörtlicher sondern auch sprechender. Denn sie spricht davon, daß etwas entgegengeworfen wird, nämlich dem vorstellenden Subjekt und durch dieses. »Gegenwurf« trifft genau denjenigen Sinn von obiectum, den das Wort auch schon im Mittelalter hatte. Ein obiectum ist z. B. ein goldener Berg, gerade weil er, wie wir heute sagen, nicht objektiv existiert, sondern nur durch das einbildende Vorstellen dem vorstellenden Ich zugeworfen wird. In der neuzeitlichen Bedeutung von Objekt liegt aber zugleich, daß das Zugeworfene, durch das Trachten der forschenden Be-trachtung Beigestellte, keine bloße Einbildung ist, sondern etwas von sich her Anwesendes dem vorstellenden Ich zustellt. Nun wird aber die Weise des Anwesens durch das Zureichen des Grundes des Gegenstehenden, durch die Gegenständigkeit, kantisch gedacht: durch die Grundsätze des Verstandes als Prinzipien der Vernunft bestimmt. Weil somit das Objekt keine bloße Vorstellung des Subjektes ist, weil vielmehr im Objekt dem vorstellenden Subjekt etwas entgegengeworfen und zugebracht wird, was zugleich in sich steht, hat auch die Übersetzung von obiectum durch »Gegenstand« ihr eigenes Recht. Gleichwohl dürfen wir diejenige Unterscheidung nicht preisgeben, die jetzt ans Licht kommt. Man könnte im Rückblick auf das soeben Vermerkte sich darauf versteifen, daß auch schon für die Griechen das Seiende sich im Charakter des Gegenstandes bekundete. Dies zu meinen, wäre irrig. Für die Griechen entbirgt sich das Anwesende zwar im Charakter des Ge-
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genüber, aber niemals in dem des Gegenstandes, dies Wort jetzt in dem streng neuzeitlich begriffenen Sinne von Objekt genommen. Gegenüber und Gegenstand sind nicht das Gleiche. Im Gegenstand bestimmt sich das Gegen aus dem vorstellenden Entgegenwurf durch das Subjekt. Im Gegenüber enthüllt sich das Gegen in dem, was über den vernehmenden, blickend-hörenden Menschen kommt, was den Menschen überkommt, ihn, der sich niemals als Subjekt für Objekte begriffen hat. Demgemäß ist das Anwesende nicht das, was ein Subjekt sich als Objekt zuwirft, sondern was auf das Vernehmen zukommt und was das menschliche Blicken und Hören als über es Gekommenes hin- und dar-stellt. Das griechische Stand-bild ist der Anblick eines Stehenden, dessen Stand nichts mit einem Gegenstand im Sinne des Objektes zu tun hat. Das griechische aÆntikeiÂmenon, das Gegenüber, genauer das im Gegenüber Vor-liegende ist etwas ganz anderes als der Gegenstand im Sinne des Objektes. Die Griechen erfuhren im hereinblickenden Anwesen der Götter das unheimlichste und bezauberndste Gegenüber: toÁ deinoÂn. Sie kannten aber nicht die Gegenstände im Sinne von Objekten. Das Gegen und Be-gegnen hat hier einen anderen Sinn. Wenn man also schon, wie das jetzt häufiger geschieht, dem Phänomen der Begegnung nachsinnt, dann muß dabei eine Voraussetzung für die Sauberkeit dieses Vorhabens erfüllt sein. Es muß Klarheit darüber herrschen, ob das Phänomen der Begegnung im Bezirk der Subjekt-ObjektBeziehung angesetzt und neuzeitlich vom Subjekt als Person her vorgestellt wird, oder ob die Begegnung im Bereich des Gegenüber gesucht wird. Das Gefüge dieses Bereiches denkend zu durchmessen, ist weit schwerer und kaum begonnen. Goethe, der 1792 eine Abhandlung geschrieben hat mit dem Titel »Der Versuch als Vermittler von Objekt und
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Subjekt«,* gebraucht das Wort »Gegenstand« häufig und gern; er kennt auch noch die alte Form des »Gegenüber«, die deutlicher spricht, z. B. in der Wendung: »wir setzten uns gegeneinander über«. Im Goetheschen Gebrauch des Wortes »Gegenstand« schwingt beides: Gegenstand als Objekt für ein Subjekt und Gegenstand als »gegen einem über«. Schwer zu fassen ist hier der Sinn des »über«, das Mehrfältiges meint: »über« als darüber hin, als oberhalb und als jenseits. Deutlich wird das »über« im Zeitwort überraschen: rasch, unversehens, jäh über einen kommen. Nirgends spricht wohl das »über« und das »Überraschen« reicher und vielleicht auch griechischer als in der letzten Strophe von Hölderlins Hymne »Die Wanderung« vom Jahre 1801. Sie beginnt: »Glückseelig Suevien, meine Mutter …« Wenn milder athmen die Lüfte, Und liebende Pfeile der Morgen Uns Allzugedultigen schikt, Und leichte Gewölke blühn Uns über den schüchternen Augen, Dann werden wir sagen, wie kommt Ihr, Charitinnen, zu Wilden? Die Dienerinnen des Himmels Sind aber wunderbar, Wie alles Göttlichgeborne. Zum Traume wirds ihm, will es Einer Beschleichen und straft den, der Ihm gleichen will mit Gewalt; Oft überraschet es einen, Der eben kaum es gedacht hat.**
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Statt »gedacht« hatte Hölderlin zuerst geschrieben: »gehofft«.
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ir versuchen, einen Blick in diejenige Epoche der Seinsgeschichte zu tun, die, historisch gerechnet, die »Neuzeit« heißt. Der Versuch dient der Absicht, deutlich zu machen, daß und in welcher Weise im Geschick zugleich der Entzug des Seins waltet. Vom Sein her gesprochen, heißt dies: Sein währt als sich entziehendes Zuschicken des Zeit-Spiel-Raumes für das Erscheinen dessen, was, dem Geschick und seinem Geheiß entsprechend, jeweils das Seiende heißt. Was griechisch taÁ oÍnta, lateinisch ens, französisch l’eˆtre, deutsch »das Seiende« jeweils heißt, hat sich jedesmal schon aus der epochalen Lichtung von Sein entschieden. Beiläufig vermerkt, ist es kein Zufall, daß die griechische Sprache am deutlichsten und schärfsten spricht, wenn sie das von uns so genannte »Seiende« im Plural des Neutrums nennt. Denn das Seiende ist ein jeweiliges und so ein vielfältiges; dagegen ist das Sein einzig, der absolute Singular in der unbedingten Singularität. Wir versuchen einen Blick in das Geschick des Seins auf dem Wege eines Durchblicks durch verschiedene Zeitalter der Geschichte des abendländischen Denkens. Ein solcher Weg hat es zum voraus angenommen, daß die Geschichte des abendländischen Denkens im Geschick des Seins beruht. Dasjenige aber, worin ein Anderes beruht, muß selber die Ruhe sein. Die Ruhe stellen wir gewöhnlich als das Aufhören der Bewegung vor. Mathematisch-physikalisch
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vorgestellt, ist Ruhe nur ein Grenzfall von Bewegung, die ihrerseits als Stellenwechsel, meßbar nach den Raum-Zeit-Koordinaten, vorbestimmt bleibt. Wird die Ruhe als Aufhören oder als Grenzfall der Bewegung vorgestellt, dann ergibt sich der Begriff der Ruhe aus der Verneinung. Aber die Ruhe ist, eigentlich gedacht, nicht der Ausfall, sondern die Versammlung der Bewegung, jene Versammlung, die erst aus sich Bewegung entschickt und im Entschicken die Bewegung nicht bloß entläßt und wegschickt, sondern gerade einbehält. Demnach beruht die Bewegung in der Ruhe. Wenn wir es mithin annehmen, daß die Geschichte des abendländischen Denkens im Geschick des Seins beruhe, dann denken wir in dem, was Geschick des Seins heißt, eine Ruhe, eine Versammlung, in die auch alle Bewegung des Denkens gesammelt bleibt, mag das Denken unmittelbar davon eine Kenntnis haben oder nicht. Wir nehmen ein solches Verhältnis zwischen Seinsgeschick und Geschichte des Denkens an. Die Rede vom An-nehmen sagt hier: in Empfang nehmen, was das Denken überkommt; annehmen in dem Sinne, wie wir sagen: im Streit einen Gegner an-nehmen; nur ist hier das Annehmen kein feindseliges und der Streit nicht der des Hasses. Das Annehmen und Nehmen hat jetzt den Sinn des erhörenden und erblickenden Entsprechens. Wenn wir es annehmen, daß die Geschichte des abendländischen Denkens im entzughaften Geschick des Seins beruht, dann ist dies keine nur von uns aus vorgebrachte Annahme im Sinne einer Meinung, die in eine Sache willkürlich einfällt und diese in die vorgefaßte Ansicht einfängt. Daß die genannte Annahme, die Geschichte des Denkens beruhe im Geschick des Seins, kein Meinen von uns aus, sondern ein Empfangen vom Sein her ist, klärt sich in
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eine gewisse Helle auf, wenn wir uns kurz auf etwas besinnen, was wir zwar schon mitbedachten, auch bereits erwähnten, jedoch bisher nicht eigens erörterten. Von allem schwer Faßlichen dieser Welt ist es am schwersten zu fassen, weil es uns am nächsten liegt, insofern wir es selber sind. Gleich zu Beginn der Vorlesung und dann des öfteren war die Rede vom Anspruch des Satzes vom Grund und davon, daß wir dem Anspruch ohne weiteres folgen; denn wir sind die in diesen Anspruch Genommenen. Nur als die so Genommenen vermögen wir es, solches anzunehmen, d. h. zu empfangen, was sich uns zuschickt. Im Geschick des Seins sind wir die von der Lichtung des Seins und die mit ihr Beschickten. Solchermaßen sind wir aber auch die Selben, die das Sein im Entzug angeht und durch ihn angeht, die Selben, denen das Sein, als solches Geschick, die Lichtung seiner Wesensherkunft weigert. Dagegen scheint das Wort zu stehen, das Hegel am 22. Oktober 1818 bei der Eröffnung seiner Vorlesungen an der Universität Berlin sprach: »Der Mut der Wahrheit, Glauben an die Macht des Geistes ist die erste Bedingung des philosophischen Studiums; der Mensch soll sich selbst ehren und sich des Höchsten würdig achten. Von der Größe und Macht des Geistes kann er nicht groß genug denken; das verschlossene Wesen des Universums hat keine Kraft in sich, welche dem Mute des Erkennens Widerstand leisten könnte; es muß sich vor ihm auftun und seinen Reichtum und seine Tiefen ihm vor Augen legen und zum Genusse bringen.«* Wir dächten weder groß noch sachlich genug, wollten wir dieses Wort als eine Anmaßung der Person des Denkers
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gegenüber dem Absoluten verstehen. Es ist genau das Gegenteil: die Bereitschaft, dem Anspruch zu entsprechen, als welcher sich das Sein im Sinne des absoluten Begriffes dem Denken zuschickt und die Epoche der Vollendung der abendländischen Metaphysik in der entscheidenden Weise vorprägt. Indem sich das Sein des Seienden in der Gestalt des absoluten Begriffes dem meta physisch-ontologischen Denken absolut zu erkennen gibt, verbirgt sich in dieser Zuschickung des Seins der äußerste Entzug. Wieso das zutrifft, wird sich im folgenden bei der abschließenden Kennzeichnung der seinsgeschichtlichen Epoche der kantischen Philosophie verdeutlichen. Der Satz vor der Zwischenbemerkung über Hegel sei wiederholt: Im Geschick des Seins sind wir die von der Lichtung des Seins und die mit ihr Beschickten und solchermaßen die Selben, die das Sein im Entzug und durch ihn angeht, die Selben, denen das Sein, als solches Geschick, die Lichtung seiner Wesensherkunft weigert. Als die im Geschick des Seins vom Sein Beschickten stehen wir, und zwar unserem Wesen nach, in einer Lichtung des Seins. Aber wir stehen in dieser Lichtung keineswegs unangesprochen herum, sondern stehen in ihr als die vom Sein des Seienden in dessen Anspruch Genommenen. Wir sind als die in der Lichtung des Seins Stehenden die Beschickten, die in den Zeit-Spiel-Raum Eingeräumten. Dies sagt: Wir sind die in diesem Spielraum und für ihn Gebrauchten, gebraucht, an der Lichtung des Seins zu bauen und zu bilden, im weiten vielfältigen Sinne: sie zu verwahren. In der noch unbeholfeneren und vorläufigeren Sprache der Abhandlung »Sein und Zeit« (1927)* heißt dies: Der Grundzug des Daseins, das der Mensch ist, wird durch das Seinsverständnis bestimmt. Seinsverständnis meint hier niemals, der Mensch besitze als Subjekt eine subjektive
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Vorstellung vom Sein und dieses, das Sein, sei eine bloße Vorstellung. In diesem Sinne hat Nicolai Hartmann,* haben viele Zeitgenossen sich den Ansatz von »Sein und Zeit« auf ihre Weise verständlich gemacht. Seinsverständnis besagt, daß der Mensch seinem Wesen nach im Offenen des Entwurfes des Seins steht und dieses so gemeinte Verstehen aussteht. Durch das so erfahrene und gedachte Seinsverständnis ist die Vorstellung des Menschen als eines Subjektes, um mit Hegel zu sprechen, auf die Seite gebracht. Nur insofern der Mensch seinem Wesen nach in einer Lichtung des Seins steht, ist er ein denkendes Wesen. Denn von altersher besagt in unserer Geschichte Denken so viel wie: dem Geheiß des Seins entsprechen und aus dieser Entsprechung das Seiende in dessen Sein durchsprechen. Dieses Durchsprechen (dialeÂgesûai) entfaltet sich in der Geschichte des abendländischen Denkens zur Dialektik. Wozu diese auf den ersten Blick jetzt durchaus abwegigen Bemerkungen? Sie dienen dazu, unseren Blick dafür aufzuhellen, daß und wie die Geschichte des Denkens im Bezug zum Geschick des Seins verbleibt. Die Geschichte des Denkens ist noch Anderes als nur die Historie wechselnder Meinungen und Lehren der Philosophen. Die Geschichte des Denkens ist die Beschickung des Wesens des Menschen aus dem Geschick des Seins. Beschickt ist das Wesen des Menschen mit dem Schicklichen, das Seiende in seinem Sein zur Sprache zu bringen. Im Grunde ist das soeben Gesagte nichts anderes als die von der Frage nach dem Sein her durchdachte Auslegung der alten Bestimmung des Wesens des Menschen: homo est animal rationale; der Mensch ist das mit Vernunft begabte Lebewesen. Nur insofern der Mensch aus dem Geschick mit dem Schicklichen be-gabt ist, das Seiende als solches zu denken, ist das Geschickliche als Geschichte des Denkens. Innerhalb
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dieser Geschichte hat sich das Sein dem Denken Kants als die Gegenständigkeit des Gegenstandes der Erfahrung zugeschickt. Zu dieser Gegenständigkeit gehört es, daß ihr ein Vorstellen entgegnet, in welcher Entgegnung die Gegenständigkeit erst ihre volle Bestimmtheit gewinnt. Dieses Entgegnen ist jene Art des Vorstellens, die Kant transzendentale Methode nennt. In der Einleitung zur 2. Auflage der »Kritik der reinen Vernunft« sagt Kant mit der deutlicheren Fassung desselben Satzes aus der ersten Auflage folgendes (B 25): »Ich nenne alle Erkenntnis transzendental, die sich nicht sowohl mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnisart von Gegenständen, insofern diese a priori möglich sein soll, überhaupt beschäftigt.«* Die transzendentale Methode gehört zur Weise, wie Gegenstände für uns Gegenstände sein können. Als Gegenständigkeit geprägt, lichtet sich das Sein auf eine neuartige Weise. Für die griechischen Denker war das Seiende niemals Gegenstand, sondern das aus dem Gegenüber her An-währende. Das Seiende war seiender als unsere Gegenstände. Wir meinen zwar, wenn das Seiende als Gegenstand, und d. h. objektiv sich zeige, dann erscheine es am reinsten als das von-sich-her-Anwesende. Diese Meinung ist irrig, gesetzt daß wir den Begriff des Gegenstandes sachgerecht denken. Vom Anwesenden im Gegenüber ist seinsgeschichtlich scharf zu unterscheiden das Anwesende in der Gegenständigkeit. Die Ständigkeit des Gegenstandes bestimmt sich aus den apriorischen Bedingungen der Möglichkeit für das Vorstellen und durch dieses. Das so bestimmte Vorstellen vollbringt die Zustellung des zureichenden Grundes für das Anwesen des Anwesenden als des Objektes in der Rückbeziehung auf ein Subjekt. Durch die Zustellung des
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zureichenden Grundes empfängt dieses Vorstellen jene Einzigartigkeit, die das neuzeitliche Verhältnis des Menschen zur Welt bestimmt, und d. h. die moderne Technik ermöglicht. In der Lessingschen Übersetzung von obiectum durch »Gegenwurf« klingt das Zustellen des zureichenden Grundes deutlicher an als Zuwerfen, welchen Zuwurf sich das Subjekt zuwirft. In der Sprache der Kunst und der Künstler hat sich das Lessingsche Wort »Vorwurf« im Sinne von Thema eines Werkes noch erhalten. »Vorwurf« ist eigentlich die wörtliche Übersetzung des griechischen proÂblhma. Heute gebraucht, um das beiher und für das Nachdenken zu erwähnen, jedermann in unserer vernutzten Sprache das Wort »Problem«, so z. B. wenn der Autoschlosser, ein ehrenwerter Mann, die verschmutzte Zündkerze reinigt und vermerkt: »Das ist kein Problem«. Es ist auch keines. Dadurch, daß sich das Sein des Seienden als Gegenständigkeit der Gegenstände zuschickt, bringt sich das Geschick in eine vormals unerhörte Entschiedenheit und Ausschließlichkeit. Diesem Sichzuschicken entspricht aber auch die Entschiedenheit, mit der sich das Sein in seiner Wesensherkunft entzieht. Wenn nämlich die ratio als Vernunft, d. h. als Subjektivität, der Quellbereich der ratio im Sinne des Grundes und seines Anspruches auf Zustellung ist, dann kann innerhalb des Bereiches der ratio die Frage nach der Wesensherkunft des Seins als Gegenständigkeit keinen Ort finden. Weshalb nicht? Weil durch die ratio als Subjektivität ans Licht kommt, daß und wie die Vernunft die Fülle der möglichen rationes, der Gründe, in sich schließt und so der Grund aller Begründung ist. Das Transzendentale der transzendentalen Methode Kants ist ein Vorstellen, das der Zustellung des zureichenden Grundes entspricht, und d. h. im Anspruch auf diese Zustellung be-
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ruht. Das Transzendentale ist keineswegs ein vom menschlichen Denken erfundenes Verfahren. Wie das Transzendentale der Methode zurückwinkt bis in die fyÂsiw der Griechen, so weist es vorwärts in die neueste Epoche des Seinsgeschickes. Denn in der zur Gegenständigkeit der Gegenstände, d. h. zum Sein des erfahrbaren Seienden gehörenden transzendentalen Methode, gründet das, was in der Metaphysik des deutschen Idealismus die Dialektik ist. Diese seinsgeschichtlich zu denkende Dialektik aber, gewandelt als historisch-dialektischer Materialismus, bestimmt vielfältig die heutige Menschheitsgeschichte. Die weltgeschichtliche Auseinandersetzung in unserem Zeitalter kommt weiter her, als uns die vordergründigen politischen und wirtschaftlichen Machtkämpfe einreden möchten. Mit der Zuschickung des Seins als Gegenständigkeit beginnt der äußerste Entzug des Seins, insofern die Wesensherkunft des Seins nicht einmal als Frage und Fragwürdiges in den Blick gelangen kann. Weshalb nicht? Weil im vollständig durchmessenen Bereich der ratio als Vernunft und Subjektivität zugleich die vollständige Begründung des Seienden als solchen beschlossen und geschlossen ist. [In der Rede vom Seinsgeschick besagt »Sein« nichts anderes als: Sichzuschicken der lichtenden Einräumung des Bereiches für ein Erscheinen des Seienden in je einer Prägung bei gleichzeitigem Entzug der Wesensherkunft des Seins als solchen. Das abendländische Denken im Zeitalter der Aufstellung des Satzes vom Grund als des obersten Grundsatzes spielt in einer Epoche des Seinsgeschickes, die auch unser heutiges geschichtliches Dasein noch beschickt, auch dann beschickt, wenn wir selbst von den Denkern dieser Epoche, von Leibniz, Kant,
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Fichte, Hegel, Schelling, nur noch die Namen kennen und von ihrer innersten Verwandtschaft und Sternenfreundschaft nichts mehr erfahren.] Indes zeigt sich die Geschichte des abendländischen Denkens erst dann und nur dann als Geschick des Seins, wenn wir aus dem Sprung her auf das Ganze des abendländischen Denkens zurückblicken und es als das gewesene Geschick des Seins andenkend bewahren. Zugleich können wir den Sprung nur so vorbereiten, daß wir aus der schon geschicklich erfahrenen Seinsgeschichte her sprechen. Der Sprung verläßt den Absprungbereich und gewinnt den verlassenen zugleich andenkend neu zurück, so daß das Gewesene jetzt erst unverlierbar wird. Wohin jedoch der Sprung vordenkend einspringt, ist kein geradezu betretbarer Bezirk des Vorhandenen, sondern der Be reich dessen, was als Denkwürdiges erst ankommt. Diese Ankunft aber ist durch die Züge des Gewesenen mitgeprägt und darin allein erkennbar. In die Seinsgeschichte müssen wir all das zurückdenken, was wir von den erinnerten fünf Hauptsachen als die ersten vier nannten. Die fünfte Hauptsache betrifft den Wechsel der Tonart im Satz vom Grund. Hinter dem Wechsel der Tonart desselben Satzes verbirgt sich der Sprung aus dem Satz des Grundes als einem Grundsatz über das Seiende in den Satz vom Grund als einem Sagen vom Sein. Der Satz ist so als andenkend-vordenkender ein »Satz« im Sinne des Sprunges. Denken wir vollends das vieldeutige Wort »Satz« nicht nur als Aussage, nicht nur als Sagen, nicht nur als Sprung, sondern zugleich noch im musikalischen Sinne, dann gewinnen wir erst den vollständigen Bezug zum Satz vom Grund. Verstehen wir das Wort »Satz« im musikalischen Sinne, so gilt von unserem Weg durch den Satz vom Grund, was einmal Bettina von Arnim
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in ihrem Buch »Goethes Briefwechsel mit einem Kinde« schreibt: »Wenn man von einem Satz in der Musik spricht und wie der durchgeführt ist, oder von der Begleitung eines Instruments und von dem Verstand, mit dem es behandelt ist, da meine ich grade das Gegenteil, nämlich, daß der Satz den Musiker durchführt, daß der Satz sich so oft aufstellt, sich entwickelt, sich konzentriert, bis der Geist sich ganz in ihn gefügt hat.« (Sämtliche Werke ed. Oehlke. Bd. III, S. 168).*
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In der zweiten, aber ungewohnten Tonart gesagt, lautet der Satz vom Grund: »Nichts ist ohne Grund«. Die jetzt betonten Worte »ist« und »Grund« lassen einen Einklang zwischen Sein und Grund anklingen. Der Satz sagt jetzt, was er sagt, aus diesem Einklang. Was sagt der Satz? Er sagt: Sein und Grund gehören zusammen. Dies meint: Sein und Grund »sind« im Wesen das Selbe. Wenn wir das Selbe, genauer die Selbigkeit als Zusammengehörigkeit im Wesen denken, dann behalten wir einen der frühesten Gedanken des abendländischen Denkens im Gedächtnis. Darnach meint das Selbe nicht das leere Einerlei von Einem und Anderem, auch nicht das Einerlei von etwas mit ihm selbst. Das Selbe im Sinne dieses Einerlei ist das Gleichgültige der leeren, endlos wiederholbaren Identität: A als A, B als B. Das Selbe, gedacht im Sinne des Zusammengehörens im Wesen, sprengt jedoch die Gleichgültigkeit dessen, was zusammengehört, hält es vielmehr in die äußerste Ungleichheit auseinander, hält es und läßt es gerade nicht auseinander- und so zer-fallen. Dieses Zusammenhalten im Auseinanderhalten ist ein Zug dessen, was wir das Selbe und seine Selbigkeit nennen. Dieses Halten gehört einem »Verhältnis« an, das zu
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denken dem Denken noch bevorsteht. Allein es kommt bereits durch das metaphysische Denken in einer besonderen Gestalt zum Vorschein, am reinsten in Hegels Logik. Sagen wir: Sein und Grund: das Selbe, dann werden Sein und Grund nicht in das Graue eines leeren Einerlei zusammengeworfen, so daß man beliebig statt Sein auch Grund und statt Grund auch Sein sagen dürfte. Vielmehr geben uns beide Worte Verschiedenes zu denken, solches, was wir auf den ersten Blick auch nicht zusammenbringen, wenngleich der Satz vom Grund in der zweiten Tonart lautet: »Nichts ist ohne Grund«. Dies sagt: Im »ist« waltet Grund. Grund aber gründet so, daß sein Gegründetes solches ist, das ist, d. h. Seiendes. Je schärfer wir »Sein« und »Grund« auseinanderhalten, um so entschiedener sind wir daran gehalten, zu fragen: Wie kommen und gehören Sein und Grund zusammen? Inwiefern sagt der Satz vom Grund in der zweiten Tonart eine Wahrheit, deren Tragweite wir noch kaum ermessen? Inzwischen reden wir schon seit einer Reihe von Stunden über »Sein« und über »Grund«, ohne daß wir die vordringlichste Forderung erfüllt haben, nämlich das, wovon fortwährend die Rede ist, »Sein« sowohl wie »Grund«, durch strenge Begriffe zu fassen und so dem Gang der Erörterung im voraus die nötige Verläßlichkeit zu sichern. Woher diese Unterlassung? Sie kommt aus dem, wovon bisher die Rede war, wenn wir an die Geschichte des Seins und an den Satz vom Grund als obersten Grundsatz erinnerten. Dabei wurde das Sein genannt im Sinne der fyÂsiw, des Von-sich-her-Aufgehens; Sein wurde genannt im Sinne der Gegenständigkeit des Gegenstandes der Erfahrung. Vom Grund war die Rede als ratio und als causa, als Bedingung der Möglichkeit. Wovon freilich unmittelbar keine Rede war, davon sich jedoch einiges mittelbar auf dem bis-
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herigen Weg zeigen konnte und sollte, ist folgendes: Was auf verschiedene Weise »Sein« und »Grund« genannt und in solchem Nennen an ein gewisses Licht gebracht wird, dies läßt von sich aus eine Definition im schulmäßigen Sinne der überlieferten Begriffsbildung nicht zu. Wenn wir daher etwas unterlassen, was in der Sache unzulässig bleibt, dann handelt es sich um eine Unterlassung, die streng gedacht keine ist. Sollen dann aber die Namen, die »Sein« und »Grund« auf verschiedene Weise zur Sprache bringen, soll das Gedachte, das wir in den geschichtlich verschiedenen Namen für Sein und Grund denken, in eine wirre Zerstreuung auseinanderfahren? Durchaus nicht; denn in dem, was sich, historisch aufgerafft und zusammengeschoben, wie eine wirre Mannigfaltigkeit von Vorstellungen ausnimmt, kommt eine Selbigkeit und Einfachheit des Seinsgeschickes und demgemäß eine gediegene Stetigkeit der Geschichte des Denkens und seines Gedachten zum Vorschein. Nur erblicken wir dieses Selbe in seinem eigensten Zug schwer und selten in seiner Fülle. Sein schickt sich dem frühen griechi schen Denken unter anderem als fyÂsiw zu. Für Kant sagt Sein die Gegenständigkeit des Gegenstandes. Wenngleich nun für Kant dieser Gegenstand gerade die Natur ist und der griechische Name fyÂsiw für Sein durch natura und Natur übersetzt wird, wenngleich also fyÂsiw dort und Gegenständigkeit hier dem Anschein nach das Sein der Natur meinen, finden wir dennoch nicht sogleich das, was im frühen und im neuzeitlichen Geschick des Seins, in der fyÂsiw und in der Gegenständigkeit, als das Selbe sich zuschickt. Es ist keineswegs das, was man »Natur« nennt. Indes lassen sich seinsgeschichtliche Züge anführen, an denen wir erkennen, inwiefern so weit auseinanderliegende Leitworte wie fyÂsiw und Gegenständigkeit doch vom Selben sagen.
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Vormals nämlich wie späterhin lichtet Sein sich, obzwar auf verschiedene Weise, im Charakter des Hervorscheinens, des verweilenden Scheinens, des Anwesensa, des Gegenüber und Entgegen. Die Anführung dieser Momente bleibt ein bloß aufzählender Hinweis, weit entfernt von einem Einblick in die jeweiligen Epochen des vollen Seinsgeschickes und in die Art, nach der die Epochen jäh aufspringen wie Knospen. Die Epochen lassen sich nie auseinander ableiten und gar auf die Bahn eines durchlaufenden Prozesses schlagen. Gleichwohl gibt es eine Überlieferung von Epoche zu Epoche. Aber sie verläuft nicht zwischen den Epochen wie ein Band, das sie verknüpft, sondern die Überlieferung kommt jedesmal aus dem Verborgenen des Geschickes, so wie aus einem Quell verschiedene Rinnsale entspringen, die einen Strom nähren, der überall ist und nirgends. Diese Bemerkung hat grundsätzliche Bedeutung für jede Rede vom Sein, mag sie in dieser Vorlesung vorkommen oder sonstwo im Denken und Nachdenken des Gedachten. Es ist kein leerer Schall, wenn wir sagen »Sein«, wenn wir sagen »ist«. Wir verstehen, was wir sagen, d. h. aussprechen. Zugleich sind wir ratlos, wenn wir sagen, d. h. jetzt vor den Blick bringen sollen, was wir denken. Ratlos bleiben wir, wenn wir darin übereinkommen sollen, daß wir trotz verschiedener Vorstellungs-, Erfahrungs- und Ausdrucksweisen geschichtlich das Selbe denken. Dieser Ratlosigkeit weichen wir gern aus und retten uns in das geläufige Meinen. Zur Ratlosigkeit gesellt sich das Ausbleiben einer Ahnung davon, daß jenes, was wir im Wort »Sein« ohne Gedanken denken, das Denkwürdigste ist. Die gea
Vgl. W. h. Denken [Was heißt Denken?] 144/5* Anwesen von nicht Anwesen durchgängig
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wohnte und gewöhnliche Weise, in der wir »Sein« verstehen und sagen, läßt sich nun aber nicht als eine Nachlässigkeit bemängeln und abtun. Diese gewohnte Art unseres Bezuges zum »Sein« gehört notwendig zu der Weise, wie der Mensch zunächst und zumeist, innerhalb des Seienden sich aufhaltend, dem Geschick des Seins entspricht. Deshalb bleibt auch die denkende Frage nach dem Sein jederzeit befremdlich und bestürzend, am meisten für diejenigen, die versuchen, sie zu fragen. Dies weist auf einen Unterschied zwischen den Wissenschaften und der Philosophie. Dort das Anregende und Anreizende des immer Neuen und der Erfolge, hier das Bestürzende des einfach Selben, das keine Erfolge zuläßt, da nichts folgen kann, weil das Denken, insofern es dem Sein nachdenkt, in den Grund zurück, d. h. dessen Wesen als die Wahrheit des Seins denkt. Was jedoch das Wort »Grund« und die entsprechenden Namen nennen, läßt sich noch schwerer darlegen, vor allem dann, wenn wir auch hier das Selbe zu erblicken suchen, was in den bisher gebrauchten Namen wie Grund, ratio, causa, Ursache, Bedingung der Möglichkeit zur Sprache kommt. Um hier einen Weg zu bahnen, müssen wir uns damit abfinden, daß die Darstellung in einer grobschlächtigen Form steckenbleibt. Im Hinblick auf das durch das Wort »Grund« zu Denkende gilt das Gleiche, was über das Verstehen und Sagen des Wortes »Sein« vermerkt wurde. Auch das oft genannte Wort »Grund« haben wir alle in den bisherigen Stunden irgendwie verstanden. Darum konnte auch das zurückgestellt werden, was wir jetzt nicht mehr länger übergehen können: die Erläuterung des Wortes »Grund« und der Namen, die in der Geschichte des Denkens das nennen, was in unserer Sprache allgemein durch das Wort »Grund« bezeichnet wird.
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Damit wir bei diesen Erläuterungen nicht vom Weg abkommen, sei an das erinnert, bei dem wir ankommen möchten. Es ist ein Einblick in den Sachverhalt, daß und wie »Sein« und »Grund« das Selbe »sind«. Anders gewendet: Wir möchten hören, was der Satz vom Grund in der zweiten Tonart, als Sagen vom Sein, sagt. Solches Hören nimmt nicht bloß etwas zur Kenntnis, sondern das denkende Hören erfährt, wenn es recht geschieht, wohin wir immer schon, d. h. eigentlich ge-hören. Fragen wir, was »Grund« heißt, dann meinen wir zunächst das, was das Wort bedeutet; das Wort bedeutet etwas; es gibt uns etwas zu verstehen und zwar deshalb, weil es von etwas her spricht. Ganz abgesehen vom geschichtlichen Charakter der Bedeutungsmannigfaltigkeit eines Wortes, ist jedoch schon dies ein wesenhaft geschichtlicher Charakter der Sprache, daß sie uns als Wortgefüge erscheint, dessen Wörter, wie man sagt, Bedeutungsträger sind und somit eine Bedeutung haben. Daß dem so ist, daß es Wortbedeutungen gibt, halten wir für so selbstverständlich wie dies, daß uns das Seiende als Objekt, als Gegenstand erscheint. Beide Vorstellungsweisen hängen denn auch in gewisser Weise zusammen. Gemäß dieser gewohnten Vorstellung vom Wort, daß es eine Bedeutung hat, finden wir verschiedene Bedeutungen des Wortes »Grund«. Fragen wir nach der Grundbedeutung des Wortes »Grund«, dann haben wir mit dieser Frage schon geantwortet, d. h. angeführt, was wir mit »Grund« meinen, nämlich die Basis, den Fundus, worauf etwas ruht, steht und liegt. Wir sprechen von Grundmauern, von einer Grundregel, vom Grundsatz.
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uf dem Weg dieser Vorlesung gelangen wir in einen Aufenthalt, wo sich der Sprung aus dem Satz vom Grund als dem obersten Grundsatz über das Seiende in den Satz vom Grund als einem Sagen vom Sein ergibt. Der Übergang von der gewohnten Tonart des Satzes in die ungewöhnliche steht als Sprung unter keinem Zwang. Der Sprung bleibt eine freie Möglichkeit des Denkens; dies so entschieden, daß sich sogar erst mit dem Bereich des Sprunges die wesenhafte Gegend der Freiheit öffnet. Gerade deshalb sind wir daran gebunden, den Sprung vorzubereiten. Dafür mußten wir den Bereich des Absprunges sichtbar und das bleibende Verhältnis zu diesem Bereich deutlich machen. Der Absprungbereich ist die Geschichte des abendländischen Denkens, erfahren als Geschick des Seins. Insofern das Geschick des Seins das denkende Wesen des geschichtlichen Menschen in den geschickhaften Anspruch nimmt, beruht die Geschichte des Denkens im Geschick des Seins. Die Geschichte des Seins ist darum kein abrollender Verlauf von Verwandlungen eines losgelöst für sich bestehenden Seins. Die Geschichte des Seins ist kein gegenständlich vorstellbarer Prozeß, über den man »Seinsgeschichten« erzählen könnte. Das Geschick des Seins bleibt in sich die Wesensgeschichte des abendländischen Menschen, insofern der geschichtliche Mensch in das bauende Bewohnen der Lichtung des Seins gebraucht ist. Als ge-
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schickhafter Entzug ist das Sein in sich schon Bezug zum Wesen des Menschen. Durch diesen Bezug wird das Sein jedoch nicht vermenschlicht, sondern das Wesen des Menschen bleibt durch diesen Bezug in der Ortschaft des Seins beheimatet. (Bei der Gelegenheit einer Auseinandersetzung mit Ernst Jünger habe ich die hier erläuterte Bestimmung des Seins im Hinblick auf den modernen Nihilismus verdeutlicht. Der Aufsatz ist inzwischen als gesonderte Schrift unter dem Titel »Zur Seinsfrage« erschienen.)* Für unser fast völlig in das gegenständliche Vorstellen losgelassene Denken bleibt das, was die Wendung »Geschick des Seins« nennt, zunächst schwer zugänglich. Aber die Schwierigkeit liegt nicht in der Sache, sondern bei uns. Das Geschick des Seins ist nämlich nicht nur kein an sich ablaufender Prozeß, es ist auch nichts, was uns gegenüber liegt, vielmehr ist es eher als Gegeneinanderüber von Sein und Menschenwesen das Geschick selber. Wir sagen mit Bedacht »eher«, weil auch so der Verdacht nicht beseitigt ist, Sein wese als etwas vom Menschen Abgetrenntes. Das Geschick des Seins ist als Zuspruch und Anspruch der Spruch, aus dem alles menschliche Sprechen spricht. Spruch heißt lateinisch fatum. Aber das Fatum ist als der Spruch des Seins im Sinne des sich entziehenden Geschikkes nichts Fatalistisches, aus dem einfachen Grunde, weil es dergleichen nie sein kann. Weshalb nicht? Weil Sein, indem es sich zuschickt, das Freie des Zeit-Spiel-Raumes erbringt und in einem damit den Menschen erst ins Freie seiner jeweils schicklichen Wesensmöglichkeiten befreit. Der Sprung stößt im Absprung den Absprungbereich nicht von sich ab, sondern der Sprung wird im Springen zur andenkenden Aneignung des Seinsgeschickes. Für den Sprung selbst besagt dies: Er springt weder weg vom Ab-
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sprungbereich, noch fort in einen anderen für sich abgesonderten Bezirk. Der Sprung bleibt Sprung nur als andenkender. An-denken, nämlich das gewesene Geschick, besagt jedoch: bedenken, und zwar das im Gewesenen noch Ungedachte als das zu-Denkende. Diesem entspricht das Denken nur als vor-denkendes. An-denken das Gewesene ist Vor-denken in das zu-denkende Ungedachte. Denken ist andenkendes Vordenken. Es haftet weder historisch vorstellend am Gewesenen als einem Vergangenen, noch starrt es vorstellend mit der Anmaßung des Prophetischen in eine vermeintlich gewußte Zukunft. Das andenkend-vordenkende Denken ist das Springen des Sprunges. Dieser Sprung ist ein Satz, in den sich das Denken fügt. Darin liegt: Das Denken muß den Sprung immer neu und ursprünglicher springen. Bei diesem immer anfänglicheren Springen des Sprunges gibt es keine Wiederholung und keine Wiederkehr. Es bedarf des Sprunges, bis das andenkende Vordenken in das Sein als Sein sich selber aus der Wahrheit des Seins zu einem anderen Sagen verwandelt hat. Auf dem Gang, der in die Geschichte des Denkens als Geschick des Seins weisen sollte, war ständig, weil unvermeidlich, die Rede von Sein und Grund. Was die Worte sagen, läßt sich nie in eine Definition zusammenziehen und verpacken. Ein solches Vorhaben würde sich anmaßen, alle Wesensbestimmungen von Sein und Grund gleichgewichtig und gleichförmig fassen zu können, und dies in einer Vorstellung, die über den Zeiten schwebte. Das Zeitliche aber wäre, so vorgestellt, die jeweils beschränkte Verwirklichung des überzeitlichen Gehaltes der Definition. Man pflegt allerdings solche Verwirklichungen, auch diejenigen von Werten und Ideen, als das Kennzeichen des Geschichtlichen auszugeben. Die Vorstellung von der Geschichte als
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Verwirklichung von Ideen hat ihre eigene weitherkommende Geschichte. Die genannte Vorstellung von der Geschichte ist beinahe unausrottbar. Wenn wir ihr nachdenken, dann zeigt sich freilich dem unvoreingenommenen Blick, daß die Vorstellung von der Geschichte als der zeitlichen Verwirklichung überzeitlicher Ideen und Werte nicht aus der Erfahrung der Ge schichte stammt. In der geläufigen Vorstellung von der Geschichte überträgt man ohne Bedenken und Nachdenken die platonistisch, nicht die platonisch gemeinte Aufspaltung der Welt in einen sinnlich veränderlichen und einen übersinnlich wandellosen Bezirk auf das, was zunächst als Ablauf menschlichen Tuns und Leidens erscheint und als so ablaufendes Geschehen Geschichte heißt. Diese geläufige Vorstellung von der Geschichte läßt sich indes durch keinen Machtspruch beseitigen, aber auch nicht durch andere Maßnahmen, die versuchen möchten, diese Vorstellung von der Geschichte unmittelbar in eine andere abzuändern. Es wäre Verblendung, dergleichen zu wollen. Denn diese Vorstellung von der Geschichte und ihr hartnäckiger Anspruch ist selber durch das Geschick des Seins, und d. h. durch die Herrschaft des metaphysischen Denkens bestimmt. Freilich erschwert die eingängige Vorstellung von der Geschichte als zeitlicher Verwirklichung des Überzeitlichen jedes Bemühen, das Einzigartige zu erblicken, das sich in der rätselhaften Stetigkeit verbirgt, die sich jeweils in das Jähe des eigentlich Geschicklichen bricht und versammelt. Das Jähe ist das Plötzliche, das nur dem Anschein nach dem Steten, d. h. Ausdauernden widerspricht. Ausgedauert wird das je schon Währende. Im Plötzlichen aber wird das schon Währende, bislang jedoch Verborgene erst gewährt und sichtbar. Doch gestehen wir es ruhig ein: Wir gelangen niemals in die Nähe der aus dem
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Blick auf das Seinsgeschick zu denkenden Geschichtlichkeit, solange wir im Netz von Vorstellungen hängen bleiben, die sich alle und unversehens auf die Unterscheidung des Absoluten und des Relativen zurückretten, ohne diese Unterscheidung jemals zureichend von dorther zu bestimmen, von woher sie allein bestimmbar, und d. h. eingrenzbar bleibt. Welcher Ort ist dies? Derjenige, zu dem wir mit der Frage nach dem Satz vom Grund erst unterwegs sind, indem wir erörtern, was der Satz in der zweiten Tonart sagt. Dieses Unterwegs gibt uns eine Gelegenheit, wenigstens hie und da zu erblicken, in welchem Sinne das, was Sein und Grund nennen, das Selbe »ist«. Denn dieses Selbe ist zugleich das Stete, das jeweils in der Jähe eines Seinsgeschickes aufleuchtet. Wir fragen jetzt: Was heißt Grund? Was ist das, was uns das Wort »Grund« zu denken heißt? Ein Wort, sagt man, bedeutet etwas. Durch seine Bedeutung hindurch bezieht sich ein Wort auf eine Sache. Die hiermit gestreifte Vorstellung vom Wort ist uns zwar geläufig. Aber es bleibt fraglich, ob sie einem strengeren Nachdenken über das Wesen der Sprache standhält. Doch selbst dann, wenn wir die Sprache nur noch für ein Instrument der Information halten, wird das Sprechen der Sprache nie zu einem Mechanismus, der irgendwo in einer Gleichförmigkeit abläuft. Wenn wir uns auf die abendländischen Sprachen beschränken und diese Beschränkung zum voraus als eine Grenze anerkennen, dürfen wir sagen: Unsere Sprachen sprechen geschichtlich. Gesetzt, daß an dem Hinweis, die Sprache sei das Haus des Seins,* etwas Wahres sein sollte, dann ist das geschichtliche Sprechen der Sprache beschickt und gefügt durch das jeweilige Geschick des Seins. Vom Wesen der Sprache her gedacht, sagt dies: Die Sprache spricht, nicht der Mensch. Der Mensch spricht nur, indem
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er geschicklich der Sprache entspricht. Dieses Entsprechen aber ist die eigentliche Weise, nach der der Mensch in die Lichtung des Seins gehört. Die Mannigfaltigkeit der Bedeutungen eines Wortes stammt deshalb nicht erst daher, daß wir Menschen im Reden und Schreiben zu Zeiten Verschiedenes mit einem Wort meinen. Die Mannigfaltigkeit der Bedeutungen ist jeweils eine geschichtliche. Sie entspringt daraus, daß wir selbst im Sprechen der Sprache je nach dem Seinsgeschick vom Sein des Seienden jeweils anders gemeint, d. h. angesprochen sind. Wir sprechen von Grundmauern, von einer Grundregel, von einem Grundsatz. Indes werden wir hier sogleich anmerken, daß diese Bedeutung von Grund uns zwar durchaus geläufig, aber zugleich doch abstrakt ist, d. h. weggezogen und losgelöst von dem Bereich, aus dem her das Wort die vorgenannte Bedeutung anfänglicher sagt. Grund nennt einmal die Tiefe, z. B. den Meeresgrund, den Talgrund, den Wiesengrund, eine Senke, tiefer liegendes Land und Boden; im weiteren Sinne meint es die Erde, den Erdboden. Noch ursprünglicher besagt Grund heute noch im alemannisch-schwäbischen Sprachbereich soviel wie Humus. Das ist der gewachsene Grund, der schwere, fruchtbare Erdboden. Ein Blumenbeet z. B. hat zu wenig Grund, der erst für ein günstiges Wachstum beigebracht werden muß. Grund meint ins Ganze gedacht, den tiefer gelegenen und zugleich tragenden Bereich. So sprechen wir vom Herzensgrund. Auf den Grund kommen, besagt im 16. Jahrhundert bereits: die Wahrheit, das, was eigentlich ist, ermitteln. Grund meint solches, wohin wir hinab-, worauf wir zurückgehen, insofern der Grund dasjenige ist, worauf etwas ruht, woran etwas liegt, woraus etwas folgt. Nach diesen Hinsichten spricht die Sprache des Denkens vom Wesensgrund, vom Entstehungsgrund, vom Beweg-
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grund, vom Beweisgrund. Die Beziehung des Grundes auf Wesen, Entstehung, Bewegung, Beweis kommt schon früh in der Geschichte des Denkens, wenn auch noch eigentümlich verstreut, zum Vorschein. Allein es bleibt eine Frage, ob, wenn von Wesensgrund, Entstehungsgrund, Beweggrund, Beweisgrund die Rede ist, diese verschiedenen Hinsichten aus dem Hinblick auf den Grund stammen oder aus dem Hinblick auf das Sein. Wie aber, wenn Sein und Grund das Selbe »sind«? Nach den genannten Hinsichten, sie aber radikaler verfolgend, gebraucht Hegel bei seiner ungewöhnlichen Hellhörigkeit für das innerste Denken der Sprache gern die Wendung: zum Grunde gehen. Was in Hegels, d. h. hier im wörtlichen Sinne auf den Grund zugeht, das verschwindet dabei nicht, sondern was zum Grunde geht, findet allererst den Grund und kommt aus diesem Fund zum Entstehen. Zum Grunde gehen, das heißt für Hegel: Zusammengehen der Bestimmungen einer Sache auf die alle Bestimmungen durchwaltende Einheit. Doch mit solchen Bemerkungen, die sich leicht häufen ließen, bleiben wir in der Erläuterung des vereinzelten Wortes »Grund« hängen. Wir erblicken noch nichts von dem Ort, aus dem der Satz vom Grund spricht, sofern wir ihn nach der zweiten Tonart hören, die eine Zusammengehörigkeit von Grund und Sein anklingen läßt. Diesen Anklang hören wir, indem wir bedenken, daß der Satz vom Grund, genauer seine Aufstellung als eines obersten Grundsatzes durch Leibniz, jene seinsgeschichtliche Epoche vorbereitet, in der das Sein als die transzendental geprägte Gegenständigkeit zum Vorschein kommt. Bedenken wir dies, dann beachten wir folgendes: Was in unserer Sprache gesprochen »Grundsatz vom Grunde« heißt, ist die verkürzte Übersetzung des Titels
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principium reddendae rationis sufficientis. Grund ist die Übersetzung von ratio. Solches festzustellen, dürfte sich inzwischen erübrigt haben. Außerdem ist die Feststellung ein Gemeinplatz, und zwar so lange, als wir uns darüber keine Gedanken machen, was es im vorliegenden Fall und in ähnlichen Fällen mit der Übersetzung auf sich hat. Übersetzen und Übersetzen ist nicht das Gleiche, wenn es sich hier um einen Geschäftsbrief handelt und dort um ein Gedicht. Jener ist übersetzbar, dieses nicht. Inzwischen hat die moderne Technik, genauer gesagt, die ihr wahlverwandte moderne logistische Auslegung des Denkens und Sprechens, bereits Übersetzungsmaschinen in Gang gesetzt. Beim Übersetzen handelt es sich aber nicht nur darum, was jeweils, sondern aus welcher Sprache in welche Sprache übersetzt wird. Das jetzt Vermerkte betrifft indes Verhältnisse des Übersetzens, die sich bei einiger Kenntnis und geringem Nachdenken leicht überschauen lassen. Gleichwohl können wir dabei immer noch einen entscheidenden Zug verfehlen, der alle wesentlichen Übersetzungen durchzieht. Damit meinen wir solche Übersetzungen, die in Epochen, da es an der Zeit ist, ein Werk des Dichtens oder des Denkens übertragen. Der gedachte Zug besteht darin, daß die Übersetzung in solchen Fällen nicht nur Auslegung, sondern Überlieferung ist. Als Überlieferung gehört sie in die innerste Bewegung der Geschichte. Nach früher Bemerktem heißt dies: Eine wesentliche Übersetzung entspricht jeweils in einer Epoche des Seinsgeschickes der Weise, wie im Geschick des Seins eine Sprache spricht. Es wurde freilich nur andeutungsweise gezeigt, wie Kants Kritik der reinen Vernunft dem Anspruch des Satzes vom zureichenden Grunde entspricht und diese Entsprechung zur Sprache bringt. »Vernunft« aber, ebenso wie »Grund« sprechen als Übersetzungen des
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einen Wortes ratio. Geschichtlich gedacht, heißt dies: Aus jenem Denken, das die Kritik der reinen Vernunft im Lichte des Satzes vom zureichenden Grund ist, spricht das Wort ratio mit seinem zwiefach einigen Sagen, das zusammengehörig die Vernunft nennt und den Grund. In solchem Sprechen überliefert sich die ratio und das in ihr Gedachte. Das hier gemeinte Überliefern bewegt die eigentliche Geschichte. Auf die Gefahr eines Anscheines von Übertreibung dürfen wir sogar sagen: Spräche im neuzeitlichen Denken nicht die ratio in der Übersetzung doppelsinnig als Vernunft und als Grund, dann gäbe es nicht Kants Kritik der reinen Vernunft als Umgrenzung der Bedingungen der Möglichkeit des Gegenstandes der Erfahrung. So dürfte denn die Feststellung, das Wort »Grund« sei die Übersetzung von ratio, ihr Gemeinplätziges eingebüßt haben. Nur im Vorbeigehen sei darauf hingewiesen, daß die klassische Quelle für die Einsicht in die geschickliche Überlieferung der ratio als Grund und als Vernunft an das neuzeitliche Denken die Paragraphen 29 bis 32 der »Monadologie« von Leibniz sind. »Monadologie« heißt eine der letzten Schriften von Leibniz. Sie handelt von den Prinzipien der Philosophie. Die 90 Paragraphen dieser Schrift lassen das Baugerüst der abendländischen, insbesondere der neuzeitlichen Metaphysik so klar erkennen wie kaum ein anderes Denkwerk vor dem Zeitalter Kants. Die genannte Schrift von Leibniz, entstanden im Jahre 1714, wurde erst 1840 im französischen Originaltext der Hannoverschen Bibliothek durch einen Schüler von Hegel, Johann Eduard Erdmann, veröffentlicht. »Grund« ist die Übersetzung von ratio. Das, was »Grund« nennt und wovon der Satz vom Grund sagt, überliefert somit jenes, was in dem zwiefach einigen Sagen der
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ratio erfahren und gedacht ist. Dem müssen wir nachfragen. Wir können es hier nur in einem groben Zug. Damit es nicht bei einer zufälligen Worterklärung bleibe, behalten wir die Wegrichtung im Blick; denn es gilt zu erblicken, daß und wie Sein und Grund das Selbe »sind«. Dies sagt jetzt: Es gilt ins echte Gedächtnis auf- und zurückzunehmen, inwiefern sich im Anfang der Seinsgeschichte die Selbigkeit von Sein und Grund ankündigt, und zwar ankündigt, um dann als diese Selbigkeit auf lange Zeit hinaus ungehört und ungedacht zu bleiben. Gleichwohl ist dieses Ungehörte das Unerhörte, nämlich Einzigartige der Seinsgeschichte und ihres Anfangs. Im Wort »Grund« spricht die ratio, und zwar aus dem Doppelsinn von Vernunft und Grund. Ein Grund zu sein, kennzeichnet auch das, was wir Ursache nennen, lateinisch causa; weshalb der Satz vom Grund, wie öfter erwähnt, auch lautet: Nihil est sine causa. Zufolge einer langen Überlieferung und Gewöhnung des Denkens und Sagens finden wir nichts Aufregendes mehr dabei, daß ratio zugleich Vernunft und Grund nennt. Sorgsam denkend, müssen wir jedoch eingestehen, daß jenes, was »Grund« besagt, nämlich Tiefe und Erde, Boden, zunächst schlechthin nichts mit Vernunft und Vernehmen zu tun hat. Indes bedeutet ratio unbestreitbar zugleich Vernunft und Grund. Woher stammt dieser Doppelsinn von ratio? Das lateinische Wort ratio meint ursprünglich und eigentlich weder Vernunft noch Grund sondern Anderes. Dieses Andere ist gleichwohl nicht so ganz anders, daß es dem Wort ratio verwehrt bleiben konnte, späterhin im Doppelsinn von »Vernunft« und »Grund« zu sprechen. Damit wir für das lateinische Wort ratio sogleich den klassischen Bereich seines Sagens aufsuchen, sei eine Stelle aus Cicero angeführt. Sie wirft zugleich ein Licht auf den Sach-
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zusammenhang, den wir bedenken möchten. Cicero sagt (Part. 110)*: »Causam appello rationem efficiendi, eventum id quod est effectum.« Gewohnterweise übersetzt, heißt dies: »Als Ursache spreche ich an den Grund des Bewirkens, als Ausgang und Erfolg das, was das Bewirkte ist«. Was sollen wir mit dieser Aussage des Cicero? Es scheint, als bringe sie mehr Schatten und Dunkel über die Sache als Licht in sie. So steht es allerdings und zum Glück, sobald wir die blinde Hast von uns werfen, mit der wir die lateinischen Worte durch die uns geläufigen übersetzen: causa durch Ursache, ratio durch Grund, efficere durch bewirken, effectus durch Wirkung. Diese Übersetzungen sind durchaus richtig. Aber ihre Richtigkeit ist auch das Verfängliche; denn durch sie verfangen wir uns in geschichtlich späteren, neuzeitlichen und noch heute maßgebenden Vorstellungen. Wir hören, als so Verfangene, nichts mehr von dem, was im römischen Wort gesagt wird und wie es gesagt ist. Achten wir jedoch darauf, dann bleibt immer noch fraglich, ob wir weit genug zurückhören. Causam appello rationem efficiendi, eventum id quod est effectum: Wir finden hier ratio und causa im Zusammenhang mit efficere und eventus genannt. Das Wort eventus ist vielleicht der Schlüssel zu der Aussage Ciceros, die fast wie die Feststellung eines Schulmeisters klingt, ohne die Spur einer weltgeschichtlichen Tragweite. Dennoch liegt eine solche in den angeführten Worten. Eventus ist das, was herauskommt; efficere ist das Heraus- und Hervorbringen. Im Bereich des Hervorbringens und Herauskommens ist von der ratio die Rede, welches Wort wir jetzt
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nicht mehr durch »Grund« und »Vernunft« übersetzen dürfen; denn damit würden wir uns selbst den Weg innerhalb der Blickbahn verstellen, die es nunmehr einzuhalten gilt. Aber wie sollen wir dann ratio efficiendi übersetzen? Ratio ist ratio für das Hervorzubringende, ist dessen Ursache, causa. Der Bezug auf das efficere kennzeichnet die ratio als causa. Diese causa gehört in den Bereich des Hervorbringens, dabei etwas herauskommt. Inwiefern gehört die causa dahin? Insofern sie den Charakter der ratio hat. Was heißt hier ratio? Ist die ratio dem Bereich des efficere zugeordnet oder gar auf ihn eingeschränkt? Keineswegs. Das Umgekehrte gilt. Der Bereich von efficere und eventus gehört in denjenigen der ratio. Was dieses Wort nennt, erfahren wir nun aber durch diese Stelle gerade nicht, weil alles, was Cicero hier sagt, auf die ratio zurückgeführt wird. Gleichwohl bleibt die Aussage Ciceros aufschlußreich. Ratio gehört zum Zeitwort reor, dessen leitender Sinn ist: etwas für etwas halten; das, wofür etwas gehalten wird, wird unterstellt, supponiert. Bei solchem Unterstellen wird dasjenige, dem etwas unterstellt wird, auf das zugerichtet, was ihm unterstellt wird. Dieses: etwas nach etwas richten, ist der Sinn unseres Zeitwortes »rechnen«. Mit etwas rechnen, heißt: es im Auge behalten und sich darnach richten. Auf etwas rechnen, heißt: es erwarten und es dabei als solches zurechtrichten, worauf zu bauen ist. Der eigentliche Sinn von »rechnen« ist nicht notwendig auf Zahlen bezogen. Dies gilt auch von dem, was man Kalkül nennt. Calculus ist der Spielstein beim Brettspiel, dann auch der Rechenstein. Kalkulation ist Rechnen als Überlegen: eines wird dem anderen vergleichend, abschätzend gegenübergelegt. Somit ist das Rechnen im Sinne des Operierens mit Zahlen eine besondere, durch das Wesen der Quantität ausgezeichnete Art des Rechnens. Im Rechnen mit und auf
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etwas wird das also Be-rechnete für das Vorstellen hervorgebracht, nämlich ins Offenkundige. Durch solches Rechnen kommt etwas heraus; eventus und efficere gehören so in den Bereich der ratio. Der kurz erläuterte eigentliche und deshalb weite Sinn des Zeitwortes »rechnen« ist im lateinischen Verbum reor genannt. Ratio heißt Rechnung. Wenn wir rechnen, stellen wir das vor, womit und worauf bei einer Sache gerechnet, was im Blick behalten werden muß. Das so Gerechnete und Errechnete gibt die Rechenschaft von dem, was es mit einer Sache auf sich hat, was an ihr ist als das sie Bestimmende. In der Rechenschaft kommt das zum Vorschein, woran es liegt, daß eine Sache so ist, wie sie ist. Ratio heißt Rechnung; aber Rechnung ist doppelsinnig. Rechnung meint einmal das Rechnen als Tun; zum anderen, was in solchem Tun sich ergeben hat, das Gerechnete, die vorgelegte Rechnung, die Rechenschaft. Wir sagen: eine Rechenschaft ablegen. Die Sprache der Römer sagt: rationem reddere. Insofern in der Rechnung und Rechenschaft das vorgelegt wird, womit und worauf bei einer Sache oder Handlung gerechnet wird, gehört das reddere notwendig zur ratio. Daß das principium rationis ein principium reddendae rationis ist, liegt im Wesen der ratio selbst. Als Rechenschaft ist sie in sich ein reddendum. Dieses wird der ratio nicht von irgendwoher angetragen und aufgezwungen. Das reddere ist im Wesen der ratio als Rechnung vorgebildet und vorverlangt. Das Rechnen auf … und Rechnen mit … ist ein über-legendes Darbieten. Denken wir für einen Augenblick einen maßgebenden Zwischengedanken. Der Satz vom Grund sagt, in der zweiten Tonart gehört: Sein und Grund: das Selbe. Inzwischen hörten wir: Sein lichtet sich je als ein Seinsgeschick. Damit geht als Selbes eine jeweilige geschickliche
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Prägung des Grundes, der ratio, der Rechnung, der Rechenschaft zusammen. Wenn nun das reddendum zum Wesen der ratio gehört, wandelt sich mit ihr auch Art und Sinn des rationem reddere. Die sprachliche Wendung ist zwar bei den alten Römern und bei Leibniz dieselbe, aber gerade dies Selbe hat sich seinsgeschichtlich auf eine Weise gewandelt, daß es die Prägung der neuzeitlichen Epoche einleitete und das vorbereitete, was durch Kants Denken unter dem Titel des »Transzendentalen« ans Licht gehoben wurde. Bei Leibniz ist das reddere bezogen auf und vollzogen durch das vorstellende Ich, das als das seiner selbst gewisse Subjekt bestimmt ist. Eine solche Auslegung des Wesens des Menschen und damit dessen, was das im reddendum Dargebotene empfängt, wäre dem Römertum befremdlich gewesen, obzwar nicht mehr so entschieden fremd wie für das griechische Denken. Das leibnizische Denken hört im reddendum einen geschicklich anderen Anspruchscharakter. Denn hier ist die ratio das principium, der für alles Seiende hinsichtlich seines Seins maßgebende und beherrschende Anspruch. Er verlangt die Zustellung der Rechenschaft für die Möglichkeit einer Durchrechnung, die alles, was ist, als Seiendes errechnet. Die ratio sufficiens, der eigentlich und einzig zureichende Grund, die summa ratio, die höchste Rechenschaft für die durchgängige Berechenbarkeit, für den Kalkül des Universums, ist Deus, Gott. Was sagt Leibniz von Gott in bezug auf das Universum? Im Jahre 1677 (mit 31 Jahren) schrieb Leibniz einen Dialog über die Lingua rationalis,* d. h. den Kalkül, die Rechnungsart, die imstande sein soll, durchgängig für alles, was ist, die Beziehungen zwischen Wort, Zeichen und Sache durchzurechnen. Hier in diesem Dialog und in anderen Abhandlungen hat Leibniz die Fundamente für das vorausgedacht, was heute als Denk-
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maschine nicht nur benutzt wird, was vielmehr die Denkweise bestimmt. In einer handschriftlichen Randbemerkung zu diesem Dialog vermerkt Leibniz: Cum Deus calculat fit mundus.* Wenn Gott rechnet, wird Welt. Es bedarf nur eines bereitwilligen Blickes in unser Atomzeitalter, um zu sehen, daß, wenn nach Nietzsches Wort Gott tot ist, die gerechnete Welt noch bleibt und den Menschen überall in ihre Rechnung stellt, indem sie alles auf das principium rationis verrechnet.
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er Satz vom Grund lautet: Nichts ist ohne Grund. Nihil est sine ratione. Grund ist die Übersetzung von ratio. Eine Übersetzung wird dort, wo das Sprechen der Grundworte von einer geschichtlichen Sprache in die andere übersetzt, zur Überlieferung. Eine Überlieferung kann, wenn sie erstarrt, zur Last und zum Hemmnis ausarten. Sie kann es, weil die Überlieferung eigentlich, was ihr Name sagt, ein Liefern im Sinne des liberare, der Befreiung ist. Als ein Befreien hebt die Überlieferung verborgene Schätze des Gewesenen ans Licht, sei dies Licht auch erst nur das einer zögernden Morgendämmerung. Daß »Grund« die Übersetzung von ratio sei, will sagen: Die ratio hat sich in den Grund überliefert, welche Überlieferung schon früh doppelsinnig spricht. Die doppelsinnige Überlieferung der ratio in Grund und Vernunft erlangt freilich erst dort ihr entscheidendes Gepräge, wo das Geschick des Seins jene Epoche bestimmt, die nach der historischen Zeitrechnung die »Neuzeit« heißt. Wenn anders Sein und Grund das Selbe »sind«, dann muß das neuzeitliche Seinsgeschick auch den alten römischen Doppelsinn der ratio verwandeln. Soweit auch der Sinn von Grund, nämlich Boden und Erde, dem Sinn von Vernunft, nämlich Vernehmen, Hören entfernt bleiben mag, im Doppelsinn der ratio sind beide Bedeutungen schon frühzeitig beisammen, wenngleich
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nicht eigens in ihrer Zusammengehörigkeit bedacht. Sachgemäßer müssen wir sagen: In dem, was die ratio nennt, sind beide Richtungen dieses Doppelsinnes, Vernunft und Grund, vorgezeichnet. Denn was heißt ratio? Wir antworten durch eine Übersetzung des Wortes ratio. Sie lautet: Rechnung. Aber Rechnung ist hier im Sinne des Zeitwortes reor zu denken, dem das Hauptwort ratio zugehört. Rechnen heißt: etwas nach etwas richten, etwas als etwas vorstellen. Jenes, als was jeweils etwas vorgestellt wird, ist das Unterstellte. Dieses weitgedachte Rechnen bestimmt auch den Sinn des Wortes Kalkül. Man spricht vom mathematischen Kalkül. Aber es gibt auch einen anderen. Noch Hölderlin gebraucht das Wort Kalkül in den »Anmerkungen« zu seinen Übersetzungen des Oedipus Rex und der Antigonä des Sophokles in einem tieferen Sinne. In den »Anmerkungen zum Oedipus« (Stuttg. Ausgabe V, 196)* heißt es: »Auch andern Kunstwerken fehlt, mit den griechischen verglichen, die Zuverlässigkeit; wenigstens sind sie bis izt mehr nach Eindrücken beurteilt worden, die sie machen, als nach ihrem gesetzlichen Kalkul und sonstiger Verfahrungsart, wodurch das Schöne hervorgebracht wird.« Und weiter: »Das Gesetz, der Kalkul, die Art, wie, ein Empfindungssystem, der ganze Mensch, als unter dem Einflusse des Elements sich entwickelt, und Vorstellung und Empfindung und Räsonnement, in verschiedenen Sukzessionen, aber immer nach einer sichern Regel nacheinander hervorgehen, ist im Tragischen mehr Gleichgewicht, als reine Aufeinanderfolge.«
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Und die »Anmerkungen zur Antigonä« beginnen (a. a. O.; S. 265)*: »Die Regel, das kalkulable Gesetz der Antigonä verhält \ so daß sich das sich zu dem des Oedipus, wie −/ zu −, Gleichgewicht mehr vom Anfang gegen das Ende, als vom Ende gegen den Anfang zu neigt.« Insofern beide Anmerkungen vom »Gleichgewicht« sprechen, scheint auch der hier genannte Kalkül quantitativ-mechanisch, mathematisch vorgestellt zu sein. Doch das von Hölderlin genannte Gleichgewicht gehört zur Waage und Ausgewogenheit des Kunstwerkes, d. h. hier zur tragischen Darstellung im Trauer-Spiel. Ratio ist Kalkül, Rechnung im weiten und hohen und gewöhnlichen Sinne. Rechnen als Richten von etwas nach etwas legt jeweils etwas vor und ist so in sich ein Hergeben, reddere. Zur ratio gehört das reddendum. Aber je nach dem seinsgeschichtlichen Zusammenhang, aus dem die ratio spricht, später als Vernunft und Grund, hat das reddendum einen anderen Sinn. Neuzeitlich liegt darin das Moment des unbedingten und durchgängigen Anspruches auf Zustellung der mathematisch-technisch errechenbaren Gründe, die totale »Rationalisierung«. In der Rede vom principium reddendae rationis spricht Leibniz zwar in der lateinischen Sprache, aber er spricht dabei nicht aus der Sprache des alten Römertums. Gleichwohl hat sich, was römisch ratio heißt, in die Vorstellung dessen überliefert, was neuzeitlich »Vernunft« und »Grund« sagen. Inwiefern konnte sich nun aber die ratio im alten Sinne auf die Weise gabeln, daß sie doppelsinnig spricht, als Grund sowohl wie als Vernunft? Inwiefern es dahin kom-
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men konnte, müßte jetzt den genau Hinhörenden schon deutlich geworden sein. Es bedarf indes noch eines eigenen Hinweises auf dieses »inwiefern«; denn wir sprechen von einer Gabelung der ratio in die ratio als Vernunft und die ratio als Grund. Die Rede von der Gabelung möchte zu verstehen geben, daß beide Worte, »Vernunft« und »Grund« und ihr Gesagtes, auseinander streben, aber gleichwohl in einem selben Stamm und Schaft gehalten sind, weshalb sie auch in ihrem Auseinanderstreben noch und gerade darin zueinander sich verhalten. Das althochdeutsche Wort für den gegabelten Zweig, den gegabelten Baumstamm und den ganzen Baum dieses Wuchses lautet: die Zwiesel. Solche Zwiesel finden wir öfter unter den steilragenden, alten Tannen des Hochschwarzwaldes. Inwiefern ist die ratio eine Zwiesel? Ratio besagt Rechnung im weiten Sinne, demgemäß man bei etwas mit etwas auf etwas rechnet, wir sagen auch: zählt, ohne daß hierbei Zahlen vorkommen. In der Rechnung wird etwas unterstellt, nicht willkürlich und nicht im Sinne eines Verdachtes; unterstellt wird das, woran es gerade schon liegt, daß es mit einer Sache so steht, wie es steht. Das so Unterstellte, Errechnete ist als das, woran es liegt, das Vorliegende, Tragende, das Gerechnete der Rechnung; die ratio ist somit die Basis, der Boden, d. h. der Grund. Das Rechnen stellt im Unterstellen etwas als etwas vor. Dieses Vorstellen von etwas als etwas ist ein Vor-sich-bringen, das jeweils ein Vor-liegendes vor-nimmt und in solchem Vor-nehmen vernimmt, wie es mit dem, worauf und womit gerechnet wird, bestellt ist. Das Rechnen, die ratio, ist als solches Vernehmen die Vernunft. Ratio ist als Rechnung: Grund und Vernunft. Wir versuchen, den Satz vom Grund als Sage vom Sein zu denken. Der Satz sagt: Sein und Grund: das Selbe. Um dem Gesagten nachzudenken, fragen wir: Was
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sagt Grund? Die Antwort lautet: Im Wort »Grund« spricht, sich überliefernd, die ratio, welches Wort zugleich Vernunft meint. Inwiefern die ratio eine Gabel, eine Zwiesel ist, wurde erläutert. Die zurückdenkende Frage nach dem, was der Satz vom Grund als Sage vom Sein sagt, hat sich damit gewandelt und lautet jetzt: Inwiefern »sind« ratio und Sein das Selbe? Weist das Zwieselwort ratio, das jetzt stellvertretend und zugleich doppelsinnig für das Wort »Grund« spricht, überhaupt in eine Zusammengehörigkeit, d. h. in die Selbigkeit mit dem Sein? Unmittelbar ist davon in dem Zwieselwort ratio nichts zu erblicken. Weder der eine Zinken noch der andere des gegabelten Wortes »Rechnung«, »Rechenschaft«, weder »Grund« noch »Vernunft« nennen unmittelbar das Sein. Die Frage, in die wir durch den Satz vom Grund gestellt sind, lautet: Inwiefern »sind« Sein und ratio das Selbe? Inwiefern gehören Grund und Vernunft (ratio) einerseits und Sein andererseits zusammen? [Wenn wir es vermöchten, diese Frage in ihrer vollen Tragweite auszutragen, dann könnte uns zum erstenmal ein Schein dessen treffen, was als Geschick des Seins die abendländische Geschichte, und d. h. heute und abgewandelt, die planetarische Weltgeschichte erleuchtet und zugleich beschattet.] Wenn wir fragen, inwiefern Sein und die gegabelte ratio das Selbe »seien«, d. h. zusammengehören, dann scheint das Fragwürdige nur darin zu liegen, Sein von der einen Seite und die gegabelte ratio von der anderen Seite her in der behaupteten Zusammengehörigkeit unterzubringen. Für ein solches Vorhaben erscheint dann die genannte Zusammengehörigkeit wie etwas Drittes und wie ein Dach,
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ein Gewölbe, das gleichsam für die Unterbringung schon bereitsteht. Dies zu meinen, wäre jedoch irrig. Vielmehr muß die Zusammengehörigkeit gerade aus dem aufleuchten, was in ihr seine Unterkunft hat und was denn auch von sich aus schon spricht: Sein spricht zu uns, wenngleich auf verschiedene Weise, als fyÂsiw, von-sich-her-Aufgehen, als oyÆsiÂa, Anwesen, als Gegenständigkeit. Insgleichen spricht ratio als Grund sowohl wie als Vernunft. Das eigentlich Dunkle und Fragwürdige bleibt gerade das Zusammengehören. Dies Zusammengehören muß aus dem zum Vorschein kommen, was von sich aus in das Zusammen gehört, gesetzt daß hier das Zusammen mehr und anderes meint als das Aneinanderschweißen von zwei sonst getrennten Stükken. Sein muß demnach als Sein der ratio zugehören und umgekehrt: Die gegabelte ratio selbst spricht, wenn wir auf ihr Sagen sorgsam genug achten, von ihrer Zugehörigkeit zum Sein. Doch wenn wir uns auf das besinnen, was ratio sagt, nämlich Rechnung, dann finden wir darin nichts, was für eine Zugehörigkeit zum Sein sprechen könnte. Wie kommt es, daß das Wort ratio uns nicht antwortet, wenn wir fragen, inwiefern das in ihm Genannte eine Zugehörigkeit zum Sein enthalte? Dies kommt einmal daher, daß wir jetzt Gefahr laufen, das Wort ratio für sich und gleichsam losgelöst aus seinem Sagen zu nehmen, das stets ein geschichtliches ist. Zum anderen tappen wir hinsichtlich der Zugehörigkeit der ratio zum Sein deshalb im Dunkeln, weil wir es allzu leicht aus dem Sinn verlieren, daß auch das Wort »Sein« je nur geschichtlich spricht. Hieraus ergibt sich für uns eine entscheidende Weisung. Die Frage, inwiefern Sein und ratio zusammengehören, läßt sich nur seinsgeschicklich fragen und durch ein Zurückdenken in das Seinsgeschick beantworten. Nun erfahren wir aber das Geschick des Seins zunächst nur im Durchgang durch die
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Geschichte des abendländischen Denkens. Dieses beginnt mit dem Denken der Griechen. Der Anfang des Seinsgeschickes findet seine schickliche Entsprechung und Verwahrnis im Denken des Griechentums von Anaximander bis Aristoteles. Die Frage nach der Zusammengehörigkeit von Sein und ratio fragen wir seinsgeschichtlich nur und anfänglich erst, wenn wir die Frage und ihr Gefragtes griechisch denken. Der Weg unserer Frage ist durch das Hören auf den Satz vom Grund vorgezeichnet. Darum gingen wir vom Grund zurück zur ratio. Aber die ratio spricht lateinisch-römisch und nicht griechisch, d. h. nicht so, daß wir im Hören dieses Wortes schon imstande wären, unsere Frage seinsgeschichtlich-anfänglich zu fragen. Oder sollte das römische Wort ratio doch zugleich auch griechisch sprechen? So steht es in der Tat. Denn »ratio« ist innerhalb der Geschichte des Denkens seinerseits ein übersetzendes Wort, und d. h. ein überlieferndes. So wie sich in die Grundworte des neuzeitlichen Denkens, Vernunft und Grund, die gegabelte ratio überliefert, so spricht im römischen Wort ratio ein griechisches Wort; es heißt loÂgow. Demgemäß hören wir den Satz vom Grund in der zweiten Tonart erst dann seinsgeschichtlich und dies zugleich anfänglich, wenn wir das Thema des Satzes griechisch sagen: toÁ ayÆto (eÆstin) eiËnai te kaiÁ loÂgow: Das Selbe (ist) eiËnai und loÂgow. Zwar findet sich bei den griechischen Denkern nirgends ein Satz im angeführten Wortlaut. Gleichwohl nennt er den seinsgeschicklichen Zug des griechischen Denkens und dies auf eine Weise, daß er in die späteren Epochen der Seinsgeschichte vordeutet. Mit Rücksicht auf die vorhin genauer eingegrenzte Frage müssen wir jetzt bedenken: Inwiefern spricht im griechischen Wort loÂgow eine Zugehörigkeit des im Wort Gesagten zum Sein, d. h. zum eiËnai? Dieses griechische
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Wort für das lateinische esse und unser deutsches Hilfszeitwort »sein« besagt: an-wesen. Im griechischen Sinne verdeutlicht, heißt »Sein«: ins Unverborgene herein- und herbei-scheinen und, also scheinend, währen und weilen. Inwiefern gehört dieses so zu denkende Sein mit dem Grund und der ratio zusammen? Solange wir die Frage noch in dieser Form belassen, bleibt sie verworren und versagt jeden Wink in die Antwort. Das Verworrene entwirrt sich, wenn wir fragen: Inwiefern gehört das griechisch als »anwesen« zu denkende »sein« mit dem loÂgow zusammen? Anders gewendet: Inwiefern spricht in dem, was das Wort loÂgow nennt, die Zusammengehörigkeit mit dem griechisch gedachten Sein? Inwiefern »sind« loÂgow und »anwesen« das Selbe? Was heißt loÂgow? Für die sorgfältige Behandlung dieser entscheidenden, aber auch weitläufigen Frage ist schon viel gewonnen, wenn wir das nicht mehr aus dem Auge verlieren, was sich auf dem Weg der Vorlesung ergeben hat. Was ist dies? Eine recht einfache Einsicht, die wir, weil sie einfach ist, gern zu leicht nehmen. Was zeigt sie uns? Sie läßt uns folgendes wissen: Grund und Vernunft sind die Übersetzung, d. h. jetzt die geschichtliche Überlieferung der gegabelten ratio. Die ratio ist die Übersetzung, d. h. jetzt die geschichtliche Überlieferung des loÂgow. Weil es so ist, deshalb dürfen wir loÂgow weder aus unseren späteren Vorstellungen von »Grund« und »Vernunft« her, noch auch im Sinne der römischen ratio denken. Wie denn sonst? Antwort: auf griechische Weise, im Sinne des griechischen Denkens und Sagens. Das scheint eine billige Auskunft zu sein, eine solche nämlich, die keine ist; denn was heißt: griechisch denken und sagen? Es heißt: Das Griechische des jetzt gemeinten Denkens und Sagens wird gerade durch den loÂgow und als loÂgow bestimmt. Darum dürfen wir uns nicht einreden, es
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sei leicht, das griechische Wort loÂgow und dessen Sagen griechisch, und d. h. jetzt unter Hintansetzung des uns geläufigen Vorstellens nachzudenken. Aber so schwierig die Aufgabe zu sein scheint, so unumgänglich bleibt ihre Erfüllung, gesetzt nämlich, daß wir es inzwischen für nötig finden, auf das zu hören, was der Satz vom Grund eigentlich, d. h. in der anderen Tonart sagt. Inzwischen nämlich haben wir erfahren, daß der Satz vom Grund uns den Anspruch zuspricht, unter dem unser Zeitalter weltgeschichtlich steht. Was heißt loÂgow, griechisch gedacht? Die Antwort muß hier unvermeidlich grob ausfallen. Sie beschränkt sich auf solche Hinweise, die uns helfen, seinsgeschichtlich zu denken, was der Satz vom Grund in der zweiten Tonart sagt: Sein und Grund: das Selbe. Das griechische Hauptwort loÂgow gehört zum Zeitwort leÂgein. Dies besagt: sammeln, eines zum anderen legen. Hierbei kann es geschehen, daß das eine so zum anderen gelegt wird, daß eines nach dem anderen sich richtet. Solches Richten ist jenes Rechnen, das durch das lateinische reor und ratio vorgestellt wird, weshalb das römische Wort ratio geeignet ist, das griechische Wort loÂgow ins römische Denken überzusetzen. Auch im Griechischen kann loÂgow so viel bedeuten wie Rechnung, eines zum anderen richten, welches Richten das ist, was wir noch allgemeiner das Beziehen von etwas auf etwas nennen. LoÂgow kann das Gleiche bedeuten wie das lateinische relatio: Relation, Beziehung. Doch weshalb kann loÂgow dies bedeuten? Weil loÂgow und leÂgein Wesenhafteres nennen als das von uns obenhin gemeinte Sammeln und Rechnen; das Zeitwort leÂgein ist nämlich ein Wort für »sagen«, und loÂgow bedeutet Aussage und Sage. Jedes Wörterbuch gibt darüber Auskunft. Man nimmt es als selbstverständlich hin, daß für die Griechen »sagen« leÂgein heißt. Vollends gilt das, was die beiden im
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Wortlaut verschiedenen Wörter meinen, als selbstverständlich. Indes dürfte es an der Zeit sein zu fragen: Worin beruht für die Griechen das Wesen des Sagens? Sagen heißt, griechisch gedacht: Zum Vorschein bringen, etwas erscheinen lassen in seinem Aussehen, zeigen in dem, wie es uns anblickt, weshalb das Sagen uns darüber ins Bild setzt. Doch weshalb ist dann für die Griechen das Sagen ein leÂgein, loÂgow? Weil leÂgein heißt: sammeln, zueinanderlegen. Solches Legen aber ist, als sammelndes, aufhebendes, bewahrendes und verwahrendes, ein Vorliegenlassen, das zum Vorschein bringt: das Vorliegende. Das Vor-liegende aber ist das von-sich-her-Anwesende; das leÂgein und der loÂgow sind das Vorliegenlassen des Anwesenden in seinem Anwesen. LoÂgow als legoÂmenon meint zugleich das Gesagte, d. h. Gezeigte, d. h. Vorliegende als solches, das Anwesende in seinem Anwesen. Wir sagen: das Seiende in seinem Sein. LoÂgow nennt das Sein. Aber loÂgow ist als das Vorliegende, als die Vorlage zugleich das, worauf anderes liegt und beruht. Wir sagen: der Boden, der Grund. LoÂgow nennt den Grund. LoÂgow ist Anwesen und Grund zumal. Sein und Grund gehören im loÂgow zusammen. Der loÂgow nennt diese Zusam mengehörigkeit von Sein und Grund. Er nennt sie, insofern er in Einem zumal sagt: Vorliegenlassen als Aufgehenlassen, von-sich-her-Aufgehen: fyÂsiw, Sein; und: Vorliegenlassen als Vorlegen, Boden bilden, Gründen: Grund. Der loÂgow nennt zumal in Einem Sein und Grund. Aber bei diesem Nennen bleibt die Unterscheidung in Sein und in Grund verborgen und mit der Unterschiedenheit verbirgt sich die Zusammengehörigkeit beider. Nur für einen einzigen seinsgeschicklich hohen und vielleicht höchsten Augenblick kommt die Zusammengehörigkeit von Sein und Grund zu dem Wort, das loÂgow heißt. Es wird in der Geschichte des frühen griechischen Denkens
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von Heraklit in dem erläuterten Sinne gesprochen. Aber das Wort loÂgow ist zugleich ein verbergendes Wort. Es läßt die Zusammengehörigkeit von Sein und Grund nicht als solche zum Vorschein kommen. Nun möchte man erwarten, daß in der Folge der Geschichte des Denkens die Zusammengehörigkeit von Sein und Grund mehr und mehr ans Licht gelange. Gerade dies geschieht nicht sondern das Gegenteil. Offenkundig wird zuvor die Verschiedenheit von Sein und Grund, aber wiederum nicht als Unterschiedenheit, die als Beziehung zwischen Sein und Grund beide in eine Zusammengehörigkeit verweist. Sein und Grund zeigen sich nur als Verschiedenes im Sinne des Geschiedenen und Getrennten. Weil jedoch im Verborgenen die Zusammengehörigkeit von Sein und Grund waltet, fallen die Getrennten nicht in das Bezuglose auseinander. Vielmehr wird der Grund als etwas anderes vorgestellt, nicht als Sein, aber auf das bezogen, was das Sein von sich her bestimmt, nämlich auf das Seiende. Dergestalt waltet im Verborgenen die Zusammengehörigkeit von Sein und Grund. Sie kommt weder vom Sein und seiner geschicklichen Prägung, noch vom Grund und dessen Formen her jemals ans Licht oder gar in den begreifenden Gedanken. Statt dessen macht sich in der Geschichte des Denkens etwas Selbstverständliches breit, nämlich jenes, was am Beginn der ersten Vorlesungsstunde erwähnt wurde: Jedes Seiende hat einen Grund. Dem Vorstellen ist dies geläufig. Inwiefern? Insofern das Vorstellen als Vorstellen des Seienden hinsichtlich dessen, daß es ist und so und so ist, das Sein in der Sicht hat und damit, obzwar ohne sein Wissen, dergleichen wie Grund. Darum ist es dem Vorstellen natürlich, nach Gründen zu fragen und auf Prinzipien zurückzugehen. Wenn später der Satz vom Grund aufgestellt wird, dann spricht er zunächst nichts anderes als dieses Selbstverständ-
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liche aus. Der Satz selbst aber, der diese Selbstverständlichkeit gleichsam sanktioniert, nimmt sie auch für sich selbst in Anspruch. So gilt dann der Satz vom Grund als unmittelbar einsichtiges Denkgesetz. Woher kommt dies? Es kommt daher, daß Sein und Grund das Selbe »sind«, ihre Zusammengehörigkeit als solche jedoch vergessen bleibt, d. h. griechisch verstanden: verborgen. Aber dies läßt sich nicht denken, solange wir loÂgow von der ratio und der Vernunft her verstehen. In diesem Fall gewahren wir auch nicht, inwiefern das römische rationem reddere nicht das Gleiche sagt wie das griechische loÂgon didoÂnai. Man kann diese griechische Wendung richtig übersetzen durch: Rechenschaft ablegen, den Grund angeben; aber man denkt dabei nicht eigentlich griechisch. Griechisch gedacht, sagt loÂgon didoÂnai: etwas Anwesendes in seinem so und so Anwesen und Vorliegen darbieten, nämlich dem versammelnden Vernehmen. Insofern jedes Seiende durch das Sein, d. h. durch das Gründen bestimmt bleibt, ist das Seiende selbst jeweils ein begründetes und gegründetes und dies in den verschiedenen Weisen, deren Mannigfaltigkeit und Herkunft hier nicht verhandelt werden können. [182]
[Nur nach zwei Hinsichten sei kurz gezeigt, wie von früh auf in der Geschichte des Denkens Sein und Grund zusammengehen, so zwar, daß ihre Zusammengehörigkeit und deren Herkunft verborgen bleiben. Das Zusammengehen ist jetzt ein Auseinanderfallen. Sobald wir freilich diese seltsame Zusammengehörigkeit einmal erblickt haben, ist es, wie stets in solchen Fällen, ein Leichtes, sie überall zu finden und nachzuweisen. »Sein« besagt unter anderen Namen der Frühzeit abendländischen Denkens loÂgow. Derselbe Denker Heraklit, der dieses Wort sagt, nennt Sein auch fyÂsiw.
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Sein ist als versammelnd-bergendes Aufgehenlassen jenes Erste, von woher Jegliches erst als das Jeweilige seines Versammelten aufgeht, hervorgeht ins aufgegangen-Unverborgene. Als loÂgow ist das Sein das Erste, von woher Anwesendes anwest – griechischa toÁ prvÄton oÏûen. »Das Erste von woher« ist das, von wo aus Jegliches, was ist, anfängt, und von woher es als Angefangenes beherrscht bleibt; anfangen heißt griechisch aÍrxein. Der loÂgow entfaltetb sich so zum prv Ä ton oÏûen, d. h. zur aÆrxhÂ, lateinisch-römisch gesagt zum principium. Daß alles Sinnen und Trachten, Tun und Lassen vorstellend nach Prinzipien sucht und an solche sich hält, ergibt sich aus dem Wesen des Seins als loÂgow und fyÂsiw. Hier ist die Zusammengehörigkeit von Sein und Prinzip und ratio, von Sein und Grund als Vernunftgrund gestiftet. Allein dies alles ist in keiner Weise selbstverständlich, sondern ein einziges Geheimnis eines einzigartigen Geschickes.* Sein im Sinne des loÂgow ist das versammelnde Vorliegenlassen. Darin kommt das Vorliegende ans Licht und zwar als solches, woran es jeweils liegt, daß es mit anderem jeweils so und nicht anders steht. Das, woran es liegt, daß etwas ist und so ist und nicht anders, zeigt sich als solches, was schuld ist an dem so eben Genannten. Das, woran es liegt als einem schon Vorliegenden, was schuld daran ist, heißt griechisch aiÍtion. Die Römer übersetzen es in das Wort causa, wir sagen: Ursache. Beides, Ursachen und Prinzipien haben den Charakter des Gründens, sie gehören, weil dem Wesen des Grundes entstammend, mit diesem zum Sein. Deshalb bestima b
d.h. bei Aristoteles 〈entfaltet〉
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men sie – die Prinzipien und die Ursachen – künftighin das Seiende und lenken alles Vorstellen von Seiendem. Die Herrschaft und der Anspruch der Prinzipien und Ursachen wird alsbald so natürlich und ausgeprägt, daß es so aussieht, als bestimmten sie erst und sie allein – man weiß nicht weshalb und woher – das Seiende in dessen Sein. Wenn neuzeitlich das Sein transzendental als Gegenständigkeit und diese als Bedingung der Möglichkeit des Gegenstandes bestimmt wird, dann verschwindet gleichsam das Sein zugunsten dessen, was Bedingung der Möglichkeit heißt und von der Art des rationalen Grundes und Gründens ist.]
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Bei der Gelegenheit, die uns dazu führte, deutlicher zu sagen, was die Rede von der Geschichte des Seins als dem Seinsgeschick meine, wurde darauf hingewiesen, daß das Sein, indem es sich zuschickt und lichtet, zugleich sich entzieht. Die Rede vom Entzug blieb dunkel und klang für manches Ohr wie eine mystische, nirgends in der Sache gefestigte Behauptung. Jetzt können wir das Wort vom Entzug des Seins deutlicher hören. Das Wort sagt: Sein verbirgt sich als Sein, nämlich ina seiner anfänglich geschicklichen Zusammengehörigkeit mit dem Grund als loÂgow. Aber das Sichentziehen erschöpft sich nicht in dieser Verbergung. Vielmehr läßt das Sein, indem es sein Wesen verbirgt, anderes zum Vorschein kommen, nämlich den Grund in der Gestalt der aÆrxaiÂ, aiÆtiÂai, der rationes, der causae, der Prinzipien, Ursachen und der Vernunftgründe. Im Entzug hinterläßt das Sein diese Gestalten des Gruna
nicht: verbirgt sich … in sondern: nämlich insofern S[ein] zusammengehört
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des, die jedoch nach ihrer Herkunft unbekannt bleiben. Indes wird dieses Unbekannte nicht als ein solches erfahren; denn es ist jedermann bekannt, daß alles Seiende einen Grund hat. Man findet dabei nichts Ungewöhnliches. So schickt sich denn das Sein im Entzug dem Menschen auf eine Weise zu, durch die es seine Wesensherkunft hinter dem dichten Schleier des rational verstandenen Grundes und der Ursachen und deren Gestalten verbirgt. Der Satz vom Grund sagt, in der zweiten Tonart gehört: Sein und Grund: das Selbe. Dies Gesagte spricht deutlicher, sobald wir seinsgeschicklich zurückdenken und hören, wie loÂgow als Leitwort Heraklits spricht. Der Satz vom Grund ist in der zweiten Tonart kein metaphysischer, sondern ein seinsgeschicklich gedachter Satz. Seine genauere Fassung muß deshalb lauten: Geschicklich anfänglich spricht sich Sein als loÂgow und d. h. im Wesen von Grund zu. Seinsgeschicklich anfänglich »sind« Sein und Grund das Selbe, bleiben es auch, aber in einer Zusammengehörigkeit, die in eine geschichtlich wandelhafte Verschiedenheit auseinandergeht. Indem wir der zweiten Tonart folgen, denken wir Sein nicht mehr vom Seienden her, sondern wir denken es als Sein, nämlich als Grund, d. h. nicht als ratio, nicht als Ursache, nicht als Vernunftgrund und Vernunft, sondern als versammelndes Vorliegenlassen. Sein und Grund sind aber nicht ein leeres Einerlei, sondern die verborgene Fülle dessen, was zunächst im Seinsgeschick als Geschichte des abendländischen Denkens zum Vorschein kommt. Bei der ersten Erläuterung der zweiten Tonart des Satzes vom Grund hieß es: Sein und Grund: das Selbe. Zugleich hieß es: Sein: der Ab-Grund. Sein »ist«, was sein anfänglicher Name loÂgow sagt, geschicklich das Selbe mit dem Grund. Insofern Sein als
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Grund west, hat es selber keinen Grund. Dies jedoch nicht deshalb, weil es sich selbst begründet, sondern weil jede Begründung, auch und gerade diejenige durch sich selbst, dem Sein als Grund ungemäß bleibt. Jede Begründung und schon jeder Anschein von Begründbarkeit müßte das Sein zu etwas Seiendem herabsetzen. Sein bleibt als Sein grund-los. Vom Sein bleibt der Grund, nämlich als ein es erst begründender Grund, weg und ab. Sein: der AbGrund. Steht nun dies Gesagte nur neben dem zuerst Gesagten: Sein und Grund: das Selbe? Oder schließt gar eines das andere aus? So scheint es in der Tat, wenn wir nach der Regel der gewöhnlichen Logik denken. Darnach besagt: »Sein und Grund: das Selbe« so viel wie: Sein = Grund. Wie soll dann noch das Andere gelten können: Sein: der Ab-Grund? Allein gerade dies zeigt sich als das jetzt zu-Denkende, nämlich: Sein »ist« der Ab-Grund insofern Sein und Grund: das Selbe. Insofern Sein gründen »ist«, und nur insofern, hat es keinen Grund. Denken wir dem nach und bleiben wir in solchem Denken, dann merken wir, daß wir aus dem Bereich des bisherigen Denkens abgesprungen und im Sprung sind. Aber fallen wir mit diesem Sprung nicht ins Bodenlose? Ja und Nein. Ja – insofern jetzt das Sein nicht mehr auf einen Boden im Sinne des Seienden gebracht und aus diesem erklärt werden kann. Nein – insofern Sein jetzt erst als Sein zu denken ist. Als dieses zu-Denkende wird es aus seiner Wahrheit her das Maß-Gebende. Die Weise des Denkens muß sich dieser Maß-Gabe anmessen. Aber dieses Maß und seine Gabe können wir durch kein Errechnen und Ausmessen von uns aus an uns reißen. Sie bleiben das für uns Unermeßliche. Der Sprung läßt jedoch das Denken so wenig ins Bodenlose im Sinne des völlig Leeren fallen, daß er
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erst das Denken in die Entsprechung zum Sein als Sein, d. h. zur Wahrheit des Seins gelangen läßt. Hören wir den Satz vom Grund in der anderen Tonart und denken wir dem Gehörten nach, dann ist dies Nach-denken ein Sprung und zwar ein Weitsprung, der das Denken ins Spiel mit dem bringt, worin das Sein als Sein ruht, also nicht mit solchem, worauf es als seinem Grund beruht. Das Denken gelangt durch diesen Sprung in die Weite jenes Spiels, auf das unser Menschenwesen gesetzt ist. Nur insofern der Mensch in dieses Spiel gebracht und dabei aufs Spiel gesetzt ist, vermag er wahrhaft zu spielen und im Spiel zu bleiben. In welchem Spiel? Wir haben dieses Spiel kaum erfahren und in seinem Wesen noch nicht bedacht, d. h. in dem, was es spielt und wer es spielt, und wie hier das Spielen zu denken ist. Wenn wir versichern, das hier gemeinte Spiel, worin das Sein als Sein ruht, sei ein hohes und gar das höchste Spiel und frei von jeder Willkür, dann wird damit wenig gesagt, solange dieses Hohe und sein Höchstes nicht aus dem Geheimnis des Spiels gedacht ist. Dies zu denken, reicht jedoch die bisherige Denkweise nicht aus; denn sobald sie das Spiel zu denken, d. h. nach ihrer Art vorzustellen sucht, nimmt sie es als etwas, das ist. Zum Sein eines Seienden, also auch zum Spiel, gehört dann der Grund. Das Wesen des Spiels wird sonach als Dialektik von Freiheit und Notwendigkeit überall im Gesichtskreis des Grundes, der ratio, der Regel, der Spielregel, des Kalküls bestimmt. Vielleicht müßte man den leibnizischen Satz: Cum Deus calculat fit mundus, gemäßer übersetzen durch: Während Gott spielt, wird Welt. Die Frage, zu der uns der Sprung in die andere Tonart des Satzes vom Grund anweist, lautet: Läßt sich das Wesen des Spiels sachgemäß vom Sein als Grund her bestimmen, oder müssen wir Sein und Grund, Sein als Ab-Grund aus
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dem Wesen des Spiels her denken und zwar des Spiels, in das wir Sterbliche gebracht sind, die wir nur sind, indem wir in der Nähe des Todes wohnen, der als äußerste Möglichkeit des Daseins das Höchste an Lichtung des Seins und seiner Wahrheit vermag? Der Tod ist die noch ungedachte Maßgabe des Unermeßlichen, d. h. des höchsten Spiels, in das der Mensch irdisch gebracht, auf das er gesetzt ist. Doch ist es nicht ein bloß spielerisches Tun, wenn wir jetzt zum Schluß der Vorlesung über den Satz des Grundes den Gedanken an das Spiel und an die Zusammengehörigkeit von Sein und Grund mit dem Spiel beinahe gewaltsam hereinzerren? So mag es scheinen, solange wir immer noch unterlassen, seinsgeschicklich zu denken, und d. h. uns andenkend der lösenden Bindung in die Überlieferung des Denkens anzuvertrauen. Der Denkweg der Vorlesung führte uns dahin, den Satz des Grundes in der anderen Tonart zu hören. Dies verlangte von uns, zu fragen: Inwiefern »sind« Sein und Grund das Selbe? Die Antwort ergab sich uns auf dem Weg eines Rückganges an den Anfang des Seinsgeschickes. Der Weg führte durch die Überlieferung, nach der in den Worten »Grund« und »Vernunft« die ratio im Doppelsinn der Rechnung spricht. In der ratio aber spricht der griechisch gedachte loÂgow. Aber erst indem wir bedachten, was im frühgriechischen Denken für Heraklit loÂgow sagt, wurde deutlich, daß dieses Wort zumal Sein und Grund nennt, beide aus ihrer Zusammengehörigkeit. Was Heraklit loÂgow nennt, sagt er noch in anderen Namen, die Leitworte seines Denkens sind: fyÂsiw, das von-sich-her-Aufgehen, das zugleich west als Sichverbergen; koÂsmow, das griechisch zumal besagt Ordnung, Fügung und Schmuck, der als Glanz und Blitz zum Scheinen bringt; schließlich nennt Heraklit das, was sich ihm als loÂgow, als das Selbe von Sein und Grund
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zuspricht: aiÆvÂn. Das Wort ist schwer zu übersetzen. Man sagt: Weltzeit. Es ist die Welt, die weltet und zeitigt, indem sie als koÂsmow (Frg. 30)* die Fügung des Seins zum erglühenden Erglänzen bringt. Wir dürfen nach dem Gesagten in den Namen loÂgow, fyÂsiw, koÂsmow und aiÆvÂn jenes Ungesagte hören, das wir das Seinsgeschick nennen. Was sagt Heraklit vom aiÆvÂn? Das Fragment 52** lautet: aiÆv Á n paiÄw eÆsti paiÂzvn, pesseyÂvnÇ paidoÁw hë basilhiÂh. Seinsgeschick, ein Kind ist es, spielend, spielend das Brettspiel; eines Kindes ist das Königtum – d. h. die aÆrxhÂ, das stiftend verwaltende Gründen, das Sein dem Seienden. Das Seinsgeschick: ein Kind, das spielt. Somit gibt es auch große Kinder. Das größte, durch das Sanfte seines Spiels königliche Kind ist jenes Geheimnis des Spiels, in das der Mensch und seine Lebenszeit gebracht, auf das sein Wesen gesetzt wird. Warum spielt das von Heraklit im aiÆvÂn erblickte große Kind des Weltspieles? Es spielet, weil es spielet. Das »Weil« versinkt im Spiel. Das Spiel ist ohne »Warum«. Es spielt, dieweil es spielt. Es bleibt nur Spiel: das Höchste und Tiefste. Aber dieses »nur« ist Alles, das Eine, Einzige. Nichts ist ohne Grund. Sein und Grund: das Selbe. Sein als gründendes hat keinen Grund, spielt als der Ab-Grund jenes Spiel, das als Geschick uns Sein und Grund zuspielt. Die Frage bleibt, ob wir und wie wir, die Sätze dieses Spiels hörend, mitspielen und uns in das Spiel fügen.
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er Satz vom Grund lautet: Nihil est sine ratione. Man übersetzt: Nichts ist ohne Grund. Was der Satz aussagt, läßt sich in die folgende Form umschreiben: Alles hat einen Grund, d. h. jegliches, was auf irgendeine Weise ist. Omne ens habet rationem. Das jeweils Wirkliche hat einen Grund seiner Wirklichkeit. Das jeweils Mögliche hat einen Grund seiner Möglichkeit. Das jeweils Notwendige hat einen Grund seiner Notwendigkeit. Nichts ist ohne Grund. In allem, was uns umgibt, angeht und begegnet, schauen wir nach Gründen aus. Wir verlangen für unsere Aussagen die Angabe des Grundes. Wir bestehen auf der Begründung für jedes Verhalten. Oft begnügen wir uns mit den nächstliegenden Gründen; bisweilen forschen wir nach den weiter zurückliegenden Gründen; schließlich wagen wir uns an die ersten Gründe und fragen nach dem letzten Grund. Bei allem Begründen und Ergründen laufen wir schon auf dem Weg zu einem Grund. Was der Satz vom Grund aussagt, ist uns deshalb geläufig, und weil geläufig, auch unmittelbar einleuchtend. So kommt es, daß, was der Satz vom Grund sagt, zunächst auch nicht eigens als ein Satz gesetzt oder gar wie ein Gesetz vorgetragen wird. Häufig ist der Inhalt des Satzes, der verkürzt lautet: Nichts ohne Grund, sogar nur in der folgenden Fassung bekannt: Nihil fit sine causa, Nichts geschieht ohne Ursache. Nun ist gewiß jede Ursache eine Art von Grund. Aber
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nicht jeder Grund bewirkt etwas im Sinne einer Verursachung. So enthält z. B. die allgemeingültige Aussage: »Alle Menschen sind sterblich« zwar den Grund dafür, daß wir einsehen: Sokrates ist sterblich. Aber jene allgemeine Aussage bewirkt nicht, ist nicht Ursache dafür, daß Sokrates stirbt. Nihil sine ratione, Nichts ohne Grund; so lautet die kaum ausgesprochene Formel für eine überall maßgebende Meinung, der wir unser Vorstellen anvertrauen. Dennoch braucht es in der Geschichte des abendländischen Denkens, das im 6. vorchristlichen Jahrhundert beginnt, zweitausend und dreihundert Jahre, bis die vertraute Vorstellung »Nichts ohne Grund« eigens als ein Satz gesetzt und als Gesetz bekannt, in seiner ganzen Tragweite anerkannt und wissentlich zur unbeschränkten Geltung gebracht wird. Während der genannten Zeit schläft gleichsam der Satz vom Grund. Wir haben bis zur Stunde noch kaum über diese seltsame Tatsache nachgedacht und auch nur gefragt, woran es wohl liegen möchte, daß der kleine Satz einer so unerhört langen Incubationszeit bedurfte. Denn erst im 17. Jahrhundert hat Leibniz die längst geläufige Vorstellung, daß nichts sei ohne Grund, als einen maßgebenden Satz erkannt und ihn als den Satz des Grundes dargestellt. Sollte gar durch den allgemeinen und kleinen Satz vom Grund etwas Einzigartiges und Großes zum Vorschein kommen?a Bereitet sich in der ungewöhnlich langen Incubationszeit auch ein ungewöhnliches Aufwachen vor, ein Erwachen in eine Wachheit, die keinen Schlaf mehr zuläßt, am wenigsten eine Incubation, einen Tempelschlaf? Zu welcher Art von Sätzen aber Leibniz den Satz vom Grund rechnet, verrät der lateinische Titel, den er dem Satz a
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gibt. Nichts ohne Grund, nihil sine ratione heißt das principium rationis. Der Satz ist jetzt ein Prinzip. Der Satz vom Grund wird zu einem Grundsatz. Allein er ist nicht nur ein Grundsatz unter anderen. Für Leibniz ist er einer der obersten Grundsätze, wenn nicht gar der oberste. Darum zeichnet Leibniz den Grundsatz vom Grund durch Beiworte aus. Leibniz nennt ihn das principium magnum, grande et nobilissimum: das große, das gewaltige, das allbekannterhabenste Prinzip. Inwiefern verdient der Satz vom Grund diese Auszeichnung? Darüber kann uns der Inhalt des Grundsatzes belehren. Leibniz erhebt das nihil sine ratione, nichts ohne Grund, dadurch zum obersten Grundsatz, daß er zeigt, inwiefern der Satz vom Grund alle Sätze, d. h. jeden Satz allererst als einen Satz begründet. Dieser Charakter des Satzes vom Grund kommt in dem vollständigen lateinischen Titel, den Leibniz dem Prinzip gibt, ans Licht. Leibniz kennzeichnet den Satz vom Grund als das principium reddendae rationis sufficientis. Wir übersetzen diesen Titel, indem wir die einzelnen Bestimmungen erläutern. Das principium rationis ist principium reddendae rationis. Rationem reddere heißt: den Grund zurückgeben. Wir fragen dreierlei: 1. Wofür ist der zurückzugebende Grund jeweils der Grund? 2. Weshalb muß der Grund zurückgegeben, d. h. eigens beigebracht werden? 3. Wohin wird der Grund zurückgegeben? Auf die erste Frage antwortet Leibniz durch eine kurze, aber weittragende Bemerkung. Der Grund ist ein zurückzugebender, quod omnis veritatis reddi ratio potest (Gerhardt, Phil. VII, 309)*, »weil eine Wahrheit je nur Wahrheit
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ist, wenn ihr der Grund zurückgegeben werden kann«. Wahrheit ist für Leibniz stets – und dies bleibt entscheidend – propositio vera, ein wahrer Satz, d. h. ein richtiges Urteil. Das Urteil ist connexio praedicati cum subiecto,* Verknüpfung des Ausgesagten mit dem, worüber ausgesagt wird. Das, was als die einigende Einheit von Subjekt und Prädikat deren Verknüpfung trägt, ist der Boden, der Grund des Urteils. Dieser gibt die Berechtigung für das Verknüpfen. Der Grund gibt die Rechenschaft für die Wahrheit des Urteils. Rechenschaft heißt lateinisch ratio. Der Grund der Wahrheit des Urteils wird als die ratio vorgestellt. Demgemäß schreibt Leibniz in einem Brief an Arnauld, »Hanovre ce 14 Juillet 1686: il faut tousjours qu’il y ait quelque fondement de la connexion des termes d’une proposition, qui se doit trouver dans leur notions.** C’est la` mon grand principe, dont je croy que tous les philosophes doivent demeurer d’accord, et dont un des corollaires est cet axiome vulgaire que rien n’arrive sans raison, qu’ont peut tousjours rendre pourquoy la chose est plustost alle´ ainsi qu’autrement …« In der Übersetzung: »nötig ist immer, daß es eine Grundlage der Verknüpfung der Glieder des Urteils gibt, die sich in deren Begriffen finden muß. Dieses eben ist mein großes Prinzip, von dem ich glaube, daß alle Philosophen es zugeben müssen, und davon dieses gewöhnliche Axiom, daß nichts ohne einen Grund geschieht, den man immer zurückgeben kann, warum die Sache viel eher so als anders verlaufen ist, einer der Folgesätze bleibt.« (Briefwechsel zwischen Leibniz, Arnauld und dem Landgrafen Ernst von HessenRheinfels. Herausgegeben von C. L. Grotefend, Hannover 1846, S. 49; vgl. dazu: Gerhardt, Phil. II, 62.)*** Das große Prinzip ist das principium reddendae rationis, der Grundsatz vom zurückzugebenden Grund. Wir fragen die zweite Frage: Weshalb muß der Grund
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als Grund eigens beigebracht werden? Weil der Grund ratio ist, d. h. Rechenschaft. Wenn sie nicht gegeben wird, bleibt das Urteil ohne Berechtigung. Es fehlt die ausgewiesene Richtigkeit. Das Urteil ist keine Wahrheit. Das Urteil ist nur dann eine Wahrheit, wenn der Grund der Verknüpfung angegeben, wenn die ratio, d. h. die Rechenschaft abgelegt wird. Solches Ablegen bedarf einer Stelle, wohin die Rechenschaft gelegt, vor der sie abgelegt wird. Wir fragen die dritte Frage hinsichtlich der ratio reddenda: Wohin muß der Grund zurückgegeben werden? Antwort: Zurück auf den Menschen, der in der Weise des urteilenden Vor stellens die Gegenstände als Gegenstände bestimmt. Vorstellen aber ist: repraesentare – etwas auf den Menschen zu präsent, gegenwärtig machen. Nun wird aber seit Descartes, dem Leibniz und mit ihm das gesamte neuzeitliche Denken folgen, der Mensch als das Ich erfahren, das sich so auf die Welt bezieht, daß es diese in richtigen Vorstellungsverknüpfungen, d. h. Urteilen sich zu-stellt und so als Gegenstand sich entgegenstellt. Richtig, d. h. wahr, sind die Urteile und Aussagen nur dann, wenn der Grund der Verknüpfung von Subjekt und Prädikat dem vorstellenden Ich zugestellt, auf dieses zurückgegeben wird. Der Grund ist nur solcher Grund als die ratio, d. h. als die Rechenschaft, die über etwas vor dem Menschen als dem urteilenden Ich und für dieses abgelegt wird. Die Rechenschaft ist nur Rechenschaft als abgelegte. Darum ist die ratio in sich ratio reddenda; der Grund ist als solcher der zurückzugebende Grund. Erst durch den auf das Ich zurück- und ihm eigens zugestellten Grund der Vorstellungsverknüpfung kommt das Vorgestellte so zum Stehen, daß es als Gegenstand, d. h. als Objekt für das vorstellende Subjekt sichergestellt ist. Aber der zugestellte Grund leistet solches zum-Stehen-
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-Bringen der Gegenstände nur dann, wenn er in zureichender Weise eine ausreichende Rechenschaft für die Sicherstellung der Gegenstände gibt. Der zuzustellende Grund muß eine ratio sufficiens sein. Leibniz schreibt einmal über den Satz vom Grund folgendes: (principium rationis) »quod dicere soleo nihil existere nisi cuius reddi potest ratio existentiae sufficiens.«* Das Prinzip des Grundes, »das ich (in der Form) zu sagen pflege: nichts existiert, dafür der Grund seiner Existenz nicht als der zureichende zugestellt werden kann«. Der Grund, der in jedem Urteil über einen Gegenstand seine unerläßliche Zustellung beansprucht, verlangt zugleich, daß er als Grund zureiche, d. h. als Rechenschaft vollständig genüge. Wofür? Dafür, daß er einen Gegen stand im Ganzen seines Standes nach jeder Hinsicht für jedermann, d. h. voll zum Stehen bringe. Erst die Vollständigkeit der zu-zustellenden Gründe, die perfectio, gewährleistet, daß etwas für das menschliche Vorstellen als Gegenstand im wörtlichen Sinne »fest«-gestellt, in seinem Stand gesichert ist. Die Vollständigkeit der Rechenschaft, die Perfektion verbürgt erst, daß jedes Vorstellen jederzeit und überall auf den Gegenstand und mit ihm rechnen kann. Nichts ist ohne Grund. Der Satz sagt jetzt: Jegliches gilt dann und nur dann als seiend, wenn es für das Vorstellen als ein berechenbarer Gegenstand sichergestellt ist. Worin besteht also das Große des Satzes vom Grund als des principium magnum, grande et nobilissimum, des großen, gewaltigen und allbekannt-erhabensten Prinzips? Antwort: Darin, daß dieses Prinzip darüber verfügt, was als Gegenstand des Vorstellens, allgemein, was als etwas Seiendes soll gelten dürfen. Im Satz vom Grund spricht dieser Anspruch auf die Verfügung darüber, was Sein eines Seienden heißt. Wenn Leibniz zum ersten Mal den Satz vom
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Grund eigens und vollständig als solches Prinzip aufstellt, dann spricht er damit aus, daß inzwischen das menschliche Vorstellen auf eine entschiedene und somit unausweichliche Weise in den Anspruch des principium rationis genommen und von seiner Gewalt durchwaltet ist. Das principium rationis, der Satz vom Grund wird zum Grundsatz alles Vorstellens. Dies besagt: Das Vorstellen wird, vom principium rationis durchherrscht, jetzt ausgesprochen rational, von der Vernunft verwaltet. Denn »ratio« bedeutet von alters her nicht nur Rechenschaft im Sinne dessen, was anderes rechtfertigt, d. h. begründet. Ratio bedeutet zugleich Rechenschaft im Sinne von rechtfertigen, etwas als zu Recht bestehend, als richtig errechnen und durch solche Rechnung sichern. Dieses weit gedachte Rechnen ist die Weise, wie der Mensch etwas aufnimmt, vornimmt und annimmt, d. h. überhaupt etwas ver-nimmt. Ratio ist die Weise des Vernehmens, d. h. die Vernunft. Das vernünftige, rationale Vorstellen folgt dem principium rationis. Der Satz vom Grund ist insofern der oberste Grundsatz der Vernunft, als durch ihn die Vernunft erst als Vernunfta zur vollen Entfaltung ihres Wesens gelangt.* Der Satz vom Grund ist der Grundsatz des vernünftigen Vorstellens im Sinne des sicherstellenden Rechnens. Man spricht von Vernunftgründen. Dadurch, daß Leibniz den kleinen, kaum eigens gedachten Satz: Nihil sine ratione, Nichts ohne Grund, in die vollständige und strenge Fassung des gewaltigen Grundsatzes brachte, wurde die Incubationszeit des Satzes vom Grund in einer Hinsicht beendet. Seitdem entfaltet der im Grundsatz waltende Anspruch eine vormals nicht geahnte Herrschaft. Diese vollbringt nichts Geringeres als die innerste, zugleich aber verborgenste Prägung des a
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Zeitalters der abendländischen Geschichte, das wir die »Neuzeit« nennen. Die Herrschaft des gewaltigen Grundsatzes wird in der Geschichte der Menschheit um so gewaltiger, je durchgängiger, je selbstverständlicher und demzufolge je unauffälliger der Satz vom Grund alles Vorstellen und Verhalten bestimmt. So steht es heute. Darum müssen wir, die Heutigen, fragen, ob wir und wie wir den Anspruch, der aus dem großen Grundsatz alles Vorstellens spricht, hören. Spüren wir denn die Gewalt dieses Anspruches? Ja. Der neuzeitliche Mensch hört allerdings diesen Anspruch. Er hört ihn auf eine seltsam entschiedene Weise, nämlich so, daß er der Gewalt des Grundsatzes immer ausschließlicher, immer schneller hörig wird. Mehr noch: Der heutige Mensch läuft Gefahr, die Größe alles Großen nur noch am Ausmaß der Herrschaft des principium rationis zu messen. Wir wissen heute, ohne es schon recht zu verstehen, daß die moderne Technik unaufhaltsam dahin drängt, ihre Einrichtungen und Erzeug nisse in die allumfassende, größtmögliche Perfektion zu treiben. Diese Perfektion besteht in der Vollständigkeit der berechenbaren Sicherstellung der Gegenstände, des Rechnens mit ihnen und der Sicherung der Berechenbarkeit der Rechnungsmöglichkeiten. Die Perfektion der Technik ist nur das Echo des Anspruches auf die perfectio, d. h. die Vollständigkeit der Begründung. Dieser Anspruch spricht aus dem principium reddendae rationis sufficientis, dem Grundsatz des zuzustellenden zureichenden Grundes. Die jetzt vollzogenen Denkschritte seien als Übergang zum folgenden kurz wiederholt: Die moderne Technik treibt in die größtmögliche Perfektion. Die Perfektion beruht auf der durchgängigen Berechenbarkeit der Gegenstände. Die Berechenbarkeit der
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Gegenstände setzt die unbeschränkte Geltung des principium rationis voraus. So bestimmt dann die gekennzeichnete Herrschaft des Satzes vom Grund das Wesen des modernen, technischen Zeitalters. Und heute ist die Menschheit so weit, dem Fortriß in etwas zu folgen, was bisher in ihrer Geschichte nicht hervorkommen konnte. Die Menschheit tritt in das Zeitalter ein, dem sie den Namen »Atomzeitalter« gegeben hat. Ein kürzlich erschienenes, für die breite Öffentlichkeit berechnetes Buch trägt den Titel: »Wir werden durch Atome leben«. Das Buch ist mit einem Geleitwort des Nobelpreisträgers Otto Hahn und mit einem Vorwort des jetzigen Verteidigungsministers Franz Joseph Strauß versehen. Am Schluß der Einführung schreiben die Verfasser der Schrift: »Das Atomzeitalter kann also ein hoffnungsvolles, blühendes, glückliches Zeitalter werden, ein Zeitalter, in dem wir durch Atome leben werden. Auf uns kommt es an!«* Allerdings – auf uns kommt es an; auf uns und einiges andere kommt es an, darauf nämlich, ob wir uns noch besinnen, ob wir uns überhaupt noch besinnen wollen und können. Sollen wir indes auf einen Weg der Besinnung gelangen, dann müssen wir allem zuvor uns erst in eine Unterscheidung finden, die uns den Unterschied zwischen dem bloß rechnenden Denken und dem besinnlichen Denken vor Augen hält. Damit wir diesen Unterschied sehen, versuchen wir jetzt im Hinblick auf den Satz vom Grund eine Besinnung. Wir beginnen sie damit, daß wir erst einmal beachten, was sich denn in der anscheinend harmlosen Namengebung verbirgt, die ein Zeitalter das Atomzeitalter nennt.
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Was ist daran Besonderes? Zum ersten Mal in seiner Geschichte deutet der Mensch eine Epoche seines geschichtlichen Daseins aus dem Andrang und der Bereitstellung einer Energie der Natur. Und es sieht bereits so aus, als fehlten schon die Maßstäbe und die Kraft des Nachdenkens, um das Befremdende und Unheimliche einer solchen Auslegung des gegenwärtigen Zeitalters noch frei genug zu erfahren, damit wir unablässig und immer entschiedener davon betroffen werden. Das Dasein des Menschen geprägt durch die Atomenergie! Ob die Atomenergie friedlich genutzt oder kriegerisch mobilisiert wird, ob das eine das andere stützt und herausfordert, dies bleiben Fragen zweiten Ranges. Denn allem zuvor und weit hinaus und noch weiter zurück müssen wir fragen: Was heißt es denn, daß ein Zeitalter der Weltgeschichte durch die Atomenergie und deren Freisetzung geprägt wird? Manch einer hat vielleicht schon die Antwort bereit, indem er urteilt: Atomzeitalter, das heißt Herrschaft des Materialismus, weshalb es gilt, entgegen dem Andrang des Materiellen die alten geistigen Werte zu retten. Diese Antwort wäre indes eine allzu billige Auskunft. Denn der Materialismus ist durchaus nichts Materielles. Er ist selbst eine Gestalt des Geistes. Er weht vom Westen her nicht weniger stark als vom Osten. In der amerikanischen Zeitschrift »Perspektiven«, deren deutsche Ausgabe durch den S. Fischer Verlag vertrieben wird, steht folgendes zu lesen (Max Lerner, Universale Technologie und neutrale Techniker, Heft 14, 1956, S. 145 f.)*: »Der Verlust einiger alter Werte mag vielleicht den Bestand einer Kultur über längere Zeiträume hin beeinflussen; aber worauf es für ihr Zusammenhalten in den
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unmittelbar folgenden Generationen ankommt, ist, daß die Menschen das haben – oder zu haben glauben – , was ihnen als Wert vorgehalten ist. […] Die Werte von Einkommen, Konsumtion, sozialem Status und Massenkultur unterscheiden sich von den Werten, die durch Landbesitz, Handwerk und Fabrikbesitz kleineren Umfangs umschrieben sind, und in diesem Sinne hat sich der Grundklang der amerikanischen Kultur unter dem Einfluß der großen Technologie völlig verändert. Denn die Maschine selbst hat die amerikanischen Arbeiter, Angestellten und freiberuflich Tätigen von der Maschine weggenommen und ihre Interessen und Energien von der Güterproduktion verschoben aufs Geldverdienen, um die Güter kaufen und sie genießen zu können.« Aus diesen wenigen Sätzen wird deutlich: Der Materialismus ist die bedrohlichste Gestalt des Geistes, weil wir uns an der verfänglichen Art seiner Gewaltsamkeit am leichtesten und längsten versehen. Darum fragen wir erneut: Was heißt es denn, daß ein Zeitalter der Weltgeschichte durch die Atomenergie und deren Freisetzung geprägt wird? Es heißt nichts anderes als dies: Das Atomzeitalter ist von der Gewalt des Anspruches beherrscht, die uns durch das Prinzip vom zuzustellenden zureichenden Grund zu überwältigen droht. Wie sollen wir dies verstehen? Die Atomenergie ist durch die Atomkernspaltung in riesigen Mengen freigesetzt. Die Freisetzung dieser Naturenergie geschieht durch die Arbeit der modernsten Naturwissenschaft, die sich immer eindeutiger als eine maßgebende Funktion und Form des Wesens der modernen Technik herausstellt. Vor kurzem noch kannte die Wissenschaft vom Atom nur Proton
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und Neutron als dessen Teilchen. Heute sind es bereits deren mehr als zehn. Durch diese Tatsachen sieht sich die Forschung dahin fortgetrieben, die zerstreute Mannigfaltigkeit der Elementarteilchen auf eine neue Einheit zurückzuverlegen. Es gilt, Widersprüche zu beseitigen, die in den beobachteten Tatsachen und in den zu deren Erklärung aufgestellten Theorien fortgesetzt hervortreten. Dies geschieht dadurch, daß die einander widersprechenden Urteile zu einer Einstimmigkeit gebracht werden. Dazu bedarf es einer Einheit, die das Widersprechende verknüpft. Was jedoch die Verknüpfung der Vorstellungen in den Urteilen trägt und bestimmt, ist der jeweils zugestellte zureichende Grund. Hieraus wird deutlich: Der Antrieb zum Fragen nach der widerspruchslosen Einheit der Urteile und der Fortriß zur entsprechenden Sicherstellung dieser Einheit kommen aus der Gewalt des Anspruches auf Zustellung des zureichenden Grundes für alles Vorstellen. Die Herrschaft des gewaltigen Grundsatzes vom Grund ist das Element, darin sich die Wissenschaften bewegen wie der Fisch im Wasser und der Vogel in der Luft.* Dies alles sagt uns Goethe in den beiden letzten Versen eines späten Gedichtes auf das schönste (Chinesisch-Deutsche Jahres- und Tageszeiten X)**: Doch Forschung strebt und ringt, ermüdend nie, Nach dem Gesetz, dem Grund, Warum und Wie.
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Goethe ahnte wohl, wie das Unermüdliche der Forschung, falls sie nur und blindlings ihrem Fortriß folgt, den Menschen und die Erde in ihrem innersten Wesen abmüdet. Indes konnte Goethe nicht voraussehen, wohin das Unermüdliche der neuzeitlichen Forschung führt, wenn sie sich der Herrschaft des gewaltigen Grundsatzes vom zu-
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zustellenden zureichenden Grund als der alleinigen Maßgabe ohne Vorbehalt ausliefert. Wohin hat dies geführt? Zu einer Veränderung des wissenschaftlichen Vorstellens, durch welche Veränderung freilich nur das sich vollendet, was im Wesen der neuzeitlichen Wissenschaft angelegt ist. Durch die Freisetzung der riesenhaften Atomenergien wird jetzt die von der modernen Technik gesteuerte Wissenschaft davon entbunden, fernerhin nach neuen Energiequellen zu forschen. Aber diese Entbindung schlägt sogleich in eine noch gewaltigere Bindung an den Anspruch des Grundsatzes vom Grund um. Jetzt muß nämlich die Forschung ihr ganzes Absehen in einem neuen Stil darauf richten, die freigesetzten Naturenergien zu bändigen. Was heißt dies? Es heißt: Die Nutzbarkeit der Atomenergie und dem zuvor ihre Berechenbarkeit auf eine Weise sicherstellen, daß diese Sicherstellung ihrerseits ständig das Einschalten neuer Sicherungen herausfordert. Dadurch steigert sich die Gewalt des Anspruches auf die Zustellung des zureichenden Grundes ins Unabsehbare. Unter dieser Gewalt des Anspruches festigt sich der Grundzug des heutigen menschlichen Daseins, das überall auf Sicherheit arbeitet. (Beiläufig gesagt: Leibniz, der Entdecker des Grundsatzes vom zureichenden Grund, ist auch der Erfinder der »Lebensversicherung«.) Die Arbeit an der Sicherstellung des Lebens muß jedoch selber ständig sich neu sichern. Das Leitwort für diese Grundhaltung des heutigen Daseins lautet: Information. Wir müssen das Wort in der amerikanisch-englischen Aussprache hören. Information besagt einmal die Benachrichtigung, die den heutigen Menschen möglichst schnell, möglichst umfassend, möglichst eindeutig, möglichst ergiebig über die
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Sicherstellung seiner Bedürfnisse, ihres Bedarfes und dessen Deckung unterrichtet. Demgemäß gewinnt die Vorstellung von der Sprache des Menschen als einem Instrument der Information in steigendem Maße die Oberhand. Denn die Bestimmung der Sprache als Information verschafft allererst den zureichenden Grund für die Konstruktion der Denkmaschinen und für den Bau der Großrechenanlagen. Indem jedoch die Information in-formiert, d. h. benachrichtigt, formiert sie zugleich, d. h. sie richtet ein und aus. Die Information ist als Benachrichtigung auch schon die Einrichtung, die den Menschen, alle Gegenstände und Bestände in eine Form stellt, die zureicht, um die Herrschaft des Menschen über das Ganze der Erde und sogar über das Außerhalb dieses Planeten sicherzustellen. In der Gestalt der Information durchwaltet das gewaltige Prinzip des zuzustellenden zureichenden Grundes alles Vorstellen und bestimmt so die gegenwärtige Weltepoche als eine solche, für die alles auf die Zustellung der Atomenergie ankommt. Wir frugen, um ein besinnliches Denken einzuleiten, ob der neuzeitliche und heutige Mensch den Anspruch höre, der aus dem gewaltigen Grundsatz alles Vorstellens spricht. Wir antworteten: ja, und zeigten: wie. Der heutige Mensch hört ständig auf den Grundsatz des Grundes, indem er dem Satz zunehmend höriger wird. Gesetzt aber, daß die Hörigkeit nicht die einzige und nicht die eigentliche Weise des Hörens ist, dann müssen wir die Frage noch einmal fragen: Hören wir den Anspruch des Satzes vom Grund? Wir achten aber jetzt darauf, daß wir einen Anspruch erst dann wahrhaft hören, wenn wir dem entsprechen, was er uns eigentlich zuspricht. Spricht denn im Anspruch des Satzes vom Grund ein Zuspruch? Und hören wir dorthin, von woher der gewaltige Grundsatz
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spricht? Wir müssen gestehen: nein! Inwiefern nein? Insofern, als wir nicht deutlich und entschieden genug hören und bedenken, was der Satz vom Grund eigentlich sagt. In der allbekannten Verlautbarung lautet der Satz vom Grund: Nihil est sine ratione, Nichts ist ohne Grund.* Wir achten gewöhnlich nicht darauf, daß wir in der gewohnten Aussage des Satzes das kleine Wörtchen »ist« wie etwas Selbstverständliches überhören. Weshalb sollen wir denn auf das »ist« hören? Der Grundsatz des Grundes sagt: Jedes Seiende hat einen Grund. Der Satz ist eine Aussage über das Seiende. Allein Seiendes erfahren wir als Seiendes nur, wenn wir darauf achten, daß es und wie es ist. Wir müssen daher, um den Satz über das Seiende eigentlich zu hören, unseren Sinn darauf richten, daß in dem Satz »Nichts ist ohne Grund« das »ist« den alles stimmenden Ton angibt. Hören wir darauf, d. h. geben wir uns frei für das, was im Satz eigentlich spricht, dann tönt der Satz plötzlich anders. Nicht mehr: Nichts ist ohne Grund, sondern: Nichts ist ohne Grund. Das Wörtchen »ist« nennt, jeweils vom Seienden gesagt, das Sein des Seienden. Während jetzt das »ist«, will sagen: »das Sein«, den Ton im Satz angibt, kommt mit ihm zugleich der Grund in die Betonung: Nichts ist ohne Grund. Sein und Grund klingen jetzt in einem Einklang. In diesem Klang erklingt, daß Sein und Grund in Einem zusammengehören. Der nunmehr anders klingende Satz vom Grund sagt jetzt: Zum Sein gehört der Grund. Der Satz vom Grund spricht nicht mehr als oberster Grundsatz alles Vorstellens vom Seienden, daß jegliches einen Grund habe. Der Satz vom Grund spricht jetzt als ein Wort vom Sein. Das Wort ist eine Antwort auf die Frage: Was heißt denn Sein? Antwort: Sein heißt Grund. Indes kann der Satz vom Grund als Wort vom Sein nicht mehr sagen wollen: Sein hat einen Grund. Verstünden wir
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das Wort vom Sein in diesem Sinn, dann wäre das Sein als ein Seiendes vorgestellt. Nur Seiendes hat und zwar notwendig einen Grund. Es ist nur als gegründetes. Das Sein jedoch, weil selber der Grund, bleibt ohne Grund. Insofern das Sein, selbst der Grund, gründet, läßt es das Seiende jeweils ein Seiendes sein. [Weil jedoch Leibniz und alle Metaphysik beim Satz vom Grund als einem Grundsatz über das Seiende stehenbleiben, verlangt das metaphysische Denken dem Grundsatz gemäß einen ersten Grund für das Sein: in einem Seienden, und zwar dem Seiendsten; vgl. Leibniz VII, 289 sqq.]* So hat denn jedes Seiende, weil vom Sein als dem Grund ins Sein gegeben, unausweichlich die Mitgift eines Grundes. Denn anders wäre es nicht seiend. Der Satz vom Grund, als Grundsatz vom zuzustellenden zureichenden Grund verstanden, ist somit nur deshalb wahr, weil in ihm ein Wort vom Sein spricht, das sagt: Sein und Grund: das Selbe. Dieses Wort vom Sein soll nach der aufgestellten Behauptung antworten, nämlich auf die Frage: Was heißt denn Sein? Doch ist dies eine Antwort, wenn uns gesagt wird: Sein heißt Grund? Statt hierdurch eine Antwort zu empfangen, werden wir erneut in eine Frage gestoßen. Denn wir fragen sogleich: Was heißt denn Grund? Darauf gibt es jetzt nur die folgende Antwort: Grund heißt Sein. Sein heißt Grund – Grund heißt Sein: Hier dreht sich alles im Kreis. Uns faßt ein Schwindel. Das Denken stürzt ins Ratlose. Denn wir wissen weder recht, was »Sein« besagt, noch was »Grund«. Gesetzt aber, das Wort vom Sein als Grund antworte auf die Frage nach dem Sinn von Sein, so bleibt diese Antwort für uns zunächst verschlossen. Der
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Schlüssel fehlt, um sie aufzuschließen, damit uns durch sie ein Einblick werde in das, was das Wort vom Sein sagt. Nun ist es schon schwer und weitläufig genug, den fehlenden Schlüssel auch nur zu suchen. Darum wählen wir in diesem Vortrag einen anderen Weg, um vielleicht und wenigstens eine Vortür aufzuschließen. Das Geleit für diesen Weg möge uns der Dichter geben, dessen Verse jenes Vorstellen umschreiben, das unter der Gewalt des Grundsatzes vom zuzustellenden zureichenden Grund steht. Goethe sagt von der neuzeitlichen Wissenschaft: Doch Forschung strebt und ringt, ermüdend nie, Nach dem Gesetz, dem Grund, Warum und Wie.* Das »doch« am Beginn des ersten Verses setzt die Forschung ab gegen eine andere Haltung und Gebärde, die nicht mehr unermüdlich nach dem Grund strebt für das Seiende. Wann immer wir den Gründen des Seienden nachstellen, dann fragen wir: warum? Dieses Fragewort jagt das Vorstellen von einem Grund zum anderen. Das Warum läßt keine Ruhe, bietet keinen Einhalt, gibt keinen Anhalt. Das Warum ist das Wort für den Fortriß in ein unermüdliches Und-so-weiter, das die Forschung, falls sie nur und blindlings sich selber abmüdet, so weit treibt, daß es einmal mit ihr zu weit gehen könnte. Das Wort vom Sein als Grund sagt: Das Sein – selber der Grund – bleibt ohne Grund, d. h. jetzt ohne Warum. Wenn wir versuchen, das Sein als Grund zu denken, dann müssen wir den Schritt zurückmachen, zurück aus der Frage: Warum? Woran sollen wir uns aber dann noch halten? In der »Spruchsammlung« aus dem Jahre 1815 sagt Goethe:
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Wie? Wann? und Wo? – Die Götter bleiben stumm! Du halte dich ans We i l und frage nicht Wa r u m ?*
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Das Warum entfaltet sich in die Fragen: Wie? Wann? Wo? Es frägt nach dem Gesetz, nach der Zeit, nach dem Ort dessen, was geschieht. Das Fragen nach den raum-zeitlich-gesetzmäßig geregelten Bewegungsabläufen ist die Weise, in der die Forschung dem Warum des Seienden nachstellt. Goethe aber sagt: Du halte dich ans Weil und frage nicht Warum? Was sagt das Weil? Es wehrt ab, nach dem Warum, also nach Begründung zu forschen. Es verweigert das Begründen und Ergründen. Denn das Weil ist ohne Warum, hat keinen Grund, ist selber der Grund. Das Wort »Grund« bedeutet das tiefer Liegende, z. B. den Meeresgrund, den Talgrund, den Herzensgrund. Vgl. Goethe, Sonette, »Mächtiges Überraschen«: Was auch sich spiegeln mag von Grund zu Gründen, Er wandelt unaufhaltsam fort zu Tale.** Grund ist das, worauf alles ruht, was für alles Seiende schon als das Tragende vorliegt. Das Weil nennt dieses tragende Vorliegen, vor dem wir einfach innehalten. Das Weil weist in das Wesen des Grundes. Ist jedoch das Wort vom Sein als dem Grund ein wahres Wort, dann weist das Weil zugleich in das Wesen des Seins. Doch was heißt eigentlich »weil«? Es ist das verkürzte Wort für »dieweilen«. Eine ältere Redeweise lautet: Man muß das Eisen schmieden, weil es warm ist.
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»Weil« meint hier keineswegs: darum – weil, sondern »weil« besagt: dieweilen, d. h. so lange als – das Eisen warm ist – während. Weilen heißt: währen, still bleiben, an sich und innehalten, nämlich in der Ruhe. Goethe sagt in einem schönen Vers: Die Fiedel stockt, der Tänzer weilt.* Weilen, währen, immerwähren ist jedoch der alte Sinn des Wortes »sein«. Das Weil, das alle Begründung und jedes Warum abwehrt, nennt das einfache, ohne Warum schlichte Vorliegen, woran alles liegt, darauf alles ruht. Das Weil nennt den Grund. Aber zugleich nennt das Weil als das Dieweilen das Währen: das Sein. Das Weil nennt zumal: das Sein und den Grund, nennt das Währen, das Sein als den Grund. Sein und Grund – im Weil – : das Selbe. Beide gehören zusammen. Der kleine Satz vom Grund: »Nichts ist ohne Grund« spricht zunächst als der große Grundsatz, das principium grande. Der Satz ist groß durch die Gewalt seines Anspruches an alles Vorstellen. Der kleine Satz vom Grund: »Nichts ist ohne Grund« spricht zugleich als Wort vom Sein und nennt dieses als den Grund. Doch nur deshalb, weil das Wort vom Sein wahr ist, gilt auch der Grundsatz des Vorstellens. Der Satz vom Grund gibt als Wort vom Sein dem Grundsatz des Vorstellens erst den Grund. Das Wort vom Sein als Grund vermag solches Gründen. Kraft dieses Vermögens ist es ein mächtiges Wort. Es ist groß, aber in einem ganz anderen Sinne als das Große der Gewalt des Grundsatzes. Der Satz vom Grund ist als Wort vom Sein groß im Sinne des Großvermögenden, Großmögenden, Großmächtigen. Es spricht nicht von der Gewalt
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des Anspruches auf das Warum. Das großmächtige Wort ist ein gewaltloses Wort, spricht uns nur einfach den Sinn von »Sein« zu. Indessen müssen wir fragen: warum? Denn wir können aus dem gegenwärtigen Zeitalter nicht herausspringen, das vom Grundsatz des zuzustellenden zureichenden Grundes durchwaltet wird. Aber wir dürfen zugleich nicht davon ablassen, uns an das Weil zu halten, indem wir auf das Wort vom Sein als dem Grund hören. Wir müssen das eine tun: der Gewalt des Grundsatzes für alles Vorstellen folgen. Wir dürfen das andere nicht lassen: dem Großmächtigen des Wortes vom Sein nachsinnen. Der Satz vom Grund sagt: Nichts ist ohne Grund. Nunmehr spricht jedes Wort des Satzes auf seine Weise. Im Satz vom Grund spricht der Anspruch des Grundsatzes. Im Satz vom Grund spricht der Zuspruch des Wortes vom Sein. Der Zuspruch bleibt jedoch um vieles älter als der Anspruch. Denn während der ungewöhnlich langen Incubationszeit des Satzes vom Grund spricht sich dem abendländischen Menschen immer schon das Wort vom Sein als dem Grund zu. Ohne diesen Zuspruch gäbe es nicht das Denken in der Gestalt der Philosophie. Ohne die Philosophie gäbe es aber auch keine abendländischeuropäische Wissenschaft, keine Freisetzung der Atomenergie. Allein der Zuspruch im Wort vom Sein als dem Grund bleibt lautlos im Unterschied zur Verlautbarung des Grundsatzes in der nunmehr lärmenden, alles alarmierenden Gewalt seines Anspruches. Dieweilen dem so ist, überhört man im Lärm den Zuspruch, der durch den Satz vom Grund hindurchspricht, am meisten und am hartnäckigsten auch heute noch. Auf uns kommt es an, so hieß es. Allein nicht darauf, ob wir durch Atome leben, sondern ob wir die Sterblichen sein
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können, die wir sind, nämlich die, die im Zuspruch des Seins stehen. Nur solche Wesen vermögen zu sterben, d. h. den Tod als Tod zu übernehmen. Darauf kommt es an, ob wir Wärter sind und Wächter, die wachen, daß über dem Lauten im Anspruch des principium rationis als des Grundsatzes für alles Vorstellen die Stille des Zuspruches im Wort vom Sein obsiegt. Darauf kommt es an, daß die Gewalt des Anspruches auf das Warum sich dem großvermögenden Zuspruch des Weil fügt. Du halte dich ans Weil und frage nicht Warum? Goethes Wort ist ein Wink. Winke bleiben nur Winke, wenn das Denken sie nicht zu endgültigen Aussagen umdeutet und dabei stehenbleibt. Winke sind nur Winke, solange das Denken ihrer Weisung folgt, indem es ihr nachsinnt. So gelangt das Denken auf einen Weg, der zu dem führt, was sich in der Überlieferung unseres Denkens von altersher als das Denkwürdige zeigt und sich zugleich verschleiert. Zu diesem Denkwürdigen gehört der einfache Sachverhalt, der uns jetzt vielleicht um einiges nähergerückt ist. Wir nennen ihn, wenn wir sagen: Sein wird als Grund erfahren. Der Grund wird als ratio, als Rechenschaft gedeutet. Demgemäß ist der Mensch das animal rationale, das Lebewesen, das Rechenschaft verlangt und Rechenschaft gibt. Der Mensch ist nach der genannten Bestimmung das rechnende Lebewesen, rechnen in dem weiten Sinne verstanden, den das Wort ratio, ursprünglich ein Wort der römischen Kaufmannssprache, bereits bei Cicero übernimmt zu der Zeit, als das griechische Denken in das römische Vorstellen umgesetzt wird.
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Sein wird als der Grund erfahren. Der Grund wird als ratio, Rechenschaft gedeutet. Der Mensch ist das rechnende Lebewesen. Dies alles gilt in den verschiedensten Abwandlungen und doch einhellig durch die ganze Geschichte des abendländischen Denkens hindurch. Dieses Denken hat als neuzeitlich-europäisches die Welt in das heutige Weltalter, das Atomzeitalter, gebracht. Angesichts dieses einfachen und für Europa zugleich unheimlichen Sachverhaltes fragen wir: Erschöpft die genannte Bestimmung, daß der Mensch das animal rationale sei, das Wesen des Menschen? Lautet das letzte Wort, das vom Sein gesagt werden kann: Sein heißt Grund? Oder bleibt nicht das Wesen des Menschen, bleibt nicht seine Zugehörigkeit zum Sein, bleibt nicht das Wesen des Seins immer noch und immer bestürzender das Denkwürdige? Dürfen wir, wenn es so stehen sollte, dieses Denkwürdige preisgeben zu gunsten der Raserei des ausschließlich rechnenden Denkens und seiner riesenhaften Erfolge? Oder sind wir daran gehalten, Wege zu finden, auf denen das Denken dem Denkwürdigen zu entsprechen vermag, statt, behext durch das rechnende Denken, am Denkwürdigen vorbeizudenken? Das ist die Frage. Es ist die Weltfrage des Denkens. An ihrer Beantwortung entscheidet sich, was aus der Erde wird und was aus dem Dasein des Menschen auf dieser Erde.
VORTRAG
HEIDEGGERS NOTIZEN
[Anm. d. Hrsg.: Auf der ersten Seite von Heideggers Vorlesungsmanuskript vom 11. November 1955 fand sich eine längere Notiz, die hier aufgenommen ist. Außerdem befanden sich im Handexemplar der Erstausgabe von Der Satz vom Grund drei beigelegte Blätter mit handschriftlichen Notizen, die hier erstmals wiedergegeben werden. Die Textanordnung entspricht optisch annähernd der Anordnung des Manuskripts. Ein ins Handexemplar eingelegter Brief von Hermann Mörchen wird im Anhang wiedergegeben.* Eckige Klammern von Heidegger (Beilageblatt 3) wurden in runde Klammern gesetzt, um Verwechslungen zu vermeiden. Heideggers Unterstreichungen sind hier kursiv wiedergegeben; eine Doppeltunterstreichung (Beilageblatt 2) wird kursiv mit einfacher Unterstreichung vorgelegt. Durchkreuzungen sind als solche wiedergegeben. Hinweise und Ergänzungen in eckigen Klammern stammen von den Herausgebern.]
HEIDEGGERS NOTIZEN
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[Notiz auf der ersten Seite des Vorlesungsmanuskripts] nicht abschreiben!! Die Vorlesung ›Der Satz vom Grund‹ ist ein Versuch: ° Sein in das Ereignis zu erörtern. Die Erörterung baut einen Weg durch die Ortschaft des Ver-Hältnisses (Fgn). Sein wird erblickbar, sobald die Tonart des Satzes wechselt. ° Gründen (Vor-liegen-lassen-Lesende Lege) als Zug des ›Seins‹.
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HEIDEGGERS NOTIZEN
[Beilageblatt 1] Die »Wahrheit« des Satzes v[om] Grunde. Woher nimmt er seine Evidenz? Unter d[er] Voraussetzung: Sein und Grund Gründen heißt? —— —— vgl. Robinet*
HEIDEGGERS NOTIZEN
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[Beilageblatt 2] potius – »eher als«; aliquid potius quam nihil
↑ ⏐ die freie Setzung, der Vorzug, das Lassen, das Beste ↓ maÂllon – Das Moment des Vorzugs vorwärts gerichtet – hoc potius quam aliud
×
× die eigentlichen und formalen Prinzipien des Vorzuges. ratio efficiens ration [sic] determinans
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HEIDEGGERS NOTIZEN
[Beilageblatt 3] Ein Weg des Vortrags D. S. v. G. [Der Satz vom Grund] 1. als gewohnte Leitvorstellung 2. als »Grundsatz« »Aussage« 3. als Anspruch – (Gesetz – Ge-St[ell]) 4. »Grund« und »Sein« 5. Sein und Geschick 6. Geschick und Ge-Stell 7. Ge-Stell Anspruch – Spr[uch] Sage. Sprache. 8. Ent-sprechen.
HEIDEGGERS NOTIZEN
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HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS
[Anm. d. Hrsg.: Auf den Nachsatzseiten seines Handexemplars der Erstausgabe hat Martin Heidegger ein Stichwortverzeichnis notiert, dessen Wortlaut hier wiedergegeben wird. Die dort aufgeführten Seitenverweise beziehen sich auf die Seitenzahlen der Erstausgabe: Martin Heidegger, Der Satz vom Grund, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1957. In der vorliegenden Ausgabe sind die Seitenzahlen der Erstausgabe in eckigen Klammern an den Seitenrändern angegeben. Die von Heidegger unterstrichenen Stichworte und Seitenzahlen werden hier kursiv wiedergegeben. Die Textanordnung entspricht optisch annähernd der Anordnung des Manuskripts.]
HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS
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Wesen des Mensch[en] – als des Sterblichen – 101 Kritik der Abhandlung »Vom Wesen des Grundes« S. 82 ff. Identität 22
Leibniz / Kant 124 ff.
Seinsgeschichte 108. 114. 120. 130. 150. 158 »Bedingungen der Möglichkeit a priori« 125 ff. 132. Sein:
Hervorscheinen, verweilendes Scheinen 154 Anwesen, Gegenüber, Entgegen
ratio = Rechnung 168 ff. Technik 197 ff. Vernunft 197 ob[en] »Materialismus« 199 f. Information 202 f. S. 64
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HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS
ANHANG
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
Editorische Anmerkungen zu »Vorlesung« S. 9 * Auf das erste Blatt seines Vorlesungsmanuskripts schrieb Heidegger eine Notiz, die in vorliegender Ausgabe unter der Rubrik »Heideggers Notizen« auf S. 222 wiedergegeben wird. S. 13 * Gottfried Wilhelm Leibniz, Opuscules et fragments ine´dits, e´d. par Louis Couturat, Paris, Felix Alcan E´diteur, 1903, S. 515: »[…] statim enim hinc nascitur axioma receptum, nihil est sine ratione, seu nullum effectum esse absque causa.« S. 14 * C. W. Ceram [Pseudonym von Kurt Wilhelm Marek], Götter, Gräber und Gelehrte. Roman der Archäologie, Hamburg, Rowohlt, 1949. S. 22 * Johann Wolfgang von Goethe, Naturwissenschaftliche Schriften, Vierter Band – Zweite Abteilung, Zur Farbenlehre (Bd. II, zweiter Teil), Materialien zur Farbenlehre, Entoptische Farben, Paralipomena zur Chromatik, Sprüche in Prosa, Nachträge, hrsg. von Rudolf Steiner,
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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Bern, Troxler Verlag, dritte Auflage, 1947, S. 365. Dort lautet das Zitat: »›Deutlichkeit ist eine gehörige Verteilung von Licht und Schatten.‹ Hamann. Hört!« S. 27 * Gottfried Wilhelm von Leibniz, Die mathematischen Schriften, Band III. 2, Briefwechsel zwischen Leibniz, Jacob Bernoulli, Johann Bernoulli und Nicolaus Bernoulli, hrsg. von Carl Immanuel Gerhardt, Halle an der Saale, Druck und Verlag von H. W. Schmidt, 1855, S. 321. Die Textstellen zitiert und übersetzt Heidegger nach (auch im Folgenden) den Ausgaben in seiner Bibliothek. S. 28 * Aristotelis Metaphysica. Recognovit Wilhelm Christ, Lipsiaee in aedibus B. G. Teubneri, 1886. ** Novalis, Schriften, hrsg. von J. Minor, Band III: Fragmente (Fortsetzung), Jena, Diederichs, 1928, S. 171. *** Novalis, Werke: Briefe, Dokumente, Band III: Fragmente II, hrsg. von Ewald Wasmuth, Heidelberg, Lambert Schneider, 1957, n. 381. S. 30 * Christian Freiherr von Wolff, Philosophia prima sive ontologia, Nachdruck der 2. Auflage, Frankfurt a. M. / Leipzig, 1736, hrsg. und bearbeitet von Jean E´cole, Hildesheim, Georg Olms Verlagsbuchhandlung, 1962, § 70. S. 34 * Martin Heidegger, »Der Ursprung des Kunstwerkes«, in: Ders., Holzwege, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1950, 92015, S. 7 – 68, hier S. 49: »Indem die Of-
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ANHANG
fenheit das Offene besetzt, hält sie dieses offen und aus. Setzen und Besetzen sind hier überall aus dem griechischen Sinn der ûeÂsiw gedacht, die ein Aufstellen im Unverborgenen meint.« In der HGA: Ders., Holzwege, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 5), 1977, 22003, S. 1–74, hier S. 48. Die erste und zweite Ausarbeitung des Vortrages (1935), sowie eine Umarbeitung (1936) wurden veröffentlicht in: Martin Heidegger, Vorträge. Teil 2: 1935–1967, hrsg. von Günther Neumann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 80.2), 2020, S. 563–658. ** Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1954, S. 9 – 40, hier S. 28 und »Wissenschaft und Besinnung«, ebd., S. 35 – 83, hier S. 49: »›Wirken‹ heißt ›tun‹. Was heißt ›tun‹? Das Wort gehört zum indogermanischen Stamm dhe; daher stammt auch das griechische ûeÂsiw: Setzung, Stellung, Lage. […]« In der HGA: Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 7), 2000, S. 5 – 36, hier S. 21 f., und »Wissenschaft und Besinnung«, ebd., S. 35–83, hier S. 42 f. S. 43 * Gottfried Wilhelm Leibniz, »Ohne Überschrift, die Hauptlehrsätze der Leibnizschen Philosophie betreffend«, in: Ders., Die philosophischen Schriften, Band VII: Scientia Generalis, Philosophische Abhandlungen, Streitschriften zwischen Leibniz und Clarke, hrsg. von Carl Immanuel Gerhardt, Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 1890, 1931, S. 289 ff. EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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S. 47 * Martin Heidegger, »Vom Wesen des Grundes«, in: Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, Ergänzungsband, Festschrift für Edmund Husserl zum 70. Geburtstag, Halle an der Saale, Max Niemeyer, 1929, S. 71 – 110. Der Text erschien 1929 auch als Einzelausgabe (Sonderdruck aus dem Jahrbuch). Die dritte, unveränderte, durch ein Vorwort erweiterte Ausgabe erschien 1949 in Frankfurt a. M. im Verlag Vittorio Klostermann, danach in: Martin Heidegger, Wegmarken, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1967. In der HGA: Ders., Wegmarken, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 9), 1976, 32004, S. 123 – 175. S. 50 * Gottfried Wilhelm Leibniz, »Ohne Überschrift, die Hauptlehrsätze der Leibnizischen Philosophie betreffend«, in: Ders., Die philosophischen Schriften, a. a. O., Band VII, S. 289 ff. S. 51 * Gottfried Wilhelm Leibniz, »De ipsa natura sive de vi insita actionibusque Creaturarum, pro Dynamicis suis confirmandis illustrandisque«, in: Ders., Die philosophischen Schriften, Band IV: Philosophische Schriften, Leibniz gegen Descartes und den Cartianismus, Philosophische Abhandlungen, hrsg. von C. I. Gerhardt, Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 1880, S. 504. ** Gottfried Wilhelm Leibniz, »Ohne Überschrift, die Hauptlehrsätze der Leibnizischen Philosophie betreffend«, in: Ders., Die philosophischen Schriften, a. a. O., Band VII, S. 289.
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S. 53 * Gottfried Wilhelm Leibniz, »Ohne Überschrift, die Hauptlehrsätze der Leibnizischen Philosophie betreffend«, in: Ders., Die philosophischen Schriften, a. a. O., Band VII, S. 289 ff. S. 54 * Wie Anm. * zu S. 53. S. 61 * Gottfried Wilhelm Leibniz, »Theoria motus abstracti seu Rationes Motuum universales, a sensu et Phaenomenis independentes«, in: Ders., Die philosophischen Schriften, a. a. O., Band IV, S. 232. S. 62 * HE: Korrekturanweisung M. H. In der EA lautete die Bandangabe: IV. ** Gottfried Wilhelm Leibniz, »Leibniz und Spinoza, Beilage, II. Communicata ex literis D[omini] Schull[eri] mit Bemerkungen von Leibniz«, in: Ders., Die philosophischen Schriften, Band I: Briefwechsel 1663 – 1685, hrsg. von Carl Immanuel Gerhardt, Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 1875, S. 138. Vollständig lautet die Stelle: »Hoc recte observatum est, et convenit cum eo quod dicere soleo, nihil existere, nisi cuius reddi possit ratio existentiae sufficiens; quam in serie causarum non esse facile demonstratur; nam nec in singulis utcunque regrediamur, inveniemus, ubi subsisti possit; et si totam seriem in infinitum retro sumtam intelligamus esse sequentibus singularibus rationem existendi sufficientem, quod unum dissentientibus effugium superesse potest, contrarium facile evincitur, quod singula quae-
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libet ab hac serie rescindi possent, ut tamen quod superest ratio adhuc sequentibus esse debeat […]« S. 63 * Gottfried Wilhelm Leibniz, »Die sogenannte Monadologie«, in: Ders., Die philosophischen Schriften, Band VI, hrsg. von Carl Immanuel Gerhardt, Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 1885, S. 612. Vollständig lautet die Stelle: »32. Et celuy de la Raison suffisante, en vertu duquel nous considerons qu’aucun fait ne sauroit se trouver vray ou existant, aucune Enontiation veritable, sans qu’il y ait une raison suffisante, pourquoy il en soit ainsi et non pas autrement, quoyque ces raisons le plus souvent ne puissent point nous eˆtre connues«. S. 66 * Angelus Silesius, Sämtliche poetische Werke, Bd. 3: Cherubinischer Wandersmann. Sinnliche Beschreibung der vier letzten Dinge, München, Hanser, 1949, S. 39. ** Gothofredi Guillelmi Leibnitii, Opera omnia, nunc primum collecta, in Classes distributa, praefationibus et indicibus exornata, studio Ludovici Dutens, Tomus sextus, in duas Partes distributus, quarum I. Continet Philologicorum continuationem, II. Collectanea Etymolocia, Genevae, apud Fratres de Tournes, 1768, S. 56. S. 67 * Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Sämtliche Werke (Jubiläumsausgabe in 26 Bänden), Band 12: Vorlesungen über die Ästhetik I, hrsg. von Hermann Glockner, Stuttgart, Friedrich Frommann Verlag (H. Kurz), 1927, S. 493.
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S. 71 * HE: Randmarkierung: Querstrich, auf der Höhe von 〈wenn er auf seine Weise so ist wie die Rose〉. S. 77 * Gottfried Wilhelm Leibniz, »Die sogenannte Monadologie«, in: Ders., Die philosophischen Schriften, Band VI, a. a. O., S. 611 f. Vollständig lautet die Stelle: »29. Mais la connoissance des verite´s necessaires et eternelles est ce qui nous distingue des simples animaux et nous fait avoir la Raison et les sciences, en nous e´levant a` la connoissance de nous meˆmes et de Dieu. Et c’est ce qu’on appelle en nous Ame Raisonnable, ou Esprit. 30. C’est aussi par la connoissance des verite´s necessaires et par leur abstractions, que nous sommes e´leve´s aux Actes reflexifs, qui nous font penser a` ce qui s’appelle Moy, et a` considerer que cecy ou cela est en Nous: et c’est ainsi, qu’en pensant a` nous, nous pensons a` l’Etre, a` la Substance, au simple ou au compose´, a` l’immateriel et a` Dieu meˆme, en concevant que ce qui est borne´ en nous, est en luy sans bornes. Et ces Actes reflexifs fournissent les objects principaux de nos raisonnemens.« S. 80 * Gottfried Wilhelm Leibniz, Principes de la nature et de la graˆce fonde´s en raison; Principes de la philosophie ou Monadologie, publie´s inte´gralement d’apre`s les manuscrits de Hanovre, Vienne et Paris, et presente´s d’apre`s des lettres ine´dites par Andre´ Robinet, Paris, Presses Universitaires de France, 1954. ** Gothofredi Guillelmi Leibnitii, Opera philosophica quae
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exstant latina, gallica, germanica omnia. Edita recognovit e temporum rationibus disposita pluribus ineditis auxit introductione critica atque indicibus instruxit Joannes Eduardes Erdmann, Pars prior, Berolini, Sumtibus G. Eichleri, 1840. S. 82 * Siehe Anm. * zu S. 47. S. 83 * Martin Heidegger, Vom Wesen des Grundes, dritte, unveränderte, um ein Vorwort erweiterte Auflage, 1949, S. 9. In der HGA: Martin Heidegger, »Vom Wesen des Grundes«, in: Ders., Wegmarken, (HGA 9), a. a. O., S. 123–175, hier S. 127. ** In einem Brief an Martin Heidegger bezieht sich Hermann Mörchen auf diese Stelle (EA S. 84), vgl. in vorliegender Ausgabe S. 254 ff. S. 87 * Johann Wolfgang von Goethe, »Vorwort zur Farbenlehre«, in: Goethes Sämtliche Werke, Jubiläumsausgabe Band 40: Schriften zur Naturwissenschaft, Zweiter Teil, hrsg. von Eduard von der Hellen, Stuttgart / Berlin, J. G. Cotta, 1902 – 1907, S. 71. Goethe bezieht sich hier auf eine Stelle in Plotins Enneaden: »Nie hätte das Auge jemals die Sonne gesehen, wenn es nicht selber sonnenhaft wäre; so kann auch die Seele das Schöne nicht sehen, wenn sie nicht selbst schön ist« (Plotin, Enneaden I 6, 9, 30 – 32). S. 101 * HE: Randmarkierungen: Kreuz und darunter drei Längsstriche, bezogen auf folgende Sätze: 〈Darin liegt
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eine Bürgschaft dafür, daß das Denken erst im äußersten Entzug des Seins das Wesen des Seins erblickt. Dies ist vermutlich durchaus in der Ordnung des Menschenwesens, wenn anders wir so geartet sind, daß uns erst im Verlust des Verlorenen aufscheint, was uns gehört.〉 S. 102 * Eduard Mörike, Werke und Briefe, historisch-kritische Gesamtausgabe, hrsg. von Hubert Arbogast, HansHenrik Krummacher, Herbert Meyer und Bernhard Zeller, Bd. 1, 1: Gedichte. Ausgabe von 1867, hrsg. von Hans-Henrik Krummacher Stuttgart, Klett-Cotta, 2003, S. 132. Das Gedicht lautet: Auf eine Lampe Noch unverrückt, o schöne Lampe, schmückest du, An leichten Ketten zierlich aufgehangen hier, Die Decke des nun fast vergeßnen Lustgemachs. Auf deiner weißen Marmorschale, deren Rand Der Efeukranz von goldengrünem Erz umflicht, Schlingt fröhlich eine Kinderschar den Ringelreihn. Wie reizend alles! lachend, und ein sanfter Geist Des Ernstes doch ergossen um die ganze Form – Ein Kunstgebild der echten Art. Wer achtet sein? Was aber schön ist, selig scheint es in ihm selbst. Vgl. zur Interpretation des Gedichtes: Emil Staiger, »Ein Briefwechsel mit Martin Heidegger«, in: Trivium (9), Zürich 1951/52, S. 1 – 16. Aufgenommen unter dem Titel: »Zu einem Vers von Mörike. Ein Briefwechsel
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mit Martin Heidegger von Emil Staiger (1951)« in: Martin Heidegger, Aus der Erfahrung des Denkens (1910–1976), hrsg. von Hermann Heidegger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 13), 1983, 2 2002, S. 93 – 110. S. 103 * HE: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf 〈sondern auch in bezug auf die Weise, wie er sein Gesagtes sagt, wie er da noch »Satz« ist.〉 S. 109 * Georges Gedicht »Seelied« erschien zuerst 1919 in Blätter für die Kunst, XI. und XII. Folge (1919), S. 314. Erst 1928 wurde das Gedicht in den letzten, zu Lebzeiten erschienenen Gedichtband Georges aufgenommen: Stefan George, Gesamt-Ausgabe der Werke: endgültige Fassung, Bd. 9: Das Neue Reich, Berlin, Georg Bondi, 1928, S. 129 ff. Vgl. zu Heideggers Erläuterung von George auch: Martin Heidegger, »Das Wesen der Sprache« und »Das Wort« in: Martin Heidegger, Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1959, S. 157 – 216 und S. 217 – 238. In der HGA: Martin Heidegger, Unterwegs zur Sprache, hrsg. von FriedrichWilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 12), 1985, 22018, S. 147 – 204 und S. 205–225. Das Gedicht lautet: Seelied Wenn an der kimm in sachtem fall Eintaucht der feurig rote ball:
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Dann halt ich auf der düne rast Ob sich mir zeigt ein lieber gast. Zu dieser stund ists öd daheim · Die blume welkt im salzigen feim. Im lezten haus beim fremden weib Tritt nie wer unter zum verbleib. Mit gliedern blank mit augen klar Kommt nun ein kind mit goldnem haar · Es tanzt und singt auf seiner bahn Und schwindet hinterm grossen kahn. Ich schau ihm vor · ich schau ihm nach Wenn es auch niemals mit mir sprach Und ich ihm nie ein wort gewusst: Sein kurzer anblick bringt mir lust. Mein herd ist gut · mein dach ist dicht · Doch eine freude wohnt dort nicht. Die netze hab ich all geflickt Und küch und kammer sind beschickt. So sitz ich · wart ich auf dem strand Die schläfe pocht in meiner hand: Was hat mein ganzer tag gefrommt Wenn heut das blonde kind nicht kommt. S. 112 * Aristotelis Physica. Recensuit Carolus Prantl, Lipsiae, in aedibus B. G. Teubneri, 1879.
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S. 114 * HE: Randmarkierung: durchkreuzter Kreis G, auf der Höhe von 〈Lichtet das Sein in dem genannten Sichnichtentziehen auch schon sein eigenes Wesen und dessen Herkunft? Wir müssen antworten: nein.〉 ** Heidegger zitiert Fragment 123 von Heraklit nach dem Exemplar aus seiner Bibliothek: Hermann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, Band I-III, hrsg. von Walther Kranz, Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 51934, Band I, Fragment 123. S. 117 * »Wie wird komponiert?« Äußerungen von W. A. Mozart, in: Das Musikleben, I. Jahrgang, 1. Heft, Mainz, 1948, S. 18. S. 120 * Vgl. Anm.* zu S. 112. S. 127 * Heidegger zitiert Parmenides nach dem Exemplar aus seiner Bibliothek: Hermann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, Band I, a. a. O., Fragment 28 B3. ** Vgl. auch Martin Heidegger, Identität und Differenz, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1957, S. 18 ff. Die fünfte, durchgesehene Auflage erschien 1976. Die letzte, 12. Auflage erschien 2002 im Verlag Klett-Cotta, Stuttgart. In der HGA: Martin Heidegger, Identität und Differenz, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 11), 2006, S. 27 – 110, hier S. 36 ff. S. 132 * HE: Randmarkierung: Kreis, bezogen auf folgenden
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Satz: 〈Unerläßlich dafür bleibt, daß wir den unvermeidlich mehrdeutigen Titel »Geschick des Seins« eindeutig denken im Sinne von: Sein als sich-zusagendes, lichtendes Einräumen des Zeit-Spiel-Raumes für das je so oder so Erscheinende, das Seiende.〉 S. 135 * HE: Korrekturanweisung M. H. EA: Komma hinter 〈den〉. S. 144 * Johann Wolfgang von Goethe, »Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt«, in: Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche, hrsg. von Ernst Beutler, Band 16: Naturwissenschaftliche Schriften, Erster Teil, Zürich, Artemis, 1949, S. 844 – 855. ** Friedrich Hölderlin, »Die Wanderung«, in: Ders., Sämtliche Werke, historisch-kritische Ausgabe, begonnen durch Norbert von Hellingrath, fortgeführt durch Friedrich Seebass und Ludwig von Pignot, Vierter Band, besorgt durch Norbert von Hellingrath, Gedichte 1800–1806, Berlin, Propyläen Verlag, 2. Auflage, 1923, S. 167 ff. Der Gedichtanfang lautet: Die Wanderung Glückselig Suevien, meine Mutter, Auch du, der glänzenderen, der Schwester Lombarda drüben gleich, Von hundert Bächen durchflossen! […] Heidegger zitiert die letzte Strophe der neunstrophigen Hymne. EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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S. 147 * Georg Wilhelm Friedrich Hegel, »Berliner Antrittsvorlesung«, in: Berliner Schriften 1818 – 1831, hrsg. von Johannes Hoffmeister, Hamburg, Felix Meiner, 1956, S. 3–9. Das Zitat befindet sich auf S. 8: »Der Mut der Wahrheit, Glauben an die Macht des Geistes ist die erste Bedingung des philosophischen Studiums; der Mensch soll sich selbst ehren und sich des Höchsten würdig achten. Von der Größe und Macht des Geistes kann er nicht groß genug denken […]« S. 148 * Martin Heidegger, »Sein und Zeit. Erste Hälfte«, in: Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung 8, hrsg. von Edmund Husserl, Halle an der Saale, Max Niemeyer, 1927. Sein und Zeit erschien auch als Einzelausgabe (Sonderdruck aus dem Jahrbuch). Ab der 7. Auflage von 1953 wurde die Kennzeichnung »Erste Hälfte« gestrichen und eine »Vorbemerkung zur siebenten Auflage« eingefügt. 1977 erschien die 14. Auflage mit den Randbemerkungen aus dem »Hüttenexemplar« des Autors im Anhang. Die 15., durchgesehene Auflage erschien 1979. Die letzte, 19. Auflage, erschien 2006. In der HGA: Martin Heidegger, Sein und Zeit, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 2), 1977, 22018. Die Stelle, die hier angeführt wird, ist kein Zitat aus Sein und Zeit (EA 1927), sondern Heidegger formuliert daraus einige Grundgedanken. Vgl. z. B. Martin Heidegger, Sein und Zeit, 6., unveränderte Auflage, Tübingen, Max Niemeyer, 1949, S. 8: »Diese leitende Hinblicknahme auf das Sein entwächst dem durchschnitt-
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lichen Seinsverständnis, in dem wir uns immer schon bewegen, und das am Ende zur Wesensverfassung des Daseins gehört.« S. 149 * Nicolai Hartmann (1882– 1950) wurde 1922 Nachfolger von Paul Natorp an der Universität Marburg. Er war bis 1925 Heideggers Kollege und nahm einen Ruf an die Universität Köln an. Heidegger wurde sein Nachfolger in Marburg. Siehe zum Verhältnis zwischen Natorp, Hartmann und Heidegger: HansGeorg Gadamer, Philosophische Lehrjahre. Ein Rückblick, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1977, S. 21–43. S. 150 * Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, 2. Auflage 1787, Kant’s gesammelte Werke, hrsg. von der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften, Band III, Berlin, Georg Reimer, 1904/11, S. 43 [KrV: B 25]. S. 154 * Bettina von Arnim, Sämtliche Werke, Band 3: Goethes Briefwechsel mit einem Kinde: Teil 1 und 2, hrsg. mit Benutzung des ungedruckten Materials von Waldemar Oehlke, Berlin, Propyläen-Verlag, 1920, S. 168. S. 157 * Martin Heidegger, Was heißt Denken?, Tübingen, Max Niemeyer, 1954, S. 144 f. In der HGA: Martin Heidegger, Was heißt Denken?, hrsg. von Paola-Ludovika Coriando, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 8), 2002, S. 241.
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Die Stelle lautet: »Überall dort, wo das Denken der Griechen das Anwesen des Anwesenden in die Acht nimmt, gelangen die genannten Züge des Anwesens ins Wort: die Unverborgenheit, das Aufgehen aus ihr, das Eingehen zu ihr, das Herbei- und das Hinweg …, die Weile, die Versammlung, das Scheinen, die Ruhe, die verborgene Jähe des möglichen Abwesens. Aus diesen Zügen des Anwesens her dachten die griechischen Denker das Anwesende. Doch sie haben niemals diese Züge selbst bedacht. Denn das Anwesen wurde ihnen nicht fragwürdig als das Anwesen des Anwesenden. Weshalb nicht? Weil sich in den genannten Zügen des Anwesens dasjenige ihrem Fragen zu- und entgegensprach, d. h. antwortete, wonach allein sie fragten, vielleicht sogar fragen mußten.« S. 162 * Der Aufsatz »Zur Seinsfrage« erschien zuerst unter dem Titel »Über ›die Linie‹«, in: Armin Mohler (Hrsg.), Freundschaftliche Begegnungen. Festschrift für Ernst Jünger zum 60. Geburtstag, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1955, S. 9 – 45. Als selbständige Schrift erschien der Aufsatz 1956 um ein Vorwort ergänzt: Martin Heidegger, Zur Seinsfrage, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1956. Die 4., durchgesehene Auflage erschien 1977. Die Schrift wurde unter dem Titel »Zur Seinsfrage« aufgenommen in: Martin Heidegger, Wegmarken, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1967, S. 213 – 254; 2., durchgesehene und um zwei Texte erweiterte Auflage. In der HGA: Martin Heidegger, »Zur Seinsfrage«, in: Ders., Wegmarken, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frank-
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furt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 9), 1976, 32004, 5 2013, S. 385–426. Heideggers Aufsatz ist eine Antwort auf Ernst Jüngers Beitrag »Über die Linie« zur Festschrift Anteile. Martin Heidegger zum 60. Geburtstag, hrsg. von Hans-Georg Gadamer, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1950, S. 245 – 284. Siehe zu Martin Heidegger und Ernst Jünger auch: Ernst Jünger /Martin Heidegger, Briefe 1949 – 1975, unter Mitarbeit von Simone Maier, hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Günter Figal, Gemeinschaftsausgabe, Stuttgart, Klett-Cotta / Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 2008. In diesem Band sind die Festschriftbeiträge von Heidegger und Jünger aufgenommen, S. 103–196. S. 165 * »Die Sprache verweigert uns noch ihr Wesen: daß sie das Haus der Wahrheit des Seins ist. […] Die Sprache ist das Haus des Seins. In ihrer Behausung wohnt der Mensch.« Martin Heidegger, Über den Humanismus, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1949, S. 5 und S. 9. Erstveröffentlichung: Martin Heidegger, »Über den ›Humanismus‹. Brief an Jean Beaufret, Paris«, in: Ders., Platons Lehre von der Wahrheit. Mit einem Brief über den Humanismus, Bern, A. Francke AG, 1947, S. 53–119. Später als Einzelschrift veröffentlicht: Martin Heidegger, Über den Humanismus, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1949; 2., durchgesehene und um zwei Texte erweiterte Auflage 1978. Auch aufgenommen in: Martin Heidegger, Wegmarken, a. a. O., 1967, S. 145–194. In der HGA: Martin Heidegger, »Brief über den ›Humanismus‹«, in: Ders., Wegmarken, (HGA 9), a. a. O., S. 313– 364. Zur Sprache als »Haus
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des Seins« vgl. auch Martin Heidegger, Unterwegs zur Sprache, a. a. O., 1959, 132003, bes. S. 90, 111 – 119, 166 ff., 267. S. 171 * Marcus Tullius Cicero, De partione oratio, 110. S. 174 * Gottfried Wilhelm Leibniz, »Dialogus«, in: Ders., Die philosophischen Schriften, Band VII, a. a. O., S. 190 – 194. S. 175 * Vollständig lautet die Randbemerkung von Leibniz: »Cum DEUS calculat et cogitationem exercet, fit mundus«. Gottfried Wilhelm Leibniz, »Dialogus«, a. a. O., S. 191. S. 178 * Friedrich Hölderlin, »Anmerkungen zum Oedipus«, in: Ders., Sämtliche Werke, Große Stuttgarter Hölderlin-Ausgabe im Auftrag des Württembergischen Kultusministeriums hrsg. von Friedrich Beißner und Adolf Beck, Band V: Übersetzungen, hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart, Kohlhammer, 1952, S. 196. S. 179 * Friedrich Hölderlin, »Anmerkungen zur Antigonä«, in: Ders., Sämtliche Werke, Große Stuttgarter Ausgabe, Band V: Übersetzungen, a. a. O., 1952, S. 265. S. 189 * HE: Randmarkierung: Längsstrich mit schließender spitzer Klammer >, bezogen auf den Satz: 〈Allein dies alles ist in keiner Weise selbstverständlich, sondern ein einziges Geheimnis eines einzigartigen Geschickes.〉
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S. 195 * Hermann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, a. a. O., Band 1, Fragment 30. Das Fragment lautet: »koÂsmon toÂnde, toÁn ayÆtoÁn aëpaÂntvn, oyÍte tiw ûevÄn oyÍte aÆnûrv  pvn eÆpoiÂhsen, aÆll’ hËn aÆeiÁ kaiÁ eÍstin kaiÁ eÍstai pyÄr aÆeiÂzvon, aëptoÂmenon meÂtra kaiÁ aÆposbennyÂmenon meÂtra.« In der deutschen Übersetzung von Hermann Diels: »Diese Weltordnung, dieselbige für alle Wesen, hat kein Gott und kein Mensch geschaffen, sondern sie war immerdar und ist und wird ein ewig lebendiges Feuer, nach Maßen erglimmend und nach Maßen erlöschend.« ** Hermann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, a. a. O., Band 1, Fragment 52.
Editorische Anmerkungen zu »Vortrag« S. 197 * Den Vortrag »Der Satz vom Grund« hielt Heidegger am 25. Mai 1956 im Club zu Bremen und am 24. Oktober 1956 an der Universität Wien. Siehe auch »Nachwort der Herausgeber«, in vorliegender Ausgabe S. 263 ff. S. 200 * HE: Randmarkierung: auf die Ziffer 204 gerichteter Pfeil ß mit durchkreuztem Kreis G, der auf S. 204 der EA wieder aufgenommen wird, dort auf Höhe von 〈In der allbekannten Verlautbarung lautet der Satz vom Grund: Nihil est sine ratione, Nichts ist ohne Grund.〉.
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S. 201 * Gottfried Wilhelm Leibniz, »Specimen inventorum«, in: Ders., Die philosophischen Schriften, a. a. O., Band VII, S. 309. S. 202 * Gottfried Wilhelm Leibniz, »De Synthesi et Analysi universali seu Arte inveniendi et judicandi«, in: Ders., Die philosophischen Schriften, Band VII, S. 296. Vollständig lautet die Stelle: »Unde patet ostensivam et apagogicam demonstrationem in ultima analysi coincidere, et recte Scholasticis quoque notatum, omnia axiomata intellectis terminis revocari ad principium contradictionis. Itaque cujuscunque veritatis reddi potest ratio, connexio enim praedicati cum subjecto aut per se patet, ut in identicis, aut explicanda est, quod fit resolutione terminorum«. ** 〈dans leur notions〉 [sic]: Heidegger übernimmt hier den Fehler in der Orthographie der Leibniz-Ausgabe. *** Briefwechsel zwischen Leibniz, Arnauld und dem Landgrafen Ernst von Hessen-Rheinfels. Aus den Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Hannover, hrsg. von Carl Ludwig Grotefend, Hannover, Verlag der Hahnschen Hof-Buchhandlung, 1846, S. 49. Das Zitat lautet im Original: »[…] puisqu’il faut toujours qu’il y ait quelque fondement de la connexion des termes d’une proposition, qui se doit trouver dans leur [sic] notions. C’est la` mon grand principe, dont je croy que tous les philosophes doivent demeurer d’accord, et dont un des corollaires est cet axiome vulgaire que rien n’arrive sans raison, qu’on peut tousjours rendre pourquoy la chose est plustost alle´ [sic] ainsi qu’autrement, bien que cette raison incline souvent sans necessiter,
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une parfaite indifference estant une supposition chimerique ou incomplete.« Vgl. dazu: Gottfried Wilhelm Leibniz, Die philosophischen Schriften, Band II, Briefwechsel 1686–1703, hrsg. von Carl Immanuel Gerhardt, Berlin, Weidmannsche Buchhandlung, 1879, S. 62. S. 204 * Gottfried Wilhelm Leibniz, »Leibniz und Spinoza, Beilage, II. Communicata ex literis D. Schull[eri] mit Bemerkungen von Leibniz«, in: Ders., Die philosophischen Schriften, a. a. O., Band I: Briefwechsel 1663 – 1685, S. 138. Vollständig lautet die Stelle: »Hoc recte observatum est, et convenit cum eo quod dicere soleo, nihil existere, nisi cuius reddi possit ratio existentiae sufficiens; quam in serie causarum non esse facile demonstratur; nam nec in singulis utcunque regrediamur, inveniemus, ubi subsisti possit, et si totam seriem in infinitum retro sumtam intelligamus esse sequentibus singularibus rationem existendi sufficientem, quod unum dissentientibus effugium superesse potest; contrarium facile evincitur, quod singula quaelibet ab hac serie rescindi possent, ut tamen quod superest ratio adhuc sequentibus esse debeat […]«. S. 205 * HE: Randmarkierung: Kreis auf Höhe des Satzanfangs, bezogen auf folgenden Satz: 〈Das vernünftige, rationale Vorstellen folgt dem principium rationis. Der Satz vom Grund ist insofern der oberste Grundsatz der Vernunft, als durch ihn die Vernunft erst als Vernunft zur vollen Entfaltung ihres Wesens gelangt.〉
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S. 207 * Gerhard Löwenthal und Josef Hausen, Wir werden durch Atome leben, mit einem Geleitwort von Nobelpreisträger Prof. Dr. Otto Hahn, Berlin, Lothar Blanvalet Verlag, 1956, S. 12. S. 208 * Max Lerner, »Universale Technologie und neutrale Techniker«, in: Perspektiven, Heft 14, 1956, S. 138 – 151, S. 145 f. S. 210 * HE: Randmarkierung: Kreis, bezogen auf folgenden Satz: 〈Die Herrschaft des gewaltigen Grundsatzes vom Grund ist das Element, darin sich die Wissenschaften bewegen wie der Fisch im Wasser und der Vogel in der Luft.〉 ** Johann Wolfgang von Goethe, »Chinesisch-Deutsche Jahres- und Tageszeiten«, X, in: Ders., Gedichte, 2 Theile in 1, Leipzig, Philipp Reclam Jr., 1882, S. 153. Vollständig und im Original lautet das Gedicht: Als Allerschönste bist du anerkannt, Bist Königin des Blumenreichs genannt; Unwidersprechlich allgemeines Zeugniß, Streitsucht verbannend, wundersam Ereigniß! Du bist es also, bist kein bloßer Schein, In dir trifft Schau’n und Glauben überein; Doch Forschung strebt und ringt, ermüdend nie, Nach dem Gesetz, dem Grund Warum und Wie. S. 213 * HE: Randmarkierung: durchkreuzter Kreis G, bezo-
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ANHANG
gen auf folgenden Satz: 〈In der allbekannten Verlautbarung lautet der Satz vom Grund: Nihil est sine ratione, Nichts ist ohne Grund.〉 Siehe Anm. * zu S. 200. S. 214 * Gottfried Wilhelm Leibniz, »Ohne Überschrift, die Hauptlehrsätze der Leibnizischen Philosophie betreffend«, in: Ders., Die philosophischen Schriften, a. a. O., Band VII, S. 289 ff. S. 215 * Siehe Anm. ** zu S. 210. S. 216 * Goethe’s Werke, Zweyter Band, Stuttgart und Tübingen, J. G. Cotta’sche Buchhandlung, 1815, S. 212. ** Johann Wolfgang von Goethe, »Mächtiges Überraschen«, in: Goethes Werke, vollständige Ausgabe letzter Hand, Zweyter Band, Stuttgart / Tübingen, J. G. Cotta’sche Buchhandlung, 1827, S. 3. Vollständig lautet das Sonett: Mächtiges Überraschen Ein Strom entrauscht umwölktem Felsensaale, Dem Ocean sich eilig zu verbinden; Was auch sich spiegeln mag von Grund zu Gründen, Er wandelt unaufhaltsam fort zu Thale. Dämonisch aber stürzt mit einem Male – Ihr folgten Berg und Wald in Wirbelwinden – Sich Oreas, Behagen dort zu finden, Und hemmt den Lauf, begränzt die weite Schaale. EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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Die Welle sprüht, und staunt zurück und weichet, Und schwillt bergan, sich immer selbst zu trinken; Gehemmt ist nun zum Vater hin das Streben. Sie schwankt und ruht, zum See zurückgedeichet; Gestirne, spiegelnd sich, beschaun das Blinken Des Wellenschlags am Fels, ein neues Leben. S. 217 * Johann Wolfgang von Goethe, »Faust«, in: Goethe’s sämtliche Werke, vollständige Ausgabe in sechs Bänden, Zweiter Band, Stuttgart /Tübingen, J. G. Cotta’sche Buchhandlung, 1854/1855, S. 368.
Editorische Anmerkungen zu »Heideggers Notizen« S. 221 * Hermann Mörchen (1906 – 1990) studierte in den 1920er Jahren Philosophie bei Heidegger und Theologie bei Bultmann an der Universität Marburg. Im Wintersemester 1927/28 promovierte er summa cum laude bei Heidegger mit einer Arbeit Die Einbildungskraft bei Kant. Zeitlebens blieb er Heidegger freundschaftlich verbunden. Später war er als Gymnasiallehrer tätig. Mörchen war der erste Philosoph, der die Kommunikationsverweigerung zwischen Heidegger und Adorno zum Schwerpunkt seiner philosophischen Forschungsarbeit gemacht hat: Hermann Mörchen, Adorno und Heidegger: Untersuchung einer philosophischen Kommunikationsverweigerung, Stuttgart, KlettCotta, 1981. Heidegger hatte seinen Verleger Günther Neske damit
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ANHANG
beauftragt, Mörchen ein Rezensionsexemplar von Der Satz vom Grund zukommen zu lassen. Mörchen nimmt in seinem Dankesbrief vom 29. April 1957 an Heidegger Bezug auf mehrere Passagen in der Erstausgabe: Lieber Herr Professor, Herr Neske hat mir in Ihrem Auftrage Ihr neues Buch »Der Satz vom Grund« geschickt. Das war mir eine große Freude, und ich danke Ihnen sehr herzlich dafür. Sicher unbeabsichtigt kommt ja dies Buch gerade zu einem Zeitpunkt heraus, wo das »Atomzeitalter« mehr denn je in aller Munde ist; freilich fassen Sie die Entscheidungsfrage um einen Grad strenger, als sie auch von den Atomphysikern und von Albert Schweitzer gestellt wird. Trotzdem wird es auch Ihnen, hoffe ich, diesmal ganz recht sein, wenn sich nun auch Ihre Stimme, als Grundton, in den Chor dieser anderen bedeutsamen Stimmen mischt. Möchten sie alle zusammen sich doch einige Geltung verschaffen! Da das Buch in der »Allgemeinen« von Vietta schon angezeigt worden ist, habe ich das »Bücherschiff« gebeten, eine Besprechung aufzunehmen (die sich dort freilich auf das Primitivste beschränken muß). Die Frage, die Ihre älteren Schüler nun wieder besonders beschäftigen wird, ist die nach der Stelle, von der ab Ihre frühere Abhandlung »Vom Wesen des Grundes« nach Ihrer heutigen Auffassung (S. 84) »in die Irre führt«. Die Andeutung, die Sie S. 85 geben, ist sehr knapp und nicht leicht faßlich. Sicher würde mancher es sehr begrüßen, wenn Sie eines Tages in eine ausdrücklichere und ausführlichere Zwiesprache mit der von Ihnen damals gebrauchten Sprache einträten.
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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Wenn Sie es immer wieder nicht tun, ist wohl zu vermuten, daß ein diskutierendes Denken dieser Art Ihrem jetzigen Standort nicht gemäß wäre. Aber werden, wenn Sie schweigen, die damaligen Worte (Transzendenz, Freiheit, Zeitlichkeit usw.) nicht sozusagen den „Existentialisten“ kampflos überlassen? Käme es nicht darauf an, sie sachgemäß zu interpretieren, statt sie bloß wegzulassen? Warum wird jetzt z. B. das damals so erhellende, weil auf die »Freiheit« führende »cur potius quam« in der Leibnizschen Fassung des Satzes vom Grunde (»Vom Wesen des Grundes« S. 38 f.) überhaupt nicht mehr erörtert? Müßte, wenn damals, von dieser Leibnizstelle ausgehend, der Ursprung des Satzes vom Grunde in der Freiheit in irreführender Weise erwiesen wurde, der wesensmäßige Zusammenhang von Grund und Freiheit jetzt erst recht, wenn auch anders, sichtbar gemacht werden? Man könnte Ihr Schweigen hierüber als einen Appell aufnehmen, statt den Wandlungen eines bestimmten Philosophierens (des Ihrigen) ausschließlich der Sache selbst nachzudenken. Doch will mir das nicht gelingen. Denn der »Weg« Ihres Denkens und der »Absprung« von dem damals erschlossenen Bezirk ist doch eben nicht gleichgültig, wenn man in die »Sache« weiter hineinkommen möchte. Mit den besten Grüßen und Wünschen für Sie und Ihre Arbeit in alter Treue Ihr Hermann Mörchen.
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ANHANG
Zur Erklärung der im Brief erwähnten Namen und Publikationen: Günther Neske (1913–1997) gründete 1951 den Verlag Günther Neske. Er gewann eine Reihe von wichtigen Autoren wie Gottfried Benn, Ludwig Binswanger, Walter Schulz und Martin Heidegger. 1993 wurde der Verlag von Klett-Cotta übernommen. Egon Vietta (1903–1959, eigentlich Karl Egon Fritz) war Schriftsteller und Essayist. In den 1950er Jahren wurde er Dramaturg am Stadttheater Darmstadt. Er war auch Mitorganisator des »Darmstädter Gesprächs«, das ab 1950 stattfand, und an dem sich Heidegger am 8. August 1951 mit dem Vortrag »Bauen Wohnen Denken« beteiligte. Vietta hatte am 17. April 1957 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Besprechung von Heideggers Satz vom Grund unter dem Titel »Heidegger und Meister Zen« veröffentlicht. Martin Heidegger, »Vom Wesen des Grundes«, in: Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung, Ergänzungsband, Festschrift für Edmund Husserl zum 70. Geburtstag, Halle an der Saale, Max Niemeyer, 1929, S. 71–110. Mörchen verweist hier auf die dritte, unveränderte, durch ein Vorwort erweiterte Ausgabe, die 1949 in Frankfurt a. M. im Verlag Vittorio Klostermann erschienen war. S. 223 * Gottfried Wilhelm Leibniz, Principes de la nature et de la graˆce fonde´s en raison; Principes de la philosophie ou Monadologie, publie´s inte´gralement d’apre`s les manuscrits de Hanovre, Vienne et Paris, et presente´s d’apre`s des lettres ine´dites par Andre´ Robinet, Paris, Presses Universitaires de France, 1954.
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN, VERWEISUNGS- UND MARKIERUNGSZEICHEN Hinweis der Herausgeber: Die wichtigsten Abkürzungen, die in dieser vierbändigen Ausgabe verwendet werden, sind hier zusammengestellt. Martin Heidegger hat in seinen Handexemplaren verschiedene Zeichen zur Textmarkierung verwendet. Er hebt damit besondere Stellen im Text hervor oder verweist auf vorangehende oder nachfolgende Stellen innerhalb des Textes. In den Editorischen Anmerkungen werden diese Stellen, sofern sie nicht als eindeutige Zuordnungszeichen für Randnotizen oder als Korrekturzeichen ausgewiesen sind, kommentiert.
Abkürzungen EA HE HGA HS MA M.H.
Ms.
Erstausgabe Handexemplar Heidegger-Gesamtausgabe Handschrift Maschinenabschrift Martin Heidegger Manuskript
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN
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Verweisungs- und Markierungszeichen F
G F–F F+F I
+ × ×–× ×
/ // ∼∼∼ L – Þ Þ ¥ ¦ – – ⊥ JK 260
Kreis durchstrichener Kreis durchkreuzter Kreis zwei Kreise, verbunden mit Minuszeichen zwei Kreise, verbunden mit Pluszeichen Halbkreis Pluszeichen Kreuz zwei Kreuze, verbunden mit Minuszeichen rechteckig oder quadratisch eingerahmtes Kreuz einfacher Längsstrich, Mittelstrich doppelter Längsstrich einfacher Schrägstrich doppelter Schrägstrich senkrecht geschlängelte Linie waagrecht geschlängelte Linie Bindestrich, Trennstrich (Divis) Quer- oder Gedankenstrich rechtsgerichteter Pfeil linksgerichteter Pfeil rechtsgerichteter Pfeil schräg nach oben linksgerichteter Pfeil schräg nach oben rechtsgerichteter Pfeil schräg nach unten linksgerichteter Pfeil schräg nach unten senkrecht aufwärtsgerichteter Pfeil senkrecht abwärtsgerichteter Pfeil doppelseitiger Pfeil doppelseitiger gezackter Pfeil Einfügungszeichen oder Zeichen zur Markierung des folgenden Textes Bogen
ANHANG
V
Verbindungsbogen
V ? ! = ≠ /—\ [ ] < > 〈〉
Fragezeichen Ausrufezeichen Gleichheitszeichen Ungleichheitszeichen diverse Verbindungslinien öffnende eckige Klammer schließende eckige Klammer öffnende spitze Klammer (von Heidegger verwendet) schließende spitze Klammer (von Heidegger verwendet) editorische Klammern zur Markierung von Heideggers gedruckten Texten (von den Herausgebern verwendet)
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN
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NACHWORT DER HERAUSGEBER
»Ich habe einen früheren Standpunkt verlassen, nicht um dagegen einen anderen einzutauschen, sondern weil auch der vormalige Standort nur ein Aufenthalt war in einem Unterwegs. Das Bleibende im Denken ist der Weg. Und Denkwege bergen in sich das Geheimnisvolle, daß wir sie vorwärts und rückwärts gehen können, daß sogar der Weg zurück uns erst vorwärts führt.« (Martin Heidegger, Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1959, S. 98–99)
Grundlage der in dieser vierbändigen Ausgabe aufgenommenen Schriften Martin Heideggers sind die Erstausgaben und die entsprechenden durch dessen Randnotizen erweiterten Handexemplare. Sie reichen von kleineren Einzelpublikationen mit ganz wesentlichen Themen wie Gelassenheit oder Was ist das, die Philosophie? über die Sammlung Vorträge und Aufsätze bis zu den großen Buchpublikationen Der Satz vom Grund und Unterwegs zur Sprache. Sie gelten als Schlüsseltexte nicht nur für das Denken Martin Heideggers, sondern für die Philosophie des 20. Jahrhunderts allgemein. Heidegger hatte diese Schriften für ein akademisches wie auch für ein breiteres Publikum bestimmt. Er selbst hat sie ausgewählt und zur Publikation vorbereitet. Sie wurden zu seinen Lebzeiten vom Verlag Günther Neske veröffentlicht. Diese Schriften haben entscheidend zu seinem Weltruhm beigetragen und bieten einen repräsentativen Einblick in die Vielfalt und Viel-
NACHWORT DER HERAUSGEBER
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schichtigkeit seines Denkens, das sich in leicht verständlichen Beiträgen wie Hebel – der Hausfreund ebenso erschließt wie in anspruchsvollen Schriften, beispielsweise Identität und Differenz. »Der Satz vom Grund« ist die letzte Vorlesung, die Martin Heidegger an der Freiburger Universität im Wintersemester 1955/56 gehalten hat. Sie wurde unter Ergänzung eines Vortrags zum gleichen Thema, den Heidegger am 25. Mai 1956 in Bremen und am 24. Oktober 1956 Wien gehalten hat, erstmals 1957 vom Verlag Günther Neske in Pfullingen publiziert. Diese Erstausgabe wurde dann in mehreren Auflagen unverändert vom Verlag Günther Neske und ab 1993 vom Verlag Klett-Cotta, Stuttgart, nachgedruckt. 1997 erschien Der Satz vom Grund ebenfalls in der Heidegger-Gesamtausgabe (HGA) im Verlag Vittorio Klostermann, erweitert um Ergänzungen und Korrekturen des Autors: Martin Heidegger, Der Satz vom Grund, hrsg. von Petra Jaeger, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 10), 1997. In Heideggers Handexemplaren befinden sich die Ergänzungen und Korrekturen meist am Rand des gedruckten Textes oder auf eingelegten Blättern. Sie enthalten zusammenhängende Reflexionen und Kommentare, Exzerpte, stichwortartige Bemerkungen sowie Seitenangaben oder durch besondere Zeichen markierte Hervorhebungen und Verweise. Für die hier vorliegende Ausgabe von Der Satz vom Grund wurden Heideggers Annotationen anhand seines Handexemplars der Erstausgabe von 1957 überprüft und gegebenenfalls vervollständigt. Erstmals aufgenommen wurden Heideggers handschriftliche Notizen auf Beilageblättern sowie sein auf den
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NACHWORT DER HERAUSGEBER
Nachsatzpapieren notiertes Stichwortverzeichnis. Ebenfalls zum ersten Mal erfasst wurden Heideggers handschriftliche Seitenverweise in seinem Handexemplar. Sie beziehen sich auf die Seitenzahlen der Erstausgabe bei Neske, auf deren Paginierung sich auch ein Großteil der Forschung bibliographisch bezieht. In der vorliegenden Ausgabe wird daher die ursprüngliche Paginierung der Erstausgabe an den Seitenrändern des Haupttextes in eckigen Klammern [ ] wiedergegeben. Die Seitenumbrüche sind jeweils durch einen Mittelstrich gekennzeichnet. Auf diese Weise lassen sich auch die Bezüge, die Heidegger mittels interner Seitenverweise und anderer Verweisungszeichen hergestellt hat, leichter auffinden. Außerdem wurden Heideggers Randmarkierungen, Unterstreichungen und durch besondere Zeichen markierte Textstellen erstmals berücksichtigt. Sie heben bestimmte Textstellen hervor und verweisen auf Zusammenhänge innerhalb des Textes. Sie sind für die Rezeption von Interesse, weil Martin Heidegger selbst diese Zusammenhänge hergestellt hat. Heideggers Annotationen verdeutlichen innere Zusammenhänge seiner Philosophie, die sich im »Er-gründen und Be-gründen« erschließen. Sie belegen, dass er sein Denken fortwährend überdacht hat: »ein Unterwegs im Wegfeld des sich wandelnden Fragens der mehrdeutigen Seinsfrage«. Mit diesen Worten charakterisierte er in einem Entwurf zum Vorwort der Gesamtausgabe den »Wegcharakter des Denkens«: »Die Gesamtausgabe soll auf verschiedene Weisen zeigen: ein Unterwegs im Wegfeld des sich wandelnden Fragens der mehrdeutigen Seinsfrage. Die Gesamtausgabe soll dadurch anleiten, die Frage aufzunehmen, mitzufragen und vor allem dann fragender zu fragen. Fragender fragen – d. h. den Schritt zurück vollziehen; zurück vor den Vorenthalt; zurück in das
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nennende Sagen (›zurück‹ als Wegcharakter des Denkens, nicht zeitlich-historisch).«1 Im Haupttext der vorliegenden Ausgabe werden Heideggers Annotationen mit hochgestellten Kleinbuchstaben (z. B. a) kenntlich gemacht und auf derselben Seite als Fußnoten des Haupttextes präsentiert. Der Wortlaut der Erstausgabe wird im Haupttext exakt wiedergegeben – mit Ausnahme von abgekürzten Namen und von eindeutigen und eigenhändigen Korrekturanweisungen Martin Heideggers, die sich auf Druckfehler in der Erstausgabe beziehen. So hat Heidegger beispielsweise auf einem Nachsatzblatt seines Handexemplars notiert: »Druckfehler. S. 132. Z[eile] 2 v[on] u[nten] den Gegenstand«; auf der entsprechenden Seite hat er seine Korrekturanweisung angebracht. In diesen eindeutigen Fällen wurden Heideggers Korrekturen auch im Haupttext übernommen. In den Editorischen Anmerkungen – im Haupttext mit Sternchen (z. B. *) markiert – wird jeweils auf die Änderungen hingewiesen. Die Herausgeber haben sich im Bemühen um eine philologisch exakte Wiedergabe der Texte, die in diese vierbändige Kassette aufgenommen wurden, an folgende Richtlinien gehalten: – Heideggers Annotationen sind mit hochgestellten Kleinbuchstaben (z. B. a) kenntlich gemacht. – Sternchenmarkierungen (z. B. *) verweisen auf Anmerkungen, Ergänzungen und Kommentare der Herausgeber, die im editorischen Anhang zu finden sind. 1
Martin Heidegger, Gesamtausgabe, I. Abteilung: Veröffentlichte Schriften 1914 – 1970, Band 1: Frühe Schriften (1912 – 1916), hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 1), 1978, 22018, S. 437.
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– Alle Texte wurden unverändert in der Rechtschreibung und Zeichensetzung der Erstausgaben wiedergegeben. – Abweichungen in der Orthographie und Zeichensetzung wurden im editorischen Anhang kommentiert. – Handschriftliche Korrekturzeichen Heideggers wurden berücksichtigt und im editorischen Anhang ausgewiesen. – Heideggers Trennungen und Schreibweisen von Wörtern wie »Un-umgängliches«, »Un-erhörte«, »Zu-stellung« oder »grund-los« wurden auch bei Zeilenumbrüchen beibehalten. In diesen Fällen wurden die für Martin Heidegger typischen Trennungen als Divis sowohl am Zeilenende als auch am darauffolgenden Zeilenanfang kenntlich gemacht. – Im Unterschied zu den gedruckten Erstausgaben wurden im Haupttext zum besseren Verständnis alle Namen ausgeschrieben. – Spruchzitate aus antiken Quellen sowie Gedichtzitate wurden – wenn sie vom Text abgesetzt sind – kursiviert. – Gesperrt Gedrucktes wurde kursiviert bzw. innerhalb von kursiv Gedrucktem recte gesetzt. – Handschriftliche Unterstreichungen Heideggers wurden kursiv gesetzt. – Handschriftliche Doppeltunterstreichungen Heideggers werden mit einfacher Unterstreichung und kursiv wiedergegeben. – Handschriftliche Durchstreichungen Heideggers (z. B. Sein × ) wurden als solche dargestellt. – Hervorhebungen Heideggers anderer Art werden in den Editorischen Anmerkungen beschrieben. – Textvarianten, die durch Heideggers Ergänzungen, Tilgungen, Markierungen u. ä. in seinen Handexemplaren hinzugekommen sind, wurden in den Fußnotenteil auf-
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genommen. In besonderen Fällen weisen die Herausgeber im editorischen Anhang ausdrücklich auf die Art der Varianten hin. Um die handschriftlichen Varianten nachvollziehbar zuordnen zu können, wurden – wenn nötig – einzelne Wörter oder Satzteile des gedruckten Haupttextes im Fußnotenteil aufgenommen. Diese Wörter oder Satzteile werden in editorischen Klammern 〈 〉 eingefasst, wobei gegebenenfalls handschriftliche Annotationen wie Kursivierung, Anführungszeichen, Doppelpunkte, Klammern oder Divis einbezogen werden. Zeichenergänzungen innerhalb der editorischen Klammern sowie Hinzufügungen, die außerhalb dieser Klammern stehen, lassen sich somit als handschriftliche Annotationen Martin Heideggers identifizieren. Bei handschriftlichen Zeichen Heideggers wie doppelter Längsstrich, Kreis, Kreuz oder Pluszeichen wird in den Editorischen Anmerkungen (Sternchenmarkierung) im Anhang die Art der Hervorhebung beschrieben. Dabei werden gegebenenfalls die markierten Textteile in editorischen Klammern 〈 〉 wieder aufgenommen. Auf Heideggers Markierungszeichen (wie Kreis, durchstrichener oder durchkreuzter Kreis, Kreuz, Längsoder Querstrich sowie Pluszeichen) wird nur dann eigens hingewiesen, wenn das Zeichen keine Zuordnungsfunktion zu einer Randbemerkung hat. Heidegger hat in seinen Handexemplaren gelegentlich verschiedene Farben verwendet, was auf thematische Zuordnungen oder verschiedene Phasen der Bearbeitung hinweisen könnte. Jeder farblichen Differenzierung wird in den vorliegenden Bänden dieser Kassette eine eigene Fußnote zugeordnet. Ausnahmen bilden verschiedenfarbige Hervorhebungen innerhalb eines
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Satzes oder unmittelbar aufeinanderfolgender Sätze, für die in der Regel nur eine Fußnote verwendet wird. Auf besondere Hervorhebungen wird in den Editorischen Anmerkungen eigens hingewiesen. Soweit möglich wurden die von Heidegger zitierten Texte anhand der von ihm verwendeten Ausgaben seiner Bibliothek überprüft und im editorischen Anhang dieser Ausgabe in ihrem jeweiligen Kontext zitiert und ergänzt. Zusätze in eckigen Klammern [ ] im Haupttext dieser Ausgabe stammen von Martin Heidegger. Zusätze in eckigen Klammern im Fußnotenteil des Haupttextes sowie in den Abschnitten »Heideggers Notizen« und in »Heideggers Stichwortverzeichnisse« stammen – falls nicht anders angemerkt – von den Herausgebern. Abkürzungen in handschriftlichen Texten Heideggers wurden in eckigen Klammern von den Herausgebern vervollständigt. Nur die Abkürzung »u.« wurde in »und« aufgelöst. Unsichere Lesarten wurden mit [?] gekennzeichnet und gegebenenfalls im editorischen Anhang (Sternchenmarkierung) kommentiert. Wichtige Abkürzungen und weitere Zeichen, die in dieser vierbändigen Ausgabe verwendet werden, finden sich unmittelbar vor diesem Nachwort im Verzeichnis der Abkürzungen, Verweisungs- und Markierungszeichen.
Den Nachlassverwaltern, Dr. Hermann Heidegger (1920 – 2020) und Arnulf Heidegger, möchten wir für ihr Vertrauen und die gute Zusammenarbeit danken. Ihnen und Detlev Heidegger sind wir überdies für die Bereitstellung von Handexemplaren sowie für ihre Hilfe bei der Ent-
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zifferung der handschriftlichen Notizen von Martin Heidegger zu Dank verpflichtet. Für ihr sorgfältiges Korrekturlesen sprechen wir Jutta Heidegger (1929 – 2020) unseren besonderen Dank aus. Prof. Dr. Dr. Günther Neumann danken wir für die Durchsicht und Korrektur der griechischen Zitate. Für ihre Hilfe bei der Durchsicht und Bereitstellung des Archivmaterials aus dem Deutschen Literaturarchiv Marbach danken wir Gudrun Bernhardt, Dr. Julia Maas und M. A. Simone Waidmann. Ganz besonderen Dank schulden wir Marion Winter (Esslingen) und Thomas Ziegler (pagina, Tübingen) für ihre aufmerksame Hilfe bei den Korrekturen und für die unermüdliche Zusammenarbeit. Ebenso danken wir dem Verlag Klett-Cotta, dem Verleger Dr. h. c. Michael Klett, dem verlegerischen Geschäftsführer Tom Kraushaar und dem Lektor Dr. Johannes Czaja. Wir hoffen, dass diese Ausgabe die Erforschung des Denkens von Martin Heidegger erweitert und vertieft. Alfred Denker (Sevilla, Messkirch) Dorothea Scholl (Kiel, Tübingen) Stuttgart, den 26. Mai 2021
MARTIN HEIDEGGER UNTERWEGS ZUR SPRACHE
DENKWEGE
Martin Heidegger – DENKWEGE ISBN 978-3-608-94761-8
E-Book ISBN 978-3-608-20177-2
Die vierbändige Kassette beinhaltet: Kleine Schriften Bauen Wohnen Denken. Vorträge und Aufsätze Der Satz vom Grund Unterwegs zur Sprache
Martin Heidegger
UNTERWEGS ZUR SPRACHE
Klett-Cotta
Unterwegs zur Sprache Text der durchgesehenen Erstausgabe (Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1959), erweitert um die handschriftlichen Ergänzungen des Autors aus seinem Handexemplar. Herausgegeben von Alfred Denker und Dorothea Scholl
Die Sternchenmarkierungen (*), die Ziffern in eckigen Klammern [ ] am Seitenrand, die Fußnoten sowie wichtige Hinweise zur Lektüre werden in den Editorischen Anmerkungen, im Verzeichnis der Abkürzungen, Verweisungsund Markierungszeichen und im Nachwort der Herausgeber erläutert.
Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe. Klett-Cotta www.klett-cotta.de © 2022 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart Alle Rechte vorbehalten Cover: Rothfos & Gabler Foto: © ullstein bild – bpk / Digne M. Markovicz Signatur: © ullstein bild – Granger, NYC Gesetzt von pagina GmbH, Tübingen Gedruckt und gebunden von GGP Media GmbH, Pößneck ISBN 978-3-608-94760-1 E-Book ISBN 978-3-608-20176-5 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
INHALT
Die Sprache – 7 Die Sprache im Gedicht – 35 Aus einem Gespräch von der Sprache – 89 Das Wesen der Sprache – 167 Das Wort – 237 Der Weg zur Sprache – 261 Hinweise – 299 Heideggers Notizen – 303 Heideggers Stichwortverzeichnis – 315
ANHANG – 319
Editorische Anmerkungen – 321 Editorische Anmerkungen zu »Die Sprache« – 321 Editorische Anmerkungen zu »Die Sprache im Gedicht« – 324 Editorische Anmerkungen zu »Aus einem Gespräch von der Sprache« – 326 Editorische Anmerkungen zu »Das Wesen der Sprache« – 334
Editorische Anmerkungen zu »Das Wort« – 346 Editorische Anmerkungen zu »Der Weg zur Sprache« – 347 Editorische Anmerkungen zu »Hinweise« – 358 Editorische Anmerkungen zu »Heideggers Notizen« – 361 Editorische Anmerkungen zu »Heideggers Stichwortverzeichnis« – 379 Verzeichnis der Abkürzungen, Verweisungs- und Markierungszeichen – 381 Nachwort der Herausgeber – 385
DIE SPRACHE
er Mensch spricht. Wir sprechen im Wachen und im Traum. Wir sprechen stets; auch dann, wenn wir kein Wort verlauten lassen, sondern nur zuhören oder lesen, sogar dann, wenn wir weder eigens zuhören noch lesen, stattdessen einer Arbeit nachgehen oder in der Muße aufgehen. Wir sprechen ständig in irgendeiner Weise. Wir sprechen, weil Sprechen uns natürlich ist. Es entspringt nicht erst aus einem besonderen Wollen. Man sagt, der Mensch habe die Sprache von Natur. Die Lehre gilt, der Mensch sei im Unterschied zu Pflanze und Tier das sprachfähige Lebewesen. Der Satz meint nicht nur, der Mensch besitze neben anderen Fähigkeiten auch diejenige zu sprechen. Der Satz will sagen, erst die Sprache befähige den Menschen, dasjenige Lebewesen zu sein, das er als Mensch ist. Als der Sprechende ist der Mensch: Mensch. Wilhelm von Humboldt hat dies gesagt. Doch es bleibt zu bedenken, was dies heißt: der Mensch.
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In jedem Falle gehört die Sprache in die nächste Nachbarschaft des Menschenwesens. Überall begegnet Sprache. Darum kann es nicht verwundern, daß der Mensch, sobald er sich denkend in dem umsieht, was ist, alsbald auch auf die Sprache trifft, um sie in einer maßgebenden Hinsicht auf das, was sich von ihr zeigt, zu bestimmen. Das Nachdenken versucht, sich eine Vorstellung von dem zu ver-
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schaffen, was Sprache im allgemeinen ist. Das Allgemeine, das für jede Sache gilt, nennt man das Wesen. Allgemeingültiges im allgemeinen vorstellen, das ist nach den herrschenden Urteilen der Grundzug des Denkens. Denkend von der Sprache handeln, heißt demgemäß: vom Wesen der Sprache eine Vorstellung geben und diese gegen andere Vorstellungen gehörig abgrenzen. Dergleichen scheint auch dieser Vortrag zu versuchen. Allein der Titel des Vortrags lautet nicht: Vom Wesen der Sprache. Er lautet nur: Die Sprache. »Nur« sagen wir und setzen doch offenbar einen weit anmaßenderen Titel über unser Vorhaben, als wenn wir uns dabei bescheiden, einiges über die Sprache zu erörtern. Indes, über die Sprache sprechen ist vermutlich noch schlimmer als über das Schweigen schreiben. Wir wollen nicht die Sprache überfallen, um sie in den Griff schon festgemachter Vorstellungen zu zwingen. Wir wollen das Wesen der Sprache nicht auf einen Begriff bringen, damit dieser eine überall nutzbare Ansicht über die Sprache liefere, die alles Vorstellen beruhigt. Die Sprache erörtern heißt, nicht so sehr sie, sondern uns an den Ort ihres Wesens bringen: Versammlung in das Ereignis. Der Sprache selbst und nur ihr möchten wir nach-denken. Die Sprache selbst ist: die Sprache und nichts außerdem. Die Sprache selbst ist die Sprache. Der logisch geschulte, alles durchrechnende und darum meist hochfahrende Verstand nennt diesen Satz eine nichtssagende Tautologie. Zweimal nur das Gleiche sagen: Sprache ist Sprache, wie soll dies uns weiterbringen? Wir wollen jedoch nicht weiterkommen. Wir möchten nur erst einmal eigens dorthin gelangen, wo wir uns schon aufhalten. Darum bedenken wir: Wie steht es mit der Sprache selbst? Darum fragen wir: Wie west die Sprache als Spra-
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che? Wir antworten: Die Sprache spricht. Ist dies im Ernst eine Antwort? Vermutlich schon; dann nämlich, wenn ans Licht kommt, was sprechen heißt. Der Sprache nachdenken verlangt somit, daß wir auf das Sprechen der Sprache eingehen, um bei der Sprache, d. h. in ihrem Sprechen, nicht in unserem, den Aufenthalt zu nehmen. Nur so gelangen wir in den Bereich, innerhalb dessen es glückt oder auch mißglückt, daß aus ihm die Sprache uns ihr Wesen zuspricht. Der Sprache überlassen wir das Sprechen. Wir möchten die Sprache weder aus anderem, das nicht sie selber ist, begründen, noch möchten wir anderes durch die Sprache erklären. Am 10. August 1784 schrieb Hamann an Herder (Hamann’s Schriften, Ed. Roth Bd. VII, S. 151 f.)*: »Wenn ich auch so beredt wäre wie Demosthenes, so würde ich doch nicht mehr als ein einziges Wort dreymal wiederholen müssen: Vernunft ist Sprache, loÂgow. An diesem Markknochen nage ich und werde mich zu Tode darüber nagen. Noch bleibt es immer finster über dieser Tiefe für mich; ich warte noch immer auf einen apokalyptischen Engel mit einem Schlüssel zu diesem Abgrund.« Für Hamann besteht dieser Abgrund darin, daß die Vernunft Sprache ist. Hamann kommt auf die Sprache zurück bei dem Versuch, zu sagen, was die Vernunft sei. Der Blick auf diese fällt in die Tiefe eines Abgrundes. Besteht dieser nur darin, daß die Vernunft in der Sprache beruht, oder ist gar die Sprache selbst der Abgrund? Vom Abgrund sprechen wir dort, wo es vom Grund weggeht und uns ein Grund fehlt, insofern wir nach dem Grunde suchen und darauf ausgehen, auf einen Grund zu kommen. Indes fragen wir jetzt nicht, was die Vernunft sei, sondern denken sogleich der Sprache nach und nehmen dabei als leitenden Wink den seltsamen Satz: Sprache ist Sprache. Der Satz
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bringt uns nicht zu anderem, worin die Sprache gründet. Er sagt auch nichts darüber, ob die Sprache selbst ein Grund für anderes sei. Der Satz: Sprache ist Sprache, läßt uns über einen Abgrund schweben, solange wir bei dem aushalten, was er sagt. Die Sprache ist: Sprache.* Die Sprache spricht. Wenn wir uns in den Abgrund, den dieser Satz nennt, fallen lassen, stürzen wir nicht ins Leere weg. Wir fallen in die Höhe. Deren Hoheit öffnet eine Tiefe. Beide durchmessen eine Ortschaft, in der wir heimisch werden möchten, um den Aufenthalt für das Wesen des Menschen zu finden. Der Sprache nachdenken heißt: auf eine Weise in das Sprechen der Sprache gelangen, daß es sich als das ereignet, was dem Wesen der Sterblichen den Aufenthalt gewährt. Was heißt sprechen? Die gängige Meinung darüber stellt fest: Sprechen ist die Betätigung der Werkzeuge der Verlautbarung und des Gehörs. Sprechen ist das lautliche Ausdrücken und Mitteilen menschlicher Gemütsbewegungen. Diese sind geleitet von Gedanken. Nach solcher Kennzeichnung der Sprache gilt dreierlei für ausgemacht: Zum ersten und vor allem ist Sprechen ein Ausdrücken. Die Vorstellung von der Sprache als einer Äußerung ist die geläufigste. Sie setzt schon die Vorstellung eines Inneren voraus, das sich äußert. Wird die Sprache als Äußerung genommen, dann ist sie äußerlich vorgestellt, und dies gerade dann, wenn man die Äußerung durch den Rückgang auf ein Inneres erklärt. Zum anderen gilt das Sprechen als eine Tätigkeit des Menschen. Demgemäß müssen wir sagen: Der Mensch spricht, und er spricht je eine Sprache. Wir können darum nicht sagen: Die Sprache spricht; denn dies würde heißen: Die Sprache erwirkt und er-gibt erst den Menschen. So gedacht, wäre der Mensch ein Versprechen der Sprache.
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Schließlich ist das vom Menschen betätigte Ausdrücken stets ein Vorstellen und Darstellen des Wirklichen und Unwirklichen. Man weiß seit langem, daß die angeführten Kennzeichen nicht ausreichen, um das Wesen der Sprache zu umgrenzen. Wo dieses jedoch auf den Ausdruck festgelegt wird, gibt man ihm dadurch eine umfassendere Bestimmung, daß man das Ausdrücken als eine unter anderen Tätigkeiten in die Gesamtökonomie der Leistungen einbaut, durch die der Mensch sich selber macht. Gegenüber der Kennzeichnung des Sprechens als einer nur menschlichen Leistung betonen andere, das Wort der Sprache sei göttlichen Ursprungs. Gemäß dem Beginn des Prologs des Johannes-Evangeliums war das Wort im Anfang bei Gott. Aber nicht nur die Ursprungsfrage sucht man aus den Fesseln der rational-logischen Erklärung zu befreien, man beseitigt auch die Schranken der nur logischen Beschreibung der Sprache. Entgegen der ausschließlichen Charakteristik der Wortbedeutungen als Begriffe rückt man den Bild- und Symbol-Charakter der Sprache in den Vordergrund. So bemüht man denn die Biologie und die philosophische Anthropologie, die Soziologie und die Psycho-Pathologie, die Theologie und die Poetik, um die sprachlichen Erscheinungen umfassender zu beschreiben und zu erklären. Indes bezieht man dabei alle Aussagen im voraus auf die von altersher maßgebende Erscheinungsweise der Sprache. Man verfestigt hierdurch die schon festgemachte Hinsicht auf das Wesensganze der Sprache. So kommt es, daß die grammatisch-logische, die sprachphilosophische und die sprachwissenschaftliche Vorstellung von der Sprache seit zweieinhalb Jahrtausenden dieselbe geblieben ist, obwohl die Erkenntnisse über die Sprache sich fortgesetzt mehrten
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und wandelten. Man könnte diese Tatsache sogar als einen Beweisgrund für die unerschütterliche Richtigkeit der leitenden Vorstellungen über die Sprache anführen. Niemand wird wagen, die Kennzeichnung der Sprache als lautliche Äußerung innerer Gemütsbewegungen, als menschliche Tätigkeit, als ein bildhaft-be ò griffliches Darstellen für unrichtig zu erklären oder gar als nutzlos zu verwerfen. Das angeführte Betrachten der Sprache ist richtig; denn es richtet sich nach dem, was eine Untersuchung sprachlicher Erscheinungen an diesen jederzeit ausmachen kann. Im Bezirk dieses Richtigen bewegen sich denn auch alle Fragen, von denen das Beschreiben und Erklären der sprachlichen Erscheinungen begleitet wird. Zu wenig bedenken wir freilich noch die seltsame Rolle dieser richtigen Vorstellungen von der Sprache. Sie behaupten, gleich als seien sie unerschütterlich, überall das Feld der verschiedenartigen wissenschaftlichen Betrachtungsweisen der Sprache. Sie reichen in eine alte Überlieferung zurück. Dennoch lassen sie die älteste Wesensprägung der Sprache völlig unbeachtet. So geleiten sie denn trotz ihres Alters und trotz ihrer Verständlichkeit niemals zur Sprache als Sprache. Die Sprache spricht. Wie ist es mit ihrem Sprechen? Wo finden wir solches? Am ehesten doch im Gesprochenen. Darin nämlich hat das Sprechen sich vollendet. Im Gesprochenen hört das Sprechen nicht auf. Im Gesprochenen bleibt das Sprechen geborgen. Im Gesprochenen versammelt das Sprechen die Weise, wie es währt, und das, was aus ihm währt – sein Währen, sein Wesen. Aber zumeist und zu oft begegnet uns das Gesprochene nur als das Vergangene eines Sprechens. Wenn wir darum das Sprechen der Sprache im Gesprochenen suchen müssen, werden wir gut daran tun, statt
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nur beliebig Gesprochenes wahllos aufzugreifen, ein rein Gesprochenes zu finden. Rein Gesprochenes ist jenes, worin die Vollendung des Sprechens, die dem Gesprochenen eignet, ihrerseits eine anfangende ist. Rein Gesprochenes ist das Gedicht. Wir müssen diesen Satz zunächst als nackte Behauptung stehen lassen. Wir dürfen dies, falls es gelingt, aus einem Gedicht rein Gesprochenes zu hören. Doch welches Gedicht soll zu uns sprechen? Hier bleibt uns nur eine Wahl, die jedoch vor bloßer Willkür geschützt ist. Wodurch? Durch das, was uns schon als das Wesende der Sprache zugedacht ist, falls wir dem Sprechen der Sprache nachdenken. Dieser Bindung zufolge wählen wir als rein Gesprochenes ein Gedicht, das, eher als andere, bei den ersten Schritten uns helfen kann, das Bündige jener Bindung zu erfahren. Wir hören das Gesprochene. Das Gedicht trägt die Überschrift: Ein Winterabend*
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Wenn der Schnee ans Fenster fällt, Lang die Abendglocke läutet, Vielen ist der Tisch bereitet Und das Haus ist wohlbestellt. Mancher auf der Wanderschaft Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden. Golden blüht der Baum der Gnaden Aus der Erde kühlem Saft. Wanderer tritt still herein; Schmerz versteinerte die Schwelle. Da erglänzt in reiner Helle Auf dem Tische Brot und Wein.
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Die zwei letzten Verse der zweiten Strophe und die dritte Strophe lauten in der ersten Fassung (Brief an Karl Kraus vom 13. 12. 1913)*: Seine Wunde voller Gnaden Pflegt der Liebe sanfte Kraft. O ! des Menschen bloße Pein. Der mit Engeln stumm gerungen, Langt, von heiligem Schmerz bezwungen, Still nach Gottes Brot und Wein. (Vgl. die Schweizer Neuausgabe der Dichtungen von G. Trakl, besorgt von Kurt Horwitz, 1946.)**
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Das Gedicht hat Georg Trakl gedichtet. Daß er der Dichter ist, bleibt unwichtig; hier, wie bei jedem anderen großgeglückten Fall eines Gedichtes. Das Großgeglückte besteht sogar mit darin, daß es Person und Namen des Dichters verleugnen kann. Das Gedicht ist durch drei Strophen geformt. Ihr Versmaß und die Reimart lassen sich nach den Schemata der Metrik und Poetik genau bestimmen. Der Inhalt des Gedichtes ist verständlich. Kein Wort findet sich, das, für sich genommen, unbekannt oder unklar wäre. Zwar lauten einige Verse befremdlich, so der dritte und vierte der zweiten Strophe: Golden blüht der Baum der Gnaden Aus der Erde kühlem Saft. Insgleichen überrascht der zweite Vers der dritten Strophe: Schmerz versteinerte die Schwelle.
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Aber die jetzt herausgehobenen Verse bekunden auch eine besondere Schönheit der gebrauchten Bilder. Diese Schönheit erhöht den Reiz des Gedichtes und bekräftigt die ästhetische Vollendung des Kunstgebildes. Das Gedicht beschreibt einen Winterabend. Die erste Strophe schildert, was draußen geschieht: Schneefall und Läuten der Abendglocke. Das Draußen rührt an das Drinnen der menschlichen Wohnstatt. Der Schnee fällt ans Fenster. Die Glocke läutet in jegliches Haus hinein. Drinnen ist alles gut bestellt und der Tisch bereitet. Die zweite Strophe läßt einen Gegensatz erstehen. Gegenüber den Vielen, die im Haus und am Tisch heimisch sind, wandern Manche unheimisch auf dunklen Pfaden. Doch führen solche vielleicht bösen Wege bisweilen an das Tor des bergenden Hauses. Dieses wird zwar nicht eigens vorgestellt. Stattdessen nennt das Gedicht den Baum der Gnaden. Die dritte Strophe bittet den Wanderer herein aus dem dunklen Draußen in die Helle drinnen. Aus den Häusern der Vielen und aus den Tischen ihrer alltäglichen Mahlzeiten ist das Gotteshaus und der Altartisch geworden. Der Inhalt des Gedichtes ließe sich noch deutlicher zergliedern, seine Form noch genauer umgrenzen, wir blieben bei solchem Verfahren jedoch überall in die Vorstellung von der Sprache gebannt, die seit Jahrtausenden herrscht. Darnach ist die Sprache der vom Menschen vollzogene Ausdruck innerer Gemütsbewegungen und der sie leitenden Weltansicht. Läßt sich der Bann dieser Vorstellung über die Sprache brechen? Weshalb soll er gebrochen werden? Die Sprache ist in ihrem Wesen weder Ausdruck, noch eine Betätigung des Menschen. Die Sprache spricht. Wir suchen jetzt das Sprechen der Sprache im Gedicht. Demnach liegt das Gesuchte im Dichterischen des Gesprochenen.
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»Ein Winterabend« lautet die Überschrift des Gedichtes. Wir erwarten von ihm die Beschreibung eines Winterabends, wie er wirklich ist. Allein, das Gedicht stellt nicht einen irgendwo und irgendwann anwesenden Winterabend vor. Es schildert weder einen schon anwesenden nur ab, noch will es einem nicht anwesenden Winterabend den Anschein eines Anwesenden und den Eindruck eines solchen verschaffen. Natürlich nicht, wird man entgegnen. Alle Welt weiß, daß ein Gedicht Dichtung ist. Es dichtet sogar dort, wo es zu beschreiben scheint. Dichtend bildet sich der Dichter ein möglicherweise Anwesendes in seinem Anwesen vor. Gedichtet bildet das Gedicht das so Vorgebildete unserem Vorstellen ein. Im Sprechen des Gedichtes spricht sich die dichterische Einbildungskraft aus. Das Gesprochene des Gedichtes ist das vom Dichter aus ihm Herausgesprochene. Dieses Ausgesprochene spricht, indem es seinen Gehalt ausspricht. Die Sprache des Gedichtes ist ein mehrfältiges Aussprechen. Die Sprache erweist sich unbestreitbar als Ausdruck. Das jetzt Erwiesene steht aber gegen den Satz: Die Sprache spricht, gesetzt, daß Sprechen im Wesen nicht ein Ausdrücken ist. Selbst wenn wir das Gesprochene des Gedichtes vom Dichten her verstehen, erscheint uns das Gesprochene wie unter einem Zwang immer wieder und immer nur als ausgesprochenes Aussprechen. Sprache ist Ausdruck. Warum fügen wir uns diesem Tatbestand nicht? Weil das Richtige und das Gängige dieser Vorstellung von der Sprache nicht zureichen, um darauf die Erörterung ihres Wesens zu gründen. Wie ermessen wir das Unzureichende? Muß uns, damit wir solches Messen vermögen, nicht schon ein anderes Maß binden? Allerdings. Es bekundet sich in dem Satz: Die Sprache spricht. Bisher sollte dieser Leitsatz nur erst die verhärtete Gewohnheit abwehren, das Sprechen,
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statt es aus ihm selber zu denken, sogleich unter die Erscheinungen des Ausdrückens abzuschieben. Das gesagte Gedicht ist deshalb gewählt, weil es auf eine nicht weiter erklärbare Weise die Eignung bekundet, unserem Versuch, die Sprache zu erörtern, einige fruchtbare Winke zu leihen. Die Sprache spricht. Dies heißt zugleich und zuvor: Die Sprache spricht. Die Sprache? Und nicht der Mensch? Ist, was der Leitsatz uns jetzt zumutet, nicht noch ärger? Wollen wir auch noch leugnen, daß der Mensch dasjenige Wesen sei, das spricht? Keineswegs. Wir leugnen dies so wenig wie die Möglichkeit, die sprachlichen Erscheinungen unter dem Titel »Ausdruck« einzuordnen. Doch wir fragen: Inwiefern spricht der Mensch? Wir fragen: Was ist Sprechen? Wenn der Schnee ans Fenster fällt, Lang die Abendglocke läutet, Dieses Sprechen nennt den Schnee, der spät am schwindenden Tag, während die Abendglocke läutet, lautlos das Fenster trifft. Bei solchem Flockenfall währt alles Währende länger. Darum läutet die Abendglocke, die täglich ihre streng begrenzte Zeit hindurch ertönt, lang. Das Sprechen nennt die Winterabend zeit. Was ist dieses Nennen? Behängt es nur die vorstellbaren, bekannten Gegenstände und Vorgänge: Schnee, Glocke, Fenster, fallen, läuten – mit den Wörtern einer Sprache? Nein. Das Nennen verteilt nicht Titel, verwendet nicht Wörter, sondern ruft ins Wort. Das Nennen ruft. Das Rufen bringt sein Gerufenes näher. Gleichwohl schafft dies Näherbringen das Gerufene nicht herbei, um es im nächsten Bezirk des Anwesenden abzusetzen und darin unterzubringen. Der Ruf ruft zwar her. So bringt er das Anwesen des vordem Ungerufenen in eine Nähe. Allein, indem der Ruf herruft, hat er dem Gerufenen
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schon zugerufen. Wohin? In die Ferne, in der Gerufenes weilt als noch Abwesendes. Das Herrufen ruft in eine Nähe. Aber der Ruf entreißt gleichwohl das Gerufene nicht der Ferne, in der es durch das Hinrufen gehalten bleibt. Das Rufen ruft in sich und darum stets hin und her; her: ins Anwesen; hin: ins Abwesen. Schneefall und Läuten der Abendglocke sind jetzt und hier im Gedicht zu uns gesprochen. Sie wesen im Ruf an. Dennoch fallen sie keineswegs unter das jetzt und hier in diesem Saal Anwesende. Welche Anwesenheit ist die höhere, die des Vorliegenden oder die des Gerufenen? Vielen ist der Tisch bereitet Und das Haus ist wohlbestellt.
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Die beiden Verszeilen sprechen wie Aussagesätze, als ob sie Vorhandenes feststellten. Das entschiedene »ist« klingt so. Dennoch spricht es rufend. Die Verse bringen den bereiteten Tisch und das wohlbestellte Haus in jenes dem Abwesen zu-gehaltene Anwesen. Was ruft die erste Strophe? Sie ruft Dinge, heißt sie kommen. Wohin? Nicht als Anwesende unter das Anwesende, nicht den im Gedicht genannten Tisch hierher zwischen die von Ihnen besetzten Sitzreihen. Der im Ruf mitgerufene Ort der Ankunft ist ein ins Abwesen geborgenes Anwesen. In solche Ankunft heißt der nennende Ruf kommen. Das Heißen ist Einladen. Es lädt die Dinge ein, daß sie als Dinge die Menschen angehen. Der Schneefall bringt die Menschen unter den in die Nacht verdämmernden Himmel. Das Läuten der Abendglocke bringt sie als die Sterblichen vor das Göttliche. Haus und Tisch binden die Sterblichen an die Erde. Die genannten Dinge versammeln, also gerufen, bei sich Himmel und Erde, die Sterblichen und die
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Göttlichen. Die Vier sind ein ursprünglich-einiges Zueinander. Die Dinge lassen das Geviert der Vier bei sich verweilen. Dieses versammelnde Verweilenlassen ist das Dingen der Dinge. Wir nennen das im Dingen der Dinge verweilte einige Geviert von Himmel und Erde, Sterblichen und Göttlichen: die Welt. Im Nennen sind die genannten Dinge in ihr Dingen gerufen. Dingend ent-falten sie Welt, in der die Dinge weilen und so je die weiligen sind. Die Dinge tragen, indem sie dingen, Welt aus. Unsere alte Sprache nennt das Austragen: bern, bären, daher die Wörter »gebären« und »Gebärde«. Dingend sind die Dinge Dinge. Dingend gebärden sie Welt. Die erste Strophe ruft die Dinge in ihr Dingen, heißt sie kommen. Das Heißen, das Dinge ruft, ruft her, lädt sie ein und ruft zugleich zu den Dingen hin, empfiehlt sie der Welt an, aus der sie erscheinen. Darum nennt die erste Strophe nicht bloß Dinge. Sie nennt zugleich Welt. Sie ruft die »Vielen«, die als die Sterblichen zum Geviert der Welt gehören. Die Dinge be-dingen die Sterblichen. Dies sagt jetzt: Die Dinge besuchen jeweils die Sterblichen eigens mit Welt. Die erste Strophe spricht, indem sie die Dinge kommen heißt. Die zweite Strophe spricht in anderer Weise als die erste. Zwar heißt auch sie kommen. Aber ihr Rufen beginnt, indem sie die Sterblichen ruft und nennt: Mancher auf der Wanderschaft … Weder alle Sterblichen sind gerufen, noch die Vielen, sondern nur »Manche«; jene, die auf dunklen Pfaden wandern. Diese Sterblichen vermögen das Sterben als die Wanderschaft zum Tode. Im Tod versammelt sich die höchste Verborgenheit des Seins. Der Tod hat jedes Sterben schon
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überholt. Die »auf der Wanderschaft« müssen erst Haus und Tisch durch das Dunkel ihrer Pfade erwandern, nicht nur und nicht einmal zuerst für sich, sondern für die Vielen; denn diese meinen, sie seien, wenn sie sich nur in Häusern einrichteten und an Tischen säßen, schon von den Dingen be-dingt und seien in das Wohnen gelangt. Die zweite Strophe beginnt, indem sie Manche der Sterblichen ruft. Obzwar die Sterblichen mit den Göttlichen, mit Erde und Himmel zum Geviert der Welt gehören, rufen die beiden ersten Verse der zweiten Strophe doch nicht eigens die Welt. Vielmehr nennen sie fast wie die erste Strophe, nur in anderer Folge, zugleich die Dinge: das Tor, die dunklen Pfade. Erst die beiden anderen Verse der zweiten Strophe rufen eigens die Welt. Jäh nennen sie ganz Anderes: Golden blüht der Baum der Gnaden Aus der Erde kühlem Saft.
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Der Baum wurzelt gediegen in der Erde. So gedeiht er in das Blühen, das sich dem Segen des Himmels öffnet. Das Ragen des Baumes ist gerufen. Es durchmißt zumal den Rausch des Erblühens und die Nüchternheit der nährenden Säfte. Verhaltenes Wachstum der Erde und die Spende des Himmels gehören zueinander. Das Gedicht nennt den Baum der Gnaden. Sein gediegenes Blühen birgt die unverdient zufallende Frucht: das rettend Heilige, das den Sterblichen hold ist. Im golden blühenden Baum walten Erde und Himmel, die Göttlichen und die Sterblichen. Ihr einiges Geviert ist die Welt. Das Wort »Welt« ist jetzt nicht mehr im metaphysischen Sinne gebraucht. Es nennt weder das säkularisiert vorgestellte Universum von Natur und Geschichte, noch nennt es die theologisch vorgestellte
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Schöpfung (mundus), noch meint es lediglich das Ganze des Anwesenden (koÂsmow). Der dritte und vierte Vers der zweiten Strophe rufen den Baum der Gnaden. Sie heißen eigens die Welt kommen. Sie rufen das Welt-Geviert her und rufen so Welt zu den Dingen hin. Die Verse heben mit dem Wort »Golden« an. Damit wir dieses Wort und sein Gerufenes deutlicher hören, sei an ein Gedicht Pindars erinnert (Isthm. V.)*. Der Dichter nennt am Beginn dieser Ode das Gold perivÂsion paÂntvn, das was alles, paÂnta, jegliches Anwesende ringsum, vor allem durchglänzt. Der Glanz des Goldes birgt alles Anwesende in das Unverborgene seines Erscheinens. Wie das Rufen, das die Dinge nennt, her- und hin-ruft, so ruft das Sagen, das die Welt nennt, in sich her und hin. Es traut Welt den Dingen zu und birgt zugleich die Dinge in den Glanz von Welt. Diese gönnt den Dingen ihr Wesen. Die Dinge gebärden Welt. Welt gönnt die Dinge. Das Sprechen der beiden ersten Strophen spricht, indem es Dinge zur Welt und Welt zu den Dingen kommen heißt. Beide Weisen des Heißens sind geschieden, aber nicht getrennt. Sie sind aber auch nicht nur aneinander gekoppelt. Denn Welt und Dinge bestehen nicht nebeneinander. Sie durchgehen einander. Hierbei durchmessen die Zwei eine Mitte. In dieser sind sie einig. Als so Einige sind sie innig. Die Mitte der Zwei ist die Innigkeit. Die Mitte von Zweien nennt unsere Sprache das Zwischen. Die lateinische Sprache sagt: inter. Dem entspricht das deutsche »unter«. Die Innigkeit von Welt und Ding ist keine Verschmelzung. Innigkeit waltet nur, wo das Innige, Welt und Ding, rein sich scheidet und geschieden bleibt. In der Mitte der Zwei, im Zwischen von Welt und Ding, in ihrem inter, in diesem Unter- waltet der Schied.
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Die Innigkeit von Welt und Ding west im Schied des Zwischen, west im Unter-Schied. Das Wort Unter-Schied wird jetzt dem gewöhnlichen und gewohnten Gebrauch entzogen. Was das Wort »der Unter-Schied« jetzt nennt, ist nicht ein Gattungsbegriff für vielerlei Arten von Unterschieden. Der jetzt genannte Unter-Schied ist nur als dieser Eine. Er ist einzig. Der Unter-Schied hält von sich her die Mitte auseinander, auf die zu und durch die hindurch Welt und Dinge zueinander einig sind. Die Innigkeit des Unter-Schiedes ist das Einigende der DiaforaÂ, des durchtragenden Austrags. Der Unter-Schied trägt Welt in ihr Welten, trägt die Dinge in ihr Dingen aus. Also sie austragend, trägt er sie einander zu. Der Unter-Schied vermittelt nicht nachträglich, indem er Welt und Dinge durch eine herzugebrachte Mitte verknüpft. Der Unter-Schied ermittelt als die Mitte erst Welt und Dinge zu ihrem Wesen, d. h. in ihr Zueinander, dessen Einheit er austrägt. Das Wort »Unter-Schied« meint demnach nicht mehr eine Distinktion, die erst durch unser Vorstellen zwischen Gegenständen aufgestellt wird. Der Unter-Schied ist gleichwenig nur eine Relation, die zwischen Welt und Ding vorliegt, so daß ein Vorstellen, das darauf trifft, sie feststellen kann. Der Unter-Schied wird nicht nachträglich von Welt und Ding als deren Beziehung abgehoben. Der Unter-Schied für Welt und Ding ereignet Dinge in das Gebärden von Welt, ereignet Welt in das Gönnen von Dingen. Der Unter-Schied ist weder Distinktion noch Relation. Der Unter-Schied ist im höchsten Fall Dimension für Welt und Ding. Aber in diesem Fall meint »Dimension« auch nicht mehr einen für sich vorhandenen Bezirk, worin sich dies und jenes ansiedelt. Der Unter-Schied ist die Dimension, insofern er Welt und Ding in ihr Eigenes er-mißt. Sein Er-messen eröffnet erst das Aus- und Zu-einander von
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Welt und Ding. Solches Eröffnen ist die Art, nach der hier der Unter-Schied beide durchmißt. Der Unter-Schied vermißt als die Mitte für Welt und Dinge das Maß ihres Wesens. Im Heißen, das Ding und Welt ruft, ist das eigentlich Geheißene: der Unter-Schied. Die erste Strophe des Gedichtes heißt die Dinge kommen, die als dingende Welt gebärden. Die zweite Strophe heißt die Welt kommen, die als weltende Dinge gönnt. Die dritte Strophe heißt die Mitte für Welt und Ding kommen: den Austrag der Innigkeit. Die dritte Strophe beginnt deshalb mit einem betonten Rufen: Wanderer tritt still herein; Wohin? Der Vers sagt es nicht. Dagegen ruft er den eintretenden Wanderer in die Stille. Sie verwaltet das Tor. Jäh und befremdlich ist es gerufen: Schmerz versteinerte die Schwelle. Einsam spricht dieser Vers im Gesprochenen des ganzen Gedichtes. Er nennt den Schmerz. Welchen? Der Vers sagt nur: »Schmerz …« Woher und inwiefern ist Schmerz gerufen? Schmerz versteinerte die Schwelle. »… versteinerte …« Dies Wort ist das einzige im Gedicht, das in der Zeitform der Vergangenheit spricht. Gleichwohl nennt es nicht ein Vergangenes, solches, was nicht mehr anwest. Es nennt Wesendes, das schon gewesen. Im Gewese des Versteinerns west allererst die Schwelle.
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Die Schwelle ist der Grundbalken, der das Tor im Ganzen trägt. Er hält die Mitte, in der die Zwei, das Draußen und das Drinnen, einander durchgehen, aus. Die Schwelle trägt das Zwischen. In seine Verläßlichkeit fügt sich, was im Zwischen aus- und ein-geht. Das Verläßliche der Mitte darf nirgend hin nachgeben. Der Austrag des Zwischen braucht das Ausdauernde und in solchem Sinne Harte. Die Schwelle ist als der Austrag des Zwischen hart, weil Schmerz sie versteinerte. Aber der zu Stein ereignete Schmerz hat sich nicht in die Schwelle verhärtet, um in ihr zu erstarren. Der Schmerz west in der Schwelle ausdauernd als Schmerz. Doch was ist Schmerz? Der Schmerz reißt. Er ist der Riß. Allein, er zerreißt nicht in auseinanderfahrende Splitter. Der Schmerz reißt zwar auseinander, er scheidet, jedoch so, daß er zugleich alles auf sich zieht, in sich versammelt. Sein Reißen ist als das versammelnde Scheiden zugleich jenes Ziehen, das wie der Vorriß und Aufriß das im Schied Auseinandergehaltene zeichnet und fügt. Der Schmerz ist das Fügende im scheidend-sammelnden Reißen. Der Schmerz ist die Fuge des Risses. Sie ist die Schwelle. Sie trägt das Zwischen aus, die Mitte der zwei in sie Geschiedenen. Der Schmerz fügt den Riß des Unter-Schiedes. Der Schmerz ist der Unter-Schied selber. Schmerz versteinerte die Schwelle. Der Vers ruft den Unter-Schied, aber er denkt ihn weder eigens, noch nennt er sein Wesen bei diesem Namen. Der Vers ruft den Schied des Zwischen, die versammelnde Mitte, in deren Innigkeit die Gebärde der Dinge und die Gunst der Welt einander durchmessen. So wäre denn die Innigkeit des Unter-Schiedes für Welt
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und Ding der Schmerz? Allerdings. Nur dürfen wir den Schmerz nicht anthropologisch als Empfindung vorstellen, die wehleidig macht. Nur dürfen wir die Innigkeit nicht psychologisch als jenes vorstellen, worin sich die Empfindsamkeit einnistet. Schmerz versteinerte die Schwelle. Der Schmerz hat die Schwelle schon in ihr Tragen gefügt. Der Unter-Schied west schon als das Gewese, woher sich der Austrag von Welt und Ding ereignet. Inwiefern? Da erglänzt in reiner Helle Auf dem Tische Brot und Wein.
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Wo erglänzt die reine Helle? Auf der Schwelle, im Austrag des Schmerzes. Der Riß des Unter-Schiedes läßt die reine Helle glänzen. Sein lichtendes Fügen ent-scheidet die AufHeiterung von Welt in ihr Eigenes. Der Riß des Unter-Schiedes enteignet Welt in ihr Welten, das die Dinge gönnt. Durch die Auf-Heiterung von Welt in ihren goldenen Glanz kommen zugleich Brot und Wein zu ihrem Erglänzen. Die großgenannten Dinge leuchten in der Einfalt ihres Dingens. Brot und Wein sind die Früchte des Himmels und der Erde, von den Göttlichen den Sterblichen geschenkt. Brot und Wein versammeln bei sich diese Vier aus dem Einfachen der Vierung. Die geheißenen Dinge, Brot und Wein, sind die einfachen, weil ihr Gebärden von Welt aus der Gunst der Welt unmittelbar erfüllt wird. Solche Dinge haben ihr Genüge darin, das Geviert der Welt bei sich weilen zu lassen. Die reine Helle der Welt und das einfache Erglänzen der Dinge durchmessen ihr Zwischen, den Unter-Schied.
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Die dritte Strophe ruft Welt und Dinge in die Mitte ihrer Innigkeit. Die Fuge ihres Zu-einander ist der Schmerz. Die dritte Strophe versammelt erst das Heißen der Dinge und das Heißen von Welt. Denn die dritte Strophe ruft ursprünglich aus der Einfalt des innigen Heißens, das den Unter-Schied ruft, indem sie ihn ungesprochen läßt. Das ursprüngliche Rufen, das die Innigkeit von Welt und Ding kommen heißt, ist das eigentliche Heißen. Dieses Heißen ist das Wesen des Sprechens. Im Gesprochenen des Gedichtes west das Sprechen. Es ist das Sprechen der Sprache. Die Sprache spricht. Sie spricht, indem sie das Geheißene, Ding-Welt und Welt-Ding, in das Zwischen des Unter-Schiedes kommen heißt. Was so geheißen wird, ist zur Ankunft aus dem Unter-Schied in diesen befohlen. Hier denken wir den alten Sinn von Befehlen, den wir noch kennen aus dem Wort: »Befiehl dem Herrn deine Wege«. Das Heißen der Sprache befiehlt ihr Geheißenes in solcher Weise dem Geheiß des Unter-Schiedes an. Der Unter-Schied läßt das Dingen des Dinges im Welten der Welt beruhen. Der Unter-Schied enteignet das Ding in die Ruhe des Gevierts. Solches Enteignen raubt dem Ding nichts. Es enthebt das Ding erst in sein Eigenes: daß es Welt verweilt. In die Ruhe bergen ist das Stillen. Der Unter-Schied stillt das Ding als Ding in die Welt. Solches Stillen ereignet sich jedoch nur in der Weise, daß zugleich das Geviert der Welt die Gebärde des Dinges erfüllt, insofern das Stillen dem Ding Genüge gönnt, Welt zu verweilen. Der Unter-Schied stillt zwiefach. Er stillt, indem er die Dinge in der Gunst von Welt beruhen läßt. Er stillt, indem er die Welt im Ding sich begnügen läßt. In dem zwiefachen Stillen des Unter-Schiedes ereignet sich: die Stille. Was ist Stille? Sie ist keineswegs nur das Lautlose. Darin
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verharrt lediglich das Reglose des Tönens und des Lautens. Aber das Reglose ist weder nur auf das Ver-lauten beschränkt als dessen Aufhebung, noch ist das Reglose selber schon das eigentlich Ruhende. Das Reglose bleibt stets gleichsam nur die Rückseite des Ruhenden. Das Reglose beruht selbst noch auf der Ruhe. Die Ruhe aber hat ihr Wesen darin, daß sie stillt. Als das Stillen der Stille ist die Ruhe, streng gedacht, stets bewegter denn alle Bewegung und immer regsamer als jede Regung. Zwiefach zumal stillt der Unter-Schied: die Dinge ins Dingen und die Welt ins Welten. So gestillt entweichen Ding und Welt dem Unter-Schied nie. Vielmehr retten sie ihn in das Stillen, als welches er selbst die Stille ist. Dinge und Welt in ihr Eigenes stillend, ruft der Unter-Schied Welt und Ding in die Mitte ihrer Innigkeit. Der Unter-Schied ist das Heißende. Der Unter-Schied versammelt aus sich die Zwei, indem er sie in den Riß ruft, der er selber ist. Das versammelnde Rufen ist das Läuten. Darin geschieht anderes als das bloße Verursachen und die bloße Verbreitung eines Schalls. Wenn der Unter-Schied Welt und Dinge in die Einfalt des Schmerzes der Innigkeit versammelt, heißt er die Zwei in ihr Wesen kommen. Der Unter-Schied ist das Geheiß, aus dem jedes Heißen selber erst gerufen wird, daß jedes dem Geheiß gehöre. Das Geheiß des Unter-Schiedes hat immer schon alles Heißen in sich versammelt. Das bei sich versammelte Rufen, das im Rufen zu sich sammelt, ist das Läuten als das Geläut. Das Rufen des Unter-Schiedes ist das zwiefache Stillen. Das gesammelte Heißen, das Geheiß, als welches der Unter-Schied Welt und Dinge ruft, ist das Geläut der Stille. Die Sprache spricht, indem das Geheiß des Unter-Schiedes Welt und Dinge in die Einfalt ihrer Innigkeit ruft.
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Die Sprache spricht als das Geläut der Stille.a Die Stille stillt, indem sie Welt und Dinge in ihr Wesen austrägt. Das Austragen von Welt und Ding in der Weise des Stillens ist das Ereignis des Unter-Schiedes. Die Sprache, das Geläut der Stille, ist, indem sich der Unter-Schied ereignet. Die Sprache west als der sich ereignende Unter-Schied für Welt und Dinge. Das Geläut der Stille ist nichts Menschliches. Wohl dagegen ist das Menschliche in seinem Wesen sprachlich.b Das jetzt genannte Wort »sprachlich« sagt hier: aus dem Sprechen der Sprache ereignet. Das so Ereignete, das Menschenwesen, ist durch die Sprache in sein Eigenes gebracht,* daß es dem Wesen der Sprache, dem Geläut der Stille, übereignet bleibt. Solches Ereignen ereignet sich, insofern das Wesen der Sprache, das Geläut der Stille, das Sprechen der Sterblichen braucht, um als Geläut der Stille für das Hören der Sterblichen zu verlauten. Nur insofern die Menschen in das Geläut der Stille gehören, vermögen die Sterblichen auf ihre Weise das verlautende Sprechen. Das sterbliche Sprechen ist nennendes Rufen, Kommen-Heißen von Ding und Welt aus der Einfalt des Unter-Schiedes. Das rein Geheißene des sterblichen Sprechens ist das Gesprochene des Gedichtes. Eigentliche Dichtung ist niemals nur eine höhere Weise (Melos) der Alltagssprache. Vielmehr ist umgekehrt das alltägliche Reden ein vergessenes und darum vernutztes Gedicht, aus dem kaum noch ein Rufen erklingt. Der Gegensatz zum rein Gesprochenen, zum Gedicht, ist nicht die Prosa. Reine Prosa ist nie »prosaisch«. Sie ist so dichterisch und darum so selten wie die Poesie. a b
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Heftet man die Aufmerksamkeit ausschließlich an das menschliche Sprechen, nimmt man dieses lediglich als die Verlautbarung des Inneren im Menschen, hält man das so vorgestellte Sprechen für die Sprache selbst, dann kann das Wesen der Sprache immer nur als Ausdrucka und Tätigkeit des Menschen erscheinen. Das menschliche Sprechen ruht aber als Sprechen der Sterblichen nicht in sich. Das Sprechen der Sterblichen beruht im Verhältnis zum Sprechen der Sprache. Zu seiner Zeit wird es unumgänglich, dem nachzudenken, wie sich im Sprechen der Sprache als dem Geläut der Stilleb des Unter-Schiedes das sterbliche Sprechen und seine Verlautbarung ereignet. Im Verlauten, sei dies Rede oder Schrift, ist die Stille gebrochen.c Woran bricht sich das Geläut der Stille? Wie gelangt die Stille als die gebrochene in das Lauten des Wortes? Wie prägt das gebrochene Stillen die sterbliche Rede, die in Versen und Sätzen erklingt?* Gesetzt, dem Denken glücke eines Tages, auf diese Fragen zu antworten, so muß es sich dennoch hüten, die Verlautbarung und gar den Ausdruck für das maßgebende Element des menschlichen Sprechens zu halten. Das Gefüge des menschlichen Sprechens kann nur die Weise (das Melos) sein, in die das Sprechen der Sprache, das Geläut der Stille des Unter-Schiedes, die Sterblichen durch das Geheiß des Unter-Schiedes vereignet. Die Weise, nach der die Sterblichen, aus dem Unter-
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〈Ausdruck〉 expression (Mallarme´)** 〈Geläut der Stille〉*** vgl. W. v. Humboldt, Über d[ie] Versch[iedenheit] über Laut und Artikulation.**** Alles im Bezirk der S-O-[Subjekt-Objekt]-Beziehung.
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-Schied in diesen gerufen, ihrerseits sprechen, ist: das Entsprechen. Das sterbliche Sprechen muß allem zuvor auf das Geheiß gehört haben, als welches die Stille des Unter-Schiedes Welt und Dinge in den Riß seiner Einfalt ruft. Jedes Wort des sterblichen Sprechens spricht aus solchem Gehör und als dieses. Die Sterblichen sprechen, insofern sie hören. Sie achten auf den heißenden Ruf der Stille des Unter-Schiedes, auch wenn sie ihn nicht kennen. Das Hören entnimmt dem Geheiß des Unter-Schiedes, was es ins lautende Wort bringt. Das hörend-entnehmende Sprechen ist Ent-sprechen.a Indem jedoch das sterbliche Sprechen sein Gesprochenes dem Geheiß des Unter-Schiedes entnimmt, ist es auf seine Weise schon dem Ruf gefolgt. Das Entsprechen ist als hörendes Entnehmen zugleich anerkennendes Entgegnen.* Die Sterblichen sprechen, insofern sie auf eine zwiefältige Weise, entnehmend-entgegnend, der Sprache entsprechen. Das sterbliche Wort spricht, insofern es in einem mehrfältigen Sinne ent-spricht. Jedes echte Hören hält mit dem eigenen Sagen an sich. Denn das Hören hält sich in das Gehören zurück, durch das es dem Geläut der Stille vereignet bleibt. Alles Entsprechen ist auf das an sich haltende Zurückhalten gestimmt. Darum muß solchem Zurückhalten daran liegen, hörend für das Geheiß des Unter-Schiedes sich bereit zu halten. Das Zurückhalten aber muß darauf achten, dem Geläut der Stille nicht nur erst nach-, sondern ihm sogar vor-zu-hören und darin seinem Geheiß gleichsam zuvorzukommen. Das Zuvorkommen in der Zurückhaltungb bestimmt die a b
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Ent-sagen 〈Zuvorkommen in der Zurückhaltung〉 Schritt zurück vgl. d[ie] Frage nach d[er] Techn[nik] und die Kehre**
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Weise, nach der die Sterblichen dem Unter-Schied entsprechen. Auf diese Weise wohnen die Sterblichen im Sprechen der Sprache. Die Sprache spricht. Ihr Sprechen heißt den Unter-Schied kommen, der Welt und Dinge in die Einfalt ihrer Innigkeit enteignet. Die Sprache spricht.a Der Mensch spricht, insofern er der Sprache entspricht. Das Entsprechen ist Hören. Es hört, insofern es dem Geheiß der Stille gehört. Nichts liegt daran, eine neue Ansicht über die Sprache vorzutragen. Alles beruht darin, das Wohnen im Sprechen der Sprache zu lernen. Dazu bedarf es der ständigen Prüfung, ob und inwieweit wir das Eigentliche des Entsprechens vermögen: das Zuvorkommen in der Zurückhaltung. Denn: Der Mensch spricht nur, indem er der Sprache entspricht. Die Sprache spricht. Ihr Sprechen spricht für uns im Gesprochenen: Ein Winterabend Wenn der Schnee ans Fenster fällt, Lang die Abendglocke läutet, Vielen ist der Tisch bereitet Und das Haus ist wohlbestellt. Mancher auf der Wanderschaft Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden. Golden blüht der Baum der Gnaden Aus der Erde kühlem Saft. a
das Sichverdanken*
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Wanderer tritt still herein; Schmerz versteinerte die Schwelle. Da erglänzt in reiner Helle Auf dem Tische Brot und Wein.
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Eine Erörterung von Georg Trakls Gedicht
rörtern meint hier zunächst: in den Ort weisen. Es heißt dann: den Ort beachten. Beides, das Weisen in den Ort und das Beachten des Ortes, sind die vorbereitenden Schritte einer Erörterung. Doch wagen wir schon genug, wenn wir uns im Folgenden mit den vorbereitenden Schritten begnügen. Die Erörterung endet, wie es einem Denkweg entspricht, in eine Frage. Sie frägt nach der Ortschaft des Ortes. Die Erörterung spricht von Georg Trakl nur in der Weise, daß sie den Ort seines Gedichtes bedenkt. Solches Vorgehen bleibt für das historisch, biographisch, psychoanalytisch, soziologisch an der nackten Expression interessierte Zeitalter eine offenkundige Einseitigkeit, wenn nicht gar ein Irrweg. Die Erörterung bedenkt den Ort. Ursprünglich bedeutet der Name »Ort« die Spitze des Speers. In ihr läuft alles zusammen. Der Ort versammelt zu sich ins Höchste und Äußerste. Das Versammelnde durchdringt und durchwest alles. Der Ort, das Versammelnde, holt zu sich ein, verwahrt das Eingeholte, aber nicht wie eine abschließende Kapsel, sondern so, daß er das Versammelte durchscheint und durchleuchtet und dadurch erst in sein Wesen entläßt. Jetzt gilt es, denjenigen Ort zu erörtern, der das dichtende Sagen Georg Trakls zu seinem Gedicht versammelt, den Ort seines Gedichtes.
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Jeder große Dichter dichtet nur aus einem einzigen Gedicht. Die Größe bemißt sich daraus, inwieweit er diesem Einzigen so anvertrauta wird, daß er es vermag, sein dichtendes Sagen rein darin zu halten. Das Gedicht eines Dichters bleibt ungesprochen. Keine der ein zelnen Dichtungen, auch nicht ihr Gesamt, sagt alles. Dennoch spricht jede Dichtung aus dem Ganzen des einen Gedichtes und sagt jedesmal dieses. Dem Ort des Gedichtes entquillt die Woge, die jeweils das Sagen als ein dichtendes bewegt. Die Woge verläßt jedoch den Ort des Gedichtes so wenig, daß ihr Entquellen vielmehr alles Bewegen der Sage in den stets verhüllteren Ursprung zurückfließen läßt. Der Ort des Gedichtes birgt als die Quelle der bewegenden Woge das verhüllte Wesen dessen, was dem metaphysisch-ästhetischen Vorstellen zunächst als Rhythmus erscheinen kann. Weil das einzige Gedicht im Ungesprochenen verbleibt, können wir seinen Ort nur auf die Weise erörtern, daß wir versuchen, vom Gesprochenen einzelner Dichtungen her in den Ort zu weisen. Doch hierfür bedarf jede einzelne Dichtung bereits einer Erläuterung. Sie bringt das Lautere, das alles dichterisch Gesagte durchglänzt, zu einem ersten Scheinen. Man sieht leicht, daß eine rechte Erläuterung schon die Erörterung voraussetzt. Nur aus dem Ort des Gedichtes leuchten und klingen die einzelnen Dichtungen. Umgekehrt braucht eine Erörterung des Gedichtes schon einen vor-läufigen Durchgang durch eine erste Erläuterung einzelner Dichtungen. In diesem Wechselbezug zwischen Erörterung und Erläuterung verharrt jede denkende Zwiesprache mit dem Gedicht eines Dichters. a
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〈anvertraut〉 Br. [Brauch] [?] DIE SPRACHE IM GEDICHT
Die eigentliche Zwiesprache mit dem Gedicht eines Dichters ist allein die dichtende: das dichterische Gespräch zwischen Dichtern. Möglich ist aber auch und zuzeiten sogar nötig eine Zwiesprache des Denkens mit dem Dichten, und zwar deshalb, weil beiden ein ausgezeichnetes, wenngleich je verschiedenes Verhältnis zur Sprache eignet. Das Gespräch des Denkens mit dem Dichten geht darauf, das Wesen der Sprache hervorzurufen, damit die Sterblichen wieder lernen, in der Sprache zu wohnen. Die Zwiesprache des Denkens mit dem Dichten ist lang. Sie hat kaum begonnen. Dem Gedicht Georg Trakls gegenüber bedarf sie einer besonderen Zurückhaltung. Die denkende Zwiesprache mit dem Dichten kann dem Gedicht nur mittelbar dienen. Darum steht sie in der Gefahr, das Sagen des Gedichtes eher zu stören, statt es aus seiner eigenen Ruhe singen zu lassen. Die Erörterung des Gedichtes ist eine denkende Zwiesprache mit dem Dichten. Sie stellt weder die Weltansicht eines Dichters dar, noch mustert sie seine Werkstatt. Eine Erörterung des Gedichtes kann vor allem nie das Hören der Dichtungen ersetzen, nicht einmal leiten. Die denkende Erörterung kann das Hören höchstens fragwürdig und im günstigsten Fall besinnlicher machen. Eingedenk dieser Beschränkungen versuchen wir zuerst, in den Ort des ungesprochenen Gedichtes zu weisen. Hierbei müssen wir von den gesprochenen Dichtungen ausgehen. Die Frage bleibt: von welchen? Daß jede der Traklschen Dichtungen, gleich unverwandt, wenn auch nicht gleichförmig, in den einen Ort des Gedichtes zeigt, bezeugt den einzigartigen Einklang seiner Dichtungen aus dem einen Grundton seines Gedichtes. Der jetzt versuchte Hinweis auf seinen Ort muß sich indessen mit einer Auswahl weniger Strophen, Verse und
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Sätze behelfen. Der Anschein ist unvermeidlich, daß wir dabei willkürlich verfahren. Die Auswahl ist jedoch von der Absicht geleitet, unsere Achtsamkeit fast wie durch einen Blicksprung an den Ort des Gedichtes zu bringen.
I Eine der Dichtungen sagt: Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden.
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Unversehens finden wir uns bei diesem Satz in einer geläufigen Vorstellung. Sie stellt uns die Erde als das Irdische im Sinne des Vergänglichen dar. Die Seele gilt dagegen als das Unvergängliche, Überirdische. Die Seele gehört seit Platons Lehre zum Übersinnlichen. Erscheint sie aber im Sinnlichen, dann ist sie dahin nur verschlagen. Hier »auf Erden« hat es mit ihr nicht den rechten Schlag. Sie gehört nicht auf die Erde. Die Seele ist hier »ein Fremdes«. Der Leib ist ein Gefängnis der Seele, wenn nicht gar Schlimmeres. So bleibt der Seele anscheinend keine andere Aussicht, als den Bereich des Sinnlichen, der, platonisch gesehen, das Nicht-wahrhaft-Seiende und nur Verwesende ist, möglichst bald zu verlassen. Doch wie merkwürdig! Der Satz: Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden. spricht aus einer Dichtung, die »Frühling der Seele« überschrieben ist (149 f.)1. Von einer überirdischen Heimat der 1
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Die Seitenzahlen beziehen sich auf den ersten Band, der im Otto
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unsterblichen Seele verlautet darin kein Wort. Wir werden nachdenklich und tun gut daran, auf die Sprache des Dichters zu achten. Die Seele: »ein Fremdes«. In anderen Dichtungen sagt Trakl oft und gern aus derselben Wortprägung: »ein Sterbliches« (55)*, »ein Dunkles« (78, 170, 177, 195), »ein Einsames« (78), »ein Abgelebtes« (101), »ein Krankes« (113, 171), »ein Menschliches« (114), »ein Bleiches« (138), »ein Totes« (171), »ein Schweigendes« (196). Diese Wortprägung hat, abgesehen von der Verschiedenheit ihres jeweiligen Inhaltes, nicht immer denselben Sinn. Ein »Einsames«, »ein Fremdes« könnte etwas Vereinzeltes meinen, das von Fall zu Fall »einsam«, das zufällig, nach einer besonderen und beschränkten Hinsicht »fremd« ist. »Fremdes« dieser Art läßt sich in die Gattung des Fremden überhaupt einordnen und dahin abstellen. So vorgestellt, wäre die Seele lediglich ein Fall des Fremden unter anderen Fällen. Doch was heißt »fremd«? Man versteht unter dem Fremdartigen gewöhnlich das Nichtvertraute, was nicht anspricht, solches, das eher lastet und beunruhigt. Allein,** »fremd«, althochdeutsch »fram«, bedeutet eigentlich: anderswohin vorwärts, unterwegs nach …, dem Voraufbehaltenen entgegen. Das Fremde wandert voraus. Doch es irrt nicht, bar jeder Bestimmung, ratlos umher. Das Fremde geht suchend auf den Ort zu, wo es als ein Wanderndes bleiben kann. »Fremdes« folgt schon, ihm selber kaum enthüllt, dem Ruf auf den Weg in sein Eigenes. Müller Verlag, Salzburg, erschienenen Trakl-Ausgabe, der »Die Dichtungen« enthält. Benutzt wurde die 6. Aufl. 1948. Eine »Erste Gesamtausgabe« der Dichtungen, von dem Freunde Karl Röck besorgt, erschien 1917 im Kurt Wolff Verlag, Leipzig. Eine Neuausgabe (mit einem Anhang Zeugnisse und Erinnerungen) besorgte K. Horwitz 1946 im Arche-Verlag Zürich.***
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Der Dichter nennt die Seele »ein Fremdes auf Erden«. Wohin ihr Wandern bisher noch nicht gelangen konnte, ist gerade die Erde. Die Seele sucht die Erde erst, flieht sie nicht. Wandernd die Erde zu suchen, daß sie auf ihr dichterisch bauen und wohnen und so erst die Erde als die Erde retten könne, erfüllt das Wesen der Seele. So ist denn die Seele keineswegs zunächst Seele und dazu noch aus irgendwelchen Gründen nicht auf die Erde gehörig. Der Satz: Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden. nennt vielmehr das Wesen dessen, was »Seele« heißt. Der Satz enthält keine Aussage über die im Wesen schon bekannte Seele, gleich als ob, in der Form einer Ergänzung, nur festgestellt werden sollte, der Seele sei das ihr Ungemäße und darum Befremdliche zugestoßen, auf der Erde weder Zuflucht noch Zuspruch zu finden. Die Seele ist dem entgegen als Seele im Grundzug ihres Wesens »ein Fremdes auf Erden«. So bleibt sie das Unterwegs und folgt wandernd dem Zug ihres Wesens. Indessen bedrängt uns die Frage: Wohin ist der Schritt dessen, was in dem erläuterten Sinne »ein Fremdes« ist, gerufen? Eine Strophe aus dem dritten Stück der Dichtung »Sebastian im Traum« (107) antwortet: O wie stille ein Gang den blauen Fluß hinab Vergessenes sinnend, da im grünen Geäst Die Drossel ein Fremdes in den Untergang rief.
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Die Seele ist in den Untergang gerufen. Also doch! Die Seele soll ihre irdische Wanderschaft beenden und die Erde verlassen. Davon ist in den genannten Versen nicht die
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Rede. Aber sie sprechen doch vom »Untergang«. Gewiß. Allein,* der hier genannte Untergang ist weder Katastrophe, noch ist er das bloße Wegschwinden in den Verfall. Was den blauen Fluß hinab untergeht, Das geht in Ruh und Schweigen unter. »Verklärter Herbst« (34)
In welche Ruh? In die des Toten. Aber welches Toten? Und in welches Schweigen? Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden. Der Vers, in den dieser Satz gehört, fährt fort: … Geistlich dämmert Bläue über dem verhauenen Wald … Vordem ist die Sonne genannt. Der Schritt des Fremden geht in die Dämmerung fort. »Dämmern« bedeutet zunächst das Dunkelwerden. »Bläue dämmert«. Verdunkelt sich das Blaue des sonnigen Tages? Verschwindet es am Abend zugunsten der Nacht? »Dämmerung« ist jedoch kein bloßes Untergehen des Tages als Verfall seiner Helle in die Finsternis. Dämmerung meint überhaupt nicht notwendig Untergang. Auch der Morgen dämmert. Mit ihm geht der Tag auf. Dämmerung ist zugleich Aufgehen. Bläue dämmert über dem »verhauenen«, über dem sperrigen, zusammengesunkenen Wald. Die Bläue der Nacht geht auf am Abend. »Geistlich« dämmert die Bläue. Das »Geistliche« kennzeichnet die Dämmerung. Was dieses mehrfach genannte »Geistliche« meint, werden wir bedenken müssen. Die
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Dämmerung ist die Neige des Sonnenganges. Darin liegt: Die Dämmerung ist sowohl die Neige des Tages als auch die Neige des Jahres. Die letzte Strophe einer Dichtung, die »Sommersneige« (169) überschrieben ist, singt: Der grüne Sommer ist so leise Geworden und es läutet der Schritt Des Fremdlings durch die silberne Nacht. Gedächte ein blaues Wild seines Pfads, Des Wohllauts seiner geistlichen Jahre! Immer kehrt in Trakls Dichtung dieses »so leise« wieder. Wir meinen, »leise« bedeute nur: kaum merklich für das Ohr. In dieser Bedeutung wird das Genannte auf unser Vorstellen bezogen. Aber »leise« heißt: langsam; gelisian heißt »gleiten«. Das Leise ist das Entgleitende. Der Sommer entgleitet in den Herbst, den Abend des Jahres. … und es läutet der Schritt Des Fremdlings durch die silberne Nacht. Wer ist dieser Fremdling? Wessen Pfade sind es, deren »ein blaues Wild« gedenken möchte? Gedenken heißt: »Vergessenes sinnen«, … da im grünen Geäst Die Drossel ein Fremdes in den Untergang rief. (vgl. 107, 34)*
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Inwiefern soll »ein blaues Wild« (vgl. 99, 146) dem Untergehenden nachdenken? Empfängt das Wild sein Blaues aus jener »Bläue«, die »geistlich dämmert« und als die Nacht auf geht? Zwar ist die Nacht dunkel. Aber das Dunkle ist
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nicht notwendig Finsternis. In einer anderen Dichtung (139) wird die Nacht mit den Worten angerufen: O, das sanfte Zyanenbündel der Nacht. Ein Bündel von Kornblumen ist die Nacht, ein sanftes. Demgemäß heißt das blaue Wild auch das »scheue Wild« (104), das »sanfte Tier« (97). Das Bündel aus Bläue versammelt im Grunde seines Gebindes die Tiefe des Heiligen. Aus der Bläue leuchtet, aber zugleich durch ihr eigenes Dunkel sich verhüllend, das Heilige. Dieses verhält, während es sich entzieht. Es verschenkt seine Ankunft, indem es sich in den verhaltenden Entzug verwahrt. Die ins Dunkel geborgene Helle ist die Bläue. Hell, d. h. hallend, ist ursprünglich der Ton, der aus dem Bergenden der Stille ruft und also sich lichtet. Die Bläue hallt in ihrer Helle, indem sie läutet. In ihrer hallenden Helle leuchtet das Dunkel der Bläue. Die Schritte des Fremdlings läuten durch das silbern Glänzende-Klingende der Nacht. Eine andere Dichtung (104) singt: Und in heiliger Bläue läuten leuchtende Schritte fort. Anderswo (110) heißt es von der Bläue: … das Heilige blauer Blumen … rührt den Schauenden. Eine andere Dichtung sagt (85): … Ein Tiergesicht Erstarrt vor Bläue, ihrer Heiligkeit.
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Das Blau ist kein Bild für den Sinn des Heiligen. Die Bläue selber ist ob ihrer versammelnden, in der Verhüllung erst scheinenden Tiefe das Heilige. Angesichts der Bläue und zugleich durch lauter Bläue zum Ansichhalten gebracht, erstarrt das Tiergesicht und wandelt sich in das Antlitz des Wilds. Die Starre des Tiergesichtes ist nicht die des Abgestorbenen. Im Erstarren fährt das Gesicht des Tieres zusammen. Sein Aussehen sammelt sich, um, an sich haltend, dem Heiligen entgegen in den »Spiegel der Wahrheit« (85) zu schauen. Anschauen sagt: eingehen in das Schweigen. Gewaltig ist das Schweigen im Stein. lautet der unmittelbar folgende Vers. Der Stein ist das Ge-birge des Schmerzes. Das Gestein versammelt bergend im Steinernen das Besänftigende, als welches der Schmerz ins Wesenhafte stillt. »Vor Bläue« schweigt der Schmerz. Das Antlitz des Wilds nimmt sich angesichts der Bläue in das Sanfte zurück. Denn das Sanfte ist dem Wort nach das friedlich Sammelnde. Es verwandelt die Zwietracht, indem es das Versehrende und Sengende der Wildnis in den beruhigten Schmerz verwindet. Wer ist das blaue Wild, dem der Dichter zuruft, es möchte doch des Fremdlings gedenken? Ein Tier? Gewiß. Und nur ein Tier? Keineswegs. Denn es soll gedenken. Sein Gesicht soll ausschauen nach … und hinschauen auf den Fremdling. Das blaue Wild ist ein Tier, dessen Tierheit vermutlich nicht im Tierischen, sondern in jenem schauenden Gedenken beruht, nach dem der Dichter ruft. Diese Tierheit ist noch fern und kaum zu erblicken. So schwankt denn die Tierheit des hier gemeinten Tieres im Unbestimmten. Sie ist noch nicht in ihr Wesen eingebracht. Die-
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ses Tier, nämlich das denkende, das animal rationale, der Mensch, ist nach einem Wort Nietzsches noch nicht fest gestellt. Diese Aussage meint keineswegs, der Mensch sei noch nicht als Tatsache »konstatiert«. Er ist es nur allzu entschieden. Das Wort meint: Die Tierheit dieses Tieres ist noch nicht ins Feste, d. h. »nach Haus«, in das Einheimische ihres verhüllten Wesens gebracht. Um diese Feststellung ringt die abendländisch-europäische Metaphysik seit Platon. Vielleicht ringt sie vergebens. Vielleicht ist ihr der Weg in das »Unterwegs« noch verlegt. Das in seinem Wesen noch nicht fest-gestellte Tier ist der jetzige Mensch. Im dichtenden Namen »blaues Wild« ruft Trakl jenes Menschenwesen, dessen Antlitz, d. h. Gegenblick, im Denken an die Schritte des Fremdlings von der Bläue der Nacht er-blickt und so vom Heiligen beschienen wird. Der Name »blaues Wild« nennt Sterbliche, die des Fremdlings gedenken und mit ihm das Einheimische des Menschenwesens erwandern möchten. Wer sind sie, die solche Wanderschaft beginnen? Vermutlich sind es Wenige und Unbekannte, wenn anders das Wesenhafte sich in der Stille und jäh und selten ereignet. Der Dichter nennt solche Wanderer in der Dichtung »Ein Winterabend« (126), deren zweite Strophe beginnt: Mancher auf der Wanderschaft Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden. Das blaue Wild hat, wo und wann es west, die bisherige Wesensgestalt des Menschen verlassen. Der bisherige Mensch verfällt, insofern er sein Wesen verliert, d. h., er* verwest.
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»Siebengesang des Todes« nennt Trakl eine seiner Dichtungen. Sieben ist die heilige Zahl. Das Heilige des Todes singt der Gesang. Der Tod wird hier nicht unbestimmt und im allgemeinen als Beendigung irdischen Lebens vorgestellt. »Der Tod« meint dichterisch jenen »Untergang«, in den »ein Fremdes« gerufen ist. Darum heißt das so gerufene Fremde auch (146) »ein Totes«. Sein Tod ist nicht die Verwesung, sondern das Verlassen der verwesten Gestalt des Menschen. So sagt denn die vorletzte Strophe der Dichtung »Siebengesang des Todes« (142): O des Menschen verweste Gestalt: gefügt aus kalten Metallen, Nacht und Schrecken versunkener Wälder Und der sengenden Wildnis des Tiers; Windesstille der Seele. [47]
Die verweste Gestalt des Menschen ist der Marter des Sengenden und dem Stechenden des Dorns ausgeliefert. Ihre Wildheit ist nicht durchschienen von der Bläue. Die Seele dieser Menschengestalt steht nicht im Wind des Heiligen. Sie ist deshalb ohne Fahrt. Der Wind selber, Gottes Wind, bleibt darum einsam. Eine Dichtung, die das blaue Wild nennt, das sich jedoch kaum erst aus dem »Dornengestrüpp« lösen kann, schließt mit den Versen (99): Immer tönt An schwarzen Mauern Gottes einsamer Wind. »Immer«, dies meint: solange das Jahr und sein Sonnengang noch im Düsteren des Winters verharrt und niemand des Pfades gedenkt, auf dem der Fremdling »läutenden Schrittes« die Nacht durchschreitet. Diese Nacht ist selbst
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nur die bergende Verhüllung des Sonnenganges. »Gehen«, ÆieÂnai, heißt indogermanisch: ier-, das Jahr. Gedächte ein blaues Wild seines Pfads, Des Wohllauts seiner geistlichen Jahre! (169)* Das Geistliche der Jahre wird aus der geistlich dämmernden Bläue der Nacht bestimmt. … O, wie ernst ist das hyazinthene Antlitz der Dämmerung. »Unterwegs« (102)
Die geistliche Dämmerung ist so wesentlichen Wesens, daß der Dichter eigens eine der Dichtungen mit dem Wort »Geistliche Dämmerung« überschreibt (137). Auch in ihr begegnet das Wild, aber ein dunkles. Sein Wildes hat zumal den Zug ins Finstere und die Neige zur stillen Bläue. Indessen befährt der Dichter selbst »auf schwarzer Wolke« den »nächtigen Weiher, den Sternenhimmel«. Die Dichtung lautet: Geistliche Dämmerung Stille begegnet am Saum des Waldes Ein dunkles Wild; Am Hügel endet leise der Abendwind, Verstummt die Klage der Amsel, Und die sanften Flöten des Herbstes Schweigen im Rohr.
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Auf schwarzer Wolke Befährst du trunken von Mohn den nächtigen Weiher, Den Sternenhimmel. Immer tönt der Schwester mondene Stimme Durch die geistliche Nacht.
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Der Sternenhimmel ist im dichterischen Bild des nächtigen Weihers dargestellt. So meint es unser gewöhnliches Vorstellen. Aber der nächtliche Himmel ist in der Wahrheit seines Wesens dieser Weiher. Dagegen bleibt, was wir sonst die Nacht nennen, eher nur ein Bild, nämlich das verblaßte und entleerte Nachbild ihres Wesens. Oft kehrt im Gedicht des Dichters der Weiher wieder und der Weiherspiegel. Die bald schwarzen, bald blauen Wasser zeigen dem Menschen sein eigenes Antlitz, seinen Gegenblick. Im nächtigen Weiher des Sternenhimmels aber erscheint die dämmernde Bläue der geistlichen Nacht. Ihr Glanz ist kühl. Das kühle Licht entstammt dem Scheinen der Möndin (selaÂnna). Rings um ihr Leuchten verblassen und erkühlen sogar, wie altgriechische Verse sagen, die Sterne. Alles wird »monden«. Der die Nacht durchschreitende Fremde heißt »der Mondene« (134). Die »mondene Stimme« der Schwester, die immer durch die geistliche Nacht tönt, hört der Bruder dann, wenn er in seinem Kahn, der noch ein »schwarzer« ist und kaum beglänzt vom Goldenen des Fremdlings, diesem auf nächtiger Weiherfahrt zu folgen versucht. Wenn Sterbliche dem in den Untergang gerufenen »Fremden«, d. h. jetzt dem Fremdling, nachwandern, gelangen sie selber ins Fremde, werden sie selbst Fremdlinge und Einsame (64, 87 u. a.). Durch die Fahrt auf dem nächtigen Sternenweiher, das
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ist der Himmel über der Erde, er-fährt die Seele die Erde erst als Erde in ihrem »kühlen Saft« (126). Die Seele entgleitet in die abendlich dämmernde Bläue des geistlichen Jahres. Sie wird zur »Herbstseele« und als diese wird sie zur »blauen Seele«. Die wenigen jetzt genannten Strophen und Verse weisen in die geistliche Dämmerung, führen auf den Pfad des Fremdlings, zeigen Art und Fahrt derer, die, seiner gedenkend, ihm in den Untergang folgen. Zur Zeit der »Sommersneige« wird das Fremde in seinem Wandern herbstlich und dunkel. »Herbstseele« nennt Trakl eine Dichtung, deren vorletzte Strophe singt (124): Bald entgleitet Fisch und Wild. Blaue Seele, dunkles Wandern Schied uns bald von Lieben, Andern. Abend wechselt Sinn und Bild. Die Wanderer, die dem Fremdling folgen, sehen sich alsbald geschieden »von Lieben«, die für sie »Andere« sind. Die Anderen – das ist der Schlag der verwesten Gestalt des Menschen. Unsere Sprache nennt das aus einem Schlag geprägte und in diesen Schlag verschlagene Menschenwesen das »Geschlecht«. Das Wort bedeutet sowohl das Menschengeschlecht im Sinne der Menschheit, als auch die Geschlechter im Sinne der Stämme, Sippen und Familien, dies alles wiederum geprägt in das Zwiefache der Geschlechter. Das Geschlecht der »verwesten Gestalt« des Menschen nennt der Dichter das »verwesende« Geschlecht (186). Es ist aus der Art seines Wesens herausgesetzt und darum das »entsetzte« (162) Geschlecht.
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Womit ist dieses Geschlecht geschlagen, d. h. verflucht? Fluch heißt griechisch plhghÂ, unser Wort »Schlag«. Der Fluch des verwesenden Geschlechtes besteht darin, daß dieses alte Geschlecht in die Zwietracht der Geschlechter auseinandergeschlagen ist. Aus ihr trachtet jedes der Geschlechter in den losgelassenen Aufruhr der je vereinzelten und bloßen Wildheit des Wildes. Nicht das Zwiefache als solches, sondern die Zwietracht ist der Fluch. Sie trägt aus dem Aufruhr der blinden Wildheit das Geschlecht in die Entzweiung und verschlägt es so in die losgelassene Vereinzelung. Also entzweit und zerschlagen, vermag das »verfallene Geschlecht« von sich aus nicht mehr in den rechten Schlag zu finden. Den rechten Schlag aber hat es nur mit jenem Geschlecht, dessen Zwiefaches aus der Zwietracht weg in die Sanftmut einer einfältigen Zwiefalt vorauswandert, d. h. ein »Fremdes« ist und dabei dem Fremdling folgt. Im Verhältnis zu jenem Fremdling bleiben alle Nachkommen des verwesenden Geschlechtes die Anderen. Gleichwohl hängt an ihnen die Liebe und die Verehrung. Das dunkle Wandern im Gefolge des Fremdlings geleitet jedoch in die Bläue seiner Nacht. Die wandernde Seele wird zur »blauen Seele«. Aber zugleich wird sie geschieden. Wohin? Dorthin, wo jener Fremdling geht, der bisweilen dichterisch nur mit dem hinweisenden Wort »Jener« genannt wird. »Jener« lautet in der alten Sprache »ener« und bedeutet der »andere«. »Enert dem Bach« ist die andere Seite des Baches. »Jener«, der Fremdling, ist der Andere zu den Anderen, nämlich zum verwesenden Geschlecht. Jener ist der von den Anderen Hinweg- und Abgerufene. Der Fremdling ist der Ab-geschiedene. Wohin ist ein solches, was in sich das Wesen des Frem-
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den, d. h. das Voraus-Wandern übernimmt, gewiesen? Wohin ist ein Fremdes gerufen? In den Untergang. Er ist das Sichverlieren in die geistliche Dämmerung der Bläue. Er geschieht aus der Neige zum geistlichen Jahr. Wenn solche Neige durch das Zerstörende des nahenden Winters, des Novembers, hindurch muß, dann bedeutet jenes Sichverlieren gleichwohl nicht das Wegfallen in das Haltlose und in die Vernichtung. Sich verlieren besagt vielmehr nach dem Wortsinn: sich loslösen und langsam entgleiten. Der Sichverlierende entschwindet zwar in der, aber keineswegs in die Novemberzerstörung. Er gleitet, durch sie hindurch, weg in die geistliche Dämmerung der Bläue, »zur Vesper«, d. h. gegen den Abend. Zur Vesper verliert sich der Fremdling in schwarzer Novemberzerstörung, Unter morschem Geäst, an Mauern voll Aussatz hin, Wo vordem der heilige Bruder gegangen, Versunken in das sanfte Saitenspiel seines Wahnsinns. »Helian« (87)
Der Abend ist die Neige der Tage der geistlichen Jahre. Der Abend vollbringt einen Wechsel. Der Abend, der sich dem Geistlichen zuneigt, gibt anderes zu schauen, anderes zu sinnen. Abend wechselt Sinn und Bild. (124)* Das Scheinende, dessen Anblicke (Bilder) die Dichter sagen, erscheint durch diesen Abend anders. Das Wesende, dessen Unsichtbarem die Denker nachsinnen, kommt durch diesen Abend zu anderem Wort. Der Abend verwandelt aus anderem Bild und anderem Sinn die Sage des
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Dichtens und Denkens und ihre Zwiesprache. Dies vermag der Abend jedoch nur deshalb, weil er selbst wechselt. Der Tag geht durch ihn zu einer Neige, die kein Ende ist, sondern einzig geneigt, jenen Untergang zu bereiten, durch den der Fremdling in den Beginn seiner Wanderschaft eingeht. Der Abend wechselt sein eigenes Bild und seinen eigenen Sinn. In diesem Wechsel verbirgt sich ein Abschied vom bisherigen Walten der Tages- und Jahreszeiten. Doch wohin geleitet der Abend das dunkle Wandern der blauen Seele? Dorthin, wo alles anders zusammengekommen, geborgen und für einen anderen Aufgang verwahrt ist. Die bisher genannten Strophen und Verse weisen uns in eine Versammlung, d. h. an einen Ort. Welcher Art ist dieser Ort? Wie sollen wir ihn benennen? Doch wohl aus der Anmessung an die Sprache des Dichters. Alles Sagen der Dichtungen Georg Trakls bleibt auf den wandernden Fremdling versammelt. Er ist und er heißt »der Abgeschiedene« (177). Durch ihn hindurch und um ihn her ist das dichtende Sagen auf einen einzigen Gesang gestimmt. Weil die Dichtungen dieses Dichters in das Lied des Abgeschiedenen versammelt sind, nennen wir den Ort seines Gedichtes die Abgeschiedenheit. Die Erörterung muß jetzt durch einen zweiten Schritt versuchen, den bisher nur angezeigten Ort deutlicher in die Acht zu nehmen.
II Läßt sich die Abgeschiedenheit noch eigens, und zwar als der Ort des Gedichtes, in den besinnlichen Blick heben? Wenn überhaupt, dann nur so, daß wir jetzt helleren
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Auges dem Pfad des Fremdlings folgen und fragen: Wer ist der Abgeschiedene? Welches ist die Landschaft seiner Pfade? Sie verlaufen durch die Bläue der Nacht. Das Licht, aus dem seine Schritte leuchten, ist kühl. Das Schlußwort einer Dichtung, die eigens dem »Abgeschiedenen« gilt, nennt »die mon denen Pfade der Abgeschiedenen« (178). Uns heißen die Abgeschiedenen auch die Toten. Aber in welchen Tod ist der Fremdling gestorben? In der Dichtung »Psalm« (63)* sagt Trakl: Der Wahnsinnige ist gestorben. Die folgende Strophe sagt: Man begräbt den Fremden. Im »Siebengesang des Todes« heißt er der »weiße Fremdling«. Die letzte Strophe der Dichtung »Psalm« sagt: In seinem Grab spielt der weiße Magier mit seinen Schlangen. (65)** Der Gestorbene lebt in seinem Grab. Er lebt in seiner Kammer so still und versonnen, daß er mit seinen Schlangen spielt. Sie vermögen nichts gegen ihn. Sie sind nicht erwürgt, aber ihr Böses ist verwandelt. Dagegen heißt es in der Dichtung »Die Verfluchten« (120): Ein Nest von scharlachfarbnen Schlangen bäumt Sich träg in ihrem aufgewühlten Schoß. (vgl. 161, 164)
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Der Gestorbene ist der Wahnsinnige. Meint dies einen Geisteskranken? Nein. Wahnsinn bedeutet nicht das Sinnen, das Unsinniges wähnt. »Wahn« gehört zum althochdeutschen wana und bedeutet: ohne. Der Wahnsinnige sinnt, und er sinnt sogar wie keiner sonst. Aber er bleibt dabei ohne den Sinn der Anderen. Er ist anderen Sinnes. »Sinnan« bedeutet ursprünglich: reisen, streben nach …, eine Richtung einschlagen; die indogermanische Wurzel sent und set bedeutet Weg. Der Abgeschiedene ist der Wahnsinnige, weil er anderswohin unterwegs ist. Von dorther darf sein Wahnsinn ein »sanfter« heißen; denn er sinnt Stillerem nach. Eine Dichtung, die vom Fremdling einfach als von »Jenem«, dem Anderen, spricht, singt: Jener aber ging die steinernen Stufen des Mönchsbergs hinab, Ein blaues Lächeln im Antlitz und seltsam verpuppt In seine stillere Kindheit und starb;
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Die Dichtung trägt die Überschrift »An einen Frühverstorbenen« (135). Der Abgeschiedene ist in die Frühe hinweggestorben. Darum ist er »der zarte Leichnam« (105, 146 u. a.), eingehüllt in jene Kindheit, die alles nur Brennende und Sengende der Wildnis stiller verwahrt. So erscheint der in die Frühe Verstorbene als »die dunkle Gestalt der Kühle«. Von ihr singt die Dichtung des Titels »Am Mönchsberg« (113): Immer folgt dem Wandrer die dunkle Gestalt der Kühle Über knöchernen Steg, die hyazinthene Stimme des Knaben, Leise sagend die vergessene Legende des Walds, …
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»Die dunkle Gestalt der Kühle« folgt dem Wanderer nicht nach. Sie geht ihm voraus, insofern die blaue Stimme des Knaben Vergessenes zurückholt und es vorsagt. Wer ist dieser in die Frühe hinweggestorbene Knabe? Wer ist dieser Knabe, dessen … Stirne leise blutet Uralte Legenden Und dunkle Deutung des Vogelflugs (97)? Wer ist dieser über knöchernen Steg Gegangene? Der Dichter ruft ihn an mit dem Wort: O, wie lange bist, Elis, du verstorben. Elis ist der in den Untergang gerufene Fremdling. Elis ist keineswegs eine Gestalt, mit der Trakl sich selber meint. Elis ist so wesenhaft vom Dichter unterschieden wie vom Denker Nietzsche die Gestalt Zarathustras. Aber beide Gestalten kommen darin überein, daß ihr Wesen und Wandern mit dem Untergang beginnt. Elis’ Untergang geht in die uralte Frühe, die älter ist denn das altgewordene verwesende Geschlecht, älter, weil sinnender, sinnender, weil stiller, stiller, weil selbst stillender. In der Gestalt des Knaben Elis beruht das Knabenhafte nicht in einem Gegensatz zum Mädchenhaften. Das Knabenhafte ist die Erscheinung der stilleren Kindheit. Diese birgt und spart in sich die sanfte Zwiefalt der Geschlechter, des Jünglings sowohl wie der »goldenen Gestalt der Jünglingin« (179). Elis ist kein Toter, der im Späten des Abgelebten verwest. Elis ist der Tote, der in die Frühe entwest. Dieser Fremdling entfaltet das Menschenwesen voraus in den An-
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beginn dessen, was noch nicht zum Tragen (althochdeutsch giberan) gekommen. Jenes ruhendere und darum stillendere Unausgetragene im Wesen der Sterblichen nennt der Dichter das Ungeborene. Der in die Frühe verstorbene Fremdling ist der Ungeborene. Die Namen »ein Ungeborenes« und »ein Fremdes« sagen dasselbe. In der Dichtung »Heiterer Frühling« steht der Vers (26): Und Ungebornes pflegt der eignen Ruh. Es hütet und wahrt die stillere Kindheit in das kommende Erwachen des Menschengeschlechtes. Also ruhend lebt der Frühverstorbene. Der Abgeschiedene ist nicht der Abgestorbene im Sinne des Abgelebten. Im Gegenteil. Der Abgeschiedene schaut in die Bläue der geistlichen Nacht voraus. Die weißen Lider, die sein Schauen behüten, erglänzen im bräutlichen Schmuck (150), der die sanftere Zwiefalt des Geschlechtes verspricht. Stille blüht die Myrthe über den weißen Lidern des Toten. Dieser Vers gehört in dieselbe Dichtung, die sagt: Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden.
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Beide Sätze stehen in unmittelbarer Nachbarschaft. Der »Tote« ist der Abgeschiedene, der Fremde, der Ungeborene. Aber noch geht … des Ungeborenen Pfad an finsteren Dörfern, einsamen Sommern hin. »Stundenlied« (101)
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Sein Weg führt an dem, was ihn nicht als Gast einläßt, vorbei, aber schon nicht mehr hindurch. Zwar ist auch die Fahrt des Abgeschiedenen einsam, dies jedoch aus der Einsamkeit »des nächtigen Weihers, des Sternenhimmels«. Der Wahnsinnige befährt diesen Weiher nicht auf »schwarzer Wolke«, sondern auf goldenem Kahn. Wie ist es mit dem Goldenen? Die Dichtung »Winkel im Wald« (33) antwortet durch den Vers: Auch zeigt sich sanftem Wahnsinn oft das Goldne, Wahre. Der Pfad des Fremdlings führt durch die »geistlichen Jahre«, deren Tage überall in den wahren Anbeginn gelenkt, von dorther regiert, d. h. recht sind. Das Jahr seiner Seele ist in das Rechte versammelt. O ! wie gerecht sind, Elis, alle deine Tage. singt die Dichtung »Elis« (98). Dieser Ruf ist nur das Echo zum anderen, schon gehörten: O, wie lange bist, Elis, du verstorben. Die Frühe, in die der Fremdling verstorben, birgt das Wesensgerechte des Ungeborenen. Diese Frühe ist eine Zeit eigener Art, die Zeit der »geistlichen Jahre«. Trakl hat eine seiner Dichtungen schlicht mit dem Wort »Jahr« überschrieben (170). Sie beginnt: »Dunkle Stille der Kindheit«. Ihr gegenüber ist die hellere, weil noch stillere und darum andere Kindheit die Frühe, in die der Abgeschiedene untergegangen. Die stillere Kindheit nennt der Schlußvers derselben Dichtung den Anbeginn:
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Goldenes Auge des Anbeginns, dunkle Geduld des Endes. [57]
Das Ende ist hier nicht die Folge und das Verklingen des Anbeginns. Das Ende geht, nämlich als das Ende des verwesenden Geschlechtes, dem Anbeginn des ungeborenen Geschlechtes vorauf. Der Anbeginn hat jedoch als die frühere Frühe das Ende schon überholt. Diese Frühe verwahrt das immer noch verhüllte ursprüngliche Wesen der Zeit. Es bleibt dem herrschenden Denken auch fernerhin verschlossen, solange die seit Aristoteles überall noch maßgebende Vorstellung von der Zeit in Geltung bleibt. Darnach ist die Zeit, mag man sie mechanisch oder dynamisch oder vom Atomzerfall her vorstellen, die Dimension der quantitativen oder qualitativen Berechnung der Dauer, die im Nacheinander abläuft. Aber die wahre Zeit ist Ankunft des Gewesenen. Dieses ist nicht das Vergangene, sondern die Versammlung des Wesenden, die aller Ankunft voraufgeht, indem sie als solche Versammlung sich in ihr je Früheres zurückbirgt. Dem Ende und seiner Vollendung entspricht »dunkle Geduld«. Sie trägt Verborgenes seiner Wahrheit entgegen. Ihr Ertragen trägt alles dem Untergang in die Bläue der geistlichen Nacht zu. Dem Anbeginn jedoch entspricht ein Blicken und Sinnen, das golden leuchtet, weil es vom »Goldnen, Wahren« beschienen ist. Dieses spiegelt sich im Sternenweiher der Nacht, wenn Elis ihr auf seiner Fahrt das Herz öffnet (98): Ein goldener Kahn Schaukelt, Elis, dein Herz am einsamen Himmel. Der Kahn des Fremdlings schwankt, aber spielend, nicht
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»ängstlich« (200) wie der Kahn jener Nachfahren der Frühe, die erst dem Fremdling nur folgen. Ihr Kahn gelangt noch nicht auf die Höhe des Weiherspiegels. Er versinkt. Aber wo? Im Verfall? Nein. Und wohin? In das leere Nichts? Keineswegs. Eine der letzten Dichtungen, »Klage« (200), endet mit den Versen: Schwester stürmischer Schwermut Sieh ein ängstlicher Kahn versinkt Unter Sternen, Dem schweigenden Antlitz der Nacht.
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Was birgt dieses aus dem Glanz der Sterne entgegenblikkende Schweigen der Nacht? Wohin gehört es mit dieser selbst? Zur Abgeschiedenheit. Diese erschöpft sich nicht in einem bloßen Zustand, dem des Verstorbenseins, worin der Knabe Elis lebt. Zur Abgeschiedenheit gehört die Frühe der stilleren Kindheit, gehört die blaue Nacht, gehören die nächtigen Pfade des Fremdlings, gehört der nächtliche Flügelschlag der Seele, gehört schon die Dämmerung als das Tor zum Untergang. Die Abgeschiedenheit versammelt dieses Zusammengehörende, aber nicht nachträglich, sondern so, daß sie sich in seine schon waltende Versammlung entfaltet. Die Dämmerung, die Nacht, die Jahre des Fremdlings, seine Pfade nennt der Dichter »geistlich«. Die Abgeschiedenheit ist »geistlich«. Was meint dieses Wort? Seine Bedeutung und ihr Gebrauch sind alt. »Geistlich« heißt, was im Sinne des Geistes ist, ihm entstammt und seinem Wesen folgt. Der heute geläufige Sprachgebrauch hat das »Geistliche« auf die Beziehung zu den »Geistlichen«, zum geistlichen Stand der Priester und ihrer Kirche eingeschränkt.
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Auch Trakl scheint, wenigstens für das flüchtige Ohr, diesen Bezug zu meinen, wenn die Dichtung »In Hellbrunn« (191) sagt: … So geistlich ergrünen Die Eichen über den vergessenen Pfaden der Toten,
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Vorher sind »die Schatten der Kirchenfürsten, edler Frauen« genannt, »die Schatten lange Verstorbener«, die über den »Frühlingsweiher« zu schweben scheinen. Aber der Dichter, der hier »wieder die blaue Klage des Abends« singt, denkt nicht an die »Geistlichkeit«, wenn ihm die Eichen »so geistlich er grünen«. Er denkt an die Frühe des lang Verstorbenen, die den »Frühling der Seele« verspricht. Nichts anderes singt auch die zeitlich frühere Dichtung »Geistliches Lied« (20), wenngleich noch verhüllter und suchender. Der Geist dieses »Geistlichen Liedes«, das in einer seltsamen Zweideutigkeit spielt, kommt durch die letzte Strophe deutlicher ins Wort: Bettler dort am alten Stein Scheint verstorben im Gebet, Sanft ein Hirt vom Hügel geht Und ein Engel singt im Hain, Nah im Hain Kinder in den Schlaf hinein. Aber der Dichter könnte doch, wenn er schon nicht das »Geistliche« der Geistlichkeit meint, das, was in der Beziehung zum Geist steht, schlecht und recht das »Geistige« nennen und von der geistigen Dämmerung, der geistigen Nacht sprechen. Warum vermeidet er das Wort »geistig«? Weil das »Geistige« den Gegensatz zum Stofflichen nennt.
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Dieser stellt die Verschiedenheit zweier Bereiche vor und nennt, platonisch-abendländisch gesprochen, die Kluft zwischen dem Übersinnlichen (nohtoÂn) und dem Sinnlichen (aiÆsûhtoÂn). Das so verstandene Geistige, das inzwischen zum Rationalen, Intellektuellen und Ideologischen geworden ist, gehört samt seinen Gegensätzen zur Weltansicht des verwesenden Geschlechtes. Von diesem scheidet sich aber das »dunkle Wandern« der »blauen Seele«. Die Dämmerung zur Nacht, in die das Fremde untergeht, kann so wenig wie der Pfad des Fremdlings »geistig« genannt werden. Die Abgeschiedenheit ist geistlich, vom Geist bestimmt, aber gleichwohl nicht »geistig« im metaphysischen Sinne. Doch was ist der Geist? Trakl spricht in seiner letzten Dichtung »Grodek« von der »heißen Flamme des Geistes« (201). Der Geist ist das Flammende und erst als dieses vielleicht ein Wehen des. Trakl versteht den Geist nicht zuerst als Pneuma, nicht spirituell, sondern als Flamme, die entflammt, aufjagt, entsetzt, außer Fassung bringt. Das Flammen ist das erglühende Leuchten. Das Flammende ist das Außer-sich, das lichtet und erglänzen läßt, das indessen auch weiterfressen und alles in das Weiße der Asche verzehren kann. »Flamme ist des Bleichsten Bruder«, heißt es in der Dichtung »Verwandlung des Bösen« (129). Trakl schaut den »Geist« aus jenem Wesen, das in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes »Geist« genannt wird; denn gheis besagt: aufgebracht, entsetzt, außer sich sein. Der so verstandene Geist west in der Möglichkeit des Sanften und des Zerstörerischen. Das Sanfte schlägt jenes Außer-sich des Entflammenden keineswegs nieder, sondern hält es in der Ruhe des Freundlichen versammelt. Das Zerstörerische kommt aus dem Zügellosen, das sich im ei-
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genen Aufruhr verzehrt und so das Bösartige betreibt. Das Böse ist stets das Böse eines Geistes. Das Böse und seine Bosheit ist nicht das Sinnliche, Stoffliche. Es ist auch nicht bloß »geistiger« Natur. Das Böse ist geistlich als der in die Verblendung weglodernde Aufruhr des Entsetzenden, das in das Ungesammelte des Unheilen versetzt und das gesammelte Erblühen des Sanften zu versengen droht. Doch wo ruht das Sammelnde des Sanften? Welches sind seine Zügel? Welcher Geist hält sie? Wie ist und wird das Menschenwesen »geistlich«? Insofern das Wesen des Geistes im Entflammen beruht, bricht er Bahn, lichtet diese und bringt auf den Weg. Als Flamme ist der Geist der Sturm, der »den Himmel stürmt« und »Gott erjagt« (187). Der Geist jagt die Seele in das Unterwegs, wo sich ein Vorauswandern begibt. Der Geist versetzt in das Fremde. »Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden.« Der Geist ist es, der mit Seele beschenkt. Er ist der Beseeler. Aber die Seele wiederum hütet den Geist, und dies so wesentlich, daß der Geist ver mutlich nie ohne die Seele Geist sein kann. Sie »nährt« den Geist. Auf welche Weise? Wie anders denn so, daß die Seele die ihrem Wesen eigene Flamme dem Geist zu Lehen gibt? Diese Flamme ist das Glühen der Schwermut, die »Sanftmut der einsamen Seele« (55). Das Einsame vereinzelt nicht in die Zerstreuung, der jede bloße Verlassenheit preisgegeben ist. Das Einsame trägt die Seele dem Einzigen zu, versammelt sie in das Eine und bringt ihr Wesen so auf die Wanderschaft. Als die einsame Seele ist sie die wandernde. Der Glut ihres Gemütes wird zugemutet, die Schwere des Geschickes in die Wanderschaft – und so die Seele dem Geist entgegen – zu tragen.
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Dem Geist leih deine Flamme, glühende Schwermut; beginnt eine Dichtung »An Luzifer«, d. h. an den Lichtträger, der den Schatten des Bösen wirft. (Nachlaßband der Salzburger Ausgabe, S. 14.)* Die Schwermut der Seele erglüht nur dort, wo die Seele auf ihrer Wanderung in die weiteste Weite ihres eigenen, d. h. ihres wandernden Wesens eingeht. Solches geschieht, wenn sie dem Antlitz der Bläue entgegenschaut und anschaut, was aus dieser scheint. Also anschauend ist die Seele »die große Seele«. O Schmerz, du flammendes Anschaun Der großen Seele! »Das Gewitter« (183)
Das Große der Seele mißt sich an der Weise, wie sie das flammende Anschauen vermag, wodurch sie im Schmerz heimisch wird. Dem Schmerz eignet ein in sich gegenwendiges Wesen. »Flammend« reißt der Schmerz fort. Sein Fortriß zeichnet die wandernde Seele in die Fuge des Stürmens und Jagens ein, das, den Himmel stürmend, Gott erjagen möchte. So scheint es, als sollte der Fortriß das, wohin er reißt, überwältigen, statt es in seinem verhüllenden Leuchten walten zu lassen. Dies aber vermag das »Anschauen«. Es löscht den flammenden Fortriß nicht aus, sondern fügt ihn in das Fügsame des schauenden Hinnehmens zurück. Das Anschauen ist der Rückriß im Schmerz, wodurch dieser seine Milde erlangt und aus ihr sein entbergend-geleitendes Walten. Der Geist ist Flamme. Glühend leuchtet sie. Das Leuchten geschieht im Blick des Anschauens. Solchem An-
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schauen ereignet sich die Ankunft des Scheinenden, worin alles Wesende anwest. Dieses flammende Anschauen ist der Schmerz. Jedem Meinen, das den Schmerz von der Empfindung her vorstellt, bleibt sein Wesen verschlossen. Das flammende Anschauen bestimmt das Große der Seele. Der Geist, der »große Seele« gibt, ist als Schmerz das Beseelende. Die also begabte Seele aber ist das Belebende. Darum ist jegliches, was nach ihrem Sinne lebt, vom Grundzug ihres eigenen Wesens, vom Schmerz, durchwaltet. Alles, was lebt, ist schmerzlich. Nur was seelenvoll lebt, vermag seine Wesensbestimmung zu erfüllen. Kraft dieses Vermögens taugt es zum Einklang des wechselweisen Sichtragens, wodurch alles Lebendige zusammengehört. Gemäß diesem Bezug des Taugens ist alles, was lebt, tauglich, d. h. gut. Aber das Gute ist schmerzlich gut. Alles Beseelte ist dem Grundzug der großen Seele entsprechend nicht nur schmerzlich gut, sondern einzig auf diese Weise auch wahrhaft; denn kraft der Gegenwendigkeit des Schmerzes kann das Lebende sein Mitanwesendes in seiner jeweiligen Art verbergend entbergen, wahr-haft sein lassen. Die letzte Strophe einer Dichtung beginnt (26): So schmerzlich gut und wahrhaft ist, was lebt;
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Man könnte meinen, der Vers streife das Schmerzliche nur flüchtig. In Wahrheit leitet er das Sagen der ganzen Strophe ein, die auf das Erschweigen des Schmerzes gestimmt bleibt. Um es zu hören, dürfen wir die sorgfältig gesetzten Satzzeichen weder übersehen, noch gar abändern. Die Strophe fährt fort:
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Und leise rührt dich an ein alter Stein: Wieder erklingt das »leise«, das jeweils in die wesenhaften Bezüge gleiten läßt. Wiederum erscheint »der Stein«, der, wenn hier ein Rechnen erlaubt wäre, an mehr als dreißig Stellen des Traklschen Gedichtes verzeichnet werden könnte. Im Stein verbirgt sich der Schmerz, der, versteinernd, sich in das Verschlossene des Gesteins verwahrt, in dessen Erscheinen die uralte Herkunft aus der stillen Glut der frühesten Frühe leuchtet, die als vorausgehender Anbeginn auf alles Werdende, Wandernde zukommt und ihm die nie einholbare Ankunft seines Wesens zubringt. Das alte Gestein ist der Schmerz selbst, insofern er erdhaft die Sterblichen anblickt. Der Doppelpunkt nach dem Wort »Stein« am Ende des Verses zeigt an, daß hier der Stein spricht. Der Schmerz selbst hat das Wort. Langher schweigend, sagt er den Wanderern, die dem Fremdling folgen, nichts Geringeres als sein eigenes Walten und Währen: Wahrlich! Ich werde immer bei euch sein. Diesem Spruch des Schmerzes entgegnen die Wandernden, die dem Frühverstorbenen in das laubige Gezweig nachlauschen, mit den Worten des anschließenden Verses: O Mund! der durch die Silberweide bebt. Die ganze Strophe dieser Dichtung entspricht dem Schluß der zweiten Strophe einer anderen, die »An einen Frühverstorbenen« (135) gerichtet ist:
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Und im Garten blieb das silberne Antlitz des Freundes zurück, Lauschend im Laub oder im alten Gestein. [64]
Die Strophe, die anhebt mit: So schmerzlich gut und wahrhaft ist, was lebt; gibt zugleich den lösenden Gegenklang zum Beginn des dritten Teils der Dichtung, in die sie gehört: Wie scheint doch alles Werdende so krank! Das Gestörte, Verhemmte, Unheile und Heillose, alles Leidvolle des Verfallenden ist in Wahrheit nur der einzige Anschein, in dem sich das »Wahrliche« verbirgt: der alles durchwährende Schmerz. Darum ist der Schmerz weder das Widrige noch das Nützliche. Der Schmerz ist die Gunst des Wesenhaften alles Wesenden. Die Einfalt seines gegenwendigen Wesens bestimmt das Werden aus der verborgenen frühesten Frühe und stimmt es in die Heiterkeit der großen Seele. So schmerzlich gut und wahrhaft ist, was lebt; Und leise rührt dich an ein alter Stein: Wahrlich! Ich werde immer bei euch sein. O Mund! der durch die Silberweide bebt. Die Strophe ist der reine Gesang des Schmerzes, gesungen, damit sie die dreiteilige Dichtung vollende, die »Heiterer Frühling« heißt. Die Heiterkeit der frühesten Frühe alles anbeginnlichen Wesens erbebt aus der Stille des verborgenen Schmerzes.
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Dem gewöhnlichen Vorstellen erscheint das gegenwendige Wesen des Schmerzes, daß er als zurückreißender Riß erst eigentlich fortreißt, leicht als widersinnig. Aber in diesem Anschein verbirgt sich die Wesenseinfalt des Schmerzes. Sie trägt flammend am weitesten, wenn sie anschauend am innigsten an sich hält. So bleibt der Schmerz als der Grundzug der großen Seele die reine Entsprechung zur Heiligkeit der Bläue. Denn diese leuchtet dem Antlitz der Seele entgegen, indem sie sich in ihre eigene Tiefe entzieht. Das Heilige währt, wenn es west, je nur so, daß es in diesem Entzug verhält und das Anschauen in das Fügsame verweist. Das Wesen des Schmerzes, sein verborgener Bezug zur Bläue, gelangt durch die letzte Strophe einer Dichtung ins Wort, die »Verklärung« heißt (144): Blaue Blume, Die leise tönt in vergilbtem Gestein. Die »blaue Blume« ist das »sanfte Zyanenbündel« der geistlichen Nacht. Die Worte singen den Brunnquell, dem Trakls Dichten entspringt. Sie beschließen, sie tragen zugleich die »Verklärung«. Der Gesang ist Lied, Tragödie und Epos in einem. Die Dichtung ist einzig unter allen, weil in ihr die Weite des Schauens, die Tiefe des Denkens, das Einfache des Sagens auf eine unsägliche Weise innig und immerdar scheinen. Der Schmerz ist nur wahrhaft Schmerz, wenn er der Flamme des Geistes dient. Die letzte Dichtung Trakls heißt »Grodek«. Man rühmt sie als Kriegsdichtung. Aber sie ist unendlich mehr, weil anderes. Ihre letzten Verse lauten (201):
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Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz, Die ungebornen Enkel.
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Die hier genannten »Enkel« sind keinesfalls die ungezeugt gebliebenen Söhne der gefallenen Söhne, die dem verwesenden Geschlecht entstammten. Wäre es nur an dem, am Abbruch der Fortzeugung bisheriger Geschlechter, dann müßte dieser Dichter über ein solches Ende jubeln. Aber er trauert; freilich in einer »stolzeren Trauer«, die flammend die Ruhe des Ungeborenen anschaut. Die Ungeborenen heißen Enkel, weil sie nicht Söhne sein können, d. h. keine unmittelbaren Nachkommen des verfallenen Geschlechtes. Zwischen ihnen und diesem Geschlecht lebt eine andere Generation. Sie ist anders, weil andersartig gemäß ihrer anderen Wesensherkunft aus der Frühe des Ungeborenen. Der »gewaltige Schmerz« ist das alles überflammende Anschauen, das in die sich noch entziehende Frühe jenes Toten vorblickt, dem die »Geister« der früh Gefallenen entgegenstarben. Doch wer hütet diesen gewaltigen Schmerz, daß er die heiße Flamme des Geistes nähre? Was vom Schlage dieses Geistes ist, gehört zu dem, was auf den Weg bringt. Was vom Schlag dieses Geistes ist, heißt »geistlich«. Darum muß der Dichter vor allem anderen und zugleich ausschließlich die Dämmerung, die Nacht, die Jahre »geistlich« nennen. Die Dämmerung läßt die Bläue der Nacht aufgehen, entflammt sie. Die Nacht flammt als der leuchtende Spiegel des Sternenweihers. Das Jahr entflammt, indem es auf den Weg des Sonnenganges, seiner Auf- und Untergänge setzt. Welcher Geist ist es, dem dieses »Geistliche« entwacht und folgt? Es ist jener Geist, der in der Dichtung »An einen
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Frühverstorbenen« (136) eigens »der Geist des Frühverstorbenen« genannt wird. Es ist der Geist, der jenen »Bettler« des »Geistlichen Liedes« (20) in die Abgeschiedenheit aussetzt, so daß er, wie die Dichtung »Im Dorf« (81) sagt, »der Arme« bleibt, »der im Geiste einsam starb«. Die Abgeschiedenheit west als der lautere Geist. Sie ist das in seiner Tiefe ruhende, stiller flammende Scheinen der Bläue, die eine stillere Kindheit in das Goldene des Anbeginns entflammt. Dieser Frühe entgegen blickt das goldene Antlitz der Elisgestalt. In ihrem Gegenblick wahrt sie die nächtliche Flamme des Geistes der Abgeschiedenheit. So ist denn die Abgeschiedenheit weder nur der Zustand des Frühverstorbenen, noch ist sie der unbestimmte Raum für seinen Aufenthalt. Die Abgeschiedenheit ist in der Art ihres Flammens selbst der Geist und als dieser das Versammelnde. Dieses holt das Wesen der Sterblichen in seine stillere Kindheit zurück, birgt sie als den noch nicht ausgetragenen Schlag, der das künf tige Geschlecht prägt. Das Versammelnde der Abgeschiedenheit spart das Ungeborene über das Abgelebte hinweg in ein kommendes Auferstehen des Menschenschlages aus der Frühe. Das Versammelnde stillt als der Geist des Sanften zugleich den Geist des Bösen. Dessen Aufruhr steigt dort in seine äußerste Bösartigkeit, wo er gar aus der Zwietracht der Geschlechter noch ausbricht und in das Geschwisterliche einbricht.a Aber zugleich verbirgt sich in der stilleren Einfalt der Kindheit die dorthin versammelte geschwisterliche Zwiefalt des Menschengeschlechtes. In der Abgeschiedenheit ist der Geist des Bösen weder vernichtet und verneint, noch losgelassen und bejaht. Das Böse ist verwandelt. Um solche »Verwandlung« zu bestehen, muß die Seele sich in das a
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Große ihres Wesens wenden. Die Größe dieses Großen wird durch den Geist der Abgeschiedenheit bestimmt. Die Abgeschiedenheit ist die Versammlung, durch die das Menschenwesen in seine stillere Kindheit und diese in die Frühe eines anderen Anbeginns zurückgeborgen wird. Als Versammlung hat die Abgeschiedenheit das Wesen des Ortes. Inwiefern ist nun aber die Abgeschiedenheit der Ort eines Gedichtes, und zwar jenes Gedichtes, das Georg Trakls Dichtungen zur Sprache bringen? Hat die Abgeschiedenheit überhaupt und aus sich einen Bezug zum Dichten? Und selbst wenn ein solcher Bezug waltet, wie soll die Abgeschiedenheit ein dichtendes Sagen zu sich als seinem Ort einholen und von dort bestimmen?* Ist die Abgeschiedenheit nicht ein einziges Schweigen der Stille? Wie kann die Abgeschiedenheit ein Sagen und Singen auf den Weg bringen? Doch Abgeschiedenheit ist nicht die Ödnis der Abgestorbenheit. In der Abgeschiedenheit durchmißt der Fremdling den Abschied vom bisherigen Geschlecht. Er ist unterwegs auf einem Pfad. Welcher Art ist dieser Pfad? Der Dichter sagt es deutlich genug, und zwar in dem betont abgesetzten Schlußvers der Dichtung »Sommersneige« (169)**: Gedächte ein blaues Wild seines Pfads,
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Des Wohllauts seiner geistlichen Jahre! Der Pfad des Fremdlings ist »der Wohllaut seiner geistlichen Jahre«. Elis’ Schritte läuten. Die läutenden Schritte leuchten durch die Nacht. Verhallt ihr Wohllaut ins Leere? Ist jener in die Frühe Verstorbene abgeschieden im Sinne des Losgetrennten, oder ist er ausgeschieden im Sinne des Erlesenen, d. h. gesammelt in eine Versammlung, die sanfter versammelt und stiller ruft?
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Die zweite und dritte Strophe der Dichtung »An einen Frühverstorbenen« geben unserem Fragen einen Wink (135): Jener aber ging die steinernen Stufen des Mönchsbergs hinab, Ein blaues Lächeln im Antlitz und seltsam verpuppt In seine stillere Kindheit und starb; Und im Garten blieb das silberne Antlitz des Freundes zurück, Lauschend im Laub oder im alten Gestein. Seele sang den Tod, die grüne Verwesung des Fleisches Und es war das Rauschen des Walds, Die inbrünstige Klage des Wildes. Immer klangen von dämmernden Türmen die blauen Glocken des Abends. Ein Freund lauscht dem Fremdling nach. Also nachlauschend folgt er dem Abgeschiedenen und wird dadurch selbst zum Wanderer, zu einem Fremdling. Die Seele des Freundes lauscht dem Toten nach. Des Freundes Antlitz ist ein »erstorbenes« (143). Es lauscht, indem es den Tod singt. Darum ist diese singende Stimme »die Vogelstimme des Totengleichen« (»Der Wanderer«, 143). Sie entspricht dem Tod des Fremdlings, seinem Untergang zur Bläue der Nacht. Mit dem Tod des Abgeschiedenen aber singt er zugleich die »grüne Verwesung« jenes Geschlechtes, von dem ihn das dunkle Wandern »schied«. Singen heißt preisen und das Gepriesene im Gesang hüten. Der nachlauschende Freund ist einer der »preisenden Hirten« (143). Doch die Seele des Freundes, die »des weißen Magiers Märchen gerne lauscht«, kann nur dann dem Abgeschiedenen nachsingen, wenn dem Nachfolgen-
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den die Abgeschiedenheit entgegenklingt, wenn der dort tönende Wohllaut läutet, »wenn«, wie es im »Abendlied« (83) heißt, »dunkler Wohllaut die Seele heimsucht«. Geschieht es, dann erscheint der Geist des Frühverstorbenen im Glanz der Frühe. Deren geistliche Jahre sind die wahre Zeit des Fremdlings und seines Freundes. In ihrem Glanz wird die vormals schwarze Wolke zur goldenen. Sie gleicht jetzt dem »goldenen Kahn«, als welcher Elis’ Herz am einsamen Himmel schaukelt. Die letzte Strophe der Dichtung »An einen Frühverstorbenen« singt (136): Goldene Wolke und Zeit. In einsamer Kammer Lädst du öfter den Toten zu Gast, Wandelst in trautem Gespräch unter Ulmen den grünen Fluß hinab. Dem heimsuchenden Wohllaut der Schritte des Fremdlings entspricht die Einladung des Freundes zum Gespräch. Dessen Sagen ist das singende Wandern den Fluß hinunter, das Folgen in den Untergang zur Bläue der Nacht, die der Geist des Frühverstorbenen beseelt. In solchem Gespräch schaut der singende Freund den Abgeschiedenen an. Durch sein Anschauen wird er im Gegenblick dem Fremdling zum Bruder. Mit dem Fremdling wandernd gelangt der Bruder zu dem stilleren Aufenthalt in der Frühe. Er kann im »Gesang des Abgeschiedenen« rufen (177): O das Wohnen in der beseelten Bläue der Nacht.
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Aber indem der nachlauschende Freund den »Gesang des Abgeschiedenen« singt und so zu dessen Bruder wird, wird der Bruder des Fremdlings durch diesen erst zum Bruder
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seiner Schwester, deren »mondene Stimme durch die geistliche Nacht tönt«, was die Schlußverse der Dichtung »Geistliche Dämmerung« (137) sagen. Die Abgeschiedenheit ist der Ort des Gedichtes, weil der Wohllaut der tönend-leuchtenden Schritte des Fremdlings das dunkle Wandern der ihm Folgenden in das lauschende Singen entflammt. Das dunkle, weil nur erst nachfolgende Wandern lichtet jedoch ihre Seele in die Bläue. Das Wesen der singenden Seele ist dann nur noch ein einziges Vorausschauen in die Bläue der Nacht, die jene stillere Frühe birgt. Ein blauer Augenblick ist nur mehr Seele. heißt es in der Dichtung »Kindheit« (104). So vollendet sich das Wesen der Abgeschiedenheit. Sie ist erst dann der vollendete Ort des Gedichtes, wenn sie als Versammlung der stilleren Kindheit und als Grab des Fremdlings zugleich jene zu sich versammelt, die dem Frühverstorbenen in den Untergang folgen, indem sie, ihm nachlauschend, den Wohllaut seines Pfades in die Verlautbarung der gesprochenen Sprache bringen und so die Abgeschiedenen werden. Ihr Singen ist das Dichten. Inwiefern? Was heißt Dichten? Dichten heißt: nach-sagen, nämlich den zugesprochenen Wohllaut des Geistes der Abgeschiedenheit. Dichten ist, bevor es ein Sagen im Sinne des Aussprechens wird, seine längste Zeit erst ein Hören. Die Abgeschiedenheit holt das Hören zuvor in ihren Wohllaut ein, damit dieser das Sagen, worin er nachverlautet, durchläute. Die mondene Kühle der heiligen Bläue der geistlichen Nacht durchtönt und durchscheint alles Schauen und Sagen. Dessen Sprache wird so zur nachsagenden, wird: Dichtung. Ihr Gespro-
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chenes hütet das Gedicht als das wesenhaft Ungesprochene. Das ins Hören gerufene Nachsagen wird auf solche Weise »frömmer«, d. h. fügsamer gegenüber dem Zu spruch des Pfades, den der Fremdling aus dem Dunklen der Kindheit in die stillere, hellere Frühe vorausgeht. Darum kann der nachlauschende Dichter zu sich sagen: Frömmer kennst du den Sinn der dunklen Jahre, Kühle und Herbst in einsamen Zimmern; Und in heiliger Bläue läuten leuchtende Schritte fort. »Kindheit« (104)
Die Seele, die den Herbst und die Neige des Jahres singt, versinkt nicht im Verfall. Ihre Frömmigkeit ist von der Flamme des Geistes der Frühe entflammt und darum feurig: O, die Seele, die leise das Lied des vergilbten Rohrs sang; feurige Frömmigkeit. sagt die Dichtung »Traum und Umnachtung« (157). Die hier genannte Umnachtung ist nicht, so wenig wie der Wahnsinn ein Irrsinn, bloße Verfinsterung des Geistes. Die Nacht, die den singenden Bruder des Fremdlings umnachtet, bleibt die »geistliche Nacht« jenes Todes, den der Abgeschiedene in die »goldenen Schauer« der Frühe gestorben ist. Diesem Toten nachschauend, schaut der lauschende Freund in die Kühle der stilleren Kindheit hinaus. Solches Schauen bleibt indessen ein Scheiden vom längst geborenen Geschlecht, das die stillere Kindheit als den noch aufbehaltenen Anbeginn vergessen und das Ungeborene nie ausgetragen hat. Die Dichtung »Anif«, der Name eines Wasserschlosses in der Nähe von Salzburg, sagt (134):
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Groß ist die Schuld des Geborenen. Weh, ihr goldenen Schauer Des Todes, Da die Seele kühlere Blüten träumt. Aber nicht nur das Scheiden vom alten Geschlecht steht im »Weh« des Schmerzes. Dieses Scheiden ist verborgen geschicklich ent-schieden zum Abschied, der aus der Abgeschiedenheit zugerufen wird. Das Wandern in ihrer Nacht ist »unendliche Qual«. Dies meint nicht eine endlose Pein. Das Unendliche ist jeder endlichen Beschränkung und Verkümmerung ledig. Die »unendliche Qual« ist der vollendete, der vollkommene, in der Fülle seines Wesens ankommende Schmerz. Auf der Wanderschaft durch die geistliche Nacht, welches Wandern immer Abschied nimmt von der ungeistlichen, kommt erst die Einfalt des Gegenwendigen, das den Schmerz durchwaltet, ins reine Spiel. Das Sanfte des Geistes ist in das Erjagen des Gottes gerufen, sein Scheues in das Stürmen des Himmels. In der Dichtung »Die Nacht« (187) heißt es: Unendliche Qual, Daß du Gott erjagtest Sanfter Geist, Aufseufzend im Wassersturz, In wogenden Föhren. Der flammende Fortriß dieses Stürmens und Erjagens reißt »die steile Festung« nicht nieder; erlegt das Erjagte nicht, sondern läßt es in das Schauen der Anblicke des Himmels erstehen, deren reine Kühle den Gott verhüllt. Das singende Sinnen solchen Wanderns gehört der Stirn eines vom vollendeten Schmerz durchprägten Hauptes.
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Darum schließt die Dichtung »Die Nacht« (187) mit den Versen: Stürmt den Himmel Ein versteinertes Haupt. Dem entspricht der Schluß der Dichtung »Das Herz« (180): Die steile Festung. O Herz Hinüberschimmernd in schneeige Kühle.
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Wie denn überhaupt der Dreiklang der drei späten Dichtungen »Das Herz«, »Das Gewitter«, »Die Nacht« so verborgen in das Eine und Selbe des Singens der Abgeschiedenheit gestimmt ist, daß die jetzt versuchte Erörterung des Gedichtes sich darin bestärkt findet, die genannten drei Dichtungen ohne eine zureichende Erläuterung im Tönen ihres Gesanges zu lassen. Die Wanderung in der Abgeschiedenheit, das Schauen der Anblicke des Unsichtbaren und der vollendete Schmerz gehören zusammen. Seinem Riß fügt sich der Geduldige. Dieser allein vermag der Rückkehr in die früheste Frühe des Geschlechtes zu folgen, dessen Schicksal ein altes Stammbuch verwahrt, in das der Dichter unter dem Titel »In ein altes Stammbuch« (55) die Strophe einschreibt: Demutsvoll beugt sich dem Schmerz der Geduldige Tönend von Wohllaut und weichem Wahnsinn. Siehe! es dämmert schon. In solchem Wohllaut des Sagens bringt der Dichter die
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leuchtenden Anblicke, in denen sich Gott dem wahnsinnigen Erjagen verbirgt, zum Scheinen. Darum ist es nur »In den Nachmittag geflüstert«, wenn der Dichter in der so betitelten Dichtung singt (54): Stirne Gottes Farben träumt, Spürt des Wahnsinns sanfte Flügel. Der Dichtende wird erst zum Dichter, insofern er jenem »Wahnsinnigen« folgt, der in die Frühe hinwegstarb und aus der Abgeschiedenheit durch den Wohllaut seiner Schritte den ihm folgenden Bruder ruft. So blickt das Antlitz des Freundes in das Antlitz des Fremden. Der Glanz dieses »Augenblicks« rührt das Sagen des Hörenden. Im rührenden Glanz, der aus dem Ort des Gedichtes scheint, wogt jene Woge, die das dichtende Sagen zu seiner Sprache bewegt. Welcher Art ist demnach die Sprache der Dichtung Trakls? Sie spricht, indem sie jenem Unterwegs entspricht, auf dem der Fremdling vorausgeht. Der Pfad, den er eingeschlagen hat, führt vom alten entarteten Geschlecht weg. Er geleitet hin zum Untergang in die aufbehaltene Frühe des ungeborenen Geschlechtes. Die Sprache des Gedichtes, das seinen Ort in der Abgeschiedenheit hat, entspricht der Heimkehr des ungeborenen Menschengeschlechtes in den ruhigen Anbeginn seines stilleren Wesens. Die Sprache dieser Dichtung spricht aus dem Übergang. Sein Pfad geht vom Untergang des Verfallenden hinüber zum Untergang in die dämmernde Bläue des Heiligen. Die Sprache des Gedichtes spricht aus der Überfahrt über und durch den nächtigen Weiher der geistlichen Nacht. Diese Sprache singt den Gesang der abgeschiedenen Heimkehr, die aus der Späte der Verwesung in die Frühe des stilleren,
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noch ungewesenen Anbeginns einkehrt. In dieser Sprache spricht das Unterwegs, durch dessen Scheinen leuchtend-tönend der Wohllaut der geistlichen Jahre des abgeschiedenen Fremdlings erscheint. Der »Gesang des Abgeschiedenen« singt nach dem Wort der Dichtung »Offenbarung und Untergang« (194) »die Schönheit eines heimkehrenden Geschlechts«. Weil die Sprache dieses Gedichtes aus dem Unterwegs der Abgeschiedenheit spricht, darum spricht sie stets zugleich aus dem, was sie im Abschied verläßt, und dem, wohin der Abschied sich bescheidet. Die Sprache des Gedichtes ist wesenhaft mehrdeutig, und dies auf ihre eigene Weise.* Wir hören nichts vom Sagen der Dichtung, solange wir ihm nur mit irgendeinem stumpfen Sinn eines eindeutigen Meinens begegnen. Dämmerung und Nacht, Untergang und Tod, Wahnsinn und Wild, Weiher und Gestein, Vogelflug und Kahn, Fremdling und Bruder, Geist und Gott, insgleichen die Worte der Farbe: blau und grün, weiß und schwarz, rot und silbern, golden und dunkel, sagen je und je Mehrfältiges. »Grün« ist verwesend und erblühend, »weiß« ist bleich und rein, »schwarz« ist finster verschließend und dunkel bergend, »rot« ist purpurn fleischig und rosig sanft. »Silbern« ist die Blässe des Todes und das Gefunkel der Sterne. »Gold« ist der Glanz des Wahren und das »gräßliche Lachen des Golds« (133). Das jetzt genannte Mehrdeutige ist zunächst nur zweideutig. Aber dieses Zweideutige kommt selber als Ganzes noch einmal auf die eine Seite zu stehen, deren andere aus dem innersten Ort des Gedichtes bestimmt wird. Die Dichtung spricht aus einer zweideutigen Zweideutigkeit. Allein,** dieses Mehrdeutige des dichterischen
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Sagens flattert nicht ins unbestimmte Vieldeutige auseinander. Der mehrdeutige Ton des Traklschen Gedichtes kommt aus einer Versammlung, d. h. aus einem Einklang, der, für sich gemeint, stets unsäglich bleibt. Das Mehrdeutige dieses dichtenden Sagens ist nicht das Ungenaue des Lässigen, sondern die Strenge des Lassenden, der sich auf die Sorgfalt des »gerechten Anschauens« eingelassen hat und diesem sich fügt. Oft können wir dieses in ihm selber durchaus sichere mehrdeutige Sagen, das den Dichtungen Trakls eignet, schwer gegen die Sprache anderer Dichter abgrenzen, deren Vieldeutigkeit aus dem Unbestimmten einer Unsicherheit des poetischen Umhertastens stammt, weil ihr das eigentliche Gedicht und sein Ort fehlen. Die einzigartige Strenge der wesenhaft mehrdeutigen Sprache Trakls ist in einem höheren Sinne so eindeutig, daß sie auch aller technischen Exaktheit des bloß wissenschaftlich-eindeutigen Begriffes unendlich überlegen bleibt. In der selben Mehrdeutigkeit der Sprache, die aus dem Ort des Traklschen Gedichtes bestimmt ist, sprechen auch die häufigen Worte, die zur biblischen und kirchlichen Vorstellungswelt gehören. Der Übergang vom alten Geschlecht zum Ungeborenen führt durch diesen Bereich und seine Sprache. Ob Trakls Dichtung, inwieweit sie und in welchem Sinne sie christlich spricht, auf welche Art der Dichter »Christ« war, was hier und über haupt »christlich«, »Christenheit«, »Christentum«, »Christlichkeit« meint, dies alles schließt wesentliche Fragen ein. Ihre Erörterung hängt jedoch im Leeren, solange nicht der Ort des Gedichtes bedachtsam ausgemacht ist. Überdies verlangt ihre Erörterung ein Nachdenken, für das weder die Begriffe der metaphysischen noch diejenigen der kirchlichen Theologie zureichen.
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Ein Urteil über die Christlichkeit des Traklschen Gedichtes müßte vor allem seine beiden letzten Dichtungen »Klage« und »Grodek« bedenken. Es müßte fragen: Warum ruft der Dichter hier, in der äußersten Not seines letzten Sagens, nicht Gott an und Christus, wenn er ein so entschiedener Christ ist? Warum nennt er statt dessen den »schwankenden Schatten der Schwester« und sie als die »grüßende«? Warum endet das Lied nicht mit dem zuversichtlichen Ausblick auf die christliche Erlösung, sondern mit dem Namen der »ungebornen Enkel«? Warum erscheint die Schwester auch in der anderen letzten Dichtung »Klage« (200)? Warum heißt »die Ewigkeit« hier »die eisige Woge«? Ist das christlich gedacht? Es ist nicht einmal christliche Verzweiflung. Aber was singt diese »Klage«? Klingt in diesem »Schwester … Sieh …« nicht die innige Einfalt derer, die bei aller Bedrohung durch den äußersten Entzug des Heilen auf der Wanderung bleiben, dem »goldenen Antlitz des Menschen« entgegen? Der strenge Einklang der mehrstimmigen Sprache, aus der Trakls Dichtung spricht, und dies heißt zugleich: schweigt, entspricht der Abgeschiedenheit als dem Ort des Gedichtes. Diesen Ort recht zu beachten, gibt schon zu denken. Kaum wagen wir noch zum Schluß, nach der Ortschaft dieses Ortes zu fragen.
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Die letzte Weisung in die Abgeschiedenheit als den Ort des Gedichtes gab uns beim ersten Schritt seiner Erörterung die vor letzte Strophe des Gedichtes »Herbstseele« (124). Sie nennt jene Wanderer, die dem Pfad des Fremdlings durch
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die geistliche Nacht folgen, damit sie in deren »beseelter Bläue wohnen«. Bald entgleitet Fisch und Wild. Blaue Seele, dunkles Wandern Schied uns bald von Lieben, Andern. Den freien Bereich, der ein Wohnen verspricht und gewährt, nennt unsere Sprache das »Land«. Der Überschritt in das Land des Fremdlings geschieht durch die geistliche Dämmerung hindurch am Abend. Darum sagt der letzte Vers der Strophe: Abend wechselt Sinn und Bild. Das Land, in das der Frühverstorbene untergeht, ist das Land dieses Abends. Die Ortschaft des Ortes, der Trakls Gedicht in sich versammelt, ist das verborgene Wesen der Abgeschiedenheit und heißt »Abendland«. Dieses Abendland ist älter, nämlich früher und darum versprechender als das platonisch-christliche und gar als das europäisch vorgestellte. Denn die Abgeschiedenheit ist »Anbeginn« eines steigenden Weltjahres, nicht Abgrund des Verfalls. Das in der Abgeschiedenheit verborgene Abendland geht nicht unter, sondern bleibt, indem es auf seine Bewohner wartet als das Land des Untergangs in die geistliche Nacht. Das Land des Untergangs ist der Übergang in den Anfang der in ihm verborgenen Frühe. Dürfen wir noch, falls wir dies bedenken, von Zufall reden, wenn zwei unter Trakls Dichtungen eigens das Abendland nennen? Die eine ist »Abendland« überschrieben (171 ff.). Die andere heißt: »Abendländisches Lied« (139 f.). Es singt das Selbe wie der »Gesang des Abgeschie-
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denen«. Das Lied hebt an mit dem staunend sich neigenden Ruf: O der Seele nächtlicher Flügelschlag: [78]
Der Vers endet mit einem Doppelpunkt, der alles ihm Folgende einschließt bis zum Übergang aus dem Untergang in den Aufgang. An dieser Stelle der Dichtung, vor ihren beiden Schlußversen, steht ein zweiter Doppelpunkt. Ihm folgt das einfache Wort: »Ein Geschlecht«. Das »Ein« ist betont. Es ist, soweit ich sehe, das einzige gesperrt geschriebene Wort in den Dichtungen Trakls. Dieses betonte »Ein Geschlecht« birgt den Grundton, aus dem das Gedicht dieses Dichters das Geheimnis schweigt. Die Einheit des einen Geschlechtes entquillt dem Schlag, der aus der Abgeschiedenheit her, aus der in ihr waltenden stilleren Stille, aus ihren »Sagen des Waldes«, aus ihrem »Maß und Gesetz« durch »die mondenen Pfade der Abgeschiedenen« die Zwietracht der Geschlechter einfältig in die sanftere Zwiefalt versammelt. Das »Ein« im Wort »Ein Geschlecht« meint nicht »eins« statt »zwei«. Das »Ein« bedeutet auch nicht das Einerlei einer faden Gleichheit. Das Wort »Ein Geschlecht« nennt hier überhaupt keinen biologischen Tatbestand, weder die »Eingeschlechtlichkeit«, noch die »Gleichgeschlechtlichkeit«. In dem betonten »Ein Geschlecht« verbirgt sich jenes Einende, das aus der versammelnden Bläue der geistlichen Nacht einigt. Das Wort spricht aus dem Lied, worin das Land des Abends gesungen wird. Demgemäß behält hier das Wort »Geschlecht« seine volle, bereits genannte mehrfältige Bedeutung. Es nennt einmal das geschichtliche Geschlecht des Menschen, die Menschheit, im Unterschied zum übrigen Lebendigen (Pflanze und Tier). Das Wort
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»Geschlecht« nennt sodann die Geschlechter, Stämme, Sippen, Familien dieses Menschengeschlechtes. Das Wort »Geschlecht« nennt zugleich überall die Zwiefalt der Geschlechter. Der Schlag, der sie in die Einfalt des »Einen Geschlechts« prägt und so die Sippen des Menschengeschlechtes und damit dieses selbst in das Sanfte der stilleren Kindheit zurückbringt, schlägt, indem er die Seele den Weg in den »blauen Frühling« einschla gen läßt. Ihn singt die Seele, indem sie ihn schweigt. Die Dichtung »Im Dunkel« (151) beginnt mit dem Vers: Es schweigt die Seele den blauen Frühling. Das Zeitwort »schweigen« ist hier in der transitiven Bedeutung gesagt. Trakls Dichtung singt das Land des Abends. Sie ist ein einziges Rufen nach dem Ereignis des rechten Schlages, der die Flamme des Geistes ins Sanfte spricht. Im »Kaspar Hauser Lied« (115) heißt es: Gott sprach eine sanfte Flamme zu seinem Herzen: O Mensch ! Das »sprach« ist hier in der selben transitiven Bedeutung gebraucht wie das vorhin genannte »schweigt« und das »blutet« in der Dichtung »An den Knaben Elis« (97) und das »rauscht« im letzten Vers der Dichtung »Am Mönchsberg« (113). Gottes Sprechen ist das Zusprechen, das dem Menschen ein stilleres Wesen zuweist und ihn durch solchen Zuspruch in die Entsprechung ruft, zu der er aus dem eigentlichen Untergang in die Frühe aufersteht. Das »Abendland« birgt den Aufgang der Frühe des »Einen Geschlechts«.
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Wie kurz denken wir, wenn wir meinen, der Sänger des »Abendländischen Liedes« sei der Dichter des Verfalls. Wie halb und stumpf hören wir, wenn wir die andere Dichtung Trakls, die »Abendland« (171 ff.) heißt, nur immer nach ihrem letzten, dem dritten Stück anführen und das Mittelstück dieses Triptychons samt dessen Vorbereitung im ersten Stück hartnäckig überhören. Wieder erscheint in der Dichtung »Abendland« die Elisgestalt, während »Helian« und »Sebastian im Traum« in den spätesten Dichtungen nicht mehr genannt sind. Die Schritte des Fremdlings tönen. Sie sind aus dem »leisen Geist« der uralten Legende des Waldes gestimmt. Im Mittelstück dieser Dichtung ist das Schlußstück schon verwunden, worin die »großen Städte« genannt sind, »steinern aufgebaut / in der Ebene!« Sie haben schon ihr Schicksal. Es ist ein anderes als jenes, das »am grünenden Hügel« gesprochen wird, wo »Frühlingsgewitter ertönt«, am Hügel, dem ein »gerechtes Maß« eignet (134), und der auch der »Abendhügel« (150) heißt. Man hat von Trakls »innerster Geschichtslosigkeit« gesprochen. Was heißt in diesem Urteil »Geschichte«? Meint der Name nur die »Historie«, d. h. das Vorstellen von Vergangenem, dann ist Trakl geschichtslos. Sein Dichten bedarf nicht der historischen »Gegenstände«. Warum nicht? Weil sein Gedicht im höchsten Sinne geschichtlich ist. Seine Dichtung singt das Geschick des Schlages, der das Menschengeschlecht in sein noch vorbehaltenes Wesen verschlägt, d. h. rettet. Trakls Dichtung singt den Gesang der Seele, die, »ein Fremdes auf Erden«, erst die Erde als die stillere Heimat des heimkehrenden Geschlechtes erwandert. Verträumte Romantik abseits der technisch-wirtschaftlichen Welt des modernen Massendaseins? Oder – das klare Wissen des »Wahnsinnigen«, der Anderes sieht und sinnt
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als die Berichterstatter des Aktuellen, die sich in der Historie des Gegenwärtigen erschöpfen, dessen vorgerechnete Zukunft je nur die Verlängerung des Aktuellen ist, eine Zukunft, die ohne Ankunft eines Geschickes bleibt, das den Menschen erst im Anbeginn seines Wesens angeht? Die Seele, »ein Fremdes«, sieht der Dichter auf einen Pfad geschickt, der nicht in den Verfall führt, wohl dagegen in den Untergang. Dieser beugt und fügt sich dem gewaltigen Sterben, das der in der Frühe Verstorbene vorstirbt. Ihm stirbt der Bruder als der singende nach. Ersterbend übernachtet der Freund, dem Fremdling folgend, die geistliche Nacht der Jahre der Abgeschiedenheit. Sein Singen ist der »Gesang einer gefangenen Amsel«. So nennt der Dichter eine Ludwig von Ficker* gewidmete Dichtung. Die Amsel ist jener Vogel, der Elis in den Untergang rief. Die gefangene Amsel ist die Vogelstimme des Totengleichen. Sie ist gefangen in der Einsamkeit der goldenen Schritte, die der Fahrt des goldenen Kahns entsprechen, auf dem Elis’ Herz den Sternenweiher der blauen Nacht durchwandert und so der Seele die Bahn ihres Wesens zeigt. Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden. Die Seele wandert auf das Land des Abends zu, das vom Geist der Abgeschiedenheit durchwaltet und, ihm gemäß, »geistlich« ist. Alle Formeln sind gefährlich. Sie zwingen das Gesagte in die Äußerlichkeit des raschen Meinens und verderben leicht das Nachdenken. Aber sie können auch eine Hilfe sein, Anstoß wenigstens und ein Anhalt für die ausdauernde Besinnung. Unter diesem Vorbehalt dürfen wir formelhaft sagen:
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Eine Erörterung seines Gedichtes zeigt uns Georg Trakl als den Dichter des noch verborgenen Abend-Landes. Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden. Der Satz steht in der Dichtung »Frühling der Seele« (149 f.). Der Vers, der zu den letzten Strophen überleitet, in die der Satz gehört, lautet: Gewaltiges Sterben und die singende Flamme im Herzen. Dann folgt der Anstieg des Gesanges in den reinen Widerhall des Wohllauts der geistlichen Jahre, die der Fremdling durchwandert, denen der Bruder folgt, der im Lande des Abends zu wohnen beginnt: Dunkler umfließen die Wasser die schönen Spiele der Fische. Stunde der Trauer, schweigender Anblick der Sonne; Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden. Geistlich dämmert Bläue über dem verhauenen Wald und es läutet Lange eine dunkle Glocke im Dorf; friedlich Geleit. Stille blüht die Myrthe über den weißen Lidern des Toten.
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Leise tönen die Wasser im sinkenden Nachmittag Und es grünet dunkler die Wildnis am Ufer, Freude im rosigen Wind; Der sanfte Gesang des Bruders am Abendhügel.
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Zwischen einem Japaner und einem Fragenden
J Sie kennen den Grafen Shuzo Kuki.* Er hat mehrere Jahre bei Ihnen studiert. F Dem Grafen Kuki gehört mein bleibendes Andenken. J
Er ist zu früh gestorben. Sein Lehrer Nishida** hat ihm die Grabschrift geschrieben und über ein Jahr lang an dieser höchsten Ehrung für seinen Schüler gearbeitet.
F Zu meiner großen Freude besitze ich Aufnahmen von Kukis Grab und von dem Hain, darin es steht. J
Ich kenne den Tempelgarten in Kyoto. Viele meiner Freunde besuchen dort mit mir oft den Grabstein. Der Garten wurde Ende des zwölften Jahrhunderts von dem Priester Honen auf dem östlichen Hügel der damaligen Kaiserstadt Kyoto als Ort der Besinnung und Versenkung gegründet.
F So bleibt denn dieser Tempelhain der gemäße Ort für den früh Verstorbenen. J
Galt doch all seine Besinnung dem, was die Japaner Iki nennen.
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F Was dieses Wort sagt, konnte ich in den Gesprächen mit Kuki stets nur aus der Ferne ahnen. [86]
J Graf Kuki hat später, nach seiner Rückkehr aus Europa, in Kyoto Vorlesungen über die Ästhetik der japanischen Kunst und Dichtung gehalten. Sie sind als Buch erschienen. Er versucht darin, das Wesen der japanischen Kunst mit Hilfe der europäischen Ästhetik zu betrachten. F Aber dürfen wir uns bei einem solchen Vorhaben an die Ästhetik wenden? J
Warum nicht?
F Der Name und das, was er nennt, stammen aus dem europäischen Denken, aus der Philosophie. Deshalb muß die ästhetische Betrachtung dem ostasiatischen Denken im Grunde fremd bleiben. J
Sie haben wohl recht. Allein wir Japaner müssen die Ästhetik zu Hilfe rufen.
F Wofür? J
Sie verschafft uns die nötigen Begriffe, um das zu fassen, was uns als Kunst und Dichtung angeht.
F Benötigen Sie Begriffe? J
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Vermutlich ja; denn seit der Begegnung mit dem europäischen Denken kommt ein Unvermögen unserer Sprache an den Tag.
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F Inwiefern? J
Es fehlt ihr die begrenzende Kraft, Gegenstände in der eindeutigen Zuordnung zueinander als wechselweise über- und untergeordnete vorzustellen.
F Halten Sie dieses Unvermögen im Ernst für einen Mangel Ihrer Sprache? J
Bei der unausweichlich gewordenen Begegnung der ostasiatischen Welt mit der europäischen verlangt Ihre Frage gewiß eine eindringliche Überlegung.
F Sie rühren jetzt an eine Streitfrage, die ich mit Graf Kuki oft erörterte, die Frage nämlich, ob es für die Ostasiaten nötig und berechtigt sei, den europäischen Begriffssystemen nachzujagen. J
Es scheint so, als gäbe es angesichts der modernen Technisierung und Industrialisierung aller Erdteile hier kein Ausweichen mehr.
F Sie reden vorsichtig und sagen: Es scheint … J
Allerdings. Denn immer bleibt noch die Möglichkeit, daß, von unserem ostasiatischen Dasein her gesehen, die uns mitreißende technische Welt auf das Vordergründige sich beschränken muß und … daß …
F … dadurch eine wahrhafte Begegnung mit dem europäischen Dasein trotz aller Angleichungen und Vermischungen doch nicht geschieht.
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J
Vielleicht gar nicht geschehen kann.
F Dürfen wir dies so unbedingt behaupten? [88]
J Ich bin der Letzte, der es wagte, sonst wäre ich nicht nach Deutschland gekommen. Aber ich spüre immerfort die Gefahr, der offensichtlich auch Graf Kuki nicht Herr geworden ist. F Welche Gefahr meinen Sie? J
Daß wir uns durch den Reichtum des Begrifflichen, den der europäische Sprachgeist bereit hält, verleiten lassen, das, was unser Dasein in den Anspruch nimmt, zu etwas Unbestimmtem und Verfließendem herabzusetzen.
F Allein es droht eine weit größere Gefahr. Sie geht uns beide an, sie ist um so bedrohlicher, je unauffälliger sie bleibt. J
Wieso?
F Die Gefahr droht aus einer Gegend, in der wir sie nicht vermuten, wo wir sie indessen gerade erfahren müßten. J
Sie haben die Gefahr demnach schon erfahren; anders könnten Sie sonst nicht darauf weisen.
F Erfahren habe ich sie längst nicht in ihrer vollen Tragweite, aber geahnt, und zwar in den Gesprächen mit dem Grafen Kuki.
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J
Haben Sie mit ihm darüber geprochen?
F Nein. Die Gefahr stieg aus den Gesprächen selbst auf, insofern es Gespräche waren. J
Was Sie meinen, verstehe ich nicht.
F Unsere Gespräche waren keine gelehrte, eigens veranstaltete Diskussion. Wo dergleichen stattzufinden schien, wie in den Seminarübungen, da schwieg Graf Kuki. Die Gespräche, die ich meine, ergaben sich wie ein freies Spiel in unserem Hause, wohin Graf Kuki auch bisweilen mit seiner Frau kam, die dann eine festliche japanische Kleidung trug. Die ostasiatische Welt leuchtete dadurch heller, und die Gefahr unserer Gespräche kam deutlicher zum Vorschein. J
Ich verstehe immer noch nicht, was Sie meinen.
F Die Gefahr unserer Gespräche verbarg sich in der Sprache selbst, nicht in dem, was wir durchsprachen, auch nicht in dem, wie wir dies versuchten. J
Aber Graf Kuki beherrschte doch die deutsche Sprache, die französische und die englische Sprache ungewöhnlich gut.
F Gewiß. Er konnte, was zur Erörterung stand, in europäischen Sprachen sagen. Wir erörterten aber das Iki; dabei blieb mir der japanische Sprachgeist verschlossen; und er ist es heute noch.
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J
Die Sprachen des Gespräches verlagerten alles in das Europäische.
F Zu sagen jedoch versuchte das Gespräch das Wesentliche der ostasiatischen Kunst und Dichtung. J
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Jetzt verstehe ich schon eher, wo Sie die Gefahr wittern. Die Sprache des Gespräches zerstörte fortgesetzt die Möglichkeit, das zu sagen, was besprochen wurde.
F Vor einiger Zeit nannte ich, unbeholfen genug, die Sprache das Haus des Seins.* Wenn der Mensch durch seine Sprache im Anspruch des Seins wohnt, dann wohnen wir Europäer vermutlich in einem ganz anderen Haus als der ostasiatische Mensch. J
Gesetzt, daß die Sprachen hier und dort nicht bloß verschieden, sondern von Grund aus anderen Wesens sind.
F So bleibt denn ein Gespräch von Haus zu Haus beinahe unmöglich. J
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Sie sagen mit Recht »beinahe«. Denn ein Gespräch war es immer noch; und, wie ich vermuten möchte, ein erregendes. Denn Graf Kuki kam in seinen Seminarübungen, die er an der Universität Kyoto mit uns abhielt, immer wieder auf die Gespräche mit Ihnen zurück. Meistens geschah es dann, wenn wir darauf drängten, deutlicher den Grund zu erkennen, der ihn damals bewogen hat, nach Deutschland zu reisen, um bei Ihnen zu lernen. Ihr Buch »Sein und Zeit«** war damals noch nicht erschienen. Aber mehrere japanische Professoren, darunter unser hochverehrter Professor
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Tanabe¯,* gingen nach dem ersten Weltkrieg zu Husserl nach Freiburg i. Br., um bei ihm die Phänomenologie zu studieren. Von da her kannten meine Landsleute Sie persönlich. F Was Sie erwähnen, trifft zu. Ich las in jenen Jahren als Assistent bei Husserl regelmäßig jede Woche mit den Herren aus Japan Husserls erstes Hauptwerk, die »Logischen Untersuchungen«.** Der Meister selbst schätzte in jener Zeit sein um die Jahrhundertwende erschienenes Werk nicht mehr besonders hoch ein. Ich selbst hatte jedoch meine Gründe, weshalb ich den »Logischen Untersuchungen« für die Zwecke einer Einführung in die Phänomenologie den Vorzug gab. Und der Meister duldete großzügig meine Wahl.a J
Unsere Professoren hörten damals, ich glaube, es war im Jahre 1921, eine Vorlesung bei Ihnen. Sie brachten eine Nachschrift mit nach Japan. Der Titel lautete, wenn ich mich nicht täusche: »Ausdruck und Erscheinung«.b
F Dies war jedenfalls das Thema der Vorlesung. Allein, Professor Kuki muß doch besondere Gründe gehabt haben, daß er zu mir nach Marburg kam. J
Allerdings, und ich glaube, die Gründe gehen auf jene Vorlesung zurück, deren Nachschrift in Japan auch anderwärts viel besprochen wurde.
a
Prof. Tanabe [sic] vgl. Festschr[ift] z[um] 70. Geburtstag 1959 Beitrag v[on] H. Tanabe [sic] Todesdialektik*** richtig Phänomenologie d[er] Anschauung und des Ausdrucks 1920****
b
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F Nachschriften sind freilich trübe Quellen; überdies war die Vorlesung sehr unvollkommen. Indes regte sich darin der Versuch, einen Weg zu gehen, von dem ich nicht wußte, wohin er führen werde. Nur seine nächsten Ausblicke waren mir bekannt, weil sie mich unablässig lockten, wenngleich sich der Gesichtskreis öfters verschob und verdunkelte. J
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Davon müssen auch meine Landsleute etwas geahnt haben. Man hörte immer wieder, daß Ihre Fragen um das Problem der Sprache und des Seins kreisten.
F Dies war auch nicht allzu schwer zu erkennen; denn schon im Titel meiner Habilitationsschrift aus dem Jahre 1915 »Die Kategorien- und Bedeutungslehre des Duns Scotus«* kamen die beiden Ausblicke zum Vorschein: »Kategorienlehre« ist der übliche Name für die Erörterung des Seins des Seienden; »Bedeutungslehre« meint die grammatica specu lativa, die metaphysische Besinnung auf die Sprache in ihrem Bezug zum Sein. Doch all diese Verhältnisse waren mir damals noch undurchsichtig. J
Darum haben Sie auch zwölf Jahre geschwiegen.
F Und ich habe das 1927 erschienene Buch »Sein und Zeit« Husserl gewidmet, weil die Phänomenologie Möglichkeiten eines Weges schenkte. J
Mir scheint jedoch, die Thematik »Sprache und Sein« blieb im Hintergrund.
F Sie blieb es schon in der von Ihnen genannten Vorle-
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sung aus dem Jahre 1921. So stand es auch mit den Fragen nach der Dichtung und der Kunst. In jener Zeit des Expressionismus waren mir diese Bereiche stets gegenwärtig, mehr jedoch und schon aus meiner Studienzeit vor dem ersten Weltkrieg die Dichtung Hölderlins und Trakls. Und noch früher, in den letzten Jahren am Gymnasium, datumsmäßig im Sommer 1907, traf mich die Frage nach dem Sein in der Gestalt der Dissertation von Franz Brentano, dem Lehrer von Husserl. Sie ist betitelt: »Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles«* und stammt aus dem Jahr 1862. Dieses Buch schenkte mir damals mein väterlicher Freund und Landsmann, der spätere Erzbischof von Freiburg i. Br., Dr. Conrad Gröber.** Zu jener Zeit war er Stadtpfarrer an der Dreifaltigkeitskirche in Konstanz. J
Besitzen Sie dieses Buch noch?
F Hier können Sie es sehen und den Eintrag lesen, der lautet: Mein erster Leitfaden durch die griechische Philosophie während der Gymnasialzeit. Ich erzähle Ihnen dies alles nicht, um die Meinung zu erwecken, ich hätte damals schon alles gewußt, was ich heute noch frage. Aber vielleicht bestätigt sich Ihnen, der Sie als Professor für deutsche Literatur Hölderlins Werk besonders lieben und kennen, ein Wort des Dichters, das in der vierten Strophe der Rheinhymne anhebt: »… Denn / Wie du anfiengst, wirst du bleiben,«*** J
Das Fragen nach Sprache und Sein ist vielleicht ein Geschenk des Lichtstrahls, der Sie getroffen.
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F Wer dürfte sich die Zuwendung eines solchen Geschenkes anmaßen? Ich weiß nur dies eine: Weil die Besinnung auf Sprache und Sein meinen Denkweg von früh an bestimmt, deshalb bleibt die Erörterung möglichst im Hintergrund. Vielleicht ist es der Grundmangel des Buches »Sein und Zeit«, daß ich mich zu früh zu weit vorgewagt habe. J
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Dies läßt sich von Ihren Gedanken über die Sprache kaum behaupten.
F Freilich weniger, denn ich habe erst zwanzig Jahre nach der Habilitationsschrift in einer Vorlesung gewagt, die Frage nach der Sprache zu erörtern. Es geschah um dieselbe Zeit, da ich die ersten Auslegungen von Hölderlins Hymnen in Vorlesungen mitteilte. Im Sommersemester des Jahres 1934 hielt ich eine Vorlesung unter dem Titel: »Logik«.* Es war jedoch eine Besinnung auf den loÂgow, worin ich das Wesen der Sprache suchte. Indes dauerte es noch einmal beinahe ein Jahrzehnt, bis ich zu sagen vermochte, was ich dachte – das gemäße Wort fehlt auch heute noch. Der Ausblick für das Denken, das dem Wesen der Sprache zu entsprechen sich abmüht, bleibt in seiner ganzen Weite noch verhüllt. Darum sehe ich noch nicht, ob, was ich als Wesen der Sprache zu denken versuche, auch dem Wesen der ostasiatischen Sprache genügt, ob am Ende gar, was zugleich der Anfang wäre, ein Wesen der Sprache zur denkenden Erfahrung gelangen kann, das die Gewähr schenkte, daß europäisch-abendländisches und ostasiatisches Sagen auf eine Weise ins Gespräch kämen, in der Solches singt, das einer einzigen Quelle entströmt.
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J
Die aber dann beiden Sprachwelten noch verborgen bliebe.
F Dies meine ich. Darum ist mir Ihr Besuch besonders willkommen. Weil Sie schon Dramen von Kleist und einige meiner Vorträge über Hölderlin ins Japanische übersetzt haben, weil Ihr Nachdenken im besonderen der Dichtung gilt, besitzen Sie ein helleres Ohr für die Fragen, die ich schon vor nahezu fünfunddreißig Jahren an Ihre Landsleute richtete. J
Sie dürfen mein Vermögen nicht überschätzen, zumal da ich von unserer japanischen Dichtung her immer noch Mühe habe, die europäische Dichtung wesensgerecht zu erfahren.
F Wenn auch die Gefahr bleibt, die unser in deutscher Sprache geführtes Gespräch notwendig in sich birgt, so glaube ich doch, daß ich selber inzwischen einiges gelernt habe, um besser zu fragen als vor mehreren Jahrzehnten. J
Damals gingen die Gespräche meiner Landsleute mit Ihnen, im Anschluß an Ihre Vorlesung, nach einer anderen Richtung.
F Deshalb frage ich Sie jetzt: Welche Gründe veranlaßten die japanischen Professoren und hernach vor allem den Grafen Kuki, jener Vorlesungsnachschrift eine besondere Beachtung zu schenken? J
Ich kann nur von den Darlegungen Kukis berichten. Völlig klar wurden sie mir nie; denn er berief sich bei
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der Kennzeichnung Ihres Denkens häufig auf die Namen »Hermeneutik« und »hermeneutisch«. F Ich gebrauchte diese Titel, soweit ich erinnere, zuerst in einer späteren Vorlesung, im Sommer 1923.* Damals begann ich die ersten Niederschriften zu »Sein und Zeit«. J
Graf Kuki gelang es nach unserem Urteil nicht, die Titel in einer befriedigenden Weise zu erklären, weder hinsichtlich der Wortbedeutung, noch in bezug auf den Sinn, demgemäß Sie von einer hermeneutischen Phänomenologiea sprachen. Kuki betonte nur stets, der Name solle eine neue Richtung der Phänomenologie bezeichnen.
F So mag es wohl ausgesehen haben. Indessen kam es mir weder auf eine Richtung innerhalb der Phänomenologie noch gar auf das Neue an. Ich versuchte vielmehr umgekehrt, das Wesen der Phänomenologie ursprünglicher zu denken, um sie auf diese Weise eigens in ihre Zugehörigkeit zur abendländischen Philosophie zurückzufügen. J
Doch warum wählten Sie den Titel »Hermeneutik«?**
F Die Antwort auf Ihre Frage steht in der Einleitung zu »Sein und Zeit« (§ 7 C). Aber ich sage Ihnen gern einiges dazu, was dem Gebrauch des Namens den Anschein des Zufälligen nimmt.
a
〈hermeneutischen Phänomenologie〉 – 120 ff.
102
AUS EINEM GESPRÄCH VON DER SPRACHE
J Ich erinnere mich, daß man sich gerade daran gestoßen hat. F Der Titel »Hermeneutik« war mir aus meinem Theologiestudium her geläufig. Damals wurde ich besonders von der Frage des Verhältnisses zwischen dem Wort der Heiligen Schrift und dem theologisch-spekulativen Denken umgetrieben. Es war, wenn Sie wollen, dasselbe Verhältnis, nämlich zwischen Sprache und Sein, nur verhüllt und mir unzugänglich, so daß ich auf vielen Um- und Abwegen vergeblich nach einem Leitfaden suchte. J
Ich kenne die christliche Theologie zu wenig, um zu überschauen, was Sie erwähnen. Aber offenbar sind Sie durch Herkunft und Studiengang in der Theologie ganz anders beheimatet als diejenigen, die von außen her sich einiges anlesen, was in diesen Bereich gehört.
F Ohne diese theologische Herkunft wäre ich nie auf den Weg des Denkens gelangt. Herkunft aber bleibt stets Zukunft. J
Wenn beide einander rufen und die Besinnung in solchem Rufen einheimisch wird …
F und so zur wahren Gegenwart. – Später fand ich den Titel »Hermeneutik« bei Wilhelm Dilthey in seiner Theorie der historischen Geisteswissenschaften wieder.* Dilthey war die Hermeneutik aus der selben Quelle her vertraut, aus seinem Theologiestudium, insbesondere aus seiner Beschäftigung mit Schleiermacher.
AUS EINEM GESPRÄCH VON DER SPRACHE
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[96]
J
[97]
Hermeneutik ist, soweit ich aus der Philologie unterrichtet bin, eine Wissenschaft, die von den Zielen, Wegen und Regeln der Auslegung literarischer Werke handelt.
F Zuerst und maßgebend bildete sie sich aus im Verein mit der Auslegung des Buches der Bücher, der Bibel. Aus Schleiermachers handschriftlichem Nachlaß wurde eine Vorlesung herausgegeben unter dem Titel: »Hermeneutik und Kritik mit besonderer Beziehung auf das Neue Testament« (1838). Ich habe diese Vorlesung zur Hand und lese Ihnen die beiden ersten Sätze der »Allgemeinen Einleitung« vor: »Hermeneutik und Kritik, beide philologische Disciplinen, beide Kunstlehren, gehören zusammen, weil die Ausübung einer jeden die andere voraussetzt. Jene ist im allgemeinen die Kunst, die Rede eines andern, vornehmlich die schriftliche, richtig zu verstehen, diese die Kunst, die Ächtheit der Schriften und Schriftstellen richtig zu beurtheilen und aus genügenden Zeugnissen und Datis zu constatiren.«* J
Darnach kann die Hermeneutik, im passenden Sinne erweitert, die Theorie und Methodenlehre für jede Art der Interpretation, z. B. auch der Werke der bildenden Kunst, bezeichnen.
F Durchaus. J
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Gebrauchen Sie den Namen Hermeneutik in diesem weiten Sinne?
AUS EINEM GESPRÄCH VON DER SPRACHE
F Soll ich im Stil Ihrer Frage bleiben, dann muß ich antworten: Der Name Hermeneutik ist in »Sein und Zeit« in einer noch weiteren Bedeutung gebraucht; »weiter« meint hier allerdings nicht die bloße Ausweitung derselben Bedeutung auf einen noch größeren Geltungsbereich; »weiter« besagt: aus jener Weite, die aus dem anfänglichen Wesen entspringt. Hermeneutik meint in »Sein und Zeit« weder die Lehre von der Auslegungskunst noch das Auslegen selbst, vielmehr den Versuch, das Wesen der Auslegung allererst aus dem Hermeneutischen zu bestimmen. J
Doch was heißt dann hermeneutisch? Ich wage nicht, obzwar dies nahe liegt, dem Verdacht nachzugeben, daß Sie jetzt das Wort »hermeneutisch« willkürlich gebrauchen. Wie dem auch sei, mir liegt daran, von Ihnen eine, wenn ich so sagen darf, authentische Erklärung Ihres Sprachgebrauches zu hören, sonst bleibt auch fernerhin unklar, von woher das Nachsinnen des Grafen Kuki bewegt wurde.
F Ich entspreche Ihrer Bitte gern. Nur dürfen Sie nicht zuviel erwarten. Denn die Sache ist rätselhaft, und vielleicht handelt es sich auch gar nicht um eine Sache. J
Eher um einen Vorgang.
F Oder um einen Sach-Verhalt. Doch wir geraten mit solchen Namen alsbald ins Unzureichende. J
Dies aber doch nur dann, wenn wir jenes schon irgendwie im Blick haben, wohin unser Sagen reichen möchte.
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[98]
F Es wird Ihnen kaum entgangen sein, daß ich in meinen späteren Schriften die Namen »Hermeneutik« und »hermeneutisch« nicht mehr verwende. J
[99]
Man sagt, Sie hätten Ihren Standpunkt gewechselt.
F Ich habe einen früheren Standpunkt verlassen, nicht um dagegen einen anderen einzutauschen, sondern weil auch der vormalige Standort nur ein Aufenthalt war in einem Unterwegs. Das Bleibende im Denken ist der Weg. Und Denkwege bergen in sich das Geheimnisvolle, daß wir sie vorwärts und rückwärts gehen können, daß sogar der Weg zurück uns erst vorwärts führt. J
»Vorwärts« meinen Sie offenbar nicht im Sinne eines Fortschrittes, sondern … sondern … mir fällt es schwer, das rechte Wort zu finden.
F »Vor« – in jenes Nächste, das wir ständig übereilen, das uns jedesmal neu befremdet, wenn wir es erblicken. J
Was wir darum alsbald wieder aus dem Blick entlassen, um uns an das Geläufige und Förderliche zu halten.
F Dagegen uns das stets übereilte Nahe eher zurückbringen möchte. J
Zurück ja, aber wohin?
F In das Anfangende. J
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Dies zu verstehen fällt mir schwer, wenn ich es aus dem
AUS EINEM GESPRÄCH VON DER SPRACHE
her denken soll, was Sie bislang darüber in Ihren Schriften sagten. F Gleichwohl haben Sie schon darauf gedeutet, als Sie die Gegenwart nannten, die dem Einanderrufen von Herkunft und Zukunft entquillt. J
Was Sie vielleicht vermuten, sehe ich sogleich klarer, wenn ich aus unseren japanischen Erfahrungen denke. Doch bin ich dessen nicht gewiß, ob Sie das Selbe im Blick haben.
F Dies könnte sich in unserem Gespräch bewähren. J
[100]
Uns Japaner befremdet es nicht, wenn ein Gespräch das eigentlich Gemeinte im Unbestimmten läßt, es sogar ins Unbestimmbare zurückbirgt.
F Dies gehört, meine ich, zu jedem geglückten Gespräch zwischen Denkenden. Es vermag wie von selbst darauf zu achten, daß jenes Unbestimmbare nicht nur nicht entgleitet, sondern im Gang des Gespräches seine versammelnde Kraft immer strahlender entfaltet. J
An diesem Glückhaften fehlte es wohl unseren Gesprächen mit dem Grafen Kuki. Wir Jüngeren forderten ihn zu unmittelbar heraus, unser Wissenwollen durch handliche Auskünfte zufrieden zu stellen.
F Das Wissenwollen und die Gier nach Erklärungen bringen uns niemals in ein denkendes Fragen. Wissenwollen ist stets schon die versteckte Anmaßung eines Selbstbewußtseins, das sich auf eine selbsterfundene
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Vernunft und deren Vernünftigkeit beruft. Wissenwollen will nicht, daß es vor dem Denkwürdigen verhoffe. J
So wollten wir in der Tat nur wissen, inwiefern die europäische Ästhetik geeignet sei, dasjenige in eine höhere Klarheit zu heben, woraus unsere Kunst und Dichtung ihr Wesen empfangen.
F Und dies wäre? J [101]
Wir haben dafür den schon erwähnten Namen Iki.
F Wie oft hörte ich dieses Wort aus Kukis Mund, ohne doch das darin Gesagte zu erfahren. J
Indessen muß für Kuki durch das von Ihnen gemeinte Hermeneutische irgendwie das Iki in ein helleres Licht gelangt sein.
F Dergleichen spürte ich wohl, konnte jedoch seine Einsichten nie nachvollziehen. J
Was Sie daran hinderte, nannten Sie schon: Die Sprache des Gespräches war die europäische; zu erfahren und zu denken galt es jedoch das ostasiatische Wesen der japanischen Kunst.
F Was wir besprachen, war im vorhinein in den europäischen Vorstellungsbezirk herübergezwungen. J
Woran merkten Sie dies?
F An der Art, wie Kuki das Grundwort Iki erläuterte. Er
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sprach vom sinnlichen Scheinen, durch dessen lebhaftes Entzücken Übersinnliches hindurchscheint. J
Kuki hat, so meine ich, mit dieser Darlegung das getroffen, was wir in der japanischen Kunst erfahren.
F Ihre Erfahrung bewegt sich demnach im Unterschied einer sinnlichen und übersinnlichen Welt. Auf dieser Unterscheidung ruht, was man seit langem die abendländische Metaphysik nennt. J
Sie rühren jetzt mit dem Hinweis auf den die Metaphysik durchherrschenden Unterschied an die Quelle der Gefahr, von der wir sprachen. Unser Denken, wenn ich es so nennen darf, kennt zwar Ähnliches wie den metaphysischen Unterschied; dennoch läßt sich die Unterscheidung selbst und damit ihr Unterschiedenes nicht durch die abendländischen metaphysischen Begriffe fassen. Wir sagen Iro, d. h. Farbe, und sagen Ku, d. h. das Leere, das Offene, der Himmel. Wir sagen: ohne Iro kein Ku.
F Dies scheint genau dem zu entsprechen, was die europäische, d. h. metaphysische Lehre von der Kunst sagt, wenn sie die Kunst ästhetisch vorstellt. Das aiÆsûhtoÂn, das wahrnehmbare Sinnliche, läßt das nohtoÂn, das Nichtsinnliche, durchscheinen. J
Sie verstehen jetzt, wie groß die Versuchung für Kuki war, das Iki mit Hilfe der europäischen Ästhetik, das heißt, nach Ihrem Hinweis, metaphysisch zu bestimmen.
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[102]
F Noch größer war und bleibt meine Befürchtung, daß auf diesem Weg das eigentliche Wesen der ostasiatischen Kunst verdeckt und in einen ihr ungemäßen Bezirk verschoben werde. J
Ich teile durchaus Ihre Befürchtung; denn Iro nennt zwar die Farbe und meint doch wesentlich mehr als das sinnlich Wahrnehmbare jeder Art. Ku nennt zwar das Leere und Offene und meint doch anderes als das Nur-Übersinnliche.
F Ihre Andeutungen, denen ich bloß aus der Ferne folgen kann, steigern meine Unruhe. Noch größer als die erwähnte Befürchtung ist in mir die Erwartung, unser Gespräch, aus dem Andenken an den Grafen Kuki entsprungen, könnte glücken. [103]
J Sie meinen, es könnte uns dem Ungesagten näher bringen? F Dadurch wäre uns schon ein Reichtum an Denkwürdigem gewährt. J
Warum sagen Sie »wäre«?
F Weil ich jetzt noch deutlicher die Gefahr sehe, daß die Sprache unseres Gespräches fortgesetzt die Möglichkeit zerstört, das zu sagen, was wir besprechen. J
110
Weil die Sprache selbst auf dem metaphysischen Unterschied des Sinnlichen und Nichtsinnlichen beruht, insofern die Grundelemente Laut und Schrift auf der
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einen und Bedeutung und Sinn auf der anderen Seite den Bau der Sprache tragen. F Wenigstens im Gesichtskreis des europäischen Vorstellens. Ob es bei Ihnen auch so steht? J
Wohl kaum. Aber, wie ich schon andeutete, die Versuchung, europäische Vorstellungsweisen und deren Begriffe zu Hilfe zu rufen, ist groß.
F Sie wird durch einen Vorgang bestärkt, den ich die vollständige Europäisierung der Erde und des Menschen nennen möchte. J
Viele sehen in diesem Vorgang den Triumphzug der Vernunft. Sie wurde doch am Ende des 18. Jahrhunderts während der Französischen Revolution als Göttin ausgerufen.
F Gewiß. Man geht denn auch in der Vergötzung dieser Gottheit so weit, daß man jedes Denken, das den Anspruch der Vernunft als einen nicht ursprünglichen zurückweist, nur noch als Unvernunft verlästern kann. J
Man findet die unantastbare Herrschaft Ihrer europäischen Vernunft durch die Erfolge der Rationalität bestätigt, die der technische Fortschritt stündlich vor Augen führt.
F Die Verblendung wächst, so daß man auch nicht mehr zu sehen vermag, wie die Europäisierung des Menschen und der Erde alles Wesenhafte in seinen Quellen anzehrt. Es scheint, als sollten diese versiegen.
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[104]
J
Ein treffendes Beispiel für das, was Sie meinen, ist der international bekannte Film »Rashomon«.* Vielleicht haben Sie ihn gesehen.
F Zum Glück ja; doch zum Unglück nur ein einziges Mal. Ich glaubte, dabei das Bezaubernde der japanischen Welt zu erfahren, das in das Geheimnisvolle entführt. Darum verstehe ich nicht, inwiefern Sie gerade diesen Film als ein Beispiel der alles verzehrenden Europäisierung vorbringen. J
Wir Japaner finden die Darstellung vielfach zu realistisch, z. B. in den Zweikampfszenen.
F Doch erscheinen nicht auch verhaltene Gebärden? J
[105]
Unscheinbares dieser Art fließt in Fülle und kaum merklich für das europäische Betrachten durch diesen Film. Ich denke an eine aufruhende Hand, in der sich ein Berühren versammelt, das unendlich weit von jeglichem Betasten entfernt bleibt, nicht einmal Gebärde mehr heißen darf in dem Sinne, wie ich Ihren Sprachgebrauch zu verstehen meine. Denn diese Hand ist von einem weither und noch weiterhin rufenden Anruf durchtragen, weil aus der Stille zugetragen.
F Aber im Blick auf solche Gebärden, die anders sind als die unseren, verstehe ich dann vollends nicht, weshalb Sie diesen Film als Beispiel der Europäisierung nennen können. J
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Dies läßt sich auch nicht verstehen, weil ich mich noch
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unzureichend ausdrückte. Um es jedoch zu leisten, bedarf ich gerade Ihrer Sprache. F Und Sie achten dabei der Gefahr nicht? J
Vielleicht läßt sie sich für Augenblicke bannen.
F Solange Sie vom Realistischen sprechen, reden Sie die Sprache der Metaphysik und bewegen sich im Unterschied des Realen als des Sinnlichen gegenüber dem Idealen als dem Nichtsinnlichen. J
Sie haben recht. Allein mit dem Hinweis auf das Realistische meinte ich nicht so sehr das hier und dort eingestreute Massive der Darstellung, das mit Rücksicht auf nicht-japanische Zuschauer ohnehin unvermeidlich bleibt. Ich meinte im Grunde mit dem Hinweis auf das Realistische des Films etwas ganz anderes, nämlich dies, daß die japanische Welt überhaupt in das Gegenständliche der Photographie eingefangen und für diese eigens gestellt ist.
F Sie möchten, wenn ich recht hingehört habe, sagen, daß die ostasiatische Welt und das technisch-ästhetische Produkt der Filmindustrie miteinander unvereinbar sind. J Dies meine ich. Gleichviel wie die ästhetische Qualität eines japanischen Films ausfallen mag, schon die Tatsache, daß unsere Welt in den Film herausgestellt wird, drängt diese Welt in den Bezirk dessen, was Sie das Gegenständige nennen. Die filmische Vergegenständi-
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113
[106]
gung ist bereits eine Folge der immer weiter vorausgreifenden Europäisierung. F Ein Europäer wird nur schwer begreifen, was Sie sagen. J
Gewiß, und vor allem deshalb, weil die vordergründige Welt Japans durchaus europäisch oder, wenn Sie wollen, amerikanisch ist. Die hintergründige japanische Welt, besser gesagt, das, was sie selber ist, erfahren Sie dagegen im No-Spiel.
F Ich kenne nur eine Schrift darüber. J
Welche, wenn ich fragen darf?
F Die Akademieabhandlung von Benl.* J
Sie ist nach japanischem Urteil äußerst gründlich gearbeitet und weitaus das Beste, was Sie über das NoSpiel lesen können.
F Doch mit dem Lesen ist es wohl nicht getan. J
[107]
Sie müßten solchen Spielen beiwohnen. Aber selbst dies bleibt schwer, solange Sie nicht japanisches Dasein zu bewohnen vermögen. Damit Sie einiges, wenn auch nur aus der Ferne, von dem erblicken, was das No-Spiel bestimmt, möchte ich Ihnen durch eine Bemerkung weiterhelfen. Sie wissen, daß die japanische Bühne leer ist.
F Diese Leere verlangt eine ungewöhnliche Sammlung. J
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Dank ihrer bedarf es dann nur noch einer geringen
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Gebärde des Schauspielers, um Gewaltiges aus einer seltsamen Ruhe erscheinen zu lassen. F Wie meinen Sie dies? J
Wenn z. B. eine Gebirgslandschaft erscheinen soll, dann hebt der Schauspieler langsam die offene Hand und hält sie in der Höhe der Augenbrauen still über dem Auge. Darf ich es Ihnen zeigen?
F Ich bitte Sie darum. (Der Japaner hebt und hält die Hand in der beschriebenen Weise.)
F Das ist allerdings eine Gebärde, in die sich ein Europäer kaum finden kann. J
Dabei beruht die Gebärde weniger in der sichtbaren Bewegung der Hand, nicht zuerst in der Körperhaltung. Das Eigentliche dessen, was in Ihrer Sprache »Gebärde« heißt, läßt sich schwer sagen.
F Und doch ist dieses Wort vielleicht eine Hilfe, das zu-Sagende wahrhaft zu erfahren. J
Am Ende deckt sich dies mit dem, was ich meine.
F Gebärde ist Versammlung eines Tragens. J
Sie sagen wohl absichtlich nicht: unseres Tragens, unseres Betragens.
F Weil das eigentlich Tragende uns sich erst zu-trägt.
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J
Wir jedoch ihm nur unseren Anteil entgegentragen.
F Wobei jenes, was sich uns zuträgt, unser Entgegentragen schon in den Zutrag eingetragen hat. J
Gebärde nennen Sie demnach: die in sich ursprünglich einige Versammlung von Entgegentragen und Zutrag.
F Die Gefahr dieser Formel bleibt allerdings, daß man die Versammlung als einen nachträglichen Zusammenschluß vorstellt … J
statt zu erfahren, daß alles Tragen, Zutrag und Entgegentragen, erst und nur der Versammlung entquillt.
F Wenn es uns glückte, die Gebärde in diesem Sinne zu denken, wo würden wir dann das Eigentliche der Gebärde suchen, die Sie mir zeigten? J
In einem selbst unsichtbaren Schauen, das sich so gesammelt der Leere entgegenträgt, daß in ihr und durch sie das Gebirge erscheint.
F Die Leere ist dann dasselbe wie das Nichts, jenes Wesende nämlich, das wir als das Andere zu allem An- und Abwesenden zu denken versuchen. J
[109]
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Gewiß. Deshalb haben wir in Japan den Vortrag »Was ist Metaphysik?« sogleich verstanden, als er im Jahre 1930 durch die Übersetzung zu uns gelangte, die ein japanischer Student, der damals bei Ihnen hörte, gewagt hat.* – Wir wundern uns heute noch, wie die
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Europäer darauf verfallen konnten, das im genannten Vortrag erörterte Nichts nihilistisch zu deuten. Für uns ist die Leere der höchste Name für das, was Sie mit dem Wort »Sein« sagen möchten … F in einem Denkversuch, dessen erste Schritte auch heute noch unumgänglich sind. Er wurde freilich zum Anlaß einer großen Verwirrung, die in der Sache begründet ist und mit dem Gebrauch des Namens »Sein« zusammenhängt. Denn eigentlich gehört dieser Name in das Eigentum der Sprache der Metaphysik, während ich das Wort in den Titel einer Bemühung setzte, die das Wesen der Metaphysik zum Vorschein und sie dadurch erst in ihre Grenzen einbringt. J
Wenn Sie von einer Überwindung der Metaphysik sprechen, meinen Sie dies.
F Dies allein; weder eine Zerstörung noch auch nur eine Verleugnung der Metaphysik. Dergleichen zu wollen, wäre eine kindische Anmaßung und eine Herabsetzung der Geschichte. J
Uns war es aus der Ferne immer schon verwunderlich, daß man sich nicht genug tun kann, Ihnen ein abwehrendes Verhältnis zur Geschichte des bisherigen Denkens anzusinnen, wo Sie doch nur eine ursprüngliche Aneignung anstreben.
F Über deren Gelingen man streiten kann und soll. J
Daß dieser Streit noch nicht in die rechte Bahn fand, liegt neben vielen anderen Beweggründen in der
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Hauptsache an der Verwirrung, die Ihr zweideutiger Gebrauch des Wortes »Sein« stiftete. [110]
F Sie haben recht; das Verfängliche ist nur, daß man die veranlaßte Verwirrung nachträglich meinem eigenen Denkversuch zuschreibt, der auf seinem Weg klar den Unterschied zwischen »Sein« als »Sein von Seiendem« und »Sein« als »Sein« hinsichtlich des ihm eigenen Sinnes, d. h. seiner Wahrheit (Lichtung) kennt. J
Weshalb überließen Sie das Wort »Sein« nicht sogleich und entschieden ausschließlich der Sprache der Metaphysik? Warum gaben Sie dem, was Sie als den »Sinn von Sein« auf dem Weg durch das Wesen der Zeit suchten, nicht sogleich einen eigenen Namen?
F Wie soll einer nennen, was er erst sucht? Das Finden beruht doch im Zuspruch des nennenden Wortes. J
So muß die entstandene Verwirrung ausgehalten werden.
F Allerdings, und vielleicht lange und nur so, daß wir uns sorgfältig um die Entwirrung mühen. J
Nur sie führt ins Freie.
F Aber der Weg dahin läßt sich nicht wie eine Straße planmäßig abstecken. Das Denken huldigt einem, fast möchte ich sagen, wundersamen Wegebau. J
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Bei dem die Bauenden bisweilen zu den verlassenen
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Baustellen oder gar noch hinter sie zurückkehren müssen. F Ich wundere mich über Ihre Einsicht in die Art der Denkwege. J Wir haben darin eine reiche Erfahrung; nur ist sie nicht auf die Form einer begrifflichen Methodenlehre gebracht, die jede Regsamkeit der Denkschritte zerstört. Überdies haben Sie selbst mir den Anlaß gegeben, den Weg Ihres Denkens deutlicher zu sehen. F Wodurch? J
Sie haben neuerdings, obgleich Sie mit dem Wort »Sein« sparsam umgehen, diesen Namen doch wieder in einem Zusammenhang gebraucht, der mir sogar als das Wesentlichste Ihres Denkens immer näher kommt. Sie kennzeichnen im »Brief über den Humanismus« die Sprache als das »Haus des Seins«; Sie haben heute zu Beginn unseres Gespräches selber auf diese Wendung hingewiesen. Und während ich daran erinnere, muß ich bedenken, daß unser Gespräch weit von seinem Weg abgekommen ist.
F So scheint es. In Wahrheit sind wir jedoch dabei, erst auf seinen Weg zu gelangen. J
Dies überschaue ich im Augenblick nicht. Wir versuchten, über Kukis ästhetische Auslegung des Iki zu sprechen.
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[111]
F Wir versuchten es und konnten dabei nicht umhin, die Gefahr solcher Gespräche zu bedenken. J
Wir erkannten, daß die Gefahr im verborgenen Wesen der Sprache beruht.
F Und soeben nannten Sie die Wendung »Haus des Seins«, die das Wesen der Sprache andeuten möchte. [112]
J So sind wir in der Tat auf dem Weg des Gespräches geblieben. F Wohl nur deshalb, weil wir, ohne es recht zu wissen, dem gehorchten, was allein nach Ihren Worten ein Gespräch glücken läßt. J
Es ist jenes unbestimmte Bestimmende …
F dem wir die unversehrte Stimme seines Zuspruches lassen. J
Auf die Gefahr, daß diese Stimme in unserem Fall die Stille selbst ist.
F Woran denken Sie jetzt? J
An das Selbe, was Sie meinen, an das Wesen der Sprache.
F Es ist das Bestimmende unseres Gespräches. Aber zugleich dürfen wir nicht daran rühren.
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J
Gewiß nicht, wenn Sie darunter das Greifen im Sinne Ihrer europäischen Begriffsbildungen verstehen.
F Diese meine ich allerdings nicht. Auch die Wendung »Haus des Seins« liefert keinen Begriff des Wesens der Sprache, zum Leidwesen der Philosophen, deren Unmut in solchen Wendungen nur noch einen Verfall des Denkens findet. J
Auch mir gibt Ihre Wendung »Haus des Seins« viel zu denken, aber aus anderen Gründen. Weil ich fühle, daß sie an das Wesen der Sprache rührt, ohne es zu verletzen. Denn wenn es dessen bedarf, daß wir dem Bestimmenden seine Stimme lassen, dann heißt dies keinesfalls, wir sollten dem Wesen der Sprache nicht nachdenken. Entscheidend ist nur die Weise, in der es versucht wird.
F Darum fasse ich jetzt den Mut zu einer Frage, die mich seit langem beunruhigt, zu der Ihr unverhoffter Besuch mich jetzt beinahe zwingt. J
Setzen Sie nicht zuviel auf meine Kraft, Ihren Fragen zu folgen. Unser Gespräch hat mich inzwischen ohnehin deutlicher sehen gelehrt, wie unbedacht noch alles ist, was das Wesen der Sprache angeht.
F Zumal für die ostasiatischen und die europäischen Völker das Sprachwesen ein durchaus anderes bleibt. J
Anders auch das, was Sie »Wesen« nennen. Wie soll da unser Nachsinnen ins Freie gelangen?
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[113]
F Am ehesten so, daß wir von Anfang an nicht zuviel verlangen. Darum erlaube ich mir zunächst, Ihnen eine durchaus vorläufige Frage vorzulegen. J
Ich fürchte, schon diese ist kaum zu beantworten, wenn wir die Gefahr unseres Gespräches nicht außer acht lassen.
F Das kann nicht sein, denn wir gehen auf diese Gefahr zu. J
So fragen Sie denn.
F Was versteht die japanische Welt unter Sprache? Noch vorsichtiger gefragt: Haben Sie in Ihrer Sprache ein Wort für das, was wir Sprache nennen? Wenn nicht, wie erfahren Sie das, was bei uns Sprache heißt? [114]
J Diese Frage hat noch niemand an mich gerichtet. Auch scheint mir, daß man in unserer eigenen japanischen Welt dem, was Sie jetzt fragen, keine Beachtung schenkt. Deshalb muß ich Sie bitten, mir einige Augenblicke des Nachdenkens zu gestatten. (Der Japaner schließt die Augen, senkt den Kopf und versinkt in ein langes Nachsinnen. Der Fragende wartet, bis sein Gast das Gespräch wieder aufnimmt.)
J
Es gibt ein japanisches Wort, das eher das Wesen der Sprache sagt, als daß es sich wie ein Name für das Sprechen und die Sprache verwenden läßt.
F Dies verlangt die Sache, wenn anders das Wesen der
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Sprache nichts Sprachliches sein kann. So steht es auch mit der Wendung »Haus des Seins«. J
Ganz aus der Ferne spüre ich eine Verwandtschaft unseres Wortes, das mir jetzt vorschwebt, mit Ihrer Wendung.
F Sie gibt nur einen Wink in das Wesen der Sprache. J
Mir scheint, jetzt haben Sie ein lösendes Wort gesagt.
F Dann wäre der Wink der Grundzug des Wortes. J
Erst jetzt, da Sie vom Wink sprechen, auf welches Wort ich nicht kam, verdeutlicht sich mir, was ich schon vermutete, als ich Ihren »Brief über den Humanismus« las und Ihren Vortrag über Hölderlins Elegie »Heimkunft« ins Japanische übersetzte. Zur gleichen Zeit übersetzte ich Kleists »Penthesilea« und den »Amphitryon«.
F Da muß das Wesen der deutschen Sprache wie ein Sturzbach über Sie gekommen sein. J
Es kam auch. Und während des Übersetzens war mir oft, als wanderte ich zwischen verschiedenen Sprachwesen hin und her, jedoch so, daß mir bisweilen ein Schein zuleuchtete, der mich ahnen ließ, der Wesensquell der grundverschiedenen Sprachen sei derselbe.
F Sie suchten demnach nicht nach einem allgemeinen Begriff, in dem sich die europäischen und die ostasiatischen Sprachen sollten unterbringen lassen.
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[115]
J
Ganz und gar nicht. Wenn Sie jetzt von Winken sprechen, dann ermuntert mich dieses lösende Wort dazu, Ihnen das Wort zu nennen, was uns das Wesen der Sprache – wie soll ich sagen …
F vielleicht: erwinkt. J
Dies trifft. Aber zugleich befürchte ich, die Kennzeichnung der Wendung »Haus des Seins« als Wink könnte Sie und mich dazu verleiten, die Vorstellung vom Winken zu einem Leitbegriff auszuformen, in den wir alles verpacken.
F Dies darf nicht geschehen. J
Wie wollen Sie es verhüten?
F Verhüten im Sinne des vollständigen Ausschließens läßt es sich nie. J [116]
Weshalb nicht?
F Weil die Art des begrifflichen Vorstellens allzu leicht in jede menschliche Erfahrungsweise sich einnistet. J
Auch dort, wo das Denken ein in gewissem Sinne begriffloses ist?
F Auch dort – denken Sie nur daran, wie unversehens Sie Kukis ästhetische Auslegung des Iki als sachgerechte anerkannten, obzwar sie auf dem europäischen, d. h. metaphysischen Vorstellen beruht.
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J
Wenn ich Sie recht verstehe, wollen Sie sagen, die metaphysische Vorstellungsweise sei in gewisser Hinsicht unumgänglich.
F Dies hat Kant auf seine Art klar gesehen. J
Dennoch ermessen wir nur selten die Tragweite seiner Einsicht.
F Weil Kant sie nicht über die Metaphysik hinaus entfalten konnte. Deren ungebrochene Herrschaft richtet sich sogar dort ein, wo wir sie nicht erwarten – in der Ausbildung der Logik zur Logistik. J
Sie sehen darin einen metaphysischen Prozeß?
F Allerdings. Und der Angriff gegen das Wesen der Sprache, der sich darin verbirgt, vielleicht der letzte von dieser Seite, bleibt unbeachtet. J
Um so sorgsamer müssen wir die Wege zum Wesen der Sprache hüten.
F Genug wäre schon, wenn es glückte, erst nur einen Seitenpfad zu diesen Wegen zu bauen. J
Daß Sie von Winken sprechen, scheint mir eine Spur zu einem solchen Pfad zu weisen.
F Doch auch die Rede von einem Wink wagt schon zuviel. J
Wir verstehen nur allzu gut, daß ein Denkender es
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[117]
vorziehen möchte, das zu-sagende Wort zurückzuhalten, nicht um es für sich zu behalten, sondern um es dem Denkwürdigen entgegenzutragen. F Dies entspricht den Winken. Sie sind rätselhaft. Sie winken uns zu. Sie winken ab. Sie winken uns hin zu dem, von woher sie unversehens sich uns zutragen. J
Sie denken die Winke in der Zusammengehörigkeit mit dem, was Sie durch das Wort »Gebärde« erläuterten.
F So ist es. J
Winke und Gebärden sind nach Ihrem Hinweis verschieden von Zeichen und Chiffren, was alles in der Metaphysik beheimatet ist.
F Winke und Gebärden gehören in einen ganz anderen Wesensraum, wenn Sie diesen auch mir verfänglichen Namen erlauben. J
[118]
Was Sie andeuten, bestätigt mir eine lang gehegte Vermutung. Ihre Wendung »Haus des Seins« dürfen wir nicht als ein nur flüchtiges Bild zur Kenntnis nehmen, an dessen Leitfaden man sich Beliebiges einbilden könnte, z. B. dies: Haus ist das irgendwo zuvor aufgerichtete Gehäuse, worin das Sein wie ein transportabler Gegenstand untergebracht wird.
F Diese Vorstellung wird schon hinfällig, wenn wir an die erwähnte Zweideutigkeit des »Seins« denken. In jener Wendung meine ich nicht das metaphysisch vorgestellte
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Sein des Seienden, sondern das Wesen des Seins, genauer der Zwiefalt von Sein und Seiendem, diese Zwiefalt jedoch hinsichtlich ihrer Denkwürdigkeit. J
Wenn wir dies beachten, kann jene Wendung nie zu einem Schlagwort werden.
F Sie ist es schon geworden. J
Weil Sie der heutigen Denkweise zuviel zumuten.
F Zuviel, allerdings, zuviel an solchem, was noch nicht reif geworden. J
Sie meinen so reif, daß es wie die Früchte vom Baum fällt. Mir scheint, solche Worte gibt es nicht. Und ein Sagen, das darauf wartete, entspräche nicht dem Wesen der Sprache. Sie selbst sind doch der Letzte, der solches Sagen beanspruchen wollte.
F Das ist zuviel der Ehre. Ich darf sie Ihnen zurückgeben durch die Vermutung, daß Sie dem Wesen der Sprache näher sind als all unsere Begriffe. J
Nicht ich, aber das Wort, nach dem Sie mich fragen, das Wort, das ich, jetzt um einiges ermuntert, Ihnen kaum vorenthalten darf.
F Weshalb zögern Sie, wenn Sie ermuntert sind? J
Was mich ermuntert, läßt mich zugleich zögern.
F Aus dieser Bemerkung ersehe ich, daß Ihr noch zurückgehaltenes Wort für das Wesen dessen, was wir Sprache
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[119]
nennen, uns eine auch jetzt noch unverhoffte Überraschung bringen wird. J
Mag sein. Indes bedarf diese Überraschung, die Sie so entschieden trifft, wie sie mich seit Ihrer Frage gefangen hält, der Möglichkeit, weit auszuschwingen.
F Darum zögern Sie. J
Ermuntert durch Ihren Hinweis, das Wort sei Wink und nicht Zeichen im Sinne der bloßen Bezeichnung.
F Winke brauchen den weitesten Schwingungsbereich … J
worin die Sterblichen nur langsam hin- und herziehen.
F Dies nennt unsere Sprache »zögern«. Es geschieht wahrhaft, wenn das Langsame durch die Scheu getragen wird. Deshalb möchte ich Ihr Zögern durch kein übereiltes Drängen stören. J
Sie kommen damit meinem Versuch, das Wort zu sagen, hilfreicher entgegen, als Sie dies wissen können.
F Ich verhehle Ihnen nicht, daß Sie mich noch besonders deshalb in eine große Unruhe versetzen, weil ich bisher bei Sprachkennern und Sprachforschern vergeblich nach einer Antwort auf meine Frage gesucht habe. Damit jedoch Ihre Besinnung gut und fast ohne Ihr Zutun ausschwinge, lassen Sie uns die Rollen vertauschen, indem ich das Antworten übernehme, und zwar hinsichtlich Ihrer Frage, die das Hermeneutische betrifft.a
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J
Wir gelangen so auf den zuerst eingeschlagenen Weg unseres Gespräches zurück.
F Wo wir mit der Erläuterung des Hermeneutischen nicht allzu weit gediehen sind. Ich erzählte Ihnen mehr nur Geschichten, die zeigten, wie ich zur Verwendung des Namens gelangte. J
Ich stellte dagegen fest, daß Sie jetzt den Namen nicht mehr gebrauchen.
F Schließlich betonte ich, das Hermeneutische meine, als Beiwort zu »Phänomenologie« gebraucht, nicht wie üblich die Methodenlehre des Auslegens, sondern dieses selbst. J
Dann verlor sich unser Gespräch ins Unbestimmte.
F Zum Glück. J
Gleichwohl danke ich Ihnen, daß Sie noch einmal auf die Hermeneutik zurückkommen.
F Dabei möchte ich etymologisch an das Wort anknüpfen; Sie sehen daraus, daß meine Verwendung des Wortes nicht willkürlich, aber zugleich geeignet war, meinen Versuch mit der Phänomenologie in seiner Absicht zu verdeutlichen. J
Um so mehr wundere ich mich dann, daß Sie inzwischen beide Titel fallen ließen.
F Es geschah nicht, wie viele meinen, um die Bedeutung
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der Phänomenologie zu verleugnen, sondern um meinen Denkweg im Namenlosen zu lassen. J
Was Ihnen kaum gelingen dürfte …
F insofern man in der Öffentlichkeit nicht ohne Titel auskommt. J
Dies kann Sie jedoch nicht hindern, auch die inzwischen aufgegebenen Namen »Hermeneutik« und »hermeneutisch« noch genauer zu erläutern.
F Ich versuche es gern, weil die Erläuterung in eine Erörterung übergehen kann. J
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In dem Sinne, wie Ihr Vortrag über Trakls Gedicht die Erörterung* versteht.
F Genau so. Der Ausdruck »hermeneutisch« leitet sich vom griechischen Zeitwort eërmhneyÂein her. Dies bezieht sich auf das Hauptwort eërmhneyÂw, das man mit dem Namen des Gottes ëErmhÄw zusammenbringen kann in einem Spiel des Denkens, das verbindlicher ist als die Strenge der Wissenschaft. Hermes ist der Götterbote. Er bringt die Botschaft des Geschickes; eërmhneyÂein ist jenes Darlegen, das Kunde bringt, insofern es auf eine Botschaft zu hören vermag. Solches Darlegen wird zum Auslegen dessen, was schon durch die Dichter gesagt ist, die selber nach dem Wort des Sokrates in Platons Gespräch ION (534 e)** eërmhnhÄw eiÆsin tvÄn ûevÄn »Botschafter sind der Götter«. J
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Ich liebe den von Ihnen genannten kleinen Dialog Pla-
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tons. An der Stelle, die Sie meinen, führt Sokrates die Bezüge noch weiter, indem er die Rhapsoden als diejenigen vermutet, die vom Wort der Dichter Kunde bringen. F Aus all dem wird deutlich, daß das Hermeneutische nicht erst das Auslegen, sondern vordem schon das Bringen von Botschaft und Kunde bedeutet. J
Warum heben Sie auf diesen ursprünglichen Sinn des eërmhneyÂein ab?
F Weil dieser mich bewog, mit seiner Hilfe das phänomenologische Denken zu kennzeichnen, das mir den Weg zu »Sein und Zeit« öffnete. Es galt und gilt noch, das Sein des Seienden zum Vorscheina zu bringen; freilich nicht mehr nach der Art der Metaphysik, sondern so, daß das Sein selbst zum Scheinenb kommt. Sein selbst – dies sagt: Anwesen des Anwesenden, d. h. die Zwiefalt beider aus ihrer Einfalt. Sie ist es, die den Menschen zu ihrem Wesen in den Anspruch nimmt. J
Der Mensch west demnach als Mensch, insofern er dem Zuspruch der Zwiefalt entspricht und sie so in ihrer Botschaft bekundet.
F Das Vorwaltende und Tragende in dem Bezug des Menschenwesens zur Zwiefalt ist demnach die Sprache. Sie bestimmt den hermeneutischen Bezug. a b
〈Vorschein〉 〈Scheinen〉
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J Wenn ich Sie also nach dem Hermeneutischen frage, und wenn Sie mich nach unserem Wort für das fragen, was bei Ihnen Sprache heißt, dann fragen wir einander das Selbe. F Offenbar; darum dürfen wir dem verborgenen Zug unseres Gespräches ruhig vertrauen … J
solange wir Fragende bleiben.
F Sie meinen damit nicht, daß wir uns gegenseitig voller Neugier aushorchen, sondern … J
das, was gesagt sein möchte, immer weiter ins Offene entlassen.
F Was freilich allzu leicht den Anschein erweckt, als gleite alles ins Unverbindliche weg. J
Diesem Schein begegnen wir, wenn wir die vormaligen Lehren der Denker achten und stets in unserem Gespräch mitsprechen lassen. Was ich da vorbringe, habe ich von Ihnen gelernt.
F Was Sie so lernten, ist auch nur wieder gelernt im Hören auf das Denken der Denker. Jeder ist jedesmal im Gespräch mit seinen Vorfahren, mehr noch vielleicht und verborgener mit seinen Nachkommen. J
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Dieses in einem tieferen Sinne geschichtliche Wesen jedes denkenden Gespräches bedarf jedoch nicht jener Veranstaltungen, die nach der Art der Historie Vergangenes über die Denker und ihr Gedachtes berichten.
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F Gewiß nicht. Aber für uns Heutige kann es zur Not werden, daß wir solche Gespräche vorbereiten, indem wir das Gesagte der früheren Denker eigens auslegen. J
Was indessen leicht zur bloßen Beschäftigung herabsinken kann.
F Dieser Gefahr begegnen wir, solange wir selbst bemüht sind, gesprächsweise zu denken. J
Und dabei, wie man in Ihrer Sprache sagt, jedes Wort auf die Waagschale legen.
F Vor allem aber prüfen, ob das Wort jeweils in seinem meist verborgenen vollen Gewicht ausgewogen wird. J
Mir scheint, wir genügen dieser ungeschriebenen Vorschrift, wenn ich auch gestehen muß, daß ich ein sehr unbeholfener Frager bin.
F Dies bleiben wir alle. Wir gleiten auch noch bei vieler Sorgfalt über Wesentliches hinweg – auch jetzt, in diesem Gespräch, das uns auf die Erörterung des Hermeneutischen und des Wesens der Sprache brachte. J
Im Augenblick sehe ich nicht, inwiefern wir es an der Sorgfalt des Wortgebrauches fehlen ließen.
F Das bemerken wir oft recht spät; weil der Mangel nicht so sehr an uns liegt, als daran, daß die Sprache mächtiger ist und darum gewichtiger als wir. J
Wie meinen Sie dies?
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F Um es an dem zu erläutern, was wir soeben besprachen … J
Sie sagten, die Sprache sei der Grundzug im hermeneutischen Bezug des Menschenwesens zur Zwiefalt von Anwesen und Anwesendem. Bei diesem Hinweis wollte ich sogleich einiges vorbringen; es soll aber erst geschehen, wenn Sie gezeigt haben, was wir dabei unbedacht ließen.
F Ich meine das Wort »Bezug«. Wir denken an Beziehung im Sinne der Relation. Wir können das so Bekannte in einem leeren, formalen Sinne bezeichnen und wie eine Rechenmarke verwenden. Denken Sie an das Vorgehen der Logistik. Wir können das Wort »Bezug« in der Redewendung, der Mensch stehe im hermeneutischen Bezug zur Zwiefalt, doch auch ganz anders hören. Wir müssen es sogar, falls wir dem Gesagten nachdenken. Wir müssen und können es vermutlich nicht sogleich, aber mit der Zeit nach langer Besinnung. J
Somit verschlägt es nichts, wenn man den »Bezug« zunächst in der gewohnten Weise als Relation versteht.
F Gewiß, aber es genügt von Anfang an nicht, gesetzt, daß dieses Wort »Bezug« in der genannten Aussage ein tragendes Wort werden soll. »Bezug« sagen wir auch, wenn wir das Brauchen und Beibringen, das Beziehen von benötigten Waren nennen wollen. Wenn der Mensch im hermeneutischen Bezug steht, dann meint dieses freilich gerade nicht, er sei
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eine Ware. Wohl dagegen möchte das Wort »Bezug« sagen, der Mensch sei in seinem Wesen gebraucht, gehöre als der Wesende, der er ist, in einen Brauch, der ihn beansprucht. J
In welchem Sinne?
F Hermeneutisch, d. h. hinsichtlich des Bringens einer Kunde, hinsichtlich des Verwahrens einer Botschaft. J
Der Mensch steht »im Bezug« sagt dann dasselbe wie: Der Mensch west als Mensch »im Brauch« …
F der den Menschen ruft, die Zwiefalt zu verwahren … J
die, soweit ich sehe, weder vom Anwesen her, noch vom Anwesenden aus, noch aus der Beziehung beider sich erklären läßt.
F Weil die Zwiefalt selber erst die Klarheit, d. h. die Lichtung entfaltet, innerhalb deren Anwesendes als solches und Anwesen für den Menschen unterscheidbar werden … J
für den Menschen, der seinem Wesen nach im Bezug, d. h. im Brauch der Zwiefalt steht.
F Darum dürfen wir auch nicht mehr sagen: Bezug zur Zwiefalt, denn sie ist kein Gegenstand des Vorstellens, sondern das Walten des Brauches. J
Das wir jedoch nie unmittelbar erfahren, solange wir die Zwiefalt nur als den Unterschied vorstellen, der im
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Vergleichen sichtbar wird, das versucht, Anwesendes und dessen Anwesen gegeneinander zu halten. F Ich bin überrascht, daß Sie so klar sehen. J
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Wenn ich Ihnen im Gespräch folgen kann, glückt es. Allein gelassen, bin ich ratlos; denn schon die Art, wie Sie die Worte »Bezug« und »Brauch« verwenden …
F besser gesagt: gebrauchen … J
dies befremdet schon genug.
F Was ich nicht leugne. Aber mir scheint, auf dem Felde, das wir begehen, gelangen wir dann ins anfänglich Vertraute, wenn wir den Durchgang durch das Befremdliche nicht scheuen. J
Wie verstehen Sie das anfänglich Vertraute? Es ist doch nicht das zuerst Bekannte?
F Nein, sondern jenes, was zuvor unserem Wesen zugetraut ist und erst zuletzt erfahrbar wird. J
Und dem denken Sie nach.
F Nur ihm, aber so, daß sich darin das Denkwürdige als solches und im ganzen verhüllt. J
Dabei kehren Sie sich nicht an die geläufigen Vorstellungsweisen der Mitmenschen.
F So sieht es zwar aus. In Wahrheit gilt doch jeder Denk-
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schritt nur der Bemühung, mitzuhelfen, daß der Mensch denkend auf den Pfad seines Wesens finde. J
Daher Ihre Besinnung auf die Sprache …
F auf die Sprache in ihrem Verhältnis zum Wesen des Seins, d. h. zum Walten der Zwiefalt. J
Wenn die Sprache jedoch der Grundzug im hermeneutisch bestimmten Brauch ist, dann erfahren Sie das Wesen der Sprache im vorhinein anders, als dies in der metaphysischen Denkweise geschieht. Dies ist es, worauf ich vorhin eigens hinweisen wollte.
F Aber wozu? J
Nicht um Neues gegen das Bisherige abzuheben, sondern um uns daran zu erinnern, daß gerade in der versuchten Besinnung auf das Wesen der Sprache das Gespräch als ein geschichtliches spricht.
F Aus der denkenden Anerkennung des Gewesenen. J
Dies soll denn auch schon im Titel jener Vorlesung vermerkt werden, deren Nachschrift bei uns in den zwanziger Jahren häufig besprochen wurde.
F Ich muß Ihnen gestehen, daß Sie sich jetzt täuschen. Die Vorlesung »Ausdruck und Erscheinung« (oder lautete der Titel nicht »Ausdruck und Bedeutung«?)* war noch ziemlich streitbar, wenngleich sie von dem bestimmt blieb, was wir jetzt das Geschichtliche des denkenden Gespräches nennen.
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J
Der Titel soll demnach einen Gegensatz anzeigen.
F In jedem Fall lag mir daran, das ganz Andere, jedoch erst nur dunkel, wenn nicht verworren Geahnte, sichtbar zu machen. Bei solchen jugendlichen Sprüngen wird einer leicht ungerecht. J [129]
Das Wort »Ausdruck« im Titel nennt das, wogegen Sie sich wenden. Denn Ihr Blick in das Wesen der Sprache haftet nicht am Laut- und Schriftcharakter der Wörter, was man doch als den Ausdruckscharakter der Sprache vorstellt.
F Hierbei wird der Name »Ausdruck« in dem engen Sinne der sinnlichen Erscheinung verstanden. Indessen wird die Sprache auch dann noch im Charakter des Ausdruckes vorgestellt, wenn man auf den Bedeutungsgehalt der Laut- und Schriftgebilde achtet. J
Inwiefern? Das in seiner Bedeutungsfülle verstandene Sprechen ist über dies Physisch-Sinnliche des Phonetischen hinaus, und dies stets. Die Sprache ist als verlautender, geschriebener Sinn etwas in sich Über-Sinnliches, das bloß Sinnliche ständig Übersteigendes. Die Sprache ist, so vorgestellt, in sich metaphysisch.
F Ich stimme allem zu, was Sie vorbringen. Aber die Sprache kommt in diesem metaphysischen Wesen nur zum Vorschein, insofern sie zum voraus als Ausdruck vorgestellt ist. Hierbei meint Ausdruck nicht nur die ausgestoßenen Sprachlaute und die gedruckten Schriftzeichen. Ausdruck ist zugleich Äußerung.
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Sie bezieht sich auf das Innere, das Seelische.
F Zur Zeit jener Vorlesung sprach man überall vom Erlebnis, auch in der Phänomenologie. J
Ein berühmtes Buch von Dilthey trägt den Titel: »Das Erlebnis und die Dichtung«.*
F Erleben besagt stets: Zurückbeziehen, nämlich das Leben und Gelebte auf ein Ich. Erlebnis nennt die Rückbeziehung des Objektiven auf das Subjekt. Auch das vielbesprochene Ich-Du-Erlebnis gehört in den metaphysischen Bezirk der Subjektivität. J
Diesen Bezirk der Subjektivität und des ihm zugehörigen Ausdruckes haben Sie durch das Eingehen auf den hermeneutischen Bezug zur Zwiefalt verlassen.
F Ich versuchte es wenigstens. Die Leitvorstellungen, die unter den Namen »Ausdruck«, »Erlebnis« und »Bewußtsein« das moderne Denken bestimmen, sollten hinsichtlich ihrer maßgebenden Rolle fragwürdig werden. J
Aber dann verstehe ich nicht mehr, wie Sie den Titel »Ausdruck und Erscheinung« wählen konnten. Er sollte doch einen Gegensatz ankündigen. »Ausdruck« ist Äußerung eines Innen und bezieht sich auf das Subjektive. »Erscheinung« nennt dagegen das Objektive, falls ich hier an Kants Sprachgebrauch erinnern darf, wonach die Erscheinungen die Gegenstände, d. h. die Objekte der Erfahrung sind. Sie haben sich mit dem Titel Ihrer Vorlesung selber auf die Subjekt-ObjektBeziehung festgelegt.
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F Ihre Bedenken sind in gewisser Hinsicht berechtigt, schon allein deshalb, weil in der genannten Vorlesung vieles unklar bleiben mußte. Niemand kann sich aus dem herrschenden Vorstellungskreis mit einem Sprung heraussetzen, vor allem dann nicht, wenn es sich um die seit langem eingefahrenen Bahnen des bisherigen Denkens handelt, die im Unauffälligen verlaufen. Außerdem ist ein solches Sichabsetzen gegen das Bisherige allein schon dadurch gemäßigt, daß der anscheinend revolutionäre Wille vor allem anderen versucht, das Gewesene ursprünglicher zurück zugewinnen. Auf der ersten Seite von »Sein und Zeit« ist mit Bedacht die Rede vom »Wiederholen«. Dies meint nicht das gleichförmige Anrollen des immer Gleichen, sondern: Holen, Einbringen, Versammeln, was sich im Alten verbirgt. J
Unsere Lehrer und meine Freunde in Japan haben Ihre Bemühungen stets in diesem Sinne verstanden. Professor Tanabe¯ kam oft auf eine Frage zurück, die Sie einmal an ihn gerichtet haben, weshalb wir Japaner uns nicht auf die ehrwürdigen Anfänge unseres eigenen Denkens besännen, statt immer gieriger dem jeweils Neuesten in der europäischen Philosophie nachzurennen. Dies geschieht in der Tat auch heute noch.
F Dagegen läßt sich schwer angehen. Solche Vorgänge ersticken zur rechten Zeit in ihrer eigenen Unfruchtbarkeit. Was dagegen unser Zutun verlangt, ist ein anderes. J
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Und das wäre?
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F Die Achtsamkeit auf die Spuren, die das Denken in seinen Quellbereich weisen. J
Solche Spuren finden Sie in Ihrem eigenen Versuch?
F Ich finde sie nur, weil sie nicht von mir stammen und selten genug vernehmlich sind wie ein verwehtes Echo eines fernen Zurufes. J
Aber ich möchte daraus entnehmen, daß Sie in der Unterscheidung »Ausdruck und Erscheinung« nicht mehr die Subjekt-Objekt-Beziehung zugrundelegen.
F Sie sehen dies noch klarer, wenn Sie beachten, was ich jetzt zu Ihrem Hinweis auf Kants Begriff der Erscheinung nachtragen möchte. Kants Bestimmung ruht auf dem Ereignis, daß alles Anwesende schon zum Gegenstand des Vorstellens geworden ist. J
Im Erscheinen, wie Kant es denkt, müssen wir schon das Gegenstehen miterfahren.
F Das ist nötig, nicht allein um Kant recht zu verstehen, sondern um vor allem das Erscheinen der Erscheinung, wenn ich so sagen darf, ursprünglich zu erfahren. J
Wie geschieht dies?
F Die Griechen haben erstmals die fainoÂmena, die Phänomene, als solche erfahren und gedacht. Doch hierbei ist ihnen die Prägung des Anwesenden in die Gegenständigkeit durchaus fremd; faiÂnesûai heißt ihnen: sich zum Scheinen bringen und darin erscheinen. Das Er-
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scheinen bleibt so der Grundzug des Anwesens von Anwesendem, insofern dieses in die Entbergung aufgeht. J
Sie gebrauchen somit in dem Titel »Ausdruck und Erscheinung« das zweite Wort im griechischen Sinne?
F Ja und nein. Ja, insofern mir der Name »Erscheinung« nicht die Gegenstände als Gegenstände, und diese vollends nicht als Gegenstände des Bewußtseins, und d. h. stets des Selbstbewußtseins, nennt. J
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Also, kurz gesagt: Erscheinung nicht im Kantischen Sinne.
F Die Absetzung gegen Kant reicht nicht weit genug. Denn auch dort, wo man den Namen »Gegenstand« für das Anwesende als das Insichstehende gebraucht und die Kantische Auslegung der Gegenständigkeit ablehnt, denkt man keineswegs schon das Erscheinen im Sinne der Griechen, sondern im Grunde, allerdings in einem sehr versteckten Sinne, doch nach der Art von Descartes: vom Ich als dem Subjekt her. J
Doch mit Ihrem »Nein« deuten Sie an, daß auch Sie das Erscheinen nicht im griechischen Sinne denken.
F Sie haben recht. Worauf es hierbei ankommt, ist schwer sichtbar zu machen, weil es einen einfachen freien Blick verlangt. J
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Er ist offenkundig noch selten. Denn gewöhnlich setzt man Ihre Bestimmung des Erscheinens unbesehen gleich
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mit der griechischen; und man hält es für ausgemacht, Ihr Denken strebe nur die Rückkehr zum griechischen, wenn nicht gar vorsokratischen Denken an. F Diese Meinung ist allerdings töricht; und doch hat sie etwas Richtiges im Sinn. J
Wieso?
F Um Ihre Fragen in der gebotenen Kürze zu beantworten, möchte ich eine Wendung wagen, auf die sogleich neue Mißdeutungen lauern … J
denen Sie jedoch ebenso rasch begegnen können.
F Gewiß, wenn dadurch nicht eine neue Verzögerung in unser Gespräch käme, dessen Zeit bemessen ist, weil Sie morgen nach Florenz weiterreisen wollen. J
Ich bin schon entschlossen, noch einen Tag hierzubleiben, falls Sie mir noch einmal einen Besuch gestatten.
F Nichts lieber als dies. Doch selbst bei der erfreulichen Aussicht muß ich die Antwort kurz fassen. J
Wie ist es also mit Ihrem Verhältnis zum Denken der Griechen?
F Unserem heutigen Denken ist es aufgegeben, das griechisch Gedachte noch griechischer zu denken. J
Und so die Griechen besser zu verstehen, als sie sich selbst verstanden.
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F Dies gerade nicht; denn jedes große Denken versteht sich selbst, d. h. sich in den ihm zugemessenen Grenzen, immer am besten. J
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Was soll es dann heißen: das griechisch Gedachte griechischer denken?
F Im Blick auf das Wesen des Erscheinens läßt es sich gut erläutern. Wenn das Anwesen selbst als Erscheinen gedacht ist, dann waltet im Anwesen das Hervorkommen ins Lichte im Sinne der Unverborgenheit. Diese ereignet sich im Entbergen als einem Lichten. Dieses Lichten selbst bleibt jedoch als Ereignis nach jeder Hinsicht ungedacht. Sich auf das Denken dieses Ungedachten einlassen, heißt: dem grie chisch Gedachten ursprünglicher nachgehen, es in seiner Wesensherkunft erblicken. Dieser Blick ist auf seine Weise griechisch und ist hinsichtlich des Erblickten doch nicht mehr, nie mehr griechisch. J
Was ist er dann?
F Mir scheint, darauf steht uns keine Antwort zu. Sie hilft auch nichts, insofern es nur darauf ankommt, das Erscheinen als Wesen des Anwesens in seiner Wesensherkunft zu erblicken. J
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Wenn das gelingt, dann denken Sie das Erscheinen zugleich griechisch und nicht mehr griechisch. Sie sagten, wenigstens dem Sinne nach, der Bezirk der SubjektObjekt-Beziehung sei verlassen, wenn das Denken sich auf die jetzt genannte Erfahrung einlasse, in der die Wesensherkunft des Erscheinens – dürfen wir sagen: – selbst erscheint?
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F Schwerlich. Aber Sie rühren an Wesentliches. Denn in der Herkunft des Erscheinens kommt auf den Menschen jenes zu, worin sich die Zwiefalt von Anwesen und Anwesendem birgt. J
Die Zwiefalt hat sich je schon, obzwar als solche verhüllt, dem Menschen angeboten.
F Der Mensch hört, insofern er Mensch ist, auf diese Botschaft. J
Dies geschieht, ohne daß der Mensch eigens darauf achtet, daß er je schon auf diese Botschaft hört.
F Er ist dahin gebraucht, sie zu hören. J Sie nannten dies vorhin: Der Mensch steht in einem Bezug. F Und der Bezug heißt der hermeneutische, weil er die Kunde jener Botschaft bringt. J
Diese beansprucht den Menschen, ihr zu entsprechen …
F ihr als Mensch zu gehören. J
Dies aber nennen Sie Mensch-sein, falls Sie das Wort »sein« jetzt noch zulassen.
F Der Mensch ist der Botengänger der Botschaft, die ihm die Entbergung der Zwiefalt zuspricht. J
Soweit ich dem, was Sie sagen, zu folgen vermag, ahne
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ich eine tiefverborgene Verwandtschaft mit unserem Denken, gerade weil Ihr Denkweg und seine Sprache so ganz anders sind. F Ihr Geständnis erregt mich in einer Weise, daß ich ihrer nur dadurch Herr werde, daß wir im Gespräch bleiben. Nur eine Frage kann ich nicht auslassen. J
Welche?
F Die nach dem Ort, an dem die von Ihnen geahnte Verwandtschaft ins Spiel kommt. J
Da fragen Sie sehr weit.
F Inwiefern? [137]
J Die Weite ist jenes Grenzenlose, das uns im Ku gezeigt wird, das die Leere des Himmels meint. F So wäre denn der Mensch als der Botengänger der Botschaft der Entbergung der Zwiefalt zugleich der Grenzgänger des Grenzenlosen. J
Auf diesem Gang sucht er das Geheimnis der Grenze …
F das in nichts anderem sich bergen kann als in der Stimme, die sein Wesen be-stimmt. J
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Was wir jetzt sagen – entschuldigen Sie das »wir« – läßt sich am Leitfaden der metaphysischen Sprachvorstellung nicht mehr erörtern. Darum versuchten Sie vermutlich durch den Titel der Vorlesung »Ausdruck
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und Erscheinung« die Abkehr von dieser Sprachvorstellung anzudeuten. F Andeutung blieb die ganze Vorlesung. Ich folgte immer nur einer undeutlichen Wegspur, aber ich folgte. Die Spur war ein kaum vernehmbares Versprechen, das eine Befreiung ins Freie ankündete, bald dunkel und verwirrend, bald blitzartig wie ein jäher Einblick, der sich dann auf lange Zeit hinaus wieder jedem Versuch, ihn zu sagen, entzog. J
Auch später, in »Sein und Zeit«, bleibt Ihre Erörterung der Sprache recht sparsam.
F Doch vielleicht lesen Sie einmal nach unserem Gespräch aufmerksamer den § 34 in »Sein und Zeit«.* J
Ich habe ihn schon oft gelesen und jedesmal bedauert, daß er so kurz gehalten ist. Indessen meine ich jetzt die Trag weite der Zusammengehörigkeit des Hermeneutischen und der Sprache deutlicher zu erblicken.
F Die Tragweite wohin? J
In eine Verwandlung des Denkens, die sich allerdings nicht wie eine Kursänderung einrichten läßt und schon gar nicht als Folge eines Niederschlages von Forschungsergebnissen der Philosophie.
F Die Wandlung geschieht als Wanderung … J
auf der ein Ort zugunsten eines anderen verlassen wird …
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F wozu es der Erörterung bedarf. J
Der eine Ort ist die Metaphysik.
F Und der andere? Wir lassen ihn ohne Namen. J
Inzwischen wird mir immer rätselhafter, wie Graf Kuki darauf verfallen konnte, von Ihrem Denkweg eine Hilfe für seine Versuche zur Ästhetik zu erwarten. Denn Ihr Weg läßt mit der Metaphysik zugleich die in ihr gegründete Ästhetik hinter sich.
F Aber so, daß wir das Wesen des Ästhetischen jetzt erst bedenken und in seine Grenzen verweisen können. J
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Vielleicht wurde Kuki von dieser Aussicht gelockt, denn er war viel zu ahnungsreich und zu besinnlich, als daß er sich mit der Verrechnung bloßer Doktrinen abgegeben hätte.
F Er gebrauchte den europäischen Titel »Ästhetik«, dachte jedoch und suchte anderes … J
Iki, ein Wort, das ich auch jetzt nicht zu übersetzen wage.
F Aber vielleicht können Sie, was es uns verhüllterweise zuwinkt, jetzt eher umschreiben. J
Aber erst, nachdem Sie das Wesen des Ästhetischen verdeutlicht haben.
F Dies geschah bereits im Verlauf unseres Gespräches,
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nämlich gerade dort, wo wir nicht eigens davon sprachen. J
Sie meinen bei der Erörterung der Subjekt-ObjektRelation?
F Wo anders sonst? Durch das Ästhetische, oder sagen wir durch das Erlebnis und in dessen maßgebendem Bereich, wird das Kunstwerk im vorhinein zu einem Gegenstand des Fühlens und Vorstellens. Nur wo das Kunstwerk zum Gegenstand geworden ist, wird es ausstellungs- und museumsfähig … J
zugleich bewert- und abschätzbar.
F Die künstlerische Qualität wird ein auszeichnender Faktor für die neuzeitlich-moderne Kunsterfahrung. J
Oder sagen wir sogleich: für den Kunsthandel.
F Die Bestimmung des Künstlerischen jedoch erfolgt im Hinblick auf das Schöpferische und die Meisterschaft. J Beruht die Kunst im Künstlerischen, oder liegt das Verhältnis umgekehrt? Die Rede vom Künstlerischen verrät doch immer den Vorrang des Künstlers … F als des Subjektes, das auf das Werk als sein Objekt bezogen bleibt. J
Allein in diesen Rahmen gehört alles Ästhetische.
F Er ist so verfänglich, nämlich umgreifend, daß er auch
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noch jede anders geartete Erfahrung der Kunst und ihres Wesens einfangen kann. J
Umgreifen wohl, aber nie aneignen. Darum befürchte ich jetzt mehr denn zuvor, daß jede Erläuterung des Iki in die Fänge des ästhetischen Vorstellens gerät.
F Es käme auf einen Versuch an. J
Iki ist das Anmutende.
F Kaum sagen Sie dies, sind wir schon mitten in der Ästhetik, wenn Sie an Schillers Abhandlung über »Anmut und Würde« denken. Sie ist, wie auch die nachfolgenden »Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen«, aus der Zwiesprache mit der Ästhetik Kants geschrieben. J
Wenn ich recht unterrichtet bin, sind beide Schriften mit ein wesentlicher Anstoß für Hegels Ästhetik geworden.
F Darum wäre es anmaßend, wollten wir jetzt mit einigen Bemerkungen uns einreden, des Wesens der Ästhetik Herr geworden zu sein. [141]
J Im Ungefähren darf ich jedoch versuchen, das jetzt durch »Anmut« übersetzte Iki aus der Ästhetik, d. h. aus der Subjekt-Objekt-Beziehung herauszunehmen. Ich meine die Anmut jetzt nicht als Liebreiz … F also nicht im Bereich des Reizenden, der Eindrücke, der aiÍsûhsiw, sondern?
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J
Eher in der Gegenrichtung; aber ich weiß, ich bleibe mit diesem Hinweis noch in den ästhetischen Bereich verstrickt.
F Unter Beachtung dieses Vorbehaltes können Sie gleichwohl die Erläuterung versuchen. J
Iki ist das Wehen der Stille des leuchtenden Entzückens.
F Das Entzücken verstehen Sie dann wörtlich als Entziehen, Hinzücken – nämlich in die Stille. J
Hier ist überall nichts von Reiz und Impression.
F Das Entzücken ist von der Art des Fort- und Hin- und Herwinkens. J
Der Wink aber ist die Botschaft des lichtenden Verhüllens.
F So hätte alles Anwesen seine Herkunft in der Anmut im Sinne des reinen Entzückens der rufenden Stille. J
Da Sie mir, oder besser den vermutenden Andeutungen, die ich vorbringe, zuhören, erwacht in mir ein Zutrauen, mein Zögern zu lassen, das mich bislang davor zurückhielt, Ihnen auf Ihre Frage zu antworten.
F Sie meinen die Frage, welches Wort Ihre Sprache spricht für das, was wir Europäer »Sprache« nennen. J
Dieses Wort scheute ich mich bis zu diesem Augenblick zu sagen, weil ich eine Übersetzung geben muß, durch
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die sich unser Wort für Sprache wie eine bloße Bilderschrift ausnimmt, nämlich im Vorstellungsbezirk von Begriffen; denn nur durch sie sucht die europäische Wissenschaft und ihre Philosophie das Wesen der Sprache zu fassen. F Wie heißt das japanische Wort für »Sprache«? J
(nach weiterem Zögern) Es heißt »Koto ba«.
F Und was sagt dies? J
ba nennt die Blätter, auch und zumal die Blütenblätter. Denken Sie an die Kirschblüte und an die Pflaumenblüte.
F Und was sagt Koto? J
Diese Frage ist am schwersten zu beantworten. Indessen wird ein Versuch dadurch erleichtert, daß wir das Iki zu erläutern wagten: das reine Entzücken der rufenden Stille. Das Wehen der Stille, die dies rufende Entzücken ereignet, ist das Waltende, das jenes Entzücken kommen läßt. Koto nennt aber immer zugleich das jeweils Entzückende selbst, das einzig je im unwiederholbaren Augenblick mit der Fülle seines Anmutens zum Scheinen kommt.
F Koto wäre dann das Ereignis der lichtenden Botschaft der Anmut. [143]
J Herrlich gesagt; nur führt das Wort »Anmut« das heutige Vorstellen zu leicht in die Irre …
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F nämlich weg in den Bezirk der Impressionen … J
denen die Expression zugeordnet bleibt als die Art der Befreiung. Hilfreicher scheint mir die Zuwendung zum griechischen Wort xaÂriw, das ich in dem schönen Spruch fand, den Sie in Ihrem Vortrag »– dichterisch wohnet der Mensch –« aus Sophokles anführten, und das Sie mit »Huld« übersetzen.* Darin spricht eher das nahende Ankommen der Stille des Entzückens.
F Zugleich noch anderes, was dort gesagt sein möchte, aber im Rahmen des Vortrages nicht dargetan werden konnte. Die xaÂriw heißt dort tiÂktoysa – die her-vor-bringende. Unser deutsches Wort dichten, tihton, sagt das Selbe. So kündigt sich im Spruch des Sophokles für uns an, daß die Huld selbst dichterisch, das eigentlich Dichtende ist, das Quellen der Botschaft des Entbergens der Zwiefalt. J
Ich bräuchte mehr Zeit, als das Gespräch verstattet, um den neuen Ausblicken nachzudenken, die sich mit Ihrem Hinweis öffnen. Aber eines sehe ich sogleich, daß er mir hilft, Ihnen noch deutlicher zu sagen, was Koto ist.
F Das scheint mir unumgänglich zu sein, um Ihr japanisches Wort für »Sprache« Koto ba auch nur einigermaßen mitdenken zu können. J
Sie erinnern wohl die Stelle unseres Gespräches, wo ich Ihnen die vermeintlich entsprechenden japanischen Worte zu der Unterscheidung des aiÆsûhtoÂn und nohtoÂn nannte: Iro und Ku. Iro meint mehr als Farbe und
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das sinnlich Wahrnehmbare jeder Art. Ku, das Offene, die Leere des Himmels, meint mehr als das Übersinnliche. F Worin das »mehr« beruht, konnten Sie nicht sagen. J
Doch jetzt kann ich einem Wink folgen, den beide Worte bergen.
F Wohin winken sie? J
In das, von woher das Widerspiel beider zueinander sich ereignet.
F Und das ist? J
Koto, das Ereignis der lichtenden Botschaft der hervorbringenden Huld.
F Koto wäre das waltende Ereignen … J
und zwar dessen, was die Hut des Gedeihenden und Erblühenden braucht.
F Was sagt dann Koto ba als Name für die Sprache? J
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Aus diesem Wort gehört, ist die Sprache: Blütenblätter, die aus Koto stammen.
F Das ist ein wundersames und darum unausdenkbares Wort. Es nennt anderes als das, was uns die metaphysisch verstandenen Namen: Sprache, glvÄssa, lingua, langue und language vorstellen. Ich gebrauche seit lan-
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gem nur ungern das Wort »Sprache«, wenn ich ihrem Wesen nachdenke. J
Aber finden Sie ein gemäßeres?
F Ich meine, es gefunden zu haben; möchte es jedoch davor bewahren, daß es als geläufiger Titel verwendet und zur Bezeichnung für einen Begriff umgefälscht wird. J
Welches Wort gebrauchen Sie?
F Das Wort »die Sage«. Es meint: das Sagen und sein Gesagtes und das zu-Sagende. J
Was heißt sagen?
F Vermutlich das Selbe wie zeigen im Sinne von: erscheinen- und scheinenlassen, dies jedoch in der Weise des Winkens. J
Die Sage ist darnach nicht der Name für das menschliche Sprechen …
F sondern für jenes Wesende, das Ihr japanisches Wort Koto ba erwinkt: das Sagenhafte … J
in dessen Winken ich jetzt erst durch unser Gespräch heimisch geworden bin, so daß ich auch klarer sehe, wie gut geleitet Graf Kuki war, als er unter Ihrer Anleitung dem Hermeneutischen nachzusinnen versuchte.
F Sie erkennen aber auch, wie dürftig es um meine Anleitung bestellt sein mußte; denn mit dem Blick in das
AUS EINEM GESPRÄCH VON DER SPRACHE
155
Wesen der Sage beginnt das Denken erst jenen Weg, der uns aus dem nur metaphysischen Vorstellen zurücknimmt in das Achten auf die Winke jener Botschaft, deren Botengänger wir eigens werden möchten.
[146]
J
Der Weg dahin ist weit.
F Weniger, weil er in die Ferne, als weil er durch das Nahe führt. J
Das so nah ist, lang schon so nah gewesen ist, wie uns Japanern das bislang unbedachte Wort für das Wesen der Sprache: Koto ba.
F Blütenblätter, die aus Koto stammen. Die Einbildungskraft möchte ausschweifen in unerfahrene Bereiche, wenn dieses Wort sein Sagen beginnt. J
Schweifen könnte sie nur, wenn sie in das bloße Vorstellen losgelassen würde. Wo sie jedoch als Quell des Denkens springt, scheint sie mir eher zu versammeln als zu schweifen. Dergleichen ahnte schon Kant, wie Sie selber zeigen.
F Aber ist unser Denken schon an diesem Quell? J
Wenn nicht, dann doch unterwegs dorthin, sobald es den Pfad sucht, auf den, wie ich jetzt deutlicher sehe, unser japanisches Wort für »Sprache« winken möchte.
F Um diesem Wink uns fügen zu können, müßten wir erfahrener sein im Wesen der Sprache.
156
AUS EINEM GESPRÄCH VON DER SPRACHE
J
Mir scheint, Bemühungen darum begleiten seit Jahrzehnten Ihren Denkweg, und dies so vielfältig, daß Sie vorbereitet genug sind, etwas vom Wesen der Sprache als Sage zu sagen.
F Aber Sie wissen auch ebensogut, daß eigene Bemühung allein nie zureicht. J
Das bleibt wahr. Doch wir können, was sterbliche Kraft für sich nie vermag, eher erlangen, wenn wir von der Bereitschaft erfüllt sind, auch das wegzuschenken, was wir von uns aus nur immer versuchen, ohne daß es die Vollendung erreicht hat.
F Vorläufiges habe ich in dem Vortrag gewagt, den ich in den letzten Jahren einige Male hielt unter dem Titel »Die Sprache«1. J
Von diesem Vortrag über die Sprache habe ich Berichte und sogar eine Nachschrift gelesen.
F Solche Nachschriften, auch die sorgfältigen, bleiben, wie ich schon sagte, zweifelhafte Quellen, und jede Nachschrift des genannten Vortrages ist ohnehin eine Verunstaltung seines Sagens. J
Wie meinen Sie dieses harte Urteil?
F Es ist kein Urteil über die Nachschriften, sondern über eine unklare Kennzeichnung des Vortrages.
1
Vgl. oben S. 11–33.
AUS EINEM GESPRÄCH VON DER SPRACHE
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[147]
J
Inwiefern?
F Der Vortrag ist kein Sprechen über die Sprache … J
[148]
Sondern?
F Wenn ich Ihnen jetzt antworten könnte, wäre das Dunkel um den Weg gelichtet. Aber ich kann nicht antworten. Der Grund dafür ist derselbe, der mich bisher davor zurückgehalten hat, den Vortrag als Schrift erscheinen zu lassen. J
Es wäre aufdringlich, wollte ich diesen Grund wissen. Nach der Art, wie Sie vorhin unser japanisches Wort für »Sprache« in Ihr Gehör aufnahmen, und aus dem, was Sie von der Botschaft der Entbergung der Zwiefalt und vom Botengang des Menschen andeuteten, kann ich nur unbestimmt vermuten, was es heißt, die Frage nach der Sprache in eine Besinnung auf das Wesen der Sage zu verwandeln.
F Sie verzeihen, wenn ich mit den Hinweisen sparsam bleibe, die vielleicht dahin führen könnten, das Wesen der Sage zu erörtern. J
Hierfür bedarf es einer Wanderung in die Ortschaft des Wesens der Sage.
F Dies vor allem. Aber ich meine jetzt zuvor etwas anderes. Was mich zur Zurückhaltung bestimmt, ist die wachsende Einsicht in das Unantastbare, was uns das Geheimnis der Sage verhüllt. Mit der bloßen Aufhel-
158
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lung des Unterschiedes zwischen Sagen und Sprechen ist wenig gewonnen. J
Wir Japaner haben für Ihre Art der Zurückhaltung – ich darf wohl sagen – ein angeborenes Verständnis. Ein Geheimnis ist erst dann ein Geheimnis, wenn nicht einmal dies zum Vorschein kommt, daß ein Geheimnis waltet.
F Für die oberflächlich Eiligen nicht minder als für die sinnend Bedächtigen muß es so aussehen, als gäbe es nirgends ein Geheimnis. J Wir stehen jedoch mitten in der Gefahr, nicht nur zu laut vom Geheimnis zu reden, sondern sein Walten zu verfehlen. F Dessen reinen Quell zu hüten, dünkt mich das Schwerste. J
Aber dürfen wir deshalb kurzerhand der Mühe und dem Wagnis ausweichen, über die Sprache zu sprechen?
F Keineswegs. Wir müssen uns unablässig um ein solches Sprechen bemühen. Sein Gesprochenes kann freilich nie in die Form einer wissenschaftlichen Abhandlung eingehen … J
weil dadurch die Bewegung des hier verlangten Fragens zu leicht erstarrt.
F Dies wäre der geringste Verlust. Schwerer wiegt ein
AUS EINEM GESPRÄCH VON DER SPRACHE
159
[149]
anderes: ob es nämlich je ein Sprechen über die Sprache gibt. J
Daß es dies gibt, bezeugt doch unser eigenes Tun.
F Ich fürchte, nur allzusehr. J
Dann verstehe ich Ihr Bedenken nicht.
F Ein Sprechen über die Sprache macht sie fast unausweichlich zu einem Gegenstand. J
Dann entschwindet ihr Wesen.
F Wir haben uns über die Sprache gestellt, statt von ihr zu hören. J [150]
Dann gäbe es nur ein Sprechen von der Sprache …
F in der Weise, daß es von ihrem Wesen her gerufen und dahin geleitet wäre. J
Wie vermögen wir solches?
F Ein Sprechen von der Sprache könnte nur ein Gespräch sein. J
Darin bewegen wir uns ohne Zweifel.
F Aber ist es ein Gespräch vom Wesen der Sprache her? J
160
Mir scheint, wir bewegen uns jetzt im Kreis. Ein Gespräch von der Sprache muß von ihrem Wesen gerufen
AUS EINEM GESPRÄCH VON DER SPRACHE
sein. Wie vermag es dergleichen, ohne selber erst auf ein Hören sich einzulassen, das sogleich ins Wesen reicht? F Dieses seltsame Verhältnis nannte ich einmal den hermeneutischen Zirkel. J
Er besteht überall im Hermeneutischen, also dort, wo nach Ihrer heutigen Erläuterung das Verhältnis von Botschaft und Botengang waltet.
F Der Botengänger muß schon von der Botschaft herkommen. Er muß aber auch schon auf sie zugegangen sein. J
Sagten Sie früher nicht, dieser Zirkel sei unausweichlich; statt zu versuchen, ihn als einen vermeintlich logischen Widerspruch zu vermeiden, müsse man ihn gehen?
F Gewiß. Aber diese notwendige Anerkennung des hermeneutischen Zirkels bedeutet noch nicht, daß mit der Vorstellung des anerkannten Kreisens der hermeneutische Bezug ursprünglich erfahren ist. J Sie würden also Ihre frühere Auffassung preisgeben. F Allerdings – und zwar insofern, als die Rede von einem Zirkel stets vordergründig bleibt. J
Wie würden Sie jetzt den hermeneutischen Bezug darstellen?
AUS EINEM GESPRÄCH VON DER SPRACHE
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[151]
F Ich möchte eine Darstellung ebenso entschieden vermeiden wie ein Sprechen über die Sprache. J
So läge alles daran, in ein entsprechendes Sagen von der Sprache zu gelangen.
F Ein solches sagendes Entsprechen könnte nur ein Gespräch sein. J
Aber offenkundig ein Gespräch ganz eigener Art.
F Ein solches, das dem Wesen der Sage ursprünglich vereignet bliebe. J
Dann dürften wir aber nicht mehr jedes Miteinanderreden ein Gespräch nennen …
F falls wir diesen Namen fortan so hörten, daß er uns die Versammlung auf das Wesen der Sprache nennt. J
[152]
In diesem Sinne wären dann auch Platons Dialoge keine Gespräche?
F Ich möchte die Frage offenlassen und nur darauf weisen, daß sich die Art eines Gespräches aus dem bestimmt, von woher die dem Anschein nach allein Sprechenden, die Menschen, angesprochen sind. J
162
Wo das Wesen der Sprache als die Sage die Menschen anspräche (ansagte), ergäbe sie das eigentliche Gespräch …
AUS EINEM GESPRÄCH VON DER SPRACHE
F das nicht »über« die Sprache, sondern von ihr, als von ihrem Wesen gebraucht, sagte. J
Wobei es sogleich von untergeordneter Bedeutung bliebe, ob das Gespräch als ein geschriebenes vorliegt oder als ein irgendwann gesprochenes verklungen ist.
F Gewiß – weil alles daran liegt, ob dieses eigentliche Gespräch, mag es geschrieben und gesprochen sein oder nicht, fortwährend im Kommen bleibt. J
Der Gang eines solchen Gespräches müßte einen eigenen Charakter haben, demgemäß mehr geschwiegen als geredet würde.
F Geschwiegen vor allem über das Schweigen … J
weil das Reden und Schreiben über das Schweigen das verderblichste Gerede veranlaßt …
F Wer vermöchte es, einfach vom Schweigen zu schweigen? J
Dies müßte das eigentliche Sagen sein …
F und das stete Vorspiel zum eigentlichen Gespräch von der Sprache bleiben. J
Ob wir so nicht das Unmögliche versuchen?
F Allerdings – solange dem Menschen nicht jener Botengang rein gewährt ist, den die Botschaft braucht, die dem Menschen die Entbergung der Zwiefalt zuspricht.
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[153]
J
Diesen Botengang hervorzurufen, gar noch, ihn zu gehen, dünkt mich noch unvergleichlich schwerer als das Wesen des Iki zu erörtern.
F Gewiß. Denn es müßte sich etwas ereignen, wodurch sich dem Botengang jene Weite öffnete und zuleuchtete, in der das Wesen der Sage zum Scheinen kommt. J
Ein Stillendes müßte sich ereignen, was das Wehen der Weite in das Gefüge der rufenden Sage beruhigte.
F Überall spielt das verhüllte Verhältnis von Botschaft und Botengang. J
In unserer alten japanischen Dichtung singt ein unbekannter Dichter vom Ineinanderduften der Kirschblüte und Pflaumenblüte am selben Zweig.
F So denke ich mir das Zueinanderwesen von Weite und Stille im selben Ereignis der Botschaft der Entbergung der Zwiefalt. J
Doch wer von den Heutigen könnte darin einen Anklang des Wesens der Sprache hören, das unser Wort Koto ba nennt, Blütenblätter, die aus der lichtenden Botschaft der hervorbringenden Huld gedeihen?
F Wer möchte in all dem eine brauchbare Aufhellung des Wesens der Sprache finden? [154]
J Man wird es nie finden, solange man Auskünfte in Gestalt von Leitsätzen und Merkworten fordert.
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AUS EINEM GESPRÄCH VON DER SPRACHE
F Doch manch einer könnte in das Vorspiel eines Botenganges einbezogen werden, sobald er sich für ein Gespräch von der Sprache bereithält. J
Mir will scheinen, als hätten wir jetzt selber, statt über die Sprache zu sprechen, einige Schritte auf einem Gang versucht, der sich dem Wesen der Sage anvertraut.
F Sich ihm zusagt. Freuen wir uns, wenn es nicht nur so scheint, sondern so ist. J
Was ist dann, wenn es so ist?
F Dann ereignet sich der Abschied von allem »Es ist«. J
Den Abschied denken Sie aber doch nicht als Verlust und Verneinung?
F Keineswegs. J
Sondern?
F Als die Ankunft des Gewesen. J
Aber das Vergangene geht doch, ist gegangen, wie soll es kommen?
F Das Vergehen ist anderes als das Gewesen. J
Wie sollen wir dieses denken?
F Als die Versammlung des Währenden …
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[155]
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J
das, wie Sie neulich sagten, währt als das Gewährende …
F und das Selbe bleibt wie die Botschaft … J
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die uns als Botengänger braucht.
AUS EINEM GESPRÄCH VON DER SPRACHE
DAS WESEN DER SPRACHE
I
[159]
ie folgenden drei Vorträge stehen unter dem Titel: Das Wesen der Sprache.a Sie möchten uns vor eine Möglichkeit bringen, mit der Sprache eine Erfahrung zu machen. Mit etwas, sei es ein Ding, ein Mensch, ein Gott, eine Erfahrung machen heißt, daß es uns widerfährtb, daß es uns trifft, über uns kommt, uns umwirft und verwandelt.c Die Rede vom »machen« meint in dieser Wendung gerade nicht, daß wir die Erfahrung durch uns bewerkstelligen; machen heißt hier: durchmachen, erleiden, das uns Treffende vernehmend empfangen, annehmen, insofern wir uns ihm fügen.* Es machtd sich etwas, es schickt sich, es fügt sich. Mit der Sprache eine Erfahrung machen, heißt dann: uns vom Anspruch der Sprache eigens angehen lassen, indem wir auf ihn eingehen, uns ihm fügen. Wenn es wahr ist, daß der Mensch den eigentlichen Aufenthalte seines Daseins in der Sprache hat, unabhängig davon, ob er es weiß oder nicht, dann wird eine Erfahrung, die wir mit der Sprache machen, uns im innersten Gefüge unseres Daseins an-
D
a b c d e
vgl. S. 174/176 〈widerfährt〉 25 ob[en] 〈»macht«〉 〈eigentlichen Aufenthalt〉**
DAS WESEN DER SPRACHE I
169
[160]
rühren. Wir, die wir die Sprache sprechen, können alsdann durch solche Erfahrungen verwandelt werden, über Nacht oder mit der Zeit. Nun ist aber vielleicht eine Erfahrung, die wir mit der Sprache machen, sogar dann schon zu großa für uns Heutige, wenn sie uns auch nur so weit trifft, daß wir erst einmal auf unser Verhältnis zur Spracheb aufmerksam werden, um fortan dieses Verhältnisses eingedenk zu bleibenc.d Gesetzt nämlich, wir würden auf den Kopf zu gefragt: In welchem Verhältnis lebt ihr denn zu der Sprache, die ihr sprecht? – wir wären um keine Antwort verlegen; wir fänden auch sogleich ein Leitband und einen Anhalt, die uns verstatteten, die Frage auf eine verläßliche Bahn zu bringen. Wir sprechen die Sprache. Wie anders können wir der Sprache nahe sein als durch das Sprechen? Dennoch ist unser Verhältnis zur Sprache unbestimmt, dunkel, beinahe sprachlos. Wenn wir diesem seltsamen Sachverhalt nachsinnen, läßt es sich kaum vermeiden, daß zunächst jede Bemerkung dazu befremdet und unverständlich klingt. Daher könnte es förderlich sein, wenn wir uns abgewöhnen, immer nur das zu hören, was wir schon verstehen. Dieser Vorschlag gilt nicht nur jedem einzelnen Hörer, er gilt mehr noch für den, der von der Sprache zu sprechen versucht, vollends dann, wenn dies in der einzigen Absicht geschieht, Möglichkeiten zu zeigen, die uns erlauben, eingedenksam zu werden der Sprache und unseres Verhältnisses zu ihr. Dies nun jedoch, mit der Sprache eine Erfahrung maa b c d
〈zu groß〉 214* 〈um fortan dieses Verhältnisses eingedenk zu bleiben〉 keine Reflexion.
170
DAS WESEN DER SPRACHE
chen, ist etwas anderes als sich Kenntnisse über die Sprache beschaffen. Solche Kenntnisse werden uns durch die Sprachwissenschaft, durch die Linguistik und die Philologie der verschiedenen Sprachen, durch die Psychologie und durch die Sprachphilosophie bereitgestellt und ständig bis ins Unübersehbare gefördert. Neuerdings zielt die wissenschaftliche und philosophische Erforschung der Sprachen immer entschiedener auf die Herstellung dessen ab, was man die »Metasprache« nennt. Die wissenschaftliche Philosophie, die auf eine Herstellung dieser Übersprache ausgeht, versteht sich folgerichtig als Metalinguistik. Das klingt wie Metaphysik, klingt nicht nur so, ist auch so; denn die Metalinguistik ist die Metaphysik der durchgängigen Technifizierung aller Sprachen zum allein funktionierenden interplanetarischen Informationsinstrument. Metasprache und Sputnik, Metalinguistik und Raketentechnik sind das Selbe. Nur darf allerdings nicht die Meinung aufkommen, die wissenschaftliche und die philosophische Erforschung der Sprachen und der Sprache werde hier abschätzig beurteilt. Diese Forschung hat ihr besonderes Recht und behält ihr eigenes Gewicht. Sie gibt jederzeit auf ihre Weise Nutzbares zu lernen. Aber eines sind die wissenschaftlichen und philosophischen Kenntnisse über die Sprache, ein anderes ist eine Erfahrung, die wir mit der Sprache machen. Ob der Versuch, uns vor die Möglichkeit einer solchen Erfahrung zu bringen, glückt, wie weit das vielleicht Geglückte bei jedem einzelnen unter uns reicht, dies hat niemand von uns in der Hand. Was zu tun übrig bleibt, ist, Wege zu weisen, die vor die Möglichkeit bringen, mit der Sprache eine Erfahrung zu machen. Solche Wege gibt es seit langer Zeit. Sie werden nur selten in der Weise begangen, daß die mögliche Erfah-
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171
[161]
[162]
rung mit der Sprache ihrerseits zur Sprache kommt. In Erfahrungen, die wir mit der Sprache machen, bringt sich die Sprache selbst zur Sprache. Man könnte meinen, das geschähe doch jederzeit in jedem Sprechen. Allein, wann immer und wie immer wir eine Sprache sprechen, die Sprache selber kommt dabei gerade nie zum Wort. Zur Sprache kommt im Sprechen vielerlei, vor allem das, was wir besprechen: ein Tatbestand, eine Begebenheit, eine Frage, ein Anliegen. Nur dadurch, daß im alltäglichen Sprechen die Sprache selber sich nicht zur Sprache bringt, vielmehr an sich hält,a vermögen wir geradehin eine Sprache zu sprechen, von etwas und über etwas im Sprechen zu handeln.b Wo aber kommt die Sprache selber als Sprache zum Wort? Seltsamerweise dort, wo wir für etwas, was uns angeht, uns an sich reißt, bedrängt oder befeuert, das rechte Wort nicht finden. Wir lassen dann, was wir meinen, im Ungesprochenen und machen dabei, ohne es recht zu bedenken, Augenblicke durch, in denen uns die Sprache selber mit ihrem Wesen fernher und flüchtig gestreift hat. Wo es nun aber gilt, etwas zur Sprache zu bringen, was bislang noch nie gesprochen wurdec, liegt alles daran, ob die Sprache das geeignete Wort schenkt oder versagt. Einer dieser Fälle ist der Fall des Dichters. So kann denn ein Dichter sogar dahin gelangen, daß er die Erfahrung, die er mit der Sprache macht, eigens, und d. h. dichterisch, zur Sprache bringen muß. Unter den späten, einfachen, fast liedhaften Gedichten von Stefan George findet sich eines, das überschrieben ist: a b c
186 ins Gespräch zu kommen, im Gespräch zu bleiben. »Zeit und Sein« – das Nichtdurchkommen hier 1923–1926 nötigte zur Besinnung auf die Sprache und – zum Nichtveröffentlichen der zuerst entworfenen Stücke.* Vgl. Vorläufiges I. 29.**
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DAS WESEN DER SPRACHE
Das Wort. Das Gedicht erschien zuerst im Jahre 1919 * und wurde später in den Gedichtband, der betitelt ist Das Neue Reich, aufgenommen (S. 134).** Das Gedicht besteht aus sieben zweizeiligen Strophen. Die ersten drei sind gegen die zweiten drei klar abgesetzt, beide Triaden wiederum im ganzen gegen die siebente, die Schlußstrophe. Die Weise, in der wir hier kurz, aber zugleich durch alle drei Vorträge hindurch, mit dem Gedicht sprechen, erhebt keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Das Gedicht lautet: Das Wort Wunder von ferne oder traum Bracht ich an meines landes saum Und harrte bis die graue norn Den namen fand in ihrem born – Drauf konnt ichs greifen dicht und stark Nun blüht und glänzt es durch die mark … Einst langt ich an nach guter fahrt Mit einem kleinod reich und zart Sie suchte lang und gab mir kund: ›So schläft hier nichts auf tiefem grund‹ Worauf es meiner hand entrann Und nie mein land den schatz gewann … So lernt ich traurig den verzicht: Kein ding sei wo das wort gebricht.
[163]
Nach dem zuvor Vermerkten sind wir versucht, uns an die Schlußzeile des Gedichtes zu halten: Kein ding sei wo das wort gebricht. Denn sie bringt das Wort der Sprache, diese
DAS WESEN DER SPRACHE I
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selbst eigens zur Sprache und sagt etwas über das Verhältnis zwischen Wort und Ding. Der Inhalt der Schlußzeile läßt sich in eine Aussage umformen, die lautet: Kein Ding ist, wo das Wort gebricht. Wo etwas gebricht, ist ein Bruch, ein Abbruch eingetreten. Einer Sache Abbruch tun heißt: ihr etwas entziehen, es an etwas fehlen lassen. Es gebricht heißt: es fehlt. Kein Ding ist, wo das Wort fehlt, nämlich das Wort, das jeweils das Ding nennt. Was bedeutet »nennen«? Wir können antworten: Nennen meint: etwas mit einem Namen ausstatten. Und was ist ein Name? Eine Bezeichnung, die etwas mit einem Laut- und Schriftzeichen, mit einer Chiffre, versieht. Und was ist ein Zeichen? Ist es ein Signal? Oder ein Signum? Ein Merkmal? Oder ein Wink? Oder all dies und noch anderes? Wir sind sehr lässig und rechnerisch geworden im Verständnis und Gebrauch von Zeichen. Ist der Name, ist das Wort ein Zeichen? Alles liegt daran, wie wir das denken, was die Worte »Zeichen« und »Namen« besagen. Und wir merken hier schon an diesen geringen Hinweisen, in welche Strömung wir geraten, wenn das Wort als Wort, die Sprache als Sprache zur Sprache kommt. Daß auch das gehörte Gedicht beim Wort »Wort« an den Namen denkt, sagt die zweite Strophe: Und harrte bis die graue norn Den namen fand in ihrem born –
[164]
Indes lassen uns sowohl die hier genannte Finderin des Namens als auch dessen Fundort, norn und born, zögern, den »Namen« im Sinne einer bloßen Bezeichnung zu verstehen. Vielleicht ist der Name und das nennende Wort hier eher in jenem Sinn gemeint, den wir aus den Wendungen kennen: Im Namen des Königs, im Namen Gottes. Gott-
174
DAS WESEN DER SPRACHE
fried Benn beginnt eines seiner Gedichte: »Im Namen dessen, der die Stunden spendet«. »Im Namen« besagt hier: Unter dem Geheiß, nach dem Geheiß. Die Wörter »Name« und »Wort« sind in Georges Gedicht anders, tiefer gedacht denn als bloße Zeichen. Doch was sage ich? Wird in einem Gedicht auch noch gedacht? Allerdings, in einem Gedicht von solchem Rang wird gedacht, und zwar ohne Wissenschaft, ohne Philosophie. Trifft dies zu, dann dürfen wir, müssen wir sogar mit der gebotenen Zurückhaltung und Vorsicht der zunächst herausgegriffenen Schlußzeile des Gedichtes, das überschrieben ist: »Das Wort«, besinnlicher nachdenken. Kein ding sei wo das wort gebricht. Wir wagten die Umschreibung: Kein Ding ist, wo das Wort fehlt. »Ding« wird hier im überlieferten umfassenden Sinn verstanden, der jegliches Etwas meint, das irgendwie ist. So genommen ist auch ein Gott ein Ding. Erst wo das Wort gefunden ist für das Ding, ist das Ding ein Ding. So erst ist es. Demnach müssen wir betonen: Kein Ding ist, wo das Wort, d. h. der Name fehlt. Das Wort verschafft dem Ding erst das Sein. Doch wie kann ein bloßes Wort dies leisten, daß es etwas dahin bringt zu sein? Der wahre Sachverhalt liegt doch umgekehrt. Siehe den Sputnik. Dieses Ding, wenn es ein solches ist, ist doch unabhängig von diesem Namen, der ihm nachträglich angehängt wurde. Aber vielleicht ist es mit Dingen von der Art der Raketen, Atombomben, Reaktoren und dergleichen anders bestellt als mit dem, was der Dichter in der ersten Strophe der ersten Triade nennt:
DAS WESEN DER SPRACHE I
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Wunder von ferne oder traum Bracht ich an meines landes saum [165]
Unzählige halten indes auch dieses »Ding« Sputnik für ein Wunder, dieses »Ding«, das in einem weltlosen »Welt«Raum umherrast; und für viele war es und ist es noch ein Traum: Wunder und Traum der modernen Technik, die am wenigsten bereit sein dürfte, den Gedanken anzuerkennen, das Wort verschaffe den Dingen ihr Sein. Nicht Worte, sondern Taten zählen in der Rechnung der planetarischen Rechnerei. Wozu Dichter …? Und dennoch! Lassen wir einmal ab von der Eile der Gedanken. Ist nicht sogar dieses »Ding«, was es ist und wie es ist, im Namen seines Namens? Allerdings. Hätte nicht das Eilen im Sinne der größtmöglichen technischen Steigerung der Geschwindigkeiten, in deren Zeitraum allein die modernen Maschinen und Apparaturen sein können, was sie sind, den Menschen angesprochen und in sein Geheiß bestellta, hätte dieses Geheiß zu solcher Eile den Menschen nicht herausgefordert und gestellt, hätte das Wort dieses Stellens nicht gesprochen, dann wäre auch kein Sputnik: Kein Ding ist, wo das Wort fehlt. Also bleibt es eine rätselhafte Sacheb: das Wort der Sprache und sein Verhältnis zum Ding, zu jeglichem, was ist – daß es ist und wie es ist. Darum halten wir für ratsam, eine Möglichkeit dafür vorzubereiten, daß wir eine Erfahrung mit der Sprache machen. Deshalb hören wir jetzt achtsamer dorthin, wo eine solche Erfahrung in einer hohen und edlen Weise zur Sprache kommt. Wir hören das gelesene Gedicht. Haben wir es gehört? Kaum. Wir haben nur – und dies beinahe a b
〈bestellt〉 die Ge-Stellnis. 〈rätselhafte Sache〉
176
DAS WESEN DER SPRACHE
gröblich – den letzten Vers aufgegriffen und ihn sogar noch in eine undichterische Aussage umgeschrieben: Kein Ding ist, wo das Wort fehlt. Wir könnten ein Übriges tun und die Aussage vorlegen: Etwas ist nur, wo das geeignete und also zuständige Wort etwas als seiend nennt und so das jeweilige Seiende als ein solches stiftet. Heißt dies zugleich: Sein gibt es nur, wo das geeignete Wort spricht? Woher nimmt das Wort dafür seine Eignung? Der Dichter sagt darüber nichts. Aber der Inhalt des Schlußverses enthält doch die Aussage: Das Sein von jeglichem, was ist, wohnt im Wort. Daher gilt der Satz: Die Sprache ist das Haus des Seins. So vorgehend, hätten wir für einen früher einmala ausgesprochenen Satz des Denkens die schönste Bestätigung aus der Dichtung beigebracht und – in Wahrheit alles durcheinander gewirbelt. Wir hätten die Dichtung zu einer Belegstelle für das Denken herabgesetzt und das Denken zu leicht genommen und auch schon vergessen, worauf es ankommt, nämlich eine Erfahrung mit der Sprache zu machen. Darum bringen wir den zunächst aufgegriffenen und umgeschriebenen Schlußvers des Gedichtes unangetastet in seine Strophe zurück: So lernt ich traurig den verzicht: Kein ding sei wo das wort gebricht. Hinter »verzicht« hat der mit Zeichen sehr sparsame Dichter einen Doppelpunkt gesetzt. Man erwartet daher, daß etwas folge, was, grammatisch gekennzeichnet, in direkter Rede spricht:
a
Brief über den »Humanismus«*
DAS WESEN DER SPRACHE I
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[166]
So lernt ich traurig den verzicht: Kein ding ist wo das wort gebricht.
[167]
Stefan George sagt jedoch statt »ist«: sei; und er könnte nach der von ihm sonst geübten Schreibweise den Doppelpunkt weglassen, was der indirekten Rede des letzten Verses, falls es eine solche ist, fast gemäßer wäre. Aber für Georges Schreibweise lassen sich vermutlich viele Beispiele anführen; z. B. eine Stelle aus Goethes »Einleitung zum Entwurf einer Farbenlehre«. Da steht: »Damit wir aber nicht gar zu ängstlich eine Erklärung zu vermeiden scheinen, so möchten wir das Erstgesagte folgendermaßen umschreiben: Die Farbe sei ein elementares Naturphänomen für den Sinn des Auges …«* Was dem Doppelpunkt folgt, versteht Goethe als die Erklärung dessen, was die Farbe ist, und er sagt: »Die Farbe sei …«. Wie liegt die Sache aber in der letzten Strophe des Georgeschen Gedichtes? Hier handelt es sich nicht um eine theoretische Erklärung eines Phänomens, sondern um einen Verzicht. So lernt ich traurig den verzicht: Kein ding sei wo das wort gebricht. Sagt das, was dem Doppelpunkt folgt, den Inhalt des Verzichtes? Verzichtet der Dichter darauf, daß kein Ding sei, wo das Wort gebricht? Genau das Gegenteil ist der Fall.a Im gelernten Verzicht liegt, daß er gerade zuläßt, kein Ding sei, wo das Wort gebricht. Wozu dieser Umstand spitzfindiger Erörterungen? Die Sache ist doch klar. Nein, nichts ist klar; aber alles bedeua
〈Genau das Gegenteil ist der Fall.〉 !
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DAS WESEN DER SPRACHE
tend. Inwiefern? Insofern es zu hören gilt, wie sich in der letzten Strophe des Gedichtes das Ganze derjenigen Erfahrung sammelt, die der Dichter mit dem Wort, und d. h. zugleich mit der Sprache, gemacht hat; weil wir darauf achten müssen, daß die Schwingunga des dichterischen Sagens nicht auf die starre Schiene einer eindeutigen Aussage gezwungen und so zerstört werde. Dann könnte der letzte Vers »Kein ding sei wo das wort gebricht.« noch einen anderen Sinn haben als den einer in die indirekte Rede gewendeten Aussage und Feststellung, die sagt: Kein Ding ist, wo das Wort fehlt. Was auf den Doppelpunkt nach dem Wort »verzicht« folgt, nennt nicht das, worauf verzichtet wird, sondern nennt den Bereich, in den sich der Verzicht einlassen muß, nennt das Geheißb zum Sicheinlassen auf das jetzt erfahrene Verhältnis zwischen Wort und Ding. Worauf der Dichter verzichten lernte, ist die vormals von ihm gehegte Meinung über das Verhältnis von Ding und Wort. Der Verzicht betrifft das bis dahin gepflegte dichte rische Verhältnis zum Wort. Der Verzicht ist die Bereitschaft zu einem anderen Verhältnis. Dann wäre im Vers: »Kein ding sei wo das wort gebricht.«, grammatisch gesprochen, das »sei« nicht der Konjunktiv zum »ist«, sondern eine Art von Imperativ, ein Geheiß, dem der Dichter folgt, um es künftig zu bewahren. Dann hieße im Vers: »Kein ding sei wo das wort gebricht.« das »sei« soviel wie: Laß fortan kein Ding als seiendes zu, wo das Wort gebricht. In dem als Geheiß verstandenen »sei« sagt sich der Dichter das gelernte Entsagen zu, worin er die Meinung fahren läßt, etwas sei auch dann und sei schon, wenn das Wort noch fehle. Was heißt a b
〈Schwingung〉 ? 〈Geheiß〉
DAS WESEN DER SPRACHE I
179
[168]
[169]
Verzicht? Das Wort »Verzicht« gehört zum Zeitwort verzeihen; eine alte Wendung lautet: »sich eines Dinges verzeihen«, etwas aufgeben, darauf verzichten. Zeihen ist das selbe Wort wie das lateinische dicere, sagen, das griechische deiÂknymi, zeigen, althochdeutsch sagan: unser sagen. Der Verzicht ist ein Entsagen.* In seinem Verzicht sagt der Dichter seinem vormaligen Verhältnis zum Wort ab. Nur dies? Nein, in der Absage ist ihm schon etwas zugesagt, ein Geheiß, dem er sich nicht mehr versagt. Nun wäre es gleich gewaltsam, die imperativische Deutung des »sei« als die einzig mögliche zu behaupten. Vermutlich schwingen im dichterischen Sagen dieses »sei« der eine und der andere Sinn ineinander: ein Geheiß als Anspruch und das Sichfügen in dieses.a Der Dichter hat den Verzicht gelernt. Er hat eine Erfahrung gemacht. Womit? Mit dem Ding und dessen Beziehung zum Wort. Aber die Überschrift des Gedichtes lautet nur: Das Wort. Die eigentliche Erfahrung hat der Dichter mit dem Wort gemacht, und zwar mit dem Wort, insofern das Wort erst eine Beziehung zu einem Ding zu vergeben hat. Deutlicher gedacht: Der Dichter hat erfahren, daß erst das Wort ein Ding als das Ding, das es ist, erscheinen und also anwesen läßt. Das Wort sagt sich dem Dichter als das zu, was ein Ding in dessen Sein hält und erhält. Der Dichter macht die Erfahrung mit einem Walten, mit einer Würde des Wortes, wie sie weiter und höher nicht gedacht werden können. Das Wort ist aber zugleich jenes Gut, das dem Dichter als Dichter auf eine ungewöhnliche Weise zugetraut und anvertraut wird. Der Dichter erfährt den Dichterberuf im Sinne einer Berufung zum Wort als dem Born des Seins. Der Verzicht, den der Dichter lernt, ist von der a
Gelassenheit.**
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Art jenes erfüllten Entsagens, dem allein sich das lang Verborgene und eigentlich schon Zugesagte zuspricht. So müßte der Dichter denn jubeln ob solcher Erfahrung, die ihm das Freudigste zubringt, was einem Dichter geschenkt werden kann. Statt dessen sagt das Gedicht: »So lernt ich traurig den verzicht:«. Also hängt der Dichter doch nur niedergeschlagen dem Verzicht als einem Verlust nach. Aber der Verzicht – so zeigte sich – ist kein Verlust. Das »traurig« betrifft auch nicht den Verzicht, sondern das Lernen des Verzichtes. Die Trauer jedoch ist weder bloße Niedergeschlagenheit noch Trübsinn. Die eigentliche Trauer ist in den Bezug zum Freudigsten gestimmt, aber zu diesem, insofern es sich entzieht, im Entzug zögert und sich spart. Indem der Dichter den genannten Verzicht lernt, macht er die Erfahrung mit dem hohen Walten des Wortes. Er vernimmt die Ur-Kunde dessen, was dem dichterischen Sagen aufgegeben, als das Höchste und Bleibende zugesagt und doch vorenthalten ist. Die Erfahrung, die der Dichter mit dem Wort macht,* könnte er nie durchmachen, wenn sie nicht auf die Trauer gestimmt wäre, auf die Stimmung der Gelassenheit zur Nähe des Entzogenen, aber zugleich für eine anfängliche Ankunft Gesparten. Die wenigen Hinweise mögen genügen, damit deutlicher werde, welche Erfahrung der Dichter mit der Sprache gemacht hat. Erfahrena heißt nach dem genauen Sinn des Wortes: eundo assequi: im Gehen, unterwegs etwas erlangen, es durch den Gang auf einem Weg erreichen. Was erreicht der Dichter? Nicht eine bloße Kenntnis. Er gelangt in das Verhältnis des Wortes zum Ding. Dieses Verhältnis aber ist nicht eine Beziehung zwischen dem Ding auf der einen und dem Wort auf der anderen Seite. Das a
〈Erfahren〉
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Wort selber ist das Verhältnis, das jeweils in sich das Ding so einbehält, daß es ein Ding »ist«.* a b Allein, mit diesen Aussagen, sie mögen noch so weit weisen, ziehen wir doch nur die Summe aus der Erfahrung, die der Dichter mit dem Wort gemacht hat, statt uns auf die Erfahrung selbst einzulassen. Wie geschah die Erfahrung? In die Antwort auf diese Frage weist uns das Wörtchen, das wir als einziges beim Hinweis auf die letzte Strophe des Gedichtes unbeachtet ließen: So lernt ich traurig den verzicht: Kein ding sei wo das wort gebricht. »So lernt ich …« Wie denn? So, wie es die voranstehenden sechs Strophen sagen. Von dem aus, was soeben zur letzten Strophe vermerkt wurde, könnte nun einiges Licht auf diese sechs Strophen fallen. Sie müssen allerdings aus dem Ganzen des Gedichtes für sich selber sprechen. In den sechs Strophen spricht die Erfahrung, die der Dichter mit der Sprache macht. Es schickt sich ihm etwas zu, trifft ihn und verwandelt sein Verhältnis zum Wort. Darum muß zuvor jenes Verhältnis zur Sprache genannt werden, worin sich der Dichter vor der Erfahrung aufhielt. Es spricht in den ersten drei Strophen. Die letzte Zeile der dritten läuft in drei Punkte aus und kennzeichnet so die Absetzung der ersten gegen die zweite Triade. Dann setzt mit der vierten Strophe die zweite Triade ein; und zwar jäh in dem Wort »Einst«, das hier nach seiner alten Bedeutung soviel besagt wie: Einmal. Die zweite Triade sagt, was der Dichter ein und für allemal erfährt. Erfahrung ist der Gang a b
damit nur erst das Fragwürdige genannt. 176 unten und 187 u[nten]. Verhältnis und Beziehung 188
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auf einem Weg. Er führt durch eine Landschaft. In sie gehört sowohl das Land des Dichters als auch der Wohnsitz der grauen Norn, d. h. der alten Schicksalsgöttin. Sie wohnt am Saum, an der Grenze des dichterischen Landes, das als die »mark« selber ein Grenzland ist. Die graue Norn hütet ihren Born, d. h. die Quelle, auf deren tiefem Grund sie die Namen sucht, um sie daraus zu schöpfen. Das Wort, die Sprache, gehört in den Bereich dieser geheimnisvollen Landschaft, wo das dichterische Sagen an den geschickhaften Quell der Sprache grenzt. Zunächst und langehin scheint es so, als brauche der Dichter nur die Wunder, die ihn bezaubern, oder die Träume, die ihn entrücken, an die Quelle der Sprache zu bringen, um sich daraus in ungetrübter Zuversicht die Worte schöpfen zu lassen, die auf alles passen, was sich ihm an Wunderbarem und Geträumtem eingebildet hat. Vormals huldigte der Dichter, durch das Geglückte seiner Dichtungen darin bestärkt, der Meinung, die dichterischen Dinge, Wunder und Träume, stünden schon von sich aus für sich gut verbürgt im Sein, es bedürfe nur noch der Kunst, für sie auch das Wort zu finden, das sie beschreibt und darstellt. Zunächst und langehin schien es so, als seien die Worte wie Griffe, die das schon Seiende und für seiend Gehaltene umgreifen, dicht machen, es ausdrücken und ihm so zur Schönheit verhelfen. Wunder von ferne oder traum Bracht ich an meines landes saum Und harrte bis die graue norn Den namen fand in ihrem born – Drauf konnt ichs greifen dicht und stark Nun blüht und glänzt es durch die mark …
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Hier Wunder und Träume, dort die greifenden Namen, beides verschmolzen – ergab die Dichtung. Genügte sie dem, was des Dichters ist, daß er nämlich stifte, was bleibet, damit es währe und sei? Einmal jedoch kommt für Stefan George der Augenblick, wo das bisherige, seiner selbst sichere Dichten jäh zerbricht und ihn an das Wort Hölderlins denken läßt: Was bleibet aber, stiften die Dichter.* Einmal nämlich langt der Dichter, sogar nach guter Fahrt und so noch voller Hoffnung, bei der alten Schicksalsgöttin an und verlangt den Namen für das Kleinod reich und zart, das ihm auf der Hand liegt. Es ist weder »Wunder von ferne« noch »traum«. Die Göttin sucht lang, aber vergeblich. Sie gibt ihm die Kunde: ›So schläft hier nichts auf tiefem grund‹ So, nämlich so wie das auf der Hand liegende Kleinod, reich und zart, selber ist. Ein solches Wort, das dieses einfach auf der Hand liegende Kleinod sein ließe, was es ist, ein solches Wort müßte der Geborgenheit entquillen, die in der Stille eines tiefen Schlafes ruht. Nur ein Wort solcher Herkunft könnte das Kleinod in den Reichtum und die Zartheit seines schlichten Seins bergen. ›So schläft hier nichts auf tiefem grund‹ Worauf es meiner hand entrann Und nie mein land den schatz gewann … Das zarte reiche Kleinod, schon auf der Hand liegend, gelangt nicht in das Sein eines Dinges, es wird nicht zum
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Schatz, d. h. zu dem dichterisch verwahrten Eigentum des Landes. Der Dichter schweigt über das Kleinod, das nicht zum Schatz seines Landes werden konnte, ihm aber gleichwohl eine Erfahrung mit der Sprache schenkte, die Gelegenheit, jenen Verzicht zu lernen, in dessen Entsagung sich ihm das Verhältnis von Wort und Ding zusagt. Das »kleinod reich und zart« ist unterschieden gegen »Wunder von ferne oder traum«. Wir dürfen vermuten, wenn anders das Gedicht den eigenen dichterischen Weg Stefan Georges dichtet, daß im Kleinod an die zarte Fülle des Einfachen gedacht ist, das auf den Dichter in seiner Spätzeit als das zu-Sagende zukommta. Daß er den Verzicht gelernt hat, bezeugt dieses Gedicht selbst, das zum singenden Lied von der Sprache geglückt ist.* Für uns jedoch muß offen bleiben, ob wir es vermögen, uns auf eine gemäße Weise in diese dichterische Erfahrung mit der Sprache einzulassen. Die Gefahr besteht, daß wir ein solches Gedicht überanstrengen, d. h. zuviel hineindenken und uns gegen die Rührung durch das Dichterische absperren. Noch größer freilich – aber heute ungern eingestanden – ist die Gefahr, daß wir zu wenig denkenb und uns gegen den Gedanken sträuben, die eigentliche Erfahrung mit der Sprache könne nur die denkende Erfahrung sein, zumal das hohe Dichten aller großen Dichtung stets in einem Denken schwingt. Wozu aber dann, wenn es zuerst auf eine denkende Erfahrung mit der Sprache ankommt, dieser Hinweis auf eine dichterische Erfahrung? Weil das Denken wiederum in der Nachbarschaft zum Dichten seine Wege geht. Darum ist es gut, an den Nachbar**, an den, der in derselben Nähe wohnt, zu denken. Beide, Dicha b
〈zukommt〉 〈zu wenig denken〉
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ten und Denken, brauchen einander, wo es ins Äußerste geht, je auf ihre Weise in ihrer Nachbarschaft. In welcher Gegenda die Nachbarschaft selbst ihren Bereich hat, werden Dichten und Denken zwar auf verschiedene Weise, jedoch so bestimmen, daß sie sich im selben Bereich finden. Weil man aber von dem durch Jahrhunderte genährten Vorurteil benommen ist, das Denken sei eine Sache der ratio, d. h. des Rechnens im weitesten Sinne, mißtraut man schon der Rede von einer Nachbarschaft des Denkens zum Dichten. Das Denken ist kein Mittel für das Erkennen. Das Denken zieht Furchen in den Acker des Seins. Um das Jahr 1875 schreibt Nietzsche einmal (Großoktav WW XI, 20): »Unser Denken soll kräftig duften wie ein Kornfeld am Sommerabend.«* Wie viele haben heute noch die Sinne für diesen Duft? Jetzt lassen sich die beiden Sätze, mit denen der Vortrag begann, deutlicher wiederholen: Die drei Vorträge stehen unter dem Titel »Das Wesen der Sprache«. Sie möchten uns vor eine Möglichkeit bringen, eine denkende Erfahrung mit der Sprache zu machen. Wohlgemerkt, vor eine Möglichkeit. Es bleibt beim Vorläufigen eines Versuches. Davon sagt der Titel freilich nichts. Der Titel »Das Wesen der Sprache«b klingt dem Inhalt nach eher anmaßend, gleich als sollte hier ein sicherer Bescheid über das Wesen der Sprache verkündet werden. Der Titel klingt überdies nach der Form allzu geläufig, wie: das Wesen der Kunst, das Wesen der Freiheit, das Wesen der Technik, das Wesen der Wahrheit, das Wesen der Religion u. s. f. Wir sind des vielen Wesens, das hier gemacht wird, beinahe schon übera b
Ortschaft 201.
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drüssig, und dies aus Gründen, die wir selbst kaum hinreichend durchschauen. Wie wäre es aber, wenn wir das Anmaßende und das Geläufige des Titels durch eine einfache Vorkehrung beseitigten? Wir geben dem Titel ein Fragezeichen mit, und zwar so, daß der ganze Titel in diesem Zeichen steht und dadurch anders klingt. Dann lautet er: Das Wesen? – der Sprache? Jetzt steht nicht nur die Sprache in Frage, sondern zugleich, was Wesen heißt – mehr noch: in Frage steht, ob und wie Wesen und Sprache zueinander gehören. Das Wesen? – der Sprache? Durch das Fragezeichen wird alles Anmaßende und Geläufige des Titels hinfällig. Aber zugleich ruft eine Frage die andere. Zunächst erheben sich die beiden folgenden: Wie sollen wir bei der Sprache anfragen, wenn unser Verhältnis zu ihr verworren, in jedem Fall unbestimmt ist? Wie sollen wir dem Wesen nachfragen, wenn sogleich strittig werden kann, was Wesen heißt? Wir mögen vielerlei Wege ersinnen, um die Anfrage bei der Sprache und die Nachfrage nach ihrem Wesen gleichsam flott zu machen, alle Bemühung bleibt vergeblich, solange wir uns einer Hinsicht verschließen, die sich keineswegs auf die jetzt angerührten Fragen beschränkt. Wenn wir bei der Sprache anfragen, nämlich nach ihrem Wesen, dann muß uns doch die Sprache selber schon zugesprochen sein. Wollen wir dem Wesen, nämlich der Sprache, nachfragen, so muß uns auch, was Wesen heißt, schon zugesprochen sein. Anfrage und Nachfrage brauchen hier und überall im voraus den Zuspruch dessen, was sie fragend angehen, dem sie fragend nachgehen. Jeder Ansatz jeder Frage hält sich schon innerhalb der Zusage dessen auf, was in die Frage gestellt wird. Was erfahren wir, wenn wir dies genügend bedenken? Daß das Fragen nicht die eigentliche Gebärde des Denkens
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ist, sondern – das Hören der Zusage dessen, was in die Frage kommen soll. Nun gilt jedoch von altersher in der Geschichte unseres Denkens das Fragen als der maßgebende Zug des Denkens,a und dies nicht von ungefähr. Ein Denken ist um so denkender, je radikaler es sich gebärdet, je mehr es an die radix, an die Wurzel alles dessen geht, was ist.* Immer bleibt das Fragen des Denkens das Suchen nach den ersten und letzten Gründen. Weshalb? Weil dies, daß etwas ist und was es ist, weil das Wesende des Wesensb von altersher sich als der Grund bestimmt hat. Insofern alles Wesen den Charakter des Grundes hat, ist das Suchen nach dem Wesen das Ergründen und Begründen des Grundes. Das Denken, das auf das so bestimmte Wesenc zudenkt, ist in seinem Grund ein Fragen. Am Schluß eines Vortrages mit dem Titel »Die Frage nach der Technik« wurde vor einiger Zeit gesagt: »Denn das Fragen ist die Frömmigkeit des Denkens.«** Fromm ist hier im alten Sinn gemeint: fügsam, hier nämlich dem, was das Denken zu denken hat. Es gehört zu den erregenden Erfahrungen des Denkens, daß es bisweilen die gerade erreichten Einblicke nicht zureichend überblickt und ihnen nicht auf die gemäße Weise nachkommt.*** So steht es auch mit dem angeführ ten Satz, das Fragen sei die Frömmigkeit des Denkens. Der genannte Vortrag nämlich, dessen Schluß dieser Satz bildet, bewegt sich bereits in dem Sachverhalt, daß die eigentliche Gebärde des Denkens nicht das Fragen sein kann, sondern das Hören der Zusaged dessen sein muß, wobei alles Fragen a
b c d
vgl. V. u. Aufs. [Vorträge und Aufsätze] S. 44 »Denn das Fragen ist die Frömmigkeit des Denkens.«**** Vgl. die Sache mit der aÆlhÂûeia Zur Sache des Denkens. S. 77 Fußnote***** 〈das Wesende des Wesens〉 〈so bestimmte Wesen〉 〈Hören der Zusage〉 180
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dann erst anfragt, indem es dem Wesen nachfragt. Dementsprechend wird der Titel dieser Vorträge, auch wenn wir ihn mit einem Fragezeichen versehen, dadurch noch nicht zum Titel für eine Erfahrung des Denkens. Dennoch steht er da und wartet auf seine Ergänzung im Sinne dessen, was soeben über die eigentliche Gebärde des Denkens vermerkt wurde. Wie immer wir bei der Sprache nach ihrem Wesen anfragen, allem zuvor braucht es dessen, daß sich uns die Sprache selbst zusagt. In diesem Falle wird das Wesen der Sprache zur Zusage ihres Wesens, d. h. zur Sprache des Wesens (siehe II. Vortrag). Der Titel »Das Wesen der Sprache« verliert jetzt sogar die Rolle des Titels. Was er sagt, ist der Anklang einer denkenden Erfahrung, vor deren Möglichkeit wir uns zu bringen versuchen: Das Wesen der Sprache – : Die Sprache des Wesens.* Falls dieser Satz, sofern es ein solcher ist, und sein kann,** keine erkünstelte und darum leere Umkehrung darstellt, kann sich die Möglichkeit ergeben, daß wir zur rechten Zeit in der Wendung »Sprache des Wesens« sowohl für »Sprache« als auch für »Wesen« ein anderes Wort einsetzen. Das Ganze, was uns jetzt anspricht: Das Wesen der Sprache: Die Sprache des Wesens, ist weder Titel noch gar Antwort auf eine Frage. Es wird zum Leitwort, das uns auf den Weg geleiten möchte. Dabei soll uns die zu Beginn vernommene dichterische Erfahrung mit dem Wort auf unserem Denkweg begleiten. Wir kamen mit ihr bereits in ein Gespräch, das zeigte: Der Schlußvers »Kein ding sei wo das wort gebricht.« deutet in das Verhältnis von Wort und Ding, dergestalt, daß das Wort selbst das Verhältnis ist, insofern es jeglich Ding ins Sein hält und darin behält.a a
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Ohne das also verhaltende Wort sinkt das Ganze der Dinge, die »Welt«, ins Dunkel weg, samt dem »Ich«, das, was ihm an Wunder und Traum begegnet, an den Saum seines Landes zur Quelle der Namen trägt. Damit wir die Stimme aus Stefan Georges dichterischer Erfahrung mit dem Wort noch in einem anderen Ton hören, lese ich zum Schluß das zweistrophige Gedicht von Gottfried Benn aus den »Statischen Gedichten« (S. 36).* Der Ton dieses Gedichtes ist gestraffter und zugleich heißer, weil preisgegeben und zugleich ins Äußerste entschieden. Das Gedicht ist mit einer kennzeichnenden und vermutlich bewußten Änderung des Titels überschrieben: Ein Wort Ein Wort, ein Satz – : Aus Chiffern steigen erkanntes Leben, jäher Sinn, die Sonne steht, die Sphären schweigen und alles ballt sich zu ihm hin. Ein Wort –, ein Glanz, ein Flug, ein Feuer, ein Flammenwurf, ein Sternenstrich – , und wieder Dunkel, ungeheuer, im leeren Raum um Welt und Ich.
II ie drei Vorträge möchten uns vor eine Möglichkeit bringen, mit der Sprache eine Erfahrung zu machen. Etwas erfahrena heißt: unterwegs, auf einem Weg, etwas
D a
〈Etwas erfahren〉**
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erlangen. Mit etwas eine Erfahrung machen, heißt, daß jenes, wohin wir unterwegs gelangen, um es zu erlangen, uns selber belangt, uns trifft und beansprucht, insofern es uns zu sich verwandelt.* Weil es auf ein Erfahren ankommt, auf ein Unterwegssein, bedenken wir heute in der Stunde des Überganges vom ersten zum dritten Vortrag den Weg. Hierfür bedarf es einer Vorbemerkung, weil die meisten von Ihnen vorwiegend im wissenschaftlichen Denken beschäftigt sind. Die Wissenschaften kennen den Weg zum Wissen unter dem Titel der Methode. Diese ist, zumal in der neuzeitlich–modernen Wissenschaft, kein bloßes Instrument im Dienste der Wissenschaft, sondern die Methode hat ihrerseits die Wissenschaften in ihren Dienst genommen. Dieser Sachverhalt wurde in seiner ganzen Tragweite zum ersten Mal von Nietzsche erkannt und in den folgenden Aufzeichnungen dargelegt. Sie sind aus seinem Nachlaß unter den Nr. 466 und 469 im »Willen zur Macht« veröffentlicht.** Die erste lautet: »Nicht der Sieg der Wissenschaft ist Das, was unser 19. Jahrhundert auszeichnet, sondern der Sieg der wissenschaftlichen Methode über die Wissenschaft.« Die andere Aufzeichnung beginnt mit dem Satz: »Die werthvollsten Einsichten werden am spätesten gefunden: aber die werthvollsten Einsichten sind die Methoden.« Auch Nietzsche selber hat diese Einsicht über das Verhältnis von Methode und Wissenschaft am spätesten gefunden, nämlich während des letzten Jahres seines hellen Lebens, 1888 in Turin. In den Wissenschaften wird das Thema nicht nur durch die Methode gestellt, sondern es wird zugleich in die Methode hereingestellt und bleibt in ihr untergestellt. Das rasende Rennen, das heute die Wissenschaften fortreißt, sie wissen selber nicht wohin, kommt aus dem gesteiger-
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ten, mehr und mehr der Technik preisgegebenen Antrieb der Methode und deren Möglichkeiten. Bei der Methode liegt alle Gewalt des Wissens. Das Thema gehört in die Methode.a Anders als im wissenschaftlichen Vorstellen verhält es sich im Denken. Hier gibt es weder die Methode noch das Thema, sondern die Gegend, die so heißt, weil sie das gegnet, freigibt, was es für das Denken zu denken gibt. Das Denken hält sich in der Gegend auf, indem es die Wege der Gegend begeht. Hier gehört der Weg in die Gegend. Dieses Verhältnis ist vom wissenschaftlichen Vorstellen aus nicht nur schwer, sondern überhaupt nicht zu erblicken. Wenn wir uns daher im folgenden auf den Weg der denkenden Erfahrung mit der Sprache besinnen, stellen wir keine methodologische Überlegung an. Wir gehen schon in der Gegend, in dem Bereich, der uns angeht. Wir sprechen und sprechen von der Sprache. Das, wovon wir sprechen, die Sprache, ist uns stets schon voraus. Wir sprechen ihr ständig nur nach. So hängen wir fortwährend hinter dem zurück, was wir zuvor zu uns eingeholt haben müßten, um davon zu sprechen. Demnach bleiben wir, von der Sprache sprechend, in ein immerfort unzureichendes Sprechen verstrickt. Diese Verstrickung sperrt uns gegen das ab, was sich dem Denken kundgeben soll. Allein, diese Verstrickung, die das Denken nie zu leicht nehmen darf, löst sich auf, sobald wir das Eigentümliche des Denkweges beachten, d. h. uns in der Gegend umblikken, worin das Denken sich aufhält. Diese Gegend ist überall offen in die Nachbarschaft zum Dichten. Die Besinnung auf den Denkweg muß diese Nachbarschaft bedenken. Von außen her genommen und aufgezählt, behandelt der erste Vortrag dreierlei: a
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Einmal den Hinweis auf eine dichterische Erfahrung mit der Sprache. Der Hinweis beschränkt sich auf einige Bemerkungen zu Stefan Georges Gedicht »Das Wort«. Zum andern kennzeichnet der Vortrag die Erfahrung, die es hier für uns vorzubereiten gilt, als eine denkende Erfahrung. Wo das Denken in seine eigentliche Bestimmung findet, sammelt es sich auf das Hören der Zusage, die uns sagt, was es für das Denken zu denken gibt. Jedes Anfragen bei der Sache des Denkens, jedes Nachfragen nach ihrem Wesen, wird schon von der Zusage dessen getragen, was in die Frage kommen soll. Darum ist das Hören der Zusagea die eigentliche Gebärde des jetzt nötigen Denkens, nicht das Fragen. Weil jedoch das Hinhören ein Hinhören auf das entgegnende Wort ist, entfaltet sich das Hören auf die Zusage des zu-Denkenden stets in ein Fragen nach der Antwort. Die Kennzeichnung des Denkens als eines Hörens klingt befremdlich, genügt auch nicht der Deutlichkeit, deren es hier bedarf. Allein, dies macht das Eigentümliche des Hörens aus, daß es seine Bestimmtheit und Deutlichkeit aus dem empfängt, was ihm durch die Zusage bedeutet wird. Doch eines zeigt sich schon: das hier gemeinte Hören ist der Zusage als der Sage zugeneigt, mit der das Wesen der Sprache verwandt ist. Gelingt es, in die Möglichkeit einer denkenden Erfahrung mit der Sprache zu blicken, dann kann dies eine Klarheit darüber bringen, in welchem Sinne das Denken ein Hören der Zusage ist.b Schließlich enthält der erste Vortrag ein Drittes: die Verwandlung des Titels der Vorträge. Sie beseitigt zunächst das Anmaßende und das Geläufige des Titels durch den a b
〈Hören der Zusage〉 176*
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Zusatz des Fragezeichens, das sowohl die Sprache als auch das Wesen in Frage stellt und den Titel in die fragende Wendung verwandelt: Das Wesen? – der Sprache? Nun gilt unser Versuch der Vorbereitung einer denkenden Erfahrung mit der Sprache. Insofern jedoch das Denken allem zuvor ein Hörena ist, ein Sichsagenlassenb und kein Fragen, müssen wir, wenn es auf eine denkende Erfahrung mit der Sprache ankommt, die Fragezeichen wieder streichen, können jedoch auch nicht mehr zur üblichen Form des Titels zurückkehren. Wenn wir dem Wesen der Sprache nachdenken sollen, muß sich die Sprache zuvor uns zusagen oder gar schon zugesagt haben. Die Sprache muß auf ihre Weise sich selber – ihr Wesen uns zusprechen. Die Sprache west als dieser Zuspruch. Wir hören ihn ständig schon, aber wir denken nicht daran. Hörten wir nicht überall den Zuspruch der Sprache, dann könnten wir kein Wort der Sprache gebrauchen. Die Sprache west als dieser Zuspruch. Das Wesen der Sprache bekundet sich als Spruch, als die Sprache ihres Wesens. Aber wir können diese Ur-Kunde weder recht hören noch gar »lesen«.* Sie lautet: Das Wesen der Sprache: Die Sprache des Wesens. Das jetzt Gesagte ist eine Zumutung. Wäre es nur eine Behauptung, dann dürften wir uns daran machen, ihre Richtigkeit oder Falschheit zu beweisen. Dies wäre um vieles leichter, als die Zumutung auszuhalten und uns in sie zu finden. Das Wesen der Sprache: Die Sprache des Wesens. Die Zumutung, dies denkend zu erfahren, stammt, so will es scheinen, aus dem Vortrag, der sie an uns stellt. Aber die Zumutung kommt anderswoher. Die Verwandlung des a b
〈Hören〉 〈Sichsagenlassen〉
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Titels ist von einer Art, daß sie ihn verschwinden läßt. Was dem folgt, ist keine Abhandlung über die Sprache unter einer veränderten Überschrift. Es ist der Versuch eines ersten Schrittes in die Gegend, die uns Möglichkeiten für eine denkende Erfahrung mit der Sprache bereithält. In dieser Gegend trifft das Denken auf die Nachbarschaft zur Dichtung. Wir hörten von einer dichterischen Erfahrung mit dem Wort. Sie spricht gesammelt in der letzten Strophe des Gedichtes: So lernt ich traurig den verzicht: Kein ding sei wo das wort gebricht. Wir versuchten, durch eine knappe Erläuterung der vorangehenden zweimal drei Strophen auf den dichterischen Weg dieser Erfahrung zu blicken. Aus der Ferne nur ein Blick auf den Weg des Dichters – wir werden uns nicht einbilden, selber diesen Weg gegangen zu sein. Denn das dichterische Sagen Stefan Georges ist in diesem Gedicht und den dazu gehörenden ein Gehen, das einem Weggehen gleichkommt, nachdem dieser Dichter vormals wie ein Gesetzgeber und Künder gesprochen hat. So gehört denn auch dieses Gedicht »Das Wort« in den letzten Teil des letzten von George mitgeteilten Gedichtbuches »Das Neue Reich«, das im Jahr 1928 erschien. Der letzte Teil trägt den Titel: »Das Lied«.* Das Lied wird gesungen, nicht nachträglich, sondern: Im Singen fängt das Lied an, Lied zu sein. Der Dichter des Liedes ist der Sänger. Dichtung ist Gesang. Hölderlin liebt nach dem Vorbild der Alten den Namen »Gesang« für die Dichtung. In der jüngst wiedergefundenen Hymne »Friedensfeier«** singt Hölderlin am Beginn der achten Strophe:
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Viel hat von Morgen an, Seit ein Gespräch wir sind und hören voneinander, Erfahren der Mensch; bald sind aber Gesang (wir). Die »voneinander hören« – die einen und die anderen – sind die Menschen und die Götter. Der Gesang ist die Feier der Ankunft der Götter – in welcher Ankunft alles still wird. Der Gesang ist nicht der Gegensatz zum Gespräch, sondern die innigste Verwandtschaft mit ihm; denn auch der Gesang ist Sprache. In der voraufgehenden siebenten Strophe sagt Hölderlin: Schiksaalgesez ist diß, daß Alle sich erfahren, Daß, wenn die Stille kehrt, auch eine Sprache sei.
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Im Jahre 1910 hat Norbert von Hellingrath, der 1916 vor Verdun gefallen ist, zum ersten Mal Hölderlins PindarÜbertragungen aus den Handschriften herausgegeben.* Dann folgte 1914 der erste Druck der späten Hymnen Hölderlins.** Beides wirkte damals auf uns Studenten wie ein Erdbeben. Stefan George selbst, der Norbert von Hellingrath auf Hölderlin gewiesen, empfing wiederum durch die genannten Erstausgaben – gleich wie Rilke – entscheidende Stöße. Seitdem nähert sich Stefan Geor ges Dichtung mehr und mehr dem Gesang. Dabei hat der Dichter schon im Ohr, was Nietzsche im dritten Teil von »Also sprach Zarathustra« am Schluß des Stückes sagt, das überschrieben ist: Von der großen Sehnsucht. »Oh meine Seele, nun gab ich dir Alles und auch mein Letztes, und alle meine Hände sind an dich leer geworden: – daß ich dich singen hieß, siehe, das war mein Letztes!« (WW VI, 327).*** Der Schlußteil von Stefan Georges Gedichtbuch »Das Neue Reich« beginnt unter dem Titel »Das Lied« mit einem Vorspruch,**** der lautet:
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Was ich noch sinne und was ich noch füge Was ich noch liebe trägt die gleichen züge Der Dichter ist aus seinem eigenen früheren »Kreis« herausgetreten, ohne doch auf das Wort zu verzichten; denn er singt, und Gesang bleibt Gespräch. Der Verzicht des Dichters betrifft nicht das Wort, sondern das Verhältnis des Wortes zum Ding, genauer: das Geheimnisvolle dieses Verhältnisses, das sich gerade dort als Geheimnis offenbart, wo der Dichter ein auf der Hand liegendes Kleinod nennen möchte. Welcher Art dieses Kleinod ist, sagt der Dichter nicht. Wir dürfen aber daran denken, daß »Kleinod« nach der alten Bedeutung heißt: ein zierliches Geschenk, das dem Gast zugedacht wird; oder auch ein Geschenk als Zeichen besonderer Gunst, das der Beschenkte fortan bei sich trägt. Kleinod – gehört in die Bezüge zu Gunst und Gast. Achten wir darauf, daß mit dem Gedicht »Das Wort« unter dem Leittitel des Schlußteiles »Das Lied« auch jenes Gedicht zusammengehört, das überschrieben ist »Seelied«* und beginnt: Wenn an der kimm in sachtem fall Eintaucht der feurig rote ball: Dann halt ich auf der düne rast Ob sich mir zeigt ein lieber gast. Die letzte Strophe nennt den Gast und nennt ihn zugleich nicht. Wie der Gast, so hält sich das Kleinod im Ungenannten. Ungenannt vollends bleibt, was dem Dichter als die höchste Gunst nahe kommt. Das Schlußgedicht des Schlußteiles sagt sie, singt sie und nennt sie doch nicht. Kleinod, Gunst und Gast sind gesagt, aber nicht genannt. Also verschwiegen? Nein. Verschweigen können
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wir nur, was wir wissen. Der Dichter verschweigt nicht die Namen. Er weiß sie nicht. Er bekennt es selbst in dem einen Vers, der wie der Generalbaß durch alle Lieder tönt: Worin du hängst, das weißt du nicht.*
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Die Erfahrung dieses Dichters mit dem Wort geht ins Dunkle und bleibt dabei selber noch verschleiert. Wir müssen sie so lassen; aber indem wir die dichterische Erfahrung so bedenken, lassen wir sie dabei auch schon in der Nachbarschaft zum Denken. Indes sollen wir nicht meinen, eine denkende Erfahrung mit der Sprache werde an Stelle der dichterischen eher ins Helle führen und dürfe die Schleier wegheben. Was ein Denken hier vermag, bestimmt sich daraus, ob und wie es die Zusage hört, worin das Wesen der Sprache als die Sprache des Wesens spricht. Daß jedoch der Versuch, eine Möglichkeit für eine denkende Erfahrung mit der Sprache zu bereiten, die Nachbarschaft zum Dichten aufsucht, geschieht keineswegs zum Notbehelf, sondern aus der Vermutung, daß Dichten und Denken in die Nachbarschaft gehören. Vielleicht entspricht diese Vermutung der Zumutung, die wir erst nur undeutlich hören: Das Wesen der Sprache: Die Sprache des Wesens. Wir suchen, damit sich eine Möglichkeit zeige, mit der Sprache eine denkende Erfahrung zu machen, die Nachbarschaft auf, in der Dichten und Denken wohnen. Ein seltsames Beginnen, wo wir in beiden wenig erfahren sind. Gleichwohl kennen wir beide. Unter den Titeln Poesie und Philosophie ist uns vielerlei über Dichten und Denken bekannt. Auf unserem Weg suchen wir die Nachbarschaft von Dichten und Denken auch nicht blindlings auf; denn wir haben schon ein Gedicht »Das Wort« im Gehör und dadurch eine dichterische Erfahrung mit der Sprache im
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Blick. Wir dürfen sie mit allen Vorbehalten in das Sagen des Verzichtes zusammenschließen: »Kein ding sei wo das wort gebricht.« Sobald wir bedenken, hier werde das Verhältnis von Ding und Wort genannt, somit das Verhältnis der Sprache zu einem jeweils Seienden als solchem, haben wir das Dichterische in das Nachbarliche eines Denkens herüber gerufen. Dieses jedoch, das Denken, vernimmt dabei nichts Fremdes.* Denn mit das Früheste, was durch das abendländische Denken ins Wort gelangt, ist das Verhältnis von Ding und Wort, und zwar in der Gestalt des Verhältnisses von Sein und Sagen. Dieses Verhältnis überfällt das Denken so bestürzend, daß es sich in einem einzigen Wort ansagt. Es lautet: loÂgow. Dieses Wort spricht in einem zumal als der Name für das Sein und für das Sagen. Aber noch bestürzender für uns ist, daß hierbei keine denkende Erfahrung mit der Sprache gemacht wird, so nämlich, daß die Sprache selber jenem Verhältnis gemäß und eigens zur Sprache käme. Diesem Hinweis entnehmen wir: Die dichterische Erfahrung Stefan Georges nennt etwas Uraltes, was das Denken schon betroffen hat und dieses seitdem gefangen hält, auf eine Weise allerdings, die uns so geläufig wie unkenntlich geworden ist. Weder die dichterische Erfahrung mit dem Wort noch die denkende Erfahrung mit dem Sagen bringen die Sprache in ihrem Wesen zur Sprache. So steht es; unbeschadet dessen, daß seit der Frühzeit des abendländischen Denkens bis in die Spätzeit der Dichtung Stefan Georges durch das Denken Tiefes über die Sprache gedacht, Erregendes im Dichten zur Sprache gedichtet wurde. Woran es nun aber liegt, daß gleichwohl das Wesen der Sprache sich überall nicht als die Sprache des Wesens zur Sprache bringt, können wir nur vermuten. Manches spricht dafür, daß das Wesen der Sprache es gerade ver-
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weigert, zur Sprache zu kommen, nämlich zu der Sprache, in der wir über die Sprache Aussagen machen.* Wenn die Sprache überall ihr Wesen in diesem Sinne verweigert, dann gehört diese Verweigerunga zum Wesen der Sprache. Somit hält die Sprache nicht nur dort an sich, wo wir sie gewohnterweise sprechen, sondern dieses ihr An-sich-halten wird von daher bestimmt, daß die Sprache mit ihrer Herkunft an sich hält und so ihr Wesen dem uns geläufigen Vorstellen versagt.** Für diesen Fall dürfen wir aber dann auch nicht mehr sagen, das Wesen der Sprache sei die Sprache des Wesens, es sei denn, das Wort »Sprache« besage in der zweiten Wendung etwas anderes und sogar solches, worin die Verweigerung des Sprachwesens – spricht. Demgemäß bringt sich das Wesen der Sprache auf seine eigenste Weise doch zur Sprache. Wir dürfen dem nicht mehr ausweichen, müssen vielmehr weiter vermuten, woran es wohl liegen mag, daß die eigentümliche »Sprache« des Sprachwesens allzuleicht überhört wird. Vermutlich liegt dies mit daran, daß die beiden ausgezeichneten Weisen des Sagens, Dichten und Denken, nicht eigens, und d. h. in ihrer Nachbarschaft, aufgesucht wurden. Aber man redet doch oft genug von Dichten und Denken. Die Wendung ist bereits zur leeren Formel geworden und abgeleiert. Vielleicht empfängt das »und« in der Wendung »Dichten und Denken« seine Fülle und Bestimmtheit, wenn wir uns in den Sinn kommen lassen, das »und« könnte die Nachbarschaft von Dichten und Denken meinen. Wir verlangen allerdings sogleich eine Erklärung darüber, was hier Nachbarschaft heißen soll, mit welchem Recht von dergleichen die Rede ist und sein kann. Nachbar ist, was das Wort selber uns sagt, wer in der Nähe wohnt zu a
〈Verweigerung〉
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einem und mit einem anderen. Dieser andere wird dadurch selbst zum Nachbarn des einen. Die Nachbarschaft ist somit eine Beziehung, die sich daraus ergibt, daß einer in die Nähe des anderen zieht. Die Nachbarschaft ist das Ergebnis, d. h. die Folge und Wirkung dessen, daß einer gegenüber dem anderen sich ansiedelt. Die Rede von der Nachbarschaft des Dichtens und Denkens meint demnach, daß beide einander gegenüber wohnen, eines gegenüber dem anderen sich angesiedelt hat, eines in die Nähe des anderen gezogen ist. Dieser Hinweis auf das Kennzeichnende der Nachbarschaft bewegt sich in einer bildlichen Redeweise. Oder sagen wir schon etwas von der Sache? Was heißt denn »bildliche Redeweise«? Wir sind mit dieser Auskunft schnell bei der Hand, ohne daran zu denken, daß wir uns auf sie solange nicht in einer verläßlichen Form berufen dürfen, als unbestimmt bleibt, was Rede ist und was Bilda und inwiefern die Sprache in Bildern spricht, ob sie überhaupt so spricht. Darum lassen wir hier alles weit offen. Halten wir uns an das Nötigste, nämlich daran, die Nachbarschaft von Dichten und Denken aufzusuchen, d. h. jetzt: das Gegen-einander-über der beiden. Zum Glück brauchen wir die Nachbarschaft weder erst zu suchen noch aufzusuchen. Wir halten uns schon in ihr auf. Wir bewegen uns in ihr. Das Gedicht des Dichters spricht zu uns. Wir haben dem Gedicht gegenüber einiges gedacht, wenngleich nur im groben Überschlag. Kein ding sei wo das wort gebricht. sagt der Verzicht des Dichters; und wir sagten dazu, hier komme das Verhältnis von Ding und Wort zum Vorschein; a
〈Bild〉 vgl. zu Hegels [Hebels] Gedicht: d[er] Sommerabend.*
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sagten ein übriges, Ding nenne hier jegliches, was irgendwie ist, ein jeweilig Seiendes. Wir sagten ein übriges zum »Wort«, daß es nicht nur in einem Verhältnis zum Ding stehe, sondern daß das Wort das jeweilige Ding als das Seiende, das ist, erst in dieses »ist« bringe,a darin halte, es verhalte, ihm gleichsam den Unter halt gewähre, ein Ding zu sein. Demgemäß sagten wir, das Wort stünde nicht nur in einem Verhältnis zum Ding, sondern das Wort »sei« selber dasjenige, was das Ding als Ding hält und verhält, sei als dieses Verhaltende: das Verhältnis selber. Für manchen mag dies zum Gedicht Gedachte sich erübrigen und als zudringlich und gewaltsam erscheinen. Doch hier gilt es, in der Nachbarschaft zum dichterischen Erfahren mit dem Wort eine Möglichkeit für eine denkende Erfahrung mit der Sprache zu finden. Dies heißt jetzt und zunächst: auf die Nachbarschaft als solche achten lernen, in der Dichten und Denken wohnen. Doch seltsam – die Nachbarschaft selbst bleibt unsichtbar. So ist es auch sonst im Alltäglichen. Man lebt in ihr und käme in Verlegenheit, sollte man sagen, worin die Nachbarschaft bestehe. Aber diese Verlegenheit ist nur ein besonderer, vielleicht ausgezeichneter Fall jener alten weit ausgreifenden Verlegenheit, in der sich unser Denken und Sagen überall und ständig befindet. Welche Verlegenheit meinen wir? Diese: Wir sind nicht, und wenn, dann nur selten und dabei kaum, in der Lage, eine Beziehung, die zwischen zwei Dingen, zwischen zwei Wesen waltet, rein aus ihr selbst her zu erfahren.* Wir stellen uns die Beziehung sogleich von dem aus vor, was jeweils in der Beziehung steht. Wir sind wenig darüber verständigt, wie, wodurch und woher sich die Beziehung ergibt und wie sie als diese Beziehung ist. So bleibt a
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es zwar richtig, wenn wir die Nachbarschaft als eine Beziehung vorstellen. Diese Vorstellung trifft auch auf die Nachbarschaft von Dichten und Denken zu. Aber diese Vorstellung sagt uns nichts darüber, ob das Dichten in die Nachbarschaft zum Denken zieht oder dieses in die Nachbarschaft zu jenem, oder ob beide in die Nachbarschaft zueinander gezogen sind. Das Dichten bewegt sich im Element des Sagens, insgleichen das Denken. Besinnen wir uns auf das Dichten, dann finden wir uns zugleich schon im selben Element, darin das Denken sich bewegt. Hierbei können wir nicht geradehin entscheiden, ob das Dichten eigentlich ein Denken sei oder das Denken eigentlich ein Dichten. Dunkel bleibt, wodurch sich ihr eigentliches Verhältnis bestimmt und woher dies, was wir lässig genuga das Eigentlicheb nennen, eigentlich stammt. Aber – wie immer wir uns das Dichten und das Denken in den Sinn kommen lassen, jedesmal hat sich uns schon ein und dasselbe Element genähert: das Sagen, wir mögen eigens darauf achten oder nicht. Mehr noch: Dichten und Denken bewegen sich nicht nur im Element des Sagens, sondern sie verdanken zugleich ihr Sagen mannigfaltigen Erfahrungen mit der Sprache, die für uns kaum beachtet oder gar gesammelt sind. Wo es geschah, mangelte es an dem zureichenden Hinblick gerade auf dasjenige, was uns durch die jetzige Besinnung immer näher angeht: die Nachbarschaft von Dichten und Denken. Vermutlich ist sie doch kein bloßes Ergebnis, das erst dadurch erwirkt wird, daß Dichten und Denken zueinander in ein Gegenüber einziehen; denn beide gehören schon zueinander, ehe sie sich aufmachen könnten, in das a b
〈lässig genug〉 〈das Eigentliche〉*
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Gegen-einander-über zu gelangen. Das Sagen ist dasselbe Element für das Dichten und das Denken; aber es ist für beide noch oder schon auf eine andere Weise »Element«, als das Wasser für den Fisch und die Luft für den Vogel; auf eine Weise, daß wir die Rede vom Element verlassen müssen, insofern das Sagen nicht nur das Dichten und das Denken »trägt« und den Bezirk bietet, den sie durchmessen. Dies alles ist freilich leicht gesagt, d. h. ausgesprochen, aber zumal für uns Heutige schwer zu erfahren. Was wir unter dem Namen der Nachbarschaft des Dichtens und Denkens zu bedenken versuchen, ist weit entfernt von einem bloßen Bestand vorgestellter Beziehungen. Die genannte Nachbarschaft durchwaltet überall unseren Aufenthalt auf dieser Erde und die Wanderung in ihm. Weil jedoch das heutige Denken immer entschiedener und ausschließlicher zum Rechnen wird, setzt es alle nur bestellbaren Kräfte und »Interessen« daran, zu errechnen, wie sich der Mensch demnächst im weltlosen kosmischen Raum einrichten könne. Dieses Denken ist im Begriff, die Erde als Erde preiszugeben. Als Rechnen treibt es mit einer steigenden Geschwindigkeit und Besessenheit der Eroberung des kosmischen Raumes zu. Dieses Denken selber ist schon die Explosion einer Gewalt, die alles ins Nichtige jagen könnte. Der Rest, der aus solchem Denken folgt, der technische Vorgang des Funktionierens der Zerstörungsmaschinerien, wäre nur die letzte finstere Abfertigung des Wahnsinns in das Sinnlose. Stefan George sagt schon in seiner 1917 während des ersten Weltkrieges entstandenen großen Ode »Der Krieg«: »Dies sind die flammenzeichen – nicht die kunde« (Das Neue Reich, S. 29).* Der Versuch, die Nachbarschaft von Dichten und Denken eigens zu erblicken, hat uns vor eine eigentümliche Schwierigkeit gebracht. Wollten wir sie unbedacht vorbei-
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gehen lassen, dann bliebe die Wegstrecke dieser Vorträge und der Gang auf ihr im Trüben. Die Schwierigkeit spiegelt sich in dem wider, was uns schon im ersten Vortrag streifte und jetzt in diesem angeht. Wenn wir auf den Dichter hören und, was sein Verzicht sagt, auf unsere Weise bedenken, halten wir uns schon in der Nachbarschaft von Dichten und Denken auf, und doch wiederum nicht, nämlich nicht so, daß wir die Nachbarschaft als solche erfahren. Wir sind noch nicht unterwegs zu ihr. Wir müssen erst da-hin zurückkehren, wo wir uns eigentlich schon aufhalten. Die verweilende Rückkehr da-hin, wo wir schon sind, ist unendlich schwerer als die eiligen Fahrten dorthin, wo wir noch nicht sind* und nie sein werden, es sei denn als technische, den Maschinen angepaßte Ungetüme. Der Schritt zurück in die Ortschaft des Menschenwesensa verlangt anderes als der Fortschritt ins Maschinenwesen. Dahin zurückkehren, wo wir uns (eigentlich) schon aufhaltenb, dies ist die Art des Ganges auf dem jetzt nötigen Denkwegc. Achten wir auf das Eigene dieses Weges, dann schwindet der Anschein von Verstrickung, der zunächst stört. Wir sprechen von der Sprache im ständigen Anschein, nur über die Sprache zu sprechen, während wir bereits aus der Sprache her, in ihr sie selbst, ihr Wesen, uns sagen lassen. Darum dürfen wir die begonnene Zwiesprache mit der gehörten dichterischen Erfahrung nicht vorzeitig abbrechen aus der Besorgnis, das Denken ließe das a
b c
〈Der Schritt zurück in die Ortschaft des Menschenwesens〉 (Br.-E.) [(Brauch-Eignis)] [?]** 196 216
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Dichten nicht mehr zu dessen Wort kommen, reiße vielmehr alles auf den Denkweg herüber. Wir müssen es wagen, in der Nachbarschaft zum Gedicht und zur Schlußstrophe, in die es sich versammelt, hin und her zu gehen. Wir versuchen erneut, zu hören, was dichterisch gesagt ist. Wir vermuten, was dem Denken zugemutet sein könnte, und beginnen mit diesem. So lernt ich traurig den verzicht: Kein ding sei wo das wort gebricht.
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Wir schreiben den letzten Vers wieder so um, daß er fast wie eine Aussage, wenn nicht gar wie ein Lehrsatz klingt: Kein Ding ist, wo das Wort fehlt. Ein Ding ist erst und nur, wo das Wort nicht fehlt, mithin da ist. Wenn jedoch das Wort ist, dann muß es selber auch ein Ding sein; denn »Ding« meint hier jegliches, was irgendwie ist: »Wunder von ferne oder traum«. Oder ist das Wort, wenn es spricht, als Wort kein Ding, nichts dergleichen, was ist? Ist das Wort ein Nichts? Wie soll es aber dann dem Ding dahin verhelfen, zu sein? Muß nicht, was das Sein verleiht, erst recht und allem zuvor selber »sein«, somit das Seiendste, seiender als die Dinge, die sind? In dieser Sicht muß der Sachverhalt sich uns darstellen, solange wir rechnen, d. h. für etwas, das ist, den genügenden Grund ausrechnen, der das Seiende als die Folge des Grundes, als seine Wirkung begründet und dadurch unser Vorstellen befriedigt. Demgemäß muß auch das Wort, wenn es dem Ding das »ist« verleihen soll, vor jedem Ding sein – also unweigerlich selber ein Ding. Wir hätten dann den Sachverhalt vor uns, daß ein Ding, das Wort, einem anderen Ding das Sein verschafft. Aber der Dichter sagt: »Kein ding sei wo das wort gebricht.« Wort und Ding sind verschieden, wenn nicht
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geschieden. Wir meinen, beim ersten Hinhören den Dichter zu verstehen; aber kaum haben wir den Vers nachdenkend gleichsam angerührt, sinkt, was er sagt, ins Dunkel. Das Wort, das selber kein Ding sein soll, kein Etwas, das »ist«, entrinnt uns. Es scheint, als geschähe hier dasselbe, was im Gedicht mit dem Kleinod geschieht. Meint der Dichter mit dem »kleinod reich und zart« vielleicht das Wort selbst? Dann hätte Stefan George, dichterisch ahnend, daß das Wort selber kein Ding sein könne, bei der Norn für das Kleinod, nämlich für das Wort, das Wort erbeten. Die Göttin des Geschickes gibt ihm jedoch die Kunde: ›So schläft hier nichts auf tiefem grund‹. Das Wort für das Wort läßt sich dort nirgends finden, wo das Geschick die nennend-stiftende Sprache schenkt für das Seiende, daß es sei und als Seiendes glänze und blühe. Das Wort für das Wort, ein Schatz zwar, doch nie zu gewinnen für das Land des Dichters; aber für das Denken? Wenn das Denken versucht, dem dichterischen Wort nachzusinnen, zeigt sich: das Wort, das Sagen, hat kein Sein. Doch unser geläufiges Vorstellen wehrt sich gegen dieses Ansinnen. Jedermann sieht und hört in Schrift und Laut doch Worte. Sie sind; sie können sein wie Dinge, greifbar durch unsere Sinne. Wir brauchen, um das gröbste Beispiel anzuführen, nur ein Wörterbucha aufzuschlagen. Es ist voll von gedruckten Dingen. Allerdings. Lauter Wörter und kein einziges Wort. Denn das Wort, wodurch die Wörter zum Wort kommen, vermag ein Wörterbuch weder zu fassen noch zu bergen. Wohin gehört das Wort, wohin das Sagen? So gibt uns denn die dichterische Erfahrung mit dem Wort einen bedeutenden Wink. Das Wort – kein Ding, a
〈Wörterbuch〉
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nichts Seiendes; dagegen sind wir über die Dinge verständigt, wenn für sie das Wort zur Verfügung steht. Dann »ist« das Ding. Doch wie verhält es sich mit dem »ist«? Das Ding ist. Ist das »ist« selber auch noch ein Ding, aufgestuft auf ein anderes, ihm aufgesetzt wie eine Kappe? Wir finden das »ist« nirgends als ein Ding an einem Ding. Dem »ist« geht es wie dem Wort. So wenig wie das Wort gehört das »ist« unter die seienden Dinge. Plötzlich erwachen wir aus der Verschlafenheit des eiligen Meinens und erblicken Anderes. In dem, was die dichterische Erfahrung mit der Sprache vom Wort sagt, spielt das Verhältnis zwischen dem »ist«, das selber nicht ist, und dem Wort, das im selben Fall sich findet, d. h. nichts Seiendes ist.* Weder dem »ist« noch dem »Wort« kommt das Dingwesen, das Sein, zu, und vollends nicht dem Verhältnis zwischen dem »ist« und dem Wort, dem es aufgegeben, jeweils ein »ist« zu vergeben. Dennoch lassen sich weder das »ist« noch das Wort und dessen Sagen in die Leere der bloßen Nichtigkeit verbannen. Was zeigt die dichterische Erfahrung mit dem Wort, wenn ihr das Denken nachdenkt? Sie zeigt in jenes Denkwürdige, das dem Denken von altersher, wenngleich in verhüllter Weise, zugemutet ist. Sie zeigt solches, was es gibt und was gleichwohl nicht »ist«.a Zu dem, was es gibt, gehört auch das Wort, vielleicht nicht nur auch, sondern vor allem anderen, und dies sogar so, daß im Wort, in dessen Wesen, jenes sich verbirgt, was gibt.** Vom Wort dürften wir, sachgerecht denkend, dann nie sagen: Es ist, sondern: Es gibt – dies nicht in dem Sinne, daß »es« Worte gibt, sondern daß das Wort selber gibt. Das Wort: das
a
〈Sie zeigt solches, was es gibt und was gleichwohl nicht »ist«.〉***
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Gebende. Was denn? Nach der dichterischen Erfahrung und nach ältester Überlieferung des Denkens gibt das Wort: das Sein. Dann hätten wir denkend in jenem »es, das gibt« das Wort zu suchen als das Gebende selbst, aber nie Gegebene. Wir kennen die Wendung »Es gibt«* in vielfachem Gebrauch, z. B. »es gibt an der sonnigen Halde Erdbeeren«; il y a: es hat dort Erdbeeren; man kann sie als Vorkommendes finden. In unserer Besinnung ist das »Es gibt«a anders gebraucht; nicht: Es gibt das Wort, sondern: Es, das Wort, gibt … So verfliegt der ganze Spuk mit dem »Es«, vor dem sich viele mit Recht ängstigen; aber das Denkwürdige bleibt, kommt erst zum Scheinen. Dieser einfache, ungreifbare Sachverhalt, den wir nennen durch die Wendung: Es, das Wort, gibt – enthüllt sich als das eigentlich Denkwürdige, für dessen Bestimmung überall noch die Maße fehlen. Vielleicht kennt sie der Dichter. Aber sein Dichten hat den Verzicht gelernt und gleichwohl durch den Verzicht nichts verloren. Indes, das Kleinod entrinnt ihm doch. Gewiß. Aber es entrinnt in der Weise, daß das Wort verweigert wird. Die Verweigerung ist der Vorenthalt. Darin erscheint gerade das Erstaunliche des Waltens, das dem Wort eignet. Das Kleinod zerfällt keineswegs in das nichtsnutzige Nichts. Das Wort entsinkt nicht in das platte Unvermögen des Sagens. Der Dichter sagt dem Wort nicht ab. Das Kleinod entzieht sich allerdings in das geheimnisvoll Erstaunende, was staunen läßt. Darum sinnt der Dichter, wie der Vorspruch zu »das lied« sagt, auch jetzt noch, er sinnt mehr noch als zuvor: Er fügt noch – nämlich ein Sagen, anders noch als zuvor. Er singt Lieder. Sogleich das erste Lied, das er singt, das ohne Überschrift bleibt, singt nichts a
vgl. Zeit und Sein**
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Geringeres als das geahnte Geheimnis des Wortes, das in der Verweigerung sein vorenthaltenes Wesen nahe bringt. Das Lied singt das Geheimnis des Wortes erstaunend, d. h. dichterisch fragend, in drei Strophen zu je drei Versen*: Welch ein kühn-leichter schritt Wandert durchs eigenste reich Des märchengartens der ahnin? Welch einen weckruf jagt Bläser mit silbernem horn Ins schlummernde dickicht der Sage?
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Welch ein heimlicher hauch Schmiegt in die seele sich ein Der jüngst-vergangenen schwermut? Stefan George pflegt mit Ausnahme der Wörter, mit denen die Verszeilen beginnen, alle Wörter klein zu schreiben. Es fällt auf, daß sich in diesem Gedicht ein einziges großgeschriebenes Wort findet. Es steht am Ende der mittleren Strophe und lautet: »Sage«. Der Dichter hätte dem Gedicht die Überschrift »Die Sage« geben können. Er unterließ es. Das Gedicht singt die geheimnisvolle Nähe des fern ausbleibenden Waltens des Wortes. Im Gedicht wird ganz Anderes auf andere Weise gesagt – und doch das Selbe gesagt wie jenes vorher zum Verhältnis des »ist« und des undinglichen Wortes Gedachte. Wie verhält es sich nun mit der Nachbarschaft von Dichten und Denken? Wir finden uns ratlos zwischen zwei durchaus verschiedenen Weisen des Sagens. Im Lied des Dichters scheint das Wort als das geheimnisvoll Erstaunende. Die denkende Besinnung auf die Beziehung zwischen dem »ist« und dem undinglichen Wort gelangt vor
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etwas Denkwürdiges, dessen Züge sich ins Unbestimmte verlieren. Dort das Erstaunende in einem erfüllten singenden Sagen, hier das Denkwürdige in einem kaum bestimmbaren, jedenfalls nicht singenden Sagen. Und dies soll eine Nachbarschaft sein, der gemäß Dichten und Denken in einer Nähe wohnen? Beide laufen doch so weit als nur möglich auseinander. Doch wir möchten uns mit der Vermutung befreunden, daß sich die Nachbarschaft von Dichten und Denken in diesem weitesten Auseinander ihres Sagens verbirgt. Dieses Auseinander ist ihr eigentliches Gegen-einander-über. Wir müssen die Meinung ablegen, die Nachbarschaft von Dichten und Denken erschöpfe sich in einer geschwätzigen trüben Mischung beider Weisen des Sagens, wobei die eine bei der anderen unsichere Anleihen macht. Hie und da mag es diesen Anschein haben. In Wahrheit sind jedoch Dichten und Denken aus ihrem Wesen durch eine zarte, aber helle Differenz in ihr eigenes Dunkel auseinander gehalten: zwei Parallelen, griechisch paraÁ aÆllhÂlv*, bei einander, gegen einander über sich auf ihre Weise übertreffend. Dichten und Denken sind nicht getrennt, wenn Trennung heißen soll: ins Bezugslose abgeschieden. Die Parallelen schneiden sich im Un-endlichen. Dort schneiden sie sich in einem Schnitt, den sie nicht selber machen. Sie werden durch ihn erst in den Aufriß ihres nachbarlichen Wesens geschnitten, d. h. eingezeichnet. Diese Zeichnung ist der Riß. Er reißt Dichten und Denken in die Nähe zueinander auf. Die Nachbarschaft von Dichten und Denken ist nicht das Ergebnis eines Vorganges dergestalt, daß Dichten und Denken erst – man weiß nicht woher – zueinander in die Nähe ziehen, die dadurch selber erst entsteht. Die Nähe, die nähert, ist selbst das Ereignis, woraus Dichten und Denken in das Eigene ihres Wesens verwiesen sind.
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Wenn jedoch die Nähe von Dichten und Denken eine solche des Sagens ist, dann gelangt unser Denken in die Vermutung, das Ereignis walte als jene Sage, in der die Sprache uns ihr Wesen zusagt. Ihre Zusage schweift nicht ins Leere. Sie hat schon getroffen. Wen anders als den Menschen? Denn der Mensch ist nur Mensch, insofern er dem Zuspruch der Sprache zugesagt, für die Sprache, sie zu sprechen, gebrauchta ist.
III
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Die drei Vorträge dienen einem Versuch, uns vor eine Möglichkeit zu bringen, mit der Sprache eine Erfahrung zu machen. Der erste Vortrag hört auf eine dichterische Erfahrung mit dem Wort. Er denkt ihr nach. Also denkend hält sich der erste Vortrag schon innerhalb der Nachbarschaft von Dichten und Denken auf. Er bewegt sich in ihr hin und her. Der zweite Vortrag bedenkt den Weg dieser Bewegung. Für das heutige Vorstellen, das überallhin durch das technisch-wissenschaftliche Rechnen in seine Formen ausgestanzt wird, gehört der Gegenstand des Wissens in die Methode.b Diese befolgt die äußerste Ab- und Ausartung dessen, was ein Weg ist. Für das sinnende Denken dagegen gehört der Weg in das, was wir die Gegend nennen. Andeutend gesagt, ist die Gegend als das Gegnende die freigebende Lichtung, in der das Gelichtete zugleich mit dem Sichverbergenden in das Freie gelangt. Das Freigebend-Bergende der Gegend ist a b
〈 gebraucht〉 der Brauch – in der Eignis 178
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jene Be-we¨gung, in der sich die Wege ergeben, die der Gegend gehören. Der Weg ist, hinreichend gedacht, solches, was uns gelangen läßt, und zwar in das, was nach uns langt, indem es uns be-langt. Wir verstehen freilich das Zeitwort »belangen« nur in einem gewöhnlichen Sinne, der meint: sich jemanden vornehmen zur Vernehmung, zum Verhör. Wir können aber auch das Be-langen in einem hohen Sinne denken: be-langen, be-rufen, be-hüten, be-halten. Der Be-langa: das, was, nach unserem Wesen auslangend, es verlangt und so gelangen läßt in das, wohin es gehört. Der Weg ist solches, was uns in das gelangen läßt, was uns be-langt. Der Anschein drängt sich vor, als verführen wir, das Be-langen also denkend, willkürlich mit der Sprache. Es ist in der Tat Willkür, wenn wir den jetzt genannten Sinn von Be-langen an dem messen, was man gewöhnlich unter dem Wort versteht. Aber maßgebend für den besinnlichen Sprachgebrauch kann nicht das sein, was man gemeinhin gewöhnlich meint, sondern was der verborgene Reichtum der Sprache bereithält, um uns daraus zu be-langen für das Sagen der Sprache. Die Gegend ergibt als Gegend erst Wege. Sie be-we¨gt.* Wir hören das Wort Be-we¨gung im Sinne von: Wege allererst ergeben und stiften. Sonst verstehen wir bewegen im Sinne von: bewirken, daß etwas seinen Ort wechselt, zu- oder abnimmt, überhaupt sich ändert. Be-we¨gen aber heißt: die Gegend mit Wegen versehen. Nach altem Sprachgebrauch der schwäbisch-alemannischen Mundart kann »we¨gen« besagen: einen Weg bahnen, z. B. durch tief verschneites Land. We¨gen und Be-we¨gen als Weg-bereiten und Weg als das Gelangenlassen gehören in denselben Quell- und Stroma
〈Der Be-lang〉 die Eignis (der Brauch)
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bereich wie die Zeitwörter: wiegen und wagen und wogen. Vermutlich ist das Wort »Weg« ein Urwort der Sprache, das sich dem sinnenden Menschen zuspricht. Das Leitwort im dichtenden Denken des Laotse lautet Tao und bedeutet »eigentlich« Weg. Weil man jedoch den Weg leicht nur äußerlich vorstellt als die Verbindungsstrecke zwischen zwei Orten, hat man in der Übereilung unser Wort »Weg« für ungeeignet befunden, das zu nennen, was Tao sagt. Man übersetzt Tao deshalb durch Vernunft, Geist, Raison, Sinn, Logos. Indes könnte der Tao der alles be-we¨gende Weg sein, dasjenige, woraus wir erst zu denken vermögen, was Vernunft, Geist, Sinn, Logos eigentlich, d. h. aus ihrem eigenen Wesen her sagen möchten. Vielleicht verbirgt sich im Wort »Weg«, Tao, das Geheimnis aller Geheimnisse des denkenden Sagens, falls wir diese Namen in ihr Ungesprochenes zurückkehren lassen und dieses Lassen vermögen. Vielleicht stammt auch noch und gerade die rätselhafte Gewalt der heutigen Herrschaft der Methode daher, daß die Methoden, unbeschadet ihrer Leistungskraft, doch nur die Abwässer sind eines großen verborgenen Stromes, des alles be-we¨genden, allem seine Bahn reißenden Weges. Alles ist Weg. Die Vorträge sind unterwegs innerhalb der Nachbarschaft von Dichten und Denken, unterwegs mit dem Ausblick nach einer Möglichkeit, mit der Sprache eine Erfahrung zu machen. Dabei vermuten wir die genannte Nachbarschaft als die Stätte, die es verstattet, zu erfahren, wie es sich mit der Sprache verhält. Was uns etwas verstattet und erlaubt, gibt uns Möglichkeit, d. h. solches, was ermöglicht. Die so verstandene Möglichkeit, das Ermöglichende, besagt anderes und mehr als die bloße Chance.
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Der dritte Vortrag möchte uns eigens vor eine Möglichkeit, d. h. in eine Ermöglichung bringen, mit der Sprache eine Erfahrung zu machen. Hierfür braucht es nicht allein dies, daß wir auf dem eingeschlagenen Weg innerhalb der Nachbarschaft von Dichten und Denken bleiben. Wir müssen uns in dieser Nachbarschaft umblicken, ob und wie sie solches zeigt, was unser Verhältnis zur Sprache verwandelt. Vom Weg aber, der in dieses Ermöglichende bringen soll, wurde gesagt, er führe uns nur dorthin, wo wir schon sind. Das »nur« meint hier keine Beschränkung, sondern deutet auf das reine Einfache dieses Weges. Der Weg läßt in das gelangen, was uns be-langt, in dessen Bereich wir uns schon aufhalten. Weshalb dann, möchte man fragen, erst noch ein Weg dahin? Antwort: weil wir dort, wo wir schon sind, auf solche Weise sind, daß wir zugleich nicht dort sind, insofern wir jenes, was unser Wesen be-langt, selber noch nicht eigens erlangt haben.* Der Weg, der uns dahin gelangen läßt, wo wir schon sind, bedarf, anders denn jeder andere Weg, eines weit vorausreichenden Geleites. Dieses liegt in dem Leitwort beschlossen, das wir gegen das Ende des ersten Vortrages flüchtig nannten. Das Wegweisende des Leitwortes erläuterten wir noch nicht. Solches konnte auch keinesfalls geschehen. Denn zuvor mußte uns der zweite Vortrag eigens auf die Gegend hinweisen, in die der Weg gehört, dem das Leitwort das vorauswinkende Geleit gibt. Diese Gegend bekundet sich in der Nachbarschaft von Dichten und Denken. Nachbarschaft heißt: in der Nähe wohnen. Dichten und Denken sind Weisen des Sagens. Die Nähe aber, die Dichten und Denken in die Nachbarschaft zueinander bringt, nennen wir die Sage. In dieser vermuten wir das Wesen der Sprache. Sagen, sagana heißt zeigen: era
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scheinen lassen, lichtend-verbergend frei-geben als dar-reichen dessen, was wir Welt nennen. Das lichtend-verhüllende, schleiernde Reichen von Welt ist das Wesende im Sagen. Das Leitwort für den Weg innerhalb der Nachbarschaft von Dichten und Denken enthält eine Weisung, der folgend wir in die Nähe, aus der sich diese Nachbarschaft bestimmt, gelangen möchten. Das Leitwort lautet: Das Wesen der Sprache: Die Sprache des Wesens. Das Leitwort gibt die Ur-Kunde vom Sprachwesen. Wir versuchen jetzt, sie deutlicher zu hören, damit sie uns winkender werde für den Weg, der uns dorthin gelangen läßt, von woher wir schon be-langt sind. Das Wesen der Sprache : Die Sprache des Wesens. Zwei Wendungen, durch einen Doppelpunkt auseinander gehalten, die eine die Umkehrung der anderen. Soll das Ganze ein Leitwort sein, dann muß das Zeichen des Doppelpunktes andeuten, daß, was vor ihm steht, sich öffnet in das, was auf ihn folgt. Im Ganzen des Leitwortes spielt ein Eröffnen und Winken, das auf solches weist, was wir, von der ersten Wendung herkommend, in der zweiten nicht vermuten; denn diese erschöpft sich keineswegs in einer bloßen Umstellung des Wörterbestandes der ersten Wendung. Steht es so, dann sagen die Wörter »Wesen« und »Sprache« zu beiden Seiten des Doppelpunktes nicht nur nicht das Gleiche, sondern auch die Form der Wendung ist von Mal zu Mal verschieden. Eine Erläuterung im Gesichtskreis des grammatischen,
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d. h. logischen und metaphysischen Vorstellens kann uns der Sache um ein geringes Stück näherbringen, wenngleich sie den Sachverhalt nie zu erreichen vermag, den das Leitwort nennt. In der Wendung vor dem Doppelpunkt, die lautet »Das Wesen der Sprache«a, ist die Sprache das Subjekt, über das ausgemacht werden soll, was es sei. Das, was etwas ist, toÁ ti eÆstin, das Was-sein, enthält seit Platon dasjenige, was man gewohnterweise »das Wesen«, die essentia einer Sache nennt. Das so verstandene Wesen wird in jenes eingegrenzt, was man später den Begriff nennt, die Vorstellung, mit deren Hilfe wir uns das zustellen und greifen, was eine Sache ist. Aufgelockert sagt dann die Wendung vor dem Doppelpunkt : Das, was die Sprache ist, begreifen wir, sobald wir uns dorthin einlassen, wohin der Doppelpunkt gleichsam den Ausblick öffnet. Das ist die Sprache des Wesens. In dieser Wendung hat »das Wesen« die Rolle des Subjekts, dem die Sprache eignet. Das Wort »Wesen« meint aber jetzt nicht mehr das, was etwas ist. »Wesen« hören wir als Zeitwort, wesend wie anwesend und abwesend. »Wesen« besagt währen, weilen. Allein die Wendung »Es west« sagt mehr als nur: Es währt und dauert. »Es west« meint: Es west an, während geht es uns an, be-we¨gt und be-langt uns. Das Wesen so gedacht, nennt das Währende, uns in allem Angehende, weil alles Be-we¨gende. Die zweite Wendung im Leitwort: »Die Sprache des Wesens« besagt demnach: Die Sprache gehört in dieses Wesende, eignet dem alles Be-we¨genden als dessen Eigenstes. Das All-Bewe¨gende be-we¨gt, indem es spricht.* Allein es bleibt dunkel, wie wir das Wesende denken sollen, dunkel vollends, inwiefern das Wesende spricht, am dunkelsten, was dann sprechen heißt. a
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Dem gilt doch erst unsere Besinnung, wenn wir dem Wesen der Sprache nachsinnen. Dieses Nachsinnen ist jedoch bereits auf einem bestimmten Weg unterwegs, nämlich innerhalb der Nachbarschaft von Dichten und Denken. Für den Gang auf diesem Weg gibt das Leitwort einen Wink, aber keine Antwort. Wohin aber kann es winken, wenn es winkt? Nur in das, was die Nachbarschaft von Dichten und Denken als Nachbarschaft bestimmt. Das Nachbarliche, das Wohnen in der Nähe, empfängt seine Bestimmung aus der Nähe. Dichten und Denken sind aber Weisen des Sagens, und zwar ausgezeichnete. Sollen die beiden Weisen des Sagens aus ihrer Nähe nachbarlich sein, dann muß die Nähe selber in der Weise der Sage walten. Die Nähe und die Sage wären dann das Selbe. Dies zu denken, bleibt eine arge Zumutung. Ihr Arges darf nicht im geringsten abgeschwächt werden. Wenn es einmal glückte, dahin zu gelangen, wohin das Leitwort winkt, gelangten wir in das, was uns ermöglicht, mit der Sprache, der uns bekannten, eine Erfahrung zu machen. So liegt denn viel daran, daß wir in der Weisung des Winkes verbleiben, den das verdeutlichte Leitwort gibt, das wir jetzt in folgender Weise umschreiben können: Das, was uns als die Sprache angeht, empfängt seine Bestimmung aus der Sage als dem alles Be-we¨genden. Ein Wink winkt vom einen weg zum anderen hin. Das Leitwort winkt von den geläufigen Vorstellungen über die Sprache weg in die Erfahrung der Sprache als der Sage.a Winke winken auf vielfältige Weise. Ein Wink kann das, wohin er winkt, so einfach und zugleich erfüllt erwinken, daß wir uns in aller Eindeutigkeit dahin loslassen. Ein Wink kann aber auch so winken, daß er uns zuvor und a
〈in die Erfahrung der Sprache als der Sage〉
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langehin an das Bedenkliche verweist, von wo er weg winkt, wogegen er das, wohin er winkt, nur erst vermuten läßt als das Denkwürdige, für das die gemäße Denkweise noch fehlt. Von dieser Art ist der Wink, den das Leitwort gibt. Denn das Wesen der Sprache ist uns durch vielfältige Bestimmungen so bekannt, daß wir uns nur schwer daraus lösen. Die Loslösung duldet jedoch keinen Gewaltstreich, weil die Überlieferung reich an Wahrheit bleibta. Deshalb sind wir daran gehalten, erst unsere geläufige Vorstellung von der Sprache, wenn auch nur im Überschlag, zu bedenken, dies je doch im Vorblick auf das, wohin die Nachbarschaft der beiden Weisen des Sagens, Dichten und Denken, winkt: in die Nähe als die Sage. Die Spracheb begegnet, wenn man sie unmittelbar wie etwas Anwesendes vorstellt, als Tätigkeit des Sprechensc, als Betätigung der Sprachwerkzeuged, als da sind: der Mund, die Lippen, die Zunge. Die Sprache zeigt sich im Sprechen als eine am Menschen vorkommende Erscheinung. Daß die Sprache seit langer Zeit von da her erfahren, vorgestellt und bestimmt wird, bezeugen die Namen, die sich die abendländischen Sprachen selbst gegeben haben: glvÄssa, lingua, langue, languagee. Die Sprache ist die Zunge. Im 2. Kapitel der Apostelgeschichte, das vom Pfingstwunder berichtet, heißt es Vers 3 und 4: kaiÁ v Í fûhsan ayÆtoiÄw diamerizoÂmenai glv Ä ssai  ssaiw. v ë weiÁ pyroÂw … kaiÁ hÍrjanto laleiÄn eëteÂraiw glv
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〈weil die Überlieferung reich an Wahrheit bleibt〉* 〈Sprache〉 la langue 〈Tätigkeit des Sprechens〉 〈 Betätigung der Sprachwerkzeuge〉 〈(language)〉
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Die Vulgata übersetzt: Et apparuerunt illis dispertitae linguae tamquam ignis … et coeperunt loqui variis linguis. Luther übersetzt: »Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt, wie von Feuer … und sie fingen an, zu predigen mit anderen Zungen.« Gleichwohl ist dieses Reden nicht als bloße Zungenfertigkeit gemeint, sondern vom pneyÄma aÏgion, vom heiligen Hauch erfüllt. Der hier genannten biblischen Vorstellung von der Sprache geht schon jene griechische Kennzeichnung des Sprachwesens vorauf, die Aristoteles in die maßgebende Umgrenzung bringt. Der loÂgow, das Aussagen, wird im Ausgang von der lautlichen Erscheinung des Sprechens vorgestellt. Aristoteles sagt im Beginn einer Abhandlung, die später den Titel erhielt periÁ eërmhneiÂaw, de interpretatione, Über das Aussagen, folgendes: »Es ist nun das, was in der stimmlichen Verlautbarunga vorkommt (die Laute), Zeichen von dem, was in der Seele an Erleidnissen vorkommt, und das Geschriebene (ist) Zeichen der stimmlichen Laute. Und so wie die Schrift nicht bei allen die nämliche ist, so sind auch die stimmlichen Laute nicht die nämlichen. Wovon aber diese (Laute und Schriftzeichen) erstlich Zeichen sind, das sind bei allen die nämlichen Erleidnisse der Seele, und die Dinge, wovon diese (die Erleidnisse) die angleichenden Darstellungen bilden, sind gleichfalls die nämlichen.«*
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Die angeführten Sätze des Aristoteles bilden die klassische Stelle, aus der das Baugerüst sichtbar wird, in das die Sprache als stimmliche Verlautbarung gehört: Die Buchstaben a
vgl. 244
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sind Zeichen der Laute, die Laute sind Zeichen der Erleidnisse in der Seele, diese sind Zeichen der Dinge. Die Verstrebungen des Baugerüstes werden durch die Zeichenbeziehung gebildet. Wir verfahren allerdings zu grob, wenn wir ohne nähere Bestimmung überall von Zeichen sprechen, von etwas, das ein anderes bezeichnet und in gewisser Weise zeigt. Aristoteles gebraucht zwar ausdrücklich das Wort shmeiÄa, Zeichen; aber er spricht zugleich von syÂmbola und oëmoiv  mata. Worauf es jetzt ankommt, ist, daß wir überhaupt das ganze Baugerüst der Zeichenbeziehungen vor Augen haben, weil es für alle nachkommende Betrachtung der Sprache, freilich bei mancherlei Abwandlungen, maßgebend geblieben ist. Die Sprache wird vom Sprechen her als der stimmlichen Verlautbarung vorgestellt.* Aber trifft diese Vorstellung nicht einen jederzeit an jeder Sprache nachweisbaren und ihr wesentlichen Bestand? Gewiß. Es darf auch keineswegs die Meinung aufkommen, als wollten wir die stimmliche Verlautbarung, die eine leiblichea Erscheinung ist, als das bloß Sinnliche an der Sprache herabwürdigen zugunsten dessen, was man den Bedeutungs- und Sinngehalt des Gesprochenen nennt und als das Geistige, den Geist der Sprache würdigt. Viel eher gilt es zu bedenken, ob in den angeführten Vorstellungsweisen des Baugerüstes das Leibhafte der Sprache, Laut- und Schriftzug, zureichend erfahren wird; ob es genügt, den Laut nur dem physiologisch vorgestellten Leib zu- und in den metaphysisch gemeinten Bezirk des Sinnlichen einzuordnen. Zwar lassen sich die Verlautbarung und die Laute physiologisch als Schallerzeugung erklären. Indes bleibt offen, ob dabei je das Eigene des a
〈leibliche〉
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Lautens und Tönens im Sprechen erfahren und im Blick behalten wird. Man verweist indes auf die Melodie und den Rhythmus in der Sprache und damit auf die Verwandtschaft von Gesang und Sprache. Wenn nur nicht die Gefahr bestünde, auch Melodie und Rhythmus aus dem Gesichtskreis der Physiologie und Physik her, also im weitesten Sinne technisch-rechnerisch vorzustellen. Dabei ergibt sich zwar viel Richtiges, aber vermutlich nie das Wesenhafte. Daß die Sprache lautet und klingt und schwingt, schwebt und bebt, ist ihr im selben Maße eigentümlich, wie daß ihr Gesprochenes einen Sinn hat. Aber unsere Erfahrung dieses Eigentümlichen ist noch arg unbeholfen, weil überall das metaphysisch-technische Erklären dazwischen fährt und uns aus der sachgemäßen Besinnung herausdrängt. Schon allein der einfache Sachverhalt, daß wir die landschaftlich verschiedenen Weisen des Sprechens die Mundartena nennen, ist kaum bedacht. Ihre Verschiedenheit gründet nicht nur und nicht zuerst in unterschiedlichen Bewegungsformen der Sprachwerkzeuge. In der Mundart spricht je verschieden die Landschaft und d. h. die Erde. Aber der Mund ist nicht nur eine Art von Organ an dem als Organismus vorgestellten Leib, sondern Leib und Mund gehören in das Strömen und Wachstum der Erde, in dem wir, die Sterblichen, gedeihen, aus der wir das Gediegene einer Bodenständigkeit empfangen. Mit der Erde verlieren wir freilich auch das Bodenständige. Hölderlin läßt in der V. Strophe der Hymne »Germanien«* den Adler des Zeus zur »stillsten Tochter Gottes« sagen: Und heimlich, da du träumtest, ließ ich Am Mittag scheidend dir ein Freundeszeichen, a
〈Mundarten〉
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Die Blume des Mundes zurük und du redetest einsam. Doch Fülle der goldenen Worte sandtest du auch Glükseelige! mit den Strömen und sie quillen unerschöpflich In die Gegenden all. Die Sprache ist die Blume des Mundes. In ihr erblüht die Erde der Blüte des Himmels entgegen. Die erste Strophe der Elegie »Der Gang aufs Land«* singt: Darum hoff ich sogar, es werde, wenn das Gewünschte Wir beginnen, und erst unsere Zunge gelöst, Und gefunden das Wort, und aufgegangen das Herz ist, Und von trunkener Stirn’ höher Besinnen entspringt, Mit der unsern zugleich des Himmels Blüthe beginnen, Und dem offenen Blik offen der Leuchtende seyn. Es muß Ihnen überlassen bleiben, im Zusammenhang mit dem, was die drei Vorträge versuchen, selber diesen Versen nachzusinnen, um es eines Tages zu erblicken, inwiefern hier das Wesen der Sprache als die Sage, als das alles Be-we¨gende sich ankündigt. Nur ein Wort des Dichters darf nicht überhört werden, das er vom Wort sagt, wobei wir füglich auf die Versammlung der Verse hören müssen, aus denen es spricht. Sie stehen am Ende der V. Strophe der Elegie »Brod und Wein«**: So ist der Mensch; wenn da ist das Gut, und es sorget mit Gaaben Selber ein Gott für ihn, kennet und sieht er es nicht. Tragen muß er, zuvor; nun aber nennt er sein Liebstes, Nun, nun müssen dafür Worte, wie Blumen, entstehn.
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Für das Durchdenken dieser Verse ist es förderlich, zu bedenken, was Hölderlin selbst in einer anderen Fassung dieser Stelle sagt, was freilich ein noch sinnenderes Nachdenken verlangt: Lang und schwer ist das Wort von dieser Ankunft aber Weiss (Helle) ist der Augenblik. Diener der Himmlischen sind Aber kundig der Erd, ihr Schritt ist gegen den Abgrund Jugendlich menschlicher doch das in den Tiefen ist alt.
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(vgl. Hellingrath IV2, Anhang S. 322)*
Wiederum erscheint das Wort in der Gegend, als die Gegend, die Erde und Himmel, das Strömen der Tiefe und die Macht der Höhe, einander ent-gegnen läßt, Erde und Himmel zu Weltgegenden bestimmt. Wieder: »Worte, wie Blumen«. Wir blieben in der Metaphysik hängen, wollten wir dieses Nennen Hölderlins in der Wendung »Worte, wie Blumen« für eine Metapher halten. Gottfried Benn sagt freilich in seinem sonderbaren Vortrag »Probleme der Lyrik« (1951, S. 16)**: »Dies Wie ist immer ein Bruch in der Vision, es holt heran, es vergleicht, es ist keine primäre Setzung …«, »ein Nachlassen der sprachlichen Spannung, eine Schwäche der schöpferischen Transformation.« Diese Deutung mag weithin von großen und kleinen Dichtern gelten. Sie gilt aber nicht vom Sagen Hölderlins, dessen Dichtung Gottfried Benn, von seinem Standort folgerichtig, denn auch nur noch für ein »Herbarium« hält, eine Sammlung vertrockneter Pflanzen. »Worte, wie Blumen«, das ist kein »Bruch in der Vision«, sondern das Erwachen des weitesten Blickes; hier
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wird nichts »herangeholt«, sondern das Wort zurückgeborgen in seine Wesensherkunft. Hier fehlt nicht die »primäre Setzung«, denn hier ist Hervorbringen des Wortes aus seinem Anfang; hier ist nicht »eine Schwäche der schöpferischen Transformation«, sondern die sanfte Gewalt der Einfalt des Hörenkönnens. Eine »schöpferische Transformation« ist der Sputnik, aber er ist kein Gedicht. Gottfried Benn hat erkannt, auf seine Weise, wohin er selbst ge hört. Er hat diese Erkenntnis ausgehalten. Das gibt seiner Dichtung das Gewicht. Wird das Wort die Blume des Mundes und Blüte genannt, dann hören wir das Lauten der Sprache erdhaft aufgehen. Von woher? Aus dem Sagen, worin sich das Erscheinenlassen von Welt begibt. Das Lauten erklingt aus dem Läuten, dem rufenden Versammeln, das, offen dem Offenen, Welt erscheinen läßt in den Dingen. Das Lautende der Stimme ist so nicht mehr nur leiblichen Organen zugeordnet. Es ist aus dem Gesichtskreis der physiologischphysikalischen Erklärung der bloß phonetischena Bestände herausgelöst. Das Lautende, Erdige der Sprache wird in das Stimmen einbehalten, das die Gegenden des Weltgefüges, sie einander zuspielend, auf einander einstimmt. Dieser Hinweis auf das Lautende des Sprechens und seine Herkunft aus dem Sagen muß zunächst dunkel klingen und befremdlich. Und doch weist er auf einfache Sachverhalte. Wir können sie erblicken, sobald wir erneut darauf achten, inwiefern wir überall in der Nachbarschaft von Weisen des Sagens unterwegs sind. Als solche sind Dichten und Denken von jeher ausgezeichnet. Ihre Nachbarschaft ist ihnen keineswegs irgendwoher zugefallen, gleich als vermöchten beide für sich außerhalb ihrer Nachbarschaft zu sein, was a
〈bloß phonetischen〉
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sie sind. Demgemäß müssen wir sie in und aus ihrer Nachbarschaft erfahren, d. h., aus dem, was die Nachbarschaft als solche bestimmt. Nachbarschaft, so hieß es, erzeugt nicht erst Nähe, sondern Nähe ereignet Nachbarschaft. Doch was heißt Nähe? Sobald wir versuchen, dem nachzusinnen, haben wir uns schon für einen weiten Denkweg entschlossen. Hier gelingen uns jetzt nur wenige Schritte. Sie führen nicht fort, sondern zurück, dahin, wo wir schon sind.* Die Schritte bilden nicht, höchstens im äußeren Anschein, eine Abfolge im Nacheinander von diesem zu jenem. Die Schritte fügen sich vielmehr in eine Versammlung auf das Selbe und spielen sich in dieses zurück. Was aussieht wie Umweg, ist Einkehr in die eigentliche Be-we¨gung, aus der die Nachbarschaft bestimmt wird. Das ist die Nähe. Meinen wir Nähe, meldet sich Ferne. Beide stehen in einem gewissen Gegensatz als verschiedene Größen des Abstandes von Gegenständen. Die Abmessung der Größe erfolgt, indem wir Strecken nach Länge und Kürze berechnen. Dabei sind die Maße der abgemessenen Strecken jeweils einer Erstreckung entnommen, an der entlang, an der vorbei die Meßzahl der Streckengröße errechnet wird. Etwas an etwas, im Vorbeiziehen daran, messen, heißt griechisch parametreiÄn. Die Erstreckungen, an denen entlang und vorbei wir Nähe und Ferne als Abstände messen, sind das Nacheinander der Jetzt, d. h. die Zeit, und das Neben-Vor-Hinter-Über-Untereinander der Hier- und Dort-Stellen, d. h. der Raum. Für das rechnende Vorstellen erscheinen Raum und Zeit als die Parameter der Abmessung von Nähe und Ferne, diese als Zustände von Abständen. Raum und Zeit dienen jedoch nicht nur als Parameter; ihr Wesen erschöpft sich alsbald in diesem Charakter, dessen Vorformen sich frühzeitig im abendländi-
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schen Denken abzeichnen, und der dann durch dieses Denken im Verlauf der Neuzeit zur maßgebenden Vorstellung verfestigt wird. Am Parametercharakter von Raum und Zeit haben auch die neuen Theorien, d. h. Methoden der Raum- und Zeitmessung, Relativitäts- und Quantentheorie und Kernphysik nichts geändert. Sie können eine solche Änderung auch nicht bewirken. Könnten sie dies, dann müßte das ganze Gerüst der modernen technischen Naturwissenschaft in sich zusammenbrechen. Nichts spricht heute für die Möglichkeit eines solchen Falles. Alles spricht dagegen, allem voran die Jagd nach der mathematisch-theoretischen physikalischen Weltformel. Allein der Antrieb zu dieser Jagd entstammt nicht erst der persönlichen Leidenschaft der Forscher. Deren Wesensart ist selber schon das Getriebene einer Herausforderung, in die das moderne Denken im Ganzen gestellt ist. »Physik und Verantwortung« – das ist gut und für die heutige Notlage wichtig. Aber es bleibt eine doppelte Buchführung, hinter der sich ein Bruch verbirgt, der weder von seiten der Wissenschaft noch von seiten der Moral heilbar ist – wenn er es überhaupt ist. Doch was hat dies alles mit dem Wesen der Sprache zu tun? Mehr als wir heute überdenken können. Ein Geringes freilich dürften wir jetzt schon geahnt haben angesichts der entschiedenen Zuordnung, die Nähe und Ferne als Maßformen des Streckenabstandes in Raum und Zeit als Parametern verrechnet. Was beunruhigt uns hier? Daß auf diese Weise jene Nähe nicht erfahrbar wird, der die Nachbarschaft zugehört. Wären die Nähe und das Nachbarliche parametrisch vorstellbar, dann müßte der Abstand von der Größe eines millionsten Teiles einer Sekunde und eines Millimeters die nächste Nähe einer Nachbarschaft ergeben, mit der ver-
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glichen der Abstand von einem Meter und einer Minute schon die größte Ferne darstellt. Gleichwohl wird man darauf bestehen, daß zu jeder Nachbarschaft ein gewisser räumlich-zeitlicher Wechselbezug gehöre. Zwei einsame Bauernhöfe – so weit es sie noch gibt – , die für einen Gang über Feld eine Stunde weit auseinander liegen, können auf das Schönste benachbart sein, wogegen zwei Stadthäuser, die sich an der selben Straße gegenüberliegen oder gar zusammengebaut sind, keine Nachbarschaft kennen. Also beruht die nachbarliche Nähe doch nicht auf der raumzeitlichen Beziehung. Also hat die Nähe ihr Wesen außerhalb und unabhängig von Raum und Zeit. Dies zu meinen, wäre jedoch übereilt.* Wir dürfen nur sagen: Die in der Nachbarschaft waltende Nähe beruht nicht auf Raum und Zeit, insofern diese als Parameter erscheinen. Aber sind denn Raum und Zeit etwas anderes, wenn sie überhaupt sind? Woran liegt es, daß der Parametercharakter von Raum und Zeit die nachbarliche Nähe verwehrt? Gesetzt, die Parameter Raum und Zeit sollten die Maßgabe für die nachbarliche Nähe leisten und somit Nähe erbringen, dann müßten sie schon in sich selber dasjenige enthalten, was das Nachbarliche auszeichnet: das Gegen-einander-über. Wir sind geneigt, das Gegen-einander-über nur als Beziehung zwischen Menschen vorzustellen. Auch die Vorträge haben das Gegen-einander-über sogar auf die Nachbarschaft von Dichten und Denken als Weisen des Sagens eingeschränkt. Ob es sich dabei um eine Einschränkung handelt oder eine Entschränkung, lassen wir jetzt offen. Indes kommt das Gegen-einander-über weiter her, nämlich aus jener Weite, in der sich Erde und Himmel, der Gott und der Mensch erreichen. Goethe und auch Mörike gebrauchen die Wendung »gegen-einander-über« gern, und zwar nicht nur von Menschen, sondern auch von Weltdingen. Im waltenden
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Gegen-einander-übera ist jegliches, eines für das andere, offen, offen in seinem Sichverbergenb; so reicht sich eines dem anderen hinüber, eines überläßt sich dem anderen, und jegliches bleibt so es selber; eines ist dem anderen über als das darüber Wachende, Hütende, darüber als das Verhüllende. Um das Gegen-einander-über der Dinge so zu erfahren, müssen wir freilich zuvor das rechnende Vorstellen fahren lassen. Was das Nachbarliche der vier Weltgegenden bewe¨gt, zu einander gelangen läßt und in der Nähe ihrer Weite hält, ist die Nähe selber. Sie ist das Be-we¨gen des Gegen-einander-über. Wir nennen die Nähe im Hinblick auf dies ihr Be-we¨gendes: die Nahnis. Dies Wort scheint erkünstelt zu sein, ist aber in nachvollziehbarer denkender Erfahrung der Sache entwachsen und so gut möglich wie Wildnis zu wild und Gleichnis zu gleich. Das Wesende der Nähe ist nicht der Abstand, sondern die Be-we¨gung des Gegen-einander-über der Gegenden des Weltgeviertes. Diese Be-we¨gung ist die Nähe als die Nahnis.* Sie bleibt das Unnahbare und ist uns am fernsten, wenn wir »über« sie sprechen. Raum und Zeit aber können als Parameter weder Nähe bringen noch ermessen. Weshalb nicht? Im Nacheinander der Abfolge der Jetzt als den Elementen der parametrischen Zeit ist niemals ein Jetzt offen gegenüber dem anderen. Dies trifft so wenig zu, daß wir nicht einmal sagen dürfen, im Nacheinander der Jetzt seien die nachfolgenden und voraufgehenden gegen einander verschlossen. Denn auch die Verschlossenheit ist noch eine Weise der Zuund Abkehr im Gegen-einander-über. Dieses ist vielmehr als solches aus dem Parameter, als welchen wir die Zeit vorstellen, ausgeschlossen. a b
〈Gegen-einander-über〉 die einander zugetrauten Fernen. Ferne –
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Das Selbe gilt von den Elementen des Raumes, gilt von den Zahlen jeglicher Art, gilt von den Bewegungen im Sinne der raumzeitlich gerechneten Abläufe. Wir stellen das Ununterbrochene und fortlaufend Angereihte der Parameter und des an ihnen Gemessenen als das Kontinuum vor. Es schließt ein Gegen-einander-über seiner Elemente so entschieden aus, daß auch dort, wo wir Unterbrechungen vorfinden, die Bruchstellen niemals in ein Gegen-einanderüber gelangen können. Obgleich nun Raum und Zeit innerhalb ihrer Erstrekkung als Parameter kein Gegen-einander-über ihrer Elemente zulassen, greift doch gerade die Herrschaft von Raum und Zeit als Parametern für alles Vorstellen, Herstellen und Bestellen, d. h. als Parametern der modernen technischen Welt, auf eine unheimliche Weise in das Walten der Nähe, d. h. in die Nahnis der Weltgegenden ein. Wo alles in berechnete Abstände gestellt wird, macht sich durch die losgelassene Berechenbarkeit von Jeglichem gerade das Abstandlose breit, und zwar in der Gestalt der Verweigerung der nachbarlichen Nähe der Weltgegenden. Im Abstandlosen wird alles gleich-gültig zufolge des einen Willens zur einförmig rechnenden Bestandsicherung des Ganzen der Erde. Darum ist jetzt der Kampf um die Erdherrschaft in seine entscheidende Phase getreten. Die vollständige Herausforderung der Erde in die Sicherung der Herrschaft über sie läßt sich nur noch dadurch einrichten, daß eine letzte Position der totalen Kontrolle der Erde außerhalb derselben in Besitz genommen wird. Der Kampf um diese Position ist jedoch die durchgängige Umrechnung aller Bezüge zwischen allem in das berechenbare Abstandlose. Das ist die Ver-Wüstung des Gegen-einander-über der vier Weltgegenden, die Verweigerung der Nähe. In diesem Kampf um die Erdherrschaft gelangen nun aber
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Raum und Zeit zu ihrer äußersten Herrschaft als Parameter. Allein – deren Gewalt kann sich nur deshalb entfesseln, weil Raum und Zeit noch Anderes, schon Anderes sind als die längst bekannten Parameter. Der Parametercharakter verstellt das Wesen von Zeit und Raum. Er verbirgt vor allem das Verhältnis ihres Wesens zum Wesen der Nähe.a So einfach diese Verhältnisse sind, so unzugänglich bleiben sie allem rechnenden Denken. Wo sie jedoch gezeigt werden, sperrt sich das geläufige Vorstellen gegen diesen Einblick. Von der Zeit läßt sich sagen: die Zeit zeitigt. Vom Raum läßt sich sagen: der Raum räumt. Das gewohnte Vorstellen ärgert sich an solcher Rede, und dies mit Recht. Denn es bedarf, um sie zu verstehen, der denkenden Erfahrung dessen, was Identität heißt. Die Zeit zeitigt. Zeitigen heißt: reifen, aufgehen lassen. Das Zeitige ist das Aufgehend-Aufgegangene. Was zeitigt die Zeit? Antwort: das Gleich-Zeitige, d. h. das auf dieselbe einige Weise in ihr Aufgehende. Und was ist das? Wir kennen es längst, denken es nur nicht aus der Zeitigung. Das Gleich-Zeitige der Zeit sind: die Gewesenheit, die Anwesenheit und die Gegen-Wart, die uns entgegenwartet und sonst die Zukunft heißt. Zeitigend entrückt uns die Zeit zumal in ihr dreifältig Gleich-Zeitiges, entrückt dahin, indem sie uns das dabei Sichöffnende des Gleich-Zeitigen, die Einigkeit von Gewesen, Anwesen, Gegen-Wart zubringt.* Entrückend-zubringend be-we¨gt sie das, was das Gleich-Zeitige ihr einräumt: den Zeit-Raum. Die Zeit selbstb im Ganzen ihres Wesens bewegt sich nicht, ruht still. a b
Lichtung d[er] v[ier] B[ereiche] 〈Zeit selbst〉 E [Ereignis]
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Das Selbe ist vom Raum zu sagen, der Ortschaft und Orte einräumt, freigibt und zugleich in sie entläßt und das Gleich-Zeitige aufnimmt als Raum-Zeit. Der Raum selbst im Ganzen seines Wesens bewegt sich nicht, ruht still. Das entrückend-Zubringende der Zeit und das einräumend-zulassend-Entlassende des Raumes gehören in das Selbe, das Spiel der Stillea, zusammen, dem wir jetzt nicht weiter nachdenken können. Das Selbe, was Raum und Zeit in ihrem Wesen versammelt hält, kann der Zeit-Spiel-Raum* heißen. Zeitigend-einräumend be-we¨gt das Selbige des Zeit-Spiel-Raumes das Gegen-einander-über der vier Welt-Gegenden: Erde und Himmel, Gott und Mensch – das Weltspiel. Die Be-we¨gung des Gegen-einander-über im Welt-Geviert ereignet Nähe, ist die Nähe als die Nahnis. Sollte die Be-we¨gung selber das Ereignis der Stille heißen? Doch sagt das soeben Gewiesene noch vom Wesen der Sprache? Gewiß, und sogar im Sinne dessen, was die drei Vorträge versuchten: uns vor eine Möglichkeit zu bringen, mit der Sprache eine Erfahrung zu machen dergestalt, daß unser Verhältnis zur Sprache künftig das Denk-würdige wird.b Sind wir vor eine solche Möglichkeit gelangt? Vordeutend wurde das Sagen bestimmt.c Sagen heißt: Zeigen, Erscheinen lassen, lichtend-verbergend-freigebend Darreichen von Welt. Jetzt bekundet sich die Nähed als die Be-we¨gung des Gegen-einander-über der Weltgegenden.** Die Möglichkeit ergibt sich, zu erblicken, daß und wie a b c d
〈/ das Spiel der Stille / 〉 〈unser Verhältnis zur Sprache〉 ob[en] 159 200 〈Nähe〉
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die Sage als Wesen der Sprache zurückschwingt in das Wesen der Nähe. Bei ruhiger Umsicht ist der Einblick möglich, inwiefern die Nähe und die Sage als das Wesende der Sprache das Selbe sind. So ist denn die Sprache keine bloße Fähigkeit des Menschen. Ihr Wesen gehört in das Eigenste der Be-we¨gung des Gegen-einander-über der vier Weltgegenden.* Die Möglichkeit ergibt sich, daß wir mit der Sprache eine Er fahrung machen, in solches gelangen, was uns umwirft, d. h. unser Verhältnis zur Sprache verwandelt. Inwiefern?a Die Sprache ist als die Sage des Weltgeviertes nicht mehr nur Solches, wozu wir, die sprechenden Menschen, ein Verhältnis haben im Sinne einer Beziehung, die zwischen Mensch und Sprache besteht. Die Sprache ist als die Welt-bewe¨gende Sageb das Verhältnis aller Verhältnissec.** Sie verhält, unterhält, reicht und bereichert das Gegen-einander-über der Weltgegenden, hält und hütet sie, indem sie selber – die Sage – an sich hält. Also an sich haltend, be-langt uns die Sprache als die Sage des Weltgeviertes, uns, die wir als die Sterblichen in das Geviert gehören, uns, die wir nur insofern sprechen können, als wir der Sprache entsprechen.*** Die Sterblichen sind jene, die den Tod als Tod erfahren können. Das Tier vermag dies nicht. Das Tier kann aber auch nicht sprechen. Das Wesensverhältnis zwischen Tod und Sprache blitzt auf, ist aber noch ungedacht.**** Es
a b c
159 Sage der brauchenden Eignis vgl. V. [Vorläufiges] III, 91.***** 〈das Verhältnis aller Verhältnisse〉 Dank wessen (ist) die Spr[ache] das Ver-hältnis?
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kann uns jedoch einen Wink geben in die Weise, wie das Wesen der Sprache uns zu sich be-langt und so bei sich verhält, für den Fall, daß der Tod mit dem zusammengehört, was uns be-langt. Gesetzt, das Be-we¨gende, das die vier Weltgegenden in der einigen Nähe ihres Gegen-einander-über hält, beruhe in der Sage, dann vergibt auch erst die Sage jenes, was wir mit dem winzigen Wort »ist« nennen und so ihr nachsagen. Die Sage gibta das »ist« in das gelichtete Freie und zugleich Geborgene seiner Denkbarkeit.* Die Sage versammelt als das Be-we¨gende des Weltgeviertes alles in die Nähe des Gegen-einander-über und zwar lautlos, so still wie die Zeit zeitigt, der Raum räumt, so still, wie der Zeit-Spiel-Raum spielt. Wir nennen das lautlos rufende Versammeln, als welches die Sage das Welt-Verhältnis be-we¨gt, das Geläut der Stille.b Es ist: die Sprache des Wesens. In der Nachbarschaft zum Gedicht Stefan Georges hörten wir sagen: Kein ding sei wo das wort gebricht. Wir beachteten, daß in der Dichtung etwas Denkwürdiges zurückbleibe, dies nämlich, was es heiße: ein Ding ist. Denkwürdig zugleich wurde uns das Verhältnis des verlautenden, weil nicht fehlenden Wortes zum »ist«. Nunmehr dürfen wir, in der Nachbarschaft zum dichterischen Wort denkend, vermutend sagen: Ein »ist« ergibt sich, wo das Wort zerbricht.
a b
〈 gibt〉 〈Geläut der Stille〉 30
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Zerbrechen heißt hier: Das verlautende Wort kehrt ins Lautlose zurück, dorthin, von woher es gewährt wird: In das Geläut der Stille, das als die Sage die Gegenden des Weltgeviertes in ihre Nähe be-we¨gt. Dieses Zerbrechen des Wortes ist der eigentliche Schritt zurücka auf dem Weg des Denkens.
a
〈Schritt zurück〉 190
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DAS WORT
enken wir von diesem Ort aus für einen Augenblick an das, was Hölderlin in seiner Elegie Brod und Wein (VI. Strophe)* frägt:
D
Warum schweigen auch sie, die alten heilgen Theater? Warum freuet sich denn nicht der geweihete Tanz? Dem einstigen Ort des Erscheinens der Götter ist das Wort verwehrt, das Wort, wie es einmal schon Wort war. Wie war es denn? Im Sagen selbst begab sich das Nahen des Gottes. Das Sagen war in sich das Erscheinenlassen dessen, was die Sagenden erblickten, weil es sie zuvor schon angeblickt hatte. Solcher Anblick brachte die Sagenden und die Hörenden in die un-endliche Innigkeit des Streites zwischen den Menschen und den Göttern. Diesen Streit jedoch durchwaltete Jenes, was noch über die Götter und Menschen ist, wie es Antigone** sagt: oyÆ gaÂr ti moi ZeyÁw hËn, oë khryÂjaw taÂde,
(Vers 450)
Nicht Zeus denn war’s, der mir die Botschaft gab, (sondern Anderes, jener weisende Brauch.) oyÆ gaÂr ti nyÄn ge kaÆxûeÂw, aÆll’ aÆei pote zìhÄ tayÄta, koyÆdeiÁw oiËden eÆj oÏtoy’ faÂnh.
DAS WORT
(Vers 456 / 7)
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Nicht von heut denn und von gestern, doch während je und je, Aufgehet er (oë noÂmow, der weisende Brauch) und keiner hat dorthin geschaut, von wo aus er ins Scheinen kam. [220]
Ein Rätsel bleibt das dichtende Wort solcher Art, dessen Sagen längst ins Schweigen zurückgegangen. Dürfen wir es wagen, dieses Rätsel zu bedenken? Wir tun schon genug, wenn wir uns das Rätsel des Wortes erst einmal sagen lassen durch die Dichtung selbst und jetzt in einem Gedicht mit dem Titel: Das Wort Wunder von ferne oder traum Bracht ich an meines landes saum Und harrte bis die graue norn Den namen fand in ihrem born – Drauf konnt ichs greifen dicht und stark Nun blüht und glänzt es durch die mark … Einst langt ich an nach guter fahrt Mit einem kleinod reich und zart Sie suchte lang und gab mir kund: ›So schläft hier nichts auf tiefem grund‹ Worauf es meiner hand entrann Und nie mein land den schatz gewann … So lernt ich traurig den verzicht: Kein ding sei wo das wort gebricht.
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DAS WORT
Das Gedicht erschien zuerst in der 11. und 12. Folge der »Blätter für die Kunst« aus dem Jahr 1919. Später (1928) hat Stefan George es in den letzten von ihm veröffentlichten Gedichtband aufgenommen, der den Titel trägt: Das Neue Reich.* Das Gedicht ist in sieben zweizeilige Strophen gebaut. Die Schlußstrophe schließt das Gedicht jedoch nicht nur ab, sie schließt es zugleich auf. Dies zeigt sich schon daran, daß der Schlußvers allein dasjenige eigens sagt, was in der Überschrift steht: Das Wort. Der Schlußvers lautet: Kein ding sei wo das wort gebricht. Man ist versucht, die Schlußzeile in eine Aussage umzuformen des Inhaltes: Kein Ding ist, wo das Wort gebricht. Wo etwas gebricht, besteht ein Bruch, ein Abbruch. Einer Sache Abbruch tun, heißt: ihr etwas entziehen, es an etwas fehlen lassen. Es gebricht, bedeutet: es fehlt. Wo das Wort fehlt, ist kein Ding. Das verfügbare Wort erst verleiht dem Ding das Sein. Was ist das Wort, daß es solches vermag? Was ist das Ding, daß es des Wortes bedarf, um zu sein? Was heißt hier Sein, daß es wie eine Verleihung erscheint, die dem Ding aus dem Wort zugeeignet wird? Fragen über Fragen, die beim ersten Hören und Lesen des Gedichtes nicht sogleich an unser Nachdenken rühren. Wir sind viel eher verzaubert durch die ersten sechs Strophen; denn sie erzählen eigentümlich verschleierte Erfahrungen des Dichters. Bedrängender freilich spricht die Schlußstrophe. Sie drängt uns in die Unruhe des Nachdenkens. Aus ihr erst hören wir, was der Überschrift gemäß das ganze Gedicht in seinem dichterischen Sinn hat: das Wort. Gibt es Erregenderes und Gefährlicheres für den Dich-
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ter als das Verhältnis zum Wort? Kaum. Wird dieses Verhältnis erst durch den Dichter geschaffen, oder brauchta das Wort von sich her und für sich das Dichten, so daß allein durch diesen Brauch der Dichter zu dem wird, der er sein kann? Dies alles und anderes noch gibt zu denken und macht uns nachdenklich. Gleichwohl zögern wir, auf solches Nachdenken einzugehen. Denn es stützt sich jetzt nur auf einen einzigen Vers des ganzen Gedichtes. Diesen Schlußvers haben wir zudem noch in eine Aussage umgeändert. Allerdings geschah dieser Eingriff nicht aus bloßer Willkür. Wir werden vielmehr zu der Umformung fast genötigt, sobald wir bemerken, daß der erste Vers der Schlußstrophe mit einem Doppelpunkt endet. Dieser weckt die Erwartung, im folgenden sei etwas ausgesagt. Solches ist denn auch der Fall in der fünften Strophe. Am Ende ihres ersten Verses steht gleichfalls ein Doppelpunkt: Sie suchte lang und gab mir kund: ›So schläft hier nichts auf tiefem grund‹ Der Doppelpunkt eröffnet etwas. Was folgt, spricht, grammatisch vorgestellt, im Indikativ: ›So schläft hier nichts …‹ Außerdem ist das von der grauen Norn Gesagte in Anführungszeichen gesetzt. Anders in der Schlußstrophe. Hier steht am Ende der ersten Zeile zwar auch ein Doppelpunkt. Was jedoch auf diesen folgt, spricht weder im Indikativ, noch steht das Gesagte zwischen Anführungszeichen. Worin beruht die Verschiedenheit der fünften und der siebenten Strophe? In der fünften Strophe gibt die graue Norn etwas kund. Die Kundgabe ist eine Art von Aussage, eine Eröffnung. Daa
〈braucht〉
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gegen sammelt sich der Ton der Schlußstrophe in das Wort »verzicht«. Verzichten ist kein Aussagen, aber vielleicht doch auch ein Sagen. Verzichten gehört zum Zeitwort verzeihen. Zeihen, zichten ist das selbe Wort wie zeigen, das griechische deiÂknymi, das lateinische dicere. Zeihen, zeigen heißt: sehen lassen, zum Vorschein bringen. Dies nun aber, das zeigende Sehenlassen, ist der Sinn unseres alten deutschen Wortes sagan, sagen. Jemanden bezeihen, bezichten meint: ihm etwas auf den Kopf zusagen. Im Verzeihen, Verzichten waltet demnach ein Sagen. Wieso? Verzichten heißt: sich des Anspruches auf etwas begeben, sich etwas versagen. Weil das Verzichten eine Weise des Sagens ist, kann es sich in der Schrift durch einen Doppelpunkt einführen. Hierbei braucht, was diesem folgt, keine Aussage zu sein. Der Doppelpunkt nach dem Wort »verzicht« eröffnet nichts im Sinne einer Aussage oder Feststellung, aber der Doppelpunkt öffnet das Verzichten als ein Sagen für das, worauf es sich einläßt. Worauf läßt es sich ein? Vermutlich auf das, worauf der Verzicht verzichtet. So lernt ich traurig den verzicht: Kein ding sei wo das wort gebricht. Doch wie? Verzichtet der Dichter darauf, daß kein Ding sei, wo das Wort gebricht? Keineswegs. Dem sagt der Dichter so wenig ab, daß er dem Gesagten gerade zustimmt. Also kann das, wohin der Doppelpunkt den Verzicht öffnet, nicht solches sagen, worauf der Dichter verzichtet. Es muß vielmehr jenes sagen, worein der Dichter sich einläßt. Aber verzichten heißt unbestreitbar: sich etwas versagen. Demzufolge muß doch der Schlußvers das sagen, was der Dichter sich versagt. Ja und nein.
DAS WORT
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Wie sollen wir dies denken? Immer nachdenklicher macht uns die Schlußstrophe und verlangt, daß wir sie im ganzen und deutlicher hören, die ganze Strophe jedoch als diejenige, die das Gedicht durch den Abschluß zugleich aufschließt. So lernt ich traurig den verzicht: Kein ding sei wo das wort gebricht.
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Der Dichter hat den Verzicht gelernt. Lernen heißt: wissend werden. Wissend ist, lateinisch gesprochen, qui vidit, wer etwas gesehen, erblickt hat, wer das Erblickte nie mehr aus dem Blick verliert. Lernen heißt: in solches Erblicken gelangen. Dazu gehört, daß wir es erlangen, nämlich unterwegs, auf einer Fahrt. Sich in das Er-fahren schicken heißt: lernen. Bei welchen Fahrten gelangt der Dichter zu seinem Verzicht? Durch welches Land führen die Fahrten den Fahrenden? Wie hat der Dichter den Verzicht erfahren? Die Schlußstrophe gibt die Weisung. So lernt ich traurig den verzicht: Wie denn? So, wie es die voraufgehenden sechs Strophen sagen. Hier spricht der Dichter von seinem Land. Hier spricht er von seinen Fahrten. Die vierte Strophe beginnt: Einst langt ich an nach guter fahrt »Einst« ist hier in der alten Bedeutung gebraucht, die besagt: einmal. Darin bekundet sich ein ausgezeichnetes Mal, eine einzigartige Erfahrung. Deshalb setzt das Sagen von ihr nicht nur jäh ein mit dem »Einst«, es setzt sich zugleich
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deutlich ab gegen die bisherigen Fahrten; denn der letzte Vers der unmittelbar voraufgehenden dritten Strophe läuft in drei Punkte aus. Das Gleiche gilt vom letzten Vers der sechsten Strophe. Demnach sind die sechs Strophen, die sich auf die siebente, die Schlußstrophe zu sammeln, durch deutliche Zeichen in zweimal drei Strophen, in zwei Triaden gegliedert. Die Fahrten des Dichters, von denen die erste Triade sagt, sind anderer Art als die eine und einzige, der die ganze zweite Triade gewidmet ist. Damit wir den Fahrten des Dichters, zumal der einzigartigen, die ihn den Verzicht erfahren läßt, nachdenken können, müssen wir zuvor die Landschaft bedenken, in die das Erfahren des Dichters gehört. Zweimal, im zweiten Vers der ersten und im zweiten Vers der sechsten Strophe, also am Beginn und am Ende der beiden Tri aden, sagt der Dichter: »mein land«. Sein ist das Land als der gesicherte Bezirk seines Dichtens. Wonach dieses verlangt, sind die Namen. Wofür? Der erste Vers des Gedichtes gibt die Antwort: Wunder von ferne oder traum Namen für solches, was dem Dichter aus der Ferne als Erstaunliches zugetragen wird, oder solches, was ihn im Traum besucht. Beides gilt dem Dichter in aller Sicherheit für das ihn wahrhaft Angehende, für das, was ist, welches Seiende er jedoch nicht für sich behalten, sondern darstellen will. Dazu bedarf es der Namen. Dies sind Worte, durch die das schon Seiende und für seiend Gehaltene so greifbar und dicht gemacht wird, daß es fortan glänzt und blüht und so überall im Lande als das Schöne herrscht. Die Namen sind die darstellenden Worte. Sie stellen das schon Seiende dem Vorstellen zu. Durch die Kraft der Darstellung bezeugen
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die Namen ihre maßgebende Herrschaft über die Dinge. Der Dichter selbst dichtet aus dem Anspruch auf die Namen. Um sie zu erlangen, muß er durch seine Fahrten erst dorthin gelangen, wo sein Anspruch die verlangte Erfüllung findet. Dies geschieht am Saum seines Landes. Der Saum säumt, er hält auf, begrenzt und umgrenzt den sicheren Aufenthalt des Dichters. Am Saum des dichterischen Landes – oder dieser Saum selber? – ist der Born, der Brunnen, aus dem die graue Norn, die alte Schicksalsgöttin, die Namen heraufholt. Mit diesen gibt sie dem Dichter jene Worte, die er zuversichtlich und seiner selbst sicher als die Darstellung dessen erwartet, was er für das Seiende hält. Der Anspruch des Dichters auf die Herrschaft seines Sagens erfüllt sich. Gedeihen und Glanz seiner Dichtung werden Gegenwart. Der Dichter ist seines Wortes so sicher wie mächtig. Die letzte Strophe der ersten Triade beginnt mit dem entschiedenen »Drauf«: Drauf konnt ichs greifen dicht und stark Nun blüht und glänzt es durch die mark …
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Achten wir gut auf den Wechsel des Zeitcharakters der Zeitwörter im zweiten Vers dieser Strophe gegenüber dem ersten. Sie sprechen im Präsens. Die Herrschaft des Dichtertums ist vollendet. Sie ist an ihrem Ziel und ist vollkommen. Kein Mangel, kein Zweifel stört die Selbstsicherheit des Dichters. Bis einmal eine ganz andere Erfahrung ihn trifft. Sie wird in der zweiten Triade gesagt, die in der genauen Entsprechung zur ersten gebaut ist. Merkmale dafür sind folgende: Die letzten Strophen beider Triaden beginnen jeweils mit einem »Drauf« und »Worauf«. Dem »Drauf« steht am Ende der zweiten Strophe ein Gedankenstrich
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voran. Dem »Worauf« geht gleichfalls ein Zeichen vorher: die Anführungszeichen in der fünften Strophe. Bei der einzigartigen Fahrt bringt der Dichter nicht mehr »Wunder von ferne oder traum« zum Saum seines Landes. Er kommt nach guter Fahrt mit einem Kleinod zum Born der Norn. Die Herkunft des Kleinods bleibt dunkel. Der Dichter trägt es einfach auf der Hand. Das auf der Hand Liegende ist weder etwas Geträumtes noch aus der Ferne Beigeholtes. Aber das befremdlich Kostbare ist zugleich »reich und zart«. Deshalb muß die Schicksalsgöttin lang nach dem Namen für das Kleinod suchen und den Dichter zuletzt mit dem Bescheid verabschieden: ›So schläft hier nichts auf tiefem grund‹ Die Namen, die der Brunnen birgt, gelten als etwas Schlafendes, was nur geweckt zu werden braucht, um als Darstellung der Dinge seine Verwendung zu finden. Die Namen und Worte sind wie ein fester Bestand, der den Dingen zugeordnet ist und nachträglich ihnen für die Darstellung angetragen wird. Aber diese Quelle, aus der das dichterische Sagen bisher die Worte schöpfte, die als Namen das Seiende darstellten, spendet nichts mehr. Welche Erfahrung wird dem Dichter? Nur die, daß im Fall des auf der Hand liegenden Kleinods der Name ausbleibt? Nur die, daß jetzt das Kleinod zwar den Namen entbehren muß, sonst aber in der Hand des Dichters bleiben darf? Nein. Anderes, Bestürzendes geschieht. Doch bestürzend ist weder das Ausbleiben des Namens, noch das Entrinnen des Kleinods. Bestürzend wird, daß mit dem Ausbleiben des Wortes das Kleinod wegschwindet. Also ist es das Wort, das erst das Kleinod in seinem Anwesen hält, es sogar erst dahin holt und bringt und darein verwahrt. Das
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Wort zeigt jäh ein anderes, höheres Walten. Es ist nicht mehr nur benennender Griff nach dem schon vorgestellten Anwesenden, nicht nur Mittel der Darstellung des Vorliegenden. Dem entgegen verleiht das Wort erst Anwesen, d. h. Sein, worin etwas als Seiendes erscheint. Dieses andere Walten des Wortes blickt den Dichter jäh an. Zugleich bleibt aber das Wort, das so waltet, aus. Darum entrinnt das Kleinod. Allein, dabei zerfällt es keineswegs zu nichts. Es bleibt ein Schatz, den der Dichter freilich nie in seinem Land bergen darf. Worauf es meiner hand entrann Und nie mein land den schatz gewann …
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Dürfen wir so weit hinausdenken, daß jetzt den Fahrten des Dichters zum Born der Norn das Ende gesetzt ist? Vermutlich ja. Denn der Dichter hat durch die neue Erfahrung ein anderes Walten des Wortes, wenngleich verhüllt, erblickt. Wohin bringt diese Erfahrung den Dichter und sein bisheriges Dichten? Der Dichter muß sich des Anspruches begeben, daß ihm in aller Sicherheit auf Verlangen der Name für das geliefert wird, was er als das wahrhaft Seiende gesetzt hat. Dieses Setzen und jenen Anspruch muß er sich versagen. Der Dichter muß darauf verzichten, das Wort als den darstellenden Namen für das gesetzte Seiende unter seiner Herrschaft zu haben. Verzichten ist als Sichversagen ein Sagen, das sich sagt: Kein ding sei wo das wort gebricht. Während wir bei der Erläuterung der ersten sechs Strophen des Gedichtes darauf achteten, welche Fahrt den Dichter seinen Verzicht erfahren läßt, hat sich uns zugleich der Ver-
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zicht selber um einiges geklärt. Um einiges nur; denn vieles bleibt noch dunkel in diesem Gedicht, allem voran jenes Kleinod, dafür der Name verwehrt wird. Darum kann der Dichter auch nicht sagen, was dies Kleinod ist. Um so weniger dürfen wir eine Vermutung darüber wagen, es sei denn, das Gedicht gäbe selbst einen Wink. Es gibt ihn. Wir vernehmen ihn, falls wir nachdenklich genug hören. Dem genügen wir, wenn wir etwas bedenken, was uns jetzt am nachdenklichsten stimmen muß. Der Einblick in die Erfahrung des Dichters mit dem Wort, d. h. der Einblick in den gelernten Verzicht drängt uns zu der Frage: Warum konnte der Dichter, nachdem er den Verzicht gelernt hat, nicht auf das Sagen verzichten? Warum sagt er gerade den Verzicht? Warum dichtet er sogar ein Gedicht mit der Überschrift Das Wort? Antwort: Weil dieser Verzicht ein eigentlicher Verzicht ist und keine bloße Absage an das Sagen und somit kein bloßes Verstummen. Als Sichversagen bleibt der Verzicht ein Sagen. So wahrt er das Verhältnis zum Wort. Weil jedoch das Wort sich in einem anderen, höheren Walten gezeigt hat, muß auch das Verhältnis zum Wort eine Wandlung erfahren. Das Sagen gelangt in eine andere Gliederung, in ein anderes meÂlow, in einen anderen Ton. Daß der Verzicht des Dichters in diesem Sinne erfahren ist, bezeugt das Gedicht selber, das den Verzicht sagt, indem es ihn singt. Denn dieses Gedicht ist ein Lied. Es gehört in den letzten Teil des letzten von Stefan George veröffentlichten Gedichtbandes. Dieser letzte Teil trägt den Titel Das Lied und beginnt mit dem Vorspruch: Was ich noch sinne und was ich noch füge Was ich noch liebe trägt die gleichen züge
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Sinnend, fügend, liebend ist das Sagen: ein still frohlockendes Sichbeugen, ein jubelndes Verehren, ein Preisen, ein Loben: laudare. Laudes lautet der lateinische Name für die Lieder. Lieder sagen heißt: singen. Der Gesang ist die Versammlung des Sagens in das Lied. Verkennen wir den hohen Sinn des Gesanges als Sagen, dann wird er zur nachträglichen Vertonung des Gesprochenen und Geschriebenen. Mit dem Lied, mit den letzten unter dieser Überschrift versammelten Gedichten, tritt der Dichter endgültig aus dem eigenen früheren Kreis heraus. Wohin? In den Verzicht, den er lernte. Dieses Lernen war eine jähe Erfahrung in dem Augenblick, da ihn das ganz andere Walten des Wortes anblickte und die Selbstsicherheit seines vormaligen Sagens erschütterte. Unerahntes, Schreckhaftes blickte ihn an, dies, daß erst das Wort ein Ding als Ding sein läßt. Seitdem muß der Dichter diesem kaum geahnten, nur sinnend ahnbaren Geheimnis des Wortes entsprechen. Solches glückt nur, wenn das dichtende Wort im Ton des Liedes erklingt. Wir können diesen Ton besonders deutlich aus einem der Lieder hören, das ohne Überschrift erstmals im letzten Teil des letzten Gedichtbuches mitgeteilt ist (Das Neue Reich, S. 137)*: In stillste ruh Besonnenen tags Bricht jäh ein blick Der unerahnten schrecks Die sichre seele stört So wie auf höhn Der feste stamm Stolz reglos ragt
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Und dann noch spät ein sturm Ihn bis zum boden beugt: So wie das meer Mit gellem laut Mit wildem prall Noch einmal in die lang Verlassne muschel stößt. Der Rhythmus dieses Liedes ist so herrlich wie deutlich. Es genügt, ihn durch einen Hinweis anzudeuten. Rhythmus, rëysmoÂw, heißt indes nicht Fluß und Fließen, sondern Fügung. Der Rhythmus ist das Ruhende, das die Be-wegung des Tanzens und Singens fügt und so in sich beruhen läßt. Der Rhythmus verleiht die Ruhe. Im gehörten Lied zeigt sich die Fügung, wenn wir auf die eine Fuge achten, die sich uns in den drei Strophen dreigestaltig zusingt: sichre Seele und jäher Blick, Stamm und Sturm, Meer und Muschel. Aber das Seltsame in diesem Lied ist ein Zeichen, das der Dichter als einziges außer dem Schlußpunkt vermerkt. Seltsamer noch ist die Stelle, an die er das Zeichen gesetzt hat. Es ist der Doppelpunkt am Ende der letzten Zeile der mittleren Strophe. Dieses Zeichen an dieser Stelle ist um so erstaunlicher, als beide Strophen, die mittlere und die letzte, im Rückbezug auf die erste jedesmal gleich einsetzen mit einem So wie …: So wie auf höhn Der feste stamm und: So wie das meer Mit gellem laut
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Beide Strophen scheinen in ihrer Aufeinanderfolge gleichgeordnet zu sein. Aber sie sind es nicht. Der Doppelpunkt am Ende der mittleren Strophe läßt die folgende letzte Strophe eigens auf die erste zurückdeuten, indem er die zweite in diesen Hinweis einbezieht. Die erste Strophe meint den aus seiner Sicherheit aufgestörten Dichter. Allein, der »unerahnte schreck« zerstört ihn nicht. Doch er beugt ihn zu Boden wie der Sturm den Stamm, damit er offen werde für das, was die auf den öffnenden Doppelpunkt folgende dritte Strophe singt. Noch einmal stößt das Meer seine unergründliche Stimme in das Gehör des Dichters, das die »lang verlassne muschel« heißt; denn der Dichter blieb bislang ohne das rein geschenkte Walten des Wortes. Statt seiner nährten die von der Norn erheischten Namen die Selbstsicherheit des herrischen Kündens. Der gelernte Verzicht ist keine bloße Absage an einen Anspruch, sondern die Wandlung des Sagens in den fast verborgen rauschenden liedhaften Widerklang einer unsäglichen Sage. Jetzt dürften wir eher imstande sein, der Schlußstrophe nachzudenken, damit sie selber so spricht, daß sich in ihr das ganze Gedicht versammelt. Glückte dies auch nur in geringem Maße, dann könnten wir bei guten Augenblicken die Überschrift des Gedichtes Das Wort deutlicher hören und erkennen, wie die Schlußstrophe das Gedicht nicht nur abschließt, nicht nur aufschließt, sondern zugleich das Geheimnis des Wortes verschließt. So lernt ich traurig den verzicht: Kein ding sei wo das wort gebricht. Die Schlußstrophe sagt vom Wort in der Weise des Verzichtes. Dieser ist in ihm selber ein Sagen: das Sich-versagen … nämlich den Anspruch auf etwas. So genommen behält der
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Verzicht einen verneinenden Charakter: »Kein ding«, d. h. nicht ein Ding; »das wort gebricht«, d. h. es ist nicht verfügbar. Nach der Regel ergibt die doppelte Verneinung eine Bejahung. Der Verzicht sagt: Ein Ding sei nur, wo das Wort gewährt ist. Der Verzicht spricht bejahend. Die bloße Absage erschöpft nicht nur nicht das Wesen des Verzichtes, sie enthält es gar nicht. Der Verzicht hat zwar eine negative, aber zugleich eine positive Seite. Doch die Rede von Seiten ist hier verfänglich. Sie ordnet das Verneinende und Bejahende einander gleich und verdeckt so das im Verzicht eigentlich waltende Sagen. Diesem gilt es vor allem nachzudenken. Nicht genug. Nötig ist zu bedenken, welchen Verzicht die Schlußstrophe meint. Er ist von einziger Art; denn er bezieht sich nicht auf irgendeinen Besitz von irgend etwas. Das Verzichten betrifft als Sichversagen, d. h. als ein Sagen, das Wort selbst. Das Verzichten bringt das Verhältnis zum Wort in Be-wegung zu dem, was jedes Sagen als Sagen angeht. Wir ahnen, daß in diesem Sichversagen das Verhältnis zum Wort eine fast »übermäßige Innigkeit« gewinnt. Das Rätselhafte der Schlußstrophe überwächst uns. Wir möchten es auch nicht lösen, sondern nur lesen, unser Nachdenken darauf sammeln. Zuerst denken wir das Verzichten als Sich-etwas-versagen. Grammatisch erklärt, steht das »sich« im Dativ und meint den Dichter. Das, was der Dichter sich versagt, steht im Akkusativ. Es ist der Anspruch auf die vorstellende Herrschaft des Wortes. Inzwischen kam ein anderer Zug in diesem Verzichten zum Vorschein. Das Verzichten sagt sich dem höheren Walten des Wortes zu, das erst ein Ding als Ding sein läßt. Das Wort be-dingt das Ding zum Ding. Wir möchten dieses Walten des Wortes die Bedingnis nennen. Dieses alte Wort ist aus unserem Sprachgebrauch verschwunden. Goethe kennt es noch. Bedingnis sagt im vor-
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liegenden Zusammenhang jedoch anderes als die Rede von der Bedingung, als welche auch Goethe noch die Bedingnis versteht. Die Bedingung ist der seiende Grund für etwas Seiendes. Die Bedingung begründet und gründet. Sie genügt dem Satz vom Grund. Aber das Wort be-gründet das Ding nicht. Das Wort läßt das Ding als Ding anwesen. Dieses Lassen heiße die Bedingnis. Der Dichter erklärt nicht, was diese Bedingnis ist. Aber der Dichter sagt sich, d. h. sein Sagen diesem Geheimnis des Wortes zu. In solchem Sich-zusagen versagt der Verzichtende sich dem vormals von ihm gewollten Anspruch. Das Sich-versagen hat seinen Sinn gewandelt. Das »sich« steht nicht mehr im Dativ, sondern im Akkusativ, und der Anspruch steht nicht mehr im Akkusativ sondern im Dativ. Im Wandel des grammatischen Sinnes der Wendung »sich den Anspruch versagen« in ein »sich dem Anspruch versagen« verbirgt sich der Wandel des Dichters selbst. Er hat sich, d. h. sein künftig noch mögliches Sagen vor das Geheimnis des Wortes, vor die Bedingnis des Dinges im Wort bringen lassen. Allein auch im gewandelten Sichversagen behält der verneinende Charakter des Verzichtens noch die Vorhand. Indessen wurde immer deutlicher, daß der Verzicht des Dichters durchaus kein Nein-sagen, sondern ein Ja-sagen ist. Das Sich-versagen – anscheinend nur Absage und Sichzurücknehmen – ist in Wahrheit ein Sich-nicht-versagen: dem Geheimnis des Wortes. Dieses Sich-nicht-versagen kann nur in der Weise sprechen, daß es sagt: es »sei«. Fortan sei das Wort: die Bedingnis des Dinges. Dieses »sei« läßt sein, was und wie das Verhältnis von Wort und Ding eigentlich ist: Kein Ding ist ohne das Wort. Dieses »ist« sagt sich der Verzicht im »es sei« zu. Darum bedarf es nicht erst einer nachträglichen Umformung des Schlußverses in eine
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Aussage, um dadurch das »ist« zum Vorschein zu bringen. Das »sei« reicht uns das »ist« reiner, weil verschleiert dar. Kein ding sei wo das wort gebricht. In diesem Sich-nicht-versagen sagt der Verzicht sich selbst als dasjenige Sagen, das sich ganz dem Geheimnis des Wortes verdankt. Das Verzichten ist im Sich-nicht-versagen ein Sich-ver danken. Darin wohnt der Verzicht. Der Verzicht ist Verdank und so ein Dank. Der Verzicht ist weder bloße Absage noch gar ein Verlust. Doch weshalb ist der Dichter traurig gestimmt? So lernt ich traurig den verzicht: Macht ihn der Verzicht traurig? Oder befiel ihn die Trauer nur beim Lernen des Verzichtes? In diesem Fall könnte die Trauer, die jüngst sein Gemüt beschwerte, wieder vergangen sein, sobald er sich in den Verzicht als den Verdank eingelassen hat; denn das Sich-verdanken ist als Danken auf die Freude gestimmt. Den Ton der Freude hören wir aus einem anderen Lied. Auch diesem Gedicht fehlt die Überschrift. Aber es trägt ein so seltsam einziges Zeichen, daß wir dieses Lied aus der inneren Verwandtschaft mit dem Lied Das Wort hören müssen (Das Neue Reich, S. 125).* Es lautet: Welch ein kühn-leichter schritt Wandert durchs eigenste reich Des märchengartens der ahnin? Welch einen weckruf jagt Bläser mit silbernem horn Ins schlummernde dickicht der Sage?
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Welch ein heimlicher hauch Schmiegt in die seele sich ein Der jüngst-vergangenen schwermut?
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Stefan George pflegt alle Wörter klein zu schreiben, ausgenommen diejenigen, mit denen die Verszeilen beginnen. Doch in diesem Gedicht findet sich ein einziges großgeschriebenes Wort, fast in der Mitte des Gedichtes am Ende der mittleren Strophe. Das Wort lautet: die Sage. Der Dichter hätte dieses Wort als Überschrift wählen können mit dem verborgenen Anklang, daß die Sage als die Mär des Märchengartens von der Herkunft des Wortes Kunde gibt. Die erste Strophe singt den Schritt als die Wanderung durch den Bereich der Sage. Die zweite Strophe singt den Ruf, der die Sage weckt. Die dritte Strophe singt den Hauch, dessen Wehen sich der Seele einschmiegt. Schritt (d. h. Weg) und Ruf und Hauch schwingen um das Walten des Wortes. Dessen Geheimnis hat nicht nur die vormals sichere Seele aufgestört, es hat der Seele zugleich die Schwermut genommen, die sie niederzuziehen drohte. Also ist die Traurigkeit aus dem Verhältnis des Dichters zum Wort geschwunden. Sie betraf nur das Lernen des Verzichtes. Dies alles träfe zu, wenn die Trauer der bloße Gegensatz zur Freude, wenn Schwermut und Trauer das Gleiche wären. Doch je freudiger die Freude, je reiner die in ihr schlummernde Trauer. Je tiefer die Trauer, je rufender die in ihr ruhende Freude. Trauer und Freude spielen ineinander. Das Spiel selbst, das beide ineinander stimmt, indem es das Ferne nah und das Nahe fern sein läßt, ist der Schmerz. Darum sind beide, die höchste Freude und die tiefste Trauer, je nach ihrer Weise schmerzlich. Der Schmerz aber mutet das Gemüt der Sterblichen so an, daß es aus ihm – dem Schmerz – sein Schwergewicht empfängt. Dieses hält
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die Sterblichen bei allem Schwanken in der Ruhe ihres Wesens. Der dem Schmerz entsprechende »muot«, das durch ihn und auf ihn gestimmte Gemüt, ist die Schwermut. Sie kann das Gemüt niederdrücken, sie kann aber auch das Lastende verlieren und ihren »heimlichen hauch« der Seele einschmiegen, ihr den Schmuck verleihen, der sie in das kostbare Verhältnis zum Wort kleidet und in diesem Kleid schützt. Solches denkt vermutlich die dritte Strophe des zuletzt gehörten Gedichtes. Mit dem heimlichen Hauch der jüngst vergangenen Schwermut weht die Trauer durch den Verzicht selbst; denn sie gehört zu ihm, falls wir diesen Verzicht aus seinem eigensten Gewicht denken. Das ist das Sich-nicht-versagen dem Geheimnis des Wortes, dem, daß es die Bedingnis des Dinges ist. Als Geheimnis bleibt es das Ferne, als erfahrenes Geheimnis ist das Ferne nah. Der Austrag dieser Ferne solcher Nähe ist das Sich-nicht-versagen dem Geheimnis des Wortes. Für dieses Geheimnis fehlt das Wort, d. h. jenes Sagen, das es vermöchte, das Wesen der Sprache – zur Sprache zu bringen. Der Schatz, den das Land des Dichters nie gewinnt, ist das Wort für das Wesen der Sprache. Das jäh erblickte Walten und Weilen des Wortes, sein Wesendes, möchte ins eigene Wort kommen. Aber das Wort für das Wesen des Wortes wird nicht gewährt. Wie nun, wenn einzig dies, das Wort für das Wesende der Sprache, jenes Kleinod wäre, das, dem Dichter ganz nahe, weil auf der Hand liegend, gleichwohl entrinnt, doch als Entronnenes und nie Gewonnenes das Fernste bleibt in der nächsten Nähe? Aus dieser ist ihm das Kleinod geheimnisvoll vertraut, denn anders vermöchte er nicht, das Kleinod zu besingen: »reich und zart«.
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Reich heißt: vermögend zum Gewähren, vermögend im Reichen, vermögend im Erreichen- und Gelangenlassen. Dies aber ist der Wesensreichtum des Wortes, daß es im Sagen, d. h. im Zeigen, das Ding als Ding zum Scheinen bringt. Zart heißt nach dem alten Zeitwort zarton das Selbe wie: vertraut, erfreuend, schonend. Das Schonen ist ein Reichen und Be-freien, aber ohne Wille und Gewalt, ohne Sucht und Herrschaft. Das kleinod reich und zart ist das verborgene Wesen (verbal) des Wortes, das sagend unsichtbar und schon im Ungesprochenen das Ding als Ding uns darreicht. Insofern der Verzicht sich dem Geheimnis des Wortes zugesagt hat, behält der Dichter das Kleinod durch den Verzicht im Andenken. Auf diese Weise wird das Kleinod zu dem, was der Dichter als ein Sagender allem anderen vorzieht, über alles übrige würdigt. Das Kleinod wird zum eigentlich Denkwürdigen des Dichters. Denn was kann es für den Sagenden Denkwürdigeres geben als das sich verschleiernde Wesen des Wortes, das entscheinende Wort für das Wort? Wenn wir das Gedicht als Lied im Einklang mit den verwandten Liedern hören, dann lassen wir uns durch den Dichter und mit ihm das Denkwürdige des Dichtertums sagen. Sich das Denkwürdige sagen lassen, heißt – Denken. Indem wir das Gedicht hören, denken wir dem Dichten nach. Auf solche Weise ist: Dichten und Denken. Was zunächst wie eine Überschrift über einem Thema aussieht: Dichten und Denken, zeigt sich als die Inschrift, in die unser geschickliches Dasein von altersher eingeschrieben ist. Die Inschrift verzeichnet das Zueinandergehören von Dichten und Denken. Deren Zusammenkunft hat eine
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lange Herkunft. Wenn wir in diese zurückdenken, gelangen wir vor das uralt Denkwürdige, dem nie genug nachgedacht werden kann. Es ist das selbe Denkwürdige, das den Dichter jäh anblickte, dem er sich nicht versagte, sagend: Kein ding sei wo das wort gebricht. Das Walten des Wortes blitzt auf als die Bedingnis des Dinges zum Ding. Das Wort hebt an zu leuchten als die Versammlung, die Anwesendes erst in sein Anwesen bringt. Das älteste Wort für das so gedachte Walten des Wortes, für das Sagen, heißt LoÂgow: die Sage, die zeigend Seiendes in sein es ist erscheinen läßt. Das selbe Wort LoÂgow ist aber als Wort für das Sagen zugleich das Wort für das Sein, d. h. für das Anwesen des Anwesenden. Sage und Sein, Wort und Ding gehören in einer verhüllten, kaum bedachten und unausdenkbaren Weise zueinander. Jedes wesentliche Sagen hört in dieses verhüllte Zueinandergehören von Sage und Sein, Wort und Ding zurück. Beide, Dichten und Denken, sind ein ausgezeichnetes Sagen, insofern sie dem Geheimnis des Wortes als ihrem Denkwürdigsten überantwortet und dadurch seit je in die Verwandtschaft miteinander verfugt bleiben. Damit wir diesem Denkwürdigen, wie es sich dem Dichten zusagt, auf eine gemäße Weise nach- und vordenken, überlassen wir alles jetzt Gesagte einer Vergessenheit. Wir hören das Gedicht. Wir werden jetzt noch nachdenklicher im Hinblick auf die Möglichkeit, daß wir uns im Hören um so leichter verhören, je einfacher das Gedicht in der Weise des Liedes singt.
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DERa WEG ZUR SPRACHEb
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〈DER〉 Weshalb nicht »ein« Weg u[nter] a[nderen]? Der Vortrag versucht: das Eigentümliche der Sprache be-merken zu lassen und zu nennen – in die Fragwürdigkeit des Unscheinbaren rufen
( das Unscheinbare eines Vorenthaltes dessen Reichtum b
»Wenn man viel selbst denkt, so findet man viele Weisheit in die Sprache eingetragen. Es ist wohl nicht wahrscheinlich, daß man alles selbst hineinträgt, sondern es liegt wirklich viel Weisheit darin, so wie in den Sprichwörtern.« G. Chr. Lichtenberg*
um Beginn hören wir ein Wort von Novalis. Es steht in einem Text, den er Monolog überschrieben hat. Der Titel deutet in das Geheimnis der Sprache: Sie spricht einzig und einsam mit sich selber. Ein Satz des Textes lautet: »Gerade das Eigentümliche der Sprache, daß sie sich bloß um sich selbsta bekümmert, weiß keiner.«* Fassen wir, was jetzt zu sagen versucht sei, als eine Folge von Aussagen über die Sprache, dann bleibt es bei einer Kette unbewiesener, wissenschaftlich unbeweisbarer Behauptungen. Erfahrenb c wir dagegen den Weg zur Sprache aus dem, was sich unterwegs mit dem Weg begibt, dann könnte eine Vermutung erwachen, in der uns fortan die Sprache befremdend anmutet und unser Verhältnis zu ihr sich als das Verhältnisd bekundet.**
Z
a b c
d
〈um sich selbst〉 Reflexion?? 〈Erfahren〉 eundo assequi erfahren / ob[en] 169. 177 u[nten] vgl. S[ommer-]S[emester] 1944 zu Heraklit*** fahren, ziehen, den Weg einschlagen, geleiten gelangenlassen er-fahren durch solches – in solchem fahren eigens gelangen – Ver-hältnis: Ortschaft des Zu-einander-Gehörens von Brauch und Ereignis
DER WEG ZUR SPRACHE
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Der Weg zur Sprache – dies klingt so, als läge die Sprache weit weg von uns, irgendwo, dahin wir uns erst auf einen Weg machen müßten. Braucht es denn nun aber einen Weg zur Sprache? Wir sind nach einer alten Kunde doch selber diejenigen Wesen, die zu sprechen vermögen und daher die Sprache schon haben. Das Vermögen zu sprechen ist auch nicht nur eine Fähigkeit des Menschen, gleichgeordnet seinen übrigen. Das Vermögen zu sprechen zeichnet den Menschen zum Menschen aus. Diese Aus-Zeichnung* enthält den Aufriß seines Wesens. Der Mensch wäre nicht Mensch, wenn ihm versagt bliebe, unablässig, überallher, auf jegliches zu, in mannigfaltigen Abwandlungen und zumeist unausgesprochen in einem »es ist« zu sprechen.** Insofern die Sprache solches gewährt, beruhta das Menschenwesen in der Sprache.b So sind wir denn allem zuvor in der Sprache und bei der Sprache.c Ein Weg zu ihr ist unnötig. Der Weg zur Sprache ist aber auch unmöglich, wenn anders wir schon dort sind, wohin er führen soll. Doch, sind wir dort? Sind wir so in der Sprache, daß wir ihr Wesen erfahren, sie als die Sprache denken, indem wir, in das Eigened der Sprache hörend, dieses vernehmen? Verweilen wir ohne unser Zutun schon in der Nähe der Sprache? Oder ist der Weg zur a
b
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〈beruht〉 Inständigkeit in der Lichtung des Sichverbergenden Bergens. Die Sprache aller Sprachen: das »Ist« (trans[itiv]) – Sagen – gleichviel in welchem Laut oder gar lautlos im Er-staunen vor – Ist (tr[ansitiv]) der Mensch die Sprache oder Ist die Sprache dem Menschen – 〈in der Sprache und bei der Sprache〉 was heißt hier »in« und »bei«? 〈das Eigene〉 ihr Eigenes? daß sie das Ver-Hältnis ist in der Eignis das V.-H. [Ver-Hältnis] als das Gel[äut] d[er] Stille
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Sprache als der Sprache der weiteste, der sich denken läßt? Der weiteste nicht nur, sondern gesäumt mit Hindernissen, die aus der Sprache selbst kommen, sobald wir versuchen, der Sprache ohne Seitenblicke rein in das Ihrige nachzusinnen? Wir wagen hierbei etwas Seltsames und möchten es auf die folgende Weise umschreiben: Die Sprache als die Sprache zur Sprache bringen.a Dies klingt wie eine Formel. Sie soll uns zum Leitfaden auf dem Weg zur Sprache dienen. Die Formel gebraucht das Wort »Sprache« dreimal, wobei es jedesmal Anderes und gleichwohl das Selbe sagt. Dies ist Jenes, was das Auseinandergehaltene aus dem Einen, worin das Eigentümliche der Sprache beruht, zueinanderhält. Zunächst freilich deutet die Formel auf ein Geflechtb von Beziehungen, darein wir selber schon einbezogen sind. Das Vorhaben eines Weges zur Sprache ist in ein Sprechen verflochten, das gerade die Sprache freistellen möchte, um sie als die Sprache vorzustellen und das Vorgestellte auszusprechen, was zugleich bezeugt, daß die Sprache selber uns in das Sprechen verflochten hat. Dieses Geflecht, das die Wegformel anzeigt, nennt den vorbestimmten Bereich, in dem sich nicht nur die Reihe dieser Vorträge, sondern die ganze Sprachwissenschaft, alle Sprachtheorie und Sprachphilosophie, jeder Versuch, der Sprache nachzusinnen, aufhalten müssen.
a b
vgl. Holzwege, S. 303 ob[en].* vgl. Anmerkungen Spr[ache] 〈Ein Geflecht〉 der Name »Geflecht« ist schlecht aber: »Zirkel« erst recht – Das Gefalt – falten – durch umbiegen zusammen legen – »Hände falten« – aber zugleich: lichtend das fügende Gelicht?
DER WEG ZUR SPRACHE
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Ein Geflecht drängt zusammen, verengt und verwehrt die gerade Durchsicht im Verflochtenen. Zugleich aber ist das Geflecht, das die Wegformel nennt, die eigene Sache der Sprache. Darum dürfen wir von diesem Geflecht, das dem Anschein nach alles ins Unentwirrbare zusammendrängt, nicht wegsehen. Die Formel muß unser Nachdenken eher bedrängen, damit es versuche, das Geflecht zwar nicht zu beseitigen, aber so zu lösen, daß es den Blick in »das freie Zusammengehören«* der durch die Formel genannten Bezügea gewährt. Vielleicht ist das Geflecht von einem Band durchzogen, das auf eine stets befremdende Weise die Sprache in ihr Eigentümliches entbindet. Es gilt, im Geflecht der Sprache das entbindende Band zu erfahren. Der Vortrag, der die Sprache als Information bedenkt und dabei die Information als Sprache denken muß1, nennt dieses in sich zurücklaufende Verhältnis einen Zirkel und zwar einen unvermeidlichen, zugleich aber sinnvollen.b Der Zirkel ist ein besonderer Fall des genannten Geflechtesc. Der Zirkel hat einen Sinn, weil die Richtung und die Art des Kreisens von der Sprache selbst durch eine Bewegung in ihr bestimmt werden. Den Charakter und die Reichweite dieser Bewegung möchten wir aus der Sprache selbst erfahren, indem wir uns auf das Geflecht einlassen. Wie kann dies gelingen? Dadurch, daß wir unablässig 1
Vgl. Hinweise, S. 260**. In der dort genannten Vortragsreihe sprach Carl Friedrich von Weizsäcker zum Thema: Sprache als Information.***
a
〈Bezüge〉 Ver-Hältnisse vgl. Sein und Zeit**** flechten – plec[tere] symplokhÂ. falten das Gefalt die Einfalt
b c
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DER WEG ZUR SPRACHE
dem folgen, was die Wegformel anzeigt: Die Sprache als die Sprache zur Sprache bringen. Je deutlicher dabei die Sprache selbst sich in ihrem Eigenen zeigt, um so bedeutsamer wird unterwegs der Weg zur Sprache für sie selbst, um so entschiedener wandelt sich der Sinn der Wegformel. Sie verliert ihren Formelcharakter, ist unversehens ein lautloser Anklang, der uns ein Geringes vom Eigentümlichen der Sprache hören läßt.*
I Die Sprache: Wir meinen jetzt** das Sprechen, kennen es als unsere Tätigkeit und vertrauen der Befähigung dazu. Gleichwohl ist es kein fester Besitz. Einem Menschen bleibt vor Staunen oder Schrecken die Sprache weg. Er staunt nur noch und ist betroffen. Er spricht nicht mehr: er schweigt. Jemand verliert durch einen Unfall die Sprache. Er spricht nicht mehr. Er schweigt auch nicht. Er bleibt stumm. Zum Sprechen gehört die gegliederte Verlautbarung, sei es, daß wir sie vollziehen – im Sprechen, oder sie unterlassen – im Schweigen, oder dazu unfähig sind – im Verstummen. Zum Sprechen gehört die stimmlichgegliederte Verlautbarung.*** Die Sprache zeigt sich im Sprechen als Betätigung der Sprechwerkzeuge, als da sind: der Mund, die Lippen, das »Gehege der Zähne«, die Zunge, die Kehle. Daß die Sprache seit alter Zeit unmittelbar von diesen Erscheinungen her vorgestellt wird, bezeugen die Namen, die sich die abendländischen Sprachen selbst gegeben haben: glvÄssa, lingua, langue, language. Die Sprache ist die Zunge, ist Mund-art. Aristoteles sagt am Beginn einer Abhandlung, die später den Titel periÁ eërmhneiÂaw, de interpretatione, Über das Aussagen erhielt, folgendes: DER WEG ZUR SPRACHE I
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ÍEsti meÁn oyËn taÁ eÆn tìhÄ fvnìhÄ tv Ä n eÆn tìhÄ cyxìhÄ paûhmaÂtvn Ä n eÆn tìhÄ fvnìhÄ. kaiÁ v Ï sper syÂmbola, kaiÁ taÁ grafoÂmena tv În oyÆdeÁ graÂmmata paÄsi taÁ ayÆtaÂ, oyÆdeÁ fvnaiÁ aië ayÆtai´ v meÂntoi tayÄta shmeiÄa prv  tvn, tayÆtaÁ paÄsi paûhÂmata thÄw Î n tayÄta oëmoiv  mata praÂgmata hÍdh tayÆtaÂ.a * cyxhÄw, kaiÁ v
[245]
Der Text ließe sich nur durch eine sorgfältige Auslegung zureichend übersetzen. Hier genüge ein Notbehelf. Aristoteles sagt: »Es ist nun das, was in der stimmlichen Verlautbarung (sich begibt), ein Zeigen von dem, was es in der Seele an Erleidnissen gibt, und das Geschriebene ist ein Zeigen der stimmlichen Laute. Und so wie die Schrift nicht bei allen (Menschen) die nämliche ist, so sind auch die stimmlichen Laute nicht die nämlichen. Wovon indes diese (Laute und Schrift) erstlich ein Zeigen sind, das sind bei allen (Menschen) die nämlichen Erleidnisse der Seele, und die Sachen, wovon diese (die Erleidnisse) angleichende Darstellungen bilden, sind gleichfalls die nämlichen.« Die Übersetzung verstehtb die shmeiÄa (das Zeigende), die syÂmbola (das Zu-einander-haltende) und die oëmoivÂmata (das Angleichende) durchgängig vom Zeigen her im Sinne des Erscheinenlassens, das seinerseits im Walten der Entbergung (aÆlhÂûeia) beruht. Dagegen übergeht die Übersetzung die Verschiedenheit der angeführten Weisen des Zeigens. Der Text des Aristoteles enthält das abgeklärt-nüchterne Sagen, das jenes klassische Baugefüge sichtbar macht, worein die Sprache als das Sprechen geborgen bleibt. Die Buchstaben zeigen die Laute. Die Laute zeigen die Erleidnisse in a b
vgl. 203 〈Die Übersetzung / versteht〉
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der Seele, welche Erleidnisse die sie be-treffenden Sachen zeigen. Die Verstrebungen des Baugefüges bildet und trägt das Zeigen. Dieses bringt auf mannigfaltige Weise, enthüllend oder verhüllend, etwas zum Scheinen, läßt das Erscheinende vernehmen und das Vernommene durchnehmen (be-handeln). Der niemals rein aus ihm selbst und seiner Herkunft entfaltete Bezug des Zeigens zu seinem Gezeigtena wandelt sich in der Folgezeit zu der durch Abrede ausgemachten Beziehung zwischen einem Zeichen und dessen Bezeichnetem. In der hohen Zeit des Griechentums wird das Zeichen aus dem Zeigen erfahren, durch dieses für es geprägt. Seit der Zeit des Hellenismus (Stoa) entsteht das Zeichen durch eine Festsetzung als das Instrument für ein Bezeichnen, wodurch das Vorstellen von einem Gegenstand auf einen anderen eingestellt und gerichtet wird. Das Bezeichnen ist kein Zeigen mehr im Sinne des Erscheinenlassens. Die Änderung des Zeichens vom Zeigenden zum Bezeichnenden beruhtb im Wandel des Wesens der Wahrheit1 cd.e
1
Vgl. Platons Lehre von der Wahrheit. 1947 (zuerst veröffentlicht in: Geistige Überlieferung II. 1942, S. 96 – 124).*
a
〈Der niemals rein aus ihm selbst und seiner Herkunft entfaltete Bezug des Zeigens zu seinem Gezeigten〉** beruht in der Verbergung (»Vergessenheit«) der Lichtung a[ls] s[olcher] und des in ihr gebrauchten Aufenthaltes bei … anders zu fassen – einzige Entfaltung der ungedachten ÆAlhÂûeia (als Lichtung) zur Wahrheit i[m] S[inne] der Richtigkeit. (Vorl. II, 56)*** vgl. über Gebrauch von »Wahrheit« als Übersetzung v[on] ÆAlhÂûeia: Zur Sache d[es] Denkens, S. 77 Anm[erkung].**** zu dieser These – kritisch – Z. S. d. D. [Zur Sache des Denkens]
b
c
d
e
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Seit dem Griechentum wird das Seiende als das Anwesende erfahren. Sofern die Sprache »ist«, gehört sie, das je und je vorkommende Sprechen, zum Anwesenden. Man stellt die Sprache vom Sprechen her in der Hinsicht auf die gegliederten Laute, die Träger von Bedeutungena vor. Das Sprechen ist eine Art der menschlichen »Tätigkeit«*. Bei vielerlei Abwandlungen ist diese hier nur im Überschlag angedeutete Vorstellung von der Sprache durch die Jahrhunderte im abendländisch-europäischen Denken die tragende und leitende geblieben. Die im griechischen Altertum anhebende, auf mannigfachen Wegen angestrebte Betrachtung der Sprache sammelt sich aber zu ihrer Gipfelhöhe in Wilhelm von Humboldts Sprachbesinnung, zuletzt in der großen Einleitung zu seinem Werk über die Kawi-Sprache auf der Insel Java. Ein Jahr nach dem Tode des Bruders hat Alexander von Humboldt die Einleitung gesondert herausgegeben unter dem Titel: Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige b Entwicklung des Menschengeschlechts. (Berlin 1836).1** Seitdem bestimmt diese Abhandlung im Für und Wider, genannt oder verschwiegen, die gesamte nachfolgende Sprachwissenschaft und Sprachphilosophie bis zum heutigen Tag. Jeder Hörer der hier versuchten Vortragsreihe müßte die erstaunliche, schwer durchschaubare, in ihren Grund-
1
Die folgenden Textstellen sind nach dem von Ewald Wasmuth herausgegebenen anastatischen Neudruck (1935)*** angeführt.
a
Be-deuten – etwas – auf es deutend – betreffen – treffen – angehen deuten – zeigen – hinweisen auf – »Geist«
b
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begriffen dunkel schwankende und doch überall erregende Abhandlung Wilhelm von Humboldts durchdacht und gegenwärtig haben. Dadurch wäre uns allen ein gemeinsamer Gesichtskreis für den Blick in die Sprache offengehalten. Dergleichen fehlt. Wir müssen uns mit diesem Mangel abfinden. Genug, wenn wir ihn nicht vergessen. Der »articulirte Laut« ist nach Wilhelm von Humboldt »die Grundlage und das Wesen alles Sprechens …« (Über die Verschiedenheit, § 10, S. 65). Im § 8, S. 41 seiner Abhandlung prägt Humboldt jene Sätze, die zwar oft angeführt, aber selten bedacht werden, bedacht nämlich in dem einen Hinblick darauf, wie sie Humboldts Weg zur Sprache bestimmen. Die Sätze lauten: »Die Sprache, in ihrem wirklichen Wesen aufgefaßt, ist etwas beständig und in jedem Augenblick Vorübergehendes. Selbst ihre Erhaltung durch die Schrift ist immer nur eine unvollständige, mumienartige Aufbewahrung, die es doch erst wieder bedarf, daß man dabei den lebendigen Vortrag zu versinnlichen sucht. Sie selbst ist kein Werk (Ergon), sondern eine Tätigkeit (Energeia)a. Ihre wahre Definition kann daher nur eine genetische sein. Sie ist nämlich die sich ewigb wiederholende Arbeit des Geistes, den artikulierten Lautc zum Ausdruck* d des Gedanken fähig zu machen. Unmittelbar und streng genommen, ist dies die Definition des jedesmaligen Sprechens; aber im wahrene und wesentlichen Sinne kann man auch nur gleichsam die Totalitätf dieses Sprechens als die Sprache ansehen.« a
b c d e f
〈Tätigkeit (Energeia)〉 Was heißt Tätigkeit? Tun? = Setzen; Tätigkeit und Handlung – – 〈Sie〉 (die Sprache) 〈ist nämlich die sich ewig〉! Woher die Artikulation? 〈 zum Ausdruck〉 〈wahren〉 〈Totalität〉
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Hier sagt Humboldt, daß er das Wesentliche der Sprache im Sprechen sieht. Sagt er auch schon, was die so angesehene Sprache als die Sprache ist? Bringt er das Sprechen als die Sprache zur Sprache? Wir lassen die Frage absichtlich ohne Antwort, beachten jedoch folgendes: Humboldt stellt die Sprache als eine besondere »Arbeit des Geistes« vor. Von dieser Hinsicht geleitet, geht er dem nach, als was sich die Sprache zeigt, d. h. was sie ist. Dieses Was-Sein nennt man das Wesen. Sobald wir nun die Arbeit des Geistes hinsichtlich seiner Sprachleistung verfolgen und umgrenzen, muß das so gefaßte Wesen deutlicher heraustreten. Allein, der Geist lebt – auch im Sinne Humboldts – noch in anderen Tätigkeiten und Leistungen. Wird jedoch die Sprache unter diese gerechnet, dann ist das Sprechen nicht aus seinem Eigenen – aus der Sprache – erfahren, sondern in die Hinsicht auf Anderes abgestellt.* Indes bleibt dieses Andere zu bedeutsam, als daß wir es bei einer Besinnung auf die Sprache übersehen dürften. Welche Tätigkeit hat Humboldt im Blick, wenn er die Sprache als Arbeit des Geistes begreift? Wenige Sätze, die am Beginn des § 8 stehen, antworten: »Man muß die Sprache nicht sowohl wie ein totes Erzeugtes, sondern weit mehr wie eine Erzeugung ansehen, mehr von demjenigen abstrahieren, was sie als Bezeichnung der Gegenstände und Vermittelung des Verständnisses wirkt, und dagegen sorgfältiger auf ihren mit der inneren Geistestätigkeita eng verwebten Ursprung und ihren gegenseitigenb Einfluß darauf zurückgehen.« a b
〈inneren Geistestätigkeit〉 〈 gegenseitigen〉** Was ist »gegenseitig« sich beeinflußend (Verwebung) von »innerer Geistestätigkeit« und »Ursprung« d. h.[?] Sprachtätigkeit.
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Humboldt verweist hier auf die im § 11 umschriebene, in seiner Begriffssprache nur schwer bestimmbare »innere Sprachform«, der wir um einiges näherkommen durch die Frage: Was ist das Sprechen als der Ausdruck des Gedankens, wenn wir es nach seiner Herkunft aus der inneren Geistestätigkeit bedenken? Die Antwort liegt in einem Satz (§ 20, S. 205), dessen zureichende Auslegung eine besondere Erörterung verlangte: »Wenn in der Seele wahrhaft das Gefühl erwacht, daß die Sprache nicht bloß ein Austauschungsmittel zu gegenseitigem Verständnis, sondern eine wahre Welt ist, welche der Geist zwischen sich und die Gegenstände durch die innere Arbeit seiner Kraft setzen mußa, so ist sieb auf dem wahren Wege, immer mehr in ihr zu finden und in sie zu legen.« Die Arbeit des Geistes ist gemäß der Lehre des neuzeitlichen Idealismus das Setzen. Weil der Geist als Subjekt begriffen und so im Subjekt-Objekt-Schema vorgestellt wird, muß das Setzen (Thesis) die Synthesis zwischen dem Subjekt und seinen Objekten sein. Das so Gesetzte gibt eine Ansicht vom Ganzen der Gegenstände. Was die Kraft des Subjektes erarbeitet, durch die Arbeit zwischen sich und die Gegenstände setzt, nennt Humboldt eine »Welt«. In solcher »Weltansicht« bringt sich ein Menschentum zu seinem Ausdruck. Weshalb faßt nun aber Humboldt die Sprache als Welt und Weltansicht in den Blick? Weil sein Weg zur Sprache nicht so sehr von der Sprache als der Sprache her bestimmt wird, sondern von dem Bestreben, das Ganze der geschichtlich-geistigen Entwicklung des Menschen in seiner Totaa
b
〈zwischen sich und die Gegenstände durch die innere Arbeit seiner Kraft setzen muß〉 〈so ist sie〉 (die Seele) Verhältnis von »Seele« und »Geist«?
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lität, zugleich aber in seiner jeweiligen Individualität, historisch darzustellen. Im Bruchstück einer Selbstbiographie aus dem Jahre 1816 schreibt Humboldt: »Das Auffassen der Welt in ihrer Individualität und Totalität ist ja gerade durchaus mein Bestreben.«* Nun kann ein so gerichtetes Auffassen der Welt aus verschiedenen Quellen schöpfen, weil die sich ausdrückende Krafta des Geistes auf mannigfache Weise tätig ist. Als eine der Hauptquellen erkennt und wählt Humboldt die Sprache. Sie ist freilich nicht die einzige der von der menschlichen Subjektivität ausgebildeten Formen der Weltansicht, doch jene, deren jeweiliger Prägekraft eine besondere Maßgabe für die Entwicklungsgeschichte des Menschen zugeschrieben werden muß. Jetzt spricht der Titel von Humboldts Abhandlung im Hinblick auf dessen Weg zur Sprache deutlicher. Humboldt handelt »Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues« und über sie, insofern »die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts« unter »ihrem Einfluß« steht. Humboldt bringt die Sprache als eine Art und Form der durch sie** in der menschlichen Subjektivität ausgearbeiteten Weltansicht zur Sprache. Zu welcher Sprache? Zu einer Folge von Aussagen, die in der Sprache der Metaphysik seines Zeitalters sprechen, bei welcher Sprache die Philosophie von Leibnizb ein maßgebendes Wort mitspricht. Es bekundet sich am deutlichsten dadurch, daß Humboldt das Wesen der Sprache als Energeia bestimmt, diese jedoch ganz ungriechisch im Sinne von Leibnizens Monadologie als die Tätigkeit des
a b
〈sich ausdrückende Kraft〉 Leibniz? expressio = repraesentatio 〈Leibniz〉
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Subjektes versteht.a Humboldts Weg zur Sprache nimmt die Richtung auf den Menschen, führt durch die Sprache hindurch auf anderes: das Ergründen und Darstellen der geistigen Entwicklung des Menschengeschlechtes. Das aus solcher Hinsicht begriffene Wesen der Sprache zeigt indes nicht auch schon das Sprachwesenb: Die Weise, nach der die Sprache als die Sprache westc, d. h. währt, d. h. in dem versam melt bleibt, was die Sprached in ihr Eigenes als die Sprache zu ihr selbst gewährt.e
II Sinnen wir der Sprache als der Sprache nach, dann haben wir das bislang übliche Vorgehen einer Sprachbetrachtung aufgegeben. Wir können nicht mehr nach allgemeinen Vorstellungen wie Energie, Tätigkeit, Arbeit, Geisteskraft, Weltansicht, Ausdruck uns umsehen*, in denen wir die Sprache als einen besonderen Fall dieses Allgemeinen unterbringen. Statt die Sprache als dieses und jenes zu erklären und so von der Sprache wegzuflüchten, möchte der Weg zu ihr die Sprache als die Sprache erfahren lassen. Im Wesen der Sprache ist diese zwar be-griffen, aber durch ein Anderes als sie selbst in den Griff genommen.f Achten wir dagegen nur auf die Sprache als die Sprache, dann verlangt a
b c d e f
Kraft vis primitiva activa 〈Sprachwesen〉 〈Sprache west〉 186 161 〈Sprache〉 (acc[usativ]) das Eigentümliche der Sprache 〈Im »Wesen« der Sprache ist diese zwar be-griffen, aber durch ein Anderes als sie selbst in den Griff genommen.〉**
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sie von uns, erst einmal all jenes vorzubringen, was zur Sprache als der Sprache gehört. Doch eines ist es, mancherlei, was sich im Sprachwesen zeigt, zusammenzuordnen, ein anderes, den Blick in dasa zu versammeln, was von sich her das Zusammengehörige einigt, insofern dieses Einende dem Sprachwesen die ihm eigene Einheit gewährt. Der Weg zur Sprache versucht jetzt, strenger am Leitfaden entlang zu gehen, den die Formel nennt: Die Sprache als die Sprache zur Sprache bringen. Es gilt, dem Eigentümlichen der Sprache näherzukommen. Auch hierbei zeigt sich die Sprache zunächst als unser Sprechen. Wir achten jetzt nur darauf, was alles und zwar immer schon und nach demselben Maß, ob beachtet oder nicht, im Sprechen mitspricht. Zum Sprechen gehören die Sprechenden, aber nicht nur so wie die Ursache zur Wirkung. Die Sprechenden haben vielmehr im Sprechen ihr Anwesen.* Wohin? Auf das hin, womit sie sprechen, wobei sie verweilen als dem, was sie je und je bereits angeht. Das sind nach ihrer Weise die Mitmenschen und die Dinge, ist alles, was diese be-dingt und jene be-stimmt. All dieses ist je schon bald so, bald anders angesprochen, als Angesprochenes besprochen und durchgesprochen, gesprochen in der Weise, daß die Sprechenden zu- und miteinander und zu und mit sich selber sprechen.** Das Gesprochene bleibt indes vielfältig. Es ist oft nur das Ausgesprochene, was entweder rasch hinschwindet oder auf irgendeine Weise erhalten wird. Das Gesprochene kann vergangen, kann aber auch langher schon an den Menschen*** ergangen sein als das Zugesprochene.b a b
〈das〉 〈aber auch langher schon〉 an den Menschen 〈ergangen sein als das Zugesprochene〉 Seins-Geschick
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Das Gesprochene entstammt auf mannigfache Art dem Ungesprochenen, sei dies ein noch-nicht-Gesprochenes, sei es jenes, was ungesprochen bleiben muß im Sinne dessen, was dem Sprechen vorenthaltena ist. So gerät das auf vielfache Weise Gesprochene in den Anschein, als sei es vom Sprechen und den Sprechenden abgetrennt und gehöre nicht zu ihnen, während es doch dem Sprechen erst und den Sprechenden solches entgegenhält, wozu sie sich verhalten, wie immer sie auch im Gesprochenen des Ungesprochenen sich aufhalten. Im Sprachwesen zeigt sich eine Mannigfaltigkeit von Elementen und Bezügen. Sie wurden aufgezählt und gleichwohl nicht aneinandergereiht. Im Durchgehen, d. h. im ursprünglichen Zählen, das noch nicht mit Zahlen rechnet, ergab sich die Bekundung eines Zusammengehörens. Das Zählen ist ein Erzählen, das auf das Einigende im Zusammengehören vorblickt und es gleichwohl nicht zum Vorschein bringen kann. Das hier an den Tag kommende Unvermögen des Denkblickes, die einigende Einheit des Sprachwesens zu erfahren, hat eine lange Herkunft. Deshalb blieb sie auch unbenannt. Die überlieferten Namen für das, was man unter dem Titel »Sprache« meint, nennen diese stets nur in einer oder der anderen Hinsicht, die das Sprachwesen verstattet. Die gesuchte Einheit des Sprachwesens heiße der Aufriß. Der Name heißt uns, das Eigene des Sprachwesens deutlicher zu erblicken. Riß ist dasselbe Wort wie ritzen. Wir kennen den »Riß« häufig nur noch in der abgewerteten Form, z. B. als Riß in der Wand. Einen Acker auf- und umreißen, heißt aber heute noch in der Mundart: Furchen ziehen. Sie schließen den Acker auf, daß er Samen und a
〈vorenthalten〉
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[252]
Wachstum berge. Der Auf-Riß ist das Ganze der Züge derjenigen Zeichnung, die das Aufgeschlossene, Freie der Sprache durchfügt. Der Aufriß ist die Zeichnung des Sprachwesens, das Gefüge eines Zeigens, darein die Sprechenden und ihr Sprechen, das Gesprochene und sein Ungesprochenes aus dem Zugesprochenen verfugt sind. Doch bleibt der Aufriß des Sprachwesens sogar in seiner ungefähren Zeichnung so lange verhüllt, als wir nicht eigens beachten, in welchem Sinne bereits von Sprechen und Gesprochenem – gesprochen wurde. Zwar ist das Sprechen Verlautbarung. Es läßt sich auch als eine Tätigkeit des Menschen auffassen. Beides sind richtige Vorstellungen von der Sprache als Sprechen. Beides bleibt jetzt unbeachtet, ohne daß wir vergessen möchten, wie lange schon das Lautende der Sprache auf seine gemäße Bestimmung wartet; denn das phonetisch-akustisch-physiologische Erklären der Lautung erfährt nicht deren Herkunft aus dem Geläut der Stille, noch weniger die hierdurch erbrachte Be-stimmung des Lautens.ab Wie aber sind Sprechen und Gesprochenes in der voraufgegangenen kurzen Erzählung des Sprachwesens gedacht? Sie zeigen sich schon als solches, wodurch und worin etwas zur Sprache, d. h. zu einem Vorschein kommt, insofern etwas gesagt ist. Sagen und Sprechen sind nicht das gleiche. Einer kann sprechen, spricht endlos, und alles ist nichtssagend. Dagegen schweigt jemand, er spricht nicht und kann im Nichtsprechen viel sagen. Doch was heißt sagen? Um dies zu erfahren, sind wir an a b
Läuten und Geläut laut – klytoÂw berühmt, bekannt. Wortlaut – Verlautbarung »laut«: gemäß, entsprechend lauten – läuten
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das gehalten, was unsere Sprache selber uns bei diesem Wort zu denken heißt. »Sagan« heißt: zeigen, erscheinen-, sehen- und hören-lassen.a Wir sagen Selbstverständliches und doch in seiner Tragweite kaum Bedachtes, wenn wir auf folgendes weisen. Zueinandersprechen heißt: einander etwas sagen, gegenseitig etwas zeigen, wechselweise sich dem Gezeigten zutrauen. Miteinandersprechen heißt: zusammen von etwas sagen, einander solches zeigen, was das Angesprochene im Besprochenen besagt, was es von sich her zum Scheinen bringt. Das Ungesprochene ist nicht nur das, was einer Verlautbarung entbehrt, sondern es ist* das Ungesagte, noch nicht Gezeigte, noch nicht ins Erscheinen Gelangte. Was gar ungesprochen bleiben muß, wird im Ungesagten zurückgehalten, verweilt als Unzeigbares im Verborgenen, ist Geheimnis. Das Zugesprochene spricht als Spruch im Sinne des Zugewiesenen, dessen Sprechen nicht einmal des Verlautens bedarf. Das Sprechen gehört als Sagen in den Aufriß des Sprachwesens, der von Weisen des Sagens und des Gesagten durchzogen ist, darin das An- und Abwesende sich ansagt, zusagt oder versagt: sich zeigt oder sich entzieht. Das Durchgängige im Aufriß des Sprachwesens ist das vielgestaltige Sagen aus verschiedener Herkunft. Im Hinblick auf die Bezüge des Sagens nennen wir das Sprachwesen im Ganzen die Sage b und gestehen, daß auch jetzt das Einigende der Bezüge noch nicht erblickt ist. Wir pflegen das Wort »Sage«, wie manche anderen Worte unserer Sprache, jetzt meist in einem herabmindernden Sinne zu gebrauchen. Sage gilt als die bloße Sage, das a b
Vernehmenlassen 〈das Sprachwesen im Ganzen die Sage〉**
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Gerücht, was nicht verbürgt und daher unglaubwürdig ist. So wird »die Sage« hier nicht gedacht, auch nicht in dem wesentlichen Sinne, den die Rede von der »Götter- und Heldensage« meint. Aber vielleicht »die ehrwürdige Sage des blauen Quells« (G. Trakl)*? Nach dem ältesten Gebrauch des Wortes verstehen wir die Sage vom Sagen als dem Zeigen her und gebrauchen zur Benennung der Sage, insofern in ihr das Sprachwesen beruht, ein altes, gutbezeugtes, aber ausgestorbenes Wort: die Zeige. Das pronomen demonstrativum wird übersetzt durch »Zeige wörtlin«. Jean Paul nennt die Erscheinungen der Natur »den geistigen Zeigefinger«.** Das Wesende der Sprache ist die Sage als die Zeige. Deren Zeigen gründet nicht in irgendwelchen Zeichen, sondern alle Zeichen entstammen einem Zeigen, in dessen Bereich und für dessen Absichten sie Zeichen sein können.a Im Blick auf das Gefüge der Sage dürfen wir jedoch das Zeigen weder ausschließlich noch maßgebend dem menschlichen Tun zuschreiben. Das Sichzeigen kennzeichnet als Erscheinen das An- und Abwesen des Anwesenden jeglicher Art und Stufe. Selbst dort, wo das Zeigen durch unser Sagen vollbracht wird, geht diesem Zeigen als Hinweisen ein Sichzeigenlassen vorauf b.*** Erst wenn wir unser Sagen nach dieser Hinsicht bedenken, ergibt sich eine zureichende Bestimmung des Wesenden in allem Sprechen. Man kennt das Sprechen als die gegliederte Verlautbarung des Gedankens mittels der Sprechwerkzeuge. Allein Sprechen ist zugleich Hören. Nach der Gewohnheit werden Sprechen und Hören einander entgegengesetzt: Der eine spricht, der andere hört. Aber das a b
Zeigen und »Zeichen« 〈geht diesem Zeigen als Hinweisen ein Sichzeigenlassen vorauf〉
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Hören begleitet und umgibt nicht nur das Sprechen, wie solches im Gespräch stattfindet. Das Zugleich von Sprechen und Hören meint mehr. Das Sprechen ist als Sagen* von sich aus ein Hören. Es ist das Hören auf die Sprache, die wir sprechen. So ist denn das Sprechen nicht zugleich, sondern zuvor ein Hören.** Dieses Hören auf die Sprache geht auch allem sonst vorkommenden Hören in der unscheinbarsten Weise vorauf. Wir sprechen nicht nur die Sprache, wir sprechen aus ihr. Dies vermögen wir einzig dadurch, daß wir je schon auf die Sprache gehört haben. Was hören wir da? Wir hören das Sprechen der Sprache. Aber spricht denn die Sprache selbst? Wie soll sie dies bewerkstelligen, wo sie doch nicht mit Sprechwerkzeugen ausgestattet ist? Indes die Sprache spricht. Sie befolgt zuerst und eigentlich das Wesende des Sprechens: das Sagen.*** Die Sprache spricht, indem sie sagt, d. h. zeigt. Ihr Sagen entquillt der einst gesprochenen und bislang noch ungesprochenen Sage, die den Aufriß des Sprachwesens durchzieht. Die Sprache spricht, indem sie als die Zeige, in alle Gegenden des Anwesensa reichend, aus ihnen jeweils Anwesendes erscheinen und verscheinen läßt.**** Demgemäß hören wir auf die Sprache in der Weise, daß wir uns ihre Sage sagen lassen. Auf welche Arten wir auch sonst noch hören, wo immer wir etwas hören, da ist das Hören das alles Vernehmen und Vorstellen schon einbehaltende Sichsagenlassenb. Im Sprechen als dem Hören auf die Sprache sagen wir die gehörte Sage nach. Wir lassen ihre lautlose Stimme kommen, wobei wir den uns schon aufbehaltenen Laut verlangen, zu ihm hinreichend ihn rufen. Nunmehr könnte im Aufriß des Sprachwesens wenigstens ein Zug a b
〈Gegenden des Anwesens〉 Sage der Anwesenheit vgl. 257***** 〈Sichsagenlassen〉
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sich deutlicher bekunden, daran wir erblicken, wie die Sprache als Sprechen in ihr Eigenes eingeholt wird und so als die Sprache spricht. Wenn das Sprechen als Hören auf die Sprache sich die Sage sagen läßt, dann kann dieses Lassen sich nur er-geben, insofern und insonah unser eigenes Wesen in die Sage eingelassen ist. Wir hören sie nur, weil wir in sie gehörena. Allein den ihr Gehörenden gewährt die Sage das Hören auf die Sprache und so das Sprechen. In der Sage währt solches Gewähren. Es läßt uns in das Vermögen des Sprechens gelangen. Das Wesende der Sprache beruht in der also gewährenden Sage. Und die Sage selbst? Ist sie etwas von unserem Sprechen Abgetrenntes, dahin erst eine Brücke geschlagen werden müßte? Oder ist die Sage der Strom der Stille, der selbst seine Ufer, das Sagen und unser Nachsagen, verbindet, indem er sie bildet?b Unsere gewohnten Vorstellungen von der Sprache finden kaum dahin. Die Sage – laufen wir nicht doch Gefahrc, wenn wir aus ihr das Sprachwesen zu denken versuchen, daß wir die Sprache zu einem phantastischen, an sich bestehenden Wesend hinaufsteigern, das wir nirgendwo finden, solange wir nüchtern der Sprache nachsinnen? Die Sprache bleibt doch unverkennbar an das menschliche Sprechen gebunden. Gewiß. Allein, welcher Art ist das Band? Woher und wie waltet sein Bindendes? Die Sprache braucht das menschliche Sprechen und ist
a b
c d
〈in sie gehören〉 〈Oder ist die Sage der Strom der Stille, der selbst seine Ufer, das Sagen und unser Nachsagen, verbindet, indem er sie bildet?〉 Br. u. E [Brauch und Ereignis] [?] 〈Gefahr〉 〈an sich bestehenden Wesen〉
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gleichwohl nicht das bloße Gemächte unserer Sprechtätigkeit. Worin beruht, d. h. gründet das Sprachwesen? Vielleicht fragen wir, nach Gründen suchend, am Sprachwesen vorbei. Ist gar die Sage selber das Be-Ruhende, das die Ruhe des Zusammengehörens dessen gewährt, was in das Gefüge des Sprachwesens gehört? Ehe wir dem nachdenken, achten wir erneut auf den Weg zur Sprache. Einleitend wurde angedeutet: Je deutlicher die Sprache als sie selbst zum Vorschein kommt, je entschiedener wandelt sich der Weg zu ihr. Bisher hatte der Weg den Charakter eines Ganges, der unser Nachsinnen in die Richtung auf die Sprache innerhalb des seltsamen Geflechtes führt, das die Wegformel nennt. Wir gingen mit Wilhelm von Humboldt vom Sprechen aus und versuchten, das Wesen der Sprache erst vorzustellen, dann zu ergründen. Hernach galt es, das, was zum Aufriß des Sprachwesens gehört, zu erzählen. Dem nachsinnend, gelangten wir zur Sprache als der Sage.
III Mit der erzählenden Erläuterung des Sprachwesens als der Sage ist der Weg zur Sprache bei der Sprache als der Sprache an- und so in sein Ziel gelangt. Das Nachdenken hat den Weg zur Sprache hinter sich gebracht. So scheint es und gilt auch, solange man den Weg zur Sprache für den Gang eines Denkens hält, das der Sprache nachsinnt. In Wahrheit sieht sich jedoch das Nachdenken erst vor den gesuchten Weg zur Sprache und kaum in seine Spur gebracht. Denn inzwischen hat sich im Sprachwesen selbst solches gezeigt, was sagt: In der Sprache als der Sage west dergleichen wie ein Weg. DER WEG ZUR SPRACHE III
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Was ist ein Weg? Der Weg läßt gelangen. Die Sage ist es, die uns, insofern wir auf sie hören, zum Sprechen der Sprache gelangen läßt. Der Weg zum Sprechen west in der Sprache selbst. Der Weg zur Sprache im Sinne des Sprechens als Sagen* ist die Sprache als die Sage. Das Eigentümliche der Sprache verbirgt sich demnach im Weg, als welcher die Sage die auf sie Hörenden zur Sprache gelangen läßt. Diese Hörenden können wir nur sein, insofern wir in die Sage gehören. Das Gelangenlassen, der Weg zum Sprechen, kommt bereits aus einem Gehörenlassen in die Sage. Dieses birgt das eigentlich Wesende des Weges zur Sprache. Wie aber west die Sage, daß sie das Gehörenlassen vermag? Wenn je, dann dürfte sich das Wesende der Sage eigens bekunden, sobald wir inständiger dessen achten, was die Erläuterung ergab. Die Sage ist Zeigen. In allem, was uns anspricht, was uns als Besprochenes und Gesprochenes trifft, was sich uns zuspricht, was als Ungesprochenes auf uns wartet, aber auch in dem von uns vollzogenen Sprechen waltet das Zeigen, das Anwesendes erscheinen, Abwesendes entscheinen läßt. Die Sage ist keineswegs der nachgetragene sprachliche Ausdruck des Erscheinenden, vielmehr beruht alles Scheinen und Verscheinen in der zeigenden Sage. Sie befreit Anwesendesa in sein jeweiliges Anwesen, entfreit Abwesendes in sein jeweiliges Abwesen. Die Sage durchwaltetb und fügt das Freie der Lichtung, die alles Scheinen aufsuchen, alles Entscheinen verlassen, dahin jegliches An- und Abwesen sich hereinzeigen, sich einsagen muß.c ** a b c
〈Sie befreit Anwesendes〉 〈durchwaltet〉*** vgl. ob[en] 255
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Die Sage ist die alles Scheinen fügende Versammlung des in sich vielfältigen Zeigens, das überall das Gezeigte bei ihm selbst bleiben läßt. Woher rührt das Zeigen? Die Frage frägt zuviel und übereilt. Es genügt, darauf zu achten, was sich im Zeigen regt und sein Regsames zum Austrag bringt. Hier bedürfen wir keines langwierigen Suchens. Es genügt der einfach jähe, unvergeßliche und darum stets neue Blick in das, was uns zwar vertraut ist, was wir gleichwohl nicht einmal zu kennen, geschweige denn auf die gemäße Weise zu erkennen versuchen. Dieses unbekannt Vertraute, alles Zeigen der Sage in ihr regsames Erregende ist jeglichem An- und Abwesen die Frühe jenes Morgens, mit dem erst der mögliche Wechsel von Tag und Nacht anhebt: Das Früheste und Uralte zugleich. Wir können es nur noch nennen, weil es keine Erörterung duldet; denn es ist die Ortschaft aller Orte und Zeit-Spiel-Räume. Wir nennen es mit einem alten Wort und sagen: Das Regende im Zeigen der Sage ist das Eignen. Es erbringt das An- und Abwesende in sein jeweilig Eigenes, aus dem dieses sich an ihm selbst zeigt und nach seiner Art verweilt. Das erbringende Eignen, das die Sage als die Zeige in ihrem Zeigen regt, heiße das Ereignen. Es er-gibt das Freie der Lichtung, in die Anwesendes anwähren, aus der Abwesendes entgehen und im Entzug sein Währen behalten kann. Was das Ereignen durch die Sage ergibt, ist nie die Wirkung einer Ursache, nicht die Folge eines Grundes. Das erbringende Eignen, das Ereignen, ist gewährender als jedes Wirken, Machen und Gründen. Das Ereig-
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nende ist das Ereignis selbst – und nichts außerdem1.* Das Ereignis, im Zeigen der Sage erblickt, läßt sich weder als ein Vorkommnis noch als ein Geschehen vorstellen, sondern nur im Zeigen der Sage als das Gewährende erfahren. Es gibt nichts anderes, worauf das Ereignis noch zurückführt, woraus es gar erklärt werden könnte. Das Ereignen ist kein Ergebnis (Resultat) aus anderem, aber die Er-gebnis, deren reichendes Geben erst dergleichen wie ein »Es gibt« gewährt, dessen auch noch »das Sein« bedarf, um als Anwesen in sein Eigenes zu gelangen2.a ** Das Ereignis versammelt den Aufriß der Sage und entfaltet ihn zum Gefüge des vielfältigen Zeigens. Das Ereignis ist das Unscheinbarste des Unscheinbaren, das Einfachste des Einfachen, das Nächste des Nahen und das Fernste des Fernen, darin wir Sterblichen uns zeitlebens aufhalten. Das in der Sage Waltende, das Ereignis,*** können wir nur so nennen, daß wir sagen: Es – das Ereignis – eignet. Sagen wir dies, dann sprechen wir in unserer eigenen schon gesprochenen Sprache. Wir hören Verse von Goethe, die das Zeitwort eignen, sich eignen aus der Nähe zu sich zeigen und bezeichnen gebrauchen, obzwar nicht im Hinblick auf das Sprachwesen. Goethe sagt:
1 2
a b
Vgl. Identität und Differenz. 1957, S. 28 ff.b **** Vgl. Sein und Zeit. 1927, § 44.***** vgl. Zeit und Sein vgl. jetzt »Zeit und Sein« Zur Sache des Denkens******
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Von Aberglauben früh und spat umgarnt: Es eignet sich, es zeigt sich an, es warnt 1. An anderer Stelle heißt es in abgewandelter Weise: Sei auch noch so viel bezeichnet, Was man fürchtet, was begehrt, Nur weil es dem Dank sich eignet, Ist das Leben schätzenswert 2. Das Ereignis verleiht den Sterblichen den Aufenthalt in ihrem Wesen, daß sie vermögen, die Sprechenden zu sein. Verstehen wir unter dem Gesetza die Versammlung dessen, was jegliches in seinem Eigenen anwesen, in sein Gehöriges gehören läßt, dann ist das Ereignis das schlichteste und sanfteste aller Gesetze, sanfter noch denn jenes, das Adalbert Stifter als »das sanfte Gesetz« erkannt hat. Das Ereignis ist freilich nicht Gesetz im Sinne einer Norm, die irgendwo über uns schwebt, ist keine Verordnung, die einen Verlauf ordnet und regelt. Das Ereignis ist das Gesetzb, insofern es die Sterblichen in das Ereignen zu ihrem Wesen versammelt und darin hält. Weil das Zeigen der Sage das Eignen ist, beruht auch das Hörenkönnen auf die Sage, das Gehören zu ihr, im Ereignis. Um diesen Sachverhalt im Ganzen seiner Tragweite zu erblicken, wäre nötig, das Wesen der Sterblichen hinreichend vollständig in seinen Bezügen zu denken, erst recht 1 2
a b
Faust. Der Tragödie zweiter Teil, V. Akt: Mitternacht.* »Dem Großherzog Karl August zu Neujahr 1828.«** 〈»Gesetz«〉 Gesetz Setzen nicht als Thesis sondern: Gelangenlassen, Bringen
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freilich das Ereignis als solches1. Hier muß ein Hinweis genügen. Das Ereignis ereignet in seinem Er-äugen des Menschenwesens die Sterblichen dadurch, daß es sie dem vereignet, was sich dem Menschen in der Sage von überall her auf Verborgenes hin zusagt. Die Vereignung des Menschen als des Hörenden in die Sage hat dadurch ihr Auszeichnendes, daß sie das Menschenwesen in sein Eigenes entläßt, aber nur, damit der Mensch als der Sprechende, d. h. Sagende, der Sage entgegnet, und zwar aus dem ihma Eigenen. Dies ist: das Lautenb des Wortes. Das entgegnende
1
Vgl. Vorträge und Aufsätze (1954): Das Ding, S. 163 ff.; Bauen Wohnen Denken, S. 145 ff.; Die Frage nach der Technik, S. 13 ff.* Zur Sache des Denkens, 1969** Heute, da kaum und halb Gedachtes sogleich auch schon in irgendeine Form der Veröffentlichung gejagt wird, mag es vielen unglaubwürdig erscheinen, daß der Verfasser seit mehr denn fünfundzwanzig Jahren das Wort Ereignis für die hier gedachte Sache in seinen Manuskripten gebraucht. Diese Sache, obzwar in sich einfach, bleibt vorerst schwer zu denken, weil das Denken sich zuvor dessen entwöhnen muß, in die Meinung zu verfallen, hier werde »das Sein« als Ereignis gedacht. Aber das Ereignis ist wesenhaft anderes, weil reicher als jede mögliche metaphysische Bestimmung des Seins. Dagegen läßt sich das Sein hinsichtlich seiner Wesensherkunft aus dem Ereignisc denken.d ***
a
〈ihm〉 Lauten und Leiben Leib und Schrift 〈aus dem Ereignis〉 und dieses? Im Entwachen zur Lichtung aus der Erfahrung des Brauches in der Gestellnis. Dies zeigen: von dem lichtenden … Er-eignen her – insofern Lichtung (ÆAlhÂ[ûeia]) Anwesenheit a[ls] s[olche] gewährt. Die Nahnis.
b
c
d
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Sagen der Sterblichen ist das Antworten. Jedes gesprochene Wort ist schon Antwort: Gegensage, entgegenkommendes, hörendes Sagen. Die Vereignung der Sterblichen in die Sage entläßt das Menschenwesen in den Braucha, aus dem der Mensch gebraucht ist, die lautlose Sage in das Verlautenb der Sprache zu bringen. Das Ereignis läßt in der brauchenden Vereignung die Sage zum Sprechen gelangen. Der Weg zur Sprache gehört zu der aus dem Ereignis bestimmten Sage. In diesem Weg, der zum Sprachwe sen gehört, verbirgt sich das Eigentümliche der Sprache. Der Weg* ist ereignend. Einen Weg bahnen, z. B. durch verschneites Feld, heißt heute noch in der alemannisch-schwäbischen Mundart we¨gen.c Dieses transitiv gebrauchte Zeitwort besagt: einen Weg bilden, bildend ihn bereit halten. Be-we¨gen (Be-we¨gung) heißt, so gedacht, nicht mehr: etwas nur auf einem schon vorhandenen Weg hin- und herschaffen, sondern: den Weg zu … allererst erbringen** und so der Weg seind. Das Ereignis ereignet den Menschen in den Brauch für es selbst. Also das Zeigen als das Eignen ereignend, ist das Ereignis die Be-we¨gung der Sage zur Sprache. Die Be-we¨gung bringt die Sprache (das Sprachwesen) als die Sprache (die Sage) zur Sprache (zum verlautenden Wort).*** Die Rede vom Weg zur Sprache meint jetzt nicht mehr nur und nicht mehr im Vorrang den Gang unseres Denkens, das der Sprache nachsinnt. Der Weg zur Sprache hat sich unterwegs gewandelt. Er hat sich aus unserem Tun
a b c d
〈Brauch〉**** 〈Verlauten〉 vgl. Holzwege S. 167 u[nten]***** 〈»sein«〉
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in das ereignete Sprachwesen verlagert.* Allein die Wandlung des Weges zur Sprache sieht nur für uns in der Rücksicht auf uns wie eine jetzt erst erfolgte Verlagerung aus. In Wahrheit hat der Weg zur Sprache schon immer seine einzige Ortschafta im Sprachwesen selbst. Dies heißt jedoch zugleich: Der zunächst gemeinte Weg zur Sprache wird nicht hinfällig, sondern erst durch den eigentlichen Weg, die er-eignend-brauchende Be-we¨gung, möglich und nötig. Weil nämlich das Sprachwesen als die zeigende Sage im Ereignis beruht, das uns Menschen der Gelassenheit zum freien Hören übereignet, öffnet die Bewe¨gung der Sage zum Sprechen uns erst die Pfade, auf denen wir dem eigentlichen Weg zur Sprache nachsinnen. Die Wegformel: die Sprache als die Sprache zur Sprache bringen, enthält nicht mehr nur eine Anweisung für uns, die wir die Sprache bedenken, sondern sie sagt die forma, die Gestalt des Gefüges, worin das im Ereignis beruhende Sprachwesen sich be-we¨gt. Unbedacht, nur nach dem bloßen Wortlaut angehört, spricht die Formel ein Geflecht von Beziehungen aus, in das sich die Sprache verwickelt. Es scheint, als bedürfe jeder Versuch, die Sprache vorzustellen, der dialektischenb Kunstgriffe, um diese Verwickelung zu meistern. Ein solches Verfahren, zu dem die Formel förmlich reizt, versäumt jedoch die Möglichkeit, sinnendc, d. h. in die Bewe¨gung sich eigens einlassend, das Einfache des Sprachwesens zu erblicken, statt die Sprache vorstellen zu wollen. Was wie ein wirres Geflecht aussieht, löst sich, aus der Be-we¨gung erblickt, in das Befreiende, das die in der Sage a b c
〈Ortschaft〉 〈dialektischen〉** Der Richtung nachgehen
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ereignete Be-we¨gung erbringt. Sie entbindet die Sage zum Sprechen. Sie hält ihm den Weg frei, auf dem das Sprechen als Hören, ihr, der Sage, das jeweils zu Sagende ent-fängt und das Empfangene ins lautende Wort hebt. Die Be-we¨gung der Sage zur Sprache ist das entbindende Band, das verbindet, indem es er- eignet. Also in ihr eigenes Freies entbunden, kann die Sprache sich einzig um sich selbst bekümmern. Dies hört sich an wie die Rede von einem egoistischen Solipsismus. Aber die Sprache versteift sich nicht auf sich im Sinne einer nur eigensüchtigen, alles vergessenden Selbstbespiegelung. Als die Sage ist das Sprachwesen das ereignende Zeigen, das gerade von sich absieht, um so das Gezeigte in das Eigene seines Erscheinens zu befreien.* Die Sprache, die spricht, indem sie sagt, bekümmert sich darum, daß unser Sprechen, auf das Ungesprochene hörend, ihrem Gesagten entspricht. So ist denn auch das Schweigen, das man gern dem Sprechen als dessen Ursprung unterlegt, bereits ein Entsprechen1. Das Schweigena entspricht dem lautlosen Geläut der Stille der ereignend-zeigenden Sage. Die im Ereignis beruhende Sage ist als das Zeigen die eigenste Weise des Ereignens. Das Ereignis ist sagend. Demgemäß spricht die Sprache je nach der Weise, in der das Ereignis sich als solches entbirgt oder entzieht. Noch kann ein Denken, das dem Ereignis nachdenkt, dieses erst vermuten und es doch schon im Wesen der modernen Technik erfahren, das mit dem immer noch befremdlichen
1
Vgl. Sein und Zeit. 1927, § 34.**
a
〈Das Schweigen〉
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Namen Ge-Stell a benannt ist1. Insofern es den Menschen stellt, d. h. ihn herausfordert, alles Anwesende als technischen Bestand zu bestellen, westb das Ge-Stell nach der Weise des Ereignisses und zwar so, daß es dieses zugleich verstellt, weil alles Bestellen sich in das rechnende Denken eingewiesen sieht und so die Sprache des Ge-Stells spricht. Das Sprechen wird herausgefordert, der Bestellbarkeit des Anwesenden nach jeder Richtung zu entsprechen. Das so gestellte Sprechen wird zur Information.2 Sie informiert sich über sich selbst, um ihr eigenes Vorgehen durch Informationstheorien sicherzustellen. Das Ge-Stell, das überallhin waltende Wesen der modernen Technik, bestellt sich die formalisierte Sprache, jene Art der Benachrichtigung, kraft deren der Mensch in das technisch-rechnende Wesen eingeformt, d. h. eingerichtet wird und schrittweise die »natürliche Sprache« preisgibt. Auch dort, wo die Informationstheorie zugestehen muß, daß die formalisierte Sprache immer wieder auf die »natürliche Sprache« zurückverwiesen werde, um durch die nicht formalisierte Sprache die Sage des technischen Bestandes zur Sprache zu bringen, bezeichnet dieser Umstand für die gängige Selbstauslegung der Informationstheorie nur ein vorläufiges Stadium. Denn die »natürliche Sprache«, von der hierbei die Rede sein muß, wird im voraus als die noch nicht formalisiertec, jedoch als in die Formalisierung be1 2
a b c
Vgl. Vorträge und Aufsätze, 1954, S. 31 f.* Id. u. Diff. [Identität und Differenz] S. 27**, Hebel – der Hausfreund, 1957, S. 34 ff.*** Das Ge-Stelle wie das Ge-Birge 〈west〉 〈Denn die »natürliche Sprache«, von der hierbei die Rede sein muß, wird im voraus als die noch nicht formalisierte〉
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stellte Sprache angesetzt. Die Formalisierung, die rechnerische Bestellbarkeit des Sagens, ist das Ziel und die Maßgabe. Das im Willen zur Formalisierung gleichsam notgedrungen und vorerst noch zugestandene »Natürliche« der Sprache wird nicht im Hinblick auf die anfängliche Natur der Sprache erfahren. Diese Natur ist die fyÂsiw, die ihrerseits im Ereignis beruht, aus dem die Sage in ihr Regsames aufgeht. Die Informationstheorie begreift das Natürliche als den Mangel an Formalisierung. Doch selbst dann, wenn auf einem langen Weg eingesehen werden könnte, daß sich das Sprachwesen niemals in den Formalismus auflösen und verrechnen läßt und wir dementsprechend sagen müssen, die »natürliche Sprache« sei die nicht formalisierbare Sprache, selbst dann wird die »natürliche Sprache« immer noch nur negativ bestimmt, d. h. gegen die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Formalisierung abgesetzt. Wie aber, wenn die »natürliche Sprache«, die für die Informationstheorie nur ein störender Restbestand bleibt, ihre Natur, d. h. das Wesende des Sprachwesens aus der Sage schöpfte? Wie, wenn die Sage, statt das Zerstörende der Information nur zu stören, diese schon überholt hätte aus dem Unbestellbaren des Ereignisses? Wie, wenn das Ereignis – niemand weiß, wann und wie – zum Ein-Blicka würde, dessen lichtender Blitz in das fährt, was ist und für das Seiende gehalten wird? Wie, wenn das Ereignis durch seine Einkehr jegliches Anwesende der bloßen Bestellbarkeit entzöge und es in sein Eigenes zurückbrächte?b * Jede Sprache des Menschen ist in der Sage ereignet und als solche im strengen Wortsinn, wenngleich nach verschiea b
Er-eignen – Er-äugen, Er-Blicken, Er-Blitzen Der Vorenthalt, in dem wir uns aufhalten –
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denen Maßen der Nähe zum Ereignis, eigentliche Sprache. Jede eigentliche Sprache ist, weil durch die Be-we¨gung der Sage dem Menschen zugewiesen, geschickt, dadurch geschicklich. Es gibt keine natürliche Sprache nach der Art, daß sie die Sprache einer geschicklos, an sich vorhandenen Menschennatur wäre. Jede Sprache ist geschichtlich, auch dort, wo der Mensch die Historie im neuzeitlich-europäischen Sinne nicht kennt. Auch die Sprache als Information ist nicht die Sprache an sich, sondern geschicht lich nach dem Sinn und den Grenzen des jetzigen Zeitalters, das nichts Neues beginnt, sondern nur das Alte, schon Vorgezeichnete der Neuzeit in sein Äußerstes vollendet.a In der ereignisartigen Herkunft des Wortesb, d. h. des menschlichen Sprechens aus der Sage, beruht das Eigentümliche der Sprache. Erinnern wir zum Schluß wie am Beginn das Wort von Novalis: »Gerade das Eigentümliche der Sprache, daß sie sich bloß um sich selbst bekümmert, weiß keiner.« Novalis versteht das Eigentümliche in der Bedeutung des Besonderen, das die Sprache auszeichnet. Durch die Erfahrung des Sprachwesens als der Sage, deren Zeigen im Ereignis beruht, gelangt das Eigentümliche in die Nähe des Eignens und Ereignens. Das Eigentümliche empfängt von da seine urkundlichec Bestimmung, der nachzudenken hier nicht der Ort ist.* Das aus dem Ereignis her bestimmte Eigentümliche der Sprache läßt sich noch weniger wissen als das Besondere der a b
c
die Neuzeit – die das Älteste des Alten verstellt. 〈(ereignisartigen Herkunft des Wortes)〉 Wort – die verlautende Sage. 〈urkundliche〉 267 Ur-Kunde
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Sprache, wenn wissen heißt: etwas im Ganzen seines Wesens, dieses umblickend, gesehen haben. Das Sprachwesen vermögen wir nicht zu umblicken, weil wir, die wir nur sagen können, indem wir die Sage nachsagen, selbst in die Sage gehören. Der monologische Charakter des Sprachwesens hat sein Gefüge in dem Aufriß der Sage, der sich mit dem von Novalis gedachten »Monolog« nicht deckt, nicht decken kann, weil Novalis die Sprache im Gesichtsfeld des absoluten Idealismus aus der Subjektivität dialektisch vorstellt. Aber die Sprache ist Monolog. Dies sagt jetzt ein Zwiefaches: Die Sprache allein ist es, die eigentlich spricht. Und sie spricht einsam. Doch einsam kann nur sein, wer nicht allein ist; nicht allein, d. h. nicht abgesondert, vereinzelt, ohne jeden Bezug. Im Einsamena west dagegen gerade der Fehl des Gemeinsamen als der bindendste Bezug zu diesem. »Sam« ist das gotische sama, das griechische aÏma. Einsam besagt: das Selbe im Eini genden des Zueinandergehörenden. Die zeigende Sage be-we¨gt die Sprache zum Sprechen des Menschen. Die Sage braucht das Verlauten im Wort. Der Mensch aber vermag nur zu sprechen, insofern er, der Sage gehörend, auf sie hört, um nachsagend ein Wort sagen zu können. Jenes Brauchen und dieses Nachsagen beruhen in jenem Fehlen, das weder ein bloßer Mangel noch überhaupt etwas Negatives ist. Weil wir Menschen, um die zu sein, die wir sind, in das Sprachwesen eingelassen bleiben und daher niemals aus ihm heraustreten können, um es noch von anderswoher zu umblicken, erblicken wir das Sprachwesen stets nur insoweit, als wir von ihm selbst angeblickt, in es vereignet sind. Daß wir das Sprachwesen nicht wissen können – nach dem a
〈Einsamen〉*
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[266]
überlieferten, aus dem Erkennen als Vorstellen bestimmten Begriff des Wissens – ist freilich kein Mangel, sondern der Vorzug, durch den wir in einen ausgezeichneten Bereich vorgezogen sind, in jenen, darin wir, die zum Sprechen der Sprache Gebrauchten, als die Sterblichen wohnen. Die Sage, ihr Eigentümliches,* läßt sich in keine Aussage einfangen. Sie verlangt von uns, die ereignende Be-we¨gung im Sprachwesen zu er-schweigen, ohne vom Schweigen zu reden. Die im Ereignis beruhende Sage ist als das Zeigen die eigenste Weise des Ereignens. Dies klingt wie eine Aussage. Vernehmen wir nur sie, dann sagt sie nicht das zu-Denkende. Die Sage ist die Weise, in der das Ereignis spricht; die Weise nicht so sehr als modus und Art, sondern die Weise als das meÂlow, das Lied, das singend sagt. Denn die ereignende Sage bringt das Anwesende aus dessen Eigentuma, aus dem, wohin [es] als Anwesendes gehört,** zum Scheinen, lobt, d. h. erlaubt es in sein eigenes Wesen.*** Hölderlin singt im Beginn der achten Strophe der »Friedensfeier«: Viel hat von Morgen an, Seit ein Gespräch wir sind und hören voneinander, Erfahren der Mensch; bald sind aber Gesang (wir). [267]
Die Sprache wurde das »Haus des Seins« genannt1. Sie ist die Hut des Anwesens, insofern dessen Scheinen dem ereignenden Zeigen der Sage anvertraut bleibt. Haus des Seins 1
Vgl. Brief über den Humanismusb. 1947.****
a
〈Eigentum〉 〈»Humanismus«〉
b
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ist die Sprache, weil sie als die Sage die Weise des Ereignisses ist.a Um dem Sprachwesen nachzudenken, ihm das Seine nachzusagen, braucht es einen Wandel der Sprache, den wir weder erzwingen noch erfinden können. Der Wandel ergibt sich nicht durch die Beschaffung neu gebildeter Wörter und Wortreihen. Der Wandel rührt an unser Verhältnis zur Sprache.b Dieses bestimmt sich nach dem Geschick, ob und wie wir vom Sprachwesen als der Ur-Kundec des Ereignisses in dieses einbehalten werden. Denn das Ereignis ist, eignend-haltend-ansichhaltend, das Verhältnis aller Verhältnisse.d Darum bleibt unser Sagen als Antworten stets im Verhältnisartigen. Das Ver-hältnise wird hier überall aus dem Ereignis gedacht und nicht mehr in der Form der bloßen Beziehungf vorgestellt. Unser Verhältnis zur Sprache bestimmt sich aus der Weise, nach der wir als die Gebrauchten in das Ereignis gehören. Vielleicht können wir den Wandel unseres Bezuges zur Sprache um ein Geringes vorbereiten. Die Erfahrung könnte erwachen: Alles sinnende Denken ist ein Dichten, alle Dichtung aber ein Denken. Beide gehören zueinander aus jenem Sagen, das sich schon dem Ungesagten zugesagt hat, weil es der Gedanke ist als der Dank.g h a
b c d
e f g
h
in d[as] Er[eignis] gehört. mithin die Sprache weder das Erste noch das Letzte 〈Der Wandel rührt an unser Verhältnis zur Sprache.〉 〈Ur-Kunde〉 die Zeige 〈Denn das Ereignis ist, eignend-haltend-ansichhaltend, das Verhältnis aller Verhältnisse.〉* 〈Ver-hältnis〉 〈 bloßen Beziehung〉 〈Dank〉 Das Sichverdanken – als gebraucht im E [Ereignis] für das E [Ereignis] 〈 Dank〉 das sich verdankende Entsagen: das E. [Ereignis] in die Befg. [Befugnis]
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[268]
Daß die Möglichkeit eines gewachsenen Wandels der Sprache in den Gedankenkreis Wilhelm von Humboldts gelangte, bezeugen Worte aus seiner Abhandlung »Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues …«.* An dieser Abhandlung hat Wilhelm von Humboldt, wie der Bruder im Vorwort schreibt, »einsam, in der Nähe eines Grabes« bis zu seinem Tode gearbeitet. Wilhelm von Humboldt, dessen tiefdunkle Blicke in das Wesen der Sprache zu bewundern wir nicht ablassen dürfen, sagt: »Die Anwendung schon vorhandener Lautform auf die inneren Zwecke der Sprache … läßt sich in mittleren Perioden der Sprachbildung als möglich denken. Ein Volk könnte, durch innere Erleuchtung und Begünstigung äußerer Umstände, der ihm überkommenen Sprache so sehr eine andere Forma ertheilen, daß sie dadurch zu einer ganz anderen und neuen würde.« (§ 10, S. 84.) An einer späteren Stelle (§ 11, S. 100) heißt es: »Ohne die Sprache in ihren Lauten, und noch weniger in ihren Formen und Gesetzen zu verändern, führt die Zeit durch wachsende Ideenentwicklung, gesteigerte Denkkraft und tiefer eindringendes Empfindungsvermögen oft in sie ein, was sie früher nicht besaß. Es wird alsdann in dasselbe Gehäuseb ein anderer Sinn gelegt, unter demselben Gepräge etwas Verschiedenes gegeben, nach den gleichen Verknüpfungsgesetzen ein anders abgestufter Ideengang angedeutet. Es ist dies eine beständige Frucht der Litteratur eines Volkes, in dieser aber vorzüglich der Dichtung und Philosophie.« a
b
d. h. »die innere Sprachform«, das sprachbildende Denken, die »ursprüngliche Synthesis.« also nicht »Lautform« und Bildung neuer Wörter. 〈in dasselbe Gehäuse〉
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HINWEISE
[269]
DIE SPRACHE
Der Vortraga wurde in einer ersten Fassung am 7. Oktober 1950 auf Bühlerhöhe zum Gedächtnis von Max Kommerell gehaltenb und in einer zweiten Fassung am 14. Februar 1951 bei der Württembergischen Bibliotheksgesellschaft in Stuttgart wiederholtc. Die Druckfassung ist eine teilweise wesentliche Überarbeitung der zweiten Fassung.*
DIE SPRACHE IM GEDICHT
Der Text wurde am 4. Oktober 1952 auf Bühlerhöhe unter dem Titel Georg Trakl. Eine Erörterung seines Gedichtes vorgetragen. Unter gleichlautendem Titel erschien er als Aufsatz zuerst im Merkur 1953, Nr. 61, S. 226 – 258. Die Druckfassung ist eine geringfügige Überarbeitung der Vortragsfassung.
a b
c
seitdem in Nachschriften bekannt 〈von Max Kommerell gehalten〉 hier sprach auch H.-G. Gadamer**: Der Vortrag »Die Sprache« 10 Jahre vor »Wahrh. und Methode [Wahrheit und Methode]«*** Zuhörer W. F. Otto / Tübingen Dieter Jähnig u.a.
HINWEISE
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AUS EINEM GESPRÄCH VON DER SPRACHE
Der bislang ungedruckte Text entstand 1953 / 54, veranlaßt durch einen Besuch von Prof. Tezuka von der Kaiserlichen Universität Tokio. Um vielfach verbreiteten unrichtigen Behauptungen zu entgegnen, sei hier ausdrücklich bemerkt, daß die im Text des Gespräches Seite 92 erwähnte Widmung von »Sein und Zeit« auch der vierten Auflage des Buches von 1935 vorangestellt blieb. Als der Verleger den Druck der fünften Auflage von 1941* gefährdet bzw. ein Verbot des Buches kommen sah, wurde auf Vorschlag und Wunsch von Niemeyer schließlich vereinbart, die Widmung in dieser Ausgabe fortzulassen unter der von mir gestellten Bedingung, daß auch jetzt die Anmerkung auf Seite 38 stehen bliebe, durch die jene Widmung eigentlich erst begründet wurde und die lautet: »Wenn die folgende Untersuchung einige Schritte vorwärts geht** in der Erschließung der ›Sachen selbst‹, so dankt das der Verf. in erster Linie E. Husserl, der den Verf. während seiner Freiburger Lehrjahre durch eindringliche persönliche Leitung und durch*** freieste Überlassung unveröffentlichter Untersuchungen mit den verschiedensten Gebieten der phänomenologischen Forschung vertraut machte.« Zu der im Gespräch genannten »Zwiefalt«, insgleichen zu dem im Vortrag »Die Sprache« erörterten »Unter-Schied« sind zu vergleichen: Was heißt Denken? Niemeyer Tübingen 1954**** und Identität und Differenz. G. Neske Pfullingen 1957*****.
300
HINWEISE
[270]
DAS WESEN DER SPRACHE
Die drei Vorträge wurden im Studium generale der Universität Freiburg i. Br. am 4. und 18. Dezember 1957 und am 5. Februar 1958 gehalten. DAS WORT
Der Text wurde in der vorliegenden Fassung zuerst bei einer Morgenfeier im Burgtheater zu Wien am 11. Mai 1958 vorgetragen unter dem Titel: Dichten und Denken. Zu Stefan Georges Gedicht Das Wort. Ferner wurde der Vortrag in Konstanz am 12. Juni 1959 und in Amriswil am 15. Juni 1959 gehalten.* DER WEG ZUR SPRACHE
Der Vortrag gehört in die Reihe von Vorträgen, die im Januar 1959 von der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und von der Akademie der Künste in Berlin unter dem Titel »Die Sprache« veranstaltet wurde; er wurde in der Aula der Universität München am 23. Januar 1959 und im Ernst-Reuter-Haus in Berlin am 28. Januar 1959 gehalten. Der Text ist für den Druck neu durchgesehen und an einigen Stellen erweitert. Er erschien zuerst in der IV. Folge von Gestalt und Gedanke 1959 (Redaktion: Clemens Graf Podewils).**
HINWEISE
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HEIDEGGERS NOTIZEN
[Anm. d. Hrsg.: Im Handexemplar der Erstausgabe von Unterwegs zur Sprache fanden sich in einem Umschlag mit dem Titel »Zu Unterwegs zur Sprache« unsortierte Einzelblätter mit Notizen, Exzerpten und Stichworten. Sie werden hier erstmals veröffentlicht. Ihre ursprüngliche Abfolge lässt sich nicht mehr mit Sicherheit rekonstruieren, daher wurde die Reihenfolge der Blätter von den Herausgebern festgelegt. Die Textanordnung entspricht optisch annähernd der Anordnung des Manuskripts. Umrahmungen, Verweisungs- und Markierungszeichen werden als solche wiedergegeben. Hinweise und Ergänzungen in eckigen Klammern stammen von den Herausgebern.]
[Umschlag] Zu Unterwegs zur Sprache
HEIDEGGERS NOTIZEN
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[Beilageblatt 1] Die Sprache Schiller an Goethe 27. Febr. 1798 Bd. II, 53. Br[ie]f Nr. 438*
[Beilageblatt 2] »Der Mensch ist nur durch Sprache Mensch und die Sprache nur dadurch Sprache, daß sie den Anklang zu dem Gedanken allein in dem Wort sucht«. Humb[oldt], Über die Buchstabenschrift …**
[Beilageblatt 3] Der genauere Zusammenhang des Denkens mit der Sprache – Humb[oldt] schon schief gefragt
428***
»der unmittelbare Sprachzweck, die Wiedergebung des Gedankens.« gegen Schl[uss] d[es] § 10.****
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HEIDEGGERS NOTIZEN
[Beilageblatt 4] Denken und Sprache hinsichtl[ich] der Bildung primitiver Begriffe von sinnlichen Gegenständen 5 Phasen (St[einthal] 274)*
?
1. eine Tätigkeit d[er] Sinne 2. eine innere Handlung des Geistes 3. die Synthesis beider – derzufolge entsteht im Bewußts[ein] eine Vorstellung und zugleich erschallt ein artikulierter Laut. 4. die Vorstellung und der Laut treten in eine Synthesis 5. Diese Synth[esis] tritt d[em] Subjekt gegenüber als Objekt in dem der Laut vom eigenen Ohr vernommen und damit auch die mit dem Laut verbundene Vorstellung vom Bewußtsein objektiv aufgenommen wird
HEIDEGGERS NOTIZEN
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[Beilageblatt 5] Was »ist« Sprache? Antwort: »Sprache«
Die Kennzeichnung der Sprache aus dem Hinblick ihrer Verwendung: etwas, um zu …; Mittel – Spr[ache] als ein »Gegenstand« Spr[ache] »als eine Kraft geistigen Gestaltens« Wsg. [Weisgerber] I, 11* Sprache »als« – – Wie »ist« Sprache? »ist« sie üb[er]h[aupt] im Sinne der Anwesenheit – oder gehört Spr[ache] als Sage in das Ereignen
[Beilageblatt 6] Artikulation: Geistigkeit des Lautes Bedeutsamkeit mit Absicht erweckte Fähigkeit zur Vorstellung des Gedachten. »die gedankenbildende Eigenschaft der Laute«**
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HEIDEGGERS NOTIZEN
[Beilageblatt 7] §9 Lautform
»Zwei Prinzipien« / \ —
Gebrauch innere Geisteskraft Denken
\ / die Verbindung in Dunkel gehüllt. »Innigkeit ihrer gegenseitigen Durchdringung«* Die Stimme enthält den Laut. L[aut]: Artikulation Der Laut sagt dem Denken so zu, daß er ihm unentbehrlich wird.**
HEIDEGGERS NOTIZEN
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[Beilageblatt 8] Herder* Sympathie
Hamann, Herder Jacobi
Resonanz Wiedertönen – Wie werden aus Tönen – Worte. die Besonnenheit ! Gott** Kosmos Sprechen mit …*** Ich – das eigene Herz****
Das Ziel der Geschichte:
(Leibniz!) »Geist« – die Einheit ″
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das Idealbild der Menschheit die höchste und übereinstimmendste Ausbildung aller menschlichen Kräfte***** der lebendigen Kräfte in der lebendigen Wirksamkeit aller seiner Kräfte******
HEIDEGGERS NOTIZEN
[Beilageblatt 9] Sprachphilosophie I. Sprach-Philosophie
− wie Natur- Rechts- Religionsphilosophie Sprache als Gegenstand d[er] Philos[ophie].
II. Sprachphilosophie:
Philosophie aus der Sprache 1. Sprache als Bedingung d[er] M[ö]gli[chkeit]: der Philos[ophie] »Transzendental- 2. des Denkens und Wissens » philosophie 3. des Menschseins. der Sprache« 4. des Seins (Anwesenheit) Vgl. Unterwegs z[ur] Spr[ache] Sprache und Lichtung …
5. Sprache als Sage des E [Eigentums*] Verwahrnis d[er] Anwesenheit 6. Verwahrnis – Ereignis Sprache gerade nicht das Erste und Letzte.
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[Beilageblatt 10] denken dichten danken (Denken als Vorstellen – Vernehmen, Vernunft – reor – ratio –
[Beilageblatt 11] W[ilhelm] v. H[umboldt] über Rhythmus Archilochos. Einleitung z[ur] Übers[etzung] des Agamemnon. WW. [Werke] III, 30* »Der R[hythmus], wie er in den griechischen Dichtern, und vorzüglich in den dramatischen, denen keine Versart fremd bleibt, waltet, ist gewissermaßen eine Welt für sich, auch abgesondert vom Gedanken, und von der von Melodie begleiteten Musik. Er stellt das dunkle Wogen der Empfindung und des Gemütes dar, ehe es sich in Worte ergießt oder wenn ihr Schall vor ihm verklungen ist. Die Form jeder Anmut und Erhabenheit, die Mannigfaltigkeit jedes Charakters liegt in ihm, entwickelt sich im freiwilligen Falle, verbindet sich zu immer neuen Schöpfungen, ist reine Form, von keinem Stoffe beschwert und offenbart sich an Tönen, also an dem, was am tiefsten die Seele ergreift, weil es dem Wesen der inneren Empfindung am nächsten steht.«
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[Beilageblatt 12] Sprache:
als Sage Welten lassen von Welt W. u. E. [Welt und Ereignis]
[Beilageblatt 13] (?) Das Wort und das gegenseitige Verstehen. [§ 26].
S. 559 f.*
und die er-eignisartige Herkunft des Wortes der verlautenden Sage
[Beilageblatt 14] »die ewig sich wiederholende Arbeit des Geistes«**: »den artikulierten Laut zum Gedankenausdruck erheben« 419, § 8 »das Beständige und Gleiche darin« »macht die Form der Sprache aus«x 420 (»forma«) »durchaus indiv[iduelle] Drang« »geistiger Aushauch eines nationell individuellen Lebens« 421. x
»nicht bloß die sog[enannte] grammatische Form«
HEIDEGGERS NOTIZEN
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[Beilageblatt 15] W[ilhelm] v. Humboldt Sprache die i[nnere] Form*
[Beilageblatt 16] K** W[ilhelm] v. Hu[mboldt] Sprache als »Weltansicht«*** ontisch – aber: gerade »Welt« und »Welten« und In d W.s. [In-der-Welt-sein] nicht gesehen und damit auch deren Mit-dasein – \ / nicht gesehen Für-einander-Dasein bleibt überall in d. S.-Ob. [der Subjekt-Objekt]-Beziehung hängen und diese selbst unklar vgl. den Text. St[einthal] 288**** letzte Anm[erkung] Sprache: »der dem objektiven Gedanken hinzutretende Mensch«. !*****
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HEIDEGGERS NOTIZEN
[Beilageblatt 17] Die Sprachform
Form
–
1. die Form, die die Sprache als solche ist. 2. die Form, die die Sprache hat die Kraft, Energeia –
Thema: die Ergründung der sprachbildenden Kraft die »Erzeugung« »innere Geistestätigkeit« »In der Sprache wird Alles durch Jedes und Jedes durch Alles bestimmt.« Zit. Steinth[al] 270 Anm[erkung]* § 9 die Voraussetz[ung] für § 8 (Form der Spr[ache])
[Beilageblatt 18] Steinth[al] S. 169x**
[Beilageblatt 19] »Jedes Ausgesprochene bildet das Unausgesprochene oder bereitet es vor.« Sprachst[udium] Reflexion Artikulation***
HEIDEGGERS NOTIZEN
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[Beilageblatt 20] Zur Sprache als Sage vgl. Brief über d[en] Humanismus (Kl[ostermann]) S. 16 »Sprache ist lichtend-verbergende Ankunft des Seins selbst«.*
[Beilageblatt 21] Wort als Antwort Sprache als Gespräch Möglichkeit des Sprechens bedingt durch Anrede und Erwiderung. Der Rückschein. Das Rücklauten.
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HEIDEGGERS NOTIZEN
HEIDEGGERS STICHWORTVERZEICHNIS
[Anm. d. Hrsg.: Heidegger hat in seinem Handexemplar der Erstausgabe von Unterwegs zur Sprache (1959) auf den Vor- und Nachsatzseiten ein Stichwortverzeichnis notiert, dessen Wortlaut einschließlich Verweisungs- und Markierungszeichen hier wiedergegeben wird. Die dort aufgeführten Seitenverweise beziehen sich auf die Seitenzahlen der Erstausgabe. In der vorliegenden Ausgabe sind diese in eckigen Klammern an den Seitenrändern angegeben. Die von Heidegger unterstrichenen Stichworte und Seitenzahlen werden hier kursiv wiedergegeben. Die Textanordnung entspricht optisch annähernd der Anordnung des Manuskripts.]
[Vorsatz] vgl. S. 91.
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[Nachsatz] »Herkunft aber bleibt stets Zukunft« 96 Den »Anklang« der Stille hören. × Sprache und das Ver-Hältnis –ß
F
Was heißt: zur Sprache bringen? er-örtern? an ihren Ort bringen? wohin – des Gehörens – wofür ge-eignet –
aussprechen? oder: Die Gegend der Nachbarschaft von Denken und Dichten. Der Brauch in der Eignis 196
Bezug Verhältnis Geheiß 167 ff. Die Gebärde des Denkens 176. 180. Das Hören der Zusage des Fragwürdigen (das gebrauchte Ent-sagen) (noeÄin) »Wissenschaft« 178 Verweigerung 186 Vorschein 122 Vorenthalt 251 Winke 202 f.
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Herausforderung und Ge-stell 209/10 / 212! ⊗ Sagen 200. 214 f. 165 Gegen-einander-über Zeit-Raum 209 ff. das »über« 211 der »kosmische Raum« 190 Zeit-Spiel-Raum 214 »Hermeneutik« 95 f. 120 ff. 125 ob[en] ratio – rechnen 173 Sein und Ereignis 260 Nachbarschaft v[on] Dichten und Denken 173 f. 187 »Wort« – wie es »ist« 191 f. Weg und Be-wegen 261 G »Wesen«? 174 ff. 201. (das Eigentümliche) »Ortschaft« 261 »Erfahren« 177 und 169 – »mit etwas eine Erfahrung machen« Dialektik und erblicken vgl. Holzwege – Hegels Begr[iff] 262 d[er] E.[Erfahrung]* »Methode« Nietzsche 178 f. / 197 das Ge-Stell 263 × »Gegend« 178 f. 197 – 207 F Verhältnis und Beziehung 188 o 170 (176) (der Bezug) das Eigentliche 189 Im »Wörterbuch« kein Wort 192 das »Es gibt« 193 194. 215 vgl. Zur Sache des Denkens.** »Alles ist Weg.« 198 »belangen« 197 / 177 »Leib« – 204 ff. Nähe 208 ff. 211 o 214 o G »Physik« 209 f. Das Gleich-Zeitige – 213 »Das Spiel der Stille« 214 F »Das Geläut der Stille« 215 (30) 262 × Der Schritt zurück 190. 199 x 208 x 216 Zuvorkommen in der Zurückhaltung 32 Der Be-Lang*** 197 (Br[auch]****) Überlieferung 202 Zeichen 163
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ANHANG
EDITORISCHE ANMERKUNGEN Editorische Anmerkungen zu »Die Sprache« S. 11 * Johann Georg Hamann, Hamann’s Schriften, Bd. 7: Metakritik über den Purismum der reinen Vernunft. Golgatha & Scheblimini. Fliegender Brief an Niemand den Kundbaren. Briefe von 1784– 1788, hrsg. von Friedrich von Roth, Leipzig, Reimer, 1825, S. 151 f. S. 12 * HE: Ein Beilageblatt bezieht sich auf diese Stelle, vgl. in vorliegender Ausgabe S. 306 [Beilageblatt 5]. S. 15 * Georg Trakl, »Ein Winterabend«, in: Ders., Gesammelte Werke, Bd. 1: Die Dichtungen, hrsg. von Wolfgang Schneditz, Salzburg, Otto Müller Verlag, 1938, S. 126. S. 16 * Georg Trakl, »Brief an Karl Kraus vom 13. 12. 1913«, in: Ders., Gesammelte Werke. Bd. 3, Nachlass und Biographie, hrsg. von Wolfgang Schneditz, Salzburg, Otto Müller Verlag, 1949, S. 51. ** Georg Trakl, Die Dichtungen: Gesamtausgabe mit einem Anhang: Zeugnisse und Erinnerungen, hrsg. von Kurt Horwitz, Zürich, Verlag der Arche, 1946.
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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S. 23 * The Isthmian Odes of Pindar [Pindaru Epinikoi isthmionikais], edited with introduction and commentary by John Bagnell Bury, London, MacMillan, 1892. S. 30 * HE: Randmarkierung: zwei Längsstriche, auf folgende Passage bezogen: 〈Wohl dagegen ist das Menschliche in seinem Wesen sprachlich. Das jetzt genannte Wort »sprachlich« sagt hier: aus dem Sprechen der Sprache ereignet. Das so Ereignete, das Menschenwesen, ist durch die Sprache in sein Eigenes gebracht〉. S. 31 * HE: Randmarkierung: Längsstrich mit öffnender spitzer Klammer , auf folgenden Satzteil bezogen: 〈Die verweilende Rückkehr da-hin, wo wir schon sind, ist unendlich schwerer als die eiligen Fahrten dorthin, wo wir noch nicht sind〉. ** HE: Andere Lesart: »Bereich – Ereignis« [?] S. 208 * HE: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf den ganzen Absatz. ** HE: Randmarkierung: Kreis, auf folgenden Satzteil
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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bezogen: 〈daß im Wort, in dessen Wesen, jenes sich verbirgt, was gibt.〉 *** HE: Randmarkierung: durchkreuzter Kreis G. S. 209 * HE: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈»Es gibt«〉 ohne Kursivierung. ** Martin Heidegger, »Zeit und Sein«, in: Ders., Zur Sache des Denkens, a. a. O., 1969, S. 1 – 60, hier S. 43 ff. In der HGA: Martin Heidegger, »Zeit und Sein«, in: Ders., Zur Sache des Denkens, hrsg. von FriedrichWilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 14), 2007, S. 3 – 66, hier S. 47 ff. S. 210 * Stefan George, »Ohne Titel«, in: Ders., Gesamt-Ausgabe der Werke. Bd. 9: Das Neue Reich, a. a. O., S. 125. [Werke. Ausgabe in zwei Bänden, Bd. 1, a. a. O., S. 461]. S. 211 * HE: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈aÆllhÂlvn〉. S. 213 * HE: Randmarkierung: durchkreuzter Kreis G, bezogen auf folgenden Satz: 〈Die Gegend ergibt als Gegend erst Wege. Sie be-we¨gt.〉 S. 215 * HE: Randmarkierung: Längsstrich mit Kreuz, bezogen auf folgende Passage: 〈Weshalb dann, möchte man fragen, erst noch ein Weg dahin? Antwort: weil wir dort, wo wir schon sind, auf solche Weise sind, daß wir zugleich nicht dort sind, insofern wir jenes, was unser Wesen be-langt, selber noch nicht eigens erlangt haben.〉
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ANHANG
S. 217 * HE: Randmarkierung: eckige schließende Klammer ] , bezogen auf folgende Passage: 〈»Die Sprache des Wesens« besagt demnach: Die Sprache gehört in dieses Wesende, eignet dem alles Be-we¨genden als dessen Eigenstes. Das All-Bewe¨gende be-we¨gt, indem es spricht.〉 S. 219 * HE: Randmarkierung: Querstrich oder Korrekturanweisung zur Kursivierung von 〈weil die Überlieferung reich an Wahrheit bleibt〉. S. 220 * Heidegger zitiert und übersetzt nach der folgenden Ausgabe: Aristoteles, Categoriae et liber de interpretatione, hrsg. von Lorenzo Minio-Paluello, Oxford, Clarendon Press, 1949, 21956, 16 a 2 – 8. EA: Zitat nicht eingerückt. S. 221 * HE: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈Die Sprache wird vom Sprechen als der stimmlichen Verlautbarung her vorgestellt.〉 S. 222 * Friedrich Hölderlin, »Germanien«, in: Ders., Sämtliche Werke, Bd. IV: Gedichte 1800– 1806, a. a. O., S. 181–185, hier S. 183. S. 223 * Friedrich Hölderlin, »Der Gang aufs Land«, in: Ders., Sämtliche Werke, Bd. IV: Gedichte 1800 – 1806, a. a. O., S. 112 ff., hier S. 112.
EDITORISCHE ANMERKUNGEN
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** Friedrich Hölderlin, »Brod und Wein«, in: Ders., Sämtliche Werke, Bd. IV: Gedichte 1800 – 1806, a. a. O., S. 119–125, hier S. 122. S. 224 * Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. IV: Gedichte 1800–1806, a. a. O., Anhang, S. 322. ** Gottfried Benn, Probleme der Lyrik. Vortrag, gehalten an der Universität Marburg am 21. August 1951, Wiesbaden, Limes Verlag, 1951, S. 16. S. 226 * HE: Randmarkierung: Kreuz, bezogen auf folgenden Satz: 〈Sie führen nicht fort, sondern zurück, dahin, wo wir schon sind.〉 S. 228 * HE: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈Dies zu meinen, wäre aber übereilt.〉 S. 229 * HE: Randmarkierungen: zwei Kreise, bezogen auf die Sätze: 〈Das Wesende der Nähe ist nicht der Abstand, sondern die Be-we¨gung des Gegen-einander-über der Gegenden des Weltgeviertes. Diese Be-we¨gung ist die Nähe als die Nahnis.〉 S. 231 * HE: Randmarkierung: Längsstrich mit Kreis, bezogen auf folgenden Satz: 〈Zeitigend entrückt uns die Zeit zumal in ihr dreifältig Gleich-Zeitiges, entrückt dahin, indem sie uns das dabei Sichöffnende des Gleich-Zeitigen, die Einigkeit von Gewesen, Anwesen, Gegen-Wart zubringt.〉
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ANHANG
S. 232 * HE: Randmarkierung: Kreuz, bezogen auf 〈Zeit-Spiel-Raum〉. ** HE: Randmarkierung: Kreis, bezogen auf den Satz: 〈Jetzt bekundet sich die Nähe als die Be-we¨gung des Gegen-einander-über der Weltgegenden.〉 S. 233 * HE: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, bezogen auf folgende Passage: 〈So ist denn die Sprache keine bloße Fähigkeit des Menschen. Ihr Wesen gehört in das Eigenste der Be-we¨gung des Gegen-einander-über der vier Weltgegenden.〉 ** HE: Randmarkierung: Pluszeichen, bezogen auf folgenden Satz: 〈Die Sprache ist als die Welt-bewe¨gende Sage das Verhältnis aller Verhältnisse.〉 *** HE: Randmarkierungen: zwei Längsstriche, bezogen auf den ganzen Absatz. **** HE: Randmarkierung: durchkreuzter Kreis, bezogen auf folgenden Satz: 〈Das Wesensverhältnis zwischen Tod und Sprache blitzt auf, ist aber noch ungedacht.〉 ***** Vgl. Anm. ** zu S. 172. Auf S. 91 heißt es im dritten Heft mit dem Titel »Vorläufiges«: »Bemerkungen (S. 69, 64) der Sprache: sie alle (vgl. 64, 88) bemerken die Sprache als die Sage der brauchenden Eignis – Sage im Geläut der Stille (88) (Unterwegs [zur Sprache], 30, 215). Entsprechend verdeutlichen die vier Hinweise (Unterwegs …): die Sprache spricht – die Sterblichen sprechen – im Ent-sagen. Das Wesen der Sprache: die Sprache des Wesens. Die Sprache: das Haus des Seins. Die Sprache, der Tod. (Unterwegs …, S. 214 f.) und V. III, 86 (›Gedicht‹) Dank wessen ist die Sprache: ›Das Ver-Hältnis aller Verhältnisse‹? (Unterwegs, 215)
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Dank der Eignis, der brauchenden. Ver-Hältnis: das verhaltende – Verhalten – Halten und Hüten, (Hut und Bergnis) vgl. 97.« Peter Trawny, der Herausgeber des Bandes 102 der »Schwarzen Hefte« hat uns die Seite, auf die Heidegger sich hier bezieht, freundlich zur Verfügung gestellt. Wir danken auch dem Nachlassverwalter Arnulf Heidegger für die Genehmigung, diese Textpassage hier zu veröffentlichen. S. 234 * HE: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf folgenden Satz: 〈Die Sage gibt das »ist« in das gelichtete Freie und zugleich Geborgene seiner Denkbarkeit.〉
Editorische Anmerkungen zu »Das Wort« S. 239 * Friedrich Hölderlin, »Brod und Wein«, in: Ders., Sämtliche Werke. Bd. IV: Gedichte 1800 – 1806, a. a. O., S. 119–125, hier S. 123. ** Sophocles, Fabulae recognovit brevique adnotatione critica instruxit, hrsg. von Alfred Chilton Pearson, Oxford Clarendon Press, 21923. S. 241 * Stefan George, »Das Wort«, in: Blätter für die Kunst, elfte und zwölfte Folge (1919), S. 317. Stefan George, »Das Wort«, in: Ders., Gesamt-Ausgabe der Werke. Endgültige Fassung, Bd. 9: Ders., Das Neue Reich, a. a. O., S. 134. Heute leicht zugänglich in: Werke. Ausgabe in zwei Bänden, a. a. O., Bd. 1, S. 466 f.
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ANHANG
S. 250 * Stefan George, »Ohne Titel«, in: Ders., Gesamt-Ausgabe der Werke. Endgültige Fassung, Bd. 9: Das Neue Reich, a. a. O., S. 137. [Werke. Ausgabe in zwei Bänden, a. a. O., Bd. 1, S. 468]. S. 255 * Stefan George, »das lied«, in: Ders., Gesamt-Ausgabe der Werke. Endgültige Fassung, Bd. 9: Das Neue Reich, a. a. O., S. 126 f. [Werke. Ausgabe in zwei Bänden, a. a. O., Bd. 1, S. 461 f.]
Editorische Anmerkungen zu »Der Weg zur Sprache« S. 261 * Heidegger hat dieses Zitat handschriftlich über den Beginn des Vortrages »Der Weg zur Sprache« eingetragen (HE der EA, S. 241). Zur Herkunft des Zitats: Georg Christoph Lichtenberg, Gesammelte Werke in zwei Bänden, hrsg. und eingeleitet von Wilhelm Grenzmann, Band I, Frankfurt a. M., Holle-Verlag, 1949, S. 408. S. 263 * Novalis, »Monolog«, in: Ders., Werke, Tagebücher und Briefe Friedrich von Hardenbergs / Novalis. Band 2: Das philosophisch-theoretische Werk, hrsg. von Hans-Joachim Mähl und Richard Samuel, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1999, S. 438 f., hier S. 438: »Es ist eigentlich um das Sprechen und Schreiben eine närrische Sache; das rechte Gespräch ist ein bloßes Wortspiel. Der lächerliche Irrthum ist nur zu bewun-
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dern, daß die Leute meinen – sie sprächen um der Dinge willen. Gerade das Eigenthümliche der Sprache, daß sie sich blos um sich selbst bekümmert, weiß keiner. Darum ist sie ein so wunderbares und fruchtbares Geheimniß, – daß wenn einer blos spricht, um zu sprechen, er gerade die herrlichsten, originellsten Wahrheiten ausspricht. Will er aber von etwas Bestimmten sprechen, so läßt ihn die launige Sprache das lächerlichste und verkehrteste Zeug sagen.« ** HE: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne den Zusatz 〈und unser Verhältnis zu ihr sich als das Verhältnis bekundet.〉 *** Heidegger verweist hier auf seine Vorlesung »Logik. Heraklits Lehre vom Logos«, in: Martin Heidegger, Heraklit. 1. Der Anfang des abendländischen Denkens (Sommersemester 1943), 2. Logik. Heraklits Lehre vom Logos (Sommersemester 1944), hrsg. von Manfred S. Frings, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 55), 1979, 31994, S. 185– 402. S. 264 * HE: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈Die Zeichnung〉. ** HE: Randmarkierung: Kreis, auf der Höhe von 〈und zumeist unausgesprochen in einem »es ist« zu sprechen.〉 S. 265 * Martin Heidegger, »Der Spruch des Anaximander?«, in: Ders., Holzwege, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann, 1950, S. 296 – 343, hier S. 303: »Das Denken des Seins ist die ursprüngliche Weise des Dichtens. In ihm kommt allem zuvor erst die Sprache zur Sprache, d. h. in ihr Wesen.« Die 9. Auflage erschien 2015. In der HGA: Martin Heidegger, »Der Spruch des Anaximan348
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der?«, in: Ders., Holzwege, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 5), 1977, 22003, S. 321 – 373, hier S. 328. S. 266 * HE: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈das freie Zusammengehören〉 (ohne Anführungszeichen und ohne Kursivierung). ** HE: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈269〉. *** Carl Friedrich von Weizsäcker, »Sprache als Information«, in: Bayerische Akademie der Schönen Künste (Hrsg.), Gestalt und Gedanke. Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Band 4: Die Sprache, München, Oldenbourg Verlag, 1959, S. 45 – 76. **** Martin Heidegger, Sein und Zeit, a. a. O., vgl. Anm. ** zu S. 96. S. 267 * HE: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne Kursivierungen. ** HE: Korrekturanweisung M.H.: EA: ohne 〈jetzt〉. *** HE: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈Zum Sprechen gehört die gegliedert-stimmliche Verlautbarung.〉 S. 268 * S. Anm. * zu S. 220. S. 269 * Martin Heidegger, Platons Lehre von der Wahrheit. Mit einem Brief über den Humanismus, a. a. O. Der PlatonAufsatz wurde zuerst veröffentlicht in: Ernesto Grassi (Hrsg.), Geistige Überlieferung, Jahrbuch 2, Berlin, Küpper, 1942, S. 96 – 124. Aufgenommen in: Martin
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Heidegger, Wegmarken, a. a. O., 1967, S. 109 – 144. In der HGA: Ders., Wegmarken (HGA 9), a. a. O., S. 203 – 238. ** HE: Randmarkierung: Umrahmende Längs- und Querstriche, bezogen auf diesen Satzteil. *** HE: Heidegger bezieht sich hier vermutlich auf die zweite unter dem Titel »Vom Wesen der Wahrheit« gehaltene Vorlesung vom Wintersemester 1933/34. Siehe: Martin Heidegger, Sein und Wahrheit. 1. Die Grundfrage der Philosophie (Sommersemester 1933), 2. Vom Wesen der Wahrheit (Wintersemester 1933/34), hrsg. von Hartmut Tietjen, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 36/37), 2001. **** Die Anmerkung lautet: »Wie der Versuch, eine Sache zu denken, zeitweise wegirren kann von dem, was ein entscheidender Einblick schon gezeigt hat, wird durch eine Stelle aus ›Sein und Zeit‹ (1927) S. 219 belegt: ›Die Übersetzung (des Wortes aÆlhÂûeia ) durch das Wort ,Wahrheit‘ und erst recht die theoretischen Begriffsbestimmungen dieses Ausdrucks (Wahrheit) verdecken den Sinn dessen, was die Griechen als vorphilosophisches Verständnis dem terminologischen Gebrauch von aÆlhÂûeia ,selbstverständlich‘ zugrunde legten‹«. Martin Heidegger, »Das Ende der Philosophie und die Aufgabe des Denkens«, in: Ders., Zur Sache des Denkens, a. a. O., 1969, S. 61 – 80, hier S. 77. In der HGA: Martin Heidegger, »Das Ende der Philosophie und die Aufgabe des Denkens«; in: Ders., Zur Sache des Denkens (HGA 14), a. a. O., S. 67 – 90, hier S. 86. S. 270 * HE: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈Tätigkeit〉 ohne Anführungsstriche.
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** HE: Korrektur durch Hermann Heidegger. EA: 〈1936〉. *** Wilhelm von Humboldt, Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwickelung des Menschengeschlechts, a. a. O. Jetzt leicht zugänglich: Wilhelm von Humboldt, Werke in fünf Bänden, Bd. III: Schriften zur Sprachphilosophie, a. a. O. S. 271 * HE: Verbindungspfeil nach unten von 〈Ausdruck〉 zu 〈Sprechens〉. S. 272 * HE: Randmarkierung: durchkreuzter Kreis G und Längsstrich, bezogen auf folgenden Satz: 〈Wird jedoch die Sprache unter diese gerechnet, dann ist das Sprechen nicht aus seinem Eigenen – aus der Sprache – erfahren, sondern in die Hinsicht auf Anderes abgestellt.〉 ** HE: Randmarkierung: Pfeil auf 〈gegenseitigen〉. S. 274 * Wilhelm von Humboldt, »Bruchstück einer Selbstbiographie«, in: Ders., Werke in fünf Bänden, hrsg. von Andreas Flitner und Klaus Giel, Band V: Kleine Schriften, Autobiographisches, Dichtungen, Briefe, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1963, S. 7. Das Zitat lautet vollständig: »Das Auffassen der Welt in ihrer Individualitaet und Totalitaet ist ja gerade durchaus mein Bestreben, und liegt selbst der Willensherrschaft, als Zweck, zum Grunde.« ** HE: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne Kursivierung von 〈eine〉 und ohne den Zusatz »durch sie«.
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S. 275 * HE: Korrekturzeichen durch Hermann Heidegger. Der nach dieser Korrektur veränderte Satzteil würde lauten: »Wir können uns nicht mehr nach allgemeinen Vorstellungen – wie Energie, Tätigkeit, Arbeit, Geisteskraft, Weltansicht, Ausdruck – umsehen«. ** HE: Randmarkierung: Kreuz. S. 276 * HE: Randmarkierung: Kreuz. Darunter ebenfalls am Rand ein Kreuz (links am Rand unterhalb der Seitenziffer [250]). ** HE: Korrekturanweisung M.H. In der EA lautete das Satzende: 〈und zu sich selber sprechen.〉 *** HE: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne den Zusatz »an den Menschen«. S. 279 * HE: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne den Zusatz »es ist«. ** HE: Einrahmung: 〈 die Sage〉. S. 280 * Georg Trakl, »Traum und Umnachtung«, in: Ders., Gesammelte Werke, Bd. 1: Die Dichtungen, a. a. O., S. 158. ** Jean Paul, Levana oder Erziehlehre: in drei Bändchen, Stuttgart / Tübingen, Cotta, 1814. Heute leicht zugänglich in: Jean Paul, Levana oder Erziehlehre, in: Ders., Sämtliche Werke, hrsg. von Norbert Miller, Abteilung 1: Erzählende und theoretische Werke, Band 5: Vorschule der Ästhetik. Levana oder Erziehlehre. Politische Schriften, München, Hanser, 1962, § 131. Vollständig lautet die Stelle: »Nennt dem Kinde jeden Gegenstand, jede Empfin-
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dung, jede Handlung, in der Not sogar mit einem ausländischen Worte (denn für das Kind gibt es noch keines); und überhaupt gebt dem Kinde, das euern Handlungen zuschauet, da, wo es möglich, durch Beinamen aller einzelnen Handlung-Teile Klarheit und Aufmerksamkeit. Hat doch das Kind überhaupt eine solche Hörlust, daß es euch oft über eine ihm bewußte Sache nur befragt, damit es euch höre; oder daß es euch eine Geschichte erzählt, damit ihr sie ihm wiedererzählt! Durch Benennung wird das Äußere wie eine Insel erobert und vorher dazu gemacht, wie durch Namengeben Tiere bezähmt. Ohne das Zeige-Wort – den geistigen Zeigefinger, die Rand-Hand (in margine) – stehet die weite Natur vor dem Kinde wie eine Quecksilbersäule ohne Barometer-Skala (vor dem Tiere gar ohne Quecksilber-Kugel), und kein Bewegen ist zu bemerken. Die Sprache ist der feinste Linienteiler der Unendlichkeit, das Scheidewasser des Chaos, und die Wichtigkeit dieser Zerfällung zeigen die Wilden, bei denen oft ein Wort einen ganzen Satz enthält. Das Dorfkind stehet dem Stadtkinde bloß durch seine spracharme Einsamkeit nach. Dem stummen Tiere ist die Welt ein Eindruck, und es zählt aus Mangel der Zwei nicht bis zur Eins.« *** HE: senkrecht abwärtsgerichteter Pfeil , bezogen auf die darauffolgende Textpassage. S. 281 * HE: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne den Zusatz »als Sagen«. ** HE: Randmarkierung: durchkreuzter Kreis G, auf der Höhe von 〈zuvor ein Hören.〉 *** HE: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf fol-
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gende Passage: 〈Wie soll sie dies bewerkstelligen, wo sie doch nicht mit Sprechwerkzeugen ausgestattet ist? Indes die Sprache spricht. Sie befolgt zuerst und eigentlich das Wesende des Sprechens: das Sagen.〉 **** HE: Randmarkierung: Kreis, auf der Höhe von 〈erscheinen und verscheinen läßt.〉 ***** HE: Verweisungszeichen F–F hinter der Ziffer 257; auf EA, S. 257 Rückverweis auf EA, S. 255. S. 284 * HE: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne den Zusatz »als Sagen«. ** HE: Randmarkierung: Längsstrich mit Verweisungszeichen F–F, bezogen auf den Seitenverweis »vgl. ob[en] 255« und folgende Textpassage: 〈Die Sage durchwaltet und fügt das Freie der Lichtung, die alles Scheinen aufsuchen, alles Entscheinen verlassen, dahin jegliches An- und Abwesen sich hereinzeigen, sich einsagen muß.〉 *** HE: Umrahmung: 〈durchwaltet〉. S. 286 * HE: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf folgenden Satz: 〈Das Ereignende ist das Ereignis selbst – und nichts außerdem.〉 ** HE: Randmarkierungen: drei Längsstriche, bezogen auf folgenden Satz: 〈Das Ereignen ist kein Ergebnis (Resultat) aus anderem, aber die Er-gebnis, deren reichendes Geben erst dergleichen wie ein »Es gibt« gewährt, dessen auch noch »das Sein« bedarf, um als Anwesen in sein Eigenes zu gelangen.〉 *** HE: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈Das in der Sage waltende Ereignis〉. **** Martin Heidegger, Identität und Differenz, Pfullin354
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gen, Verlag Günther Neske, 1957, S. 28 ff. Die letzte, 12. Auflage erschien 2002 im Verlag Klett-Cotta, Stuttgart. In der HGA: Martin Heidegger, Identität und Differenz, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 11), 2006, S. 27 –110. ***** Martin Heidegger, Sein und Zeit, a. a. O., § 44: »Dasein, Erschlossenheit und Wahrheit«. Siehe auch Anm. ** zu S. 96. ****** Martin Heidegger, »Zeit und Sein«, in: Ders., Zur Sache des Denkens, a. a. O., S. 1 – 60. Siehe Anm. ** zu S. 209. S. 287 * Johann Wolfgang von Goethe, Goethe’s nachgelassene Werke, Bd. 41 [1832]: Faust. Der Tragödie 2. Teil, hrsg. von Johann P. Eckermann und Friedrich W. Riemer, Stuttgart / Tübingen, Cotta, 1842. [Faust II, 5. Akt, Verse 11416 f.]. ** Johann Wolfgang von Goethe, Gesamtausgabe der Werke und Schriften in zweiundzwanzig Bänden, Abteilung 1: Poetische Werke, Band 1: Gedichte, hrsg. von Liselotte Lohrer, Stuttgart, J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger, 1950, S. 1045. S. 288 * Martin Heidegger, »Das Ding«, »Bauen Wohnen Denken« und »Die Frage nach der Technik«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, a. a. O., S. 157 – 180, S. 139 – 156 und S. 9–40. In der HGA: Martin Heidegger, »Das Ding«, »Bauen Wohnen Denken« und »Die Frage nach der Technik«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze (HGA 7), a. a. O., S. 165 – 187, S. 145– 164, S. 5 – 36. ** HE: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne den Zusatz
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»Zur Sache des Denkens, 1969«. Vgl. Martin Heidegger, Zur Sache des Denkens, a. a. O. *** Handexemplar: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf folgende Textpassage: 〈Diese Sache, obzwar in sich einfach, bleibt vorerst schwer zu denken, weil das Denken sich zuvor dessen entwöhnen muß, in die Meinung zu verfallen, hier werde »das Sein« als Ereignis gedacht. Aber das Ereignis ist wesenhaft anderes, weil reicher als jede mögliche metaphysische Bestimmung des Seins. Dagegen läßt sich das Sein hinsichtlich seiner Wesensherkunft aus dem Ereignis denken.〉 Der letzte Satz ist zusätzlich durch einen doppelten Längsstrich am Rand hervorgehoben. S. 289 * HE: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne Kursivierung von 〈Weg〉. ** HE: Randmarkierung: Längsstrich, auf der Höhe von 〈sondern: den Weg zu … allererst erbringen〉. *** HE: Randmarkierung: Längsstrich mit Querstrich, bezogen auf den ganzen Satz. **** HE: Umrahmung: 〈 Brauch〉. ***** Martin Heidegger, »Hegels Begriff der Erfahrung«, in: Ders., Holzwege, a. a. O., 1950, S. 167. In der HGA: Ders., Holzwege (HGA 5), a. a. O., S. 115– 208, hier S. 182. S. 290 * HE: Randmarkierung: doppelter Längsstrich, bezogen auf folgenden Satz: 〈Er hat sich aus unserem Tun in das ereignete Sprachwesen verlagert.〉 ** HE: Randmarkierung: Pfeil in Richtung auf 〈dialektischen〉.
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ANHANG
S. 291 * HE: Randmarkierung: Längsstrich, bezogen auf folgenden Satz: 〈Als die Sage ist das Sprachwesen das ereignende Zeigen, das gerade von sich absieht, um so das Gezeigte in das Eigene seines Erscheinens zu befreien.〉 ** Martin Heidegger, Sein und Zeit, a. a. O., § 34: »Da-sein und Rede. Die Sprache«. Siehe auch Anm. ** zu S. 96. S. 292 * HE: Korrekturanweisung M.H. EA: 〈Identität und Differenz, 1957, S. 31 f.〉 Bezug hier: Martin Heidegger, »Die Frage nach der Technik«, in: Ders., Vorträge und Aufsätze, a. a. O., 1954, S. 31 f. In der HGA: Ders., Vorträge und Aufsätze (HGA 7), a. a. O., S. 5 –36, hier S. 26 f. ** HE: Korrekturanweisung M.H. EA: ohne »Id. u. Diff. [Identität und Differenz] S. 27«. Bezug hier: Martin Heidegger, »Der Satz der Identität«, in: Ders., Identität und Differenz, 1957, a. a. O., S. 27. *** Martin Heidegger, Hebel – der Hausfreund, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1957, 61993, S. 34 ff. In der HGA: Martin Heidegger, »Hebel – Der Hausfreund«, in: Ders., Aus der Erfahrung des Denkens (HGA 13), a. a. O., S. 133– 150, hier S. 148 ff. S. 293 * HE: Randmarkierung: Längsstrich mit durchkreuztem Kreis G, bezogen auf den ganzen Absatz. S. 294 * HE: Randmarkierung: Längsstrich mit öffnender spitzer Klammer 〈〉
Fragezeichen Ausrufezeichen Gleichheitszeichen Ungleichheitszeichen diverse Verbindungslinien öffnende eckige Klammer schließende eckige Klammer öffnende spitze Klammer (von Heidegger verwendet) schließende spitze Klammer (von Heidegger verwendet) editorische Klammern zur Markierung von Heideggers gedruckten Texten (von den Herausgebern verwendet)
VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN
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»Ich habe einen früheren Standpunkt verlassen, nicht um dagegen einen anderen einzutauschen, sondern weil auch der vormalige Standort nur ein Aufenthalt war in einem Unterwegs. Das Bleibende im Denken ist der Weg. Und Denkwege bergen in sich das Geheimnisvolle, daß wir sie vorwärts und rückwärts gehen können, daß sogar der Weg zurück uns erst vorwärts führt.« (Martin Heidegger, Unterwegs zur Sprache, Pfullingen, Verlag Günther Neske, 1959, S. 98 –99)
Grundlage der in dieser vierbändigen Ausgabe aufgenommenen Schriften Martin Heideggers sind die Erstausgaben und die entsprechenden durch dessen Randnotizen erweiterten Handexemplare. Sie reichen von kleineren Einzelpublikationen mit ganz wesentlichen Themen wie Gelassenheit oder Was ist das, die Philosophie? über die Sammlung Vorträge und Aufsätze bis zu den großen Buchpublikationen Der Satz vom Grund und Unterwegs zur Sprache. Sie gelten als Schlüsseltexte nicht nur für das Denken Martin Heideggers, sondern für die Philosophie des 20. Jahrhunderts allgemein. Heidegger hatte diese Schriften für ein akademisches wie auch für ein breiteres Publikum bestimmt. Er selbst hat sie ausgewählt und zur Publikation vorbereitet. Sie wurden zu seinen Lebzeiten vom Verlag Günther Neske veröffentlicht. Diese Schriften haben entscheidend zu seinem Weltruhm beigetragen und bieten einen repräsentativen Einblick in die Vielfalt und Vielschichtigkeit sei-
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nes Denkens, das sich in leicht verständlichen Beiträgen wie Hebel – der Hausfreund ebenso erschließt wie in anspruchsvollen Schriften, beispielsweise Identität und Differenz. Der Sammelband Unterwegs zur Sprache erschien erstmals 1959 im Verlag Günther Neske in Pfullingen. Diese Erstausgabe wurde in mehreren Auflagen unverändert vom Verlag Günther Neske, und ab 1993 vom Verlag KlettCotta, Stuttgart, nachgedruckt. 1985 erschien Unterwegs zur Sprache ebenfalls in der Heidegger-Gesamtausgabe (HGA), erweitert um Ergänzungen und Korrekturen des Autors: Martin Heidegger, Unterwegs zur Sprache, hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt am Main, Vittorio Klostermann (HGA 12), 1985, 22018. In Heideggers Handexemplaren befinden sich die Ergänzungen und Korrekturen meist am Rand des gedruckten Textes oder auf eingelegten Blättern. Sie enthalten zusammenhängende Reflexionen und Kommentare, Exzerpte, stichwortartige Bemerkungen sowie Seitenangaben oder durch besondere Zeichen markierte Hervorhebungen und Verweise. Für die hier vorliegende Ausgabe von Unterwegs zur Sprache wurden Heideggers Annotationen anhand seines Handexemplars der Erstausgabe von 1959 überprüft und gegebenenfalls vervollständigt. Erstmals aufgenommen wurden Heideggers handschriftliche Notizen auf Beilageblättern sowie sein auf den Nachsatzpapieren notiertes Stichwortverzeichnis. Ebenfalls zum ersten Mal erfasst wurden Heideggers handschriftliche Seitenverweise in seinem Handexemplar. Sie beziehen sich auf die Seitenzahlen der Erstausgabe bei Neske, auf deren Paginierung sich auch ein Großteil der Forschung bibliographisch bezieht. In der vorliegenden
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Ausgabe wird daher die ursprüngliche Paginierung der Erstausgabe an den Seitenrändern des Haupttextes in eckigen Klammern [ ] wiedergegeben. Die Seitenumbrüche sind jeweils durch einen Mittelstrich gekennzeichnet. Auf diese Weise lassen sich auch die Bezüge, die Heidegger mittels interner Seitenverweise und anderer Verweisungszeichen hergestellt hat, leichter auffinden. Außerdem wurden Heideggers Randmarkierungen, Unterstreichungen und durch besondere Zeichen markierte Textstellen erstmals berücksichtigt. Sie heben bestimmte Textstellen hervor und verweisen auf Zusammenhänge innerhalb des Textes. Sie sind für die Rezeption von Interesse, weil Martin Heidegger selbst diese Zusammenhänge hergestellt hat. Heideggers Annotationen verdeutlichen innere Zusammenhänge seiner Philosophie, die sich »unterwegs zur Sprache« der Dichtung nähert und deren Sinn sich aus ihrer Nähe zur Dichtung und aus der Selbstvertiefung in das eigene Denken erschließt. Sie belegen, dass Martin Heidegger sein Denken fortwährend überdacht hat: »ein Unterwegs im Wegfeld des sich wandelnden Fragens der mehrdeutigen Seinsfrage«. Mit diesen Worten charakterisierte er in einem Entwurf zum Vorwort der Gesamtausgabe den »Wegcharakter des Denkens«: »Die Gesamtausgabe soll auf verschiedene Weisen zeigen: ein Unterwegs im Wegfeld des sich wandelnden Fragens der mehrdeutigen Seinsfrage. Die Gesamtausgabe soll dadurch anleiten, die Frage aufzunehmen, mitzufragen und vor allem dann fragender zu fragen. Fragender fragen – d. h. den Schritt zurück vollziehen; zurück vor den Vorenthalt; zurück in das nennende Sagen (›zurück‹ als Wegcharakter des Denkens, nicht zeitlich-historisch).«1 1
Martin Heidegger, Gesamtausgabe, I. Abteilung: Veröffentlichte
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Im Haupttext der vorliegenden Ausgabe werden Heideggers Annotationen mit hochgestellten Kleinbuchstaben (z. B. a) kenntlich gemacht und auf derselben Seite als Fußnoten des Haupttextes präsentiert. Die arabisch nummerierten Fußnoten stammen von Martin Heidegger. Der Wortlaut der Erstausgabe wird im Haupttext exakt wiedergegeben – mit Ausnahme von abgekürzten Namen und von eindeutigen und eigenhändigen Korrekturanweisungen Martin Heideggers, die sich auf Druckfehler in der Erstausgabe beziehen. In diesen eindeutigen Fällen wurden Heideggers Korrekturen auch im Haupttext übernommen. In den Editorischen Anmerkungen – im Haupttext mit Sternchen (z. B. *) markiert – wird jeweils auf die Änderungen hingewiesen. Einige Randbemerkungen und Korrekturen in Heideggers Handexemplar der Erstausgabe von Unterwegs zur Sprache stammen von Hermann Heidegger. Bei der Übernahme dieser Ergänzungen wurde ebenfalls mittels Sternchenmarkierung auf die Herkunft hingewiesen. Die Herausgeber haben sich im Bemühen um eine philologisch exakte Wiedergabe der Texte, die in diese vierbändige Kassette aufgenommen wurden, an folgende Richtlinien gehalten: – Heideggers Annotationen sind mit hochgestellten Kleinbuchstaben (z. B. a) kenntlich gemacht. – Sternchenmarkierungen (z. B. *) verweisen auf Anmerkungen, Ergänzungen und Kommentare der Herausgeber, die im editorischen Anhang zu finden sind. Schriften 1914 – 1970, Band 1: Frühe Schriften (1912–1916), hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M., Vittorio Klostermann (HGA 1), 1978, 22018, S. 437.
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– Alle Texte wurden unverändert in der Rechtschreibung und Zeichensetzung der Erstausgaben wiedergegeben. – Abweichungen in der Orthographie und Zeichensetzung wurden im editorischen Anhang kommentiert. – Handschriftliche Korrekturzeichen Heideggers wurden berücksichtigt und im editorischen Anhang ausgewiesen. – Heideggers Trennungen und Schreibweisen von Wörtern wie »Unter-Schied« oder »Be-we¨gung« wurden auch bei Zeilenumbrüchen beibehalten. In diesen Fällen wurden die für Martin Heidegger typischen Trennungen als Divis sowohl am Zeilenende als auch am darauffolgenden Zeilenanfang kenntlich gemacht. – Im Unterschied zu den gedruckten Erstausgaben wurden im Haupttext zum besseren Verständnis alle Namen ausgeschrieben. – Spruchzitate aus antiken Quellen sowie Gedichtzitate wurden – wenn sie vom Text abgesetzt sind – kursiviert. – Gesperrt Gedrucktes wurde kursiviert bzw. innerhalb von kursiv Gedrucktem recte gesetzt. – Handschriftliche Unterstreichungen Heideggers wurden kursiv gesetzt. – Handschriftliche Doppeltunterstreichungen Heideggers werden mit einfacher Unterstreichung und kursiv wiedergegeben. – Handschriftliche Durchstreichungen Heideggers (z. B. Sein × ) wurden als solche dargestellt. – Hervorhebungen Heideggers anderer Art werden in den Editorischen Anmerkungen beschrieben. – Textvarianten, die durch Heideggers Ergänzungen, Tilgungen, Markierungen u. ä. in seinen Handexemplaren hinzugekommen sind, wurden in den Fußnotenteil aufgenommen. In besonderen Fällen weisen die Herausgeber im editorischen Anhang ausdrücklich auf die Art der Varianten hin. NACHWORT DER HERAUSGEBER
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– Um die handschriftlichen Varianten nachvollziehbar zuordnen zu können, wurden – wenn nötig – einzelne Wörter oder Satzteile des gedruckten Haupttextes im Fußnotenteil wieder aufgenommen. Diese Wörter oder Satzteile werden in editorischen Klammern 〈 〉 eingefasst, indem gegebenenfalls handschriftliche Annotationen wie Kursivierung, Anführungszeichen, Doppelpunkte, Klammern oder Divis einbezogen werden. – Bei handschriftlichen Zeichen Heideggers wie doppelter Längsstrich, Kreis, Kreuz oder Pluszeichen wird in den Editorischen Anmerkungen (Sternchenmarkierung) im Anhang die Art der Hervorhebung beschrieben. Dabei werden gegebenenfalls die markierten Textteile in editorischen Klammern 〈 〉 wieder aufgenommen. – Auf Heideggers Markierungszeichen (wie Kreis, durchstrichener oder durchkreuzter Kreis, Kreuz, Längsoder Querstrich sowie Pluszeichen) wird nur dann eigens hingewiesen, wenn das Zeichen keine Zuordnungsfunktion zu einer Randbemerkung hat. – Heidegger hat in seinen Handexemplaren gelegentlich verschiedene Farben verwendet, was auf thematische Zuordnungen oder verschiedene Phasen der Bearbeitung hinweisen könnte. Jeder farblichen Differenzierung wird in den vorliegenden Bänden dieser Kassette eine eigene Fußnote zugeordnet. Ausnahmen bilden verschiedenfarbige Hervorhebungen innerhalb eines Satzes oder unmittelbar aufeinanderfolgender Sätze, für die in der Regel nur eine Fußnote verwendet wird. Auf besondere Hervorhebungen wird in den Editorischen Anmerkungen eigens hingewiesen. – Soweit möglich wurden die von Heidegger zitierten Texte anhand der von ihm verwendeten Ausgaben seiner Bibliothek überprüft und im editorischen Anhang
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dieser Ausgabe in ihrem jeweiligen Kontext zitiert und ergänzt. Zusätze in eckigen Klammern [ ] im Haupttext dieser Ausgabe stammen von Martin Heidegger. Zusätze in eckigen Klammern im Fußnotenteil des Haupttextes sowie in den Abschnitten »Heideggers Notizen« und in »Heideggers Stichwortverzeichnisse« stammen – falls nicht anders angemerkt – von den Herausgebern. Abkürzungen in handschriftlichen Texten Heideggers wurden in eckigen Klammern von den Herausgebern vervollständigt. Nur die Abkürzung »u.« wurde in »und« aufgelöst. Unsichere Lesarten wurden mit [?] gekennzeichnet und gegebenenfalls im editorischen Anhang (Sternchenmarkierung) kommentiert. Wichtige Abkürzungen und weitere Zeichen, die in dieser vierbändigen Ausgabe verwendet werden, finden sich unmittelbar vor diesem Nachwort im Verzeichnis der Abkürzungen, Verweisungs- und Markierungszeichen.
Den Nachlassverwaltern, Dr. Hermann Heidegger (1920 – 2020) und Arnulf Heidegger, möchten wir für die Bereitstellung von Handexemplaren sowie für das in uns gesetzte Vertrauen und die gute Zusammenarbeit danken. Ihnen und Detlev Heidegger sind wir überdies für die Bereitstellung von Handexemplaren sowie für ihre Hilfe bei der Entzifferung der handschriftlichen Notizen von Martin Heidegger zu Dank verpflichtet. Für ihr sorgfältiges Korrekturlesen sprechen wir Jutta Heidegger (1929 – 2020) unseren besonderen Dank aus. Prof. Dr. Dr. Günther Neumann danken wir für die Durchsicht und Korrektur der griechischen Zitate.
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Für ihre Hilfe bei der Durchsicht und Bereitstellung des Archivmaterials aus dem Deutschen Literaturarchiv Marbach danken wir Gudrun Bernhardt, Dr. Julia Maas und M. A. Simone Waidmann. Ganz besonderen Dank schulden wir Marion Winter (Esslingen) und Thomas Ziegler (pagina, Tübingen) für ihre aufmerksame Hilfe bei den Korrekturen und für die unermüdliche Zusammenarbeit. Ebenso danken wir dem Verlag Klett-Cotta, dem Verleger Dr. h. c. Michael Klett, dem verlegerischen Geschäftsführer Tom Kraushaar und dem Lektor Dr. Johannes Czaja. Wir hoffen, dass diese Ausgabe die Erforschung des Denkens von Martin Heidegger erweitert und vertieft. Alfred Denker (Sevilla, Messkirch) Dorothea Scholl (Kiel, Tübingen) Stuttgart, den 26. Mai 2021