Augustin contra Academicos: (Vel de Academicis) Bücher 2 und 3 9783110812992, 3110152045, 9783110152043


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German Pages 542 [544] Year 1997

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Table of contents :
Einleitung
1. Contra Academicos im augustinischen Gesamtwerk
2. Datierung
3. Der Adressat
4. Die Gesprächsteilnehmer
4.1. Augustin
4.2. Licentius
4.3. Alypius
4.4. Trygetius
5. Ort und Szenerie
6. Die Frage der Historizität
7. Dialogform und Struktur
8. Titel, Thematik und Intention der Schrift
9. Augustin und der Skeptizismus der Neuen Akademie
10. Platonismus und christliche Lehre
11. Die Quellen
12. Sprache und Stil
13. Zur Argumentation
14. Zur Textüberlieferung
15. Die Nachwirkung der Schrift
Kommentar zu Buch 2
Kommentar zu Buch 3
Anhang I
Anhang II
Literaturverzeichnis
Index der zitierten Stellen
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Augustin contra Academicos: (Vel de Academicis) Bücher 2 und 3
 9783110812992, 3110152045, 9783110152043

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THERESE FUHRER

AUGUSTIN C O N T R A ACADEMICOS

w DE

G

PATRISTISCHE TEXTE U N D STUDIEN IM AUFTRAG DER

PATRISTISCHEN

KOMMISSION

DER AKADEMIEN DER WISSENSCHAFTEN IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND

HERAUSGEGEBEN VON

H. CH. BRENNECKE UND E. MÜHLENBERG

BAND 46

WALTER DE GRUYTER · BERLIN · NEW YORK 1997

AUGUSTIN CONTRA ACADEMICOS (VEL DE ACADEMICIS) BÜCHER 2 UND 3

EINLEITUNG U N D KOMMENTAR VON

THERESE FUHRER

WALTER DE GRUYTER · BERLIN · NEW YORK 1997

® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnähme

Fuhrer, Therese: Augustin contra Académicos : vel De Academicis Bücher 2 und 3 ; Einleitung und Kommentar / von Therese Führer. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1997 (Patristische Texte und Studien ; Bd. 46) Zugl.: Bern, Univ., Habil.-Schr., 1994 ISBN 3-11-015204-5 NE: G T

ISSN 0553-4003 © Copyright 1997 by Walter de Gruyter & Co., 10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Werner Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, Berlin

Vorwort Augustine Schrift Contra Académicos steht am Anfang der Gruppe der Cassiciacum-Dialoge (mit De Beata Vita und De Ordine), die szenisch und thematisch eine Einheit bilden. Die Schrift besteht ihrerseits aus zwei Teilen, von denen der erste (Buch 1) die Trilogie szenisch und thematisch einleitet; der zweite Teil (Bücher 2 und 3) kann nicht nur aus inhaltlichen Gründen als eine von Buch 1 unabhängige Einheit betrachtet werden, sondern er steht einerseits in der Abfolge der in den drei Dialogen dargestellten szenischen Handlungen am Schluß und ist andererseits von Augustin wohl auch erst nach einer Unterbrechung geschrieben worden, d.h. erst nach De Beata Vita und De Ordine (vgl. dazu die Ausführungen in der Einleitung, Abschnn. 2, 7 und 11 ). Eine Einschränkung auf die Behandlung von c.acad. 2 und 3 ist aus diesen Gründen nicht nur naheliegend, sondern empfiehlt sich nachgerade. Der Kommentar ist gemäss einer inhaltlichen Disposition (s. Einl. Abschn. 7 Ss. 24-26) in 14 Abschnitte unterteilt, denen kurze Einleitungen vorangestellt sind, worin je nach Bedarf Fragen zu Thematik, Struktur, Argumentationstechnik, Quellenlage usw., die das anschliessend kommentierte Textstück betreffen, behandelt werden. Die Informationen zu den einzelnen Lemmata im Kommentarteil sind nach folgenden Kriterien gegliedert: Besprochen werden, wo vorhanden, an erster Stelle sprachliche Probleme, d.h. textkritische Fragen, allgemeine grammatikalische Besonderheiten, Abweichungen vom klassischen und nachklassischen Sprachgebrauch. An zweiter Stelle folgen, wo nötig, Erläuterungen zum Inhalt. Je nach Thematik schliesst sich ein kurzer Ausblick auf die Entwicklung des an der betreffenden Stelle zur Diskussion stehenden Gedankens in Augustine späteren Schriften an. Das Hauptgewicht des Kommentars liegt auf den inhaltlichen Erläuterungen. Nebst den Fragen zum Gedankengang und zur Argumentation sowie zu den Realien im Dialog selbst werden hier auch Informationen zur literarischen und philosophischen Tradition der Argumente, Motive, Metaphern, Topoi usw. gegeben. Dabei wird weder Vollständigkeit angestrebt, noch können die einzelnen Probleme, die für den vorliegenden Dialog nicht unmittelbar von Bedeutung sind, in ihrer ganzen Tragweite diskutiert werden; oft muss deshalb für eine ausführlichere Diskussion einer Frage ein Verweis auf die Forschungsliteratur genügen. Dem Umstand, dass ein Kommentar nicht nur für die kontinuierliche Lektüre eines ganzen Texts oder Textabschnitts, sondern auch bei punktueller Benutzung (zur Klärung von Fragen zu einzelnen Stellen oder Begriffen)

VI

Vorwort

dienlich sein muss, wird durch häufige Querverweise Rechnung getragen. Die neueste Literatur wurde nach Möglichkeit noch eingearbeitet; die bereits seit längerer Zeit angekündigte, sicherlich einschlägige Studie von A.J. Curley, Augustine's Critique of Scepticism, war vor der Drucklegung des vorliegenden Buchs noch nicht erschienen. Den Stellenverweisen ist die Textausgabe von W.M. Green im CChr.SL zugrunde gelegt; die in Klammern beigefügten Zahlen bzw. die Zahlen vor den Lemmata beziehen sich auf Greens Zeilenzählung. Die Verweise, in denen nur die Zeilenzahl angegeben ist, beziehen sich auf den Paragraphen, der im Kommentar, wo der Verweis gemacht wird, behandelt wird. Eine Liste der Corrigenda zu Greens Ausgabe findet sich im Anhang I Ss. 483f. Für eine Zusammenstellung der Änderungsvorschläge gegenüber Greens Text s. Anhang II Ss. 484-486. Das vorliegende Buch ist im Rahmen meiner Assistenz am Institut für Klassische Philologie an der Universität Bern sowie während eines Forschungsaufenthalts an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz entstanden. Eine frühere Fassung wurde im Wintersemester 1994/95 der philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern als Habilitationsschrift vorgelegt. Den Anstoss zur Beschäftigung mit Augustins Frühschriften gab mir Prof. Chr. Schäublin; wesentliche Informationen zur Thematik und zum philosophischen Hintergrund erhielt ich durch die Teilnahme am Colloquium zu Ciceros Lucullus vermittelt, das die Proff. Chr. Schäublin und A. Graeser in den Jahren 1990 -1993 durchgeführt haben. Einen ersten Entwurf des Kommentars in längeren Ausschnitten legte ich im Wintersemester 1993/94 den Teilnehmern des Mainzer Hauptseminars unter der Leitung von Frau Prof. A. Wlosok vor. Im besonderen bin ich Herrn Prof. Schäublin zu Dank verpflichtet, mit dem ich öfter thematische und vor allem textkritische Fragen besprechen konnte und der mir für die Überarbeitung der Habilitationsschrift wertvolle Anregungen gegeben hat (von ihm stammende Konjekturen zum Text von Contra Académicos sind im Kommentar entsprechend vermerkt); zu danken habe ich auch Herrn Prof. H.-G. Nesselrath, der mich auf zahlreiche Probleme hingeweisen hat, sowie den Herren Proff. A. Graeser und M. George, die mir in philosophischen bzw. theologischen Belangen beigestanden haben, und besonders auch Frau Prof. A. Wlosok, die mich während meines Mainzer Jahres betreut und mir die Gelegenheit geboten hat, die Schrift einer Gruppe von Studierenden vorzustellen und dabei sprachliche und thematische Probleme zu diskutieren. Ich möchte zudem allen Teilnehmern an den erwähnten Lehrveranstaltungen in Bern und Mainz danken für ihre Bereitschaft, sich mit meinen Fragen auseinanderzusetzen, die sich mir beim Verfassen des Kommentars stellten. Für die Korrekturarbeiten durfte ich die Hilfe von Renate Burri und Nicole Schäfer in Anspruch nehmen.

Vorwort

νπ

Besonderer Dank gebührt der Alexander von Humboldt-Stiftung, die mir den Forschungsaufenthalt in Mainz finanziert hat. Dem Mainzer Seminar für Klassische Philologie danke ich für die mir gewährte herzliche Gastfreundschaft. Der Patristischen Kommission der Akademien der Wissenschaften, insbesondere Frau Prof. A. Wlosok und Herrn Prof. H.C. Brennecke, danke ich für die Aufnahme in die Reihe PTS.

Inhaltsverzeichnis Einleitung 1. 2. 3. 4.

5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.

Contra Académicos im augustinischen Gesamtwerk Datierung Der Adressat Die Gesprächsteilnehmer 4.1. Augustin 4.2. Licentius 4.3. Alypius 4.4. Trygetius Ort und Szenerie Die Frage der Historizität Dialogform und Struktur Titel, Thematik und Intention der Schrift Augustin und der Skeptizismus der Neuen Akademie Piatonismus und christliche Lehre Die Quellen Sprache und Stil Zur Argumentation Zur Textüberlieferung Die Nachwirkung der Schrift

Kommentar zu Buch 2 2, 1, 1 - 2, 3, 9 (Proömium): Die Befähigung zur Philosophie: Das Schicksal des Romanianus und der geistige Werdegang Augustine.. 2, 4,10 - 2, 6, 15: Einführende Referate: Die Academicorum sententia; die Spaltung von Alter und Neuer Akademie 2, 7, 16 - 2, 8, 20: Einführung in die Thematik der Diskussion von Buch 2: Der Begriff veri simile setzt Kenntnis des verum voraus (das Beispiel des filius patris similis) 2, 8, 21 - 2, 9, 23: Klärung der Positionen 2, 10, 24 - 2, 13, 30: Die Argumentation gegen den Begriff veri simile — ein Streit um Worte? Kommentar zu Buch 3 3, 1, 1 - 3, 2,4: Exkurs: Die Bedeutung da fortuna für das

1 1 3 4 5 6 7 10 11 12 14 19 27 31 34 37 44 47 49 51 55 55 136

174 191 211 233

sapieritiae Studium ()

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3, 3, 5 - 3, 4, 10: Bestimmung des sapiens

243

X

Inhaltsverzeichnis

3, 5, 11 - 3, 7, 14: Der Proteus-Vergleich 3, 7, 15 - 3, 8, 17: Der Streit der sapientes 3,9,18 - 3, 10, 22: Die prohibitive Wirkung der skeptischen Philosophie; der Vorwurf der Petitio principii 3,10,23 - 3, 13,29: Die These in den drei Teilbereichen der Philosophie 3, 14, 30 - 3, 16, 36: Die ethischen Konsequenzen der έποχή 3, 17, 37 - 3, 20, 43: Die Geschichte des Piatonismus von Piaton bis Plotin (These der Geheimlehre); Augustine 3,20, 44 - 3, 20, 45: Der Abschluss des Dialogs

269 285 303 332 376 403 479

Anhang I

483

Anhang II

484

Literaturverzeichnis

487

Index der zitierten Stellen

503

Einleitung 1. Contra Académicos im augustinischen Gesamtwerk Der Dialog Contra Académicos hat das Interesse der modernen Forschung aus verschiedenen Gründen auf sich gezogen (s.u. Abschn. 15), so dass zu dieser Schrift eine beachtliche Zahl von insbesondere theologischen, aber auch philosophischen und philologischen Studien zur Verfügung steht, in denen eine reiche Palette von Fragen aufgegriffen und — z.T. kontrovers — diskutiert wird.1 Nicht zuletzt die Frage nach der Entwicklung von Augustins Persönlichkeit, seiner philosophischen, religiösen und dogmatischen Vorstellungen und seines Urteils über die heidnische (insbesondere die neuplatonische) Philosophie lässt sich schwerlich beantworten, ohne dass man die — nach Augustins eigenen Aussagen in retract. 1,1,1 (s.u. Abschn. 2) — früheste seiner erhaltenen Schriften mit einbezieht. Dabei hat man immer wieder festgestellt, dass Augustins Empfehlung an sein Publikum, aus seinem Werk herauszulesen, (retract. praef. 3: quomodo scribendo profecerim·, s.u. Anm. 8), nicht in dem Sinn wörtlich zu verstehen ist, dass daraus sein geistiger Werdegang in einer diachronen Abfolge verschiedener Etappen rekonstruiert werden kann, genauso wenig wie sich andererseits ein einheitliches (synchrones) System der augustinischen Lehre darstellen lässt.2 Die Themen und Aspekte, die Augustin in den Frühschriften in den Vordergrund stellt, geht er in späteren Schriften teilweise zwar durchaus anders an; solchen Meinungsänderungen oder , wie sie insbesondere aufgrund der Retractationes fassbar sind, steht andererseits die Tatsache gegenüber, dass er von den frühesten Schriften an bestimmte Begriffe einheitlich verwendet und gewisse Konzepte, die im Spätwerk prominent sein werden, zwar nicht ausformuliert, aber doch bereits zur Sprache bringt. So zeigt auch die Schrift Contra Académicos einerseits für viele der bekannten augustinischen Themen erste Ansätze, und die dort gemachten Aussagen stehen mit den späteren Äusserungen ebensooft im Einklang wie im Widerspruch.3 Die folgenden einleitenden Ausführungen sind deshalb teilweise in Form eines Forschungsberichts abgefasst. Spezielle inhaltliche Probleme werden in den Vorbemerkungen zu den einzelnen Abschnitten der Schrift oder im Kommentar selbst abgehandelt. Dazu O'Daly, Mind, 3-5; Flasch, 8; Rist, 9-11. — Das Motiv des proficiendo scribere bzw. scribendo proficere erscheint auch in epist. 143, 2.

Zu den Gedanken, Konzepten und Argumenten, die nach Contra Académicos auch in späteren Schriften fassbar sind, s. z.B. zu 2, 1, 1 (26f.) zur Formel dei

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Einleitung

Der Dialog Contra Académicos darf also nicht ohne weiteres einer Darstellung des Werdegangs des augustinischen Denkens innerhalb des Gesamtwerks und einer Geschichte von Augustins und seine erste Begegnung mit der neuplatonischen Philosophie vor der Bekehrung zum christlichen Glauben (s.u. Abschnn. 9 und 10). Zwar macht Augustin sowohl in den Confessiones als auch in den Cassiciacum-Dialogen, namentlich in den Proömien, Aussagen, die sich als Berichte einer «évolution intellectuelle» — je nach Gewichtung der historischen Glaubwürdigkeit der Dialoge bzw. der Confessiones — interpretieren lassen.4 Doch ist diese Fragestellung für die in den Hauptteilen dieser Schriften behandelten Themen wenig relevant: Die Auseinandersetzung mit den philosophischen Fragen in den Cassiciacum-Dialogen kann kaum als Ausdruck einer nur kurzen geistigen Entwicklungsphase Augustins betrachtet werden, und manche der behandelten Themen (im Fall von Contra Académicos im besonderen Fragen der Wahrnehmungstheorie) bleiben für ihn auch später von Interesse.5 Der historisch-biographische Hintergrund spielt dabei höchstens für die Quellenfrage eine Rolle, insofern als der frühe Augustin zum einen der paganen Bildungstradition noch sehr nahe steht und sich deshalb hauptsächlich auf Cicero stützt und zum andern gerade erst mit einer christlich modifizierten, eklektizistisch-neuplatonischen Philosophie bekannt geworden ist (s.u. Abschn. 10). Die Schrift Contra Académicos verdient die Aufmerksamkeit der Forschung somit in erster Linie als Zeugnis für die Auseinandersetzung eines christlichen Denkers mit den Thesen der heidnischen Philosophie und ganz allgemein für die Problematik der Integration von christlicher Lehre und traditionell-heidnischem Bildungsgut. Neben die — v.a. für die Theologie zentrale — Frage nach den Frühformen der Lehren des künftigen Bischofs von Hippo tritt damit die — v.a. für die Literaturwissenschaften und die Philosophie relevante — Frage,

virtus atque sapientia = dei filius1, 2, 3, 9 (47f.; 59) zur Metapher der inneren Reinheit sowie zum Schrift-Zitat quaerite et invenietis\ 3, 9, 19 (21) zur Gewissheit der eigenen Existenz; 3, 11, 25 (37-39) zur Zahlenlehre; 3, 11, 26 (50; 83f.) zu den Sinnestäuschungen und zur Seelenlehre; 3, 12, 27 (12-14) zur Diskussion der philosophischen τέλος-Defînitionen; 3, 13, 29 (6f.; 37f.) zur Dialektik; 3, 14, 31 (32f.) zum Unterschied Glauben-Meinen; 3, 17, 37 (15f.; 23f.) zur Bewertung und Verwertung der platonischen Philosophie; 3, 17, 38 (34) zur These der Geheimlehre; 3, 17, 39 (62) zur Verurteilung materialistischer Lehren; 3, 20, 43 (14f.; 17f.; 21f.) zum Verhältnis von ratio und auctoritas. Der Ausdruck erscheint im Titel der Studie von Alfaric. Zur kontroversen Interpretation der Zeugnisse aus den Frühschriften bzw. den Confessiones s.u. Abschn. 10 mit Anm. 103 S. 34. Vgl. die Verweise in Anm. 3 oben.

2. Datierung

3

wie Augustin an die pagane und christliche Literatur anknüpft und seine eigenen (christlich geprägten) Vorstellungen in der von der Tradition vorgegebenen Sprache, Stilistik, Terminologie und Forai zum Ausdruck bringt und diese Tradition damit weiter entwickelt und weiter vermittelt.

2. Datierung Die Abfassung der Cassiciacum-Dialoge Contra Académicos, De Beata Vita und De Ordine sowie der Soliloquia6 fällt gemäss Augustins Aussagen in conf. 9, 4, 7 und retract. 1, 1, 1 in die Zeit nach seiner Bekehrung und nach dem Rückzug nach Cassiciacum zu Beginn der vindemiales feriae (d.h. nach dem 23. August 386)7 und vor der Taufe in der Osternacht 387 (24./25. April). Augustin lässt das erste Gespräch in der Schrift De Beata Vita an seinem 32. Geburtstag, also am 13. Nov. 386, stattfinden; für die Datierung der anderen Gespräche und für die genaue Abfassungszeit der vier Dialoge lassen sich daraus jedoch kaum Schlüsse ziehen (s.u. Abschn. 6). Gemäss dem Zeugnis von retract. 1, 1, 1 hat Augustin zuerst an der Schrift contra Académicos vel de Academicis (s.u. Abschn. 8) zu arbeiten begonnen (primum scripsi).s Während der Arbeit an c. acad. hat er auch die Dialoge De Beata Vita und De Ordine sowie die Soliloquia verfasst.9 Die Abfolge der Behandlung der vier Schriften in den Retractationes entspricht somit nicht der Chronologie der Abfassung der einzelnen Teile (bzw. Bücher). Aus den Unstimmigkeiten in der Chronologie der Ereignisse, die sich innerhalb der drei szenischen Dialoge abspielen, ergibt sich vielmehr eine Reihenfolge, gemäss der Augustin zwar mit der Abfassung von c. acad. 1 begonnen hat, die Bücher 2 und 3 jedoch nach den Gesprächen von beat, vit und ord. entstanden sind (und vielleicht auch nach den Soliloquia·, s.u. Abschn. 6). So sind die CassiciacumSchriften einerseits als geschlossenes Ganzes zu betrachten;10 andererseits weist der Umstand, dass Augustin den zweiten Teil von c. acad. in der Reihe der drei szenischen Dialoge zuletzt verfasst hat, diesen Ausführungen einen gewissen Sonderstatus zu, zumal er sie — nach einer Gegenüberstellung von phi-

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7 8

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10

Die Soliloquia haben — als nicht-szenischer innerer Dialog — in der Tetralogie der Cassiciacum-Dialoge einen Sonderstatus; vgl. Anm. 68 unten S. 19. Vgl. conf. 9, 2, 2 und 9, 2, 4. Vgl. auch retract, praef. 3: inveniet enim fortasse, quomodo scribendo profecerim, quisquís opuscula mea ordine, quo scripta sunt, legerit. quod ut possit, hoc opere, quantum potero, curabo, ut eundem ordinem noverit. retract. 1,2, 1: librum de beata vita non post libros de Academicis, sed inter illos ut scriberem contigit; ibid. 1, 3, 1: per idem tempus inter illos qui de Academicis scripti sunt duos etiam libros de ordine scripsi. Von den Soliloquia sagt Augustin in retract. 1, 4, 1 ebenfalls, dass er sie inter haec verfasst habe. Vgl. auch die Bemerkungen am Schluss von Abschn. 8 (Ss. 30f.).

4

Einleitung

losophisch-rationalem Erkenntnisweg und autoritativer Offenbarung — mit einer Würdigung der platonischen Philosophie und einem klaren Bekenntnis zum christlichen Glauben enden lässt (s.u. S. 403).

3. Der Adressat Augustin widmet den Dialog Contra Académicos seinem Landsmann Romanianus, einem Mitglied der sozialen Oberschicht von Thagaste, den gewisse (finanzielle?) Schwierigkeiten nach Mailand geführt hatten, wo er Augustin wieder begegnet ist (s. zu 2, 1, 1 [7f.]). n Die beiden verbindet eine Freundschaft (s. zu 2, 2, 3 [8f.]), die einerseits durch Romanianus' finanzielle und moralische Unterstützung von Augustins Ausbildung in Afrika (s. zu 2, 2, 3 [6-21]) und andererseits durch die im zweiten Proömium erwähnten gemeinsamen Erlebnisse begründet ist (Übertritt zum manichäischen Glauben; Mailänder Projekt zum Rückzug in ein philosophandi otium·, s. zu 2, 3, 8 [43f.] sowie zu 2, 2,4 [34]). Romanianus ist zudem der Vater von Augustins Schüler Licentius, der als Gesprächsteilnehmer in allen drei szenischen Cassiciacum-Dialogen auftritt (s.u. Abschn. 4.2.). Ob es sich bei dem in 2, 3, 9 (50) erwähnten Lucilianus um einen weiteren Sohn oder einen gemeinsamen Freund handelt, bleibt unklar (s. z.St.). Verwandtschaftlich ist Romanianus zudem mit Alypius verbunden (epist. 27, 5; vgl. ibid. 32, 5 V. 84).12 In den Proömien von Contra Académicos wird Romanianus wiederholt dazu aufgefordert, sein bisheriges, einerseits von Reichtum und Ehren, andererseits von gewissen Schwierigkeiten geprägtes Leben ganz der Philosophie zu widmen (s. zu 2, 2, 3 [1]) und sich vom manichäischen Glauben abzuwenden (s. zu 2, 3, 8 [43f.]).13 Von Augustins Bemühungen, ihn zum katholischen Glauben zu führen, geben drei an Romanianus gerichteten Briefe (epist. 15-17) Zeugnis; in epist. 15 ist zudem von der Übermittlung der Schrift De Vera Religione die Rede, die Augustin bereits im zweiten Proömium von Contra Académicos ankündigt und die ebenfalls Romanianus gewidmet ist (s. zu 2, 3, 8 [44f.]). Er findet zudem in zwei Briefen an Paulinus von Nola und Therasia Er-

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Vgl. Mandouze, Prosopogr., 994; Lepelley, 2, 178-181, der jedoch wohl Romanianus' Einfluss und Ansehen in Thagaste überschätzt, da er die Stelle c. acad. 1 , 1 , 2 falsch interpretiert (vgl. Anm. 19 S. 70). Romanianus ist kaum auch mit Augustin selbst verwandt, wie aufgrund einer Stelle in Licentius' Gedicht in Aug. epist. 26 (Vv. 137-139) etwa angenommen wird (vgl. Baidy, 56; Mandouze, Prosopogr., 994): sed nos, praeterea quod ab una exsurgimus urbe, / quod domus una tulit, quod sanguine tinguimur uno / saeclorum, Christiana fides conexuit. Dagegen D. Romano, Licenzio poeta. Sulla posizione di Agostino verso la poesia. Nuovo Didaskaleion 11 (1961) 4f.; O'Donnell, 2, 381f.; vorsichtig auch McNamara, 78 Anm. 276. Nicht vom Skeptizismus; s.u. Ss. 29f. sowie zu 2, 3, 8 (36f.).

4. Die Gesprächsteilnehmer

5

wähnung (epist. 27, 4 und 31, 7); Paulinus selbst richtet sich in epist. 32 an Romanianus und bekundet ihm seine Freude über Augustine Wahl zum Bischof. Danach (d.h. nach 395) wird zumindest Romanianus' Name in Augustine Schriften nicht mehr genannt. Augustins Freund ist möglicherweise mit dem auf einer Inschrift aus Thagaste erwähnten Cornelius Romanianus identisch (CIL 8 suppl. 1 Nr. 17226). In der Folge hat man auch versucht, ihn mit dem Adressaten von Aug. epist. 259 (wahrscheinlich aus dem Jahr 408) zu identifizieren, dem Augustin einen unmoralischen Lebenswandel vorwirft und deswegen eine erbetene Trostschrift anlässlich des Todes seiner Ehefrau verweigert.14 Für diese Identifikation spricht einerseits die Tatsache, dass Cornelius seine Bitte an Augustin mit Bezug auf das ius amicitiae begründet (§ 3), und andererseits die Erwähnung eines error perniciosissimus, dem der Adressat als iuvenis gemeinsam mit dem jüngeren Augustin verfallen sein soll (ibid.: in errore nobiscum perniciosissimo constitutes iuvenis iunioribus nobis), womit der manichäische Glaube gemeint sein dürfte. Augustins lobende Charakterisierung seines Adressaten in den Proömien von Contra Académicos schliesst eine solche Persönlichkeitsentwicklung ja nicht aus (s. bes. zu 2, 1, 2 [29-31; 31f.]). Allerdings ist der Wechsel der Anrede vom Cognomen Romanianus in Contra Académicos und den frühen Briefen zum Gentilnomen Cornelius in epist. 259 merkwürdig und kann als klares Indiz gegen eine Identifizierung des Adressaten von Contra Académicos und De Vera Religione mit dem Briefpartner Augustins in epist. 259 geltend gemacht werden.15

4. Die Gesprächsteilnehmer Die Gesprächsrunde von Contra Académicos setzt sich aus fünf Teilnehmern zusammen: Nebst Augustin sind dies dessen Freund und Schüler Alypius, die beiden jüngeren Schüler Licentius (der Sohn des Adressaten) und Trygetius sowie Augustins älterer Bruder Navigius, der allerdings nur in 1, 2, 5 kurz zu Wort kommt und wohl im zweiten Teil der Diskussion (in den Büchern 2 und 3) nicht mehr anwesend ist.16 Die Diskussion wird in Buch 1 hauptsächlich 14

15

16

Die These stammt von A. Gabillon, Romanianus, alias Cornelius. Du nouveau sur le bienfaiteur et l'ami de saint Augustin, REAug 24 (1978) 58-70; vgl. auch Della Corte, Mecenatismo, 1 If".; Mandouze, Prosopogr., 996f.; O'Donnell, 2, 382; F. Morgenstern, Die Briefpartner des Augustinus von Hippo. Prosopographische, sozial- und ideologiegeschichtliche Untersuchungen, Bochum 1993) 10. So Lepelley, 2, 178 Anm. 22 b i s . Die Identität des Romanianus mit dem inschriftlich bezeugten Cornelius Romanianus ist für Lepelley jedoch unbestritten. Er reiste, wie aus ord. 1 , 3 , 7 hervorgeht, im Verlauf der Zeit der Gespräche mit Alypius nach Mailand. Steppat, 20, vermutet, dass es sich dabei um die Reise

6

Einleitung

von Licentius und Trygetius, in Buch 2 von Licentius und Augustin bestritten; gegen Ende von Buch 2 übernimmt Alypius die Rolle des Licentius (die Verteidigung der skeptischen Position) und bleibt im ersten Teil von Buch 3 Augustine Dialogpartner (bis zu dessen oratio perpetua in 3,7, 15).17 Die Charaktere der Sprecher werden sowohl in den nicht-dialogischen Teilen als auch im Gespräch fein gezeichnet, und die einzelnen Persönlichkeiten erhalten durch ihre Äusserungen und im Umgang miteinander ein klares Profil. Mit dieser Eigenart heben sich die Cassiciacum-Dialoge deutlich von Augustins späteren Dialogen ab, in denen er der Figur des dialogischen Gegenübers nur unscharfe Konturen gibt.18 Die Charakterzeichnungen in den frühesten Dialogen stehen allerdings — wie die Ausgestaltung der Szenerie — in der Tradition der platonisch-ciceronischen Dialoge (s.u. Abschn. S), weshalb man sicherlich mit einer Stilisierung zu rechnen hat. 4.1. Augustin In allen drei szenischen Cassiciacum-Dialogen gibt sich Augustin die Funktion des Lehrers der beiden Jünglinge, die er zur dialogischen Erörterung einer bestimmten Thematik im Sinn einer exercitatio animi (s. zu 2, 7, 17 [28f.] mit Anm. 8 S. 179) motiviert, die er lobt und öfter auch tadelt. Gegenüber Alypius ist sein Ton zwar weniger schulmeisterlich, doch lässt er sich von diesem selbst in die Rolle des überlegenen Meisters drängen (s.u. Abschn. 4.3.).

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18

handelt, die Alypius vor dem Hauptteil des Gesprächs von c. acad. 1 unternimmt (vgl. c. acad. 1, 3, 8; s. zu 2, 4, 10 [16]), und dass Navigius danach möglicherweise nicht mehr zur Gesprächsrunde zurückgekehrt sei. Aus beat, vit. 2, 13f. geht andererseits hervor, dass er die Diskussion von c. acad. 1 bis zum Ende miterlebt hat. Er wird Alypius also erst bei einer zweiten Reise begleitet haben. Zu den Unstimmigkeiten im Ablauf der Handlungen innerhalb der drei Dialoge s.u. Ss. 15-17 mit Anmm. 57f.. — In De Ordine und in De Beata Vita nimmt auch Monnica am Dialog teil, in De Beata Vita zusätzlich Augustins Sohn Adeodatus sowie seine beiden Vettern Lartidianus und Rusticus (vgl. beat. vit. 1, 6). Dass die letzteren drei auch bei den Gesprächen von c. acad. und ord. zugegen waren, ist kaum wahrscheinlich. Monnica ist jedenfalls — zumindest gemäss c. acad. 2,5, 13 — im Haus beschäftigt. Die gleiche Vierer-Gemeinschaft erscheint noch in einer in quant, anim. 31, 62 geschilderten Szene (in Ligurien, d.h. in Cassiciacum; vgl. O'Daly, Cassiciacum, 772). — Unklar ist der Grund für das negative Verdikt von Brown, 119/102: «Taken all together, however, Augustine had gathered together an ill-assoited company for a life of philosophical otium». Dazu Voss, Dial., 215: «Die Lebensnähe und das Komödienhafte als μίμησις του βίου sind weitgehend verschwunden»; vgl. a.a.O., 220f.; Schmidt, 156f.; G. De Plinval, La technique du dialogue chez saint Augustin et saint Jerome, Actes du 1er Congrès de la Fédération Internationale des Associations des Etudes Classiques (Paris 1930) 308-311.

4. Die Gesprächsteilnehmer

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Augustin macht öfter deutlich, dass die gesundheitlichen Probleme, die ihm den äusseren Anlass zum Rückzug nach Cassiciacum geboten hatten, ihn immer noch belasten und ihm das Sprechen erschweren (s. zu 3, 7, 15 [22]). Immerhin lässt er sich selbst doch den grössten Teil der Diskussion von c. acad. 2 und 3 bestreiten, indem er zuerst gegen Licentius und Alypius im Dialog die Widerlegung der skeptischen Thesen unternimmt und zuletzt einen Monolog hält, in dem er den Part des Akademikers einem fictus interlocutor überträgt (d.h. ebenfalls selber spricht!). Dass der Autor sich selbst die Rolle des zuteilt und sich am Schluss durch einen Anwesenden Lob aussprechen lässt, ist Stilisierung in der Nachfolge Ciceros (s. zu 3, 20, 44 [34-37]). In den dialogischen Teilen zeichnet sich Augustin allerdings in der Rolle des platonischen Sokrates, der sein Gegenüber im dialektisch-maieutischen Verfahren dazu bringt, die Meinung zu modifizieren (s.u. Ss. 243-246).19 Insgesamt stellt sich Augustin trotz gegenteiliger Beteuerungen, die sapientia noch nicht erlangt zu haben, also noch ein stultus zu sein (s. zu 2, 3, 9 [64]; s. auch zu 2, 9, 23 [44f.]), als überlegener, reifer, fast schon abgeklärt wirkender Asket und Lehrer dar, was angesichts des vergleichsweise jugendlichen Alters von 32 Jahren und der ihm damals ja noch fehlenden asketischen Erfahrung wohl auch als Element der Stilisierung gewertet werden kann. Diese Selbstcharakterisierung hat aber zumindest darin ihren realen Hintergrund, dass Augustin einerseits tatsächlich die Funktion des Lehrers von Licentius und Trygetius zu erfüllen hat (s. zu 2, 2, 4, [43f.]) und andererseits im otium philosophandi von Cassiciacum ein Ideal verwirklichen will, das ein kontemplatives und asketisches Leben zur Bedingung macht (s. auch unten Abschn. 5).20 4.2. Licentius Licentius, den Sohn des Adressaten des Dialogs (und somit den Verwandten des Alypius; s.u. Abschn. 4.3), wird man sich als jungen Mann im Alter von 1520 Jahren vorzustellen haben.21 Er tritt in allen drei Cassiciacum-Dialogen 19

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Den sokratisch-maieutischen Charakter von Augustins Dialektik hebt v.a. Hoffmann, passim, hervor. Biographische Daten zu Augustin finden sich in den einschlägigen Monographien bzw. Lexikonartikeln (vgl. bes. Bonner, passim) und sollen hier nicht berücksichtigt werden. Einen kurzen Abriss seines geistigen Werdegangs gibt Augustin selbst im Proömium zum zweiten Teil von Contra Académicos (2, 2, 3-5; s. den Kommentar z.St.). S. auch unten Abschnn. 9 und 10. Konkrete Anhaltspunkte für die Bestimmung von Licentius' Alter sind keine vorhanden. Bardy, 58 mit Anm. 2, schliesst aus dem Alter Augustins zur Zeit seiner Lektüre des Hortensius (19 Jahre; vgl. conf. 3, 4, 7 und 8, 7, 17), dass sich Licentius, der in c. acad. 1 auf der Grundlage seiner Hortensius-Kenntnisse diskutiert (s. zu 2, 7, 17, [30]), in derselben Phase der Ausbildung befunden habe und damit ungefähr im gleichen Alter gewesen sei. Eine präzise Alters-

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Einleitung

zusammen mit Trygetius als Schüler Augustins auf, der er möglicherweise bereits in Karthago gewesen ist (s. zu 2, 2, 3 [24f.]). In dieser Rolle erscheint er auch später noch (394/5) im augustinischen Briefcorpus (epist. 26 [Augustin an Licentius]; epist. 27, 6 [Augustin an Paulinus von Nola]; epist. 32 [Paulinus und Hierasia an Romanianus und Licentius] = Paul. Noi. epist. 7 und 8)22 sowie in eigener Darstellung in einem Gedicht, wo er sich zudem als Christ zu erkennen gibt (epist. 26 V. 139; vgl. auch ord. 1, 8, 21). Er scheint jedoch den von seinem Lehrer vorgezeichneten Weg eines bescheidenen und enthaltsamen Lebens nicht weiter verfolgt und (in Italien) eine weltliche Karriere angestrebt zu haben, wie aus Aug. epist. 26 sowie aus Paulinus' Andeutungen in epist. 32, 5 Vv. llff. hervorgeht.23 Licentius hat offenbar gerade während der Zeit in Cassiciacum oder kurz zuvor begonnen, sich für die Dichtkunst zu begeistern: Augustin bezeichnet ihn als repente admirabiliter poeticae deditus (ord. 1,2,5), nicht nur mit Bezug auf die Beschäftigung mit den Werken anderer Dichter (namentlich Vergils; s. zu 2, 4, 10 [3]), sondern auch auf Licentius' eigene dichterische Betätigung, wozu er ihn öfter auch ermuntert (s. zu 2, 4, 10 [5]). Augustin zitiert in epist. 26, 4 siebeneinhalb Hexameter, die Licentius neun Jahre später (395) verfasst hat;24 das ganze Gedicht [154 Vv.] wurde von den Maurinern dem Brief beigefügt.25 Darin erinnert er sich — nicht ohne Dankesbezeugungen an seinen Lehrer — an den Aufenthalt und den Unterricht in Cassiciacum und fordert Augustins Unterstützung seiner gegenwärtigen Studien, die einer musiktheoretischen Schrift Varros gewidmet sind, weshalb er Augustin um die Zusendung seines

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bestimmung ist jedoch aufgrund dieser Beobachtung kaum möglich. Vgl. auch Romano (s.o. Anm. 12) 5, der Licentius' Geburtsdatum auf die Jahre 367-370 einzuschränken versucht. In den Confessiones wird Licentius nicht namentlich erwähnt. Epist. 26, 2: hisne (seil, vineulis huius mundi) tu inserís et Collum et manus et pedes, cum et honoribus huiusce modi subiugari adfectas et facta tua non aliter fructuosa existimas et ambis inhaerere, quo non modo invitatus, sed nec conpulsus quidem ire debuisti?\ ibid. § 4: quibus ego non carminibus sed lamentationibus sufficiam piangere carmina tua, in quibus video, quam animam, quod ingenium non mihi liceat adprehendere et immolare deo nostro?; ibid. § 6: quid aestuas? quid fluctuas? quid imaginationibus mortiferarum voluptatum aurem adeommodas et avertis a nobis? ... aeeepisti a deo ingenium spiritaliter aureum et ministras inde libidinibus et in ilio satanae propinquas te ipsum. Dazu Lepelley, 1, 273-275. Für eine Zusammenstellung der biographischen Daten vgl. Mandouze, Prosopogr., 640-642; Bardy, passim; McNamara, 86-92; PRE 2, 682; Lepelley, 2, 181. Zur Datierung vgl. Shanzer, 1 lOf. Die Ausgaben sind in der Römischen Literaturgeschichte von Schanz-Hosius Bd. 4, 2, 462 verzeichnet; Shanzer, 112-123, druckt den Text mit kritischen Anmerkungen und einer engl. Übersetzung; eine franz. Übersetzung der Vv. 124a gibt Solignac, Doxogr., 121 f. Anm. 23.

4. Die Gesprächsteilnehmer

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Traktats De Musica bittet. 26 Die Versepistel, mit der sich Licentius an der klassischen bzw. klassizistischen Epik orientiert (an Vergil, Ovid, Claudian und Avien; mit Einbezug der heidnischen Mythologie), wirkt ziemlich dilettantisch, und Augustins Urteil über Licentius als poeta paene perfectos (in c. acad. 2, 3, 7 [14f.]), das er im Proömium an dessen Vater — allerdings kaum ohne Ironie — ausspricht, bestätigt sich nicht.27 In den Cassiciacum-Schriften tritt Licentius als Augustins Schüler im Philosophie-Unterricht auf. Sowohl in den Dialogen wie auch in den Briefen wird deutlich, dass Augustin seinem Schüler sehr zugetan war,28 und obwohl er ihn öfter zurechtweist (vgl. 2, 7, 16 und 18; 3, 4, 7; beat. vit. 2, 10; ord. 1, 3, 8; 1, 10, 29f.), kann man ihn wohl zu Recht als einen Lieblingsschüler Augustins bezeichnen. Er wird in den Diskussionen als zwar begabter, aber launischer, häufig unkonzentrierter und verspielt-naiver Jüngling gezeichnet. 29 In der Diskussion von c.acad. 1 vertritt er den skeptischen Standpunkt der Akademiker (dass zur Erlangung der sapientia und der beatitudo die inquisitio veri genüge) nicht ohne Geschick und erweist sich gegenüber Trygetius als versierter Dialoggegner. 30 In Buch 2, wo er seinen Standpunkt gegen Augustin verteidigen sollte, lässt er sich jedoch sehr schnell von Augustin in die Enge treiben, muss viele Denkpausen einlegen und will sich bald wieder kleinlaut aus dem Gespräch zurückziehen; dabei verrät er durchaus Geist und Bildung (s. zu 2, 7, 16 [3]), doch erhält er bisweilen auch komische Züge (s. zu 2, 4, 10 [31] und zu 2, 7, 16 [8]). In 2, 7, 19 (86-88) gesteht er seine Niederlage ein und gibt seine skeptische Haltung auf. Auch wenn Licentius' Rolle in den Dialogen deutliche Elemente der Stilisierung aufweist (s. bes. zu 2, 7, 16 [3; 15]; 2, 7, 18 [53f.]; 3, 4, 7 [20]),31 be26

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Der im Gedicht genannte Varrò und dessen Schrift werden mit M. Terentius Varrò und seinen Disciplinarum Libri (vgl. Solignac, Doxogr., 121-124) oder auch mit P. Terentius Varrò Atacinus und dessen Chorographia identifiziert (so I. Hadot, Arts, 178-187). Zur Frage vgl. zuletzt Shanzer, 136-142, die gegen Hadot darlegt, dass das von Licentius benutzte Werk Varros ein enzyklopädisches Werk gewesen sein mUsse, in dem mehr als nur die Disziplin der Musik behandelt worden sein könne. Marrou, 341/289, spricht von einem «style ampoulé»; vgl. dens., 96/84; O'Meara, Academics, 182 Anm. 30: «154 hexameters of rather bombastic quality»; McNamara, 89: «rather tasteless»; Romano (s.o. Anm. 12) 3. Vgl. z.B. ord. 1, 6, 16; 1, 8, 23; epist. 27, 6 Vgl. die Charakterisierung bei Bardy, 67-69; McNamara, 86-88; Dyroff, 18f.; Brown, 118f./101f. Alfaric, 276, sieht in der Position des Licentius Augustins eigenen skeptischen Standpunkt repräsentiert, den dieser einige Jahre früher vertreten hat (s. zu 3, 20, 43 [14f.]); vgl. auch J.M.W. Dewart, La autobiografia de Casiciaco, Augustinus 31 (1986) 49. Mourant, 85-88, deutet Licentius dagegen als Spiegel der Persönlichkeit des Romanianus (s. aber oben S. 4 mit Anm. 13). Für Licentius' Äusserungen wird dies durch die Aussage in c. acad. 1, 1, 4 (lOOf.) bestätigt (die sich allerdings nur auf Augustins Darstellung in Buch 1

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Einleitung

stätigt sich das dann gezeichnete Bild durch Augustins sowie Paulinus' Äusserungen in den genannten Briefen und kann im Ganzen als historisch gelten.32 4.3. Alypius Augustins Freund Alypius (vgl. c. acad. 3, 6, 13 [18f.]: familiarissimus amicus meus) stammte wie Romanianus, mit dem er verwandt war, aus der Oberschicht von Thagaste (vgl. conf. 6, 7, 11 : parentibus primatibus municipalibus). Er war jünger als Augustin (vgl. ibid.: me minor natu) und in Thagaste dessen Schüler (ibid.: studuerat apud me; s. auch zu 2, 4, 10 [38f.]). In Karthago studierte er die Rechte (conf. 6, 8, 13) und fungierte in Rom, wo sich damals auch Augustin aufhielt, als juristischer (assessor) kaiserlicher Finanzbeamter (conf. 6,10, 16; vgl. ibid. 8,6,13). 3 3 In der Hoffnung auf eine Stellung am Mailänder Hof folgte er Augustin 384 nach Mailand (conf. 6, 10, 16). Abkehr vom Manichäismus, Bekehrung zum katholischen Glauben (Gartenszene) und Taufe erlebten beide gemeinsam (conf. 7, 19, 25 und 9, 6, 14; vgl. 8, 8, 19); Alypius war auch an den verschiedenen Plänen zum Rückzug in ein philosophandi otium beteiligt und wirkte bei ihrer Ausführung mit (in Cassiciacum und Thagaste).34 Im Jahr 394 wurde er zum Bischof von Thagaste geweiht. Die gegenseitigen Kontakte sind bis in die letzten Lebensjahre Augustins bezeugt.35 Alypius nimmt nicht an allen Gesprächen der Cassiciacum-Dialoge teil, da er offenbar noch Verpflichtungen in Mailand hatte (s. zu 2, 4, 10 [16]);36 im

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bezieht): sane in hoc libro res et sententias illorum (seil. Licentii et Trygetii), mea vero et Alypii etiam verba lecturus es\ dazu s.u. Abschn. 6. — O'Meara, Hist., 166 Anm. 66 (= ders., Studies, 323 Anm. 66), vergleicht Licentius' Rolle im besonderen mit derjenigen des Theaitetos in Piatons gleichnamigem Dialog (Augustin entspreche Sokrates, Alypius Theodores sowie Trygetius den anderen Jünglingen, die am Gespräch des Theaetet teilnehmen); vgl. auch Dyroff, 20. Doch während sich eine Stilisierung in der Tradition der platonischen Dialoge nicht abstreiten lässt, ist eine Anlehnung im besonderen an den Theaetet, den Augustin kaum gelesen haben wird, unwahrscheinlich (vgl. aber unten Anm. 35 S. 357). Dazu Bardy, 61. Dazu O'Donnell, 2, 368; PRE 1, 47f. Vgl. epist. 22, 1; dazu Mandouze, Prosopogr., 55; Feldmann et al., 251f. Die biographischen Daten sind zusammengestellt bei Mandouze, Prosopogr., 53-65; McNamara, 53-62; PRE 1, 47f.; Lepelley, 2, 181f.; zuletzt Feldmann et al., passim. Der Grund für Alypius' Mailand-Reise(n) ist nicht bekannt; möglicherweise handelt es sich um berufliche Verpflichtungen (so Feldmann et al., 249). Mandouze, Augustin, 125 Anm. 6, spricht sich für die Hypothese aus, dass Alypius und Navigius für die necessaria (finanzielle Angelegenheiten usw.) der Gemeinschaft in Cassiciacum verantwortlich waren, dass man also die Organisation entsprechend den in conf. 6, 14, 24 dargelegten (nicht verwirklichten) Rückzugsplänen gestaltet habe (et placuerat nobis, ut bini annui tamquam ma-

4. Die Gesprächsteilnehmer

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zweiten Teil von Contra Académicos ist er jedoch durchweg anwesend.37 Er übt zunächst die Rolle des Schiedrichters aus (s. zu 2, 8, 21 [28-30]), übernimmt dann aber von Licentius die Aufgabe der Verteidigung des skeptischen Standpunkts (in 2, 8, 21),38 den er nach einer zähen Diskussion mit Augustin in 3, 7, 14 aufgibt. Im Vergleich mit Licentius wirkt Alypius natürlich weitaus reifer und überlegen, und er vermag Augustin lange Zeit durchaus standzuhalten (s. z.B. zu 3, 3, 6 [66]); er diskutiert klug und scharfsinnig,39 spielt öfter auf literarische Vorbilder an (s. zu 2, 9, 22 [6f.]; 2, 10, 24 [2; 4f.]; 3, 3, 5 [11-13]; 3, 5, 11 [17; 19f.]) und kennt sowohl die Fakten und Namen aus der Geschichte der Akademie (vgl. 2, 6, 14f.) als auch die skeptischen Argumentationsstrategien (s. bes. zu 2, 9, 22 [3f.]; 3, 3, 5 [24; 26]; 3, 5, 11 [9-11]). Dabei beruft er sich immer wieder auf seinen Lehrer Augustin (s. zu 2, 4, 10 [38f.]), dem er am Schluss seine Bewunderung bekundet (s. zu 3, 20, 44 [3437]). Auffällig ist sein betont urban-höflicher, teilweise manierierter Stil, mit dem er sich von den anderen Dialogteilnehmern deutlich abhebt (vgl. z.B. 2, 5, 13; 2, 8, 21; 2, 13, 29f.; 3, 20, 44); ob es sich dabei um eine Eigenart des Alypius oder um eine Stilisierung durch Augustin handelt, ist schwer festzustellen,40 da von seinen eigenen Schriften nur sehr wenig überliefert ist.41 4.4. Trygetius Zur Person des Trygetius existieren nur die Zeugnisse in den CassiciacumDialogen. Er wird in beat. vit. 1, 6 neben Licentius von Augustin als Mitbürger und Schüler bezeichnet, d.h. er stammte also ebenfalls aus Thagaste und

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gistratus omnia necessaria curarent ceteris quietis); vgl. dazu auch O'Donnell, 3, 84. Im Hinblick auf die Struktur und den Inhalt des Dialogs kann man mit Voss, Dial., 221, sagen, dass Alypius' Ab- bzw. Anwesenheit «literarisch erfordert» ist, d.h. einerseits wird mit seiner Abreise das Feld frei für die Diskussion zwischen Trygetius und Licentius in Buch 1 und andererseits signalisiert sein Wiedereinstieg in die Diskussion «das Erscheinen von etwas Neuem, Gewichtigerem». Alypius' Position erklärt sich durch Augustins eigene skeptische Phase (s. zu 3, 20, 43 [14f.]); durch ihn hat er sich wohl auch seine in 2, 6, 14f. dargelegten philosophiegeschichtlichen Kenntnisse erworben. Dazu Alfaric, 277; Andresen, Gedanken, 95; Feldmann et al., 247; s. auch unten Ss. 136f. Vgl. das lobende Urteil von Mandouze, Prosopogr., 54f. Trotz der Aussage von c. acad. 1, 1, 4 (lOOf.: sane in hoc libro res et sententias illorum [seil. Licentii et Trygetii], mea vero et Alypii etiam verba lecturus es)·, s.u. Abschn. 6 mit Anm. 62 S. 18. Zum Problem vgl. Feldmann et al., 249. Abgesehen von einer Reihe von Briefen, die Augustin und Alypius gemeinsam verfasst haben, ist nur in einem Postskript zu Aug. epist. 248, 2 (in einer Beteuerung seiner unanimitas mit Augustin) und in einem commonitorium in Aug. epist. Divj. 15, 2 Alypius allein als Autor zu identifizieren. Er ist zudem der Verfasser des unter dem Namen Augustins überlieferten Ordo Monasterii (Ps. Aug. reg.). Dazu Mandouze, Prosopogr., 64f.

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Einleitung

dürfte etwa gleich alt wie Licentius gewesen sein. Er scheint sich erst nach einer militärischen Ausbildung für die magnae honestaeque artes interessiert zu haben (vgl. c. acad. 1, 1, 4 [90-93]; ord. 1, 2, 5); von seinem weiteren Werdegang ist nichts bekannt. In Buch 1 von Contra Académicos vertritt er gegen Licentius den Standpunkt, dass nur derjenige als beatus gelten könne, der die Wahrheit gefunden habe,42 wobei er sich mit seiner nüchternen, zuweilen auch altklug wirkenden, aber nicht humorlosen Art seinem Kontrahenten als überlegen erweist. Im zweiten Teil des Dialogs kommt er nur an zwei Stellen in Buch 2 zu Wort und verteidigt sogar wider Willen das akademische Konzept des veri simile (2, 7, 18; 2, 8, 20). 43

5. Ort und Szenerie Nach dem Bekehrungserlebnis und dem Entschluss zum Rückzug aus dem Berufsleben als Rhetor in Mailand zog Augustin mit einem Kreis von Verwandten, Freunden und Schülern (s.o. Abschn. 4) auf ein Landgut, das ihm ein Mailänder Freund, der grammaticus Verecundus (vgl. conf. 8, 6, 13: omnium nostrum familiarissimus; ord. 1, 2, 5), zur Verfügung stellte (conf. 9, 3, 5: benigne sane obtulit, ut, quamdiu ibi essemus, in re eius essemus). Dort blieb er etwas länger als sechs Monate bis zum Frühjahr 387, d.h. bis zu seiner Rückkehr nach Mailand (conf. 9, 6,14). Die Identifikation dieses rus Cassiciácum (ibid. 9, 3, δ) 44 ist bis in die neuere Zeit Gegenstand einer Kontroverse; die Indizien (die Angaben Augustins in den Dialogen und in conf. sowie in Licentius' Versepistel; topographische, archäologische und toponymische Erwägungen) sprechen jedoch klar für die Lokalisierung in Cassago Brianza (30-40 km nordwestlich von Mailand) und gegen Casciago bei Varese.45

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Er vertritt somit den Standpunkt Augustins. Alfaric, 276, und Dewart (s.o. Anm. 30) 49 und 53, sehen deshalb in seinen Äusserungen Augustins eigene Meinung zum Ausdruck gebracht (Dewart meint zudem, dass Trygetius eine rein fiktive Figur sei). Vgl. PRE 1, 923. Für eine Charakterisierung seiner Persönlicheit vgl. Mandouze, Prosopogr., 1117-1119; Dyroff, 19f.; Steppat, 7f. Für die Quantität der zweitletzten Silbe vgl. TLL Onomasticon 2, 232f. Dazu O. Perler, Les voyages de saint Augustin (Paris 1969) 138f. und 179-196; ders., Recherches sur les Dialogues et le site de Cassiciacum, Augustinus 13 (1968) 348-352; Doignon, Etat, 52f.; O'Donnell, 3, 81f.; O'Daly, Cassiciacum, 772-774. Für die Auseinandersetzung pro Cassago bzw. Casciago vgl. zuletzt L. Beretta, Rus Cassiciacum: Bilancio e aggiornamento della vexata quaestio, in: A. Caprioli & L. Vaccaro (Hrsgg.), Agostino e la conversione cristiana, Augustiniana, Testi e Studi 1 (Palermo 1987) 67-83, bzw. S. Colombo, Ancora sul Rus Cassiciacum di Agostino, ibid., 85-92.

5. Ort und Szenerie

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Die Anlage des Landhauses46 und die ländliche Umgebung werden öfter sowohl in den narrativen Teilen als auch in der Diskussion der drei Dialoge in die Beschreibung bzw. Argumentation mit einbezogen: Die Gespräche finden bei schönem Wetter auf einer Wiese unter einem Baum oder beim Hin- und Hergehen (bzw. auf dem Rückweg zum Haus) statt (s. zu 2, 4, 10 [20]); bei schlechtem Wetter trifft man sich im Bad der Villa (s. zu 3, 1, 1 [2]); in ord. 1, 3, 6 - 1, 8, 26 diskutiert man nachts im Schlafgemach bzw. am Morgen auf dem Weg zum Bad. Man verweist in der Argumentation selbst auf die Szenerie (s. zu 2, 12, 27 [12] und zu 3, 11, 25 [26f.]) oder nimmt sie zum Anlass für weitergreifende Reflexionen (so in ord. 1, 8,25 [den Hahnenkampf]; ibid. 1, 3, 6f. [das Wasserrauschen im Schlafgemach]). Bisweilen wird man durch häusliche Verpflichtungen von den philosophischen Erörterungen abgehalten (s. zu 2, 4, 10 [13f.] und zu 2, 11, 25 [2-4]).47 Die Schilderungen der Szenerie enthalten allerdings deutliche Elemente der Stilisierung. Das Ambiente und die den Disputationen vorangehenden bzw. folgenden Handlungen sind einerseits nach der Tradition der ciceronischen Dialoge gestaltet: Man spaziert zum gewohnten Ort oder trifft sich in der Villa, man setzt sich nieder, man trennt sich, wenn die untergehende Sonne zum Abbruch mahnt, in heiterer Stimmung (s. zu 2, 13, 29 [1 lf.]; 3, 3, 6 [75f.]).48 Andererseits sind doch — zumal in den beiden anderen szenischen CassiciacumDialogen — die Umgebung und die äusseren Umstände weit stärker in den Gesprächsverlauf mit einbezogen als bei Cicero,49 wobei wohl gerade auch die μίμησις του βίου als Element der Stilisierung zu werten ist, zumal das Ganze öfter Züge einer Genre-Szene hat. Da die Umgebung der villa in der Tat ein ideales Dialogszenarium abgegeben haben wird, besteht jedoch kein Anlass, die wirklichkeitsnahe Darstellung als reine Fiktion zu verstehen.50 Die szenische Gestaltung und die ganze Atmosphäre der schola von Cassiciacum — die ruhige Heiterkeit; das asketische Leben (s. bes. zu 2, 6, 14 [lf.]); Augustins Bemühen um die Geistes- und Seelenbildung der jungen Leute; die gemeinsame Vergil-Lektüre (s. zu 2,4, 10 [3]) — weisen zudem eine idealisierende Tendenz auf. Voss versucht, der Ausgestaltung der Szenerie deshalb eine umfassendere Bedeutung zu geben und interpretiert Augustins Darstellung des 46

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Über die Grösse und Ausstattung der villa lässt sich kaum eine Aussage machen (gegen Casati, 503 Anm. 9: «la casa di campagna di Verecondo doveva essere una dimora bella, vasta ed accogliente»). Z.B. auch durch die Erledigung von Korrespondenz; s. zu 2, 11, 25 (2-4). Zur Ausgestaltung der Szenerie der ciceronischen Dialoge vgl. Becker, 12-15; zu Augustins ciceronischer Stilisierung vgl. C. Becker, Cicero, RAC 3 (1957) 118f.; Voss, Dial., 228. Für eine Zusammenstellung von Gemeinsamkeiten im besonderen mit Ciceros Tusculanen vgl. O'Donnell, 3, 88. S. auch zu 3, 9, 18 (2f.) für einen Anklang an die Szenerie von De Finibus 5. Bei Cicero finden sich während der Gespräche höchst selten Hinweise auf die Umgebung; dazu Becker, 27f. Vgl. dazu Hoffmann, 136f.; Voss, Dial., 220f.

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Einleitung

Lebens in Cassiciacum als ein mit protreptischer Absicht gezeichnetes «Bild praktizierter Philosophie». 51 Tatsächlich steht hinter dem ganzen Unternehmen ein bestimmter Plan, d.h. das — allerdings modifizierte — Konzept eines philosophandi otium, das Augustin in der Gemeinschaft von Cassiciacum — zumindest gemäss den Aussagen im Proömium — verwirklicht sieht (s. zu 2, 2, 4 [36f.]). Dass dieses Konzept nicht zuletzt auch von ciceronischen Vorstellungen geprägt ist, entspricht der Grundtendenz zur Stilisierung nach dem Vorbild der Dialoge Ciceros.

6. Die Frage der Historizität Die Frage nach der Historizität der Cassiciacum-Dialoge ist in der Forschung lange Zeit kontrovers diskutiert worden, 32 und lässt sich, auch wenn sich in neuerer Zeit die Standpunkte einander angenähert haben, wohl nie eindeutig beantworten. Da aus Augustins autobiographischen Berichten in conf. 9, 4, 7 und retract. 1 , 1 , 1 hervorgeht, dass den drei Cassiciacum-Dialogen historische Begebenheiten zugrunde liegen (d.h. die genannten Gesprächsteilnehmer befanden sich zur besagten Zeit [s.o. Abschn. 2] auf dem Landgut des Verecundus in Cassiciacum und beschäftigten sich mit philosophischen Fragen, die sie in Gesprächen erörterten, welche in der Tradition der platonischen und ciceronischen Dialoge [s.u. Abschn. 7], wohl im Rahmen von eigens konzipierten Lehrplänen, an verschiedenen Tagen geführt und aufgezeichnet wurden) 53 und da man zudem ein mehr oder weniger hohes Mass an Retuschen an der schriftlichen Fassung in jedem Fall zugesteht, unterscheiden sich die Standpunkte hauptsächlich in der Frage, wie hoch das Ausmass der Stilisierung einzuschätzen sei. 54 Zu unterscheiden sind zwei Bereiche, wo man eine stilisierende Umgestaltung der historischen Wirklichkeit annehmen kann: (1) bei der Ausgestaltung der Szenerie und (2) bei der Wiedergabe der direkten Reden: Zu (1): Dass Augustin die Szenerie in der Tradition philosophischer Dialoge stilisiert darstellt, ist kaum zu verkennen (s.o. Abschn. 5). Die Frage, ob sich 51 52

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Dial., 216f. Seit Hirzel, 2, 377 (d.h. seit 1895). Zur 100-jährigen Kontroverse vgl. G. Madec, L'historicité des Dialogues de Cassiciacum, REAug 32 (1986) 208-210; Doignon, Etat, 53-55; vgl. dens., Vie, 21-23. Dies wird auch von O'Meara, dem prominentesten Gegner der Historizität, zugestanden (Hist., 177 [= ders., Studies, 22]): die Dialoge seien «to some extent ... related to facts»; vgl. dens., Young, 193. Vgl. hierzu auch die Schilderung der Gespräche und Diskussionen in Augustins Freundeskreis in Karthago in conf. 4, 8, 13. Vgl. Madecs Formulierung der Streitfrage (Historicité [s.o. Anm. 52] 209): «Ou bien les Dialogues sont historiques tout en contenant des éléments fictifs; ou bien ils sont fictifs tout en contenant des éléments historiques».

6. Die Frage der Historizität

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die Handlungen und Ereignisse, die der Darstellung zugrunde liegen, im weitesten Sinn so abgespielt haben, wie Augustin sie beschreibt (Tagesablauf; Verhalten der Dialogteilnehmer; alltägliche Begebenheiten, wie sie am ausführlichsten in De Ordine geschildert werden), lässt sich kaum schlüssig beantworten. Ein Punkt, der in der Forschungsliteratur immer wieder aufgegriffen wird, verdient hier eine eingehendere Betrachtung, da er auch für die Festlegung der Abfassungszeit des zweiten Teils von Contra Académicos von Bedeutung ist (s.o. Abschn. 2): die Frage der Abfolge der einzelnen Gespräche, die in den drei Cassiciacum-Dialogen wiedergegeben sind. Gemäss den Aussagen in den Retractationes hat Augustin zwar mit der Arbeit an Contra Académicos begonnen, gleichzeitig aber an den beiden anderen Dialogen gearbeitet (s.o. Anm. 9 S. 3), und auch innerhalb der drei Dialoge finden sich Anhaltspunkte, die auf eine Verquickung hindeuten. Angesichts der Äusserungen in den Retractationes und der dialoginternen Hinweise hat man immer wieder die Frage gestellt, wie man sich den chronologischen Ablauf der Gespräche vorstellen müsse. Aus Augustins Aussage in retract. 1, 1, 1, dass er die Reihe der Cassiciacum-Schriften mit der Arbeit an Contra Académicos begonnen habe, hat man geschlossen, dass zumindest das Gespräch von c. acad. 1, das auf drei aufeinanderfolgende Tage aufgeteilt ist, auch zuerst stattgefunden habe. Bei einer Festlegung der Reihenfolge der weiteren Gespräche ergeben sich allerdings Schwierigkeiten: Augustin lässt gemäss c. acad. 2,4, 10 (lf.) den zweiten Teil von Contra Académicos auf eine siebentägige Gesprächs-Pause folgen (post pristinum sermonem, quem in primum librum contulimus, septem fere diebus a disputando fuimus otiosi). Wenn man diese Aussage nur auf die Diskussion zur wahrnehmungstheoretischen Thematik von Contra Académicos bezieht,55 lassen sich die Gespräche der beiden anderen Dialoge bequem in diese Pause hineinlegen, und aufgrund des Fixdatums von Augustine Geburtstag am 13. November, an dem das erste Gespräch von De Beata Vita stattgefunden haben soll, ergibt sich folgendes Zeitschema:56 10. - 12. Nov. 13.-15. Nov. 16.-17. Nov. 18.-19. Nov. 20.-22. Nov. 23. Nov. 55

56

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c. acad 1 beat. vit. ord. 1 Pause c. acad. 2 und 3 ord. 2 57

3 Tage 2 Tage 2 Tage

Vgl. die Erklärung von D. Ohlmann, De Sancti Augustini Dialogis in Cassiciaco scriptis (Diss. Strassburg 1897) 20: «otiosi vero fuerunt a disputationibus tantum de Academicis institutis».

Vgl. Ohlmann, a.a.O., 27; E.B.J. Postma, Augustinus De Beata Vita (Diss. Amsterdam 1946) 22; Knöll, 2 Anm. 1; wenig anders bei Perler, Recherches (s.o. Anm. 45) 347f. Dass die Diskussion von c. acad. 2 und 3 nach ord. 2 stattgefunden hat, geht aus ord. 2, 15, 43 hervor, wo Augustin auf c. acad. 3, 5, 11 Bezug nimmt (s. zu 3,

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Einleitung

Da jedoch Augustin in 2, 4, 10 ( l f . ) die Gespräche De Beata Vita und De Ordine (Buch 1) nicht erwähnt, sondern allein von der Vergil-Lektüre spricht, mit der man sich in der siebentägigen Pause beschäftigt habe (s. z.St. [3]), scheint er selbst die Vorstellung einer solchen Abfolge der einzelnen Gespräche nicht nahelegen zu wollen; d.h. man muss wohl doch davon ausgehen, dass Augustin die Diskussion aller drei Bücher von Contra Académicos vor den beiden anderen Dialogen ansetzen wollte. Zudem ist die Aussage in 2 , 4 , 10 (2): a disputando fuimus otiosi kaum anders zu verstehen, als dass keine schulmässigen Gespräche stattgefunden haben (s. z.St.). Dabei ergeben sich allerdings erhebliche Probleme bezüglich der Chronologie der einzelnen Handlungen und Aussagen, 5 8 die sich nur beseitigen lassen, wenn man annehmen will, dass die Dialoge zwar in der von Augustin in den Retractationes beschriebenen Reihenfolge abgefasst, bezüglich ihrer szenischen Abfolge jedoch anders anzuordnen sind: 59

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5, 11 [20f.]). Es ergeben sich allerdings einige Unstimmigkeiten im Ablauf der in den Dialogen erwähnten Vorgänge: Alypius, der gemäss c. acad. 1, 3, 8 vorübergehend in Mailand war (s. zu 2, 4, 10 [16]), nimmt an der Diskussion von c. acad. 2 und 3 wieder teil. Diese Diskussion kann aber nur dann vor ord. 2 stattgefunden haben, wenn man annimmt, dass Alypius innerhalb von wenigen Tagen zweimal in die Stadt und zurück gereist sei, da das Gespräch von ord. 2 unmittelbar nach der Rückkehr von Alypius wieder aufgenommen wird {ord. 2, 1, 1: interpositis deinde pauculis die bus venit Alypius; vgl. auch unten Anm. 58). Mehr Schwierigkeiten bereitet bei dieser zeitlichen Fixierung der Umstand, dass Augustin in c. acad. 1 , 1 , 4 (93f.) sagt, die Diskussion von c. acad. 1 hätte pauculis igitur diebus transactis posteaquam in agro vivere coepimus stattgefunden; immerhin liegen zwischen dem Beginn der vindemiales feriae Ende August, als man sich nach Cassiciacum zurückzog (s.o. Abschn. 2), und dem Fixdatum des 13. Novembers ca. 7 Wochen. Licentius gibt sich in c. acad. 2, 7, 19 geschlagen, während er sich in beat. vit. 2, 14f. noch zum Skeptizismus bekennt (vgl. ord. 1, 4, 10). Alypius gibt in c. acad. 3, 7, 14 seinen skeptischen Standpunkt auf, während sich Licentius in beat. vit. 2, 15 noch auf ihn als Vertreter dieser Lehre beruft. S. auch zu 2, 7, 19 (88). Auch in diesem Fall muss man annehmen, dass Alypius zweimal nach Mailand gereist sei (c. acad. 1, 3, 8 bis 2, 4, 10 sowie ord. 1, 3, 7 bis 2, 1, 1; s.o. Anm. 57; vgl. auch Anm. 16). Ein weiteres Problem stellt sich angesichts von Augustins Aussage in 3, 20, 43 (10f.), er habe sich zur Zeit dieses Gespräches im 33. Lebensjahr befunden, weswegen sein 32. Geburtstag und damit der Dialog De Beata Vita vorher stattgefunden haben müssen. Diese Unstimmigkeiten hat man versucht, auf einen Überlieferungsfehler (XXXIII als Schreibfehler für XXXII) zurückzuführen (vgl. O'Meara, Hist., 159 Anm. 36 [= ders., Studies, 319 Anm. 36]). — Zur Diskussion vgl. O'Meara, Hist., 158f. (= ders., Studies, 14 mit Anmm. Ss. 318-320). So J.H. Van Haeringen, De Augustini ante baptismum rusticantis operibus (Groningen 1917), referiert bei O'Meara, Hist., 157-159 (= ders., Studies, 14), und Academics, 26. Diese Annahme widerspricht Augustins Aussage in retract. praef. 3, der Leser könne seine Werke ordine quo scripta sunt lesen (s.o. Anm.

6. Die Frage der Historizität

szenische Abfolge: c. aecuL 1 7 Tage Pause c. acad 2 und 3 ord 1 beat. vit. ord. 2

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Reihenfolge der Abfassung: c. acati. 1 beat. vit. ord. 1 und 2 c. acad 2 und 3

Doch auch diese Annahme vermag nicht zu befriedigen: Die chronologischen Unstimmigkeiten (s.o. Anm. 58) müssten dann auf Unachtsamkeiten von Seiten Augustine zurückzuführen sein. Somat kann man allein aus der Tatsache, dass sich die Frage nicht endgültig klären lässt, 60 den Schluss ziehen, dass sie auch gar nicht gestellt werden soll, da Augustin wohl gar nicht auf eine stimmige Wiedergabe bedacht war.61 Er musste sich vielmehr von der literarischen Tradition geradezu angehalten sehen, einerseits die historische Wirklichkeit stilisierend zu verklären und andererseits die nicht-dialogischen Partien nach bestimmten Kriterien und Vorbildern szenisch auszugestalten. Zu (2): Ebenfalls mit der Problematik der Historizität der Dialoge verbunden ist die Frage, ob die von Augustin wiedergegebenen direkten Reden der Dialogteilnehmer ihren tatsächlichen Äusserungen wörtlich entsprechen, d.h. ob die Schriften zum grössten Teil Diskussionsprotokolle sind und damit den Charakter von υπομνήματα haben, oder ob Augustin die während des Dialogs gemachten Aufzeichnungen bei der Redaktion mehr oder weniger stark umgestaltet hat. Er selbst gibt dazu mehrere Hinweise: (a) Er betont auffallend oft, dass bei den Diskussionen ein notarius anwesend gewesen sei, der die Gespräche (stenographisch) mitgeschrieben habe (vgl. 1, 1, 4 [98-100]: adhibito ... notario ... nihil perire permisi; vgl. 1, 5, 15 [54]; 2, 7, 17 [40-43]; 2, 13, 29 [14]; 3, 7, 15 [23f.]; 3, 20, 44 [26f.]; beat. vit. 2, 15; 3, 18; ord 1, 10, 29f.; 1, 11, 33; 2, 7, 21). (b) Augustin spricht in den Dialogen selbst — auch im Gespräch — öfter von einer Phase der Redaktion der Aufzeichnungen (con-lreferre in lib-

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8), wegen der erwähnten Äusserungen in retract. 1, 2, 1 und 1, 3, 1 nicht (zitiert oben in Anm. 9). — Immerhin löst sich bei einer freieren Chronologie das oben in Anm. 57 erwähnte Problem der Interpretation der pauculi dies in c. acad. 1,1,4. Vgl. zuletzt O'Daly, Cassiciacum, 777-779; Voss, Acad., 45; Madec, Historicité (s.o. Anm. 52) 223f. Vgl. O'Donnell, 3, 86f.: « from works never meant to serve as such a source are pearls of dubious worth at best ... If A. were asked if the dialogues were , he would probably say yes, and he would be telling the literal truth according to the standards of his times»; Schmidt, 129: «So ist die Antithese Realität-Fiktionalität funktional insofern zunächst irrelevant, als es bei einer — realen oder fingierten — Dialogsituation in erster Linie auf generelle, das u.U. einmalige Ereignis transzendierende Rezipierbarkeit ankommt».

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Einleitung

rum/litteras; s. zu 2, 4, 10 [If.]) sowie von der Erwartung, dass die Dialoge in schriftlicher Form verbreitet würden (c. acad. 1, 1, 4 [89f.]; 1, 9,25 [51]; ord. 1, 5, 14; 1, 7, 20; 1, 9, 27; 1, 11, 31). Dabei macht er an einer Stelle konkrete Angaben zur Art der redaktionellen Überarbeitung des ersten Buches von Contra Académicos (c. acad. 1,1,4 [lOOf.]): sane in hoc libro res et sententias illorum (seil. Licentii et Trygetii), mea vero et Alypii etiam verba lecturus es. Damit kommt deutlich zum Ausdruck, dass er die aufgezeichneten Aussagen zumindest nicht durchweg wörtlich in die Publikation übernimmt,62 sondern «nach rhetorisch-literarischen Kompositionsgesetzen überarbeitet».63 Auch in diesem Punkt steht Augustin in der Tradition der Dialogliteratur, wo man zwar durchaus betont, dass die Gespräche auch so geführt worden seien, wie man sie aufgezeichnet hat;64 doch sind solche Beteuerungen bereits vor Augustin kaum mehr als literarische Topoi,65 auch wenn an der Realität der Aufzeichnung durch den von Augustin erwähnten notarius — trotz der Konventionalität solcher Äusserungen — kaum Zweifel bestehen können.66 Zudem dürfte klar sein, dass die Formulierungen, wie sie die schriftliche Version festhält, nicht in jedem Fall wörtlich dem entsprechen können, was tatsächlich gesagt wurde, bzw. dass nicht alles im Wortlaut so gesagt worden sein kann, wie Augustin es wiedergibt: Dagegen sprechen die durchdachte Gliederung und Abstimmung der Aussagen aufeinander (auch über längere dazwischen liegende Abschnitte hinweg); die z.T. sehr langen, gut komponierten Vorträge (bes. die orationes perpetuae in allen drei Dialogen; s.u. Ss. 285f.). Die sorgfaltig geführte Diskussion und die subtile Zurechtbiegung der stoisch-akademischen Argumente für den Zweck der eigenen Fragestellung entsprechen zwar sicherlich Augustins rhetorisch und dialektisch geschulten Fähigkeiten; doch ist der Verlauf des Gesprächs ja auch stark von den Antworten seiner Dialogpartner abhängig, die gerade bei den jüngeren Schülern zwar oft ungeschickt ausfallen und manchmal nicht zur Frage passen, im Endeffekt aber doch stets dem Standpunkt zuträglich sind, den Augustin vertritt (s. bes. Ss. 243-245.). Entspre-

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Da die Aussage in c. acad. 1 , 1 , 4 nicht auf den ganzen Dialog bezogen werden kann (gegen Philippson, 145f.; Feldmann et al., 249f.), ist — zumindest theoretisch — für die anderen Gespräche mit einer Stilisierung der Aussagen aller Gesprächsteilnehmer (d.h. auch Augustins und Alypius') zu rechnen. So Hoffmann, 135. Vgl. bes. Cie. Tusc. 2, 9: disputationem habitam non quasi narrantes exponimus, sed eisdem fere verbis ut actutn disputatumque est. Dazu O'Meara, Academics, 23, und Hist, 167f. (= ders., Studies, 17f.), der neben der Stelle Cie. Tusc. 2, 9 im weiteren auf eine Reihe von Stellen in Piatons Dialogen verweist; vgl. auch Gunermann, 191 f.; Gawlick/Görler, 1022f. Dazu B.L. Meulenbroek, The Historical Character of Augustine's Cassiciacum Dialogues, Mnemosyne 13 (1947) 203-229, gegen A. Gudemann, Sind die Dialoge Augustins historisch? (München 1926) 16-27; Hirzel, 2, 377 mit Anm. 3; Dyroff, 22. Vgl. auch H. Hagendahl, Die Bedeutung der Stenographie für die spätantike Literatur, JbAC 14 (1971) 24-38, bes. 34.

7. Dialogform und Struktur

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chende Retuschen dürften den Gesprächsverlauf wohl zugunsten eines stringenteren Gedankengangs und einer zügigeren Lektüre korrigiert haben. Auf diese Redigierung ist wohl auch der Umstand zurückzuführen, dass die inhaltlich weniger hochstehenden, z.T. repetitiven Aussagen im Gesamtablauf des Dialogs und damit auch in der Darlegung der Problematik doch auch ihre Funktion haben (s. bes. Ss. 21 If. und 285f.). Die Cassiciacum-Dialoge können also weder als historiographisch genaue Tatsachenberichte noch als szenisch ausgestaltete Diskussionsprotokolle verstanden werden, sondern sind philosophische Traktate in der traditionellen Form des literarischen Dialogs. Dabei steht ausser Zweifel, dass Augustin im Herbst 386 über die darin behandelten Themen mit seinem Kreis in Cassiciacum Gespräche geführt und diese in Form der Aufzeichnungen für seine Publikationen als Vorlagen benutzt hat; doch das in der Dialogtradition vorgegebene Privileg, die Aussagen und Handlungen umgestalten und stilisieren zu dürfen, durfte bzw. musste er sich herausnehmen.

7. Dialogform und Struktur Wie in bezug auf Inhalt und Stilisierung stehen die drei Dialoge Contra Académicos, De Beata Vita und De Ordine auch bezüglich der Form in der Nachfolge einer literarischen Tradition, die über Cicero und Vano auf Piaton und Aristoteles zurückgeht und in der lateinischen Literatur vor Augustin namentlich von Tacitus und Minucus Felix weitergeführt worden ist.67 Merkmale dieser Formtradition finden sich in den drei Cassiciacum-Dialogen in verschiedener Hinsicht: Die Behandlung einer Thematik im Rahmen einer Gesprächsrunde, die etwa als schola bezeichnet wird (s. zu 3, 4, 7 [13]), in einer szenisch mehr oder weniger ausgestalteten Umgebung;68 der Gesprächston ist urban-höf67

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Dazu Hirzel, 2, 376f.; Voss, Dial., 225-230; Schmidt, 114f. und 170. — Später steht Augustin der literarischen Dialogtradition kritisch gegenüber; vgl. bes. epist. 118 passim (z.B. 1, 2: ecce enim tot dialogi ledi si ad videndum finem et capessendum omnium actionum tuarum nihil te adiuverunt, quid prosunt?). Gemäss der Typologie von Voss, Dial., 197ff., bilden Contra Académicos, De Beata Vita und De Ordine — innerhalb der literarischen Dialoge — die Gruppe der szenischen (d.h. erzählten) Dialoge, im Gegensatz zu den nicht-szenischen (dramatischen: Gespräch zwischen Lehrer und Schüler ohne szenische Ausgestaltung; hierzu gehören soliloq.', quant. anim.; lib. arb.; mus.; mag.). Schmidt, 114f„ der nach inhaltlichen und funktionalen Kriterien gliedert, ordnet die drei Cassiciacum-Dialoge dagegen auch zusammen mit nicht-szenischen Dialogen dem Typ der philosophisch-theologischen Dialoge zu (De Musica dagegen gehört nach Schmidt zur Kategorie der didaktischen Dialogo); die Soliloquia nehmen in Schmidts Typologie eine Sonderstellung ein. Beide Forscher teilen die dogmatischen Kontroversdialoge bzw. Disputationsaufzeichnungen, die den grössten Teil der christlichen lateinischen Dialoge ausmachen, einer gesonderten Kategorie zu.

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Einleitung

lieh, 6 9 das Gespräch ist sehr sorgfältig strukturiert, die Äusserungen der Dialogteilnehmer sind nach kompositorischen und dialektischen Prinzipien aufeinander abgestimmt. Wie in einem protreptischen Dialog oder in einem Kontroversdialog stehen am Schluss ein bzw. einer oder mehrere der Vertreter der Gegenposition als fest, (s. zu 2, 4, 10 [40]) 70 und über den Verlauf und Ausgang der dialogischen Auseinandersetzung wachen einer oder mehrere iudices (s. zu 2, 8, 21 [28-30]). Auch wenn in bezug auf die szenische Gestaltung und die z.T. formelhaften Wendungen in den szenischen Dialogpartien vieles an Cicero erinnert (s. Abschnn. 5 und 12), ist doch die Gesprächsführung klar als bei Cicero, d.h. sie ist eher mit den platonischen Dialogen vergleichbar.71 Doch in der von Cicero adaptierten aristotelischen Tradition steht Augustin in dem Sinn, dass er den dialogischen Partien — am Werk- und z.T. am Buchanfang — nicht-dialogische Proömien voranstellt und sie mit einer oratio perpetua abschliesst (s.u. S. 75 bzw. S. 285). 72

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Vgl. J. Doignon, Augustinus in Cassiciacum und die Kultur seiner Zeit: Verbundenheit und Ablösung!, RQA 85 (1990) 52-56. Zum Urbanen Ton der ciceronischen Dialoge vgl. Becker, 16-23. Es besteht allerdings ein klarer Unterschied zu einem , wie ihn Augustin in einer anti-häretischen Disputation erreichen will; dazu Voss, Dial., 207: «Hier [d.h. in c. acad.) geht es nicht um die Überwindung eines vielleicht zufalligen Gegners, eines im Grunde beliebigen Vertreters irriger Anschauungen, sondern um den Sieg über den Irrtum selbst, um einen Sieg für die Wahrheit». Vgl. dagegen das (sicher zu Unrecht) vernichtende Urteil von Marrou, 242/209: «Dans les Dialogues, on a parfois l'impression qu'il s'agit moins de dégager la vérité que d'obtenir que l'adversaire se confesse vaincu»; vgl. dens., 311/265, zu c. acad.: «C'est une joute oratoire plus qu'une sérieuse recherche de la vérité» («Das Ganze ist mehr ein Rededuell als ernsthafte Wahrheitssuche»). — Zur Tradition der , die die durchmachen, in den protreptischen Dialogen (z.B. in Ciceros Hortensius und in Minucius Felix' Octavius) vgl. C. Schäublin, Konversionen in antiken Dialogen? in: ders., (Hrsg.), Catalepton. Festschrift B. Wyss (Basel 1985) 117-131 (gegen Voss., Dial., 321, der behauptet, die antiken Dialoge seien «vergleichsweise »). Zu beachten ist, dass ausser im Hortensius in den ciceronischen wie in den anderen nicht-christlichen philosophischen Dialogen die Überzeugung der Gesprächsteilnehmer nie das Ziel des Dialogs ist (vgl. Schäublin, a.a.O., 117f.), weshalb eine Konversion in den ciceronischen Dialogen ausser im Hortensius, in den Tusculanen und in De Divinatione auch nicht stattfindet (dazu Becker, 55-58). Für einen möglichen Einfluss der Form der varronischen Dialoge s. zu 3, 1, 1 (2). Hoffmann, passim, spricht von «echter sokratischer Mäeutik» (S. 162) in der Dialogtradition Ciceros und Varros. Immerhin ist auch damit zu rechnen, dass Augustin platonische Dialoge (zumindest in Auszügen) in Übersetzung gelesen hat (s.u. Abschn. 11, bes. Anm. 125 S. 41). P. Valentin, Un «protreplique» conservé de l'antiquité: Le «Contra Académicos» de saint Augustin, RSR 43 (1969) 12f., nimmt das Aufbauschema auch für

7. Dialogform und Struktur

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In Contra Académicos lassen sich aufgrund von sowohl inhaltlichen wie auch formalen Kriterien klar zwei Teile voneinander abgrenzen: Je ein Proömium leitet zwei durch eine siebentägige Pause unterbrochene Dialogsequenzen ein (Buch 1 bzw. Bücher 2/3), die je drei Tage dauern. 73 Der zweiten Sequenz, die sich über zwei Bücher erstreckt und entsprechend länger ist, ist ein entsprechend umfangreicheres Proömium vorangestellt (2, 1, 1 - 2, 3, 9), und sie wird — wie die beiden anderen Cassiciacum-Dialoge — durch eine zusammenhängende Rede Augustins (3, 7, 15 - 3, 20, 43) sowie durch einen Epilog (3, 20, 44f.) abgeschlossen. Beide dialogischen Teile sind nach mehreren Prinzipien gegliedert, die sich in zwei Kategorien einteilen lassen: (a) die Gliederung nach äusseren Kriterien (Tagesablauf; Unterbrechungen durch themenfremde Diskussionen); (b) die Gliederung nach inhaltlichen Kriterien. Für Contra Académicos 2 und 3 ergibt sich demnach folgende Detailanalyse: Zu (a): Die Zahl der Zäsuren, die durch die hereinbrechende Nacht entstehen, nimmt — gewissermassen in einer Antiklimax — mit zunehmender Länge und wachsender Komplexität der Thematik ab: Während der (vergleichsweise kurze) Dialog zwischen den beiden Schülern Licentius und Trygetius vor dem Ende von Buch 1 zweimal durch die nächtliche Pause unterbrochen wird, muss der Dialog in Buch 2, wo nun auf der Grundlage der stoisch-akademischen Wahrnehmungstheorie diskutiert wird, vor dem Buchende nur einmal abgebrochen werden, und der Dialog in Buch 3 — im längsten der drei Bücher — findet nur noch an einem einzigen Tag statt. 74 Eine bestimmte Gliederungsfunktion haben auch die Unterbrechungen durch die Mahlzeiten: Am Anfang von Buch 2 steht — nachdem man Alypius die Aufzeichnungen der Gespräche von Buch 1 vorgelesen hat und während man von der Wiese zum Haus zurückgeht — Augustins Referat der Academicorum sententia (2, 5, 1 lf.), dem nach der Mittagspause (2, 5, 13) Alypius' Referat über die Ursachen der Spaltung der Akademie folgt (2, 6, 14f.). Die Mittagsmahlzeit unterbricht in Buch 3 den

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den Hortensias sowie für den Protreptikos des Aristoteles an und vermutet überhaupt dahinter eine spezifische Form des protreptischen Dialogs; entsprechend will er auch Augustins Contra Académicos ganz in der Tradition des aristotelischen Protreptikos und des ciceronischen Hortensius sehen. Doch ist einerseits die Anlage des Hortensius unsicher, und andererseits kann Augustins Dialog als Ganzes kaum als Protreptikos bezeichnet werden (s.u. Abschn. 8). Die beiden Bücher von De Ordine sind nicht durch ein Proömium geschieden und bilden auch inhaltlich eine festere Einheit als die beiden Teile von Contra Académicos. Es ergibt sich folgendes Schema: Buch 1: 3 Tage (1, 2, 5 - 1, 4, 10; 1,4, 11 1, 5, 15; 1, 6, 16 - 1, 9, 25); Buch 2: 2 Tage (2, 4, 10 - 2, 10, 24; 2, 11, 25 - 2, 13, 30); Buch 3: 1 Tag. Zu bemerken ist, dass zwischen Buch 1 und 2 sieben Tage Pause liegen (s.o. Abschn. 6).

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Einleitung

Disput zwischen Augustin und Alypius über den sapiens (3, 3, 5f. bzw. 3, 4, 8-10). Dabei fällt auf, dass die Diskussionen weder mit dem Tagesende noch vor der Mittagspause inhaltlich zu einem Abschluss kommen (ausgenommen bei den Zäsuren, die mit den Buchenden zusammenfallen), dass also die durch die äusseren Umstände bestimmte Gliederung nicht der inhaltlichen entspricht. Vielmehr haben die Zäsuren offensichtlich retardierende Funktion, d.h. die Unterbrechungen bieten einen Anlass, die diskutierten Punkte noch einmal zu wiederholen bzw. umzuformulieren und auch zu vertiefen (s. bes. Ss. 21 If.). 75 Gliederungsfunktion haben auch die Gespräche, die mit dem Dialogthema nicht unmittelbar im Zusammenhang stehen, d.h. die Partien, welche die Zuweisung von Aufgaben und die Zuteilung der Rollen im Disput zum Inhalt haben (2, 4, 10: Licentius bittet Augustin um das Referat der Academicorum sententia; 2, 5, 13: Alypius erhält den Auftrag zum Referat über die differentia novae ac veteris Academiae\ 2, 8,21: Alypius übernimmt die Rolle der Verteidigung der Akademie; 3, 1, 1: Rekapitulation der Standpunkte; 3, 7, 14: Alypius fordert Augustin zur oratio perpetua auf), oder die szenischen Zwischenspiele (2, 7, 16: Aufforderung an Licentius zur Teinahme am Dialog; 2, 7, 17f.: Zweifel des Licentius an seinem Standpunkt; Reverenz an Romanianus; 3, 4, 7: Zurechtweisung des Licentius). Diese Kriterien der Gliederung von c. acad. 2 und 3 ergeben folgendes Schema (die Abschnitte, in denen keine philosophischen Diskussionen stattfinden, sind in der Darstellung eingerückt): Proömium 4. Gesprächstag: Licentius bittet Augustin um ein einführendes Referat (2,4, 10) Referat Augustins (2, 5, 1 lf.) Mittagessen (2, 5, 13) Referat des Alypius (2,6, 14f.) Licentius wird zur Teilnahme am Dialog aufgefordert (2,7, 16) Beginn der Diskussion zwischen Augustin und Licentius (2.7, 16) Licentius beginnt an seiner Position zu zweifeln; man vermisst Romanianus (2, 7, 17f.) Abschluss der Diskussion Aug./Lic. (2, 7, 19 - 2, 8, 20) Alypius übernimmt Licentius' Rolle (2, 8, 21) Diskussion Augustin-Alypius (2, 9, 22 - 2, 10, 24)

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Besonders deutlich wird dies in Buch 1; vgl. Voss, Dial., 222: «Die Gliederungsfiinktion der Unterbrechungen zeigt sich darin, dass der Abbruch jeweils in eine Aporie fällt und der Neueinsatz am folgenden Tag mit einer Definition beginnt, die die Aporie löst».

7. Dialogform und Struktur

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5. Gesprächstag:

Tätigkeiten im Haus; Rekapitulation der Standpunkte (2, 11, 25) Diskussion Augustin-Alypius (2, 11, 26 - 2, 13, 30) 6. Gesprächstag: Rekapitulation der Standpunkte (3, 1,1) Diskussion Augustin-Alypius (3, 2, 2 - 3, 3, 6) Mittagessen; Licentius wird zurechtgewiesen wegen seiner zu grossen Begeisterung für die Dichtkunst (3, 4, 7) Diskussion Augustin-Alypius (3, 4, 8 - 3, 6, 13) Alypius fordert Augustin zur oratio perpetua auf (3, 7, 14) Augustins oratio perpetua (3, 7, 15 - 3, 20, 43) Epilog (3, 20, 44f.). Zu (b): Die inhaltliche Gliederung ist nicht zuletzt dadurch, dass sie von den durch äussere Umstände bedingten Zäsuren nicht durchweg deckungsgleich überlagert ist, nicht immer ohne weiteres ersichtlich.76 Immerhin markiert die Bucheinteilung jeweils auch einen thematischen Wechsel, wobei die Zäsur zwischen den Büchern 1 und 2 dadurch, dass sowohl die Fragestellung als auch die Dialogpartner wechseln, deutlicher ausfällt als die Zäsur zwischen den Büchern 2 und 3: In Buch 1 stehen sich die beiden Schüler Licentus und Trygetius gegenüber und diskutieren auf der Grundlage ihrer durch die Hortensius-Lcktüre erworbenen Kenntnisse über die Frage nach der Bedeutung der Wahrheitsfindung für die Erlangung der Glückseligkeit, wobei sich Licentius auf den skeptischen Standpunkt stellt (die Wahrheit kann nicht gefunden werden, und trotzdem ist die sapientia bzw. die béatitude für den Menschen erreichbar). Dem Disput im zweiten Teil (in den Büchern 2 und 3) werden dagegen eine detaillierte Zusammenfassung der Thesen der stoisch-akademischen Wahrnehmungstheorie sowie ein Abriss zur Geschichte der Akademie vorausgeschickt; die Dialogteilnehmer können also von vornherein auf einem besseren Vorwissen aufbauen. Zum höheren Niveau der Diskussion trägt auch der Umstand bei, dass Augustin selbst die Verteidigung der anti-skeptischen Position übernimmt und dass ihm — nach Licentius' in der Mitte von Buch 2 — Alypius als gegenübersteht. Zudem sind die Bücher 2 und 3 unter sich auch thematisch stärker verbunden als Teil 1 (Buch 1) mit Teil 2 (den Büchern 2/3): Die am ersten Tag in Buch 2 diskutierte Thematik (die Grundlagen der skeptischen Lehre; das Konzept des probabile bzw. veri simile) bildet einerseits die Grundlage für die Auseinandersetzung zwischen Augustin und Alypius am folgenden Tag (3, 1, 1 - 3, 6, 13)77 sowie für Augustins Widerlegung der skep-

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Dieser Umstand erklärt auch die nach inhaltlichen Kriterien vorgenommene, z.T. unmotivierte Kapiteleinteilung der Mauriner. Der Wechsel zur Thematik der Diskussion von Buch 3 ist gemäss 2, 11, 25 bereits für den 5. Gesprächstag, also für den letzten Abschnitt von Buch 2,

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Einleitung

tischen Thesen im ersten Teil der oratio perpetua, andererseits auch für dessen Ausführungen im zweiten Teil der oratio perpetua (das Konzept des veri simile im Kontext der These der Geheimlehre). Die in Buch 1 diskutierte Fragestellung ist im zweiten Teil dagegen nur noch im weitesten Sinn von Bedeutung. 78 Die inhaltliche Gliederung des zweiten dialogischen Teils von Contra Académicos79 lässt sich folgendermassen darstellen (die thematisch nicht unmittelbar relevanten Abschnitte sind kursiv gedruckt):80 Buch 2: Vorspann (2, 4, 10 - 2, 6, 15): 2, 4, 10: Vorbemerkungen 2, 5, 1 lf.: Referat Augustins über die stoisch-akademische Wahr nehmungstheorie 2, 5, 13: Zwischenstück 2,6, 14f.: Referat des Alypius über die Gründe der Abspaltung der Neuen Akademie Dialog Augustin-Licentius zum Begriff veri simile (2, 7, 16 - 2, 8, 20): 2, 7, 16 (1-10): Zwischenstück 2, 7, 16 (10-23): Das Vater-Sohn-Beispiel (1. Teil) 2, 7, 17f.: Zwischenstück 2, 7, 19 - 2, 8, 20: Das Vater-Sohn-Beispiel (2. Teil) Dialog Augustin-Alypius: Klärung der Positionen und Rekapitulation der Standpunkte (2, 8, 21 - 2, 13, 30): 2, 8, 21: Zwischenstück 2, 9,22f.: Augustins Verhältnis zur skeptischen Akademie; neue Fragestellung81 (—» Buch 3) 2, 10, 24: Die Gegenüberstellung von res und verba; Disposition der folgenden Diskussion

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vorgesehen; die Themenstellung ist in 2, 10, 24 bereits klar; die Positionen der beiden Kontrahenten sind bestimmt. Allerdings verhindern äussere Umstände die unmittelbare Fortsetzung, so dass man sich an diesem Tag auf die Rekapitulation der Fragen und Positionen beschränkt (s.u. Ss. 211 f.). Formal wird zwar in 2, 4, 10 an die Gespräche von Buch 1 angeknüpft, da sich Alypius die Aufzeichnung vorlesen lässt (s. z.St. [15]), und auch in bezug auf den Inhalt wird am Anfang des zweiten Teils und am Anfang von Buch 3 auf bestimmte Äusserungen in Buch 1 verwiesen (s. zu 2, 5, 11 [5f.]; 2, 7, 16 [5f.]; 3, 1, 1 [16]). Doch abgesehen davon besteht der Zusammenhang nur durch die Frage nach der Möglichkeit der Erlangung der sapientia bzw. beatitudo in Abhängigkeit von der Erlangung von Wissen. Für die inhaltliche Gliederung des Proömiums s.u. Ss. 55f. Vgl. auch die schematische Inhaltsübersicht bei Voss et al., 39-41, die sich vom vorliegenden Schema v.a. in der Gewichtung bzw. Über- und Unterordnung der einzelnen Teile unterscheidet. 2, 9, 23 (41): utrumnam possit verum inveniri.

7. Dialogform und Struktur

25

2, 11,25: Rekapitulation der vorangehenden Diskussion mit Alypius 2,11,26 - 2, 12,28: Rekapitulation der Bedeutung des Begriffs veri simile; Licentius schaltet sich in die Diskussion ein 2,13,29f.: Rekapitulation; Wiederholung der Fragestellung für die folgende Diskussion82 Buch 3: Dialog Augustin-Alypius: Die Bestimmung des sapiens (3, 1, 1 3, 6, 13) 3, 1, 1: Vorspann 3,2,2- 3, 2, 4: Exkurs: Die Bedeutung der fortuna für die Erlangung der sapientia 3, 3, 5f.: Der Unterschied zwischen dem sapiens und dem sapientiae studiosus: alter seit sapientiam, alter scire desiderai 3, 4, 7: Zwischenstück 3, 4, 8-10: Fortsetzung der Diskussion zum Thema 3, 5, 1 1 - 3 , 6, 13: Alypius bleibt nur noch die Möglichkeit der Berufung auf die έποχη. — Die Bedeutung der göttlichen Macht für die Erlangung der Erkenntnis 3, 7, 14: Zwischenstück Augustins oratio perpetua (3, 7, 15 - 3, 20,43) 3, 7, 15 - 3, 8, 17: Der ciceronische Streit der sapientes 3, 9, 18 - 3, 13, 29: Die Auseinandersetzung mit der skeptischen These 3,9,18-20: Die abschreckende Wirkung der These 3,9, 21 - 3, 10, 22: Da die Akademiker ihre These auf die zenonische Definition stützen, begehen sie den Fehler einer Petitio Principii 3, 10, 23 - 3, 13, 29: Die Widerlegung der skeptischen These: a) im Bereich der Physik (3, 10, 23 3, 11,26) b) im Bereich der Ethik (3, 12, 27f.) c) im Bereich der Dialektik (3,13, 29) 3, 14, 30 - 3, 16, 36: Die Auseinandersetzung mit der skeptischen These der εποχή 3, 14, 30: Rückverweis auf Alypius' Strategie der έποχη in Abschnitt 3, 5, 11

82

2, 13, 30 (38f.): utrum illorum argumentis probabile sit nihil percipi posse ac nulli rei esse adsentiendum.

26

Einleitung 3,14, 31: Der Streit zwischen sapiens und sapientia und die Folgerung: 3, 14, 32 - 3,15, 33: Der Bezug zwischen έποχή und error 3,15,34: Die Parabel der beiden Wanderer; die beiden Arten von errores 3,16, 35f.: Die ethische Relevanz des skeptischen Konzepts des probabile 3, 17, 37 - 3, 19, 42 (10): Die Geschichte des Piatonismus von Piaton bis Plotin 3, 17, 37: Die platonische Ontologie und Erkenntnislehre 3, 17, 38 - 3, 18, 41: Die These der platonischen Geheim lehre: a) Arkesilaos gegen Zenon (3, 17, 38f.) b) Karaeades gegen Chrysipp (3, 17, 39 - 3, 18, 40) c) Philon und Cicero gegen Antiochos (3, 18,41) 3, 18, 41 - 3, 19, 42 (10): Der Höhepunkt der platonischen Lehrtradition unter Plotin 3, 19, 42 (10) - 3, 20,43: Das Verhältnis zwischen platonischer und christlicher Lehre; Augustins .

Epilog (3, 20, 44f.) Die beiden nach äusseren bzw. inhaltlichen Kriterien erstellten Schemata sind von einer Reihe weiterer Gliederungsprinzipien überlagert: Im dialogischen Teil können durch den Wechsel von Augustins Gesprächspartnern Licentius bzw. Alypius zwei Abschnitte unterschieden werden, die je durch deren abgeschlossen werden (in 2, 7, 19 bzw. 3, 7, 14).83 Mit 3, 7, 14 ist die dialogische Auseinandersetzung beendet, und mit der oratio perpetua wechselt Augustin zu einer Argumentation, die sich vermehrt auf rhetorische Techniken stützt. 84 Gemäss der Disposition, die Augustin in 2, 10, 24 gibt und in 3, 7, 14 wiederholt, sind jedoch sowohl der dialogische Abschnitt von Buch 3 als auch die oratio perpetua bis 3, 16, 36 Teil der Auseinandersetzung mit den beiden Hauptthesen der skeptischen Akademie (bis 3, 13, 29 mit der These , bzw. in 3, 14, 30 - 3, 16, 36 mit der These ; auf diesem Weg erst er die religio seiner Kindheit wieder (s. zu 2, 2, 5 [60; 60f.]). Die Reaktion ist entsprechend: Augustin liest Paulus, der sich ihm vor diesem philosophischen Hintergrund neu erschliesst (s. zu 2, 2, 6 [68; 68f.]).106 Auch aus den Äusserungen am Schluss des Dialogs geht — trotz den vielen Schwierigkeiten, die sich für das Textverständnis bieten — klar hervor, welche Bedeutung Augustin der neuplatonischen Lehre beimisst. Als verissima philosophia befasst sie sich nicht mit der empirischen, sondern mit der intelligiblen Welt, d.h. mit demselben Bereich wie die christliche Religion (s. zu 3, 19, 42 [9f.; llf.]); doch werden gleichzeitig ihre Grenzen deutlich gemacht: Sie kann zwar eine rationale Durchdringung dessen bieten, was Augustin als Christ ; zur Erlangung der höchsten Erkenntnis gelangen die (meisten) Menschen jedoch nur durch göttliche Vermittlung (s. zu 3, 19, 42 [13f.]; 3, 20, 43 [ 17f. ; 21f.]). Die Lehre der Platonici dient somit sozusagen als , die deshalb akzeptiert wird, weil sie (s. zu 3, 20, 43 [23]). Die Bedeutung der neuplatonischen Philosophie für Augustin ist schwerlich ohne Bezug auf seine Lösung von der manichäischen Lehre zu sehen, die ihn lange Zeit davon abgehalten hat, den Weg zurück zur katholischen christlichen Religion zu gehen (s. zu 2, 2, 5 [60: tandem]).101 Zwar war seiner Beschäftigung mit dem Piatonismus bereits eine Phase vorausgegangen, in der er sich mit der skeptischen Philosophie auseinandergesetzt (s.o. Abschn. 9) und für das Studium sapientiae

und das otium philosophandi

begeistert hatte (s. zu 2,

2, 4 [36f.]); doch offensichtlich fand er erst in den libri Platonicorum ein System, welches ihm die Möglichkeit bot, bestimmte Fragen der christlichen Lehre rational zu klären. Was ihn dabei interessierte, war die rein geistige Gottesvorstellung,108 die Vorstellung einer immateriellen Welt, die in der Zwei106

107

108

Aus der vorliegenden Stelle wird somit deutlich, dass für Augustin «mit dem Neuplatonismus das Ziel des Wegs noch nicht erreicht ist» (so Dönt, 187). Dazu Mourant, passim, bes. 78; R. Ferwerda, Plotinus' Presence in Augustine, in: J. Den Boeft & J. Van Oort (Hrsgg.), Augustiniana Traiectina, Communications présentés au Colloque International d'Utrecht 1986 (Paris 1987) 109. Vgl. z.B. conf. 7, 9, 14; civ. 8, 4 p. 326, 15ff.; 8, 5 p. 328, 7ff.; 8, 9; 8, 12 p. 339, 2f. D.-K.; u.ö.

36

Einleitung

Welten-Lehre zum Ausdruck kommt, wie er sie Piaton selbst zuschreibt (s. zu 3, 17, 37 [23f.]), das Prinzip der Verinnerlichung durch die Rückkehr zu sich selbst und durch die Selbsterkenntnis, die zur Gotteserkenntnis vorbereitet (s. zu 2,9, 22 [17-21]), die Körperflüchtigkeit, die nebst der Ausprägung des Dualismus von Leib und Seele in der nachplatonischen Tradition mehr und mehr in den Vordergrund tritt.109 Andere Elemente der platonischen Lehre hat er jedoch nicht übernommen, sei es mit Absicht oder aus Unkenntnis, wie er überhaupt in den Frühschriften gewisse Aspekte des Piatonismus vereinfacht darstellt und verarbeitet, weshalb man ihn auch in keiner Phase als Neuplatoniker im engeren Sinn bezeichnen kann. Er hat sich ja — zumindest unmittelbar nach der ersten Begegnung mit dieser Lehre — auch kaum eine umfassende und detaillierte Kenntnis der Schriften und des Lehrsystems der Platoniker erwerben können, 110 zumal wahrscheinlich seine christlichen Quellen und ihm den Neuplatonismus bereits als eklektizistische und synkretistische Philosophie präsentiert haben dürften (s.u. Abschn. II). 111 Augustin wird auch später, nachdem er sich ein umfassenderes Wissen vom Neuplatonismus erworben hatte, die These weiter vertreten, dass platonische und christliche Lehre in gewissen Vorstellungen übereinstimmen, wobei er jeweils gleichzeitig auch die fundamentalen Unterschiede hervorhebt, die v.a. die Vorstellung der Menschwerdung Gottes und die Erkenntnisfähigkeit des 109

110

1,1

Zu den Kriterien der Kompatibilität zwischen Piatonismus und christlicher Lehre vgl. Madec, Néopl., 45f.; dens., Philos. Christ., 594 (= ders., Etudes, 173f.); dens., Plato, 236-238; Hadot, Présentation, 276f.; Flasch, 68-73 und 299-305; F.-P. Hager, Zur Bedeutung der griechischen Philosophie fiir die christliche Wahrheit und Bildung bei Tertullian und bei Augustin, A&A 24 (1978) 81f.; D. O'Meara, 113f./151f. Madec, Néopl., 43, spricht von einer «simplification radicale du platonisme, dont il ne s'est jamais départi» (vgl. dens., Conversion, 21 = Etudes, 64), Flasch, 34, 37f., 53f. und 56, von einem «vulgär-platonischen Konzept» und von «Schrumpfpiatonismus», Hadot, Présentation, 276-279, von einer «simplification», die er auf entsprechende Quellen (Doxographien) zurückführen will (s.u. Abschn. 11); Duchrow, 186ff., schränkt Augustins PiatonismusKenntnisse sicher zu stark ein, wenn er zumal in den Frühschriften nur eine «neuplatonisch überformte Stoa» verarbeitet sieht (S. 212). Vgl. dazu Holte, 73-76 u.ö., der allerdings den direkten griechisch-alexandrinischen Einfluss stark überbewertet; Madec, Plato, passim. Vgl. auch A. Cameron, Paganism and Literature in Late Fourth Century Rome, Entr. Fond. Hardt 23 (1977) 22: «One cannot but feel that if Augustine, or any other intelligent but disillusioned young intellectual in search of the truth, had walked into the lecture room of Proclus at Athens rather than Ambrose's church or Mallius Theodoras' villa, his story might have been different. But there was no Proclus in Rome or Milan, no hard-core pagan neoplatonist, to present him with the full truth according to Plato rather than just the bits that were consistent with Christianity. Significantly enough, like both Marius Victorinus and Firmicus Maternus before him, in neoplatonism Augustine found a bridge to Christianity».

11. Die Quellen

37

menschlichen Geistes betreffen. 112 Einige Aussagen in den Frühdialogen deuten darauf hin, dass er sich bereits in Cassiciacum über solche Unterschiede im Klaren war (s. zu 3, 19, 42 [15f.]). 113 Der späteren fundamentalen Kritik an den Piatonikern und ihrer erkenntnisoptimistischen superbia steht jedoch in den Frühdialogen eine uneingeschränkt positive Beurteilung Piatons und Plotins gegenüber, was nicht nur aus den Äusserungen in den Dialogen selbst, sondern auch aus seiner späteren Korrektur seines für die Academici und Platonici hervorgeht. 114

11. Die Quellen Als Hauptquelle liegen dem zweiten Teil von Contra Académicos Ciceros Academici Libri zugrunde, 115 ein Werk, das Augustin — wie seinen Autor — offensichtlich sehr geschätzt hat und dem er am Schluss des Dialogs die Reverenz erweist, indem er ihm seine eigene Schrift als nugae gegenüberstellt (s. zu 3, 20, 45 [50f.]).' 16 Von den Academici Libri sind uns zwei Fassungen je fragmentarisch überliefert: (a) Der Dialog Lucullus bildete in der ersten Fassung der Academici Priores den Abschluss einer , die auch die verlorenen Dialoge Hortensias und Catulus umfasste; der Lucullus enthält die Diskussion 112

113

114

115

116

Vgl. bes. civ. 8, 4-11; 8, 12ff.; 9, 17; 10, 23f.; 10, 29-32; 22, 27; conf. 7, 9, 13; 7, 20, 26; vera relig. 2f. und 6f.; epist. 118, 3, 16f. und 20; doctr. christ. 2, 60; trin. 4, 15, 20 - 4, 16, 21; s. auch zu 3, 17, 37 (6f.). Dazu G. Madec, Philos. Christ., 595f. (= ders., Etudes, 175f.); ders., Néopl., 45-47; ders., Plato, 236-238; Holte, 163; König, 126f. und 141f.; Hager (s.o. Anm. 109) 79-84; Liitcke, Auct. I, 65f.; K.S. Frank, Augustinus, incidi in libros (Augustinus und die Philosophie), in: H.W. Schmidt & P. Wülfing, Antikes Denken — Moderne Schule, Gymnasium Beiheft 9 (Heidelberg 1988) 292-294; Reale, 28. Dies wird insbesondere von Madec immer wieder betont (Néopl., 44f.; Christus I, 82; Conversion, 20f. [= ders., Etudes, 63f.]; u.ö.). retract. 1, 1,4: laus quoque ipsa, qua Platonem vel Platónicos seu Académicos philosophes tantum extuli, quantum inpios homines non oportuit, non inmerito mihi displicuit, praesertim contra quorum errores magnos defendenda est Christiana doctrina (s. auch zu 3, 17, 37 [6f.]). Dazu Lods, 34: «Ce qu'il faut retenir de ces considérations [d.h. im besonderen über die Christologie des frühen Augustin], c'est une explication du fait qu'Augustin, pendant si longtemps, n'a pas senti le besoin de rejeter le platonisme qui est bien réellement une voix de salut, mais sans sauveur. Son expérience au jardin de Milan n'était pas, à ses yeux, en contradiction avec l'idéal platonicien théocentrique qu'il avait professé depuis quelque temps». Für Buch 1 kann mit einiger Sicherheit der ciceronische Hortensius als Hauptquelle angenommen werden; dazu Hagendahl, 489-492; Testard, Cie., 186f.; Voss, Dial., 204f. Im Gegensatz zur späteren Kritik an Cicero; dazu C. Becker (s.o. Anm. 48) 119123; H. Hagendahl, Gnomon 32 (1960) 432f.; O'Donnell, 2, 164.

38

Einleitung

zwischen L. Licinius Lucullus, dem Feldherrn und Konsul des Jahres 74 v.Chr., der — unter dem Etikett der genuin-platonischen Lehre — die (im wesentlichen stoische) Position des Antiochos vertritt, und Cicero, der diesen mit den skeptischen Argumenten des Akademikers Philon zu widerlegen versucht, (b) Von den vier Büchern der überarbeiteten Fassung, den Academici Posteriores, in der Cicero die Verteidigung des Standpunkts des Antiochos auf Varrò übertragen hat, ist das erste Buch überliefert, das allerdings vor dem Ende abbricht.117 Die Frage, welche Version der Academici Libri Augustin zugrunde gelegt hat, ist nicht mit Sicherheit zu beantworten; zwar lässt sich aus Contra Académicos eine Reihe von Parallelstellen zu den erhaltenen Teilen auflisten, doch können natürlich auch diese wörtlichen Parallelen zu den Academici Priores auf Formulierungen in den Academici Posteriores zurückgehen.118 Identifizierbare wörtliche Zitate aus den erhaltenen Teilen der einen oder anderen Fassung finden sich in Contra Académicos nicht. Nur gerade in civ. 6, 2 (p. 247, 18-25 D.-K.) zitiert Augustin eine Stelle aus den Posteriores (Cie. ac. 1, 9; s. zu 2, 2, 3 [6-21]), woraus man schliessen kann, dass er mit Sicherheit zumindest die zweite Fassung gekannt hat.119 Für die ausschliessliche Benützung der Acade-

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119

In die vier Bücher der zweiten Version sind nur der Catulus und der Lucullus eingearbeitet. Dass die erste Fassung zusammen mit dem Hortensius als Trilogie konzipiert war, ist nicht unumstritten; vgl. W. Görler, Gnomon 52 (1980) 129 Anm. 15; vgl. aber auch Gawlick/Görler, 1020. — Für eine Darstellung der Überlieferungslage und des Inhalts von Lucullus und Academici Posteriores vgl. Reid, 28-51; W. Süss, Cicero. Eine Einführung in seine philosophischen Schriften (mit Ausschluss der staatsphilosophischen Werke) (Wiesbaden 1966) 32-51; K. Bringmann, Untersuchungen zum späten Cicero (Göttingen 1971) 123-137; P. MacKendrick, The Philosophical Books of Cicero (London 1989) 114-130; Gawlick/Görler, 1038f.; vgl. auch E. Lefèvre, Cicero als skeptischer Akademiker. Eine Einführung in die Schrift Academici libri, in: H.W. Schmidt & P. Wülfing (s.o. Anm. 112) 108-132. Für eine Zusammenstellung der Parallelstellen vgl. Drewniok, passim, und Hagendahl, 501f„ der davon ausgeht, dass Augustin nur ac. post, gekannt habe (498 und 60 Anm. 1; so auch Reid, 168); Begriffe wie pereipere, adsensio, probare usw., die Cicero für die entsprechende griechische Terminologie geprägt hat, gehen jedoch kaum auf bestimmte Stellen im erhaltenen Text zurück (vgl. die Kritik an Hagendahl bei Testard, Augustin, 55). Testard, Cie., 209f., lässt die Frage offen, da er die Parallelen in c. acad. zu den Academici Priores als Indizien für eine Benutzung dieser Fassung wertet. Aus den zahlreichen wörtlichen und inhaltlichen Parallelen zur ersten Fassung Hesse sich der Schluss ziehen, dass sich die Posteriores in den verlorenen Teilen nicht wesentlich von den Priores unterschieden haben. — J.J. O'Donnell, Augustine's Classical Readings, Ree Aug 15 (1980) 153f., erwägt die Möglichkeit, dass Augustin die Stelle Cie. ac. 1, 9, die eine Aufzählung der von Varrò behandelten Themen enthält, in einem Herausgeber-Vorwort seines Exemplars der varronischen Antiquitates gefunden haben könnte, die er für die Abfassung von De Civitate Dei benützt hat.

11. Die Quellen

39

mici Posteriores spricht der Umstand, dass Augustin den Hortensius offenbar nicht als Teil der Academici Libri betrachtet hat (s. zu 2, 7, 17 [30]), zu denen der Protreptikos in der als konzipierten ersten Version noch gehörte (s.o. Anm. 117). Die -Konzeption der Academici Priores scheint er aber gekannt zu haben, da er sich in c. acad. 1 mit dem Hortensius auseinandersetzt (s.o. Anm. 115); er wollte sie offenbar selbst nachbilden, indem er die beiden (zeitlich um sieben Tage getrennten) Dialogkomplexe von c. acad. 1 (Hauptquelle: Hortensius) bzw. 2 und 3 (Hauptquelle: Academici Libri [Posteriores'?]) in ein Werk zusammenfasste. Ciceros Academici Libri waren sicherlich Augustins Grundlage für die Terminologie und die Formulierung der Lehrsätze, Definitionen, Thesen und Argumente, die von beiden Seiten vorgebracht werden. Augustin verweist an mehreren Stellen explizit auf die ciceronische Schrift als Quelle, sei es pauschal (s. zu 2, 7, 17 [30]) oder bei der Wiedergabe eines Zitats oder Referats (s. zu 2, 11, 26 [28]; s. auch zu 3,7, 15 [28-32]). Trotzdem darf wohl nicht angenommen werden, dass die Argumente und Gedankengänge, zu denen in den erhaltenen Teilen von Ciceros Academici Libri keine Stelle als Vorlage nachgewiesen werden kann, durchweg aus verlorenen Teilen der Schrift stammen, wie überhaupt die Vorstellung, dass Augustin die Academici Libri mehr oder weniger um- und z.T. ausgeschrieben hat, wie dies Ohlmann und Drewniok in ihren Quellenstudien voraussetzen, längst als überholt gelten kann. 120 Allein das doxographische Material, das er anführt, scheint — entsprechend der umfassenderen Themenstellung in bestimmten Partien des Dialogs — vielfaltiger zu sein, als es Cicero in den Academici Libri insgesamt bietet. Aber auch mit der Verwendung anderer ciceronischer Schriften121 und auch nicht-ciceronischer Quellen ist mit Sicherheit zu rechnen: 122 So enthält das Proömium einen 120

121

122

Dazu vgl. Thimme (s.o. Anm. 91) 5f.; Bogan, 16; Testard, Augustin, 55. Auf Ohlmann und Drewniok beruft sich auch Nörregaard, 97. Sicherlich wird man nicht die Bücher 2 und 3 von Contra Académicos für die Rekonstruktion der verlorenen Teile von Ciceros Academici Libri zugrunde legen können, wie dies R. Philippson, M. Tullius Cicero (Philosophische Schriften), RE 7A, 1 (1939) 1130, vorschlägt: «Zur Rekonstruktion des Werkes können Augustins Bücher II und III c. Acad. verwendet werden» (vgl. noch Neuhausen, 357 und 387). — Augustin hat natürlich auch andere ciceronische Schriften (auch Reden) gekannt, auf die er in Contra Académicos öfter Bezug nimmt (s.u. Anm. 121). Neben den Academici Libri sind in Contra Académicos wörtliche Parallelen zum Hortensius, zu De Oratore, zum Laelius, zu In Verrem und zu In Catilinam festzustellen; inhaltliche Parallelen finden sich zu De Re Publica, De Finibus, zu den Tusculanen, zu De Natura Deorum und De Inventione. O'Donnell, Readings (s.o. Anm. 119) 153 und 157, stellt sich vor, dass Augustin ein florilegium Ciceronianum benützt habe, das er sich im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Rhetor möglicherweise sogar selbst zusammengestellt haben könnte. Gegen O'Meara, Academics, 15: «Very little matter is brought forward by Augustine which was not already found in Cicero».

40

Einleitung

Reichtum an Bildern und Topoi, die zwar an einigen Stellen auf eine Kenntnis von Ciceros Tusculanen schliessen lassen; doch ist auch hier der Einbezug neuplatonischer oder zumindest platonisierender Quellen offensichtlich (s. u. S. 57). Bei der Darlegung der These der Geheimlehre am Schluss von Buch 3, die bereits der Argumentation in Buch 2 zugrunde gelegt wird, beruft sich Augustin zwar explizit auf Cicero (s. zu 3, 20, 43 [4f.]), und der Abriss der Geschichte des Piatonismus in 3, 17, 37 - 3, 19, 42 lässt sich an einigen Stellen tatsächlich auf Cie. rep. 1, 16 zurückführen (s. zu 3, 17, 37 [10f.]); doch die Annahme einer Quelle, die neuplatonisches oder neupythagoreisches Gedankengut enthält, ist für diesen Schlussabschnitt der oratio perpetua kaum zu umgehen (s.u. Ss. 403f.). In seiner Argumentation gegen die These in den drei Teilbereichen der Philosophie (3, 10, 23 - 3, 13, 29) beruft sich Augustin auf ein ausgesprochen breites Handbuchwissen, wofür er zwar an einigen Stellen deutlich auf Cicero zurückgreift; doch gerade bei einem Vergleich mit den entsprechenden Cicero-Stellen zeigt sich, dass Augustin auch andere Quellen beigezogen haben muss (Handbücher, Florilegien, Demographien, Tropensammlungen; s.u. S. 335).123 Angesichts von Augustins beachtlichen Kenntnissen auf dem Gebiet der formalen Logik, die sich einerseits in seiner Argumentationstechnik und andererseits in seinen Verweisen auf einschlägige Regeln manifestieren, wird man mehr als Ciceros Topica als Quelle annehmen wollen (vgl. bes. Augustins Ausführungen in 3, 13, 29; s. auch unten Ss. 333f.). Der Nachweis von nicht-ciceronischen Quellen in Contra Académicos gestaltet sich allerdings schwierig. Dies hängt zum einen mit der umstrittenen und wohl nicht eindeutig bestimmbaren Identität der platonischen Bücher zusammen, die Augustin gemäss seinen eigenen Aussagen vor seiner Bekehrung gelesen hat; zum anderen ist bei einem professionellen Rhetor mit einem umfassenden Schul- und Handbuchwissen zu rechnen, dessen schriftliche Grundlagen jedoch nicht überliefert sind. Ob es sich bei den im Proömium zum zweiten Teil von Contra Académicos erwähnten libri quidam bzw. den libri Platonicorum, die Augustin gemäss beat. vit. 1, 4 sowie conf. 7, 9, 13 und 8, 2, 3 vor seiner Bekehrung gelesen hat (s. zu 2, 2, 5 [52]), um Übersetzungen124 von Schriften Plotins oder Por123

124

Solignac, Doxogr., 115-128, will diese Quellen allerdings zum grössten Teil wiederum auf die Schriften Ciceros und insbesondere Varros zurückführe (vgl. Testard, Augustin, 59; Rist, 8f.). Doch muss im 4. Jh. mit einer weiten Verbreitung von Doxographien gerechnet werden (Dumont, Sensation, 4758f., bezeichnet die ganze Zeit der hellenistisch-römischen Philosophie bis zu den Neuplatonikem als «l'époque des doxographies»); vgl. auch C. Andresen, Zum Augustin-Gespräch der Gegenwart (Darmstadt 1962) 16. Regen, 223, stellt sich vor, dass Augustin mit einem Zettelkastensystem gearbeitet und sich so die Informationen selbst zusammengestellt hat. Dass Augustin die Schriften in lat. Übersetzung gelesen hat, dürfte klar sein (vgl. conf. 8, 2, 3; auch civ. 8, 10 p. 336, 17-22 D.-K.); zur Frage von Au-

11. Die Quellen

41

phyrios' oder irgend eines anderen Platonikers handelt, wird wohl nie genau zu klären sein (zur Diskussion s. zu 2, 2, 5 [52]), und ebensowenig lassen die Stellen in Contra Académicos, an denen Augustin deutlich auf platonisches Gedankengut Bezug nimmt (insbesondere im Proömium zum zweiten Teil und im Referat der Geschichte des Piatonismus am Schluss der Schrift), klare Rückschlüsse auf eine bestimmte Vorlage zu. Die meisten der und platonischen Metaphern sind in der lateinischen Literatur geläufig und deshalb nicht notwendigerweise auf eine bestimmte schriftliche Quelle zurückzuführen (die Reinigung der von der Sinnenwelt beschmutzten Seelen, das Sehend-Werden der in der Finsternis der diesseitigen Welt erblindeten Augen; die Selbsterkenntnis durch die Wendung nach innen; die Rückkehr der — nach ihrer Lösung von der Sinnenwelt — nun frei fliegenden Seele zu ihrem Ursprung bzw. in ihr Vaterland; usw.). Die Metaphern und Gedanken in c. acad. 2, 2, 6 - 2, 3, 7 lassen immerhin eine (indirekte?) Kenntnis von Plotins Traktat περί του καλοΰ (enti. 1, 6) vermuten (s. zu 2, 2, 6 [79]). Ein recht allgemeines Wissen von einigen Aspekten und Hauptthesen der platonischen Lehre verrät auch das Referat im Abriss der Geschichte der Akademie in c. acad. 3, 17, 37, wofür allerdings — wie bereits erwähnt (s.o. Ss. 39f.) — auch Cicero als Quelle nachzuweisen ist. Der Interpretation des Skeptizismus als Schutz der genuin platonischen Philosophie gegen die materialistische Lehre der Stoa liegt die Deutung der Ideenlehre als Zwei-Welten-Lehre zugrunde, die auf den (in der Kaiserzeit ausgesprochen einflussreichen) Timaios zurückgeht, den Augustin — wohl in der Übersetzung Ciceros — offensichtlich gekannt hat (s. zu 3, 17, 37 [25f.] und zu 3, 18, 40 [12f.]). Die Implikationen dieser Zwei-Welten-Lehre, die Augustin selbst vertritt und zum Kriterium der Kompatibilität von platonischer und christlicher Lehre macht (s. zu 3, 19, 42 [1 lf.]), bestimmen auch in der Auseinandersetzung mit dem skeptischen Konzept des probabile bzw. veri simile die Argumentation, die im Einzelnen an bestimmte Stellen aus dem platonischen Phaidros erinnert.125

25

gustins Griechischkenntnissen vgl. Courcelle, Lettres, 137-153; Marrou, 2746/25-41 und 631-637/489-495; G.J.M. Bartelink, Die Beeinflussung Augustins durch die griechischen Patres, in: J. Den Boeft & J. Van Oort (s.o. Anm. 107) 9f. S.u. Ss. 177f. mit Anm. 1; vgl. auch Fuhrer, veri simile, 116-119. — Zu den weiteren Dialogen Piatons, von denen bei Augustin insgesamt eine gewisse Kenntnis vorausgesetzt werden kann, vgl. Courcelle, Lettres, 158f. (Phaidon, Menon)·, die Kenntnis dieser Dialoge ist jedoch sicherlich indirekt und kann grösstenteils auf Referate in den Schriften von Cicero und Apuleius zurückgeführt werden. Vgl. dazu J. Doignon, Un faisceau de métaphores platoniciennes dans les écrits d'Augustin de 386, REAug 40 (1994) 39-43, der als Quelle für bestimmte Elemente aus dem platonischen Phaidon in Augustins epist. 2 sowie in De Beata Vita eine Stelle aus dem ciceronischen Orator vermutet (orat. 10).

42

Einleitung

Angesichts dieser wenigen, kaum konkreten Anhaltspunkte ist eine genaue Bestimmung der für Contra Académicos einschlägigen platonischen Quellen nicht möglich; entsprechend sind die verschiedensten Identifikationen der libri Platonicorum denkbar (und auch vertreten worden). Möglicherweise hat Augustin tatsächlich eine oder mehrere bestimmte Schriften Plotins oder Porphyrios' (in Übersetzung) genau gelesen; er kann aber auch handbuchartige Darstellungen der platonischen Lehre oder (lateinische) Exzerpte aus verschiedenen Schriften verschiedener Platoniker benutzt haben. 126 Vieles dürfte er im Gespräch mit Freunden und Bekannten kennengelernt haben, die sich ihrerseits mit Themen der neuplatonischen Philosophie auseinandergesetzt hatten, mit Mallius Theodorus, dem Adressaten von De Beata Vita, mit Zenobius, dem Adressaten von De Ordine, mit Simplicianus, dem Freund des Marius Victorinus, mit Nebridius, mit Ambrosius, vielleicht mit Calcidius,127 die sich damals ebenfalls in Mailand aufhielten und die man vielleicht zu einem (informellen) «circolo neoplatonico» zusammenfassen kann.128 In diesen Diskussionen im Mailänder 126

127 128

Dazu Cutino, 73. — Gemäss Beatrice, 254ff., hat Augustin all sein Wissen über die platonische Lehre im weitesten Sinn, das sich auch in den späteren Schriften manifestiert, aus einem einzigen Werk des Porphyrios, das er in civ. 19, 23 p. 393,4 D.-K. έκ λογίων φιλοσοφίας nennt, das auch mit De Regressii Animae, dem Brief an Anebon und κατά Χριστιανών identisch sein soll und also eine reiche Fülle an Informationen und Gedanken enthalten haben müsste. Allerdings kann man sich schwerlich vorstellen, wie sich Augustin durch diese (gegen die chritliche Lehre polemisierende) Schrift hätte veranlasst sehen können, in seinen Frühschriften die christliche und die neuplatonische Lehre für kompatibel zu halten (dazu Courcelle, Lettres, 165; O'Donnell, 2, 423f.); für Beatrice, 258, ist dies denn auch der Grund, warum Augustin Porphyrios weder in den Frühschriften noch in den Confessiones namentlich erwähnt; vgl. auch Rist, 16: «It is still uncertain whether Augustine read much, if any, of the work of Porphyry before about 400. If he did, he paid it no great attention, treating Porphyry simply as a major disciple of Plotinus». So vermutet Andresen, Gedanken, 94f„ nach J.H. Waszink im Vorwort zu seiner Ausgabe des Tima/os-Kommentars des Calcidius (S. XVI). Dazu Solignac, Circolo, passim, bes. 43: «Il termine si giustifica in quanto designa i membri di questo gruppo ed il loro centro d'interesse»; Courcelle, Recherches, 251-255; Mandouze, Augustin, 470-473. Kritisch steht Madec, Milieu, passim, der Annahme eines (admoto M; kaum sinnvoll amoto HR: amoto a nobis ST: amato Ρ) 42 steht für die Idee des in 2, 2, 4 erwähnten otium philosophandi. Der Plural (Zz. 45-49: nobis ... cessavimus ... internos ... agebamus, putabamus) schliesst offenbar eine Gruppe Gleichgesinnter mit ein (möglicherweise die in conf. 6, 14, 24 erwähnten Leute; s. zu 2, 2, 4 [34]; kaum ein Pluralis modestiae). Die Feuer-Metaphorik bestimmt die ganze folgende Erzählung des Konversions-Erlebnisses und beschreibt eine Entwicklung in drei Stufen: Aus dem fomes entsteht (1) noch nicht die (Flamme in ihrer vollen Grosso (Z. 50: fiamma, quae summa nos adreptura erat), sondern (2) erst eine schwelende Flamme (Zz. 50f.: qua lenta aestuabamus), die man aber für hielt (Z. 51 : arbitrabamur esse vel maximam)·, nachdem jedoch die libri quidam pieni Öl in dieses (Z. 53: illiflammulae) geträufelt hatten, entstand daraus (3) eine (Zz. 56f.: incendium).43 45-47 numquam cessavimus . . . prorsus nihil aliud cogitare:

(mit Bezug auf Licentius' Begründung seiner Bitte um ein Referat deTAcademicorum sententia [Zz. 23f.]: ne quid in ea me fugiat, quod pro partibus meis sit). 36 bona fide: . Vgl. 2, 5, 11 (1): agam ... bona fide; 2, 5, 12 (33-35): videor mihi... egisse ... bona fide. Mit seinem Appell hält Alypius Augustin dazu an, im folgenden Referat nicht etwas absichtlich auszulassen, um seine Aufmerksamkeit und Kompetenz zu prüfen. S. auch zu 2, 5, 13 (42). 38f. a quo me ista didicisse nullus qui me novit ignorât: Alypius schiebt damit die Verantwortung für seine eigenen möglichen Wissenslücken Augustin zu. Dass er seine Kenntnisse über die akademischen Thesen seinem Lehrer Augustin verdankt, betont er öfter (vgl. 2, 6, 14 [4]; 2, 10, 24 [10]; 2, 13, 29 [9f.]; s. auch zu 2, 13, 30 [26f.]); zum biographischen Hintergrund vgl. Einl. Abschn. 4.3. 39 praesertim cum: Konzessiv (vgl. Kühner-Stegmann 2, 2, 349): . 17-19 unde ... non cunctatus es: Augustin rechtfertigt mit dieser Bemerkung seine Umformulierung von Alypius' Aussage (s.o. zu Z. 17) und sichert sich dadurch, dass Alypius nicht widerspricht (bzw. dadurch, dass Augustin als Autor Alypius nicht widersprechen lässt), dessen Einverständnis. S. auch unten zu Z. 22. 19f. qui nihil didicit ... qui nihil novit: Die Substitution von didicisse durch nosse (im Anschluss an die Definition des sapiens als habens sapientiae disciplinant) ermöglicht den Übergang zur Auseinandersetzung mit der skeptischen These wird von Augustin im weiteren Verlauf der Argumentation noch mehrmals vorgebracht (3, 4, 10 [89-91]; 3, 5, 12 [45f.]; 3, 8, 17 [34f.]; 3, 9, 19 [21-25]; 3, 9, 20 [41]; 3, 14, 30 [26-28]; 3, 14, 31 [44]). Es ist aber natürlich nicht genuin akademisch (s. auch zu 3, 9, 20 [35f.]>; vergleichbar ist immerhin Lucullus' Argument in Cie. ac. 2, 24: ipsa vero sapientia, si se ignorabit, sapientia sit necne, quo modo primum obtinebit nomen sapientiae?

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28 si potes: Zum ironischen Ton dieser Wendung s. zu 2, 7, 19 (72). 29 hoc limite universa concludis: concludere ist doppeldeutig und heisst (a) Σώκρατες; ερωτώμενος άντερωτφς;); vgl. dens., Streitgesang, a.a.O., passim (vgl. auch die Ausführungen bei Voss, Dial., 292ff.). — In den Kontroversdialogen beruft sich Augustin ebenfalls auf diese Regeln (vgl. bes. Contra Faustum und Contra Felicem-, s.u. zu Z. 54). Erler, Gesprächstrategie (s.o. Anm. 16) 290f., meint, dass an der vorliegenden Stelle ein Missverständnis von Seiten Augustins vorliege, der nicht erkannt habe, dass die Gegenfrage des Menalcas als Variation des vom Gegner aufgegriffenen Themas durchaus den Regeln des eristischen Disputs entspreche (s.o. zu Z. 44). Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob die Regeln des Tuscum iurgium, die Augustin in der Gegenfrage der vergilischen Hirten findet, tatsächlich mit den Regeln des eristischen Disputs vollständig identisch sein müssen. Zumindest Augustin scheint für sie die volkstümliche altercatio (und das par pari respondere) auszuschliessen.

3,4,9

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48 rusticanum et plane pastoricium esse iudicavit: Die Beantwortung der Frage des Damoetas (V. 104: die quibus in terris etc.) mit einer Gegenfrage (V. 106) steht am Schluss des Wettstreits, in dem die beiden Hirten abwechslungsweise zwei Verse , die nur einen losen Bezug zueinander haben. 18 Die Strategie der Gegenfrage wird somit — gemäss Augustin von Vergil selbst — durch ihre Zuweisung an die Hirtengespräche bzw. -gesänge (wo sie passend ist; vgl. Z. 47: decenter) als rusticitas qualifiziert. Zum Vorwurf der rusticitas bzw. inurbanitas, d.h. der fehlenden eruditio im Diskutierstil, vgl. Quint, inst. 6, 3, 17 (s. auch zu 3, 15, 33 [10]). 52 quod: Seil, rusticanum et plane pastoricium. — in vUla: D.h. der Aufenthalt auf einem Landgut berechtigt nicht zur rustieitasi — certe vel: = vel certe (vgl. TLL 3, 939, 28ff.); vel ist Konjunktion, nicht Adverb. 53 istae balneolae: S. zu 3, 1, 1 (2). Der Diminutiv unterstreicht die Ironie im Vergleich mit den gymnasia. — gymnasiorum: Der traditionelle Schauplatz philosophischer Gespräche; s. zu 3, 16, 35 (19f.). 54 ad id ... quod rogo, responde: Vgl. c. Fort. 5: immo tu dignare respondere id, quod interrogans; ibid. 31: iterum me interrogas, ad interrogata responde; c. Fei. 1, 19; 2, 9; u.ö.; vgl. auch ord. 1, 5, 12. Zu dieser Regel vgl. Erler, Gesprächsstrategie (s.o. Anm. 16) 302-304. 54f. videturne tibi sapiens Academicorum scire sapientiam: Die Wiederholung der Frage von 3, 4, 8 (40f.): utrumnam tibi videatur scire sapientiam (s. z.St.). 55f. ne ... in longum eamus: Zu in longum ire («weitschweifig werden); so auch in pecc. mer. 2, 17, 26) vgl. Hensellek, 166 (§ 104): «eine rein augustinische Wendung»; vgl. auch 3,4, 6 (44): in longum progresses. — verba verbis referendo: «dadurch, dass wir Gesagtes wörtlich wiedergeben. In seiner Antwort (Z. 56: videtur videri sibi scire) wiederholt Alypius Augustins Aussage tatsächlich nicht wörtlich, sondern ändert tibi (Z. 54) zu sibi und fügt videri hinzu (s. auch zu 3, 4, 8 [40f.]). Er tut dies jedoch wohl nicht deswegen, weil er Augustins Frage nicht wörtlich wiederholen will, sondern um seinen Standpunkt zu präzisieren. 57 videtur ... tibi nescire: «scheint dir also, dass er sie nicht weiss?» Die Frage provoziert eine Negation; vgl. 3, 3, 5 (28f.): die iam ... sapientem nescire sapientiam. 59f. potes ... aut aiere aut negare: aiere und negare oft als Gegensatzpaar (vgl. z.B. Cie. fin. 2, 70; ac. 2, 97; u.ö.). — Augustin nimmt damit einerseits auf die von ihm in 3,4, 8 (32-34) geäusserte 18

Zur Art dieser Agone, die für die Hirtendichtung seit Theokrit charakteristisch sind, vgl. Erler, Streitgesang (s.o. zu Z. 44) passim.

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Regel Bezug (s.o. zu Z. 44); andererseits scheint er damit auch Alypius' Restriktion durch das skeptische Prinzip der έποχή Rechnung zu tragen: Nach einem von Cicero in ac. 2, 104 als kleitomacheisch referierten Zeugnis (vgl. potes) der Skeptiker tatsächlich mit bzw. antworten, wenn die probabilitas ihm dies nahelegt (dazu G. Striker in Schofield et al., 61 und 77; R. Bett, Carneades' Distinction between Assent and Approval, The Monist 73 [1990] 3-20, bes. 4, und ders., Pithanon [s.o. Anm. 31 S. 157] 74f.; Chr. Schäublin, Kritisches und Exegetisches zu Ciceros II, MH 50 [1993] 165 Anm. 25; Allen [s. zu 2, 5, 12 {27}] 89); dabei handelt es sich nicht um eine im Sinn der stoischen adsensio, sondern um die Strategie des probabile sequi (s. zu 2,5,12 [29]): adiungit (seil. Clitomachus) dupliciter dici adsensus sustinere sapientem, uno modo cum hoc intellegatur, omnino eum rei nulli adsentiri, altero cum se a respondendo ut aut adprobet quid aut inprobet sustineat, ut ñeque η e g et aliquid ñeque ai at. id cum ita sit, alterum piacere ut numquam adsentiatur, alterum tenere ut sequens probabilitatem, ubicumque haec aut occurrat aut deficiat, a u t 'etiam' aut 'non' respondere ρ o s s i t. 19 Auf diese Möglichkeit der Bejahung oder der Verneinung scheint Augustin an der vorliegenden Stelle Bezug zu nehmen: Sie steht Alypius offen, da wegen der Formulierung von Augustine Frage (Z. 57: videtur... ?) seine Antwort in beiden Fällen auf der Stufe der probabilitas bleibt und er die εποχή somit beibehalten kann (s. zu 3, 3, 5 [30]). Vorlage fiiir Augustine Hinweis könnte sehr wohl die zitierte Cicero-Stelle bzw. eine entsprechende Äusserung in den Academici Posteriores gewesen sein (vgl. Hagendahl, 65 [test. 140]; vorsichtiger ist Testard, Augustin, 56). 60f. ita mihi ... ut tibi aut ita tibi ... ut mihi: Alypius, der sich in seiner Argumentation auf die Relativität der Urteile beruft (s. zu 3, 3, 8 [27f.]), wünscht sich hier, dass Augustins Urteil über die Schwierigkeit des zur Diskussion stehenden Problems mit seinem eigenen übereinstimmen würde. 62f. cum me interrogares, quid ... videatur: In Zz. 54f. Zum freieren Umgang mit der Consecutio temporum im Spätlat. vgl. LHS, 550f.; vgl. auch 3, 17, 37 (Zz. 4f.): ut explicarem ... quale mihi esse videatur. 19

. Die Aussage ist analog zu den Äusserungen zur Strategie der Skeptiker zu verstehen: Man lässt sich an der Stelle vom Gegner , die zugleich die Grundlage bietet, sich der Umklammerung wieder zu entziehen (vgl. Zz. 6f.: hoc ipso ... quo convictos putas; 3, 5, 12 [28]: eo ipso, quo victus est).11 Im Vergleich mit Proteus ist allerdings nicht ganz klar, in welcher Hinsicht dieser die Angriffe seiner Gegner zu seinem Vorteil hätte ausnutzen können; das Tertium comparationis ist also wohl nur die Fähigkeit, sich nach erfolgter dem Gegner durch eine Veränderung der Gestalt (bzw. des Standpunkts) immer wieder zu entziehen. 19 namquam ... nisi: S. zu 3, 6, 13 (3f.) mit Anm. 15 S. 278. — eundem: , le numen providentiel qui parfois favorise les doctes». «Auf diese Weise ist das Ausgangsproblem gelöst, wenn auch ohne zwingende Argumentation». Nicht ganz korrekt deshalb O'Meara, Porph. II, 131: «The deity in question [seil, in c. acad. 3, 5, 11] is described in de ordine II, 43 as universae veritatis index and is clearly Christ»; diese Aussage trifft nur auf die Stelle c. acad. 3, 6, 13 (3f.) zu (s. z.St.).

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24 bona ... quot et quanta: Augustin nennt im folgenden zwei Punkte, in denen er die Akademiker als widerlegt betrachtet (Z. 24: primum ... Z. 29: deinde); einen dritten Punkt, den Proteus-Vergleich, behandelt er in 3, 6, 13 (vgl. ibid. Z. 17: hoc ergo tertium bonum etc.). 26 quod fieri non potest: Alypius' Rückzug auf den Standpunkt des universellen Skeptizismus in 3, 5, 11 (4-14) wird von Augustin nicht akzeptiert, sondern als Niederlage interpretiert (in diesem Sinn als bonum gemäss Z. 24); die These gilt damit als widerlegt. 27 intellegere ... credere: Zu diesem Begriffspaar s. zu 3, 20, 43 (21 f.). 28 eo ipso, quo victus sit: S. zu 3, S, 11 (6f.). Zum Topos des siegreichen Besiegten s. zu 3,14, 30 (11-13). 29 deinde: Das zweite bonum (s.o. zu Z. 24) besteht darin, dass Augustin die skeptische Haltung der Akademiker (die εποχή) bezüglich der Aussage isapiens seit sapientiam> für sich selbst beansprucht (s.u. zu Z. 35), d.h. dass in diesem Punkt Einigkeit herrscht (Z. 31). 31 nunc itaque concordes sumus: S. zu 2, 9, 23 (43f.). 32 ut mihi, ita etiam ¡His videtur sapientem scire sapientiam: S. zu 3, 3, 6 (62f.). Das Zugeständnis, das Augustin Alypius am Ende von § 9 abgerungen hat (s. auch zu 3, 4, 10 [92]), wird nun den Akademikern selbst zugesprochen; die Differenzierung zwischen den Thesen der Akademiker bzw. des Alypius, die Augustin in 3, 4, 10 noch macht (Zz. 89-92: Ulis ... tibi autem), wird somit verwischt. 32f. sed tarnen ab adsensione illi temperandum monent: S. zu 3, 5, 11 (13f.). 33f. videri ... scire: S. zu 3, 3, 5 (30). 35 mihi quoque videri istuc dico: Zu Augustins Zurückhaltung, die durch videri zum Ausdruck gebracht wird, s. zu 2, 9,23 (44f). — sum enim stultus: stultus = nondum sapiens (s. zu 3, 8, 17 [25]). Zu dieser Selbsteinschätzung Augustins s. zu 2, 3, 9 (64). 36f. adprobare ... veritatem: Die Aussage wird der stoisch-akademischen Wahrnehmungstheorie insofern nicht ganz gerecht, als die (im Sinn der stoischen συγκατάθεσις) vom Zentralorgan nicht zum wahrgenommenen Objekt/Sachverhalt selbst, sondern zu einem Urteil gegeben wird, das den Inhalt einer () Erscheinung dieses Objekts/Sachverhalts artikuliert (s. zu 2, 5, 11 [22]). Vgl. aber bereits Cie. ac. 2, 141: adsentiri falso; ibid. 2, 53: ne adprobet falsa pro veris; 2, 66; 2, 68 (gemeint sind hier jedoch jeweils vera bzw. falsa visa bzw. deren Wahmehmungsinhalte). Indem Augustin die Veritas selbst zum Objekt der Zustimmung macht, gibt er der wahrnehmungstheoretischen Fragestellung — entsprechend seiner Interpretation des stoischen Wahrheitskriteriums — eine umfassendere Bedeutung: Es geht nicht um ein Problem im Prozess der Sinneswahrnehmung, sondern um die Erkenntnis der Wahrheit schlechthin (s. zu 2, 5, 11 [12]). S. auch zu 3, 14, 30 (25f.).

3, 5, 12 / 3, 6, 13

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39 numquam hoc dicent, sed earn non inveniri adseverabunt: In den verschiedenen Formulierungen dieser skeptischen These steht neben dem Verb des Wahrnehmens (percipi, conprehendi, sein) bzw. neben inveniri jeweils posse; Augustin entfernt sich damit mit seiner Formulierung Veritas non invenitur) weit vom üblichen Wortlaut (s. auch oben zu Zz. 36f.)· — Tatsächlich würden die Akademiker nicht bestreiten, dass man zu einem Urteil über eine «wahre Erscheinung) die Zustimmung geben müsse; sie würden jedoch bestreiten, dass sich wahre und falsche Erscheinungen überhaupt unterscheiden liessen, worauf ihre These (Zz. 67f.). Für discedere im Sinn von vgl. Cie. ac. 2, 115: discedamus a nobismet ipsis, de sapiente loquamur, Varrò ling. 8, 31: cum discessum est ab utilitate ad voluptatem. An der vorliegenden Stelle spielt auch bereits die im folgenden verwendete Kampf-Metaphorik mit hinein (s.u. zu Zz. 5f.; vgl. auch 3, 14, 30 [13]). 2 versutissimis: S. zu 2, 9, 23 (35f.). 3 morem tarnen vobis geram: Zu dieser ciceronischen Formel s. zu 3, 7, 15 (18). 3f. quid ... ? quid? quidnam?: Die Aporie, in die Augustin sich durch den Wunsch nach einem Wechsel der Thematik bringen lässt, wird hu-

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morvoll dramatisiert. Voss, Dial., 231, rechnet diese Stelle zu den «sicheren Terentiana» und bezeichnet Eun. 91 Of. (quid, quid venire in mentem nunc possit mihi,/ quidnam etc.) als Vorbild: «Hier steht Terenz zunächst im Schatten Ciceros [s.o. zu Z. 3], dann tritt er neben ihn». Die anaphorisch-emphatische Frage ist jedoch nicht notwendigerweise eine Terenz-Reminiszenz; vgl. bes. auch Cie. ac. 2, 125: vincam animum cuique adsentiar deligam — quem potissimum, quem?? Aug. epist. 3, 2: sed ubi est ista beata vita? ubi? ubinam? 4 illud ... vetus: S.u. zu Zz. 9f. 4f. ubi et ipsi habent quod dicant: Das Konzept des probabile bzw. πιθανόν; s.u. zu Zz. lOf. Sf. quem de castris meis foras truditis: Die castra stehen — wie die securissima (Z. 2) — für die aus der vorangehenden Diskussion gewonnene These (s.o. zu Ζ. 1). Zur Situation und zur Metaphorik, die im ganzen Abschnitt bestimmend ist, s. zu 3, 10, 22 (31). 6 inplorabo auxilia doctorum: Die Überlieferung doctiorum in ST (Maur. Joliv. Cap.) impliziert ein Eingeständnis eigener Unterlegenheit; hier sind jedoch wohl die gemeint, auf die (bzw. auf deren Schriften) Augustin sein Fachwissen zurückführt. Zum Motiv des Hilferufs an bestimmte Autoritäten der Schulphilosophie s. zu 3, 8, 17 (14). 6f. cum quibus ... minus pudebit fortasse superari: Vgl. das ciceronische Dictum, dass mit Piaton zu irren ehrenvoll sei (Cie. Tuse. 1, 39; orat. 42; vgl. Cato 85). 8 iaciam: Für die Metapher s. zu 2, 12, 28 (23f.). 9f. qui nihil adprobat, nihil agit: Das Argument der απραξία ist ein Hauptargumet der Gegner der Akademiker (s. zu 2,5,12 [24]), das offenbar als und abgegriffen gilt (Z. 4: illud ... vetus-, Zz. 8f.:fumosum quidem iam etscabrum; deshalb der folgende Vorwurf der rusticitas). Vgl. G. Striker in Schofield et al., 63 Anm. 25, mit Bezug auf die vorliegende Stelle: «[The argument] seems to have pretty well survived beyond antiquity». 10 o hominem rusticum: Der gegnerische Vorwurf der rusticitas (s. zu 3,4,9 [48]) bezieht sich auf Augustins Verwendung des altbekannten Arguments der απραξία (wozu er die skeptische Gegenargumentation bereits kennen sollte und vorwegnehmen könnte). lOf. probabile ... veri simile: Die Gegenargumentation gegen den Vorwurf der απραξία. Zu den Begriffen s. zu 2,5,12 (27; 27f.).

Vgl. dazu Reid, 324 (zu Ζ. 1), der, gestützt auf die vorliegende Augustin-Stelle sowie auf Cie. Verr. II 4, 5 (sed earum artificem — quem? quemnam? recte admones — Polyclitum esse dicebant), das zweite quem in quemnam ändern möchte.

3, 15, 33 / 3, 15, 34

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11 hoc volebatis: (Übersetzung Dörrie/Baltes). (Übersetzung Dörrie/Baltes). Lévy, Scepticisme, 346 (vgl. Krämer, 55 Anm. 212), führt zudem eine Stelle im anonymen Kommentar zu Piatons Theaetet an (col. 54, 38 - 55, 13): έκ τοιούτων λέξεών τίνες οΐονται 'Ακαδημαϊκόν τον Πλάτωνα ώς ούδέν δογματίζοντα. δείξει μέν οδν ό λόγος καί τους άλλους 'Ακαδημαϊκούς ύπεξηρη μένων πάνυ όλίγω[ν καί] δογματίζοντας καί μίαν ο υ σαν Άκαδήμειαν κατά το κά[κ]είνους τά κυριωτατα των δογμάτων ταύτα εχε[ι]ν τωι Πλάτων[ι.]. Wie jedoch Glucker, 304-306, zeigt, lässt sich diese Stelle nicht als Zeugnis für eine Geheimlehre deuten. c. — Das Misstrauen der Akademiker gegenüber Zenon wird durch dessen Studium bei fremden Lehrern erklärt (Zz. 41-44). Eine ähnliche Zurückhaltung bezeugt Cic. Tusc. 5, 34: Zeno Citieus, advena quidam et ignobilis verborum opifex, insinuasse se in antiquam philosophiam videtur,fin. 4, 56: ille Poenulus; dazu Steinmetz, 520f. Der Polemik zugrunde liegt wohl die Rivalität zwischen den beiden Polemon-Schülern Zenon und Arkesilaos (s.u. zu Zz. 45f.). — nec talem visum: Eine (ironische) Anspielung auf die Formulierung im Definiens der zenonischen Definition der kataleptischen Erscheinung (tale visum [Subst.]); s. zu 3, 9, 18 (11). 42 decreta: = δόγματα (s. zu 3, 8, 17 [32]). 42f. prodi committique: Vgl. die Wendungen veritatis sacra prodere in 2, 10, 24 (28; s. z.St. [27f.]) und de veritate sententiam prodere in 2, 13, 29 (18f.; s. z.St. [19]). Die παράδοσις der Geheimlehre ist die zweite Stufe im Ritual der Mysterienweihe (vor der Epoptie; s. auch oben zu Zz. 35f.); vgl. W. Burkert, Ancient Mystery Cults (Cambridge Ma./London 1987) 69f. und 153 43 44

Zur (umstrittenen) Datierung vgl. Dorandi, 23-28; Steinmetz, 518-521. Zur Datierung vgl. Dorandi, 3-6.

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Anm. WAntike Mysterien (München 1990) 59 und 117 Anm. 13; Riedweg, 8.

43 priusquam dedidicisset: dediscere entspricht auf Seiten des Schülers dem Vorgang, der durch dedocere (Z. 56) bewirkt wird (s.u. z.St.). Sicher falsch ist die besser überlieferte Form didicisset (MPRST: dedidicisset H). 43f. quae in illam scholam ab aliis accepta detulerat: S.o. zu Z. 39. 44f. succedit ei Arcesilas: = frg. 14c Mette (bis 3, 17, 39 [74]). Zur Person des Arkesilaos s. zu 2, 6, 14 (22). Andresen, Gedanken, 87, verweist auf den Handbuch-Charakter solcher Formulierungen (vgl. auch Zz. 33f.: inter successores eius; 40f.: scholam ... quam tunc Polemo retinebat)·, vgl. auch die Liste der akademischen Schulleiter in epist. 118, 3, 16; vgl. civ. 19, 1 p. 349, 17-22 D.-K. 45f. Zenonis quidem condiscipulus, sed sub Polemonis magisterio: . corpore steht im Gegensatz zu mente, animo o.ä. Die Aussage charakterisiert allgemein die materialistisch-sensualistische Philosophie der Stoa. 50 et deum ipsum ignem putabat: Wie die Seele ist auch Gott materiell als πνεύμα gedacht; vgl. Aët. plac. 1, 7, 23: Ζήνων ό Στωικός νουν κόσμου πύρινον (seil, θεόν άπεφήνατο, = SVF 1, 157, wo auch die vorliegende Stelle aufgeführt ist [mit dem Erratum putavit]); Cie. ac. 2, 126: Zenoni et reliquis fere Stoicis aether videtur summus deus; Aug. civ. 8, 5 p. 328, 12 und 20-22 D.-K.; dazu Steinmetz, 539f.; Verbeke, 80, vermutet als Quelle Augustine Baibus' Darlegung des Panpneumatismus des Poseidonios in Ciceros De Natura Deorum (2, 57; vgl. 1, 36); Augustins doxographische Informationen entsprechen jedoch Handbuchwissen und gehen nicht notwendig auf eine spezifisch stoische oder anti-stoische Quelle zurück (vgl. Solignac, 119f.). — Die «physische Theologie» der Stoa ist ein zentraler Kritikpunkt in der christlichen Literatur der ersten Jahrhunderte n. Chr. (dazu Pohlenz, 409ff.). 50f. prudentissime atque utilissime: Augustins positive Beurteilung des Arkesilaos (Z. 56: vir acutissimus atque humanissimus; s. auch oben zu Z. 34 [Ss. 421f.]) erklärt sich durch dessen Widerstand gegen den stoischen Materialismus.49 Vgl. auch 3, 16, 36 (57f.). 51 f. cum Ulud late serperet malum: