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German Pages 262 [264] Year 2003
KARIN SCHLAPBACH AUGUSTIN CONTRA ACADEMICOS BUCH 1
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PATRISTISCHE TEXTE UND STUDIEN IM AUFTRAG DER
PATRISTISCHEN KOMMISSION DER AKADEMIEN DER WISSENSCHAFTEN IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
HERAUSGEGEBEN VON
H. C. BRENNECKE UND E. MÜHLENBERG
BAND 58
WALTER DE GRUYTER · BERLIN • NEW YORK 2003
AUGUSTIN CONTRA ACADEMICOS (VEL DE ACADEMICIS) BUCH 1
EINLEITUNG UND KOMMENTAR VON
KARIN SCHLAPBACH
WALTER DE GRUYTER • BERLIN · NEW YORK 2003
® Gedruckt auf sä urefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm ü ber Haltbarkeit erfü 11t.
ISBN 3-11-017811-7 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ü ber http://dnb.ddb.de abrufbar. © Copyright 2003 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin Dieses Werk einschließ lieh aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschii tzt. Jede Verwertung auß erhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulä ssig und strafbar. Das gilt insbesondere fü r Vervielfá ltigungen, Ü bersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die leicht veränderte Fassung meiner Dissertation, die im Dezember 2001 von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich angenommen wurde. Der grösste Teil des Kommentars ist im Rahmen eines Forschungsprojekts des Schweizerischen Nationalfonds unter der Leitung von Prof. T. Fuhrer entstanden; wichtige Aspekte konnte ich während meines Aufenthalts im Schweizerischen Institut und am Institutum Patristicum Augustinianum in Rom ausarbeiten, der vom Schweizerischen Nationalfonds mitfinanziert wurde. Frau Prof. T. Fuhrer, die die Dissertation angeregt und begleitet hat, und Herrn Prof. A. Schindler, der das Korreferat übernommen hat, sowie dem Schweizerischen Nationalfonds möchte ich daher an erster Stelle danken. Während der Arbeit wurde ich von vielen Seiten unterstützt, und es ist unmöglich, die Namen aller, deren Hilfe ich in Anspruch nehmen konnte, zu erwähnen. Besonders herzlich danken möchte ich Herrn Prof. H. Marti (Zürich), der die gesamte Arbeit gelesen und mit unzähligen Hinweisen bereichert hat, sowie Frau Prof. C. Walde (Basel) und den Herren Proff. R. Brändle (Basel), F. Graf (Ohio), A. Grilli (Mailand) und W. Klingshirn (Washington D.C.), mit denen ich einzelne Teile besprechen konnte. Für stets erfrischendes und ermunterndes Feedback danke ich Frau Prof. M.T. Fögen (Zürich/Frankfurt a.M.). Vielfältige Anregungen verdanke ich auch den Diskussionen mit Laura Gemelli Marciano, Franziska Egli, Ruth E. Harder, Bärbel Schnegg und Virgilio Masciadri. Für Unterstützung und Ermutigung, die weit über Fachliches hinausgehen, danke ich ganz besonders Barbara von Reibnitz und Andrea Malits. Bei der Vorbereitung der Drucklegung waren mir Simone Vögtle und Julia Pischel eine unschätzbare Hilfe. Schliesslich möchte ich Frau Prof. A. Wlosok und den Herren Proff. H.C. Brennecke und E. Mühlenberg für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe PTS herzlich danken.
Zürich, im Dezember 2002
Karin Schlapbach
Inhaltsverzeichnis Einleitung 1. Vorbemerkungen 2. Die Thematik von Contra Académicos 1 3. Protreptik und Propädeutik 4. Das Verhältnis zu Ciceros Hortensius.
1 1 4 7 13
Kommentar. 1,1-1,4: Proömium. Protreptik zur Philosophie. 1,1: Anrede an Romanianus. 1, 2: Romanianus' bisheriges Leben 1,3: Protreptische Rede 1,4: Konkrete Dialogsituation.
26 26 27 .46 51 60
1,5-1,9: Glück und Wahrheit 1, 5: Glück und Wahrheit. 1, 6: Formulierung der beiden Grundpositionen 1, 7: Cicero als Licentius' Gewährsmann 1,8: Trygetius' Distanzierung von Ciceros Autorität 1, 9: Menschliche und göttliche Vollkommenheit.
67 73 86 90 103 107
1, 10-1, 12: Irrweg und Irrtum 1, 10: Erste Definition: Irren als 'Suchen, ohne zu finden' 1,11: Zweite Definition: Irrtum als 'Zustimmung zum Falschen anstelle des Wahren' 1, 12: Licentius prüft das Beispiel des Reisenden
117 117
1, 13-1, 15: Weisheit als Weg. 1, 13: Erste Definition: Weisheit als 'rechter Lebensweg' 1, 14: Zweite Definition: Weisheit als 'Weg zur Wahrheit' 1,15: Problem des infiniten Regresses beim Definieren
132 132 136 139
1, 16-1, 23: Weisheit als Wissen, Divination als Wissensquelle 1, 16: Dritte Definition: Weisheit als 'Wissen um die menschlichen und göttlichen Dinge' 1, 17: Albicerius: Ein stoischer Weiser?
146
121 129
155 160
vm
Inhaltsverzeichnis
1,18: Weitere Beispiele für Albicerius' Wissen 1,19: Gegenargument (1): Albicerius erfüllt die Kriterien des stoischen Wissensbegriffs nicht 1, 20: Gegenargument (2): 'Die menschlichen Dinge'. Divination mit Hilfe von Dämonen 1,21: disciplinae vs. 'Wissen' der Dämonen 1, 22: Gegenargumente (3) und (4): 'Die göttlichen Dinge' (3): Diese sind ausschliesslich intellektuell erfassbar (Z. 1-13) (4): Albicerius übertrifft den skeptischen Weisen (Z. 13-23) 1, 23: Der sapiens in der Beschreibung des Licentius
163 168 176 186
191 199
1, 24-1, 25: Rekapitulation 1, 24: Rekapitulation der Gesprächsschritte 1, 25: Fazit
.209 210 215
Anhänge
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Bibliographie 1. Texte - Übersetzungen - Kommentare 2. Lexika - Grammatiken. 3. Aufsätze - Monographien
221 221 223 224
Indices 1. Stellen 2. Namen und Sachen
233 233 250
Einleitung 1. Vorbemerkungen Das erste Buch von Augustine Dialog Contra Académicos stellt Themen zur Debatte, die seit dem Hellenismus zwischen Skeptikern und Dogmatikern heftig umstritten waren, nämlich die Fragen, ob und wie Wissen erlangt und vermittelt werden kann und in welchem Verhältnis Erkenntnis und Glück stehen. Doch obwohl Contra Académicos 1 einen interessanten Beitrag zur Geschichte der Argumente leisten kann, die in dieser Kontroverse verwendet wurden, ist dem Text in der Forschung bisher wenig Aufmerksamkeit zuteil geworden.1 Während der antike Skeptizismus seit einigen Jahren Gegenstand eines wachsenden philosophischen und philologischen Interesses ist, blieb Contra Académicos 1 von dieser Entwicklung ausgeschlossen. Gemessen an Augustine Auseinandersetzung mit der akademischen Skepsis in den folgenden beiden Büchern desselben Dialogs sowie an Ciceros Academici libri und an Sextus Empiricus' Darstellung der pyrrhonischen Skepsis schien das Schülergespräch des ersten Buchs von Contra Académicos unergiebig und langatmig. Wenn es nicht ganz übergangen wurde, begnügte man sich meist mit einigen abschätzigen Sätzen, so beispielsweise Marrou, der zum Schluss kommt, das erste Buch von Contra Académicos sei "mehr ein Rededuell als ernsthafte Wahrheitssuche."2
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Zum Hauptinteresse der bisherigen Forschung, dem Verhältnis von Acad. 1 zu Ciceros Hortensius, s.u. S. 13-25. 2 Marrou 311/265. Zu Augustins philosophischen Frühdialogen insgesamt (neben Contra Académicos auch De beata vita und De ordine) schreibt Marrou 310/264: "Die Bilanz des ersten Teiles ist freilich im allgemeinen überwiegend negativ, denn er wirkt wie ein breites und nicht enden sollendes Vorspiel. Gewiss wird die Fragestellung von Anfang an sehr klar umrissen, aber sehr bald verliert sich die Erörterung und hält sich bei tausend Kleinigkeiten auf, so dass man nicht von der Stelle kommt. ... Ohne Übertreibung wird man sagen können, dass für ihn (seil. Augustin) die Bedeutung jedes dieser Dialoge ganz in der Schlussdarstellung liegt." Vgl. Holte 79 über Acad.: "Nous pouvons laisser de côté le livre I, qui ne fait que décrire comment Augustin entraîne pédagogiquement ses élèves Licentius et Trygetius à mener à bien des raisonnements philosophiques"; O'Meara, Acad. 30: "The first book ... fails notably to stir one's interest or advance the argument" (vgl. dens., Hist. 171f.); Hagendahl 525: "The discussion in Contra Académicos is rather desultory as long as it is carried on mainly by the younger participants." Ohne zu werten stellt hingegen Graeser 252 fest, dass "zunächst einmal so etwas wie ein thematisches
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Einleitung
Wenn sich jedoch die Tendenz, Contra Académicos 1 für das Studium des antiken Skeptizismus zu übergehen, insofern nachvollziehen lässt, als das erste Buch dieses Dialogs der Herausforderung des Skeptizismus tatsächlich auf eine andere Art und Weise begegnet als die folgenden beiden Bücher,3 so beruhen umgekehrt die abwertenden Einschätzungen des ersten Buchs gerade auf der Vernachlässigung dieser Tatsache. Statt Contra Académicos 1 in seiner Eigenart wahrzunehmen, wurden bestimmte Erwartungen an das Buch herangetragen, die dem Gegenstand nicht gerecht werden konnten. Dies wird im oben zitierten Fazit über Contra Académicos 1 besonders deutlich, das dem Umstand nicht Rechnung trägt, dass der Wert des Gesprächs für die Teilnehmer gerade in der 'Ertüchtigung* durch die dialektische Übung besteht, wobei der Unterschied zwischen Rededuell und Wahrheitssuche im Dialog der Schüler eigens thematisiert wird.4 Der breite Raum, den die Übung in Contra Académicos einnimmt, mag auf moderne Leser, die die inhaltlichen Resultate einer philosophischen Auseinandersetzung in den Vordergrund stellen, überdimensioniert wirken. Andererseits wird daran aber sichtbar, welch grosser Wert in der Antike auf die philosophische Propädeutik gelegt wurde, also auf die Frage, nach welchen ethischen Regeln und technischen Methoden überhaupt philosophiert werden soll. Diese Fragestellung hängt wiederum aufs engste mit der Thematik von Contra Académicos, also der Auseinandersetzung mit den akademischen Skeptikern zusammen, denn die philosophische Propädeutik in Contra Académicos 1 zielt letztlich auf die Frage ab, wie Erkenntnis erlangt und Wissen vermittelt werden kann. Mit anderen Worten, die Propädeutik hat genau das zum Inhalt, dessen Möglichkeit die Skeptiker grundsätzlich bestreiten. Wird das Spannungsverhältnis zwischen dem Bestreben einerseits, Methoden des Lehrens und Lernens bereitzustellen, und der skeptischen Haltung andererseits einmal erkannt, kann die ausführliche Erprobung und Thematisierung verschiedener Formen der Wissensvermittlung im ersten Buch des Dialogs gegen die Skeptiker nicht mehr erstaunen.5 Umfeld geschaffen wird, in dem technische Fragen erst mit Aussicht auf Erfolg gestellt und angegangen werden können. So beginnen die Erörterungen des Dialogs dann auch recht allgemein mit grundsätzlichen Erwägungen zum Verhältnis von Wahrheit, Weisheit und Glück. Dies entspricht dem protreptischen bzw. zur Philosophie 'mahnenden' Charakter der Schrift." 3 Vgl. unten S. 4. 4 Dazu unten S. 10. Ähnlich auch Voss, Dialog 284: "Das Gespräch zwischen Licentius mit seinen immer neuen Ansätzen, für dessen wenig zielstrebigen Verlauf Augustin verantwortlich ist, dient weit über das Erfordernis der Sacherkenntnis hinaus der Übung der Jungen." 5 Nicht zufällig polemisiert Sextus Empiricus nicht nur gegen die gegnerischen Philosophenschulen, sondern auch gegen alle Arten von Wissenschaft (vgl. Barnes 53 und bes.
1. Vorbemerkungen
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Die vorliegende Arbeit schliesst eine Lücke, die Therese Fuhrers Kommentar zum zweiten und dritten Buch von Contra Académicos offengelassen hat. Die getrennte Behandlung der beiden Werkteile hat sich nicht nur durch deren unterschiedliche thematische Gewichtung ergeben, sondern auch durch die Tatsache, dass Buch 1 als separate Einheit verfasst und dem Adressaten geschickt wurde.6 Der Kommentar zu Contra Académicos 1 ist gemäss den Sinneinheiten des Textes in sechs Teile gegliedert, denen jeweils eine Einführung vorangestellt ist. Ziel dieser unterschiedlich langen Einführungen ist es, einerseits den Inhalt des jeweiligen Abschnitts zusammenzufassen und den Argumentationsgang nachzuvollziehen, andererseits Bezüge zur philosophischen und literarischen Tradition und zu späteren Werken Augustins aufzuzeigen. Dem Kommentar wird die Textausgabe von W.M. Green (CCL 29) zugrunde gelegt, auf dessen Zeilenzählung sich die Zahlen vor den Lemmata beziehen. Abweichungen von Green sind unten S. 219f. verzeichnet. Zu den einzelnen Lemmata werden zunächst, wo nötig, sprachliche Erläuterungen gegeben und Textfragen geklärt, anschliessend werden inhaltliche Probleme unterschiedlichster Art behandelt.7 Die Anmerkungen enthalten zum einen Informationen zu Texten, die zur Erklärung eines Lemmas herangezogen werden, zum anderen Positionen der Forschungsliteratur, gegen die der Kommentar argumentiert. Die vorliegende Einleitung konzentriert sich auf Fragen, die hauptsächlich Contra Académicos 1 betreffen.8 Dies sind insbesondere die Thematisierung des Glücks und die protreptische und propädeutische Zielsetzung von Contra Académicos 1 (S. 7-13) sowie das Verhältnis zu Ciceros Hortensius (S. 13-25). Diesen beiden Abschnitten wird ein Überblick über die Thematik von Contra Académicos 1 vorangestellt. Die antiken Werke werden gemäss den Vorgaben von AL (Augustin und Bibelstellen), TLL, LSJ und Lampe abgekürzt, moderne Periodika gemäss den Vorgaben der Année philologique. 60: "Sextus argues first that nothing is taught, then that nothing either teaches or learns, and thirdly that there is no mode or method of learning. Consequently there can be no μαθήματα"). 6 S.u. zu 1,4 (88-90). 7 Die disparaten Funktionen, die dabei den Parallelstellen, dem traditionellen 'Rückgrat' des philologischen Kommentars, zukommen, beschreibt auf hervorragende Weise Gibson, passim (s. auch unten S. 25 Anm. 89). 8 Für folgende Themen, die den ganzen Dialog betreffen, kann auf Fuhrers ausführliche Einleitung verwiesen werden (Fuhrer 1-54): die Stellung von Acad. in Augustins Gesamtwerk, die Datierung, Adressat und Gesprächsteilnehmer, Ort und Szenerie, das Problem der Historizität, Titel, Sprache und Stil, die Textüberlieferung und die Rezeption des Dialogs. Einzelinformationen zu den genannten Themen, die für das Verständnis des Textes relevant sind, werden zu ,den entsprechenden Lemmata im Kommentarteil gegeben.
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Einleitung
2. Die Thematik von Contra Académicos 1 Der Dialog Contra Académicos ist im Jahr 386 in Cassiciacum in der Nähe von Mailand entstanden, kurz nachdem Augustin seinen Beruf als Rhetoriklehrer aufgegeben und sich aufs Land zurückgezogen hatte.9 Das erste Buch des Dialogs verfolgt eine protreptische und propädeutische Zielsetzung: Auf der einen Seite soll der Adressat, Augustins Landsmann und Mentor Romanianus, durch die Lektüre des Buches überzeugt werden, sich ebenfalls der Philosophie zu widmen.10 Auf der anderen Seite sollen die Dialogteilnehmer, insbesondere die beiden Schüler Licentius und Trygetius, im gemeinsamen Gespräch die Grundregeln des Philosophierens lernen und einüben.11 Die Motivation der Werbung für die Philosophie ist die Annahme, dass Philosophie zu Glück führe. Den Zugangsbedingungen zum Glück gilt denn auch der inhaltliche Ausgangspunkt des Dialogteils, nämlich die Frage, ob zu einem glücklichen Leben die Wahrheitsfindung notwendig sei oder nicht.12 Durch die Ausrichtung auf Protreptik und Propädeutik und durch die Thematisierung des Glücks hebt sich Contra Académicos 1 von den folgenden beiden Büchern ab, die sich gezielt mit den Argumenten der akademischen Skeptiker auseinandersetzen.13 Gleichzeitig leitet das erste Buch jedoch die Themen der folgenden Auseinandersetzung ein: Mit Augustins Frage, ob es notwendig sei, die Wahrheit zu kennen (1,5 [2f.]), bewegt sich die Diskussion inhaltlich von Anfang an auf das Beweisziel von Contra Académicos 2 und 3 zu ('Wahrheit kann erfasst werden'); ja die suggestiv formulierte Ausgangsfrage, der alle zustimmen, bereitet sogar die Position vor, die Augustin in der Folge selber vertreten wird.14 Schon Contra Académicos 1 ist also klar auf die erkenntnistheoretische Thematik ausgerichtet.15 Diese wird jedoch in eine ethische Fragestellung eingebettet, indem das Hauptinteresse den Zugangsbedingungen zum Glück gilt. Das erste Buch von Contra Académicos ist daher besonders eng mit Augustins gleich anschliessend entstandenem Dialog De beata vita verbun9 10 11 12 13 14
Vgl. Fuhrer 3 und 12-14 (mit Literatur). Vgl. unten S. 26 und zu 1,1 (21f.). Dazu unten S. 9-11. Zu den Gesprächsteilnehmern s.u. zu 1, 5 (1). Vgl. unten S. 67. Vgl. Fuhrer 28. In Ac ad. 2 und 3 wird die akademisch-skeptische These diskutiert und schliesslich widerlegt, dass der Mensch kein Wissen und keine Wahrheit erlangen könne und daher Urteilsenthaltung üben müsse, aber durch das blosse Streben nach Wahrheit Weisheit erreichen könne (vgl. Acad. 2, 11; Fuhrer 27-33).
15 Vgl. Metz 26. Der Zusammenhang von Acad. 1 mit Acad. 2 und 3 ist somit enger, als Ohlmann 28f. annimmt.
2. Thematik von Contra Académicos 1
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den.16 Während aber das Fazit von Contra Académicos 1 lediglich lautet, dass die Wahrheits s u c h e eine notwendige Glücksbedingung ist, steht am Ende von De beata vita fest, dass auch die W a h r h e i t s e r k e n n t n i s notwendige Glücksbedingung ist. Daran schliessen folgerichtig die Ausführungen in Contra Académicos 2 und 3 an, die zeigen, dass Wahrheitserkenntnis auch tatsächlich erlangt werden kann.17 Der Argumentationsgang gliedert sich in vier Teile: Nachdem die Fragestellung exponiert und zwei einander gegenüberstehende Positionen formuliert sind, stellt Licentius seine Position zur Diskussion (§ 7). Trygetius greift diese in drei Argumentationsschritten an (§§ 7; 10; 13). Dabei bringt er verschiedene Konzepte und Definitionen vor, die direkt auf die Widerlegung des Gegners abzielen. Licentius konzentriert sich dagegen eher darauf, seinen eigenen Standpunkt mit schlagkräftigen Argumenten und Definitionen zu untermauern. Der vierte Teil der Auseinandersetzung wird durch eine Definition von Seiten Augustins eingeleitet. Nun ist es Licentius, der elenktisch vorgeht und diese Definition zu widerlegen sucht. Trygetius argumentiert seinerseits gegen Licentius' Widerlegungsversuch. Das vorläufig letzte Wort gehört aber Licentius.18 Die folgenden beiden Schemata geben einen Überblick über den Handlungsablauf des Dialogteils sowie die inhaltliche Gliederung des ganzen Buches. Handlungsablauf: 1. Gesprächstag Exposition der Fragestellung und erster Diskussionsschritt. (§§ 5-10) Licentius bittet um Aufschub; Bad (§ 10 [20-30]). 2. Gesprächstag Bis Sonnenuntergang Arbeit auf dem Hof und Vergillektüre (§§11-15) (§ 15 [56-58]). Rekapitulation, zweiter und dritter Diskussionsschritt. Trygetius fordert Augustin auf, einzugreifen (§ 15 [53f.]). Unterbrechung des Gesprächs bei Einfall der Nacht (§ 15 [54-58]).
16 Zur Chronologie der Abfassung der Cassiciacum-Dialoge vgl. Fuhrer 3f.; zum thematischen Zusammenhang derselben ebd. 30f. mit Anm. 93. 17 Vgl. Metz 27: "(D)ie Widerlegung der Skepsis ist gerade Augustins Einführung in die Philosophie. Denn nur wenn wir die begründete Hoffnung haben, die Wahrheit finden zu können, werden wir sie nach Augustinus mit ungeteilter Kraft suchen." 18 Dazu unten S. 209f.
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Einleitung
3. Gesprächstag Bei Tagesanbruch Rekapitulation und vierter Diskussions(§§ 16-25) schritt. Rekapitulation und Beendung des Gesprächs (§ 24-25).
Inhaltliche Gliederung: Proömium: Protreptik zur Philosophie (§§ 1-4) 1: Anrede an Romanianus, Funktion der Philosophie 2: Romanianus' bisheriges Leben 3: Protreptik und autobiographischer Einschub 4: Konkrete Dialogsituation Dialog: Wahrheit und Glück (§§ 5-9) 5: Ist Wahrheitserkenntnis notwendig? Definition von Glück als 'vernunftgemässes Leben' 6: Wahrheitssuche vs. Wahrheitsfindung als Glücksbedingungen 7: Cicero-Referat 8: Cicero als Autorität 9: Das 'vernunftgemässe Leben' als Wahrheitsfindung bzw. als Wahrheitssuche Irrweg und Irrtum (§§ 10-12) 10: Erste Definition ('Irren'): 'Suchen, ohne zu finden' 11: Zweite Definition ('Irrtum'): 'Zustimmung zum Falschen anstelle des Wahren' 12: Prüfung der ersten Definition Weisheit als Weg (§§ 13-15) 13: Erste Definition: 'Rechter Weg des Lebens' 14: Zweite Definition: 'Rechter Weg des Lebens, der zur Wahrheit führt' 15: Problem des Definierens Weisheit als Wissen, Divination als Wissensquelle (§§ 16-23) 16: Dritte Definition: 'Wissen um die menschlichen und göttlichen Dinge' 17-18: Der Wahrsager Albicerius als Beispiel des stoischen Weisen gemäss der dritten Weisheitsdefinition 19: Divinationswissen ist fehlbar 20-22: Dämonen und Sinnesebene vs. Wissenschaft und Intellekt 23: Vierte und fünfte Definition. Menschliches Glück (Wahrheitssuche) vs. göttliches Glück (Wahrheitserkenntnis)
3. Protreptik und Propädeutik
7
Rekapitulation (§§ 24-25) 24-25: Rekapitulation und Fazit: Wahrheitssuche ist Glücksbedingung
3. Protreptik und Propädeutik In praktisch allen hellenistischen Philosophenschulen gilt das Glück als höchstes Ziel des Menschen.19 Mit anderen Worten, während das Glück nur um seiner selbst willen erstrebt wird, wird alles andere dagegen um des Glücks willen erstrebt. Über die inhaltliche Bestimmung des Glücks konstatieren die Philosophen zwar Uneinigkeit; fest steht jedoch, dass grundsätzlich jeder Mensch nach Glück verlangt und sich alle seine Handlungen letztlich auf dieses Ziel richten.20 Auch die Philosophie wird aus der Motivation heraus betrieben, Glück zu erlangen.21 Augustin beruft sich nicht nur zeitlebens auf diesen Konsens,22 sondern in den drei in Cassiciacum entstandenen Dialogen Contra Académicos, De beata vita und De ordine vertritt er auch die These paganer Tradition, dass Philosophie eine notwendige Voraussetzung für das Glück sei.23 Dies zu illustrieren ist insbesondere das Anliegen von Contra Académicos 1. Die
19 Z.B. S VF 3, 16: τέλος δέ φασιν είναι τ ό εύδαιμονεΐν. Vgl. Long / Sedley 394-401/ 470-479; A.A. Long, Stoic Eudaimonism, Proceedings of The Boston Area Colloquium in Ancient Philosophy 4 (1989) 77 = Ders., Studies 179; J. Annas, The Morality of Happiness (New York/Oxford 1993) 43-46; M. Forschner, Über das Glück des Menschen (Darmstadt 1993) 46; C. Horn, Antike Lebenskunst. Glück und Moral von Sokrates bis zu den Neuplatonikern (München 1998) 76f. Einzig die Kyrenaiker betrachten Glück nicht als höchstes Ziel; vgl. M. Hossenfelder, Antike Glückslehren. Kynismus und Kyrenaismus, Stoa, Epikureismus und Skepsis (Stuttgart 1996) 39-41. 20 Z.B. Arist. EN 1, 2. 1095a 16-21: ονόματι μέν οΰν σχεδόν υ π ό τ ω ν π λ ε ί σ τ ω ν ομολογείται· τ ή ν y à p εύδαιμονίαν καΐ οί πολλοί και οί χαρίεντες λέγουσιν (seil, als höchstes Gut), τ ό δ' ευ ζην κα\ τ ό ευ π ρ ά τ τ ε ι ν τ α ύ τ ό ν ύ π ο λ α μ β ά ν ο υ σ ι τ φ εύδαιμονεΤν· περι Sé της ευδαιμονίας, τί έστιν, άμφισβητοΟσι κα\ ούχ ομοίως ο'ι πολλοί TOÎÇ σοφοΐξ άποδιδόασιν; vgl. Sen. dial. 7, 1, 1: vivere ... omnes beate volunt, sed ad pervidendum quid sit quod beatam vitam efficiat caligant. 21 Dies illustriert z.B. das Theophrast-Referat in Cie. fin. 5, 86: omnis auetoritas philosophiae... consistit in beata vita comparando. 22 Vgl. civ. 8, 3 p. 323, 18-20 D.-K.: propter quam unam (scil. beatam vitam) omnium philosophorum invigilasse ac laborasse videtur industria; 19, 1 p. 349, 3If. D.-K. (Varro-Referat): nulla est homini causa philosophandi nisi ut beatus sit', trin. 13, 7. Zum Glück als grundlegendem Thema für Augustin vgl. Holte 66; Beierwaltes 21. 23 So z.B. in Acad. 2, 4 (37f.): nullam beatam vitam, nisi qua in philosophia viveretur. In den Cassiciacum-Dialogen behauptet Augustin allerdings nicht, dass die (pagane) Philosophie auch h i n r e i c h e n d e Glücksbedingung sei (s. auch unten S. 68).
8
Einleitung
These wiederum, dass Philosophie das verschaffe, wonach alle Menschen streben, ist ein hervorragendes Argument dafür, dass sich die Menschen der Philosophie widmen sollen. Mit diesem Beweisziel reiht sich das erste Buch von Contra Académicos in die Tradition der Werbeschriften (προτρεπτικοί λόγοι) für die Philosophie ein.24 Die explizite Werbung für die Philosophie gegenüber dem Adressaten konzentriert sich auf das Proömium (§§ 1-4) und den Schluss (§ 25). Im Dialogteil von Contra Académicos 1 wird dem Leser hingegen anhand eines Schülergesprächs die Situation unmittelbar nach der Hinwendung zur Philosophie vor Augen geführt. Die Dialogfiguren sind sich darüber einig, dass man die Wahrheit suchen müsse; die Suche wird im philosophischen Gespräch vollzogen. Im Gegensatz zum Proömium beschränkt sich der Dialogteil von Contra Académicos 1 also nicht auf die Werbung für die Hinwendung zur Philosophie. Vielmehr wird auch schon die Frage diskutiert, welche philosophische Position im Hinblick auf die Erlangung des Glücks vorzuziehen sei, eine dogmatische, gemäss der das Glück die Wahrheitserkenntnis bedingt, oder eine akademisch-skeptische, die die Möglichkeit der Wahrheitserkenntnis negiert und die Wahrheitssuche als hinreichende Glücksbedingung betrachtet. Dabei dient der Dialogteil als Anschauungsunterricht, durch den Augustin die philosophische Lebensweise, für die er selber als Protagonist eintritt, dem Adressaten und einem weiteren Kreis von Rezipienten zur Nachahmung empfiehlt.25 Im Hinblick auf die Protreptik spielt die Darstellung der eigenen Person eine besondere Rolle. Das Selbstzeugnis dient der Legitimation des Schreibenden; dieser legt Rechenschaft ab über den Weg, den er selber zurückgelegt hat, und über sein gegenwärtiges Leben; er weist sich dadurch als berechtigt aus, diesen Weg anderen zu zeigen.26 Während das Proömium von Contra Académicos 1 einen kurzen autobiographischen Abschnitt enthält (1, 3 [70-75]), tritt Augustin im Dialogteil selber als Figur auf. Die Selbstdarstellung ist also in zwei Formen präsent, einerseits als rückblickende
24 Vgl. Hartlich 297 zur Intention der Werbeschriften für die Philosophie: "summam ..., ad quam omnes redeunt protreptici: philosophandum est, si volumus esse beati" (s. auch unten zu 1, 5 [13f.]). Hartlich 299 Anm. 1 bezeichnet Ac ad. 1, 1-2 als Augustine Protreptikos. 25 S.u. zu 1, 4 (83). Voss, Dialog 216f. beschreibt Acad. 1 als "Bild praktizierter Philosophie" mit protreptischer Absicht. 26 Dazu M. Fuhrmann, Rechtfertigung durch Identität - Über eine Wurzel des Autobiographischen, in: O. Marquard / K. Stierle (Hgg.), Identität (München 1979) 685-690; O'Meara, Hist. 164 Anm. 59. Vgl. auch util. cred. 20: edam tibi, ut possum, cuiusmodi viam usus fuerim, cum eo animo quaererem veram religionem, quo nunc exposui esse quaerendam.
3. Protreptik und Propädeutik
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Erzählung, andererseits als dramatische Inszenierung.27 Mit der Selbstdarstellung folgt Augustin einem wichtigen protreptischen Argumentationsmuster, das besonders von den Stoikern auch theoretisch reflektiert worden ist. Diese knüpften mit der Forderung, dass der Philosoph als anschauliches Vorbild seine Lehre verwirklichen müsse, an das Modell des Sokrates an, wie es bei Piaton und Xenophon überliefert ist.28 Das sokratische Modell prägte die kynisch-stoische Diatribenliteratur und hat über diese eine weite Verbreitung gefunden. Es genügt, auf Seneca zu verweisen, der in seinen Briefen den Ratschlag gibt, allein bei denjenigen Hilfe zu suchen, die das 'Leben lehren' und durch ihr Tun bestätigen, was sie lehren, und der wiederholt die unmittelbare Wirkung von anschaulichen Beispielen hervorhebt.29 Wenn sich Augustin in den Cassiciacum-Dialogen selbst als Vorbild in Szene setzt, bewegt er sich auf den Spuren dieser Tradition, und wenn er den Adressaten Romanianus darauf hinweist, dass dieser aufgrund seiner eigenen Geschichte sich selber ein exemplum sein könne (§ 2), treibt er den Gedanken der Unmittelbarkeit des Beispiels noch einen Schritt weiter. Der Dialog in Contra Académicos 1 ist eine dramatische Inszenierung seines eigenen Fazits. Mit anderen Worten, der Dialog ist die Umsetzung dessen, was am Schluss gefordert wird, nämlich dass man die Wahrheit unbedingt suchen müsse. Denn dies ist es, was die Dialogpartner in ihren über drei Tage verteilten Gesprächen tun. Dabei stehen weniger die Resultate der Suche im Vordergrund als die Erprobung und die Diskussion verschiedener Methoden, sich der Wahrheit anzunähern. Augustin begnügt sich am Ende von Contra Académicos 1 damit, als Quintessenz festzuhalten, was von Anfang an niemand bestritten hat, nämlich dass die Wahrheit gesucht werden soll, während sich die Dialogteilnehmer dagegen in der Frage, ob auch die Wahrheitserkenntnis eine notwendige Glücksbedingung sei, nicht einig werden.30 Der Gewinn des Gesprächs liegt jedoch in der Übung.31 27 Zum Begriff der Selbstdarstellung im Zusammenhang mit philosophischer Protreptik vgl. Cancik 68ff. 28 Z.B. Xen. mem. 4, 4, 9f., wo Sokrates auf Hippias' Forderung nach einer Definition des Gerechten erwidert, dass er das Gerechte unentwegt aufzeige, zwar nicht mit Worten, aber im T u n : δτι ε γ ώ α δοκεΐ μοι δίκαια είναι ουδέν π α ύ ο μ α ι άποδεικνύμενος ...· μή λ ό γ φ , εφη, ά λ λ α ε ρ γ co άποδείκνυμαι (vgl. Hadot 26). 29 Sen. epist. 52, 8: eligamus..., qui vitam decent, qui, cum dixerint quid faciendum sit, probant faciendo, qui docent quid vitandum sit, nec umquam in eo quod fugiendum dixerint deprehenduntur; 6, 5: longum iter est per praecepta, breve et efficax per exempta. Mit exempta sind hier lebendige Vorbilder gemeint; in der Folge werden viva vox et convictus mit oratio (gemeint sind Bücher) kontrastiert, oculi mit aures, mores mit verba. 30 Acad. 1, 25 (46-49): nam cum beati esse cupiamus, sive id fieri non potest nisi inventa sive non nisi diligenter quaesita veritate, postpositis ceteris omnibus rebus nobis, si beati essevotumus, perquirenda est.
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Einleitung
Dementsprechend wird der grösste Teil des Gesprächs von den Schülern Licentius und Trygetius selbst bestritten. Augustin leitet den Dialog am Anfang durch gezieltes Fragen in die von ihm gewünschten Bahnen und gibt mit der Definition des Glücks eine gemeinsame Gesprächsbasis (§ 5). Im weiteren Verlauf greift er nur noch in heiklen Momenten in die Auseinandersetzung ein, sei es, um die Schüler aus einer Sackgasse herauszuführen oder um zu methodischen Problemen Stellung zu nehmen. Tatsächlich enthält Contra Académicos 1 Ansätze zu einer Methodendiskussion. Zum einen stellt sich den Schülern die Frage, ob es erlaubt sei, eine Aussage zurückzunehmen, wenn sich diese als voreilig erwiesen hat (§ 8). Dies wird dahingehend beantwortet, dass sich die ernsthafte Wahrheitssuche gerade dadurch von einem blossen Rededuell unterscheide, dass die Kontrahenten nicht auf einen schnellen Sieg bedacht seien, sondern einander das Recht zugestehen, ihre Voten zurückzunehmen. Das philosophische Gespräch setzt also eine bestimmte innere Haltung voraus, die sich durch Offenheit und Unvoreingenommenheit auszeichnet. Zum anderen wirft Trygetius das Problem des infiniten Regresses beim Definieren auf, mit dem er eine wichtige Grundlage des philosophischen Gesprächs, nämlich die Definition von zentralen Begriffen, infrage stellt (§ 15). Obwohl der zuletzt genannte Punkt von der Gesprächsrunde nicht aufgenommen wird, wird daran immerhin ein ernstzunehmendes methodisches Problem sichtbar. Das Interesse an Fragen der Methode zeigt sich auch an der expliziten Gegenüberstellung von auctoritas und ratio als möglichen Argumentationsgrundlagen. Ziel der Übung ist es nicht nur, dass die Schüler bestimmte, unterschiedliche philosophische Positionen einnehmen, sondern dass sie diese auch begründen können (§ 6). Dafür bieten sich ihnen hauptsächlich zwei Vorgehensweisen an, einerseits der Rückgriff auf eine anerkannte Autorität (so Licentius, der sich in § 7 auf Cicero beruft), andererseits die rationale Argumentation, die sich, wo nötig, auch gegen eine Autorität richten und diese überwinden kann (so Trygetius, der sich in § 9 ausdrücklich von Ciceros Autorität emanzipiert und damit auch Licentius' Argumentation nicht akzeptiert). Im Proömium wie auch im Dialogteil wird klar, dass letzteres das Ziel
31 Acad. 1, 25 (40-43): tractata enim res est pro suscepto negotio satis; quae post pauca omnino posset verba finiri, nisi exercere vos vellem nervosque vestros et studia, quae mihi magna cura est, explorare (s. dort zu Ζ. 41f.). Doignon, Admonitio 35 spricht zu Recht von einer "pédagogie en action"; vgl. auch Metz 23: "Augustins Frühschriften sind Dialoge, die das Studium sapientiae als im Gespräch gelingend darstellen"; Schmidt 159. Zu Augustins Frühdialogen als exercitatio animi vgl. Marrou 299-327/255-278; Voss, Dialog 218-220 mit Anm. 69; 283-285 (wobei Voss 249 mit Anm. 212 gegenüber Marrou die pädagogische Funktion der Frühdialoge weniger stark gewichtet).
3. Protreptik und Propädeutik
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der Philosophie ist: Diese richtet sich nach der Vernunft und führt dadurch zu Freiheit von Autorität.32 Die für Contra Académicos 1 relevanten philosophischen Positionen Ciceros, die zumindest für Licentius autoritativen Status haben, sind den Schülern offenbar durch die Lektüre von dessen Hortensius bekannt; dieser Text kann wohl geradezu als Diskussionsgrundlage des Schülergesprächs verstanden werden. Dabei fällt die wiederholte Erwähnung der Gedächtnislücken der Schüler auf.33 Das Motiv des Vergessens scheint gleichsam die Grenzen der Lektüre als Methode der Wissensvermittlung aufzuzeigen. Hinzu kommt, dass es den Schülern nicht leicht fällt, übernommene Positionen in ihre Argumentation mit einzubeziehen.34 Die Lektüre bietet also nur eine vorläufige und unsichere Diskussionsgrundlage. Die wirkliche Aneignung des Gelesenen und die Formulierung eigener Positionen setzen dagegen einen selbständigen und aufwendigen Lernprozess voraus, der erst im Anschluss an die Lektüre stattfinden kann. Dabei wird der durch die Autorität des Textes vermittelte Inhalt am Massstab der Vernunft gemessen und auf dieser Grundlage akzeptiert oder verworfen. Durch diese Prüfung des Gelesenen anhand von rationalen Kriterien wird die Bedeutung der blossen Lektüre als Wissensquelle relativiert. Andererseits zeigt sich an verschiedenen Stellen, dass die Lektüre im Vergleich zur mündlichen Wissensvermittlung höher gewertet wird. Am Schluss von Contra Académicos 1 hebt Augustin positiv hervor, dass der Adressat nun durch die Mitschrift des Dialogs nicht nur durch Hörensagen von der philosophischen Lebensweise seines Sohnes in Cassiciacum erfahre, sondern auch durch Lesen; dadurch werde er eindringlicher zur Nachahmung angeregt (1, 25 [53-55]). Damit scheint Augustin zu suggerieren, dass die Lektüre gegenüber der mündlichen Kommunikation über eine grössere Überzeugungskraft verfüge. Zu Beginn von Contra Académicos 2 wird das erste Buch vorgelesen, damit sich die Anwesenden den bisherigen Gesprächsverlauf wieder vergegenwärtigen können. Darüber hinaus fordert Licentius nun eine mündliche Darstellung der akademischen Lehrmeinung.35 Obwohl seiner Forderung stattgegeben wird, beklagt sich Licentius in der Folge über seine 32 Zum Begriffspaar auctoritas und ratio s.u. zu 1, 1 (19-22); 1, 8 (53f.) und 1, 9 (61-63). 33 Zum Hortensius als Diskussionsgrundlage s.u. S. 16f.; zu den Gedächtnislücken S. 16 Anm. 55. 34 S.u. zu 1, 10 (6f.). Aus diesem Grund liegt Metz 26 nicht ganz falsch, der Licentius' explizite Bezugnahme auf Cicero übergeht und behauptet, die Schüler entfalteten "ihre Argumentationen zunächst (seil, in Acad. 1) selbständig und unabhängig von der Geschichte der Philosophie." 35 Acad. 2, 10 (21-23): et Licentius: quaeso, inquit, ante prandium mihi breviter totam Academicorum sententiam exponendo repetere ne graveris. In Acad. 2 und 3 sind die Schüler nur noch am Rande in das Gespräch involviert (hauptsächlich 2,16-20).
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Einleitung
mangelnden Voraussetzungen für eine Beteiligung am Gespräch.36 Er erachtet also die mündliche Vermittlung des Gesprächsgegenstandes als eine ungenügende Basis, um mitdiskutieren zu können, und führt dagegen die Lektüre als angemessene Gesprächsvorbereitung ins Feld. Augustin hält demgegenüber zwar fest, dass das Gespräch den Schülern als Übung diene und dass die fehlende Bildung (eruditio und disciplinarum copia) durch Begabung (ingenium) aufgewogen werden könne (ebd. Z. 33f.). Andererseits beendet er seine Oratio perpetua am Schluss des Dialogs mit der klaren Aufforderung: legite Académicos,37 Eine alternative Wissensquelle zur Lektüre zeigt De beata vita anhand von Monicas Gesprächsbeiträgen: Augustine Mutter entwickelt ihre Aussagen weder auf der Basis von Lektürewissen noch allein in Auseinandersetzung mit den Gesprächspartnern. Vielmehr bezieht sie ihr Wissen 'aus göttlicher Quelle'. Ihr Wissen stimmt aber dennoch mit dem Inhalt des Hortensius überein: Monica vertritt eine Ciceronische Position, wenn auch nicht in Ciceros Worten.38 Obwohl sie also den Hortensius nicht gelesen hat, sagt sie genau das, was sie durch die Lektüre hätte erfahren können. Dadurch wird die Bedeutung der Lektüre gleichzeitig geschmälert und bekräftigt: geschmälert, weil sie als Medium ersetzbar ist, bekräftigt, weil auch Monicas Gesprächsbeiträge ihrem Inhalt entsprechen.39 Freilich verschafft Monicas Wissensquelle ihren Voten eine überlegene Legitimation. Neben der Lektüre von autoritativen Texten wird in Contra Académicos 1 eine weitere Wissensquelle thematisiert, die Autorität beansprucht und dadurch einen Gegenpol zur Vernunft bildet, die Divination. Hinter der Diskussion der Divination am Beispiel eines Wahrsagers namens Albicerius in §§ 17-23 steht nicht nur die lange Tradition philosophischer Argumente für und
36 Acad. 2, 17 (29-31): numquidnam, inquit, aut Académicos legi aut tot disciplinis eruditus sum? 37 Acad. 3, 45 (49f.). Augustin hat sich immer wieder mit der Rolle des Lesens auseinandergesetzt, wie insbesondere die Thematisierung eigener Leseerlebnisse in den Confessiones zeigt. Die Untersuchung von B. Stock, Augustine the Reader. Meditation, SelfKnowledge, and the Ethics of Interpretation (Cambridge Ma./London 1996) wird dem Gegenstand allerdings nicht gerecht (vgl. die Rezension von T. Fuhrer, Gnomon 71 [1999] 413-416). 38 Beata v. 10 (104): ex... divino fonte·, 10 (92-94): verba vs. sententia. 39 In ord. 1, 31 entgegnet Augustin auf Monicas Zweifel, ob sie sich an der Diskussion beteiligen soll, die Inhalte der gemeinsamen Lektüre seien auch Monica vom Hören bekannt: (Monica:) numquidnam in Ulis, quos legitis, libris etiam feminas unquam audivi in hoc genus disputationis inducías?... (Augustinus:) facile per aureas depictasque ianuas ad sacrosancta philosophiae penetralia perducuntur; satis eis fecerunt et maiores nostri, quorum libros tibi (seil. Monicae) nobis legentibus notos esse video.
4. Verhältnis zu Ciceros Hortensius
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wider die Divination als Wissensquelle, sondern insbesondere auch das Problem, dass die pagane Divination für die Christen eine ernstzunehmende Konkurrenz zu ihrer eigenen Glaubenswahrheit darstellte, deren Autorität nicht zuletzt auf Prophezeiungen und Wundern beruhte. Aus diesem Grund mussten sichere Kriterien zur Unterscheidung von annehmbaren und verurteilungswürdigen Formen von Divination gefunden werden.40 Im Rahmen der philosophischen Propädeutik in Contra Académicos 1 werden also nicht nur Verhaltensregeln für die Gesprächsteilnehmer diskutiert und technische Fragen wie die Relevanz von Definitionen aufgeworfen, sondern auch unterschiedliche Argumentationsgrundlagen und Wissensquellen gegeneinander abgewogen, wobei die Vernunft stets als alleingültiger Massstab betrachtet wird.
4. Das Verhältnis zu Ciceros Hortensius Die bisherige Forschung zu Contra Académicos 1 hat sich hauptsächlich vom Interesse leiten lassen, in diesem Text Fragmente des Ciceronischen Hortensius zu identifizieren, eines protreptischen Dialogs, der nur bruchstückhaft überliefert ist.41 Obwohl Contra Académicos 1 durch die explizite Gegenüberstellung von Wahrheitssuche und Wahrheitsfindung als alternativen Glücksbedingungen über die von Cicero statuierte Zielsetzung des Hortensius, die Werbung für die Philosophie, hinausweist,42 gingen die meisten For40 Dazu unten S. 151f. 41 Der Dialog ist in gut 100 Fragmenten überliefert. In der vorliegenden Arbeit werden die Hortensius-Ftagmtnte nach den Ausgaben von Grilli (1962) und von Straume-Zimmermann (1976) zitiert (dabei werden die beiden Zählungen der Einfachheit halber auch dann mit einem Gleichheitszeichen nebeneinandergestellt, wenn der Text des jeweiligen Fragments in den beiden Editionen nicht vollständig übereinstimmt). Ruchs Ausgabe ist philologisch unbefriedigend; vgl. die kritischen Rezensionen von C.O. Brink, JRS 51 (1961) 215-222 und M. Testard, Gnomon 32 (1960) 48-51; ebenso Gigon 326 mit Anm. 2. Straume-Zimmermann unterscheidet im Gegensatz zu Grilli nicht zwischen Testimonia und Fragmenten und betrachtet einige von Grillis Testimonia als Fragmente (Fr. 2-5 und 7-10 S.; dazu unten S. 21 Anm. 76). Görler kommt in seiner Rezension von StraumeZimmermanns Ausgabe zum Schluss, dass diese keinen Ersatz für die "handliche Standard-Ausgabe von Grilli" darstelle (Gnomon 52 [1980] 130; s. auch unten S. 17 Anm. 59). 42 Zur Beschreibung des Hortensius vgl. Tusc. 3, 6 (s.u. S. 18 Anm. 65); div. 2, 1 sowie die übrigen Testimonia bei Grilli 19f.; zu Ciceros Verständnis der Philosophie als ständiger Wahrheitssuche s.u. S. 19. Umgekehrt scheint es übrigens, dass sich Augustine Auseinandersetzung mit dem Hortensius in Acad. 1 keineswegs auf den ganzen Ciceronischen Dialog bezieht, sondern sich auf Ciceros Schlussrede konzentriert.
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Einleitung
scher davon aus, dass Contra Académicos 1 inhaltlich weitgehend auf dem Hortensius beruhe.43 Auf der Grundlage dieser Annahme wurden verschiedene Stellen des Dialogteils der Ciceronischen Schrift zugewiesen. Ein Konsens wurde dabei jedoch nicht erreicht. Die Klärung des Verhältnisses von Contra Académicos 1 zum Hortensius ist einerseits in Bezug auf den Hortensius aufschlussreich, indem dadurch unsere Kenntnisse dieses verlorenen Dialogs und seiner Rezeption präzisiert werden können. Andererseits ist die Frage aber auch in Bezug auf Contra Académicos 1 von höchstem Interesse, und im Folgenden soll das Verhältnis der beiden Texte insbesondere aus der Perspektive des jüngeren Texts betrachtet werden. Hierfür greift der traditionelle Ansatz der Forschung zu kurz, denn es kann gerade nicht darum gehen, Textstücke von Contra Académicos 1 zu isolieren und dem Hortensius zuzuweisen - sei es als Paraphrasen oder als wörtliche Zitate des Ciceronischen Textes. Vielmehr steht die Frage im Vordergrund, welche Funktionen dem Hortensius innerhalb von Contra Académicos 1 zukommen. Mögliche Antworten sind oben bereits umrissen worden (S. 11 f.), in erster Linie die These, dass der Hortensius die Diskussionsgrundlage von Licentius und Trygetius bildet. Damit würde der Hortensius in Contra Académicos 1 als grundlegender propädeutischer Text dargestellt. Diese These soll keineswegs wie in der älteren Forschung dazu führen, Contra Académicos 1 jegliche Originalität abzusprechen. Vielmehr muss sie im Kontext des umfassenderen Themas betrachtet werden, wie aus der Sicht von Augustin Wissen vermittelt werden kann. Denn die Lektüre - am Beispiel des Hortensius illustriert - ist als eine von mehreren möglichen Formen der Wissensvermittlung zu verstehen, die in Contra Académicos 1 thematisiert werden. Die Frage wiederum, wie Wissen entsteht und vermittelt wird, steht in einem engen Verhältnis zur Auseinandersetzung mit den akademischen Skeptikern, die die Möglichkeit von Wissen grundsätzlich bestreiten (s.o. S. 2). Bevor jedoch näher untersucht wird, ob sich eine oder mehrere Textstellen von Contra Académicos 1 tatsächlich dem Hortensius zuweisen lassen und inwiefern darüber hinaus von einer Präsenz des Hortensius in Contra Académicos 1 gesprochen werden kann, sollen einige Bemerkungen zur Rolle des Hortensius für Augustin vorausgeschickt werden. Augustin weist Ciceros Hortensius eine Schlüsselrolle für seine eigene Beschäftigung mit der Philosophie zu. Wiederholt stellt er die Lektüre dieses protreptischen Dialogs in seinem neunzehnten Lebensjahr als einschneiden-
43 Vgl. Ohlmann, passim; Hartlich 296f.; O'Meara, Acad. 15: "Very little matter is brought forward by Augustine which was not already found in Cicero"; Hagendahl 489-492; Testard 1,186f.; Voss, Dialog 204f. Zu den entsprechenden Argumenten s.u S. 16f.
4. Verhältnis zu Ciceros Hortensius
15
des Erlebnis dar, das seine Liebe zur Philosophie 'entzündet* habe.44 Der Dialog Ciceros wurde besonders für seine herausragenden sprachlichen und formalen Qualitäten geschätzt und gehörte zum üblichen Schulstoff im Rhetorikunterricht.45 Demgegenüber betont Augustin jedoch in den Confessiones, dass es gerade der Inhalt war, der ihn beeindruckte.46 Er fühlte sich durch den Hortensius ermahnt, Weisheit anzustreben - selbst wenn sie nicht erreicht werde - und äussere Güter dagegen gering zu achten. Allerdings kritisiert er im Nachhinein seine mangelnde Umsetzung dieser Mahnung.47 Am Hortensius selbst kann Augustin dagegen lediglich bemängeln, dass er der paganen Tradition angehört.48 Dennoch setzt er sich auch nach Cassiciacum und nach der Niederschrift der Confessiones wiederholt intensiv mit dem Hortensius auseinander.49 Wenn Augustin selber als Neunzehnjähriger durch Ciceros protreptischen Dialog für die Philosophie begeistert wurde, dann stehen die Schüler in 44 Vgl. Aug. beata ν. 4 (75-79): ego ab usque undevicesimo anno aetatis meae, postquam in schola rhetoris librum ilium Ciceronis, qui Hortensius vocatur, accept, tanto amore philosophiae succensus sum, ut statim ad earn me transferre meditarer. Eine Anspielung auf das Lektüreerlebnis enthält auch conf. 6, 18: et ego mirabar satagens et recolens quam longum tempus esset ab undevicesimo anno aetatis meae, quo fervere coeperam studio sapientiae. Dazu K. Schlapbach, Hortensius, AL 3 (im Druck) Abschn. Π.Ι. 45 Vgl. K. Vössing, Schule und Bildung im Nordafrika der Römischen Kaiserzeit (Brüssel 1997) 377-380. 46 Aug. conf 3, 7: usitato iam discendi ordine perveneram in librum cuiusdam Ciceronis, cuius linguam fere omnes mirantur, pectus non ita. sed liber ille ipsius exhortationem continet ad philosophiam et vocatur Hortensius. ille vero liber mutavit affectum meum et ad te ipsum, domine, mutavit preces meas et vota ac desiderio mea fecit alia, viluit mihi repente omnis vana spes et inmortalitatem sapientiae concupiscebam aestu cordis incredibili et surgere coeperam, ut ad te redirem. non enim ad acuendam linguam, quod videbar emere maternis mercedibus, cum agerem annum aetatis undevicensimum iam defuncto patre ante biennium, non ergo ad acuendam linguam referebam illum librum neque mihi locutionem, sed quod loquebatur persuasemi. 47 Aug. conf. 8, 17 = Cie. Hort. Fr. 106 G. = 91A 11 S.: me ... oderam, quoniam multi mei anni mecum effluxerant - forte duodecim anni - ex quo ab undevicensimo anno aetatis meae lecto Ciceronis Hortensio excitatus eram studio sapientiae; et differebam contempta felicitate terrena ad earn investigandam vacare, cuius non inventio, sed vel sola inquisitio iam praeponenda erat etiam inventis thesauris regnisque gentium et ad nutum circumfluentibus corporis voluptatibus. at ego adulescens miser valde (vgl. Testard 1, 153). Eine Anspielung auf das Thema des richtigen Umgangs mit äusseren Gütern im Hortensius enthält auch sol. 1, 17: prorsus mihi unus Ciceronis liber facillime persuasit nullo modo appetendas esse divitias, sed si provenerint, sapientissime atque cautissime administrandas (vgl. auch unten S. 46). 48 Aug. conf. 3, 7: et hoc solum me in tanta flagrantia refrangebat, quod nomen Christi non erat ibi. 49 Dies zeigt sich v.a. in trin. 13-14 und c. Iul. (vgl. Testard 1, 19-39; Hagendahl 488f.; K. Schlapbach [oben Anm. 44] Abschn. II).
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Einleitung
Contra Académicos 1 an einem ähnlichen Punkt ihrer Entwicklung: Sie sind, wie es im Proömium heisst, durch ihre Hortensius-Lektüre schon sehr für die Philosophie eingenommen.50 Damit bekräftigt Augustin die wichtige Rolle des Hortensius, wie sie aus den späteren Selbstzeugnissen deutlich wird,51 und er scheint seine eigene Biographie ein Stück weit im Werdegang der Schüler zu spiegeln.52 Der Hortensius wird in Contra Académicos 1 nur an dieser Stelle explizit genannt, die allerdings prominent ist und Signalcharakter hat. Die allgemein akzeptierte Annahme, dass Contra Académicos 1 inhaltlich zu weiten Teilen auf dem Hortensius basiere, beruht in erster Linie auf dieser Angabe im Proömium. Die Stelle wurde von den meisten Forschern dahingehend interpretiert, dass die Schüler an philosophischer Literatur bisher ausschliesslich den Hortensius gelesen hätten und dass daher - vorausgesetzt, Augustin halte sich als Autor konsequent an diesen Wissenshorizont seiner Figuren - ihr philosophisches Wissen grundsätzlich auf den Hortensius zurückzuführen sei.53 Diese Annahme wird durch Licentius' Aussage in Contra Académicos 2 gestützt, er habe Ciceros Academici libri, die aus inhaltlichen Gründen als Quelle für seine Positionen in Frage kommen, bisher nicht gelesen.54 Darüber hinaus wurden die wiederholten Anspielungen darauf, dass den Schülern gewisse traditionelle philosophische Standpunkte und Definitionen eigentlich bekannt sein müssten,55 dahingehend interpretiert, dass
50 Aug. Acad. 1, 4 (96-98): volui temptare pro aetate quid possent, praesertim cum Hortensius liber Ciceronis iam eos ex magna parte conciliasse philosophiae videretur (s. auch unten S. 20). 51 Dazu Testard 1, 171: "La place faite à Cicéron, très précisément à Y Hortensius et à la conversion philosophique cicéronienne, dans la formation des jeunes amis d'Augustin, apparaît comme la reconnaissance très explicite de la part du maître, et du rôle joué par Cicéron dans sa propre conversion, et de la valeur de cette influence." Zur Bedeutung des Hortensius für Augustin vgl. dens. 1, 131-154. 52 O'Donnell 3, 87 betrachtet die Darstellung der Schüler in Acad. 1 als "an attempt on Augustine's part to remake his own life as it would have been without the fall into Manicheism"; vgl. auch Schmidt 158. 53 Diese Interpretation ist unabhängig von der Frage nach der Historizität des Gesprächs. Sie beruht vielmehr auf der Grundannahme, dass ein literarisches Werk und literarische Figuren in sich schlüssig gestaltet sind. Selbstverständlich kann der Autor Augustin den Wissenshorizont seiner Figuren grundsätzlich jederzeit überschreiten; im Sinne der genannten Grundannahme kann jedoch nicht davon ausgegangen werden. Hingegen werden Hinweise im Text, die oben referierte Interpretation infrage stellen, unten S. 20f. genannt. 54 Aug. Acad. 2, 17 (29-31) (oben S. 12 Anm. 36 zitiert). 55 Aug. Acad. 1, 7 (16); 1, 16 (13f.); 1, 24 (27); zur Interpretation der Gedächtnislücken s. auch oben S. 11 und unten S. 20f. Die genannten Anspielungen beziehen sich einerseits auf das Cicero-Referat in § 7, andererseits auf die Definitionen von Weisheit in § 16 und
4. Verhältnis zu Ciceros Hortensius
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die betreffenden Inhalte im Hortensius zu lesen waren.56 Auf dieser Grundlage wurde in erster Linie Licentius' explizites Cicero-Referat in § 7 praktisch einhellig dem Hortensius zugeschrieben.57 Gemäss diesem Referat vertritt Cicero die Position der akademischen Skeptiker, dass die Wahrheitssuche hinreichende Glücksbedingung ist. Im Anschluss daran hat Grilli zwei weitere Aussagen des Licentius', die diesem Referat inhaltlich und teilweise auch sprachlich entsprechen, als Fragmente in seine Edition des Hortensius aufgenommen,58 während Straume-Zimmermann neun Stellen aus Contra Académicos 1 als sogenannte 'Paralleltexte' in ihre Ausgabe mit eingeschlossen hat.59 Hinzu kommt bei Grilli eine Aussage des Trygetius, die aufgrund eines Vergleichs mit den Büchern 12-14 von De trinitate, in denen der Hortensius explizit zitiert wird, dem Ciceronischen Dialog zugewiesen wurde.60 Bei Straume-Zimmermann wird die Liste dagegen um eine Aussage erweitert, die an anderen Stellen in Augustin als Zitat des Hortensius gekennzeichnet wird.61 Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Stellen aus Contra Académicos 1, die von Grilli und Straume-Zimmermann als Fragmente des Hortensius betrachtet werden (die Sprecher Licentius, Trygetius, Augustin und Navigius werden mit ihren Initialen abgekürzt):62
56 57 58 59
60 61 62
von Irrtum in § 11. Die Zuweisung der beiden zuletzt genannten Definitionen zum Hortensius kann ausserdem durch Parallelstellen gestützt werden (s.u. S. 23f.). Vgl. Ohlmann 34 und 35 mit Anm. 1 ; Grilli 149 und 151. Aug. Acad. 1, 7 (16-23) bzw. (1-27) = Cie. Hort. Fr. 107 G. = 91A 1 S. Vgl. unten zu 1, 7 (16-23). Fr. 108 und 109 G. Vgl. dazu Grilli 151: "... Licenzio, che - è ormai chiaro - fonda la sua convinzione sostanzialmente sulla lettura àeXV Hortensius." Fr. 91A 2-10 S. Leider erläutert Straume-Zimmermann an keiner Stelle, was unter 'Paralleltexten' zu verstehen ist und in welchem Verhältnis diese zu den 'Fragmenten' stehen. Die Paralleltexte scheinen jedenfalls als selbständige Fragmente zu gelten, wie aus den Abkürzungen "Frg. 91A 2" usw. folgt (Straume-Zimmermann 195). Verwirrend ist insbesondere, dass Acad. 1, 7 (26f.) sowohl unter Fr. 91A 1 als auch unter Fr. 91A 5 zitiert wird. Straume-Zimmermann folgt mit Fr. 91A 2-10 S. den von Hagendahl 90-92 unter Test. 194 gesammelten Stellen. Fr. 95 G. Grilli folgt damit Ohlmann 45f. Zur Argumentation s.u. zu 1, 20 (24-26). Fr. 69A 3 S.; dazu unten S. 23. Müller und Ruch nehmen aus Acad. 1 nur das Cicero-Referat in § 7 auf (101 M. = 95 R.).
18
Einleitung
Aug. Acad. 1: Inhalt (Sprecher)
Cie. Hort. G.
5 (13f.) 'Wir wollen sicher glücklich sein' (T.)
Cie. Hort. S. = Fr. 69A 3 S.
5 (15-21): ~ Cicero-Referat (L.; N.)
= Fr. 91A 2 S.
6 (32-34): ~ Cicero-Referat (A.)
= Fr. 91A 3 S.
6 (39-41): ~ Cicero-Referat (A.) 7 (16-23) bzw. (1-27): Cicero-Referat (L.)
= Fr. 91A 4 S. = Fr. 107 G.
7 (26f.): ~ Cicero-Referat (L.)
= Fr. 91A 1 S. = Fr. 91A 5 S.
9 (78-85) bzw. (82-84): ~ Cicero-Referat (L.)
= Fr. 108 G.
9 (86-89): ~ Cicero-Referat (L.)
= Fr. 109 G.
= Fr. 91A 6 S.
11 (49f.): ~ Cicero-Referat (L.)
= Fr. 91A 7 S.
12 (77-83): ~ Cicero-Referat (L.)
= Fr. 91A 8 S.
14 (33-39): ~ Cicero-Referat (L.)
= Fr. 9 1 A 9 S .
20 (24-27): Wissen um menschliche Dinge (T.) 25 (46-50):
- Cicero-Referat (A.)
= Fr. 95 G. = Fr. 91A 10 S.
Die Zuweisung des Cicero-Referats in § 7 zum Hortensius ist von höchster Bedeutung, da alle anderen zitierten Stellen aus Contra Académicos 1 bis auf zwei Ausnahmen aufgrund ihrer Nähe zu diesem Referat auf den Hortensius zurückgeführt worden sind.63 Im Einzelnen herrscht jedoch beträchtliche Uneinigkeit, wie aus der ungleichen Verteilung der Fragmente in den beiden rechten Spalten ersichtlich ist. Im folgenden wird daher zunächst die Frage gestellt, in welchem inhaltlichen Verhältnis das Cicero-Referat in § 7 zum Hortensius steht, um festzustellen, ob eine Zuweisung zum Hortensius überhaupt plausibel ist. Im Anschluss daran soll die Voraussetzung der Zuweisung geprüft werden, nämlich die Annahme, dass das Wissen der Schüler grundsätzlich auf der Lektüre des Hortensius basiere. Die These, dass Licentius' Referat in § 7 auf den Hortensius zurückgehe, setzt voraus, dass Cicero im Hortensius nicht nur für die Philosophie an sich, sondern speziell für die akademische Skepsis geworben hat, denn deren Kernargumente sind Gegenstand des Cicero-Referats. Dass Cicero im Hortensius eine skeptische Position vertreten habe, stellten Hirzel und im Anschluss an ihn Piasberg in Frage; sie führten das Referat in § 7 daher auf Ciceros Académica zurück.64 Zwar beschreibt Cicero selbst das Anliegen des Hortensius in den Tusculanen tatsächlich als Verteidigung der Philosophie insgesamt gegen ihre Gegner.65 Dem entspricht, dass auch Augustin in den 63 Die Ausnahmen sind 1, 5 (13f.) = Fr. 69A 3 S. und 1, 20 (24-26) = Fr. 95 G. 64 Zu den Argumenten s.u. S. 96 Anm. 43. 65 Cie. Tusc. 2, 4: nos autem universae philosophiae vituperatoribus respondimus in Hortensia; vgl. 3, 6: quamquam de universa philosophia, quantopere expetenda esset et
4. Verhältnis zu Ciceros Hortensius
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Confessiones betont, er sei durch den Hortensius nicht zu einer bestimmten philosophischen Richtung gebracht worden, sondern zur Philosophie überhaupt - damit sagt Augustin jedoch weniger über den Hortensius etwas aus als vielmehr über die Wirkung dieses Textes auf ihn selbst.66 Andererseits nahm Cicero im Hortensius offenbar die Gelegenheit wahr, die Philosophie, die er als amor sapientiae versteht (z.B. Hort. Fr. 93 G. = 50 S.), im skeptischen Sinn als fortwährende Suche nach der Wahrheit darzustellen.67 Mit anderen Worten, zwei Anliegen konnten elegant miteinander verbunden werden: Indem die Philosophie als Wahrheitssuche interpretiert wurde, kam die Werbung für die Philosophie praktisch der Werbung für die skeptische Philosophie gleich. 68 Abgesehen davon kamen akademisch-skeptische Thesen gemäss einem sicheren Hortensius-¥r&gmtn\. aus dem dritten Buch von Contra Académicos explizit zur Sprache.69 Licentius' Referat in § 7 steht somit zweifellos in Einklang mit dem Inhalt des Hortensius, und eine
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colenda, satis, ut arbitrer, dictum est in Hortensio. Dementsprechend geht StraumeZimmermann grundsätzlich davon aus, dass die Aufforderung zur Philosophie im Hortensius allgemeinen Charakter hatte und nicht auf eine bestimmte Schule abzielte (Straume-Zimmermann 18f.; 22; 29; 34f.; 42). Aug. conf. 3, 8: hoc tarnen solo delectabar in ilia exhortatione, quod non illam aut illam sectam, sed ipsam, quaecumque esset, sapientiam ut diligerem et quaererem et assequerer et tenerem atque amplexarer fortiter, excitabar sermone ilio et accendebar et ardebam. Vgl. Fr. 52 G. = 52 S. = Lact. inst. 3, 16, 12f.: ubi ergo apud antiquiores latuit amor iste investigandae veritatis?·, Fr. 115 G. = 102 S. (unten zu 1, 23 [50-57] zitiert); Grilli 152: "Concludendo, mi par dimostrato dai testi che anche nell'Hortensius Cicerone sosteneva le sue posizioni, se pur in breve e limitatamente allo spunto indicato; certo, come il fr. 115 ci permette d'intravvedere, non la presentava come una soluzione unica e incontrovertibile, ma come una soluzione possibile, nell'ambito del problema della felicità umana, sommo fine di tutta l'umanità concorde." Vgl. unten S. 90f. Doignons Annahme, der Hortensius habe eine Synkrisis der Lehrmeinungen von verschiedenen Philosophenschulen enthalten, innerhalb derer auch die akademische Skepsis erwähnt worden sei, ist daher unnötig (J. Doignons, L'Enseignement de ¡'Hortensius de Cicerón sur les richesses devant la conscience d'Augustin jusqu'aux Confessions, AC 51 [1982] 205 Anm. 74). Cie. Hort. Fr. 51 G. = 92 S. = Aug. Acad. 3, 31 (57f.): certe in Hortensio legistis: si igitur nec certi est quidquam, nec opinari sapientis est, nihil umquam sapiens adprobabit (vgl. Hartlich 297 Anm. 1 ; J. Glucker, Cicero 's philosophical affiliations, in: J. Dillon, A.A. Long [Hgg.], The Question of "Eclecticism". Studies in Later Greek Philosophy [Berkeley/Los Angeles 1988] 62; Grilli 148-152; Hagendahl 491f.; Fuhrer 384 Anm. 6). In die gleiche Richtung deutet auch conf. 8, 17 = Hort. Fr. 106 G. = 91A 11 S.: lecto Ciceronis Hortensio excitatus eram studio sapientiae et differebam contemta felicitate terrena ad earn investigandam vacare, cuius non inventio, sed vel sola inquisitio iam praeponenda erat etiam inventis thesauris regnisque gentium et ad nutum circumfluentibus corporis voluptatibus\ ebenso conf. 6, 19: dimittamus haec vana et inania: conferamus nos ad solam inquisitionem veritatis.
20
Einleitung
Zuweisung des Textes zum Ciceronischen Protrepticus ist grundsätzlich plausibel.70 Hingegen kann die Annahme, dass die Schüler all ihr Wissen aus dem Hortensius hätten, leicht infrage gestellt werden: Im Proömium heisst es lediglich, dass der Hortensius die Schüler für die Philosophie gewonnen habe. Damit stellt Augustin die gleiche Wirkung einer Lektüre dar, die er auch mit Contra Académicos bei Romanianus erreichen möchte.71 Die Erwähnung hat somit eine Modellfunktion für den Adressaten. Über eine inhaltliche Entsprechung der beiden Texte ist damit hingegen nichts ausgesagt. Unklar bleibt auch, ob die Leser davon ausgehen sollen, dass die Lektüre der Schüler in Cassiciacum selber stattgefunden hat - der Eindruck wäre somit noch ganz frisch - oder aber zu einem früheren Zeitpunkt. Abgesehen davon lässt sich denken, dass die Lektüre durch allgemeine Informationen über die Biographie des Autors und seine Schulzugehörigkeit eingeleitet und von einer Diskussion des Inhalts begleitet wurde.72 Eine gemeinsame Vergil-Lektüre der Schüler mit Augustin wird im Laufe des Dialogs erwähnt.73 Überdies sind als Quellen philosophischen Grundwissens der beiden jungen Dialogfiguren neben der Hortensius-Lektüre und den diese möglicherweise begleitenden Erörterungen auch die Schule und informelle Gespräche mit Augustin oder anderen Gewährsleuten in Cassiciacum oder früher hinzuzudenken. Denn die Dialoge enthalten Hinweise auf solche Gespräche: Für die Erklärung der Divination beruft sich Trygetius auf einen Bekannten namens Flaccianus, mit dem also offenbar entsprechende Fragen diskutiert worden waren; in De ordine bemerkt Augustin zu einem Votum des Licentius, dass dieser den entsprechenden Inhalt von ihm selber gehört habe.74 Zudem müssen die Anspielungen auf die eklatanten Gedächtnislücken der Schüler womöglich nicht als Hinweise darauf aufgefasst werden, dass der Wert der Lektüre als Wissensquelle beschränkt ist (s.o. S. 11), sondern sie 70 Zu Hirzeis und Piasbergs abweichender Meinung s.u. zu 1, 7 (16-23); zur Frage, ob das Referat auch Ciceros Wortlaut wiedergibt, s. ebd. 71 Vgl. oben S. 4. 72 Dies war die übliche Praxis; vgl. I.G. Kidd, What is a Posidonian Fragment?, in: Most 226; J. Mansfeld, Prolegomena. Questions to be settled before the Study of an Author, or a Text (Leiden etc. 1994) 22-28. 73 S.u. zu 1, 15 (58). Es ist denkbar, dass sich in Cassiciacum tatsächlich eine Handbibliothekbefand, so Testard 1,131; Courcelle, Recherches 59; O'Meara, Hist. 165. 74 Acad. 1, 18 und 1, 21 bzw. ord. 2, 7 (77-79): quam sententiam eius cum admiratione considerans recordatus sum id ipsum aliquando me breviter ilio audiente dixisse (vgl. G. Bardy, Un élève de Saint Augustin: Licentius, L'année théologique augustinienne 14 [1954] 66 Anm. 3: "Licentius ... repète sans savoir les leçons qu'il a entendues d'Augustin").
4. Verhältnis zu Ciceros Hortensius
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könnten vielmehr gerade dahingehend verstanden werden, dass den Schülern grundlegendes philosophisches Allgemeinwissen entfallen sei, das keineswegs auf die Lektüre eines bestimmten Textes zurückgeht. Schliesslich muss beachtet werden, dass im Proömium eine redaktionelle Bearbeitung der Gesprächsmitschrift, die Contra Académicos 1 zugrunde liege, erwähnt wird (1, 4 [100]). Aus dieser Angabe lässt sich schliessen, dass mögliche HortensiusZitate in Contra Académicos 1 durch einen zweifachen Filter gelesen werden müssen: Einerseits scheint angedeutet zu werden, dass die Voten der Schüler nicht immer 'druckreif' sind, mit anderen Worten, die Schüler könnten den Cicero-Text, auf den sie sich unter Umständen beziehen, missverstehen oder einseitig auslegen. Andererseits konnten die Voten gerade aus diesen Gründen bei der redaktionellen Überarbeitung verändert werden. Der Text enthält also genügend Anzeichen dafür, dass die Schüler neben der Hortensius-Lektüre auch über andere Wissensquellen verfügten, ganz abgesehen davon, dass Augustin sich selber eigens als Endredaktor des Textes ausgibt. Die Zuweisung des Cicero-Referats in § 7 zum Hortensius muss daher mit einer gewissen Zurückhaltung vertreten werden. Entscheidend dürfte jedoch die Signalwirkung der Nennung von Werk und Autor im Proömium bzw. im Dialog sein.75 Immerhin werden die in § 7 referierten Positionen ausdrücklich Cicero zugeschrieben; der Hortensius wird im Proömium namentlich erwähnt (s.o. S. 16). Aufgrund dieser Signale darf die Zuweisung des Referats zum Hortensius zumindest als sehr wahrscheinlich gelten.76
75 Hort. Fr. 107 G. = 91A 1 S. Die Funktion der Nennung eines Autors als Markierung von Intertextualität beschreibt J. Heibig, Intertextualität und Markierung (Heidelberg 1996) 115-117 ("onomastische Markierung"). Er führt dabei u.a. ein Textbeispiel an, in dem die Lektüre eines bestimmten Autors von Seiten der literarischen Figur erwähnt wird (ebd. 116). Dementsprechend kann auch die Erwähnung von Ciceros Hortensius im Proömium (Acad. 1, 4) als Markierung von Intertextualität gelesen werden. In Acad. 1, 7 findet sich hingegen gemäss Helbigs Kategorien die Potenzierungsstufe der intertextuellen Markierung, nämlich die "thematisierte Intertextualität" durch explizite Kennzeichnung des Referats (Z. 16: placuit enim Ciceroni etc.; Z. 19: quis ignorât eum affirmasse etc.; vgl. Heibig 131-138). Heibig geht übrigens mit dem Konzept der markierten Intertextualität im Gegensatz zur Schöpferin des Begriffs 'Intertextualität', Julia Kristeva, grundsätzlich von einer intentionalen Intertextualität aus (Heibig 58; 143; s. auch unten S. 24 Anm. 88). 76 Im Einklang mit den Hortensius-Ausgaben wird das Referat, das nicht als wörtliches Zitat gelten kann, in der vorliegenden Arbeit dennoch als 'Fragment' bezeichnet. Zur Praxis, Positionen, die einem Autor zugeschrieben werden, als Fragmente dieses Autors zu betrachten, vgl. A. Laks, Du témoignage comme fragment, in: Most 238f.; I.G. Kidd (oben S. 20 Anm. 72) 227f.; M.L. West, Textual Criticism and Editorial Technique (Stuttgart 1973) 95f.; zum Bedeutungsspektrum und zur Geschichte des Begriffs 'Fragment' vgl. ausserdem A.C. Dionisotti, On fragments in classical scholarship, in: Most 133.
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Einleitung
Wenn jedoch die Zuweisung des Cicero-Referats in § 7 zum Hortensius eine These bleibt und nicht als absolut sicher gelten kann, dann ist umso mehr Vorsicht bei den von dieser Zuweisung abhängenden Fragmenten bzw. 'Paralleltexten' geboten: Fr. 108 und 109 G. sowie 91A 2-10 S. dürfen daher kaum als selbständige Fragmente betrachtet werden.77 Diese Textstellen können hingegen durchaus die Präsenz der Positionen des Cicero-Referats in Contra Académicos 1 illustrieren; dies gilt zusätzlich auch für die Definition des Irrtums in § 11 (36f.), eine Definition, die im Cicero-Referat in § 7 vorausgesetzt ist.78 Ein anderes Problem stellt Acad. 1, 20 (24-26) = Hort. Fr. 95 G. dar. Dieses Textstück wurde auf der Basis der Annahme, dass die Ausführungen der §§ 17-22 insgesamt auf dem Hortensius beruhen, sowie aufgrund von (vagen) Parallelstellen unter den bestehenden Hortensius-Fragmenten dem Ciceronischen Dialog zugewiesen.79 Die genannten Argumente genügen jedoch nicht, um diese Stelle als selbständiges Fragment des Cicero-Textes zu betrachten. Möglich ist hingegen, dass die Leser in 1, 20 (24-26) einen Bezug zum Hortensius herstellen können. Dies gilt auch für Acad. 1, 5 (13f.) = Hort. Fr. 69A 3 S.80 Die Tabelle oben S. 18 sollte daher durch folgendes Bild ersetzt werden (die Sprecher Licentius, Trygetius, Augustin und Navigius werden wiederum mit ihren Initialen abgekürzt):81
77 Vgl. die Mahnung von I.G. Kidd (oben S. 20 Anm. 72) 233, den Kontext sicherer Zitate gut zu studieren, bevor man übergehe zur "dangerous task of looking for groups of unnamed horizontal 'parallel' passages"; ebd. 231: ein wissenschaftlicher Fortschritt besteht auch in "the discovery of the limitations of evidence." 78 S.u. z u l , 11 (36f.). 79 S.u. zu 1, 20 (24-26). Wollte man der Annahme folgen, dass die Ausführungen der §§ 1722 insgesamt auf dem Hortensius beruhen (Ohlmann 45), müsste insbesondere gefragt werden, ob auch die stoische Wissenskonzeption, die Trygetius in § 19 vorbringt, sowie die stoische Ansicht, dass Wissen nur dem Weisen zukomme, im Hortensius zu lesen waren (s.u. zu 1,19 [2-5]). 80 Dazu s.u. S. 23. 81 Neu ist § 11 (36f.) mit in die Tabelle aufgenommen; dagegen fehlen jetzt § 5 (13f.) und § 20 (24-26). Als Fragment bleibt nur eine einzige Textstelle übrig; dies bedeutet eine Rückkehr zum Stand von Müller (s.o. S. 17 Anm. 62).
4. Verhältnis zu Ciceros Hortensius Aug. Acad. 1
Cicero-Referat (Sprecher) =
Präsenz der Positionen des
Hort. Fr.
Cicero-Referats (Sprecher)
5(15-21)
(L.;N.)
6 (32-34)
(A.)
6 (39-41) 7 (16-23) bzw. (1-27)
23
(A.) (L.) = Fr. 107 G. = 9 1 A 1 S.
7 (26f.)
(L.)
9 (78-89)
(L.)
11 (36f.)
(L.)
11 (49f.)
(L.)
12 (77-83)
(L.)
14 (33-39)
(L.)
25 (46-50)
(A.)
Unabhängig vom Interesse, Fragmente des Hortensius zu identifizieren und die Textmenge dieses nur indirekt überlieferten Ciceronischen Textes dadurch zu vergrössern, lassen sich nun in Contra Académicos 1 aufgrund von Parallelstellen unter den sicher zugewiesenen Hortensius-Fragmenten aus anderen Textzeugen nicht nur in § 20 (24-26), sondern auch an verschiedenen weiteren Stellen Bezüge zum Ciceronischen Protrepticus herstellen. Dies gilt in erster Linie für eine Aussage des Trygetius, die kurz nach Gesprächsbeginn fallt und die die inhaltliche Motivation der ganzen Auseinandersetzung enthält.82 Diese Aussage hat sowohl durch ihre exponierte Stellung als auch durch die inhaltliche Funktion im Dialog Signalcharakter, ähnlich wie die Nennung des Hortensius im Proömium und des Autors Cicero in § 7.83 Sie lautet: beati certe ... esse volumus (1, 5 [13f.]). Durch diesen Satz, der gemäss Augustine Zeugnis in De trinitate fast wortgleich an prominenter Stelle im Hortensius zu lesen war, können sich die Leser auf den Ciceronischen Protrepticus verwiesen fühlen.84 Das Gleiche gilt auch für die Definition der Weisheit, die Augustin in § 16 vorbringt und auf deren Basis sich die Auseinandersetzung der §§ 17-23 entwickelt: Die betreffende Definition stand gemäss Ciceros stichwortartiger Zusammenfassung des Hortensius in De officiis ebenfalls in jenem protreptischen Dialog.85 Da es sich einerseits an der zuerst genannten Stelle um eine sehr allgemeine Aussage, andererseits an der zuletzt genannten Stelle um eine weit verbreitete stoische Grund-
82 Dazu unten S. 67. 83 Zur Markierung von Intertextualität durch Exponiertheit vgl. J. Heibig (oben S. 21 Anm. 75) 105f. 84 Aug. trin. 13,7 = Cie. Hort. Fr. 58 G. = 69 S.; vgl. unten zu 1, 5 (13f.). 85 Cie. o f f . 2, 5 = Hort. Fr. 94 G. = 6 S.; vgl. unten zu 1, 16 (14f.).
24
Einleitung
position handelt, lässt sich die Frage nicht entscheiden, ob an diesen beiden Stellen ein Bezug zum Hortensius intendiert ist. Fest steht jedoch, dass die Leser - zumindest diejenigen unter ihnen, die den Ciceronischen Protrepticus gut kennen - diesen Bezug herstellen k ö n n e n . 8 6 Daneben finden sich auch für die Diskussion der Gesprächsregeln, für die Definition des Irrtums und für Licentius' Beschreibung des Glücks inhaltliche Parallelen unter den sicher zugewiesenen Hortensias-Fragmenten.*7 Ebenso konnte möglicherweise in der dem Gespräch zugrunde gelegten Definition des Glücks (§5) ein Anklang an den Hortensius herausgelesen werden.88 Es hat sich also gezeigt, dass der Hortensius nicht nur im Proömium erwähnt wird und als Grundlage des Cicero-Referats in § 7 gelten kann, sondern dass darüber hinaus mehrere zentrale Aussagen und Definitionen von Contra Académicos 1 in unterschiedlicher Intensität auf den Hortensius verweisen können, insbesondere der Grundsatz 'Wir wollen sicher glücklich sein' in § 5 und die Weisheitsdefinition in § 16. Ausserdem ist vor allem Licentius' Argumentation zumindest im ersten Teil von Contra Académicos 1 von den Positionen des Cicero-Referats in § 7 durchdrungen. Hingegen lassen sich in Trygetius' Voten ausser in § 5 keine Bezüge zum Hortensius herstellen. Dies ist nicht erstaunlich, denn Trygetius emanzipiert sich unmittelbar nach Licentius' Cicero-Referat explizit von dessen Autorität (§ 8). Das abwertende Urteil der älteren Forschung, dass Contra Académicos 1 nichts mehr als den Inhalt des Ciceronischen Protrepticus wiedergebe (s.o. S. 14 Anm. 42), erweist sich dagegen in zweifacher Hinsicht als undifferenziert. Einerseits muss die Textmenge, die tatsächlich dem Hortensius zugewiesen werden kann, im Vergleich zu Grillis und Straume-Zimmermanns Editionen der Hortensius-Fiagmente erheblich eingeschränkt werden (s.o. S. 22f.). Andererseits wird gerade an Trygetius' Distanzierung von Cicero als philosophischer Autorität besonders deutlich, dass die Schüler in ihrem Gespräch 86 An den genannten Stellen kann daher nicht mehr von intentionaler Intertextualität die Rede sein (im Sinne von J. Heibig, oben S. 21 Anm. 75). Der Bezug zum Hortensius kann jedoch nicht zuletzt aufgrund der oben genannten expliziten Markierungen hergestellt werden (ebd.), die die Leserrolle für ganz Acad. 1 beeinflussen. Zur Markierung von Intertextualität durch den Kontext vgl. auch S. Holthuis, Intertextualität. Aspekte einer rezeptionsorientierten Konzeption (Tübingen 1993) 113. Grundsätzlich ist eine klare Trennung zwischen "intentional allusion" und "accidental confluences of language" in vielen Fällen nicht möglich, ja oft auch nicht erwünscht, da der Bedeutungsreichtum eines Textes gerade in der Vielzahl der Bezugsmöglichkeiten liegt, die bei jeder Lektüre neu realisiert werden (vgl. Gibson 341f. mit Anm. 23; s. auch unten S. 25 Anm. 89). 87 Vgl. Cie. Hort. Fr. 51 G. = 92 S. bzw. Fr. 32 G. bzw. 115 G. = 102 S. (s.u. zu 1, 8 [3739]; zu 1, 11 [36f.] und zu 1, 23 [50-57]). 88 S.u. zu 1,5 (23-30).
4. Verhältnis zu Ciceros Hortensius
25
keineswegs etwa nur den Inhalt des Hortensius wiederholen und memorieren. Vielmehr lernen sie in der Konfrontation ihrer gegensätzlichen Positionen, Übernommenes kritisch zu betrachten und eigene Argumente zu formulieren (s.o. S. 9-11). Schliesslich dürfen zwei weitere Dinge nicht übersehen werden: Zum einen findet die ausführlich diskutierte Frage, ob ein divinus als Weiser gelten könne (§§ 17-23), im Hortensius - soweit sich das feststellen lässt - keinerlei Parallelen. Zum anderen lassen sich, wie der Kommentar im Einzelnen zu dokumentieren versucht, zu zahllosen weiteren antiken Texten erhellende Bezüge herstellen, so dass die Perspektive keinesfalls auf den Hortensius eingeschränkt werden darf.89
89 Selbstverständlich kann ein Kommentar nie alle möglichen sinnstiftenden Bezüge aufzeigen, und jede Auswahl stellt zugleich eine Einschränkung der potentiell unendlichen Möglichkeiten der Bedeutungsproduktion dar (vgl. Gibson 346). Ziel des vorliegenden Kommentars ist es, einerseits eine Vielzahl von Informationen zur Verfügung zu stellen, die dem Text gleichsam einen Resonanzboden verleihen und das Verständnis erweitern, andererseits aber auch die Interpretationen zu hierarchisieren. Letzteres geschieht weniger in der Absicht, die Bedeutung des Textes festzulegen und dessen 'Schliessung' zu besiegeln (zu dieser Funktion des Kommentars vgl. J. Assmann, Text und Kommentar. Einführung, in: J. Assmann / B. Gladigow, Text und Kommentar, Archäologie der literarischen Kommunikation 4 [München 1995] 28-30), als vielmehr im Bestreben, eine transparente Lektüre vorzulegen, die umso leichter Gegenstimmen hervorbringen kann, je klarer ihre eigene Kontur ist (vgl. die Diskussion der Vor- und Nachteile einer mehr oder weniger expliziten, d.h. die möglichen Lesarten mehr oder weniger einschränkenden Kommentierung bei Gibson 355).
Kommentar 1, 1-1,4: Proömium Protreptik zur Philosophie Das Proömium richtet sich an Augustine Mentor Romanianus und ist eine Protreptik zur Philosophie.1 Für die Argumentation macht sich Augustin die offenbar momentan schwierigen Lebensumstände des Romanianus zunutze.2 Diese nur scheinbar zufälligen Gegebenheiten können - so der Argumentationsgang - durch die Philosophie in einen grösseren Zusammenhang gestellt werden, durch den sie nicht mehr als negativ wahrgenommen werden, sondern sich vielmehr als notwendige Voraussetzung dafür erweisen, sich der Philosophie überhaupt zuzuwenden und erst dadurch zu wahrem Glück zu gelangen. Indem die Philosophie diese neue Sichtweise verheisst, bietet sie einen rettenden Ausweg aus einer schwierigen Lebenssituation. Die Neubewertung der äusseren Umstände beruht auf der stoischen und neuplatonischen Vorstellung, dass hinter der scheinbar launischen fortuna die lenkende Macht der Vorsehung stehe und die Welt von einer verborgenen Ordnung durchdrungen sei (§ 1). Zu dieser Argumentation für die Hinwendung zur Philosophie tritt in § 3 die Illustration des Gesagten am Beispiel von Augustine eigener Bekehrung zum philosophischen otium hinzu, die letztlich durch eine Krankheit ausgelöst worden sei. Dieser autobiographische Einschub stellt dem Adressaten ein Vorbild vor Augen und dient der Protreptik. Das Proömium enthält somit die Elemente der exhortatio, der descriptio und des exemplum.3 Ähnlich ist auch das Proömium zu Acad. 2 gestaltet, das sich ebenfalls an Romanianus richtet, für die Philosophie wirbt und eine autobiographische Passage aufweist. Auch das Proömium zu De beata vita illustriert die Darstellung der Philosophie als rettender Zuflucht durch den Verweis auf die eigene Ge-
1 2
3
Zu Acad. 1 als protreptikos logos s.o. S. 7-9. Romanianus, der sich zur Zeit der Niederschrift von Acad. in Mailand befand, hatte möglicherweise finanzielle Schwierigkeiten; Näheres ist nicht bekannt (vgl. die Darstellung von Romanianus' Person bei Führer 4f.). exhortatio: 1, 3 (67): evigila, evigila, oro te\ descriptio'. 1, 2: Romanianus' bisheriges Leben; exemplum: 1, 3 (70-75). Zur Verbindung dieser drei Elemente in protreptischen Kontexten vgl. Cancik 40.
1,1: Anrede
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schichte.4 Die Motive des Lebens als Seereise, der Vorsehung und der Verborgenheit der Philosophie sowie die Verwendung von autobiographischen Elementen sind Topoi in Proömien zu philosophischen Schriften, in Briefen und Diatriben.5
1,1: Anrede an Romanianus 1-15 o utinam ... ita vicissim virtus ... posset auferre, ut... patitur (Ζ. 3). iam tibi profecto iniecisset manus,.... sed quoniam (Z. 6) ... sive ... sive ..., nihil pro te nobis aliud quam vota restant (Ζ. lOf.)...: Mit einer ähnlichen syntaktischen Struktur beginnen auch Acad. 2 und beata v., also mit einer irrealen Periode (hier Z. 1-6) + Kausalsatz (hier durch quoniam, Z. 6, eingeleitet), der durch wiederholtes sive gegliedert ist und auf den der Hauptsatz folgt (hier ab nihil, Z. 10): Acad. 2, 1 (1-17): si quam..., tarn ... necesse esset...,... profecto... sepulta foret, sed quia sive ... sive... sive... sive..., evenit.... beata v. 1 (1-6): si... perduceret, ... perventuros fuisse ... . cum enim ... sive ... sive... sive ... sive..., quotusquisque cognosceret... ? Die mehrfache Wiederholung eines syntaktisch so prätentiösen Auftakts und die thematische Nähe der drei Passagen (Schwierigkeit, Wissen bzw. Glück zu erlangen; Aufzählung möglicher Hindernisse) geben der vorliegenden Passage den Anschein eines rhetorischen Paradestücks, das möglicherweise seine Wurzeln in Augustins Unterrichtspraxis hat (dazu s.u. zu 1, 3 [70f.]). 1-6 o utinam ... ita vicissim virtus fortunae repugnanti posset auferre, ut ab ea sibi auferri neminem patitur. iam tibi profecto iniecisset manus, ... ne ... quidem ... servire permitteret: Der Buchanfang mit der dichterischen Junktur o utinam ist äusserst ungewöhnlich und emphatisch (die Junktur begegnet z.B. Hör. c. 1, 35, 38; Ov. am. 2, 11, 5; Tib. 1, 3, 2; ebenfalls in Verbindung mit virtus bei Iuvenc. 4, 340f.: o utinam praesens virtus tua nobis / adforet). In der Prosa ist die Junktur nur bei Arnob. {nat. 6, 16) und Aug. belegt (Acad. 3, 9 [60]; 3, 30 [12]; mor. 1, 32; u.ö.; vgl. TLL 9, 2, 7, 8ff.). - Die Passage enthält gleich mehrere akzentuierende Klauseln: Cursus planus (pósset auférre, Ζ. 2; èsse proclámans, Ζ. 3); Cursus tardus (servire permitteret, Ζ. 5f.; zum Cursus vgl. Stotz 482-487; Marrou 79-81/6971; Fuhrer 46 Anm. 146). - Subjekt dieses Satzgefüges ist in all seinen Tei4 5
Einen detaillierten Vergleich der Proömien von Acad. 1 und beata ν. bietet Pfligersdorffer 33-58. Die genannten Motive verbinden z.B. PI. Ep. 7. 334c-337e (vgl. O'Meara, Hist. 164 Anm. 59); D. Chr. Oratio 13 (Περι φυγής).
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Contra Académicos
len virtus. Der Wunschsatz im Irrealis muss durch Semikolon oder Doppelpunkt vom folgenden Aussagesatz im Irrealis abgehoben werden (nach patitur, Ζ. 3). Die beiden Glieder des Vergleichs im Wunschsatz (durch ita bzw. ut eingeleitet) bestehen aus je zwei Teilen: virtus und fortuna bzw. ihren Pronomina einerseits und dem Prädikat andererseits. Dabei sind die beiden einander entsprechenden Teile in sich jeweils chiastisch angeordnet: virtus fortunae - ab ea (seil, fortuna) sibi (seil, virtuti) und posset auf erre - auf erri neminem patitur. Die enge Beziehung zwischen den beiden Gliedern des Vergleichs wird durch vicissim noch unterstrichen: '(O wenn doch die Tugend ...) ebenso entreissen könnte, wie sie es umgekehrt nicht zulässt, dass ihr von Fortuna jemand entrissen wird' (ita vicissim - ut ist stärker als tarn quam [gegen Hensellek 172 § 145]). Das Pathos des Wunschsatzes wird durch die Personifikation der virtus (durch iniecisset manus und proclamans, Z. 3f.) noch verstärkt (Lausberg 411-413 §§ 826-829 bezeichnet die fictio personae bzw. π ρ ο σ ω π ο π ο ι ί α [vgl. Quint, inst. 9, 2, 31] als "hochpathetische Figur"), virtus wird im allgemeinen eher selten personifiziert (vgl. aber auch Acad. 2, 2 [41-45]). Weiter unten erfährt die philosophia die gleiche Behandlung, indem sie als mütterliche Gestalt personifiziert wird (s.u. zu 1, 3 [72]). Unter der 'widerstrebenden fortuna' sind ungünstige äussere Umstände zu verstehen (s.o. S. 26 Anm. 2). Zur Formulierung vgl. Acad. 3, 2 (14): repugnante (seil, fortuna) atque invita. Die komplexe, chiastische Satzstruktur des Wunschsatzes (Z. 1-3) spiegelt das paradoxe Verhältnis von virtus und fortuna : Die Tugend wird einerseits mit fortuna als einem ebenbürtigen Widerpart gleichgeordnet. Andererseits wird sie - w e n n sie einmal dominant geworden ist - als dm fortuna vollkommen überlegen verstanden. Die Tugend ist also gemäss dieser Darstellung sowohl machtlos als auch allmächtig gegen fortuna. Hinter diesem Paradox steht die stoische Vorstellung des unvermittelten Umschlagens vom tugendlosen Leben des stultus zum Tugendbesitz des sapiens: Machtlos ist die Tugend beim stultus (weil dieser sie nicht hat), allmächtig ist sie beim sapiens (vgl. Steinmetz 542; s. auch unten zu 1, 9 [86f.]). Tugend ist das τέλος des stoischen Weisen: Sein Lebensideal ist κατ' άρετήν ζήυ (SVF 1, 179f.); Glück heisst für ihn Besitz von Tugend und Unabhängigkeit von jeglichen äusseren Gütern (SVF 3, 49-67). Der Tugendbesitz des Weisen ist dauerhaft (vgl. SVF 3, 237-244; Sen. dial. 2, 5, 5: unius enim in possessione virtutis est [seil, sapiens], ex qua depelli numquam potest; u.ö.; dazu Forschner 212-226). Ähnlich widersprüchlich wie die Tugend wird auch fortuna dargestellt: Einerseits ist sie Widerpart der Tugend (so hier), andererseits führt sie selber zur Weisheit (so in Z. 9f.) und kann daher mit Providentia gleichgesetzt werden (Z. 15-19); sie erweist sich als notwendige Voraussetzung (Z. 31f.)
1,1: Anrede
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für die Erlangung des wahren Glücks (1, 2 [52f.]). In Acad. 3, 2-4 wiederum wird die Frage diskutiert, ob fortuna - dort als günstige äussere Umstände verstanden - für denjenigen, der noch nicht sapiens ist, notwendig sei, um sapiens (und das heisst: unabhängig von fortuna) zu werden.6 Nicht zu vernachlässigen ist im vorliegenden Argumentationsgang eine rhetorische Komponente: Indem Augustin der fortuna gegenüber der virtus ein so grosses Gewicht einräumt und die Schwierigkeit des Tugenderwerbs betont, kann er dem Adressaten schmeicheln (dass dieser virtus noch nicht erreicht hat, liegt nicht etwa an ihm selbst, sondern m fortuna; dass er andererseits für den Tugenderwerb auserlesen ist [s.u. zu Z. 1], stellt ihn in ein umso positiveres Licht). Die Gegenüberstellung von virtus und fortuna ist in der römischen Literatur ein Topos. Dieser ist hauptsächlich von der stoischen Ethik geprägt, wurde jedoch zu philosophischem Allgemeingut (vgl. Cie. fin. 4, 17; 5, 71; Tuse. 3, 36; Hör. c. 3,29,49-56; u.ö.). Auch die Kirchenväter rezipierten das Motiv (Lact. inst. 3, 29, 13-17; Hier, in eccles. 9; vgl. I. Kajanto, Fortuna, RAC 8 [1972] 182-197). 1 Romaniane: An Romanianus, dem das Buch hiermit gewidmet ist, richtet sich auch das Proömium von Acad. 2. Zur Person und zu seiner Rolle in Augustins Werken vgl. Fuhrer 4f. - hominem sibi (seil, virtuti) aptum: Hiermit ist im besonderen Romanianus selbst gemeint, dessen gute Voraussetzungen zur Erlangung der virtus somit hervorgehoben werden. Die positive Charakterisierung des Adressaten wird unten weitergeführt (Z. 26: natürliche Begabung; 1, 3 [61-67]: Tugenden; 1, 4 [86]: Verlangen nach Philosophie; 1, 25 [52]: Neigung zur Philosophie; vgl. Acad. 2, 2-3). Das Attribut sibi aptum impliziert, dass nicht alle Menschen gleich gute Voraussetzungen haben, die Tugend zu erreichen. Zwar haben alle grundsätzlich die Möglichkeit; vgl. Cic .fin. 5, 43: nam cum ita nati factique simus, ut... ad scientiam, prudentiam, fortitudinem aptos ánimos haberemus a contrariisque rebus alíenos, non sine causa eas, quas dixi, in pueris virtutum quasi scintillas videmus\ Tusc. 3, 2: sunt enim ingeniis nostris semina innata virtutum. Nicht alle nutzen aber diese Mög-
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Acad. 3, 2 (5-7): (Augustin:) guare semper fuit sententia mea sapienti iam homini nihil opus esse; ut autem sapiens fiat, plurimum necessariam esse fortunam (s. Fuhrer zu 3, 2 [7]). Augustins Gesprächspartner Alypius stimmt jedoch nur unter der Voraussetzung zu, dass fortuna nicht darauf reduziert werde, das physische Überleben zu sichern (3, 3 [913]): nam si ad contemnendam fortunam fortuna ipsa opus esse arbitraris, me quoque comitem in hanc sententiam do tibi, sin fortunae nihil aliud concedis quam ea, quae corporis necessitati non possunt nisi ipsa volente suppetere, non ita sentio. Eine differenzierte Position wird in ord. 2, 27 (49f.) formuliert: fortunae muñera ..., quorum appareant usu magni contemtuque maiores.
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lichkeit gleich; vgl. die Einteilung der Menschen in drei Gruppen von 'Seefahrern* mit unterschiedlichem Zugang zum 'Hafen' in beata ν. 2 (eine ähnliche Einteilung begegnet bei Sen. epist. 52 mit Verweis auf Epikur).7 Zu den intellektuellen und moralischen Voraussetzungen für die Erlangung von Erkenntnis vgl. Acad. 2, 1 und Fuhrer zu 2, 1 (6-11). 3f. suique iuris te esse proclamara: "(dann hätte sie [seil, die Tugend]...) dich für ihr rechtmässiges Eigentum erklärt" (Voss). Zur jurist. Metaphorik im Zusammenhang mit dem Gegensatz virtus-fortuna vgl. Acad. 3, 2 (8f.): quantum iuris ... fortunae tribuas', Sen. epist. 36, 6: fortuna i us non habet. Neben ius ist auch proclamare ein juristischer Fachbegriff. 4f. in bonorum certissimorum possessionem traducens: Das Attribut certissimus bedeutet, dass die Güter, zu denen virtus geleitet, unverlierbar sind. Der Plural deutet wohl insbesondere auf die vier Kardinaltugenden, von denen es unten 1, 20 (26f.) heisst: haec enim sunt, quae nullamfortunam metuentes vere nostra dicere audemus (zur 'Sicherheit' als Kriterium des stoischen Wissensbegriffs s.u. zu 1, 19 [2-5]). In den Bereich von fortuna gehören dagegen äussere und körperliche Güter (s.u. 1, 20 bzw. Acad. 3, 2-3). Die Dreiteilung der Güter in geistig-seelische, körperliche und äussere Güter, die Augustin wohl durch Cicero kannte, ist platonisch und aristotelisch (vgl. PI. Lg. 697b; Arist. EN 1, 8; Cic.fin. 5, 84; ac. 1, 19; u.ö.; dazu Görler 961). 5f. ne prosperis quidem casibus servire permitteret: '(dann ...) liesse sie es nicht zu, dass du Sklave selbst g ü n s t i g e r Zufälle wärst.' casus wird analog za fortuna verwendet (vgl. Z. 15-17). - Hier deutet sich an, dass mit fortuna in Z. 2 nicht nur widrige Umstände gemeint sind: Auch das Wohlergehen wird, solange es nur zufällig durch äussere, materielle Umstände gegeben ist, als Knechtschaft aufgefasst und muss daher als ein nur scheinbares Wohlergehen verstanden werden. Dass günstige und ungünstige äussere Umstände letztlich einerlei sind, wird in Z. 9f. deutlich (s. z.St.). 6f. sive pro meritis nostris sive pro necessitate naturae: Zwei alternative Erklärungen für die Verbindung der Seele mit dem Körper (s.u. zu Z. 7f.) und den daraus folgenden Mangel an Autonomie bei der Erlangung der
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Zu Sen. epist. 52 vgl. G. Kuen, Die Philosophie als »dux vitae«. Die Verknüpfung von Gehalt, Intention und Darstellungsweise im philosophischen Werk Senecas am Beispiel des Dialogs »De vita beata«. Einleitung, Wortkommentar und systematische Darstellung (Heidelberg 1994) 390-392. - Möglicherweise wurde die gleiche Thematik auch in Cic. Hort, behandelt; so Straume-Zimmermann 26: "Der Gedanke, dass die Natur dem Menschen nur Ansätze gibt, die aber nicht notwendig entwickelt werden müssen, ja sogar verdorben werden können, wenn nicht die Philosophie interveniert, war gewiss im HORTENSIUS verhältnismässig ausführlich behandelt" (zur Rolle des Hortensius in Acad. 1 s.o. S. 13-25).
1,1: Anrede
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W e i s h e i t (s.u. z u Z. 8): ( 1 ) 'unsere V e r d i e n s t e ' , ( 2 ) ' N o t w e n d i g k e i t der Natur' : ( 1 ) M i t d e n ( o f f e n b a r n e g a t i v e n ) V e r d i e n s t e n der M e n s c h e n sind nicht V e r g e h e n aus e i n e m früheren L e b e n gemeint, aufgrund deren die S e e l e n erneut an e i n e n Körper g e b u n d e n würden. 8 V i e l m e h r n i m m t A u g u s t i n damit den neuplatonischen Gedanken auf, dass die S e e l e n ihre Verbindung mit der Materie f r e i w i l l i g wählen. 9 D i e s suggeriert beata v. 1 ( 6 - 1 1 ) , w o A u g u s tin unter weiteren m ö g l i c h e n Ursachen, w e s h a l b die M e n s c h e n in die W e l t k o m m e n , auch 'unseren Willen' nennt, d a g e g e n keine 'Verdienste' (Augustin betont dort übrigens die Schwierigkeit des vorliegenden Themas): cum enim in huric mundum sive deus sive natura sive necessitas sive voluntas nostra sive coniuncta horum aliqua sive simul omnia - res enim multum obscura est, sed tarnen a te (seil. Theodorö) iam inlustranda suseepta - ... nos quasi temere passimque proiecerit (das Verb proiecerit u n d das in Z. 12 f o l g e n d e redeundum deuten einen neuplatonischen Kontext an, 1 0 e b e n s o d i e A n s p i e l u n g auf e i n e Schrift d e s N e u p l a t o n i k e r s F l a v i u s M a l l i u s T h e o d o rus). 1 1 A u c h in lib. arb. 3, 1 8 8 - 2 0 2 w e r d e n vier m ö g l i c h e Gründe für die V e r b i n d u n g der S e e l e mit d e m Körper aufgezählt, darunter d i e freie W a h l , nicht aber 'Verdienste' (3, 198): alibi animae constitutae ... sua sponte ad inhabitanda corpora veniunt (vgl. mus. 6, 30; ep. 143, 5; dazu Nörregaard 8
Diese weit verbreitete Auffassung referiert Augustin in c. lui. 4, 78 = Cie. Hort. Fr. 112 G. = 99A 1 S.: ... ut interdum veteres illi, sive vates, sive in sacris initiisque tradendis divinae mentis interpretes, qui nos ob aliqua scelera suseepta in vita superiore, poenarum luendarum causa natos esse dixerunt, aliquid vidisse videantur (Cicero bezieht sich in der Fortsetzung auf Aristoteles; vgl. Protr. Β 106 D.: o'i π ρ ώ τ ο ν ευθύς φ ύ σ ε ι συνέσταμευ, κ α θ ά π ε ρ φασ\ν οί τ ά ς τελετάς λέγοντες, ώ σ π ε ρ α ν έπΐ τιμωρίςι π ά ν τ ε ς ) . Augustin lehnt die genannte Auffassung in Gn. litt. 6, 9 ab (vgl. O'Daly, Mind 71f.; dens., Anima 320; 336). 9 So z.B. Plot. 4, 4, 3, 1-3; 4, 8, 5, 24-27; 5, 1, 1, 3-5 (dazu M. Atkinson, Plotinus: Ennead V. 1. On the three Principal Hypostases. A Commentary with Translation [Oxford 1983] 4-6). - Augustin scheint an der vorliegenden Stelle von der Präexistenz der Seele auszugehen. Zu dieser umstrittenen Frage vgl. G.J.P. O'Daly, Did St. Augustine ever believe in the Soul's Pre-existence?, AugStud 5 (1974) 227-235; eher skeptisch ist R.J. O'Connell, Préexistence in the Early Augustine, REAug 16 (1980) 176-188. 10 Das Konzept des progressus und regressus der Seele ist neuplatonisch; vgl. Porphyrios' Schrift De regressu animae, die Augustin in civ. 10 mehrfach zitiert (10, 29 p. 449, 25f. D.-K.: libris ... quos de regressu animae scripsit). Bei Augustin vgl. ord. 2, 30 (5): in istorum sensuum negotia progresso·, 2, 31 (21f.): nam ut progressus animae usque ad mortalia lapsus est, ita regressus esse in rationem debet. Später lehnt Augustin die Ansicht ab, dass die Seele freiwillig in den Körper gelange, z.B. civ. 13, 19 (vgl. O'Daly, Anima 335f.). 11 Gemäss dem Zeugnis von Aug. beata ν. 4 hat sich Theodoras bei der Behandlung der vorliegenden Thematik auf Plotin bezogen. Die entsprechenden Schriften des Theodorus sind verloren (vgl. W. Ensslin, Theodoros Nr. 70, RE 2, 5 [1934] 1899).
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187f. Anm. 1; O'Daly, Anima 319f.)· Mit dem Motiv der Wahl wiederum kann auch der biblische Sündenfall assoziiert werden (vgl. G. Madec, Thématique augustinienne de la Providence, REAug 41 [1995] 295). (2) Die 'Notwendigkeit der Natur' bildet eine Antithese zu 'unseren Verdiensten' und verweist kaum auf eine bestimmte philosophische Schule.12 Anders als hier unterscheidet Augustin an der oben zitierten Stelle aus beata v. eigens zwischen natura und nécessitas (1 [7]). Bei der Behandlung der vorliegenden Stelle in den Retractationes bezieht Augustin beide hier genannten Erklärungen auf den biblischen Sündenfall und weicht die Alternative auf, indem er natura als 'unser Wesen' erklärt und somit keinesfalls eine unabhängige Instanz 'Natur' darunter verstanden wissen will: aut nihil horum duorum dicendum fuit, quia etiam sic sensus posset esse integer, aut satis erat dicere: pro meritis nostris, sicut verum est ex Adam tracta miseria, nec addere: sive pro necessitate naturae, quandoquidem naturae nostrae dura nécessitas merito praecedentis iniquitatis exorta est (retr. 1, 1,2). Dass dies schon Augustine Meinung bei der Abfassung von Acad. 1 war, ist damit jedoch nicht gesagt. Eine explizite Thematisierung des Sündenfalls findet sich bei Augustin erst in Gn. adv. Man. 2, 22 (aus dem Jahr 389; vgl. Nörregaard 187f. Anm. 1). 7f. divinum animum mortalibus inhaerentem: Mit den 'sterblichen Dingen', denen die Seele während des Lebens anhaftet, ist an erster Stelle der Körper gemeint (so z.B. Pl. Phd. 82e 1-2: την ψυχήν ... διαδεδεμένην έν τ φ σώματι; vgl. Courcelle, Connais-toi 325-345); als Folge der Bindung an den Körper hängt die Seele auch an anderen vergänglichen (weil materiellen) Dingen (zu den möglichen Gründen dafür s.o. zu Z. 6f.). Im Gegensatz 'göttlich-sterblich' findet die Verschiedenheit der Seele vom Körper einen prägnanten Ausdruck.13 Zum Verständnis von animus als Seele (so hier) bzw. als rationalem Seelenteil s.u. zu 1, 5 (27-30). Insbesondere der rationale Seelenteil gilt als göttlich und somit unsterblich (s. ebd.); vgl. unten 1, 3 (6166): illud ..., quod in te divinum ... sopitum est, 1, 11 (46): secundum divinam illam partem animi viventes. Augustin folgt mit dieser Annahme der durch Cicero und Seneca vermittelten platonisch-aristotelisch-
12 Arist. Protr. Β 106 D. (s.o. S. 31 Anm. 8) verbindet das Motiv der Natur mit demjenigen der Strafe: φύσει συνέσταμεν ..., ώ σ π ε ρ α ν έπ\ τιμωρίςι. - Drewniok 15 geht davon aus, dass der Begriff necessitas auf Hort. Fr. 110 G. = 101 S. = Aug. trin. 14, 12 verweise. Ausser diesem Begriff besteht jedoch keine Verbindung zwischen den beiden Stellen. 13 Vgl. das weit drastischere Bild in Cie. Hort. Fr. 112 G. = 99A 1 S. = c. lui. 4, 78 (dazu auch oben S. 31 Anm. 8): sie nostros ánimos cum corporibus copulates, ut vivos cum mortuis esse coniunctos (zur Rolle des Hortensius in Acad. 1 s.o. S. 13-25); s. auch unten 1 , 9 (69f.), wo der Körper als Kerker der Seele bezeichnet wird (s. z.St.).
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stoischen Tradition (z.B. Cic .fin. 2, 114: in quibus [seil, animis] doctissimi illi veteres inesse quiddam caeleste et divinum putaverunf, Tusc. 5, 38f.; Sen. epist. 120, 14; u.ö.; vgl. Cancik / Cancik-Lindemaier 216). Später vertritt Augustin die Ansicht, dass die Seele von Gott geschaffen und aufgrund ihrer Kreatürlichkeit nicht göttlich sei (vgl. unten S. 69f.). 8 nequaquam sapientiae portus aeeipiat: Das Bild des 'Hafens der Weisheit (bzw. der Philosophie14)' ist ein Topos. Wie hier begegnet dieser auch in Acad. 2, 1 (17-23) als Gegensatz zu fortuna: contra illos fluetus procellasque fortunae cum obnitendum remis qualiumeumque virtutum ...ut intentio constantissima bonorum studiorum teneat cursum suum ... philosophiae tutissimus iueundissimusque portus aeeipiat, ebenso in 3, 2 (37f.); weitere Belege und Literatur bei Fuhrer zu 2, 1 (22f.); zur Tradition des Bildes vgl. noch C. Bonner, Desired Haven, HTR 34 (1941) 49-67; H. Blumenberg, Schiffbruch mit Zuschauer (Frankfurt a.M. 1979) 9-11. - Mit dem Bild des Hafens verbunden ist das Motiv der Rückkehr in die Heimat (vgl. Acad. 3,42 [18]: respicere patriam\ beata ν. 2 [23; 41]). Weitere Bilder für die Philosophie als Zuflucht sind der 'Schoss' (unten 1, 3 [72]: in philosophiae gremium configgere, s. z.St.) und die 'Wohnung' (ord. 1, 9 [82]: vera et inconcussa nostra habitatio). Die maritime Bildersprache wird unten weitergeführt mit fortunae flatu (Z. 9); in auras ... emergere (Ζ. 14); absorbere gurgitibus, ...fortunae illi flatus (Ζ. 31f.); iactationibus (1, 3 [66]). Der Gedanke, dass der Mensch nicht aus eigenem Ermessen zur Weisheit gelangen kann, steht parallel zur Aussage in Z. lf., dass fortuna der Tugend erfolgreich Widerstand leisten kann. Die Bedingung für das Erlangen der Weisheit wird im anschliessenden Konditionalsatz genannt (Z. 9f.; s. z.St.). Dem Begriff der sapientia gilt ein grosser Teil der Diskussion von Acad. 1 (1, 13-1, 23). Zum Körper als Hindernis bei der Erlangung der Weisheit vgl. unten 1, 3 (75-77) (Forderung, sich von der sinnlichen Wahrnehmung loszulösen) und bes. 1, 9 (68-70): veritatem autem illam solum deum nosse arbitrer aut forte hominis animam, cum hoc corpus ... dereliquerit (s. dort zu Z. 68f. und 69f.). 8f. ubi ñeque adversante fortunae flatu ñeque secundante moveatur: Einschub, in dem das Akk.-Objekt des vorangehenden Satzes (animum) zum Subjekt wird, secundare ist poetisch (so Finaert 52; vgl. noch secundante vento in Tac. ann. 2, 24). - Die Weisheit wird hier ebenso wie die Tugend in Z. 2f. als beschützend und sicher charakterisiert (vgl. beata ν. 2 [38f.]: unde [seil, a portu] illos nulla maris illius promissa nimium falso ridentis excludant). Der Gegensatz zwischen adversante und secundante flatu ist gegen-
14 Im Zitat der vorliegenden Stelle in retr. 1 , 1 , 2 (vgl. oben zu Z. 6f.) schreibt Augustin philosophiae portus.
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über dem 'Hafen der Weisheit', wo beides gleichermassen wirkungslos ist, nur ein scheinbarer (s.o. zu Z. 5; unten zu Z. 9f.). 9f. nisi eo ilium ipsa (seil, fortuna 15 )... perducat: Die beiden gegensätzlichen Attribute der fortuna von Z. 9 werden noch einmal aufgenommen, doch adversa wird jetzt durch quasi ('sozusagen', 'vermeintlich', Z. 10) relativiert (ähnlich auch unten Z. 31 f.: fortunae flatus, qui put ant ur adversi). Der scheinbare Gegensatz der Attribute wird zudem durch vel... vel abgeschwächt (keine abschliessende Alternative), fortuna wird dadurch aber nicht nur zu einer neutralen Instanz, sondern erweist sich sogar als positiv, indem sie den Menschen zur sapientia 'geleitet' {perducat). Zu dieser wichtigen Rolle von fortuna vgl. Z. 15-19; zum Topos der scheinbar negativen Umstände, die sich als positiv erweisen, s.u. zu Z. 31 f. 1 lf. vota..., quibus ab ilio... deo... impetremus: Der Gedankengang der Z. 1-12 (virtus ist machtlos gegenüber fortuna, daher ist das Gebet nötig) steht Cie. Tusc. 5, 2 nahe: sin autem virtus subiecta sub varios incertosque casus famula fortunae est nec tantarum virium est, ut se ipsa tueatur, vereor, ne non tarn virtutis fiducia nitendum nobis ad spem beate vivendi quam vota facienda videantur.i6 Der Vergleich von Acad. 1, 1-3 mit Cie. Tusc. 5, 1-5 zeigt aber, dass bei Cicero das Gebet eher ein "Notbehelf' ist (Nörregaard 98), während Augustin dagegen dem Wirken Gottes mehr Raum gibt (vgl. Schlapbach 140-143). Dementsprechend erweist sich fortuna, deren Geleit zum 'Hafen der Weisheit' gemäss dem Konditionalsatz in Z. 9f. notwendig ist, als Instrument Gottes (vgl. Z. 15-19). Zum Motiv des Gebets um göttlichen Beistand vgl. Acad. 2, 1 (19f.): divinum auxilium omni devotione atque pietate implorandum est, 2, 1 (25f.): cotidianis votis... orare non cesso (weitere Belege bei Fuhrer z.St.; vgl. auch 2, 2 [29f.]; ord. 2, 52 [6-8]; sol. 1, 30). 12 ut te tibi reddat: Das platonische Motiv der Rückkehr zu sich selbst ist bei Augustin zentral (ebenso wie die Heimkehr, die mit dem Bild des Hafens in Z. 8 angedeutet wird); vgl. ord. 1, 3 (56): sibi animus redditus; Acad. 1, 8, 23 (51): se ipsum in semet ipsum colligit (s. z.St.); 2, 4 (28f.); 2, 5 (59f.); 2, 22 (19): quasi in regionem suae originis rediens (für weitere Belege und den neuplatonischen Hintergrund des Motivs der 'Umkehr', επιστροφή, vgl. Fuhrer zu 2, 22 [19-21]; Beierwaltes 39-41; O'Daly, Mind 208; O'Connell, Theory 65-86). Zur Formulierung vgl. bes. Hör. epist. 1, 14, 1: mihi me 15 Vgl. die Lesarten ipsa fortuna Τ S und fortuna ipsa Migne. 16 Drewniok 13f. schliesst aus den beiden Stellen Cie. Tusc. 5, 2 und o f f . 2, 19 (magnam vim esse infortuna in utramque partem, vel secundas ad res vel adversas, quis ignorât? nam et, cum prospero flatu eius utimur, ad exitus pervehimur optatos et, cum reflavit affligimur) auf eine ähnliche Passage im Hortensius, die hier als Quelle diente. Dies bleibt jedoch eine blosse Vermutung (zur Rolle des Hortensius in Acad. 1 s.o. S. 13-25).
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reddentis agelli; Sen. dial. 10, 8, 5: nemo iterum te tibi reddet; Ambr. in Luc. 7, 220: qui ad Dominum regreditur se sibi reddit (dazu Courcelle, Connaistoi 1, 130 und 226f. mit Anm. 219; A. Traina Seneca e Agostino [Un problema aperto], in: Ders., Lo stile "drammatico" del filosofo Seneca [Bologna 4 1987] 174). 13 reddet et nobis: Wohl eine Anspielung darauf, dass Augustin und Romanianus gemeinsam Manichäer geworden waren, Augustin sich jedoch unterdessen vom Manichäismus abgewandt hat (vgl. 1, 3 [73-75]: ipsa [seil. philosophia] me penitus ab illa superstitione, in quam te mecum praeeipitem dederam, liberavif, s. z.St.), während Romanianus dem Manichäismus immer noch verbunden ist (vgl. Acad. 2, 8 [43f.]). Konkret ist möglicherweise auch gemeint, Romanianus solle sich der Gemeinschaft von Cassiciacum anschliessen (dieser Wunsch wird in Acad. 2, 8 [45f.] und 2, 18 [50] ausgedrückt). 13f. mentem illam tuam, quae respirationem iam diu parturit, aliquando ...: Teil von Romanianus' positiver Charakterisierung (s.o. zu Z. 1). respiratio ist terminologisch für die Loslösung von alltäglichen Beschäftigungen und Sorgen; vgl. Acad. 2, 3 (4): quando aliquantum respirare concessum est; 2, 4 (28f.): quod depositis oneribus mortuarum curarum respiro resipisco redeo ad me (weitere Belege bei Fuhrer z.St.). Zur übertragenen Verwendung von parturire vgl. Cie. Phil. 2, 118: ut aliquando dolor populi Romani pariat quod iam diu parturit (seil, libertatem)·, Liv. 21, 18, 12: quod diu parturit animus vester aliquando pariat (Hensellek 155 § 48 versteht parturire an der vorliegenden Stelle zu Unrecht als 'heftig verlangen nach'; vgl. TLL 10, 1, 534, 5Iff.). Anklänge an das Proömium von Porphyrios' Philosophia ex oraculis hält O'Meara, Porph. II 126 fest: "respiratio and libertas mentís: both terms occur equivalently as άνάπαυσις and της ψυχής σ ω τ η ρ ί α " (vgl. 303F und 304F Smith und dort zusätzlich die Formulierung την άλήθειαν ώδίναντες). 14f. in auras verae libertatis emergere: auras und emergere sind Teil der maritimen Bildersprache (s.o. zu Z. 8). Zum Gegenstand des Gebets vgl. noch Acad. 2, 1 (25f.): cotidianis votis auras tibi prosperas orare non cesso; 2, 8 (30): auras tibi liberas tantum opto; zu emergere vgl. unten Z. 32f.: paene mergentem; ord. 2, 45 (7): a magna labe corporis emergente m in se, sol. 1, 25: quantum emerserimus, videmur nobis videre; quantum autem mer s i eramus et quo progressi fueramus, nec cogitare nec sentire permittimur.I7 In lib. arb. 1, 10 beschreibt Augustin seine Loslösung vom Manichäismus folgendermassen: emergere inde atque in ipsam pri-
vi Zum neuplatonischen Motiv des progressus bzw. regressus der Seele s.o. S. 31 Anm. 10.
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mam quaerendi libertatem respirare Ähnlich wie an der vorliegenden Stelle drückt sich Augustin im Kontext eines Hortensius-Referats in c. Iul. 4, 71 aus: ita hinc (seil, e delectationis carnalis cupiditate) emergi tur, et quasi in auras cogitationis post ilium g ur g it em respiratur, ut fìat consequens, quod verum ait quidam, et poenitendi quae est cum voluptate vicinitas (zu post ilium gurgitem respiratur vgl. auch oben Ζ. 13f. und unten Z. 31-33). Die gleiche Bildersprache enthält auch Sen. epist. 65, 16: in vinclis est (seil, animus), nisi accessit philosophia et ilium respirare rerum naturae spectaculo iussit et a terrenis ad divina dimisit. haec libertas eius est (vgl. Doignon, Clichés 143f.). Die vorliegende Ausdrucksweise dürfte vom Topos des Seelenflugs in der platonischen Tradition beeinflusst sein, den Augustin z.B. in sol. 1, 24 verwendet: ne quo eorum visco pennae nostrae impediantur, quibus integris perfectisque opus est, ut ad illam lucem ab his tenebris evolemus, quae se ne estendere quidem dignatur in hac cavea inclusis, nisi tales fuerint, ut ista vel ejfracta vel dissoluta possint in auras suas evadere (zum Bild des Seelenflugs vgl. Fuhrer zu 2, 7 [7f.]).19 Das Attribut verae (vgl. auch unten Z. 21: veris amatoribus; 1, 3 [75]: vere docet\ 1, 3 [77f.]: verissimum ... deum\ 2, 6 [78]: erumpere in veram pulchritudinem; u.ö.) wird im Sinne der platonischen Unterscheidung zwischen den intellegibilia, die allein wahr und wirklich seiend sind, und den sensibilia verwendet (zu dieser Unterscheidung vgl. Acad. 3, 37 [23-26]; zum ontologischen Verständnis von 'wahr' Fuhrer zu 3, 37 [25f.]). Dementsprechend bedeutet die 'Befreiung' die Loslösung von allem sinnlich Wahrnehmbaren und die Hinwendung zum Intellekt. Diese wird durch die Philosophie ermöglicht; vgl. dazu unten 1, 3 (73-77): ipsa (seil, philosophia) me ... liberavit. ipsa enim docet et vere docet nihil omnino colendum esse totumque contemni oportere, quiequid mortalibus oculis cernitur, quiequid ullus sensus attingit (s. dort zu Z. 75-77); 1, 9 (61f.): liberiate, in quam maxime nos vindicaturam se philosophia pollicetur; ord. 2, 16 (43f.): philosophia rationem promittit et vix paucissimos liberai; Sen. epist. 8, 7 = Epicur. Fr. 199 Usener: philosophiae servias oportet, ut tibi contingat vera libertas', u.ö. Gemäss 1, 9 (61-63) bedeutet
18 Die Formulierung quaerendi libertatem in lib. arb. 1, 10 dürfte eine Anspielung auf Augustine kurze Zeit währende Sympathie für die skeptische Akademie enthalten (dazu conf. 5, 19), in der die Forderung nach unablässiger Wahrheitssuche im Mittelpunkt stand (dazu s.u. S. 90f.). 19 Pfligersdorffer 35 vermutet einen Bezug zu Servius' allegorischer Auslegung von Verg. Aen. 6, 128 (die Sibylla zu Aeneas): sed revocare gradum superasque evadere ad auras. Gunermann 7f. verweist auch auf das stoische Bild des stultus, der unter der Wasseroberfläche ist und erst beim Auftauchen zum sapiens wird (Cie. fin. 3, 48; 4, 63f.); ebenso Doignon, Clichés 143 mit Anm. 19.
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die durch die Philosophie ermöglichte Freiheit insbesondere die Überwindung von Autorität (als einem Gegenpol zur Vernunft). - Später gesteht Augustin hingegen das Vermögen, zur Freiheit zu führen, nur Christus zu (vgl. Fuhrer zu 2, 7 [11]). 15-19 etenim fortasse (1) quae vulgo fortuna nominatur ... (2) nihilque ..., nisi ..., (3) nihilque quod non ...: Vorsichtig formulierte philosophische Interpretation von fortuna in drei Gliedern (das zweite und dritte Glied sind durch die Anapher von nihilque und die je doppelte Verneinung korreliert). Die Interpretation begründet die paradoxe Charakterisierung von fortuna in Z. 1-3 und 9f. (fortuna als Widerpart der Tugend bzw. unerlässliches Geleit zum 'Hafen der Weisheit'; s.u. zu Z. 15-17 und 17-19). In retr. 1, 1, 2 bedauert Augustin, fortuna 'm Acad, so ausführlich thematisiert zu haben: sed in eisdem tribus libris meis non mihi placet totiens me appellare fortunam, quamvis non aliquam deam voluerim hoc nomine intellegi, sed fortuitum rerum eventum vel in corporis nostri vel in externis bonis aut malis. unde et ilia verba sunt, quae nulla religio dicere prohibet: forte, forsan, forsitan, fortasse, fortuitu, quod tarnen totum ad divinam revocandum estprovidentiam. ... dixi quidem hoc, verum tarnen paenitet me sic illic nominasse fortunam, cum videam homines habere in pessima consuetudine, ubi dici debet: hoc deus voluit, dicere: hoc voluit fortuna (fortuna wird noch in Acad. 1, 20 [27]; 1, 25 [53]; 2, 1 [17f.]; 2, 4 [36]; 2, 9 [49f.]; 3, 2-4; 3, 36 [51] erwähnt). Augustin unterstreicht damit das philosophische Verständnis von fortuna, das er auch an der vorliegenden Stelle schon vertritt (jedoch durch fortasse in Z. 15 abschwächt), und distanziert sich von der Vorstellung der Fortuna als Göttin (dazu Mohrmann 1, 384: "Dans le nom de fortuna une nuance concrète et religieuse était donc encore vivante"; vgl. auch Thimme 97f. und die Beobachtung von Schrijnen 327, dass die Sprache von Acad. 1, 1 noch nicht christlich geprägt ist).20 15-17 (1) fortuna ... occulto ordine regitur (2)... casum vocamus, ... cuius ratio et causa secreta: Zum Attribut secreta vgl. unten 1, 3 (66f.): secreta Providentia', ebd. Z. 78: secretissimum
deum. Zu casus als alterna-
tiver Bezeichnung im fortuna vgl. Acad. 2, 1 (17-23). Die Interpretation von fortuna (bzw. casus) als Ausdruck einer verborgenen Ordnung und geheimer 20 Oft verdeutlichen die Korrekturen der Retractationes lediglich, was an den behandelten Stellen schon ausgesprochen worden ist. Sie scheinen daher teilweise weniger dem eigenen Bedürfnis der Richtigstellung als der Antwort auf Kritik zu dienen; vgl. ep. 224, 2: retractabam opuscula mea; et, si quid in eis me offenderei vel aliis offendere posset, partim reprehendendo, partim defendendo, quod legi deberet et posset operabar. Dazu J. Burnaby, The «Retractationes» of Saint Augustine: Self-criticism or Apologia?, in: Augustinus Magister. Congrès International Augustinien, Paris 21-24 septembre 1954, Communications 1 (Paris 1954) 85-92.
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Contra
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Ursachen ist schon bei Anaxagoras und später v.a. bei den Stoikern belegt, so in S VF 2, 965-973, bes. 2, 966: "Αναξαγόρας και oi Στωϊκοι (seil, τ η ν τύχην) άδηλον αιτίαν ά ν θ ρ ω π ί ν ω λογισμφ; vgl. Arist. Ph. 2, 4. 196b 5-7; Cie. ac. 1, 29: quam (seil, vim mundi)... necessitatem appellant... quasi fatalem et immutabilem continuationem ordinis sempiterni, non numquam quidem eandem fortunam, quod efficiat multa improvisa et necopinata nobis propter obscuritatem ignorationemque causarum (dazu I. Kajanto [s.o. zu Ζ. 1-6] 185). Augustin widmet der universellen Seinsordnung in Cassiciacum den Dialog De ordine, dessen Grundthese lautet, dass nichts ohne Ursache geschehe (1,11 [55]: nihil fieri nisi certo causarum ordine crédité; vgl. 1, 14 [63f.]; 2, 24 [unten zu Ζ. 19-22 zitiert]). Zum stoischen und neuplatonischen Hintergrund dieser These vgl. J. Rief, Der Ordo-Begriff des jungen Augustin (Paderborn 1962); Solignac 446-450. 17-19 (3) nihilque seu commodi seu incommodi... in parte, quod non conveniat et cóngruat univèrso: Cursus velox. Das Hendiadyoin conveniat et congruat wird durch Alliteration und Homoioteleuton hervorgehoben. Der scheinbare Gegensatz zwischen 'Vorteiligem und Nachteiligem' wird durch die Ausweitung der Perspektive vom Teil auf das Ganze aufgehoben (ähnlich wie der nur vordergründige Unterschied zwischen günstiger und ungünstiger fortuna, Ζ. 8-IO).21 Die These, dass pars und universum einander entsprechen, ist stoisch und neuplatonisch gefärbt; vgl. Sen. dial. 1, 3, 1: nunc illud dico, ista quae tu vocas aspera, quae adversa et abominanda, primum pro ipsis esse quibus accidunt, deinde pro universis, quorum maior diis cura quam singulorum est\ M. Ant. 9, 39: où δει τ ό μέρος τοις ϋπέρ του ολου γινομένοις μέμφεσθαι; Plot. 3, 2, 3, 10-12: τ ά τε γ α ρ μέρη προς α υ τ ό τ ό ολον δει σκοπεΐν, ει σύμφωνα και ά ρ μ ό τ τ ο ν τ α έκείνψ22 (vgl. G. Madec [oben zu Ζ. 6f.] 291-308; Forschner 160f.; Nörregaard 176). Augustin nimmt auf diese These in ord. 1, 2 (39-45) mit einem Mosaikvergleich Bezug: Einzelne kleinste Steinchen ergeben zusammen ein harmonisches Bild; ausserdem in 2, 51 (67-70): quod offendit in parte, perspieuum sit homini docto non ob aliud offendere, nisi quia non videtur totum, cui pars illa mirabiliter congruit, in ilio vero mundo intellegibili quamlibet partem tamquam totum pulchram esse atque perfectam\ mor. 2, 10; confi 7, 19: in partibus autem eius quaedam quibusdam quia non conveniunt, mala putantur; et eadem ipsa conveniunt aliis et bona sunt et in semet ipsis bona sunt; civ. 12,4. 21 commoda und incommoda geben in Cie. fin. 3, 69 die (jedoch nur dort belegten) stoischen Begriffe ε ύ χ ρ η σ τ ή μ α τ α und δ υ σ χ ρ η σ τ ή μ α τ α wieder (dazu K. Howald / T. Fuhrer, Wer nützt wem im stoischen Gemeinwesen? Zu Cicero Definibus 3,69, in: MH 57 [2000] 86f. mit Anm. 24). 22 Augustin zitiert Plot. 3, 2 (ΤΤερι προνοίας A') in civ. 10, 14 (s.u. zu Ζ. 24).
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19-22 quam sententiam ( 1 ) uberrimarum doctrinarum oraculis editam... (2) se demonstraturam... philosophia pollicetur: Gegenüberstellung von zwei Quellen bzw. Vermittlungsarten des in Z. 15-19 dargelegten philosophischen Verständnisses von fortuna: (1) autoritative Verkündigung (in der Vergangenheit) und (2) rationaler Aufweis (in der Zukunft). Während der rationale Aufweis durch die Philosophie geleistet werden soll (Z. 21: se demonstraturam), bleibt die Frage, was die oracula uberrimarum doctrinarum sind: Entweder sind sie (a) eine von der Philosophie unterschiedene Wissensquelle, oder (b) es sollen einander lediglich zwei unterschiedliche Vermittlungsarten, also die autoritative und die rationale, ein und derselben Wissensquelle (nämlich der Philosophie) gegenübergestellt werden. Für die Möglichkeit (a) bietet sich einerseits die Interpretation von oracula als (α) Anspielung auf die Bibel an (so Nörregaard 88); dagegen spricht jedoch der Inhalt der sententia, der kaum als spezifisch biblisch verstanden werden kann. Andererseits könnte man die oracula als (ß) Orakelsprüche verstehen, wie sie von Porphyrios in De Philosophia ex oraculis haurienda gesammelt und kommentiert wurden (so O'Meara, Porph. II 126). Gegen die eindeutige Festlegung der oracula auf Orakeltexte spricht allerdings die Tatsache, dass Augustin oracula öfter metaphorisch im Sinne einer erhabenen und autoritativen Wissensquelle verwendet, z.B. beata ν. 31 (193); mag. 46 (44); cat. rud. 10. Dies entspricht dem üblichen Gebrauch des Wortes (vgl. TLL 9, 2, 872, 73f.). Hinzu kommt die Verwendung von oracula für philosophische 'Lehrmeinungen' (vgl. Cie. nat. deor. 1, 66: physicorum oracula; als Vergleich in fin. 2, 20: quasi oracula edidisse sapientiae dicitur Epicurus', 5, 79: cum a Tenone ... hoc magnifice tamquam ex oráculo editur, vgl. Schlapbach 143-145; s. auch unten zu Z. 20f. zur Mysterienterminologie im Platonismus). Möglichkeit (b) ist somit wahrscheinlicher. Die Philosophie wird also einerseits (1) als autoritative Wissensquelle verstanden (damit ist Licentius' Rückgriff auf die Autorität Ciceros in § 7 in Einklang), andererseits (2) auch als rationale Durchdringung ihres Gegenstandes, die zur Emanzipation von der Autorität führt. Letzteres ist das eigentliche Ziel der Philosophie (s.o. S. 10-13; zum komplexen Verhältnis von ratio und auetoritas s.u. zu 1, 9 [61-63]). Augustine Verständnis von philosophia als rationalem Aufweis ihres Inhalts wird auch unten in 1, 3 (7579) deutlich: ipsa (seil, philosophia) enim docet et vere docet nihil omnino colendum esse totumque contemni oportere, quiequid mortalibus oculis cernitur, quiequid ullus sensus attingit. ipsa verissimum et secretissimum deum perspicue se demonstraturam promittif, ebenso in ord. 2, 16 (43-46): philosophia rationem promittit et vix paucissimos libérât, quos tarnen non modo
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non contemnere illa mysteria ('die Bibel') sed sola intellegere, ut intellegenda sunt, cogitP Der Gegenstand der Philosophie ist gemäss der vorliegenden und den beiden soeben zitierten Stellen sowohl (neu-)platonisch (s.u. zu 1, 3 [75-77]) als auch christlich bestimmt (s.u. zu 1, 3 [77f.]). Später lässt Augustin nur den zweiten Aspekt gelten (vgl. G. Madec, La notion augustinienne de Philosophia, Revue de l'Institut Catholique de Paris 18 [1986] 39). Für die christliche Interpretation von philosophia kommt ihm die Übersetzung von φιλοσοφία als amor sapientiae (s.u. zu Z. 21), verbunden mit der Gleichung sapientia ~ Christus nach 1 Cor 1, 24 (s.u. S. 72 Anm. 27), entgegen (dazu A.-M. Malingray, «Philosophia». Etude d'un groupe de mots dans la littérature grecque des présocratiques au IV siècle après J.-C. [Paris 1961] 128; G. Madec, Ve rus philosophus est amator dei. S. Ambroise, S. Augustin et la philosophie, RSPh 61 [1977] 549-566). - Zu Ausdrucksweise und Inhalt der vorliegenden Stelle vgl. auch unten 1, 9 (61): liberiate, in quam maxime nos vindicaturam se philosophia pollicetur, ord. 1, 4 (30f.): quidve studiosis et bonis ratio promittat; 2, 24 (112-125): quamquam enim occultissima ratio se demonstraturam polliceatur nihil praeter divinum ordinem fieri ista omnia, quae fatemur esse perversa, non esse praeter divinum ordinem alta quaedam et a multitudinis vel suspicione remotissima disciplina se ita studiosis et deum atque animas tantum amantibus animis manifestaturam esse promittif, 2, 51 (54): promitti nobis aspectum pulchritudinis\ Cie. Tuse. 4, 83.24 20f. remotamque longissime ab intellectu profanorum: profani sind 'Uneingeweihte' (vgl. Bogan 37). Die philosophische Lehre wird somit in die Sphäre der Mysterien erhoben (zur Mysterienterminologie in der platonischen Tradition vgl. C. Riedweg, Mysterienterminologie bei Piaton, Philon und Klemens von Alexandrien [Berlin/New York 1987]; zur Sakralisierung der Rolle des Weisen Cancik / Cancik-Lindemaier 217). In die gleiche Richtung weisen schon occulto (Ζ. 16); secreta (Ζ. 17); oraculis (Ζ. 20). Vgl. 23 sola bezieht sich eher auf philosophia als auf mysteria, denn in der unmittelbaren Fortsetzung der zitierten Stelle wird der Inhalt, den die Philosophie lehrt, noch einmal eigens beschrieben; er erschöpft sich also nicht in den mysteria. Aufgabe der Philosophie ist es vielmehr zu zeigen, w i e die Bibel zu verstehen ist (und zwar mit Hilfe ausserbiblischer, insbesondere neuplatonischer Lehren). Vgl. auch ord. 2, 38 (19f.): seit scire (seil, dialéctica), sola scientes facere non solum vult sed etiam potest. 24 O'Meara, Porph. II 126 führt das Motiv des 'Versprechens der Philosophie' auf den Einfluss von Porph. De philosophia ex oraculis haurienda 303F Smith zurück (βέβαιος δε και μόνιμο; ό εντεύθεν cos αν εκ μόνου βέβαιου τ ά ς ελπίδας τ ο υ σωθήναι ά ρ υ τ ό μ ε ν ο ξ ) . Seine These wird von Cutino 57f. zu Recht kritisiert. Cutino (ebd.) vermutet seinerseits eine Abhängigkeit von Porph. De regressu animae, die sich jedoch ebenso wenig belegen lässt (dazu Schlapbach 144f.).
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auch Acad. 3, 38 (34): pro mysteriis custodita, und 3, 41 (36f.): Piatonis adyta (an diesen beiden Stellen wird auf eine platonische 'Geheimlehre' angespielt); ord. 1,31 (15f.): per aureas depictasque ianuas ad sacrosancta philosophiae penetralia·, 2, 27 (Mysterien-Metaphorik für Christentum und Bibel). Zum platonischen Motiv, dass die Menge der gewöhnlichen Leute von der Einsicht in die höhere Ordnung ausgeschlossen bleibt, vgl. unten 1, 2 [36f.]: stultorum hominum, quorum inmensa turba est', 2, 1 (14): ut scientia raro paucisque proveniat (weitere Beispiele bei Fuhrer z.St.); 3, 37 (31): quae (seil, verae virtutes) nisi paucis sapientibus ignotae essent (zum platonischen Hintergrund s. Fuhrer z.St.); Aug. util. cred. 1: sed res (seil. Veritas) est longe remota a vanorum hominum mentibus; Cie. Hort. Fr. 88 G.: summus ille noster Piatonis imitator (seil. Cicero) existimavit philosophiam non esse vulgarem, quod earn non nisi docti homines adsequi possint; Fr. 89 G.: Cicero ait abhorrere a multitudinephilosophiam-, Fr. I l l G. = Aug. civ. 22, 22: si paucis divinitus datum est donum verae philosophiae·, Tusc. 5, 9: raros esse quosdam qui... rerum naturam studiose intuerentur; Porph. De philosophia ex oraculis haurienda 304F Smith: τ α ύ τ α π ε ι ρ ώ μή δημοσιεύειν μηδ' άχρι και τ ω ν βεβήλων ρίπτειν α ΰ τ ά (vgl. O'Meara, Porph. I 172 Anm. 2; dens. Porph. II, 126). 21 veris amatoribus suis: Zum Attribut veris s.o. zu Ζ. 14f. Zum 'Liebhaber der Philosophie' vgl. beata ν. 4 (77f.): amore philosophiae-, Acad. 2, 6 (75f.): ad huius (seil, philosophiae) pulchritudinem blandus amator et sanctus ... advolare f , sowie ord. 1, 24 (52): amatores amplectendae veritatv, 2, 24 (oben zu Z. 19-22 zitiert); sol. 1, 22: amator sapientiae (dazu Testard 1, 284). Dem Bild des 'Liebhabers' entspricht die Personifizierung der philosophia als weiblicher Gestalt (s.u. zu 1, 3 [72]). Die Ausdrucksweise lehnt sich an die Übersetzung von φιλοσοφία als amor sapientiae an (so z.B. Acad. 2, 7 [4]; Cie. leg. 1, 58; Tim. 51; Sen. epist. 89, 4; u.ö.). Im Hintergrund steht die weit verbreitete platonische Eros-Metaphorik (dazu Courcelle, Visage 116 mit Anm. 6 = Connais-toi 665 mit Anm. 207; Fuhrer zu 2, 7 [17]). Dass sich Romanianus an der vorliegenden Stelle direkt angesprochen fühlen soll, suggeriert Acad. 2, 8 (38): veritatis amore inliciebaris. 21 f. ad quam te invito philosophia: Die Funktion von Acad. 1 als Protreptikos zur Philosophie wird hier explizit ausgesprochen; ebenso in Acad. 2, 3 (1): adgredere mecum philosophiam', 2, 8 (26f.): nos, inquam, Romaniane, philosophemur (s. auch oben S. 8 und unten zu 1,4 [83]). 22f. quam ob rem ne te ipse contemnas: Anapher von quam (Z. 19 und 22). Mit dem verneinten Imp. erreicht die Argumentation einen vorläufigen rhetorischen Höhepunkt. Verneinter Imp. durch ne + Konj. Präs. ist im Altlat. und seit dem 1. Jh.n.C. häufig belegt, im klass. Lat. jedoch nur in der Dichtung und in Ciceros Briefen (vgl. KS 2, 1, 188; LHS 336).
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Zum Inhalt des negativen Gebots vgl. Acad. 2, 8 (33f.) (ebenfalls zu Romanianus): ne te contemnas. Verachtung gebührt nur den sinnlich wahrnehmbaren Dingen (1, 3 [76f.]: totumque contemn i oportere, quicquid mortalibus oculis cernitur, quicquid ullus sensus attingif, vgl. 1, 22 [13-15]: cum quicquid praeter res humanas atque divinas est, nos vilissimum ducere et omnino contemnere oporteaf, 1,21 [47f.] und z.St.) und insbesondere der fortuna (s. Fuhrer zu 3, 2 [9f.]). 23-25 nam si divina Providentia pertenditur usque ad nos,... sic tecum agi oportet, ut agitur: nam bildet eine Assonanz mit quam (Z. 19 und 22) und wird in Z. 26 noch einmal aufgenommen. - Zusätzliche Erläuterung der Forderung in Z. 23 (zu erläuterndem nam vgl. KS 2, 2, 112f.; LHS 505). Inhaltlich knüpft die Passage an die Erklärung von fortuna in Ζ. 15-19 an. Im Vergleich zur 'verborgenen Ordnung' und der 'geheimen Erklärung und Ursache' (Zz.l6f.) enthält die hier erwähnte 'göttliche Vorsehung' jedoch zusätzlich noch den Aspekt der fürsorgenden Lenkung der Welt; eine Fürsorge, die sich auch auf die einzelnen Menschen bezieht (usque ad nos). Im Einklang mit der vorliegenden Stelle verwirft Augustin in De ordine 1, 1 (15-17) die stoische Erklärung der mala, dass die göttliche Vorsehung möglicherweise nicht bis zu den untersten Dingen herabreiche, als unfromm: divinam providentiamnon usque in haec ultima et ima pertendi ... impium (vgl. Solignac 447). Dass Augustins Haltung in dieser Frage wahrscheinlich von Plotin beeinflusst war, lässt sich aus civ. 10, 14 p. 424, 16-20 D.-K. erschliessen: de Providentia certe Plotinus Platonicus disputât eamque a summo deo ... usque ad haec terrena et ima pertingere ... comprobar, vgl. Plot. 3, 2 und 3, 3 (Περι προνοίας A' und Β'), bes. 3, 2, 7, 3336, wo Plotin die These widerlegt, dass die Vorsehung nicht bis zur Erde reiche (μή μέχρι yfjs φθάνει) (dazu Solignac 450; G. Madec [oben zu Ζ. ΠΙ 9] 295). Zu eindeutig auf Plotin festlegen möchte die ganze vorliegende Passage jedoch O'Meara, Porph. I 172: "The philosophy mentioned, therefore, in Contra Acad. I.I ist the philosophy of the school of Plotinus." Zur Vorsehung bei Plotin und Augustin vgl. C. Parma, Pronoia und Providentia. Der Vorsehungsbegriff Plotins und Augustins (Leiden 1971); N. Scholl, Providentia. Untersuchungen zur Vorsehungslehre bei Plotin und Augustin (Freiburg i.Br. 1960). 25 mihi crede, ... oportet: Parataxe statt Acl nach Verba sentiendi et dicendi (hier crede·, ebenso in 1, 3 [68]) ahmt die mündliche Rede nach und wirkt lebendig und eingängig (LHS 528f.). Das Phänomen begegnet besonders häufig bei den Komikern (KS 2, 2, 161). 26-28 nam cum tanta... indole tua... ingrederis: Anapher von nam (vgl. Z. 23). Die Behauptung, dass die scheinbar negativen Umstände notwendig seien (Z. 25), wird in einem langen Satzgefüge (bis Z. 33) am Beispiel von
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Romanianus' Werdegang seit seiner Jugend illustriert (dieses Vorgehen wird in § 2 fortgesetzt). - Zu Romanianus' guten Voraussetzungen für die Philosophie s.o. zu Z. 1; zu seiner 'Begabung' vgl. Acad. 2, 8 (30-32): nam de indole quid dicam? utinam non tarn rara esset in hominibus, quam certa est in te! Zum Motiv der guten Voraussetzungen, die sich jedoch nicht sofort entfalten, vgl. Cie. Tusc. 5, 5 und Apul. met. 11, 15 (unten zu Z. 31f. zitiert). 27 adhuc infirmo rationis atque lapsante vestigio: 'mit dem noch unsicheren und wankenden Schritt der Vernunft', lapsari ist vorwiegend als Part. Präs. belegt, z.B. Aug. conf. 4, 2: deus, vidisti de longinquo lap santem in lubrico ... fidem (nach Verg. Aen. 2, 551: in multo lapsantem sanguine; vgl. TLL 7, 2, 955, 15ff.; Bogan 35; Finaert 52). 28 humanam vitam errorum omnium plenissimam ingrederis: Die Formulierung scheint sich an Ciceros Hortensius anzulehnen; dies suggeriert Hort. Fr. 101 S. = Aug. trin. 14, 12: in hac tantum vita quam videmus aerumnis et erroribus ρ le η am omnes quattuor necessarias dixit (seil. Cicero) esse virtutes; vgl. auch den Testimonienapparat bei Hort. Fr. 110 G.; Aug. trin. 13, 10: ac per hoc in ista mortali vita erroribus a e rumnisque pienissima praeeipue fides est necessaria (dazu Madec, Hortensius 168); Cie. Hort. Fr. 112 G. = 99A 1 S. = Aug. c. lui. 4, 78: ex quibus humanae (inquit) vitae erroribus et aerumnis. Ausserdem erinnert das Bild des 'Gehens' (rationis ... vestigio ... ingrederis, Z. 27f.) an die Wegmetapher, mit der in Hort. Fr. 64 G. = 75 S. die Gefahr, dass die Vernunft durch errores verdorben wird (depravatio rationis / διαστροφή τ ο υ λόγου), ausgedrückt wird: habet enim ipsa (seil, ratio15) certam et definitam viam et ex ea multis vitiis et erroribus depravata deducitur (dazu Doignon, Clichés 140f.). 29 excepit te circumfluentia divitiarum: Das Subst. circumfluentia ist nur bei Augustin belegt (auch noch lib. arb. 3, 265: circumfluentia temporalium bonorum; en. Ps. 83, 5; 85, 16; vgl. TLL 3, 1144, 66ff.; Finaert 25; Hensellek 148 § 8). Die Bildungen von Abstrakta mit dem Suffix -ia sind häufig in der Zeit bis Cicero und wieder ab dem 2. Jh. (vgl. LHS 744; LHS 1, 291: "ständig zunehmend die Ableitungen auf -ent-ia"). Die Verbindung eines Abstraktums mit einem weiteren Subst. im Gen. Plur. ist poetisch (vgl. Finaert 53). - Zur Formulierung vgl. Hort. Fr. 106 G. = 91A 11 S.: circumfluentibus corporis voluptatibus\ beata ν. 11 (137f.): his omnibus abundans rebus atque circumfluens. Zu excepit te ('nahm dich gefangen') vgl. 1, 3 (70): quae (seil, mundi huius dona) me ipsum capere moliebantur, beata v.
25 Zum wahrscheinlichen Subjekt ratio in Fr. 64 G. = 75 S. vgl. Grilli 97. Dagegen nehmen Piasberg 60, Ruch 133, Straume-Zimmermann 164 und Doignon, Clichés 140 Anm. 8, als Subjekt natura an.
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2 (28f.): in illis rebus, a quibus laeti excipiuntur (dazu Doignon, Clichés 142 Anm. 14; vgl. TLL 5, 2, 1254, 68ff.). Der Reichtum, d.h. ein hohes Mass an äusseren Gütern, ist hier nicht nur nicht positiv konnotiert, sondern wird sogar als eigentliche Ursache von Unglück verstanden (diese Umkehrung der landläufigen Meinung ist die genaue Entsprechung zur positiven Interpretation von scheinbar negativen Umständen; s.u. zu Z. 31 f.). Augustin war bei dieser Beurteilung der äusseren Güter wohl von Ciceros Hortensius beeinflusst; neben Fr. 106 G. (s.o.) legt dies Fr. 67 G. = 40 S. nahe (s.u. S. 46). 29-31 illam getatem atque animum, quae pulchra et honesta videbantur, avide sequentem: Alliteration. - Zur Neigung des Jugendalters zu dem, was nur scheinbar 'schön und edel' ist, vgl. Acad. 2, 3 (15-17) (in Bezug auf Augustine Wunsch in Thagaste, eine bessere berufliche Stellung zu erlangen): evincere adulescentis cupiditatem ad ea quae videbantur me lio ra tendentis nequivisti (seil. Romaniane). Die Neigung an sich wird nicht verurteilt; was vielmehr fehlt, ist die Erkenntnis des 'wahren' Schönen.26 31-33 inlecebrosis ... coeperat absorbere gurgitibus, nisi... eripuissent páene mergéntem: Cursus planus, mergo ist nur selten und in der Dichtung intransitiv (vgl. TLL 8, 831, 24ff.; die Verwendung von Transitiva als Intransitiva erfolgt gewöhnlich über das Part. Präs., weil dieses die Unterdrückung des Objekts begünstigt; dazu LHS 290). gurges ist vorwiegend dichterisch (vgl. Finaert 52; TLL 6, 2, 2359, 65ff.). Die Konstruktion coeperat absorbere steht als Ersatz der Coniugatio periphrastica (so Hensellek 168 § 116; das Part. perf. pass. bzw. fut. akt. von absorbere ist klass. nicht belegt; vgl. TLL 1, 183, 66ff.). - Die maritime Metaphorik wird hier fortgesetzt (s.o. zu Z. 8). Zur Ausdrucksweise vgl. beata ν. 3 (66-70): Studium inanissimae gloriae ... demergat ac sorbeat eisque in tenebras revolutis e rip i at luculentam domum, quam paene iam videranf, Ambr. Isaac 8, 78: nam qui intuetur corpora non debet introrsum intueri, ne more mergentis in gurgite rapiatur atque absorbeatur et quasi in profundum demersus nusquam adpareat (s. Anm. 26). Die 'verlockenden Strudel' sind eine Anspielung auf sinnliche Genüsse; vgl. unten 1, 4 (82): a iuvenalibus ini e cebris voluptatibusque conversus·, Aug. trin. 12, 14: gurgite carnalis voluptatis", Plaut. Bacch. 87f.: istoc inlecebrosius /fieri nil potest: nox, mulier, vinum homini adulescentulo', Cie. Hort. Fr. 84 G. = 84A 1 S. = Aug. c. lui. 4, 72: an vero voluptates 26 Die ähnliche Wortwahl wie in Ambr. Isaac 8, 78 (s.u. zu Z. 31-33) darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass dort von einer gerade entgegengesetzten Wirkung der Neigung zum Schönen die Rede ist: harte igitur videns ρ ule h ra m imaginem in g redi a tu r in tro (gegen Courcelle, Recherches 126).
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corporis expetendae, quae vere et graviter a Platone dictae sunt Ule cebrae esse atque escae malorum? ... quis autem tantus est gur g es, qui dies et noctes sine ulla minimi temporis intermissione velit ita moveri suos sensus ut moventur in summis voluptatibus?27 (die Anspielung auf Platon gilt Ti. 69d 1: ήδονήν, μέγιστου κάκου δέλεαρ; zur Tradition des Bildes des Köders im Anschluss an Ti. 69d vgl. Courcelle, Connais-toi 429-435; Gunermann 142f.). 31 f. nisi ... fortunae illi flatus, qui putantur ad versi, eripuissent: Zu fortuna als 'Retterin' bzw. 'Geleiterin zum Hafen' vgl. oben Z. 9f. und 1519. Zur Metapher des Sturms für scheinbar negative Umstände, die sich letztlich als positiv und sogar notwendig erweisen, vgl. beata v. 1 (11-14): quotusquisque cognosceret, quo sibi nitendum esset quave redeundum, nisi aliquando et invitos contraque obnitentes aliqua tempestas, quae stultis vi de tur adversa, in optatissimam terram nescientes errantesque compingeret?; ebd. Z. 28-32 und 46-49; Cie. Tusc. 5, 5: cuius (seil, philosophiae) in sinum cum a primis temporibus aetatis nostra voluntas studiumque nos compulisset, his gravissimis casibus in eundem portum, ex quo eramus egressi, magna iactati tempestate confugimus; Apul. met. 11, 15: magnisque Fortunae tempestatibus et maximis actus procellis ad portum ... venisti, nec tibi natales ac ne dignitas quidem, vel ipsa, qua flores, usquam doctrina profuit, sed lubrico virentis aetatulae ad serviles delapsus voluptates curiositatis inprosperae sinistrum praemium reportasti, sed uteumque Fortunae caecitas, dum te pessimis periculis discruciat, ad religiosam istam beatitudinem impróvida produxit malitia (dazu Pfligersdorffer 44f.; zur maritimen Metaphorik s.o. zu Ζ. 8). Die Notwendigkeit von Schwierigkeiten und Unglücksfällen ist ein Topos; vgl. Sen. dial. 1, 2, 4: marcet sine adversario virtus; epist. 94, 74: nam quasi ista inter se contraria sint, bona fortuna et mens bona, ita melius in malis sapimus: secunda rectum auferunt, Synes. insomn. 8 p. 159, 4-9 Terzaghi: αϊ τε παρ'άξίαυ καλούμενοι συμφοραι μέγα μέρος συμβάλλονται προς τ ο λϋσαι την σχέσιν, ήν έχομεν πρό$ τ α τηδε. και ή π ρ ώ τ η πρόνοια δια τ ο ύ τ ω ν εισάγεται τοΐ$ ϋχουσι νοΰν, δι' ώ ν τοις οϋκ έχουσιν άπιστεΐται. cos ούκ εστίν ό π ω ς π ο τ ' αν άποστραφείη την υλην ψυχή μηδενι κακφ περι τ α τηδε προσκόπτουσα (dazu Pfligersdorffer 149f.; vgl. auch Lütcke, Auct. I 90; Courcelle, Recherches 188 Anm. 1; Solignac 448). Augustin illustriert die letztlich wohltuende Wirkung eines negativen Umstands unten in § 3 am Beispiel seiner eigenen Biographie (s.u. zu 1, 3 [71f.]).
27 Dazu J. Doignon, Une leçon méconnue du fragment 81 (Müller) de l' "Hortensius" de Cicéron transmis par saint Augustin, RPh 55 (1981) 237-244.
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Contra Académicos
1, 2: Romanianus' bisheriges Leben Die Schilderung von Romanianus' Leben, wie es vor dem Umschlagen seiner fortuna war, zeigt das gängige Bild eines wohlhabenden und einflussreichen Römers. Es handelt sich dabei um die stilisierte Beschreibung eines Typs, nicht um ein realistisches Porträt.28 Die lange Liste äusserer Güter enthält die Stiftung von Spielen und Spektakeln, Ehreninschriften und Statuen, Ämter und Befugnisse, Gastmähler und das Hauswesen, Bäder und Kleider.29 In Acad. 1, 3 werden die äusseren Güter mit der Philosophie und der Gotteserkenntnis kontrastiert. Eine berühmte Beispielfigur des homo fortunatus ist Sergius Orata, dessen Reichtümer Cicero im Hortensias schildert. Einen Zusammenhang des vorliegenden Abschnitts mit Ciceros Darstellung des Orata kann aufgrund der Diskussion der wahren und falschen Güter anhand der gleichen Beispielfigur in Augustins De beata vita vermutet werden: sed fingamus aliquem tarnen, qualem Tullius fuisse dicit Oratam. quis enim facile dicat Oratam egestate laborasse, hominem ditissimum amoenissimum deliciosissimum, cui ñeque ad voluptatem quicquam defuit ñeque ad gratiam ñeque ad bonam integramque valetudinem? nam et praediis quaestuosissimis et amicis iucundissimis, quantum libuit, abundavit et illis omnibus aptissime ad salutem corporis usus est eiusque, ut breviter totum explicem, omne institutum voluntatemque omnem successio prospera consecuta est. sed fartasse inquiet aliquis vestrum plus illum, quam habebat, habere voluisse. hoc ignoramus, sed, quod satis est quaestioni, faciamus eum non desiderasse amplius, quam tenebat.30 Der vorliegende Paragraph ist besonders reich an rhetorischen Stilmitteln in unterschiedlichen Kombinationen: Alliterationen, Anaphern, Assonanzen (Z. 37: conflatis et consentientibus-, 42: conviviis cotidianis-, 43f.: quod cuique esset necesse, quod cuiusque etiam deliciae sitirent); Homoioteleuton (Z. 28 Vgl. Fuhrer 70 Anm. 19. Der entsprechende rhetorische Fachbegriff ist descriptio / χ α ρακτηρισμό; als Form der evidentia / ενάργεια (vgl. Lausberg 406 § 818). 29 Acad. 2, 5 (57-59): quis me tunc honor, quae hominum pompa, quae inanis famae cupiditas, quod denique huius mortalis vitae f omentum atque retinaculum commovebatl (s. Fuhrer z.St. und zu 2, 6 [72f.]); ausserdem Cypr. Don. 3; 11; 13 (Ehren); 7 (Zirkus); 8 (Theater); 12 (Reichtum). 30 Aug. beata v. 26 (65-77) = Cie. Hort. Fr. 67 G. = 40D S. Vgl. Hartlich 299 Anm. 1; Grilli 153f. Zur Rolle des Hortensius für Augustins Behandlung der äusseren Güter s.o. S. 15; R.P. Russell, Ciceros' Hortensius and the Problem of Riehes in Saint Augustine, C.P. Mayer / W. Eckermann (Hgg.), Scientia Augustiniana, FS A. Zumkeller (Würzburg 1975) 12-21; J. Doignon [oben S. 19 Anm. 68] 193-206; dens., La fortuna y el hombre afortunado. Dos temas parenéticos del prólogo del libro I Contra académicos, Augustinus 31 (1986) 82-84. Zu Orata vgl. noch Cie. de orat. 1, 39; Hort. Fr. 71 G. = 39 S , ; f i n . 2, 22; o f f . 3, 67.
1,2: Romanianus
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35: antea visa spectacula)·, Alliteration, Assonanz, Homoioteleuton (Z. 58: fluxa et fragilia et plena calamitatimi)·, akzentuierende Klauseln: Cursus planus (z.B. Ζ. 40: aere signárenf, 53: facere audéref, 56f.: advérsa fecérunt·, 60: persuadére possímus); Cursus velox (36: prospérrimus accepíssef, 55: minime videréris)', Cursus trispondaicus (38: audéret inimícus). Die sorgfältige stilistische Gestaltung ist typisch für einen Text mit protreptischer Absicht.31 34-53 an vero si quisquam tibi (Ζ. 5If.) ..., quisquam quaeso mentionem facere auderet?: Überaus lange Periode, wobei der Hauptsatz in Form einer rhetorischen Frage nach einer Reihe von 14 irrealen Konditionalsätzen erst mit quisquam in Z. 51 wieder aufgenommen wird (mit einer irrealen Periode beginnt auch der erste Paragraph; s. dort zu Z. 1-15). Der Effekt der rhetorischen Frage wird durch die Anapher von quisquam (Z. 51 f. und 53) und die Alliteration (qu-) noch verstärkt. 34 muñera ursorum: In der Kaiserzeit waren Tierhetzen (venationes) mit Bären äusserst beliebt (vgl. M. Wellmann, Bär, RE 2 [1896] 2760). Die Bären wurden dabei entweder gegen Menschen (Gladiatoren oder Verbrecher) oder gegen Stiere gehetzt (vgl. I. Weiler, Der Sport bei den Völkern der alten Welt [Darmstadt 1981] 260). Die Finanzierung von muñera war seit der spätrepublikanischen Zeit eine kostspielige Amtsobliegenheit der Magistraten und eine der wichtigsten Voraussetzungen für die öffentliche Anerkennung der Curialen (vgl. Lepelley 180f.; Demandi, 407; F. Bernstein, Ludi Publici. Untersuchungen zur Entstehung und Entwicklung der öffentlichen Spiele im republikanischen Rom [Stuttgart 1998] 305). Die Stifter von Tierhetzen machten sich nicht zuletzt auch dadurch beliebt, dass das Fleisch der Tiere nach den Spielen zum Essen verteilt wurde; dazu äusserten sich christliche Autoren polemisch (z.B. Tert. apol. 9, 11; Min. Fei. 30, 6; vgl. D. G. Kyle, Animal Spectacles in Ancient Rome·. Meat and Meaning, Nikephoros 7 [1995] 181-205). Die Spiele wurden im Westen zwischen 402 und 423 durch Honorius abgeschafft (vgl. K. Schneider, Gladiatores, RE Suppl. 3 [1918] 772). - Obwohl die Darstellung von Romanianus' Leben stilisiert ist (s.o. S. 46), lässt sich aufgrund der vorliegenden Stelle immerhin vermuten, dass es in Thagaste ein Amphitheater gab. 35 theatricus plausus: Das Adj. theatricus ('das Theater [als Ort] betreffend'; nach griech. θεατρικός) ist nicht vor Augustin bezeugt (vgl. C. Mohrmann, Die altchristliche Sondersprache in den Sermones des hl. Augustin (Amsterdam 21965) 1, 220f.; Hensellek 160 § 73: "Lieblingswort Augustine"). Die gleiche Junktur findet sich in conf. 4, 1: hac popularis 31 Vgl. Cancik 22f.; Hadot 20; s. auch unten zu Z. 57. Zum Cursus s.o. zu 1,1 (1-6).
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Contra Académicos
gloriae sedantes inanitatem usque ad theatricos ρ l aus us et contentiosa carmina et agonem coronarum faenearum et spectaculorum nugas. Kritik am Theater als einem Ort von abscheulichen Vergnügungen ist schon in der paganen römischen Tradition ein Topos (z.B. Sen. epist. 7). Die Christen nehmen das Motiv auf: Tertullian widmet dem Thema einen eigenen Traktat De spectaculis-, vgl. auch Lact. inst. 6, 20, 8-36; u.ö. (dazu H. Jürgens, Pompa Diaboli. Die Bekanntschaft der lateinischen Kirchenväter mit dem antiken Theaterwesen [Stuttgart etc. 1972]; W. Weismann, Kirche und Schauspiele. Die Schauspiele im Urteil der lateinischen Kirchenväter unter besonderer Berücksichtigung von Augustin [Würzburg 1972]). 36-38 si stultorum hominum, quorum inmensa turba est, ... vocibus ferrerie ad caelum: Während die meisten Menschen stulti sind, haben nur wenige Zugang zur Philosophie (s.o. zu 1, 1 [20f.]). Was die Menge gut findet, gilt mitunter von vornherein als schlecht (Sen. dial. 7, 2, 1: argumentum pessimi turba est)', anzustreben sei nicht, was von der Menge für gut befunden werde (7, 2, 2: non quid vulgo, veritatis pessimo interpreti, probatum sit). Darin seien sich alle Philosophenschulen einig (Sen. epist. 29, 1012). Die Übereinkunft aller (consensus omnium) kann jedoch auch als Garant für die Wahrheit gelten (s.u. zu 1, 5 [13f.]). 38 si nemo ... inimicus: Der Inhalt der Z. 36-38 wird hier durch die Negation des Gegenteils bekräftigt. - Das Bild eines einflussreichen Mannes, dem keiner entgegenzutreten wagt, wird innerhalb des Hortensius-Referats in trin. 13, 8 in weit negativeren Tönen als in Acad. 1, 2 ausgemalt: quis namque ita sit mente caecus ...ut eum qui nequiter vivit ac turpiter et nullo prohibente, nullo ulciscente, nullo saltem reprehendere audente, insuper et laudantibus plurimis ... implet omnes suas facinorosissimas et flagitiosissimas voluntates, ideo beatum dicat quia vivit ut vult... ? (vgl. Grilli 153). 38f. municipales tabulae: Öffentliche Ehreninschriften, die wohl u.a. den Vertrag zwischen dem Patronus und seinen Klienten festhielten (auch tabulae patronatus oder tabulae hospitales genannt; vgl. Lepelley 180; zum weiteren möglichen Inhalt der Inschriften s.u. zu Z. 41f.). Eine fragmentarisch erhaltene Inschrift, die wohl von einem grösseren Monument in Thagaste stammt, nennt tatsächlich einen (Cor)nelius Romanianus (CIL 8, suppl. 1 Nr. 17226; vgl. Lepelley 180 Anm. 25). 40f. conlocarentur statuae, influerent honores, adderentur ... potestates: Drei parallel gebaute Kola mit semantischer Klimax. 41 f. quae municipalem habitum supercrescerent: supercrescere als Transitivum ist selten (vgl. Forc. 5, 753). - Wenn Romanianus mit Befugnissen ausgestattet war, 'die über den städtischen Aufgabenbereich hinausgehen', dürfte er flamen perpetuus, curator rei publicae, duumvir und
1, 2: Romanianus
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wahrscheinlich auch sacerdotalis provincialis gewesen sein (so Lepelley 180).
42 mensae opimae: Opulentes Essen gehört zu den Topoi der Beschreibung des Reichen; vgl. Val. Max. 9, 1, 1 (in Bezug auf Orata): ... ut nulla tarn saeva tempestas inciderit, qua non Oratae mensae varietate ferculorum abundarent. 43f. quod cuique esset necesse, quod cuiusque etiam deliciae sitirent: Anapher und Assonanz. - deliciae ist hier aktiv aufzufassen (~ libido, cupido; vgl. Hensellek 150 § 18). 44 indubitanter peteret, indubitanter hauriret: Anapher und Isokolon. Als Subjekt wird quisque aus den beiden vorangehenden Rel.sätzen (Z. 43f.) erschlossen. 47f. in aedificiorum exquisitissimis molibus: 'in riesigen Anlagen ausgeklügeltster Bauten'; vgl. Val. Max. 9, 1, 1 (über Orata): aedificiis etiam spatiosis et excelsis... ora Lucrini lacuspressit (vgl. Grilli 154). 48 in nitore balnearum: Spezielle Bäder gehörten auch zum sprichwörtlichen Reichtum von Orata; vgl. Cie. Hort. Fr. 68 G. = 40A S.: primus balneola suspendit, inclusit pisces; Val. Max. 9, 1, 1: C. Sergius Orata pensilia balnea primus facer e instituit; zu komplizierten Β assin-Anlagen für Fische auch Plin. nat. 9, 168-172. 48f. in tesseris, quas honestas non respuit: tesserae sind Mosaiksteine bzw. Mosaike (vgl. Vitr. 7, 1, 6; Plin. nat. 36, 104-109; so Lepelley 179 Anm. 24 gegen Jolivet, der an Spielsteine denkt). Der Relativsatz enthält vielleicht eine Anspielung darauf, dass solche Mosaike oft einen Bacchuszug oder die Geburt der Venus darstellten und dabei die honestas verletzten (vgl. Lepelley ebd.). 49 in venatibus: Zum Motiv der Jagd als Zeitvertreib der Oberschicht vgl. Symm. epist. 1, 53; 4, 31; Synes. ep. 41 (dazu Demandt 326-328). 49f. in ore clientium, in ore civium, in ore ... populorum: Anapher und Klimax. Zur spätlat. Verwendung vonpopuli als 'alle Welt', 'jedermann' vgl. Hensellek 156f. §§ 54f. 50f. humanissimus ... fortunatissimus: Eine ähnliche Häufung von asyndetischen Superlativen zur Beschreibung des vermeintlichen beatus enthält Cie. Hort. Fr. 67 G. = 40D S. = Aug. beata ν. 26: ditissimum amoenissimum deliciosissimum', vgl. auch Plin. paneg. 59, 3: diceris iustissimus humanissimus patientissimus fuisse.32 51-53 quisquam ..., quisquam ... auderet?: Apodosis, hervorgehoben durch die Anapher. Zu quisquam in rhetorischen Fragen negativen Sinnes 32 Die Variante ut suesti fortunatissimus S T R 1 ist aus stilistischen Gründen auszuschliessen (der Einschub stört die Parallelität der vier Superlative).
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Contra Académicos
(bes. mit an; so hier [oben Ζ. 34]) vgl. KS 2, 1, 638. - Das Umschlagen von Romanianus' Geschick wird als Voraussetzung für seine Annäherung an das 'wahrhaft glückliche Leben* betrachtet (s.o. zu 1, 1 [31 f.]; unten Z. 55f.). 52 beatae alterius vitae: Der ausführlichen Schilderung dessen, was für die meisten Menschen als ein überaus glückliches Leben gelten muss, wird ein 'anderes glückliches Leben' entgegengestellt. Dieses gründet nicht auf äusseren Gütern, sondern ist - im Sinne dessen, was die platonische Philosophie lehrt - auf die intellektuell wahrnehmbaren Dinge und auf Gott ausgerichtet (vgl. unten 1, 3 [75-80]; s.u. zu 1, 3 [65]). 53-55 quisquam tibi persuadere posset ...?: Eine weitere rhetorische Frage, zu der immer noch das Fragewort an aus Z. 34 hinzugedacht werden muss, wird mit der Anapher quisquam angefügt. Zu persuadere s.u. zu Z. 57. 54f. non solum te felicem non esse sed eo..., quo tibi minime videreris: Als Steigerung von Romanianus' Elend kommt hinzu, dass er n i c h t w e i s s , dass er miser ist. Dies hängt mit der zentralen Bedeutung der Selbsterkenntnis v.a. in der platonischen Tradition zusammen (dazu s.u. zu 1, 22 [3]), daneben auch mit der stoischen Gleichung von miser und stultus. Zum Inhalt vgl. Synes. insomn. 8 p. 158, llf. Terzaghi: τ ο ΰ τ ο κακών αν είη τ ο εσχατον, μηδ' έπαίειν κακού παρόντος (vgl. Pfligersdorffer 148). 55f. quam te breviter admonendum ... adversa fecerunt: Auffällige Sperrung und Verschränkung von quam ... breviter und te ... fecerunt. - Auf das (scheinbare) Unglück, das Romanianus betroffen hat, spielt Augustin oben wiederholt an (1, 1 [2]; 1, 1 [31-33] mit der Metapher des Seesturms); die konkreten Umstände nennt er dabei nicht (s.o. S. 26 Anm. 2). Der Erfahrung des Unglücks am eigenen Leibe kommt eine pädagogische Funktion zu. 57 non ... alienis exemplis persuadendum: persuadere (vgl. Z. 54 und 60) und exempla sind rhetorische Termini technici: persuadere (πείθειν) ist Ziel der Gerichtsrede (vgl. Lausberg 149 §§ 256f.). Das exemplum (παράδειγμα) wird einerseits als Beweisart betrachtet (Arist. Rhet. 1, 2. 1356b 3; Quint, inst. 5, 11, 1), die der Menge vertraut ist und die die Gemüter besonders bewegt (Cie. de orat. 3, 205; vgl. J. Klein, Exemplum, HWR 3 [1996] 63). Andererseits bestimmt Seneca das exemplum in epist. 95, der Reste einer stoischen Aussagenlehre nach Poseidonios wiedergibt, als Teil der Paränese (epist. 95, 66 und 72). Dabei werden die exempla als äusserst wirkungsvoll betrachtet; vgl. Sen. auch epist. 6, 5: longum iter est per praeeepta, breve et efficax per exempla-, Clem. Al. Paed. 3, 8; Ambr. virg. 2, 2; u.ö. Dementsprechend machte die kynisch-stoische Diatribe ausgedehnten Gebrauch von exempla (vgl. A. Lumpe, Exemplum, RAC 6 [1966] 1233; Marrou 116/102 und 133/117). Intendierte Wirkung des Beispiels ist die Nachahmung (imitatio; vgl. unten zu 1, 4 [83]). An der vorliegenden Stelle über-
1,3: Protreptische Rede
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nimmt die eigene Erfahrung des Adressaten die Funktion des Exemplums. Weiter unten kommt sowohl Augustin selbst als auch Licentius die Rolle von Exempla zu (1, 3 [70-75] bzw. 1,4 [83]). 58f. quae bona mortales putant: Gleiche Formulierung Acad. 3,43 (13); vgl. auch beata ν. 28 (120f.): tarn pendulis nutantibusque his, quae bona putabat (seil. Sergius Orata). Zum Inhalt s.o. zu Z. 36-38. 59 expertus: Die Lesart ex aliqua parte bene expertus S Τ sowie Migne und King ist aufgrund der nicht belegten Junktur bene experiri auszuschliessen. 59f. ex te ceteris persuadere: ex te: 'an dir', 'anhand von dir' (vgl. Hensellek 172 § 142). Die vorliegende Stelle enthält eine explizite Aussage über die Intention der Schrift (ceteris persuadere).
1,3: Protreptische Rede 61-67 illud ergo, illud tuum, quo semper quo quo numquam numquam illud ipsum, quod in te divinum ...: Der Abschnitt ist durch die verschiedenen rhetorischen Stilmittel eindringlich formuliert: Anaphern (illud 3x; quo 3x; numquam 2x); Alliterationen (decora ... desiderasti; illud ipsum, inquam)·, Homoioteleuta (-sti 4x; decora et honesta-, potentior... iustior; variis Ulis durisque). Zur Formulierung vgl. Ambr. Isaac 4, 11: atque intra semet ipsam divinum illud si qua insequi possit scrutatur et quaerit (seil, anima). Die göttliche Instanz des Menschen ist der rationale Seelenteil (s.o. zu 1, 1 [7] und zu 1, 5 [27-30]). 61-64 decora et honesta desiderasti,... te liberalem ... esse maluisti,... concupisti esse ... iustior, numquam adversitatibus ... cessisti: Augustin charakterisiert Romanianus durch vier Tugenden (temperantia, liberalitas, iustitia, fortitude), die durch Periphrasen wiedergegeben sind (vgl. Lausberg 305 § 589; so auch unten 1, 20 [25f.]); sie sind durch die Anaphern von quo (61-63) bzw. numquam (63f.) verbunden. Zur Formulierung decora et honesta vgl. oben 1, 1 (30f.) (ebenfalls in Bezug auf Romanianus): animum, quae ρ ule h ra et honesta videbantur, avide sequentem. Das Attribut liberalis ('grosszügig, edelmütig'; vgl. SLA, s.v. 1.2.2) knüpft an Romanianus' Charakterisierung in § 2 an (vgl. Z. 51: liberalissimus) und spielt gleichzeitig auf dessen Funktion als Augustine Mentor an (dazu Fuhrer 4f.). Gemäss der vorliegenden Stelle beruht das tugendhafte Verhalten auf der göttlichen Instanz im Menschen, die sein Wesen ausmacht. Daher können die vier Kardinaltugenden prudentia, temperantia, fortitudo, iustitia in 1, 20 (2426) als die eigentlichen 'menschliche Dinge' bestimmt werden. Überraschend ist, dass die Tugenden dort implizit von der Gotteserkenntnis abgegrenzt wer-
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Contra Académicos
den (s. z.St.). Zur Behandlung der Tugenden in den Cassiciacum-Dialogen vgl. Nörregaard 232f.; Doignon, Vertus; C. Horn, Augustinus über Tugend, Moralität und das höchste Gut, in: Fuhrer / Erler 181; Schlapbach 145-151. 65f. vitae huius somno veternoque: Das seltene und dichterische veternus steht in Verg. georg. 1, 123f. in einem ähnlichen Kontext ('durch Sorgen aufwecken'): (Juppiter) curis acuens mortalia corda / nec torpere gravi passas sua regna veterno (vgl. Pfligersdorffer 34). In Sen. e ρ is t. 115, 7 wird der 'Schlaf des Geistes' durch materielles Wohlergehen geschützt: malitiam et aerumnosi animi veternum perspiciemus, quamvis multus circa divitiarum radiantium splendor inpediat et intuentem hinc honorum, illinc magnarum potestatium falsa lux verberet (eine deutlich negative Konnotation nimmt das ebenfalls seltene Adj. veternosus in Aug. util. cred. 4 an: plagis veternosarum opinionum sauciatum oculum animae). Hinter der vorliegenden Formulierung steht die 'Zwei-Welten-Lehre' platonischer Tradition, d.h. die klare Trennung zwischen sensibilia und intellegibilia (dazu unten zu Z. 75-77; ähnliche Anspielungen auch oben 1, 2 [52]: beatae alterius vitae; unten Z. 69: mundi huius; 2, 1 [7] [unten zu Z. 66f. zitiert]; 2, 5 [58f.]: quod denique huius mortalis vitae fomentum atque retinaculum commovebat?, ord. 1, 32 [44-46]: esse autem al i um mundum ab istis oculis remotissimum, quem paucorum sanorum intellectus intuetur). 66f. iactationibus secreta Providentia excitare decrevit: iactationibus gehört in den Bereich der maritimen Metaphorik (s.o. zu 1, 1 [8]). Vgl. Acad. 2, 1 (7): vitae huius multis variisque iactationibus
(ebenfalls mit explizitem
Bezug auf Romanianus' Situation). Zu den Schicksalsschlägen, die sich als Auswirkung der Vorsehung erweisen, s.o. zu 1, 1 (31 f.); zu Providentia s.o. zu 1, 1 (24).33 Zum Attribut secreta vgl. oben 1, 1 (17); unten Z. 77f. 67 evigila, evigila, oro te: Anapher und Apostrophe. Die Parataxe statt Hypotaxe ist typisch für den von der mündlichen Rede geprägten Diatribenstil; vgl. Z. 68: crede, gratulaberis\ auch oben 1, 1 (25). Zur rhetorischen Verstärkung des Imperativs durch Bittformeln (hier oro te) vgl. LHS 339. Durch die Metapher des Aufwachens wird der Erkenntnisfortschritt als unvermittelter Übergang in einen Zustand ungleich höheren Bewusstseins dargestellt; ähnlich auch Aug. beata ν. 2 (37f.): in ipso quodam modo portu (seil, philosophiae) evigilant; 35 (286f.): mater ... quasi evigilans in fidem suam\ sol. 1, 2: deus ... pater evigilationis atque illuminationis no strae', 1, 3: deus a quo admonemur ut vigilemus; trin. 4, 1: qui vero iam evi g ilavit in deum spiritus sancii calore excitatus; civ. 2, 29; Plot. 1, 6, 9, 1; u.ö. (vgl. Doignon, Admonitio 28; H.H. Gunermann, Literarische und
33 Nörregaard 176 und 182 betont den 'persönlichen Charakter' der Vorsehung an der vorliegenden Stelle zu stark.
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philosophische Tradition im ersten Tagesgespräch von Augustinus' De ordine, RecAug 9 [1974] 185). Zur gnostisch-manichäischen, neuplatonischen und neutestamentlichen Tradition des Weckrufs vgl. A. Wlosok, Laktanz und die philosophische Gnosis (Heidelberg 1960) 138 Anm. 69; W. Schmid, Philosophisches und Medizinisches in der »Consolatio Philosophiae« des Boethius, in: Festschrift B. Snell (München 1956) 113-144 = G. Maurach (Hg.), Die römische Philosophie (Darmstadt 1976) 361-366; Duchrow 188 mit Anm. 17. 68-70 mihi crede, gratulaberis, quod paene nullis prosperitatibus ... mundi huius tibi dona blandita sunt: quid (Green) ist ein Druckfehler. Zur Parataxe statt Acl nach crede s.o. zu 1, 1 (25). Das Futur (gratulaberis) ist typisch für einen präskriptiven Kontext (dazu Cancik 23 Anm. 42). blandiri ('zum Genuss einladen, verlocken, wohltun'; vgl. SLA s.v. blandior, 2.2) wird meist in Bezug auf äussere Güter und sexuelle Lust und daher mit negativer Konnotation verwendet; vgl. beata ν. 2 (27f.): fallacissima serenitas voluptatum honorumque blanditur-, ebenso das Subst. in ord. 2, 51 (63): blandimento fortunae', Cie. rep. 1, 1: blandimenta voluptatis', Cael. 41: multa ... nobis blandimenta natura ipsa genuit, quibus sopita virtus coniveret interdum\ Sen. dial. 7, 5,4; epist. 51, 5; 78, 22; u.ö. - Zu mundi huius s.o. zu Z. 65 (yitae huius). Zum Topos, dass schwierige Umstände in einer Biographie positiv zu werten seien, s.o. zu 1, 1 (31f.). Ähnlich zählt Seneca in dial. 1, 4 eine Reihe von Beispielfiguren auf, die sich über ein ungünstiges Schicksal freuen, weil sie so ihre Tugend beweisen können (dazu G. Kuen [oben S. 30 Anm. 7] 357). 69 incauti: Vorsicht zeichnet den Weisen aus; vgl. Cie. Tusc. 4, 13: α malis natura declinamus, quae declinatio [si] cum ratione fiet, cautio appelletur, eaque intellegatur in solo esse sapiente. Vgl. auch unten zu 1, 5 (24f.) zur Vermeidung von Voreiligkeit (temeritas). 70 quae me ipsum capere moliebantur: Zur periphrastischen Verwendung von moliri (ähnlich derjenigen von velie) vgl. Hensellek 168 § 118. Nachdem sich die bisherigen Ausführungen auf Romanianus konzentriert haben, kommt Augustin jetzt auf sich selbst zu sprechen (zur Vorbildfunktion der Selbstdarstellung s.o. S. 8f.). - In sol. 1, 17 schreibt Augustin, er habe sich schon unter dem Einfluss der Hortensius-Lektüre (also mit neunzehn Jahren) vom Wunsch nach Reichtum und Ruhm losgelöst. Gemäss späteren Darstellungen hingegen war er bis zum Zeitpunkt seiner Bekehrung durchaus besorgt um seine Karriere als Rhetor (vgl. conf. 4, 1; 6, 9; dazu Testard 1, 137-142). 70f. cotidie ista cantantem: Dies bezieht sich auf Augustine über zehn Jahre dauernde Tätigkeit als Rhetoriklehrer, zuletzt in Mailand (vgl. Brown 65-72; Marrou 47-54/43-49; Courcelle, Recherches 78-92). Zu ista für den
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Stoff des Rhetorikunterrichts vgl. Acad. 3, 34 (19f.): cum ista vendebam. Neben dem Pronomen ista ist auch cantantem negativ konnotiert (Quint, bezeichnet in inst. 11, 3, 57 mit Vitium ... cantandi die theatralische Intonation, die ein Redner vermeiden soll; vgl. TLL 3,288, 50ff.). 71 f. nisi me pectoris dolor ... coegisset: Den gleichen Grund für die Aufgabe des Berufs nennt Augustin auch in beata ν. 4 (105): itaque tantus me arripuit pectoris dolor, ut illius professionis onus sustinere non Valens, qua mihi velificabam fartasse ad sirenas, abicerem omnia; conf. 9, 4: ipsa aestate litterario labori nimio pulmo meus cedere coeperat et difficulter trahere suspiria ... primo perturbaverat me, quia magisterii illius sarcinam paene iam necessitate deponere cogebat aut, si curari et convalescere potuissem, certe intermitiere; 9, 13. An anderen Stellen gibt Augustin auch Magenbeschwerden als Grund an, so ord. 1, 33; conf. 1, 17; 5, 16; in ord. 1, 5 mit dem wichtigen Zusatz, dass die gesundheitlichen Probleme nur beschleunigten, was er sowieso schon vorhatte: cum stomachi dolor scholam me deserere coegisset, qui iam, ut seis, etiam sine ulla tali necessitate in philosophiam confugere moliebar, statim me contuli ad villam. Ähnlich wird auch unten in Z. 72f. klar, dass die Krankheit letztlich half, einen lange gehegten Wunsch zu verwirklichen. In Acad. 2, 5 (57-59) wird die Krankheit gar nicht erwähnt. Die Rolle der Krankheit als eigentlicher Befreiung wird hier wohl besonders im Hinblick auf Romanianus und dessen gegenwärtige Probleme hervorgehoben (s.o. zu 1,1 [31f.]). In den verschiedenen Schilderungen der Bekehrung werden innere und äussere Gründe für die Aufgabe des Berufs unterschiedlich gewichtet; vgl. Courcelle, Recherches 189f. : "Dès le De utilitate credendi, en 391, il omet l'événement matériel et décrit ses larmes et ses cris pitoyables comme un appel à la divinité, pour qu'elle l'aide à sortir de l'incertitude". In den Confessiones werden die gesundheitlichen Probleme erst nach der Gartenszene (conf. 8), in der die psychologischen Motive entscheidend sind, überhaupt erwähnt (conf. 9, 4; 9, 13; vgl. auch Testard 1, 139 Anm. 4). 71 ventosam professionem abicere: 'den aufgeblasenen Beruf über Bord zu werfen' (zu ventosus in Bezug auf Rhetorik vgl. z.B. Verg. Aen. 11, 390: ventosa in lingua; Petron. 2, 7: ventosa ... loquacitas\ Aug. conf. 3, 7: discebam libros eloquentiae, in qua eminere cupiebamfine damnabili et ventoso). Zur negativen Sichtweise des Berufs vgl. Acad. 2, 3 (12); 2, 4 (28f.); 2, 8 (28f.) und 3, 34 (19f.); beata ν. 2; 4 (106f.) (oben zu Z. 71f. zitiert); ord. 1, 27 (5-7): in schola illa, unde me quoquo modo evasisse gaudeo\ 1, 30 (6164): in illa schola graviter me stomachari solitum, quod usque adeo pue ri non utilitate ac decore diseiplinarum sed inanissimae laudis amore ducerentur. Im Folgenden wird eine Antithese zwischen Philosophie und Rhetorik aufgebaut. Zu diesem typischen Motiv des Protreptikos s.u. zu 1, 8 (36f.).
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72 in philosophiae gremium confugere: Zu confugere in gleichem Zusammenhang vgl. ord. 1, 5 (37f.): in philosophiam confugere·, Cie. de orat. 2, 145: ad earn (scil. sapientiam) confugew, Sen. epist. 14, 11: ad philosophiam ergo confugiendum est (vgl. Gunermann 141f.). Das Motiv der 'Flucht' ist platonisch; vgl. PI. Tht. 176a 8-b 2; Plot. 1, 6, 8, 16-27; Ambr. Isaac 8, 78; Aug. civ. 9, 17. Neben dem 'Hafen' (s.o. zu 1, 1 [8]) ist der 'Schoss' ein weiteres verbreitetes Bild für die Zuflucht bei der Philosophie; vgl. Acad. 2,7 (17) (weitere Belege bei Fuhrer z.St.). Damit wird die Philosophie als nährende Mutterfigur personifiziert (vgl. unten Z. 73: nutrii aefovet; 1, 4 [84]: a cuius uberibus)·, dazu O'Connell, Visage 73: die Philosophie sei hier "a vivid hypostatic reality, and an unmistakably personal one at that." Die Tendenz zur Personifikation der Philosophie ist seit Seneca präsent; Boethius' Philosophiae consolatio stellt den Höhepunkt der Tradition dar (vgl. Cancik / Cancik-Lindemaier 215 Anm. 62; P. Courcelle, La consolation de Philosophie dans la tradition littéraire. Antécédents et postérité de Boèce [Paris 1967]). Zur Bedeutung von philosophia s. auch oben zu 1,1 (19-22). 72-80 ipsa ... ipsa ... ipsa ... ipsa ...: An diese Anapher schliesst in 1, 4 [81-85] eine Reihe von Pronomina an, die sich ebenfalls auf die Philosophie beziehen (s. z.St.). 72f. nunc in otio, quod vehementer optavimus: Mit dem 'heftigen Wunsch' nach Freiheit von praktischen Verpflichtungen nennt Augustin auch den psychologischen Grund, der neben der Krankheit für die Aufgabe seines Berufs entscheidend war (s.o. zu Z. 71; vgl. Acad. 2, 4 [27]: de odo meo modo gaudeo', ebd. Z. 36f.: otium philosophandv, 3, 34 [17]: otiosus ... in isto rure\ ord. 1, 4 [31-34]: quemfruetum de liberali otio carpamus, hi te libri satis ... edocebunf, conf. 6, 24: firmaveramus remoti a turbis otiose vìvere). Eine wichtige Rolle dürfte dabei das Vorbild Ciceros gespielt haben (für dessen Wunsch nach otium vgl. Cie. Brut. 8; Att. 4, 6, 2; u.ö.). Allerdings bedeutet otium für Augustin im Unterschied zu Cicero, die Berufstätigkeit nicht nur vorübergehend zu unterbrechen, sondern vollständig aufzugeben (vgl. Voss, Dialog 281 f.). Auch die Beteiligung an den praktischen Arbeiten auf dem Landgut (s.u. zu 1, 15 [57f.]) weist über das klassische Ideal des otium liberale hinaus und deutet möglicherweise auf den Einfluss neuplatonischer und christlicher Modelle des Rückzugs aus der Gesellschaft (s.u. zu 1, 15 [57f.]). Doch erst in retr. 1, 1, 1 bezeichnet Augustin das otium in Cassiciacum als spezifisch christlich (christianae vitae otium.). 73 nutrit ac fovet: Zur Darstellung der Philosophie als nährender Mutterfigur s.o. zu Z. 72; zur kulinarischen Metaphorik (nutrit) s.u. zu 1,4 (85-87). 73-75 ipsa me penitus ab illa superstitione ... liberavit: Zur Freiheit als Ziel der Philosophie s.o. zu 1, 1 (14f.). Die vorliegende Anspielung gilt Augustins Zugehörigkeit zum Manichäismus, der ihm im Nachhinein als
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superstitio gilt (vgl. Acad. 2, 8 [43f.]; conf. 6, 12). Zu Augustine manichäischer Phase (373-382) vgl. Brown, Augustine 35-49; zur Nachwirkung des Manichäismus in seinem Werk vgl. J. van Oort / O. Wermelinger / G. Wurst (Hgg.), Augustine and Manichaeism in the Latin West. Proceedings of the Fribourg-Utrecht Symposium of the International Association of Manichaean Studies (Leiden etc. 2001). 74f. in quam te mecum praecipitem dederam: Augustin war die treibende Kraft bei Romanianus' Hinwendung zum Manichäismus; vgl. conf. 4, 1 : et sectabar ista atque faciebam cum amicis meis per me ac mecum deceptis. Er befreit sich aber früher wieder davon, während Romanianus dem manichäischen Glauben offenbar noch verbunden ist; vgl. Acad. 2, 8 (42-44): quamvis a nobis iam quaerens dubitansque discesseris, tarnen, si quid superstitionis in animum revolutum est, eicietur profecto (s. Fuhrer z.St. [43f.]). 75 ipsa enim docet et vere docet: Emphase durch die Epipher von docet. Zu vere s.o. zu 1, 1 (14f.); vgl. auch Acad. 3, 42 (9f.): una verissimae philosophiae disciplina. 75-77 (1) nihil omnino colendum esse (1') totumque contemni oportere, (2) quicquid (2') quicquid Zweimal zwei parallele Satzglieder: Einerseits wird das gleiche Gebot zuerst negativ, dann positiv formuliert (1 und 1'; mit Alliteration von colendum und contemni)·, andererseits sind die beiden Relativsätze durch die Anapher von quicquid korreliert (2 und 2'). Zum Inhalt vgl. Aug. sol. 1, 24: penitus esse ista sensibilia fugienda-, Ambr. Isaac 4, 11 .anima ergo bona contemnit visibilia et sensibilia nec consistit in eis nec in despiciendis his inmoratur et residet (zu Ambr. Isaac vgl. auch zu 1, 1 [31-33]; 1, 3 [61-67]). Der Gesichtssinn (vgl. quicquid mortalibus oculis cernitur, Z. 76f.) steht in der antiken Tradition oft stellvertretend für die gesamte Sinneswahrnehmung, denn er gilt als herausragendster der fünf Sinne; vgl. Aug. mor. 1, 37: ipsis sensibus nostris, quibus anima per corpus utitur, nihil est oculis praeferendum; ep. 137, 5: an sentire non est videre, cum sit in quinqué sensibus excellentior ceteris visus?', 147, 7; conf. 10, 54; u.ö. (vgl. Hendrikx 39f.; B. Kälin, Die Erkenntnislehre des hl. Augustinus [Samen 1921] 22; Fuhrer 356 Anm. 31). Das Gebot der Distanzierung von der Sinneswahrnehmung ist platonisch. Es ist die negative Entsprechung zum Imperativ des 'Zu-sich-Kommens' (vgl. oben 1, 1 [12]: ut te tibi reddat [s. z.St.] sowie Licentius' Charakterisierung des Weisen in 1, 23 [50-52]: cum ab omnibus involucris corporis mentem quantum potest evolvit et se ipsum in semet ipsum colligit [s. dort zu Z. 51f.]; ord. 1, 3 [51-53]: magna opus habet [seil, homo] consuetudine recedendi a sensibus, et animum in se ipsum colligendi atque in se ipso retinendi). Die beiden Mahnungen entsprechen der platonischen Dichotomie zwischen dem sinnlich Wahrnehmbaren und dem Intelligiblen. In dieser
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Dichotomie ist ersterem Werden und Vergehen sowie das Meinen zugeordnet, letzterem das unveränderliche Sein sowie Erkenntnis (z.B. PI. Ti. 27d 528a 4). Augustin rezipiert dies wahrscheinlich einerseits durch Cicero (z.B. ac. 1, 30-32; 2, 142), andererseits insbesondere durch die Neuplatoniker (z.B. Plot. 5, 3, 16, 8ff.; Porph. Sent. 44). Eine prägnante Darstellung der sog. Zwei-Welten-Lehre ist Acad. 3, 37 (23-29): Platonem sensisse duos esse mundos, unum intellegibilem in quo ipsa Veritas habitaret, istum autem sensibilem, quem manifestum est nos visu tactuque sentire ...de hoc autem in stultorum animis non scientiam sed opinionem posse generari. Später ergänzt Augustin die Gegenüberstellung von sensibilia und intellegibilia durch das paulinische Begriffspaar carnalia - spiritalia (z.B. mag. 39). Ein Reflex der platonischen Dichotomie findet sich schon oben Z. 65 (huius mundi; s. z.St.), ausserdem unten in 1, 20-23 (s. zu 1, 22 [5f.]); 3, 26 (81-84). 77 ullus sensus: Zu Z. 75-77 präzisiert Augustin in retr. 1, 1,2, dass hier "irgendein Sinn des sterblichen Körpers" gemeint sei: addenda erant verba, ut diceretur: quidquid mortalis corporis ullus sensus attingit; est enim sensus et mentis (vgl. die entsprechende Ergänzung zu ord. 1, 3 in retr. 1, 3, 2).34 Die Korrektur scheint Augustin im Nachhinein nötig, um die körperlichen Sinne vom 'Geistessinn' abzugrenzen (zu sensus mentis vgl. civ. 11, 3 p. 464, 13f. D.-K.; c. lui. imp. 4, 69; sonst auch sensus interior rationalis in en. Ps. 148, 3; sensus animae bzw. animi in ep. 147, 4 und 7; an. et or. 2, 3).35 Er distanziert sich damit von den Neuplatonikern, deren Zuweisung alles 'Sinnlichen' zum Körper er zwar in den CassiciacumDialogen noch vertritt, später aber nicht mehr akzeptiert: sed eorum more tunc loquebar, qui sensum non nisi corporis dicunt et sensibilia non nisi corporalia {retr. 1, 1, 2).36 Die Differenzierung des Sinnlichen entspricht der Tendenz des Christentums, den Körper aufgrund der Lehre von der Aufer-
34 Die Korrektur von retr. wurde in einigen mittelalterlichen Handschriften aufgenommen (ullus mortalis corporis sensus, z.B. Universitätsbibliothek Leipzig, Ms. 271). 35 Diese Instanz ist nicht zu verwechseln mit jenem sensus interior, der die Sinneseindrücke empfängt, diese als zuträglich oder schädlich beurteilt und damit die entsprechende Reaktion auf den Sinneseindruck ermöglicht (vgl. lib. arb. 2, 29ff.) (gegen B. Kälin [oben zu Z. 75-77] 32f.). Dieser innere Sinn wird auch den Tieren zugesprochen. 36 Tatsächlich unterläuft die Formulierung sensus mentis die klare Scheidung zwischen sensibilia und intellegibilia, die dem vorliegenden Abschnitt zugrunde liegt (s.o. zu Z. 65). Die Ausdrucksweise vermittelt die Vorstellung der 'Leibhaftigkeit' und 'Sinnlichkeit' des Intelligiblen; die intellektuelle Erkenntnis wird als unmittelbar und konkret charakterisiert (vgl. Lorenz 121-124). Der gleiche Effekt wird auch durch die Metaphorik des Beriihrens erzielt (dazu s.u. zu Z. 77), ebenso durch die häufige Analogie der intellektuellen Erkenntnis mit dem Sehen; vgl, z.B. sol. 1, 12: promittit enim ratio, quae tecum loquitur, ita se demonstraturam deum tuae menti, ut oculis sol demonstratur. nam mentis quasi sui sunt oculi sensus animae.
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stehung aufzuwerten. In reír. 1, 4, 3 weist Augustin aus diesem Grund Porphyrios' Dictum omne corpus fugiendum ausdrücklich von sich.37 - attingit: Die Formulierung quae sensus attingit bezeichnet in ord. 1, 3 (6) den Bereich des 'Vielen' (im Gegensatz zur pulchritudo universitatis); in ep. 2 das Vergängliche und Nichtseiende: omnia, quae corporeus sensus attingit, ne puncto quidem temporis eodem modo manere posse, sed ... non esse. Anstelle von sensus ist in Acad. 1, 22 (5f.) intellectus Subjekt des gleichen Verbs (unten zu Z. 77f. zitiert). Augustin benutzt später gerade für die intellektuelle Erkenntnis oft Ausdrücke des 'Berührens'; z.B. Gn. litt. 4, 8: intellectu conemur attingere. Damit ist keine mystische Erkenntnis gemeint, sondern vielmehr ein "gerade noch Heranrühren" (Hendrikx 39); vgl. s. 117, 5: attingere aliquantum mente deum magna beatitude est, comprehendere autem omnino impossibile. Ähnlich wie bei der Ausweitung von sensus auf den intelligiblen Bereich (s.o. zu Z. 77) wird auch hier der konkrete Charakter des Erkenntnisvorgangs betont. 77f. verissimum et secretissimum deum: Vgl. unten 1, 22 (5f.): in comparatione verissimi et secretissimi dei, quem raro fartasse intellectus, sensus autem nullus attingit; sol. 1, 15: in ilio secretissimo deo\ ord. 2, 47; 2, 51. Zum Attribut secretissimum vgl. ausserdem oben 1, 1 (17) und Z. 66f.; beata ν. 35 (271). Im Hintergrund der Formulierung dürfte die neuplatonische 'via negativa' der Gottesbestimmung stehen, die in De ordine ansatzweise vorhanden ist; vgl. ord. 2, 44 (15f.): de summo ilio deo, qui scitur melius nesciendo; 2, 47 (19f.): cuius (seil, parentis universitatis) nulla scientia est in anima nisi scire, quomodo eum nesciat (dazu Nörregaard 143; Horn 148). In der vorliegenden Passage wird lediglich in Z. 79 ein spezifisch christlicher Kontext angedeutet (s. dort). 78 perspicue: perspieuitas ist ein Terminus technicus sowohl der Rhetorik ('Anschaulichkeit', 'Deutlichkeit') als auch der stoischen Wahrnehmungslehre ('Evidenz', z.B. Cie. ac. 2, 34; dazu W. Görler, Les «évidences» dans la philosophie héllenistique, in: C. Lévy / L. Pernot [Hgg.], Dire l'évidence. [Philosophie et rhétorique antiques] [Paris/Montréal 1997] 131-134). Cicero übersetzt damit das griechische Pendant ε ν ά ρ γ ε ι α (ac. 1, 17: nihil esset clarius έναργείςκ, ut Graeci, perspieuitatem aut evidentiam nos). Da die stoische Wahrnehmungslehre im Folgenden eine fundamentale Rolle spielt (ab 1,7), dürfte die Verwendung des Adverbs perspicue hier kein Zufall sein. Als Massstab der Evidenz, die der Gotteserkenntnis (bzw. der Wahrheitserkenntnis) zukommt, nennt Augustin insbesondere mathematische Wahrheiten; vgl. Acad. 2, 9 (54-58): cávete, ne quid vos nosse arbitremini, nisi quod 37 Die Erwähnung der Porphyrios-Stelle in retr. 1, 4, 3 bedeutet jedoch nicht zwingend, dass sich Augustin bei der Abfassung der Frühdialoge bewusst an diese anlehnt (gegen O'Meara, Ρ or ph. 1172).
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ita didiceritis saltern, ut nostis unum duo tria quattuor simul collecta in summam fieri decern, sed item cávete, ne vos in philosophia veritatem aut non cognituros aut nullo modo ita posse cognosci arbitremini; ord. 2, 24 (123-126): remotissima disciplina se ita studiosis et deum atque animas tantum amantibus animis manifestaturam esse promittit, ut non nobis summae numerorum possint esse certiores. 78f. se demonstraturam promittit: Zur Formulierung vgl. oben 1, 1 (1922): quam sententiam ... se demonstraturam ... philosophia pollicetur (s. z.St.)· 79 iam iamque ... ostentare: Die greifbare Nähe der gesuchten Erkenntnis (durch Geminatio hervorgehoben) wird in den Cassiciacum-Dialogen öfter betont, so in Acad. 2, 2 (47): quem (seil, deum) nunc recognoscere aliquantum coepi\ 2, 4 (30f.): invenire (seil, veritatem) iam ingredior, beata v. 3 (66-70); ord. 1, 10 (14f.): quae (seil, nescio quae divina res) mihi se ostentare coepit et cui me inhiantem suspendo. Die Gottesschau scheint Augustin also um 386 schon in diesem Leben möglich, wenn auch nur unvollständig und in seltenen Momenten (vgl. Nörregaard 211 und 223f.; Rist 49; O'Daly, Mind 164). Später äussert sich Augustin in dieser Frage weniger zuversichtlich (dazu unten S. 69-71). Auch in Bezug auf die vorliegende Stelle kann nicht von einer 'Vision' die Rede sein.38 - quasi per lucidas nubes: Anspielung auf die Erscheinung der Stimme Gottes in Mt 17, 5: ecce nubes lucida obumbravit eos (seil. Petrum, Iacobum, Ioannem). et ecce vox de nube, dicens: hic estfìlius meus dilectus, in quo mihi bene complacui: ipsum audite (Augustin bezieht sich explizit auf diese Stelle in i. 78, 3; 79; ep. 169, 7).39 - In Acad. 3, 41 (42f.) verwendet Augustin das Bild der Wolke für den 'Irrtum' der stoischen Lehre (nubibus erroris). 79f. ostentare dignatur: Das Deponens dignari ist vor dem 1. Jh. n. Chr. nur in der Dichtung bezeugt (vgl. TLL 5, 1, 1140, 84ff.). Zur Formulierung vgl. Aug. sol. 1, 24: quibus (seil, pennis) integris perfectisque opus est, ut ad illam lucem ab his tenebris evolemus, quae se ne ostende re quidem dignatur in hac cavea inclusis, nisi tales fuerint, ut ista vel ejfracta vel dissoluta possint in auras suas evadere. 38 Gegen O'Connell, Visage 74, der den "Christian character of that vision" wohl zu sehr herausstreicht, indem er die Stelle mit den deutlicher christlich gefärbten Passagen beata v. 34f. und ord. 2, 16 und 2, 26f. in eine Reihe stellt und Sprache und Bilder der vorliegenden Stelle als "taken bodily from the Synoptic Gospels' account of Christ's Transfiguration" versteht (dazu s.o. zu 1, 3 [79]: quasi per lucidas nubes). 39 Vgl. O'Meara, Porph. I 172f., der an der vorliegenden Stelle vielmehr einen neuplatonischen Einfluss sieht: Die Erscheinung durch die Wolken sei "very much in accord with the fragments of the Philosophy from Oracles" (jedoch ohne Stellenangabe).
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1,4: Konkrete Dialogsituation 81-87 in hac ...; ad eam.... philosophia est enim, a cuius uberibus .... ad quam ...: Die Pronomina beziehen sich alle auf philosophia und schliessen an die Anapher von ipsa (seil, philosophia) im vorangehenden Paragraphen an (Z. 72-80). 81 noster Licentius: Licentius ist der Sohn des Adressaten Romanianus; daher erklärt sich das liebevolle Attribut noster. Licentius scheint gemäss ord. 1,21 (7f.) Christ zu sein. Zu seiner Charakterisierung und den späteren Erwähnungen im augustinischen Briefcorpus vgl. Fuhrer 7-10 (mit Literatur). 81-83 ad earn totus a iuvenalibus inlecebris voluptatibusque conversus est: Die Hinwendung zur Philosophie bedingt in erster Linie eine moralische Veränderung, nämlich die Abkehr von sinnlichen Genüssen, die besonders mit dem Jugendalter verbunden werden (vgl. oben 1, 1 [29-31]; ord. 2, 29: quis istos adulescentes, qui antea noverai, facile credat tarn studiose magna quaerere, tantas repente in hac aetate indixisse inimicitias voluptatibus?). Licentius' Bekehrung wird unten Z. 97f. als Wirkung des Hortensius dargestellt. Sie muss 'total' sein {totus, Z. 81); vgl. Acad. 2, 8 (40f.): nisi in philosophiam totus intraveris. Dasselbe Attribut begegnet in vergleichbarem Kontext auch in Acad. 2, 2 (46f.): ille, cui me totum dedr, 2, 5 (59f.):prorsus totus in me cursim redibam] conf. 6, 19: conferre nos tofos ad quaerendum deum. 83 ut eum ... audeam imitandum proponere: Romanianus' Bekehrung zur Philosophie ist erklärtes Ziel von Acad. 1 (s.o. zu 1, 1 [21f.]). Dabei wird die Wirkung eines Vorbildes als entscheidend betrachtet (s.o. zu 1, 2 [57]), besonders in Verbindung mit der Lektüre (vgl. unten 1, 25 [53-55]: incendi autem in haec studia vehementius poterit, cum te ipsum iam mecum sic vivere non audiendo solum verum etiam legendo ista cognoverit [s. dort zu Z. 53f.; vgl. Cary 142]). 84 a cuius uberibus: Zur Darstellung der Philosophie als nährender Mutterfigur s.o. zu 1, 3 (72). Das Bild der 'Brüste' begegnet auch als Vergleich für fortuna 'm Acad. 3, 3 (29); ausserdem in Bezug auf die catholica fides in util. cred. 2 (vgl. die Beispiele metaphorischer Verwendung in SLA s.v. über 1.2). 84f. nulla aetas ... excludi: Mögliche Zweifel in Bezug auf Romanianus' fortgeschrittenes Alter sollen ausgeräumt werden. Entsprechend der Vorstellung der Philosophie als nährender Mutterfigur (Z. 84) wird im Allgemeinen die Jugend als ideale Zeit der Hinwendung zur Philosophie betrachtet (vgl. Sen. epist. 108, 12: facillime enim tenera conciliantur ingenia ad honesti rectique amorem et adhuc doeibilibus leviterque corruptis inicit manum Veritas, si advocatum idoneum naneta est; 108, 23: haec rettuli ut probarem
1,4: Dialogsituation
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tibi, quam vehementes haberent tirunculi impetus primos ad optima quaeque, si quis exhortaretur illos, si quis incenderef, dazu Hadot 158-161). Auch Gegner der Philosophie dulden diese gerade noch als vorübergehende Beschäftigung von jungen Leuten, so Kallikles in PI. Grg. 484c 5-8: φιλοσοφία y á p τοί έστιν, ώ Σώκρατες, χαρίεν, άν τις αύτοΰ μετρίως άψηται έν τη ηλικία· έάν δέ περαιτέρω του δέοντος ένδιατρίψη, διαφθορά τ ω ν άνθρώπων. Dagegen betont Epikur in Epist. ad Men. 122, dass sich jedes Lebensalter für den Einstieg in die Philosophie eigne: μήτε νέος τις ώ ν μελλέτω φιλοσοφείν, μήτε γέρων ύ π α ρ χ ω ν κοπιάτω φιλοσοφών. ούτε γ α ρ άωρος ουδείς έστιν ούτε πάρωρος προς τ ό κατά ψυχήν ύγιαΐνον. ό δέ λέγων ή μήπω τού φιλοσοφείν ύπάρχειν ώραν ή παρεληλυθέναι την ώραν, ομοιός έστιν τ φ λέγοντι προς εύδαιμονίαν ή μη παρεΐναι την ώραν ή μηκέτ' είναι, ώστε φιλοσοφητέον και vécp και γέροντι, τ φ μεν δπως γηράσκων νεάζη τοις άγαθοΐς δια την χάριν τ ω ν γεγονότων, τ φ δέ οπως νέος άμα και παλαιός ή δια την άφοβίαν τ ω ν μελλόντων (dazu Μ. Erler, Epikur in Rajfaels 'Schule von Athen'?, in: Ders. [Hg.], Epikureismus in der späten Republik und der Kaiserzeit [Stuttgart 2000] 287f.). Die gleiche Haltung wie Epikur hat Cicero wohl im Hortensius vertreten, dessen Dialogfiguren in fortgeschrittenem Alter sind; vgl. Hort. Fr. 57 G. = 12 S.: nam quod vereris, ne non conveniat nostris aetatibus ista oratio quae spectet ad hortandum;40 ebenso in de orat. 1, 219: quo in studio (seil, philosophiae) hominum quoque ingeniosissimorum otiosissimorumque totas aetates videmus esse contritas. In Cic .fin. 1, 72 wird dagegen über Epikurs Ansicht gespottet. Christliche Autoren nahmen den Gedanken auf, dass die Wahrheits- und Gotteserkenntnis a l l e n zugänglich sei (z.B. Lact. inst. 1, 19f., wo dies wie an der vorliegenden Stelle mit kulinarischer Metaphorik verbunden wird). 85-87 ad quam avidius ... hauriendam..., gustum tarnen mittere volui: Assonanz (tuam sitim ... gustum tarnen). - Zu Romanianus' 'Dürsten' nach der Philosophie vgl. Acad. 2, 6 (69f.): eius (seil, philosophiae) ...fame semper arsisti; 2, 18 (48-51): quid, si enim patrem ilium tuum, quo profecto nemo philosophiam est post tarn longam sitim hausturus ardentius, nobiscum ista quaerentem ac disserentem videbis. Dem 'Durst' entspricht auf der anderen Seite das Bild der 'nährenden Philosophie' (s.o. zu 1, 3 [72]). Die kulinarische Metaphorik wird unten fortgesetzt: edacissimum (Z. 93); inhiantes (Z. 96); 3, 7 (1-4); vgl. auch sol. 1, 3; util. cred. 2; conf. 3, 1; 3, 10; 6, 17; 7, 16; u.ö. (dazu A. Zumkeller, eibus-potus, AL 1 [1986-94] 91 lf.). Besonders breit wird die kulinarische Metaphorik in De beata vita ausgeführt, wo die 40 ista oratio dürfte sich auf Ciceros protreptische Schlussrede beziehen, die Cicero somit im Sinne einer Captatio benevolentiae mit einem Zweifel eingeleitet hat (dazu Grilli 93f.).
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Contra Académicos
Gespräche nach dem Essen stattfinden und mit der doppelten Bezugsmöglichkeit des entsprechenden Vokabulars gespielt wird (z.B. in 9; 13f.; 17). Die Vorstellung der 'Nahrung der Seele' ist in der Protreptik zur Philosophie weit verbreitet (vgl. PI. Prt. 313c 6; Sph. 223e 1; dazu O. Gigon, Antike Erzählungen über die Berufung zur Philosophie, MH 3 [1946] 11). Daneben spielt die kulinarische Metaphorik auch im Hohen Lied eine wichtige Rolle (vgl. die allegorischen Kommentare von Orígenes und Ambr. Isaac·, dazu Lorenz 76 und 108). 87f. inductorium fore peto: peto mit Inf. ist selten und dichterisch (vgl. KS 2, 1, 676 Anm. 2 und 1, 681 f.; LHS 346). inductorium ('verführerisch'; das Wort passt zur kulinarischen Metaphorik der Z. 86) ist ein Hapax legomenon, woraus sich der Zusatz ut ita dicam in Z. 87 erklärt (vgl. TLL 7, 1, 1245, 55ff.: "incitane vel aptus ad incitandum"; Finaert 25; Hensellek 153 § 35). Möglicherweise ist das Wort Augustine Übersetzung von π ρ ο τ ρ ε π τ ι κός (so Hagendahl 489), womit ein versteckter Hinweis auf die Textsorte von Acad. 1 gegeben wäre (dazu oben S. 8). 88-90 nam disputationem, quam inter se Trygetius et Licentius habuerunt, relatam in litteras tibi misi: nam ist gleichzeitig erläuternd zur 'Kostprobe' in Z. 86f. und begründend zur 'Hoffnung' in Z. 88 (zu erläuterndem nam s.o. zu 1, 1 [23-25]). Mit dem zweiten Aspekt wird die gewünschte protreptische Wirkung des Dialoges beim Adressaten zuversichtlich vorausgenommen. - Da in Acad. 2 und 3 Trygetius und Licentius nur eine untergeordnete Rolle zukommt, bezieht sich die vorliegende Angabe ausschliesslich auf Acad. 1. Das erste Buch wurde Romanianus also separat geschickt (s.u. zu Z. 100 und 1, 25 [51]: relatam [seil, disputationem] in litteras mittamus). Zur Formulierung vgl. Acad. 2, 10 (lf.): in librum conferre (weitere Belege bei Fuhrer z.St.); zur Niederschrift des Gesprächs s.u. zu Z. 98f. Aus zwei Briefen Augustins an Paulinus von Nola geht hervor, dass Romanianus zumindest in den ersten Jahren der schriftstellerischen Tätigkeit Augustins für die Verbreitung von dessen Werken sorgte (ep. 27, 4; 31 ; vgl. H.Y. Gamble, Books and Readers in the Early Church [New Haven / London 1995] 132-140). 89 Trygetius: Trygetius scheint Romanianus bekannt zu sein, da er nicht eigens vorgestellt wird (Augustin bezeichnet ihn in beata ν. 6 [140f.] als 'Mitbürger und Schüler'). Unklar ist, ob Trygetius Christ ist. Einziges mögliches Indiz dafür ist die Tatsache, dass er in Bezug auf Gott das gleiche Vokabular verwendet wie Augustin im Proömium ([verissismus et secretissimus deus, 1, 3 [77f.] und 1, 22 [5]; der Ausdruck ist jedoch nicht spezifisch christlich konnotiert). Trygetius wird nur in den Cassiciacum-Dialogen erwähnt. Zu seiner Charakterisierung vgl. Fuhrer 12 (mit Literatur).
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90-93 ilium... quasi ad detergendum fastidium disciplinarum aliquantum sibi usurpasset militia, ita ... ardentissimum edacissimumque restituii: Trygetius' Militärdienst wird - im Sinne der fortuna in 1,1 (s. dort zu Z. 31f.) - als ein Übel dargestellt, das sich jedoch als förderlich erweist. Vgl. ord. 1, 5 (49f.): Trygetium item nobis militia reddiderat, qui tamquam veteranus adamavit historiam. 92 magnarum honestarumque artium: Geläufiger ist der Ausdruck disciplinae bzw. artes liberales (vgl. Z. 91; jedoch unten 1, 20 [31f.]: honestissimas disciplinas). Das Studium der artes liberales bereitet auf die Philosophie vor (s.u. zu 1, 21 [56f.]). 93 edacissimumque: Zur kulinarischen Metaphorik s.o. zu Z. 86. Die bildliche Verwendung von edax scheint unüblich zu sein (vgl. Hensellek 151 §21). 93f. pauculis igitur diebus transactis ... coepimus: Orts- und Zeitangaben für die Gespräche sind Topoi der Dialogliteratur seit Piaton (z.B. Cie. Tusc. 1, 7: ut nuper ... in Tusculano; ac. 2, 9; u.ö.). Der Rückzug nach Cassiciacum in der Nähe von Mailand (vgl. Fuhrer 12-14) hat gemäss conf. 9, 2 Ende August 386 stattgefunden (kurz nach Beginn der vindemiales feriae, die nach Cod. Theod. 2, 8, 19 am 23. August 386 begannen). Die vorliegende Angabe setzt die Gespräche von Acad. 1 also ungefähr Anfang September an. Diejenigen von beata v., die auf Acad. 1 folgen, beginnen jedoch an Augustine Geburtstag am 13. Nov. (beata ν. 6).41 Schon allein aus dieser Unstimmigkeit ist ersichtlich, dass Augustin der relativen Chronologie der Gespräche keinen grossen Wert beimass. Die Probleme der szenischen Abfolge der drei Cassiciacum-Dialoge und der Reihenfolge der Abfassung sind bei Fuhrer 15-17 zusammengefasst. 94 in agro: ~ ruri bzw. έν ά γ ρ φ ('auf dem Land'; vgl. Hensellek 147 § 2). Gemeint ist im Speziellen das Landgut in Cassiciacum (s.o. zu Z. 93f.). 95 ad studia hortans atque animans: Die beiden Partizipien bilden ein Hendiadyoin mit Homoioteleuton. animare in der Bedeutung 'ermutigen' ist erst spät belegt (vgl. TLL 2, 87, 27ff.; Bogan 34). - Einerseits ist mit den 'Studien' die Lektüre der Schul-Autoren gemeint: Eigens erwähnt werden die Hortensius- und die Vergillektüre (s.u. zu Z. 97f. bzw. zu 1, 15 [58]); auf den Hortensius sollten wohl Ciceros Academici libri folgen (vgl. Acad. 3, 45 [49f.]: legite Académicos).42 Andererseits bedeuten die studia auch Unterricht in den artes liberales, die propädeutisch zur Philosophie hinführen (s.o. Z. 92). 41 King setzt daher die Gespräche von Acad. 1 am 10., 11. und 12. Nov. 386 an. 42 Dass für den Unterricht Leselisten bestanden, legt conf. 3, 7 nahe, wo Augustin schreibt, er selber habe Ciceros Hortensius als Neunzehnjähriger 'gemäss dem üblichen Lehrplan' gelesen (usitato iam discendi ordine).
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Contra Académicos
96 inhiantes: Zur kulinarischen Metaphorik s.o. zu Ζ. 86. 96f. temptare pro aetate quid possent: 'erproben, was sie entsprechend ihrem (jungen) Alter vermögen'. Augustin testet in der Folge, ob die Schüler imstande sind, philosophische Fragen zu diskutieren und dialektisch zu argumentieren (zur Formulierung und zum Inhalt der 'Probe' vgl. Cie. Tuse. 1, 7: hanc enim perfectam philosophiam semper iudieavi, quae de maximis quaestionibus copiose posset ornateque dicere; in quam exercitationem ita nos studiose [operant] dedimus, ut iam etiam scholas Graecorum more habere auderemus. ut nuper ... in Tusculano cum essent complures mecum familiares, tempt αν i, quid in eo genere possem). Die disputatio (vgl. Ζ. 88) der beiden Schüler wird in Acad. 3, 7 (14f.) als ihr allererstes philosophisches Gespräch dargestellt: cui (seil, philosophiae) dulcissimas primitias iam vestro ilio sermone libasti. 97f. Hortensius liber Ciceronis ... conciliasse philosophiae: Zu Ciceros proptreptischem Dialog Hortensius und zu Augustine eigenem Lektüreerlebnis s.o. S. 14-16. Die Frage, ob die Dialogfiguren den Hortensius in Cassiciacum oder früher gelesen haben, ob alleine oder in einer Schulsituation, bleibt offen (vgl. oben S. 20). Die entscheidende Wirkung des Hortensius auf die Schüler wird auch aus Augustins Mahnung an Licentius in Acad. 3, 7 (12-14) deutlich: admoneo tarnen, ut ... ad scholam redeas nostram, si tarnen aliquid iam de te Hortensius et philosophia meretur. - Die Aufgeschlossenheit der Schüler gegenüber der Philosophie äussert sich zu Beginn des Dialogs in ihrer einhelligen Zustimmung zu Augustins Frage, ob man die Wahrheit wissen müsse (1, 5 [2-4]). 98f. adhibito ... notario: Die Angabe, dass die Dialoge auf Gesprächsprotokollen basieren, findet sich in allen drei Cassiciacum-Dialogen (vgl. unten 1, 15 [54]; weitere Belege bei Fuhrer 17 und noch ord. 1, 5 [41f.]: adhibito sane stilo). Es handelt sich dabei um einen Dialogtopos. Die Praxis, Gespräche aufzeichnen zu lassen, war zwar zu Augustins Zeit üblich, doch ebenso selbstverständlich war die mehr oder weniger intensive Überarbeitung des Protokolls, auf die unten Z. 100 eigens hingewiesen wird (s. z.St.; vgl. Fuhrer 17-19 mit Literatur; auch J.H. van Haeringen, De Augustini ante baptismum rusticantis operibus [Groningen 1917] 24). Indem aber im Verlaufe des Dialogs wiederholt auf die Aufzeichnung hingewiesen wird, wird der Eindruck einer besonderen Lebendigkeit und Authentizität des Textes suggeriert. Der Mitschrift selber werden verschiedene Funktionen zuerkannt: Sie soll einerseits eine weitere Verbreitung des Inhalts ermöglichen (s.o. Z. 88-90; vgl. ord. 1, 27 [25-28]: et cum illi legerint, qui nobis maxima cura sunt, si quid eos moverit ad contradicendum, alias nobis disputationes disputatio ista procreabit seque ipsa successio sermonum in ordinem inseret disciplinae; ep.
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44, 2). Andererseits soll die Mitschrift gegen das Vergessen schützen; s.u. Z. 99; Acad. 2, 22 (26-29): sed propter memoriam, quae infida cusios est excogitatorum, referri in litteras volui..., simul ut isti adulescentes et in haec attendere discerent et aggredì ac subire temptarenf, ord. 1, 5 (46); 1, 20 (5658); 1, 26 (108-111); 1, 27 (20-22): instituimus iam de istis rebus verba non perdere resque ipsas a memoria fugaces scriptorum quasi vinculo, quo reducantur, innectere; sol. 1, 1: (Ratio:) cui commendabis, ut pergas ad alia? - (Aug.:) memoriae scilicet. - (R.:) tantane illa est, ut excogitata omnia bene servet? — (A.:) difficile est, immo non potest. - (R.:) ergo scribendum est (vgl. Cary 151; Metz 25; zum Motiv des Vergessens s.o. S. 11 und 20f.). Drittens soll das Protokoll die Schüler disziplinieren (s.u. zu Z.100). 99 ne aurae laborem nostrum discerperent: Vgl. Verg. Aen. 9, 310-313: ... Iulus, / ante annos animumque gerens curamque virilem, / multa patri mandata dabatportanda; sed aurae / omnia discerpunt et nubibus inrita donant (Z. 98-100 = Test. 916 Hagendahl; zur Vergillektüre in Cassiciacum s.u. zu 1, 15 [58]). Die Anspielung auf die Vergil-Stelle fügt sich auch dank der lobenden Charakterisierung des Iulus, der ähnlich wie Licentius eine Botschaft an seinen Vater sendet, hervorragend in den vorliegenden Zusammenhang ein. Vgl. auch Catull. 64, 142: quae cuncta aerii discerpunt irrita venti (weiteres bei A. Otto, Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Römer [Hildesheim 1962] 364f.). 100 hoc libro: Damit ist nur Acad. 1 gemeint. - res et sententias illorum: 'Inhalte und Standpunkte von jenen'. Durch die Angabe der zumindest teilweisen redaktionellen Überarbeitung "nach rhetorisch-literarischen Kompositionsgesetzen" (Hoffmann 135) wird die Alternative zwischen authentischer Gesprächsmitschrift und fiktionalem Text (s.o. zu Z. 98f.) abgeschwächt. Treue schriftliche Wiedergabe aller Voten verlangt Augustin hingegen in ord. 1, 29f., wo eigens erwähnt wird, dass auch ein blamabler Zank zwischen Licentius und Trygetius nicht gestrichen werden soll. Die Mitschrift soll die Schüler disziplinieren; vgl. beata ν. 15 (23If.): ita adulescentem inter verecundiam atque constantiam exagitatum tenebam; ep. 44, 1, 2 (die Rede ist von einer öffentlichen Auseinandersetzung mit Donatisten): ut esset nobis cautior modestiorque tractatio ..., postulavimus, ut a notariis verba nostra exciperentur (vgl. unten zu 1, 5 [24f.] zur Gefahr der Voreiligkeit bei der Meinungsäusserung). Selbst wenn man Augustine Darstellung als getreue Wiedergabe der historischen Situation verstehen möchte, ergibt sich aufgrund der vorliegenden Angabe im Hinblick auf die möglichen Hortensius-Zitate in Acad. 1 (dazu oben S. 13f.) ein doppelter Filter: Einerseits könnten die ungeübten Schüler den Cicero-Text missverstehen oder einseitig auslegen, andererseits könnte
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Contra Académicos
Augustin die entsprechenden Voten der Schüler bei der Redaktion des Dialogs stillschweigend zurechtgerückt haben (vgl. oben S. 21). 101 mea vero et Alypii etiam verba lecturus es: Zum Dialog als Gesprächsprotokoll s.o. zu Z. 98f. Alypius spricht in Acad. 1 kaum: Er übernimmt zunächst die Funktion des Schiedsrichters (1,5 [7-12]), um die Runde kurz nach Diskussionsbeginn zu verlassen (1,8 [39-45]). In Acad. 2 und 3 nimmt er wieder am Dialog teil (s.u. 1, 5 [7-12]; zu seiner Person vgl. Fuhrer 10f.). Navigius, der einzig in 1, 5 (19-21) ein Votum abgibt, wird im Proömium nicht eigens erwähnt (s.u. zu 1, 5 [19]). Daraus lässt sich schliessen, dass Romanianus, der sich gleichzeitig in Mailand befand (vgl. conf. 6, 24), wahrscheinlich darüber unterrichtet war, wer mit Augustin in Cassiciacum war.
1 , 5 - 1 , 9 : Glück und Wahrheit Augustin leitet und strukturiert als Lehrer der jüngeren Gesprächsteilnehmer den Einstieg in die Auseinandersetzung durch eine Reihe suggestiv formulierter Fragen. Ziel dieses Vorgehens ist es, zwei einander entgegengesetzte Positionen festzulegen. Sobald diese gefunden und griffig formuliert sind, können die Schüler das Gespräch weitgehend selbständig fortsetzen.1 Die erste Frage lautet, ob es notwendig sei, die Wahrheit zu wissen (1,5 [2f.]). Sie wird von allen Gesprächsteilnehmern bejaht. Im zweiten Frageund Antwortschritt wird festgehalten, dass die Wahrheitserkenntnis jedoch nur dann notwendig ist, wenn sie eine Voraussetzung für das Glück ist (1, 5 [5f.; 13-15]). Die dritte Frage stellt den zuletzt genannten Punkt zur Diskussion, nämlich ob Wahrheitserkenntnis eine Voraussetzung für das Glück sei oder nicht (1, 5 [16f.]). An dieser Frage polarisieren sich in der Folge die Meinungen: Trygetius vertritt die Wahrheitserkenntnis als notwendige Glücksbedingung; für Licentius ist hingegen die Wahrheits s u c h e eine hinreichende Glücksbedingung (1,6 [40f.]). Dieser Gesprächsverlauf zeigt, dass das Hauptinteresse der Auseinandersetzung der Frage gilt, unter welchen Bedingungen Glück erlangt werden kann.2 Dabei wird eine weitere grundlegende Tatsache als völlig unbestritten festgehalten, nämlich dass alle Menschen glücklich sein wollen (1, 5 [13f.]). Diesem Glücksstreben der Menschen sind Wahrheitssuche und -erkenntnis untergeordnet, denn diese interessieren nur insofern, als sie mögliche Zugangsbedingungen zum Glück sind (1, 5 [14f.]).3 Mit dieser Ausrichtung auf das Glück stellt sich Contra Académicos 1 in die Tradition der hellenistischen Philosophie, gemäss der Glück das höchste Ziel des Menschen ist.4 Im Folgenden sollen Augustins Begriffe von Glück und Wahrheit in Contra Académicos 1 kurz besprochen werden. Auf die drei einleitenden Fragen lässt Augustin eine Glücksdefinition aristotelisch-stoischer Prägung folgen, die als gemeinsame Gesprächsbasis dient: Das glückliche Leben ist das Leben gemäss der Vernunft (1, 5 [2330]). Diese Definition eignet sich hervorragend für die pädagogischen Zwecke von Contra Académicos 1, weil sie eine Parteinahme für b e i d e 1 2 3 4
Ab § 7. S. auch oben S. 10. Vgl. oben S. 4. Vgl. Metz 28 Anm. 19. Vgl. oben S. 7.
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Contra Académicos 1
genannten Positionen ermöglicht und dadurch die Voraussetzung für eine dialogische Auseinandersetzung schafft. Eine Entscheidung für eine der beiden Positionen kann auf ihrer Grundlage zwar nicht herbeigeführt werden; dies ist jedoch auch nicht das Ziel von Contra Académicos 1. Der Zweck liegt vielmehr im Gespräch selbst.5 Da die Glücksdefinition in erster Linie eine methodische Funktion hat, indem sie als gemeinsame Gesprächsbasis dient, muss die Frage, wie weit Augustin diese Definition in der Zeit von Cassiciacum selber vertreten hat, mit einer gewissen Vorsicht beurteilt werden.6 Immerhin findet sie eine Entsprechung in der Vorstellung, dass das höchste Gut des Menschen, also das Glück, im Intellekt gründe - eine Vorstellung, die Augustin als Dialogfigur sowohl in seiner Schlussrede in Contra Académicos 3 als auch in De beata vita vorbringt.7 Gleichzeitig wird im Proömium von Contra Académicos 1 die Bestimmung des Glücks als cognitio dei sichtbar (1, 3 [77f.]). Auf diese Bestimmung arbeitet Augustin in De beata vita - anders als in Contra Académicos 1 - auch im Dialogteil explizit hin: Glück ist dort von Anfang an auf einen bestimmten Erkenntnisinhalt ausgerichtet und an dessen dauerhaften Besitz gebunden (10f.). Als einziger sicherer und bleibender Erkenntnisinhalt wird Gott bestimmt.8 Dass damit genauer der christliche trinitarische Gott gemeint ist, lässt Augustin am Schluss von De beata vita in einer längeren Rede deutlich werden.9 Es scheint also, dass für den frühen Augustin zwischen dem aristotelisch-stoischen Konzept des vernunftgemässen Lebens und der platonisch geprägten, christlich aufgeladenen Forderung der Gotteserkenntnis keine Diskrepanz besteht. Vielmehr bedeutet das vernunftgemässe Leben letztlich, Gott zu erkennen.10 5 6 7
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Vgl. oben S. 9. Vgl. Duchrow28f.; Lorenz 101. Acad. 3, 27 (9f.): in mente arbitrer esse summum hominis bonum\ beata v. 25 (36f.): animus, in quo posita est beata vita. Zur Frage, in welchem Verhältnis der Autor Augustin und die Dialogfigur Augustin stehen, bemerkt Metz 24 Anm. 3, dass Augustin in den Retractationes für die Aussagen seiner selbst als Dialogfigur einsteht und folglich selber nicht zwischen sich und der Figur zu unterscheiden scheint: "Augustin übernimmt nämlich hier (seil, in retr.) gleichsam die Verantwortung dafür, was seine gleichnamige Dialogfigur in seinen Frühwerken gelehrt hat. ... Die 1. Person Singular verbindet hier die Dialogfigur "Augustinus" mit dem Autor Augustinus zur Identität einer Person."
Beata ν. 11 (149): deum igitur, inquam, qui habet, beatus est. Dazu retr. 1, 2: in quo libro constitit internos... non esse beatam vitam nisiperfectam cognitionem dei. 9 Beata v. 35 (281-285): hoc est beata vita, pie perfect eque cognoscere, a quo inducaris in veritatem, qua ventate perfruaris, per quid conectaris summo modo, quae tria unum deum intellegentibus unamque substantiam exclusis vanitatibus variae superstitionis ostendunt. Vgl. ord. 2, 26; sol. 1,13 (dazu Rist 49f.). 10 Vgl. Holte 66 Anm. 1 und 196; Duchrow 16; O'Donnell 3, 190. - Die Annahme in beata v., dass Glück auf Erkenntnis beruht, erlaubt übrigens im Unterschied zu Acad. 1 eine
1,5-1,9: Glück und Wahrheit
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Diese Implikation ist drei Jahrzehnte später bei der Niederschrift der Retractationes nicht mehr gegeben: Augustin kritisiert dort die Glücksdefinition von Contra Académicos 1, 5 entschieden und schreibt, was die menschliche Natur angehe, sei zwar tatsächlich die Vernunft der beste Teil, doch es gelte nicht gemäss dem Menschen zu leben, um glücklich zu sein, sondern gemäss Gott.11 Es wird also scharf zwischen Mensch und Gott unterschieden, und die Gleichung zwischen vernunftgemässem Leben und Gotteserkenntnis scheint nicht mehr möglich zu sein.12 Dennoch spiegelt die Korrektur der Retractationes keine grundlegend neue Glückskonzeption, sondern vielmehr ein Bedürfnis nach Klarheit und Eindeutigkeit.13 Denn auch in seinem späteren Werk versteht Augustin wie in den Cassiciacum-Dialogen den Intellekt als Erkenntnismedium und Glück als Gotteserkenntnis, und er bleibt damit der paganen philosophischen und insbesondere der platonischen Tradition stets verpflichtet.14 Doch andererseits will
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mühelose Widerlegung der skeptischen Position: quid, inquarti, putatis nisi cum Academicis totum, quod susceperamus, confectum esse negotium? (13 [177-179]). Die Auseinandersetzung mit den Skeptikern wird zwar in 14f. und 20 noch weitergeführt, aber deren Position ist durch die genannte Glückskonzeption endgültig entkräftet. Retr. 1, 1,2: hoc quidem verum est; nam quantum attinet ad hominis naturam, nihil est in eo melius quam mens et ratio, sed non secundum ipsam debet vivere, qui beate vult vivere, alioquin secundum hominem vivit, cum secundum deum vivendum sit, ut possit ad beatitudinem pervenire; propter quam consequendam non se ipsa debet esse contenta, sed deo mens nostra subdenda est. Vgl. die ähnlichen Präzisierungen zu Acad. 3, 27 (9f.): in mente arbitrer esse summum hominis bonum, in retr. 1, 1, 4: vertus dixissem: in deo; ipso enim mensfruitur, ut beata sit, tamquam summo bono suo\ ebenso zu beata v. 25 (36f.): animus, in quo posita est beata vita, in retr. 1, 2: displicet autem illic ... quod tempore vitae huius in solo animo sapientis dixi habitare beatam vitam, quomodolibet se habeat corpus eius, cum perfectam cognitionem dei, hoc est qua homini maior esse non possit, in futura vita sperei apostolus, quae sola beata vita dicendo est; zu util. cred. 25: duae sunt enim personae in religione laudabiles. una eorum qui iam invenerunt, quos etiam beatissimos iudicari necesse est; alia eorum qui studiosissime et rectissime inquirunt. primi ergo sunt iam in ipsa possessione, alteri in via, qua tamen certissime pervenitur, in retr. 1, 14, 2: in his verbis meis, si illi qui iam invenerunt quos in ipsa possessione iam esse diximus, sic accipiuntur beatissimi, ut non in hoc vita, sed in ea quam speramus et ad quam perfidei viam tendimus sint, non habet iste sensus errorem. S.o. S. 37 Anm. 20. Vgl. z.B. trin. 14, 11: principale mentis quo novit deum (dazu Beierwaltes 25; Holte 196f.; 230; Horn 43-47). Augustin gesteht am ehesten den Piatonikern eine akzeptable Glückskonzeption zu, so in civ. 8, 8 p. 333, 8-10 D.-K.: cédant igitur omnes Ulis philosophis, qui non dixerunt beatum esse hominem fruentem corpore vel fruentem animo, sed fruentem deo; ebd. Z. 15-18: Platonem determinasse finem boni esse secundum virtutem vivere et ei soli evenire posse, qui notitiam dei habeat et imitationem nec esse aliam ob causam beatum\ 8, 10 (vgl. Beierwaltes 22).
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er die Annahme ausschliessen, dass die Möglichkeit, Gott in diesem Leben zu erkennen, dem Menschen durch die Vernunft inhärent sei, und er betrachtet die Hoffnung, schon im Diesseits Glückseligkeit zu erlangen, zunehmend kritischer. Zwar schreibt er dem Menschen auch in späteren Werken einen apriorischen Begriff des Glücks zu, doch dient ihm diese Annahme lediglich zur Erklärung des unbedingten Glücksstrebens aller Menschen.15 Die Möglichkeit der Verwirklichung des Glücks ist dagegen nicht im Wesen des Menschen angelegt. Dementsprechend verliert die aristotelisch-stoische Konzeption des Glücks als eines Lebens gemäss der Vernunft an Gewicht, denn sie könnte die Illusion der unmittelbaren Verfügbarkeit des höchsten Guts im Menschen selbst vorspiegeln.16 Gegenüber den paganen Philosophen, gemäss denen Glück aus eigener Kraft erreicht werden kann, erhebt Augustin den Vorwurf der Überheblichkeit.17 Er selber ergänzt hingegen die ratio als Medium der Gotteserkenntnis durch die Vorstellung des 'inneren Menschen'. Damit nimmt er ein sowohl platonisches als auch paulinisches Motiv auf, und wie Paulus nähert er den inneren Menschen Christus an.18 Mit anderen Worten, die aristotelischstoisch geprägte intellektualistische Glückskonzeption tritt zugunsten eines platonisch-christlichen Vermittlungsmodells in den Hintergrund. Der Mensch 15 Vgl. lib. arb. 2, 103: antequam beati simus mentibus tarnen nostris impressa est notio beatitatis - per hanc enim scimus fldenterque et sine ulla dubitatione dicimus beatos nos esse velie-, conf. 10, 29: cum enim te, deum meum, quaero, vitam beatam quaero. ... nonne ipsa est beata vita, quam omnes volunt et omnino qui nolit nemo est? ubi noverunt earn, quod sic volunt eam? ubi viderunt, ut amareni earn? nimirum habemus eam nescio quodmodo", 10, 30: vitam vero beatam habemus in notitia ideoque amamus et tamen adhuc adipisci eam volumus, ut beati simus (dazu Beierwaltes 37; O'Daly, Mind 184; vgl. auch unten zu 1,15 [48f.]). 16 Vgl. s. 150, 8: ecce enim interroganti ubi ponant ejficiens beatae vitae ...: respondent (seil. Stoici), non corporis voluptatem, sed animi esse virtutem. quid apostolus? annuii? si annuii, annuamus. sed non annuii: revocat enim scriptura eos qui confidunt in virtute sua ... sed enim Stoicus in animo ponens summum hominis bonum, in re quidem meliori hominis posuit; sed etiam ipse in se spem posuit", s. 156, 7: exstiterunt autem alii superbi, ... totam spem beatitudinis suae in anima sua constituentes, posuerunt summum bonum in virtute sua. ... nec isti secundum deum viventes\ civ. 19, 4 p. 356, 15-24 D.-K.: illi autem, qui in ista vita fines bonorum et malorum esse putaverunt, sive in corpore sive in animo sive in utroque ponentes summum bonum ... hic beati esse et a se ipsis beatificari mira vanitate voluerunf, ep. 118, 15: in ipso tamen animo ponentes (seil, summum bonum) infra utique posuerunt, quam ubi sincerissima ratione ponendum est. 17 Vgl. i. 156, 7 (s.o. Anm. 16); trin. 13, 10; civ. 19, 4 p. 362, 23-26 D.-K.; u.ö. 18 Pl. R. 9. 589a-b; Plot. 5, 1, 10; Porph. 275F, 22-32 Smith; Paulus, Rm 7, 22f.; 2 Cor 4, 16. Bei Augustin vgl. z.B. mag. 2 (47f.): deus autem in ipsis rationalis animae secretis, qui homo interior vocatur, et quaerendus et deprecandus est; ... nescitis ... in interiore homine habitare Christum?·, conf. 10, 9; civ. 13, 24 p. 594, 7-9 D.-K. (dazu Lorenz 125; Beierwaltes 22f.; Cary 161).
1,5-1,9:.Glück und Wahrheit
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kann sich zwar dank seiner natürlichen Ausrichtung auf Gott schon im diesseitigen Leben Gott und dem Glück annähern; vollkommene Erkenntnis und perfektes Glück sind hingegen erst im jenseitigen Leben möglich.19 Der Dialog wird eröffnet, indem Augustin in seiner ersten Frage den Begriff verum verwendet: numquidnam dubitatis, inquarti, verum nos scire oportere? (1,5 [2f.]). Die Fortsetzung zeigt, dass verum in Contra Académicos 1 meist mit Veritas austauschbar ist: verum wird ohne Bedeutungsunterschied durch Veritas abgelöst; Veritas wird mehr als doppelt so häufig verwendet wie verum.20 Der Begriff verum hat aber gegenüber Veritas den Vorteil, dass er die Bezugnahme auf die stoisch-akademische Wahrnehmungslehre erlaubt, in der der Begriff verum klar von Veritas unterschieden wird.21 Diese Möglichkeit, die Augustin schon in seiner ersten Frage vorbereitet, wird hauptsächlich von Licentius für seinen skeptischen Standpunkt in Anspruch genommen: Er bevorzugt öfter verum, während Trygetius bei der Darstellung seiner eigenen Position stets Veritas verwendet. Licentius ist es auch, der den Begriff verum einige Male in der von Veritas unterschiedenen Bedeutung der stoisch-akademischen Wahrnehmungstheorie anwendet, nämlich als Attribut einer Erscheinung bzw. einer Aussage.22 In Contra Académicos 1 fehlt jedoch nicht nur eine gegenseitige Abgrenzung der Begriffe verum und veritas, sondern überhaupt jegliche Klärung des Verständnisses von verum / veritas. Es lässt sich lediglich festhalten, dass zumindest Licentius zwei Bedeutungen von verum anwendet, ohne sich zunächst über den Unterschied Rechenschaft abzulegen. Argumentationsziel von Contra Académicos 1 ist jedoch nach dem Modell von Ciceros Hortensius vorerst nur die Einladung zur Wahrheitssuche und damit zum Philoso19 Vgl. Aug. civ. 14, 25 p. 53, 6f. D.-K.: tunc igitur beata erit (seil, vita), quando aeterna erit; 19, 4 p. 356, 7f. D.-K.: aeternam vitam esse summum bonum\ 19, lOf. und 22, 30; trin. 13, 10: non enim ... illa (seil, bona) quibus fiet beatus, unde nisi a deo in hominem veniant et homini accédant inveniri potest, cum autem ex hac vita ab eo qui in his miseriis fidelis et bonus est ventum fuerit ad beatam, tunc erit vere quod nunc esse nullo modo potest ut sic homo vivat quomodo vult; s. 150, 10: nemo beatus est, nisi qui vivit in aeternum\ 306, 7: tenemus certe non esse beatam, nisi vitam aeternam (vgl. Holte 270; Beierwaltes 22f.; 30f.; 37; Lorenz 129-132). 20 veritas (Z. 14f.; 17; 20f.; u.ö.) wird 34mal verwendet; verum 16mal. 21 S.u. zu 1, 11 (36f.). 22 Dies ist der Fall in 1, 11 (36f.): error mihi videtur esse falsi pro vero approbatio (zur Bedeutung von verum in der stoisch-akademischen Wahrnehmungtheorie s. z.St.); ebenso in 1, 14 (26f.): ad id, quod dictum erat, id est ad verum, pervenit. Ausserdem wird der Plural vera in Bezug auf die Auskünfte des divinus Albicerius verwendet ( 1 , 1 8 [49]; 1, 19 [12]). Im Anschluss an die Diskussion um Albicerius wird für die Dialogteilnehmer erstmals die Inkompatibilität der beiden Verwendungen von verum deutlich ('wahre Erscheinung bzw. Aussage' vs. 'Wahrheit'); zu Licentius' daraus folgender Unterscheidung von mehr als einem genus veri in 1, 23 (28) s. z.St.
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phieren. Was Wahrheit überhaupt ist und welche philosophische Richtung folglich eingeschlagen werden soll, wird einstweilen offengelassen. Dass Augustin in Contra Académicos 1 eine platonische Philosophie und dementsprechend einen ontologischen Wahrheitsbegriff vertritt, ist im Dialogteil nicht ersichtlich, sondern lässt sich nur aus dem Proömium erschliessen.23 Am Ende des Dialogs besteht hingegen kein Zweifel mehr, dass Augustin Wahrheit im Anschluss an Piaton als nicht sinnlich erfassbar, sondern als intelligibel versteht.24 Dieses Verständnis der Wahrheit wird in den frühen philosophischen Schriften auch dort deutlich, wo Augustin die beiden Begriffe veritas und verum durchaus voneinander unterscheidet und veritas den Vorrang vor verum gibt: Trotz der Priorität von veritas wird auch verum nicht weniger als etwas unvergänglich Seiendes verstanden.25 Darüber hinaus ergänzt Augustin das platonische Wahrheitsverständnis durch die christliche Gleichsetzung von veritas mit Christus nach Io 14, 6.26 Zusammen mit der Parallelisierung von Christus und sapientia nach 1 Cor 1, 24 ergibt sich dadurch auch eine christliche Basis für die Gleichung von sapientia und veritas.21
23 S.o. zu 1,3(75-77). 24 Vgl. Acad. 3, 37 (23-26): Platonem sensisse duos esse mundos, unum intellegibilem, in quo ipsa veritas habitaret, istum autem sensibilem, quem manifestum est nos visu tactuque sentire; itaque illum verum, hunc veri similem\ Acad. 3, 39 (62) mit Fuhrer z.St., vgl. dies., veri simile 119-121 ; dies., Kriterium 265. 25 Vgl. sol. 1, 27: {Ratio.) primo itaque illud videamus, cum duo verba sint veritas et verum, utrum tibi etiam res duae istis verbis significari an una videatur. (Augustinus:) duae res videntur. ... si quid verum est, veritate utique verum est; 1, 29: non esse vera nisi quae sunt inmortalia; 2, 8: nam verum mihi videtur esse id quod est auch 2, 28: nihil autem verum sine veritate; vera rei. 206: nec ullum verum nisi veritate verum est; 185: earn esse veritatem quae ostendit id quod est", conf. 7, 21: omnia vera sunt, in quantum sunt, nec quicquam est falsitas, nisi cum putatur esse quod non est. Dass verum in sol. etwas unvergänglich Seiendes ist, verkennt R.H. Nash, The Light of the Mind (Lexington 1969) 20-23. - In trin. stellt Augustin mit Bezug auf Pl. Ti. 29c in Ciceros Übersetzung (Cie. Tim. 8) die Wahrheit auf eine Ebene mit der Ewigkeit {trin. 4, 24: quantum ad id quod ortum est aeternitas valet, tantum ad fidem veritas), ebenso in cons. ev. 1, 53 (vgl. Madec, Christus 79f.). 26 Z.B. util. cred. 33. 27 Christus als sapientia z.B. Acad. 2, 1 (26f.); sapientia ~ veritas z.B. beata ν. 34: sed quid putatis esse sapientiam nisi veritatem (vgl. Holte 87f.; Madec, Christus 81).
1,5: Glück und Wahrheit
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1,5: Glück und Wahrheit 1 omnes: Neben Augustin selber treten in Acad. folgende Figuren als Dialogpartner auf: Licentius und Trygetius (s.o. 1, 4 [81; 89]), Alypius (s.o. 1, 4 [101]) und Navigius (s.u. Z. 19). - unum in locum: In Acad. 1 bleibt die Szenerie eher vage; die jeweiligen Gesprächsorte werden nicht benannt, obschon genaue Orts- und Zeitangaben zu den Dialogtopoi gehören (in Acad. 2, 10 [20], 2, 14 [2] und 2, 25 [5] wird eine Wiese als Gesprächsort genannt, in 3, 1 [2] das Bad; in beata ν. und ord. ist die Szenerie insgesamt präsenter). - ad hoc: Seil, zur Vergewisserung, wie weit die Schüler zu einer philosophischen Diskussion befähigt sind (s.o. 1,4 [96f.]). 2 ubi: 'sobald'. 2f. (1) numquidnam dubitatis ... verum nos scire oportere?: Das altlat. Fragewort numquidnam, das eine verneinende Antwort suggeriert, ist auch im Spätlat. wieder üblich (in Acad. noch 2, 17 [29f.]; 3, 26 [67; 74]; vgl. LHS 463). Verneintes dubitare ('nicht zweifeln'; an der vorliegenden Stelle ist die Verneinung durch die rhetorische Frag impliziert) wird klassisch mit quin konstruiert; Livius verwendet daneben auch die Acl-Konstruktion, die ab Nepos überwiegt und im Spätlat. üblich ist (vgl. TLL 5, 1, 2080-2082; KS 2, 2, 264f.; LHS 357). - Augustins erste Frage enthält (im Unterschied zur zweiten in Z. 5f.) keine Angabe darüber, im Hinblick auf was die Wahrheitserkenntnis notwendig ist oder nicht. Vielmehr wird gefragt, ob die Wahrheitserkenntnis für den Menschen eine apriorische Forderung darstelle. Dementsprechend bedeutet oportere hier 'müssen' im Sinn von 'zukommen, sich gehören, dem Wesen entsprechen' (vgl. TLL 9, 2, 737, 21-33). Zum Streben nach Wahrheit als Inhalt der Philosophie s.u. S. 90f.; zur Verwendung von verum s.o. S. 71f. 3f. minime, ait Trygetius: Nicht zufällig verneint die Zweifel als erster Trygetius, der in der Folge die Position vertritt, dass die Wahrheitserkenntnis unumgänglich ist (s.u. zu 1, 6 [40f.]). Er wiederholt die vorliegende Antwort in 1,6(34). 4 ceterique se ... approbasse signifieaverunt: Der Inf. perf. act. anstelle der Präsens-Form wird im Altlatein in Anlehnung an den griech. Aor. verwendet; z.B. Plaut. Aul. 828: non potes probasse nugas (vgl. KS 2, 1, 134). Das Phänomen ist in der Dichtung häufig, seit Livius auch in der Prosa (vgl. LHS 351 f.; Stotz 328). - Das Einverständnis aller wird stets vorausgesetzt, um zum nächsten Punkt der Diskussion überzugehen (so auch unten Z. 18f.; 30; 1, 6 [35]; u.ö.). Mit der Übereinkunft aller, dass man die Wahrheit wissen müsse, werden sowohl die Handlung des Dialogs - also die Suche nach Wahrheit im Gespräch - als auch dessen Fazit vorausgenommen (vgl.
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Augustine Rekapitulation in 1, 25 [43-49]: nam cum instituissem vos ad quaerendam veritatem magnopere hortari, coeperam ex vobis quaerere, quantum in ea momenti poneretis; omnes autem posuistis tantum, ut plus non desiderem. nam ... perquirenda [scil. Veritas] est). Zum scheinbaren Paradox, dass auch Licentius Augustine erste Frage (Ζ. 3: verum nos scire oportere) bejaht, obwohl er in der Folge die Möglichkeit der W a h r h e i t s f i n d u n g verneinen wird, s.u. zu 1, 7 (20f.). 5f. (2) quid, si... etiam non comprehenso vero beati esse possumus, necessariam ... arbitramini?: Der si'-Satz enthält die Hypothese, dass man auch o h n e W a h r h e i t s e r k e n n t n i s (Inhalt des Abi. abs.) Glück erlangen könne. Die Notwendigkeit der Wahrheitserkenntnis, über die sich bisher alle einig sind (vgl. Z. 2-4), wird hier somit an die Hypothese geknüpft, dass Wahrheitserkenntnis keine Voraussetzung für das Glück sei, um neu zur Diskussion gestellt zu werden (die Frage, ob die Hypothese zutreffe oder nicht, ist der eigentliche Gegenstand von Acad. 1; s.u. zu Z. 15-17 [dritte Frage]). Die Antwort auf die vorliegende Frage folgt erst in Z. 13-15. Die Formen von comprehendere werden im Anschluss an Cicero zur lateinischen Wiedergabe des stoischen Konzepts des 'Erfassens' (κατάληψις, zu κ α τ α λ α μ β ά ν ω ) verwendet, so unten 1, 19 (3) und 3, 13 (13) (zu κατάληψις s.u. zu 1, 7 [20]). Mit comprehenso vero und veri comprehensionem führt Augustin also gleich zu Beginn der Auseinandersetzung Begriffe ein, die in der stoisch-akademischen Wahrnehmungstheorie Termini technici sind. Auf diese Weise wird der folgende Rückgriff auf diese Theorie (durch Licentius in 1,7) unmerklich vorbereitet. 7-12 hic Alypius quod ei cum concessum esset: Alypius verlässt die Runde kurz nach Beginn des Gesprächs (1, 8 [39-45]); er ist auch in beata ν. und ord. 1 abwesend (vgl. beata ν. 15 bzw. ord. 1, 7; 2, 1). Dagegen ist er in Acad. 2 und 3 zugegen und übernimmt in 2, 10-15 das Referat der akademisch-skeptischen Lehrmeinung und deren Verteidigung (vgl. Cary 16 lf.; zum möglichen Grund der Reise und zu den chronologischen Unstimmigkeiten in der szenischen Abfolge der Dialoge vgl. Fuhrer 10 Anm. 36 bzw. 15f. Anm. 57). Unabhängig von der möglichen Authentizität von Alypius' Reise besteht die dramaturgische Funktion des vorliegenden Einschubs in der Retardation nach Augustine zweiter Frage, die den zentralen Diskussionspunkt enthält (s.o. zu Z. 5f.). Damit wird die Schwierigkeit des vorliegenden Problems (huius quaestionis, Z. 7) betont, und der Einschub motiviert die Wiederholung der zur Diskussion stehenden Frage (cum ... rogationem repetissem, Z. 12f.). 7f. iudicem me tutius puto: 'halte ich es für sicherer, Schiedsrichter zu sein' (nach puto ist eine starke Interpunktion vorzuziehen [mit Migne und Knöll, gegen Green]). Das Bestreben nach 'Sicherheit' in einer philosophi-
1, 5: Glück und Wahrheit
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sehen Diskussion ist antithetisch zur 'Waghalsigkeit' in der Meinungsäusserung (temeritas; dazu unten zu 1, 5 [24f.]). Alypius - von Beruf Jurist (vgl. conf. 6, 13) - übernimmt die Rolle des Schiedsrichters auch nach seiner Rückkehr wieder (Acad. 2, 21 [28-30]). Der Schiedsrichter ist eine traditionelle Figur des literarischen Dialogs; vgl. PI. Prt. 338a 7f.: πείθεσθέ μοι ραβδούχου και έτηστάτην και πρύτανιν έλέσθαι; Arist. Ph. 3, 6. 206a 12-14; Tac. dial. 4, 2; Min. Fei. 5, 1; 15, 1 (dazu O'Meara, Hist. 166f.; zum Richter in öffentlichen Streitgesprächen über Glaubensfragen vgl. Schmidt 134-137; dens., Formtradition und Realitätsbezug im frühchristlichen lateinischen Dialog, WJA 3 [1977] 21 lf.). Neben iudex geben der Gesprächssituation in Acad. 1 folgende weitere Ausdrücke den metaphorischen Rahmen einer Gerichtsverhandlung: die zu vertretende Partei bzw. Position (suseipiendae partis, unten Z. 9); die Rolle vor Gericht (iudicis partes, unten Z. 10; vgl. 1, 8 [40]), die Verteidigung (defensionis, unten Z. 10), die Anwälte (patroni, 1, 6 [44]; vgl. patrocinium, 1, 15 [53]; u.ö.), der Sieg (victoria, 1, 8 [37]), das Urteil (sententiae, ebd.) sowie causa in verschiedenen Bedeutungen (die Sachlage, 1, 10 [17]; das Anliegen, 1, 10 [19]; die gemeinsame Gerichtssache, 1, 12 [82]) (vgl. Gunermann 3638). Bei der Erörterung stehen einander wie vor Gericht zwei Positionen gegenüber (vgl. pro alterutra parte, 1, 5 [11]); es handelt sich um ein 'Streitgespräch' (certamen, 1, 8 [44]). Der Gesprächsverlauf ist jedoch im Vergleich zu Augustine anti-manichäischen und anti-häretischen Streitgesprächen unpolemisch und die Atmosphäre freundschaftlich (vgl. Voss, Dialog 302f.; Erler 308). 8 iter ... in urbem: Alypius reist in das nahe gelegene Mailand. Auffällig ist die Verwendung von urbs (ohne nähere Angabe) für Mailand (statt Rom). 9 onere alieuius suseipiendae partís: suseipere partem bedeutet 'Partei beziehen', 'Position ergreifen'. Als 'Last' wird die Position eines Gesprächsteilnehmers auch in Acad. 2, 21 (26) bezeichnet. 10 iudicis partes: partes: 'Rolle', 'Aufgabe' (so auch unten 1, 8 [40]: suscepti a me officii... partes), besonders die Rolle vor Gericht bzw. in einem Gespräch (vgl. TLL 10, 464, 48ff. bzw. 65ff.; zur jurist. Metaphorik s.o. zu Z. 7). Die Verbindung mit Genitiv ist geläufig; vgl. Cie. Att. 6, 2, 2: partes istius officii·, Liv. 26, 9, 9; 6, 6, 16; u.ö. (TLL 10, 465, 47ff.). Dagegen bedeutet partes 'Standpunkt' in Acad. 2, 10 (23f.); u.ö. - cuiusquam defensionis cuipiam: Die Formen cuiusquam und cuipiam, die normalerweise in verneinten Sätzen stehen, sind hier durch die im Vergleich implizierte Verneinung bedingt. Die Variante defensoris S Τ sowie Migne ist wohl aus einem Bestreben nach Parallelität zu iudicis in der gleichen Zeile entstanden; sie ist lectio facilior. - In der Fortsetzung übernimmt
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auch Augustin die Funktion des Richters (s.u. zu 1, 6 [38f.]); das Problem eines Stellvertreters ist somit bei Alypius' Abreise bereits gelöst. 11 pro alterutra parte: Die beiden Positionen (s.o. zu Z. 9) kristallisieren sich zwar erst später im Anschluss an Augustins Frage in Z. 16f. heraus, aber dass zum Zweck der dialektischen Übung eine Polarisierung der Meinungen herbeigeführt werden soll, ist für den älteren Gesprächsteilnehmer offenbar von Anfang an selbstverständlich (zu den einander gegenüberstehenden Positionen s.u. 1, 6 [39-41]). l l f . ne ... expectetis: Zum verneinten Imperativ durch ne mit Konj. Präs. s.o. zu 1, 1 (22f.). 13f. beati certe ... esse volumus: = Cie. Hort. Test. 182c Hagendahl = Fr. 69A 3 S. Die Zuweisung basiert auf der Nähe der vorliegenden Textstelle zu einer Reihe von gleich oder ähnlich lautenden Hortensius-Fragmenten; sie wird auch von Testard 2, 1 und Gigon 343 vertreten. In trin. 13, 7 leitet Augustin einen im Wortlaut fast identischen Satz explizit als Zitat des Hortensius ein: unde nec ipse, cum Academicis omnia dubia sint, Academicus ille Cicero dubitavit qui cum vellet in Hortensio dialogo ab aliqua re certa, de qua nullus ambigeret, sumere suae disputationis exordium, beati certe, inquit, omnes esse volumus (= Hort. Fr. 58 G. = 69 S.). Alle weiteren Hortensius-Fmgmente, die die entsprechende Aussage enthalten, sind ebenso bei Augustin überliefert (beata ν. 10 [85-87] = Hort. Fr. 59a G. = 70 S.; mor. 1,4 = Hort. Fr. 59b G. = 69A 4 S.; c. Iul. imp. 6, 26 = Hort. Fr. 59 G. = 69A 13 S.).28 Augustin beruft sich überaus häufig auf den vorliegenden Grundsatz, auch ohne Nennung von Cicero, so in lib. arb. 1, 99: sed censesne quemquam hominum non omnibus modis velie atque optare vitam beatam? - quis dubitai omnem hominem velie?', 2, 101: in quantum igitur omnes homines adpetunt vitam beatam, non errant; mag. 46: beata vita ..., quam se omnes clamant quaerere\ mor. 1, 35; conf. 10, 31; c. Faust. 20, 5; trin. 2, 5; 13, 8; 13, 9; 13, 11; 13, 25; c. lui. imp. 5, 55; 6, 12; civ. 10, 1; ep. 104, 12; 130, 10; u.ö. (vgl. Hagendahl 81-83; Beierwaltes 20; O'Connell, Theory 206). Zur Möglichkeit, die vorliegende Stelle zum Hortensius in Beziehung zu setzen, vgl. oben S. 23. Mit dieser allgemein akzeptierten Aussage wird die Motivation des Gesprächs genannt: das Streben der Menschen nach Glück (Holte 195 nennt die28 Grilli vermutet, dass Hort. Fr. 58 G. = 69 S. am Anfang von Ciceros protreptischer Schlussrede stand; das Fragment enthalte "il tema da cui parte (seil. Cicerone), tema che domina tutta la trattazione, per formarne il culmine alla chiusa" (Grilli 94). Gegen Grillis Hypothese spricht allerdings die Angabe in trin. 13, 7 (s.o. im Text), dass die betreffende Aussage den Anfang der Diskussion gebildet habe (disputationis exordium; vgl. Cary 143). Die Aussage hätte somit eine ähnliche Stelle eingenommen wie im vorliegenden Text.
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ses Streben ein "axiome psychologique"; s. auch oben S. 70; Voss 161). Das methodische Prinzip, eine philosophische Untersuchung mit einem empirisch gefestigten Grundsatz zu beginnen, der allen gemeinsam ist und nicht hergeleitet werden muss, ist v.a. für Aristoteles typisch; vgl. An. post. 1,1. 71a lf.: π ά σ α διδασκαλία και π ά σ α μάθηση διανοητική έκ π ρ ο ϋ π αρχούσης γίνεται γ ν ώ σ ε ω ς (zur Illustration des Vorgehens vgl. Metaph. 1,1. 980a 21: πάντες άνθρωποι τοΰ είδέναι ορέγονται φύσει; Pol. 1,1. 1252a 1-6; EN 1, 1. 1094a lf.). Der Konsens aller wird bisweilen als Garant für Wahrheit verstanden; vgl. Arist. EN 10, 2. 1173a 1: α γ α ρ πάσι δοκεΐ, τ α ϋ τ ' είναι φαμεν; Cael. 1, 3. 270b 11-16; Sen. epist. 117, 6: veritatis argumentum est aliquid omnibus videri.29 Glück gilt im Hellenismus bei allen Philosophenschulen als höchstes Ziel (dazu oben S. 7). Die Aussage, dass alle Menschen glücklich sein wollen, konnte daher in der Protreptik zur Philosophie als feste, allgemeingültige Ausgangsbasis der Erörterung benutzt werden (in der Fortsetzung galt es folglich zu erweisen, dass Philosophie zu Glück führe); so Pl. Euthd. 278e 3: ά ρ ά γε π ά ν τ ε ς ά ν θ ρ ω π ο ι βουλόμεθα εύ πράττειν; Arist. ΕΝ 1, 1-4, bes. 1, 4. 1095a 14-20: λέγωμεν ... τί έστιν ου λέγομεν την πολιτικήν έφίεσθαι και τ! τ ό π ά ν τ ω ν άκρότατον τ ω ν π ρ α κ τ ώ ν ά γ α θ ώ ν . ονόματι μεν ούν σχεδόν ύ π ό τ ω ν π λ ε ί σ τ ω ν ομολογείται· την γ α ρ εΰδαιμονίαν και οϊ πολλοί και οϊ χαρίεντες λεγουσιν, τ ό δ' ευ ζην και τ ό ευ π ρ ά τ τ ε ι ν τ α ύ τ ό ν ύπολαμβάνουσι τ ω εύδαιμονεΐν. Vielleicht nahm auch Aristoteles' Protreptikos von dieser Aussage den Ausgang (vgl. Hartlich 296; P. von der Mühll, Isokrates und der Protreptikos des Aristoteles, in: Ausgewählte kleine Schriften, hrsg. von B. Wyss [Basel 1976] 326 = Philologus 94, N.F. 48 [1941] 265; Düring 156; Ruch 128; Grilli 99); Cicero folgte im Hortensius wohl seinerseits dem Aristotelischen Protreptikos (dazu D. Turkowska, L'Hortensius de Cicéron et le protreptique d'Aristote [Wroclaw etc. 1965] 14-36; 56-59). Vgl. auch Cie. fin. 5, 86: beate enim vivendi cupiditate incensi omnes sumus; Sen. dial. 7, 1, 1: vivere, Gallio frater, omnes beate volunt; epist. 44, 7; 59, 15. Der Grundsatz, dass alle Menschen nach Glückseligkeit streben, wurde auch in der Rhetorik verwendet: Aristoteles wählt aufgrund der Allgemeingültigkeit dieses Satzes das Glück als Gegenstand einer beispielhaften Untersuchung (Rhet. 1, 5. 1360b 4ff.); Quint, inst. 5, 14, 13 nennt den Satz omnes autem volunt beatam vitam vivere als Beispiel für eine Prämisse eines Syllogismus, die nicht bewiesen werden muss (adsumptio confessa); ebenso lui. Vict. rhet. p. 52, 1 lf. Giomini/ Celentano. 29 Dazu Düring 245; D. Obbink, 'What all Men believe - Must be True': Common Conceptions and consensio omnium in Aristotle and Hellenistic Philosophy, OSAP 10 (1992) 193-231.
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14f. si... possumus absque veritate pervenire, quaerenda nobis Veritas non est: Die Präposition absque ('ohne') ist im Altlatein bei den Komikern häufig, klassisch eher selten, im späten Latein wieder üblich (vgl. TLL 1, 186, 1 Iff.; LHS 258; Finaert 61). Trygetius' Antwort bezieht sich auf Augustine zweite Frage (Z. 5f.). Er ersetzt jedoch den Begriff verum (Z. 5f.; auch Z. 3) ohne Bedeutungsunterschied durch Veritas (s.o. S. 71f.). Zudem gibt er Augustine Hypothese aus Z. 5f. nur ungenau wieder: Während dort im Besonderen die Wahrheitse r k e n n t n i s als Glücksbedingung in Frage stand (si... etiam non comprehenso
vero beati esse possumus,
Ζ. 5f.), schliesst die vorliegende
Formulierung der Hypothese durch die Präposition absque j e g l i c h e n Bezug zwischen Wahrheit und Glück aus. Sollte die Hypothese zutreffen, folgt daraus für Trygetius nicht nur, dass die Wahrheit nicht e r k a n n t werden müsse, sondern darüber hinaus auch, dass sie gar nicht g e s u c h t werden müsse ( q u a e r e n d a nobis Veritas non est, TL. 15). Daraus ist ersichtlich, dass Trygetius die Wahrheitssuche (im Gegensatz zur Wahrh e i t s e r k e n n t n i s ) nicht als selbständige Glücksbedingung in Betracht zieht (anders als Licentius und Navigius, Z. 17-21; s.u. zu Z. 17f.). Die Hypothese, dass Glück ganz ohne Wahrheit erreichbar sei, wird allerdings von niemandem vertreten, wie sich aus der einhelligen Antwort auf Augustine erste Frage schliessen lässt, der apriorischen Forderung 'man muss die Wahrheit wissen' (Z. 2-4). Trygetius' Votum ist daher ein Beispiel für ein formal korrektes Argument, von dem sich jedoch bereits absehen lässt, dass es aus inhaltlichen Gründen von keinem der Gesprächsteilnehmer akzeptiert werden wird. Dass solche Argumente überhaupt formuliert werden, dürfte einerseits in der Übungssituation begründet sein. Andererseits hat Trygetius' Äusserung eine dramaturgische Funktion, nämlich die Retardation vor der entscheidenden Polarisierung der Positionen durch Augustins dritte Frage. Gleichzeitig verneint hier Trygetius implizit die nicht eigens thematisierte Frage, ob es auch eine vom höchsten Ziel des Glücks unabhängige Notwendigkeit gibt, die Wahrheit zu suchen: dies ist nicht der Fall. Vielmehr interessiert die Wahrheitssuche ausschliesslich insofern, als sie dem Menschen zum Glück verhelfen kann. Dass die gesamte Auseinandersetzung von Acad. 1 eigentlich durch die Frage motiviert ist, wie Glück zu erlangen sei, wird auch in der Rekapitulation des Gesprächs deutlich (1, 24 [5]: quoniam de beata vita quaestio nata est", s. z.St.). 14 ad hanc rem: Scil. ad beatam vitam. 15-21 (3) quid...? ... vivere: = Cie. Hort. Test. 194c Hagendahl = Fr. 91A 2 S. Die Zuweisung basiert auf der inhaltlichen und z.T. auch wörtlichen Übereinstimmung der vorliegenden Position mit dem Cicero-Referat in 1, 7
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(s. dort zu Z. 20f.; vgl. jedoch die Vorbehalte gegenüber der Zuweisung oben S. 22). 15-17 (3) quid hoc ipsum? ... etiam non inventa veritate?: Augustin nimmt Trygetius' Aussage auf (quid hoc ipsum: 'Was bedeutet das genau?') und fragt, ob wir auch o h n e W a h r h e i t s e r k e n n t n i s (Inhalt des Abi. abs.) glücklich sein können. Er stellt damit seine eigene Hypothese zur Diskussion (vgl. Z. 5f.: si... etiam non comprehenso ν e r o beati esse possumus) und knüpft nicht an Trygetius' ungenaue Bezugnahme darauf an (vgl. Z. 14: absque veritate). Dabei ersetzt er aber wie Trygetius in Z. 14f. verum (Ζ. 5) durch Veritas (dazu oben S. 71). Mit der vorliegenden Frage nennt Augustin den Kernpunkt der Auseinandersetzung von Acad. 1 ; an dieser Frage polarisieren sich die Meinungen der Gesprächsteilnehmer. 17f. possumus, inquit, si verum quaeramus: Potentiale hypothetische Periode. Der Ind. statt Konj. im Hauptsatz ist seit Tac. vorherrschend (er ist auch schon im Altlat. geläufig, wenn das Prädikat Verben wie posse [so hier], debere u.a. enthält; vgl. KS 2, 2, 394-398; LHS 663). Das gleiche Phänomen begegnet unten 1,11 (58f.) und 1, 24 (26-28). - Licentius bejaht Augustine Frage, d.h. er schliesst die Wahrheitsfindung als notwendige Glücksbedingung aus (dass er die Wahrheitsfindung auch gar nicht als möglich erachtet, wird erst in 1, 7 [19-23] klar). Dies bedeutet für ihn jedoch nicht, dass Glück in keinerlei Bezug zur Wahrheit stünde; vielmehr nennt er im siSatz die Wahrheitssuche als hinreichende Bedingung für das glückliche Leben. Licentius unterscheidet also zwischen Wahrheitssuche und Wahrheitsfindung und betrachtet - anders als Trygetius (s.o. zu Z. 14f.) - die Wahrheitssuche als selbständige, von der Wahrheitsfindung unabhängige Glücksbedingung. Er leitet damit die Unterscheidung zwischen seiner eigenen und Trygetius' Position ein. Zum Ciceronischen Hintergrund seiner Antwort s.u. S. 90f. 18 ceterorum sententiam: Zum Einverständnis aller Gesprächsteilnehmer bei jedem Gedankenschritt s.o. zu Z. 4. 19 Navigius: Augustins Bruder. Er ist wahrscheinlich der Vater der in Possidius' Augustin-Vita erwähnten Nichten Augustins {Vita Aug. 26, 1) und der Vater oder Onkel des in s. 356, 3 erwähnten Patricius (vgl. Mandouze 772; ungenau und zu negativ Lepelley 177f.). - Nach seinem einzigen Votum in Acad. an der vorliegenden Stelle wird er noch in 1, 6 (42f.) erwähnt. Gemäss beata v. 13f. ist er aber bis zum Ende von Acad. 1 zugegen. Auch in beata ν. äussert sich Navigius gleich am Anfang des Gesprächs (7) und beteiligt sich in der Folge mit wohlüberlegten, öfter Zweifel anmeldenden Voten (vgl. 7; 12; 19); rückhaltlos zustimmend dagegen in 14 (197-203). Er tritt ausserdem noch in ord. 1, 5 auf. Gemäss ord. 1, 7 begleitet er Alypius auf eine Reise nach Mailand.
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20f. potest enim in veritatis inquisitione vivere: Navigius schliesst sich Licentius an und formuliert eine erste Bestimmung des glücklichen Lebens. Der Ausdruck veritatis inquisitio begegnet auch unten 1, 7 (21 und 25) (Cicero-Referat, s.u. zu 1, 7 [20f.]); 1, 11 (49); 2, 11 (5-7); daneben auch investigatio veritatis (unten Z. 27 und 1, 6 [40f.]). Zur Formulierung in veritatis inquisitione vivere vgl. Acad. 2, 4 (37f.): nullam beatam vitam, nisi qua in philosophia viveretur, 3, 1 (20f.): in studiis ... vivere·, trin. 14, 26 = Cie. Hort. Fr. 115 G. = 102 S. (unten zu 1, 23 [50-57] ausführlicher zitiert): in philosophia viventibus30 (zur Gleichsetzung von Philosophie und Wahrheitssuche aus skeptischer Perspektive s.u. S. 90f.). Die Formulierung knüpft an das antike Verständnis der Philosophie als einer bestimmten Lebensweise an (dazu s.u. zu 1, 11 [41 f.]). Licentius' und Navigius' erste Bestimmung des glücklichen Lebens, die sich organisch aus dem Gesprächsverlauf heraus entwickelt, entspricht inhaltlich Licentius' Auslegung der erst später (Z. 23-30) folgenden Definition des Glücks als secundum rationem vivere. Dies zeigt seine rhetorische Frage in 1, 9 (92f.): quaero, utrum non secundum rationem vivat qui quaerit perfecte veritatem; ebenso seine Voten in 1, 11 (43-49) und 1, 12 (77-83). 21 defini ergo: Trygetius lässt Navigius' Beschreibung des glücklichen Lebens weder unbesehen gelten, noch greift er sie an. Vielmehr verlangt er, indem er sich offenbar direkt an Augustin wendet, eine vom Lehrer autorisierte und unumstrittene Definition des Glücks als gemeinsame Diskussionsbasis. Mit der Forderung nach dieser Definition wird erneut verdeutlicht, dass der eigentliche Gegenstand der Diskussion das Glück und seine Zugangsbedingungen sind (s.o. zu Z. 14f.). In Trygetius' Votum drückt sich nicht nur eine Wissensfrage aus, sondern auch der Wunsch, sich zu vergewissern, dass alle Beteiligten vom gleichen Gegenstand sprechen. Er fordert damit ein korrektes methodisches Vorgehen, wie es Sokrates in PI. Phdr. 237b 7-c 2 formuliert: περι π α ν τ ό ς ... μία ά ρ χ ή t o î ç μέλλουσι καλώξ βουλεύεσθαι· εΐδέυαι δεΐ περι ou ά υ ή ή βουλή ή π α ν τ ό ς άμαρτάνειν άνάγκη. Besonders Aristoteles beginnt seine Erörterungen meist mit Definitionen, z.B. des Staats in Pol. 1, 1. 1252a 1-7. In der Rhetorik wurde die Verständigung über den Diskussionsgegenstand mit Hilfe von Definitionen zur Regel; vgl. Cie. orat. 116: et quoniam in omnibus, quae ratione docentur et via, primum constituendum est quid quidque sit - nisi enim inter eos qui disceptant convenit quid sit illud quod 30 Interessant ist Useners Vermutung, dass id est in philosophia viventibus innerhalb des Hortensius-Zitats ein Zusatz von Augustin sei (H. Usener, Rez. Piasberg, GGA 1 [1892] 381 = Kleine Schriften [Leipzig/Berlin 1913] 2, 357). Die Wendung an sich ist aber nicht ungewöhnlich; vgl. auch PI. Tht. 174b 1: οσοι έν φιλοσοφίςι διάγουσι.
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ambigitur, nec recte disseri umquam nec ad exitum pervenivi potest -, explicando est saepe verbis mens nostra de quoque re atque involuta rei notitia definiendo aperienda est, siquidem est defìnitio oratio quae quid sit id de quo agitur ostendit quam brevissime; o f f . 1, 7: omnis enim, quae [a] ratione suscipitur de aliqua re institutio debet a definitione proficisci, ut intellegatur, quid sit id de quo disputetur, de orat. 1, 209; 2, 108\fìn. 2, 3f.; rep. 1, 38; top. 9; Arist. Top. 1, 5. 101b 39 (vgl. Voss, Dialog 286f.). Augustin ist als Rhetor mit der Theorie des Definierens vertraut und exponiert diese in dial. 9f.; seine Kenntnisse dürften aus einem stoischem Logikhandbuch stammen (vgl. G.J.P. O'Daly, Definitio, AL 2 [1996ff.] 263f.). In sol. 2, 20 zählt Augustin die Definition zu den wesentlichen Elementen einer disciplina ('systematische Lehre' oder 'wissenschaftliche Methode'): nec ulla mihi occurrit cuiusvis facies disciplinae, in qua non definitione s ac divisiones et ratiocinationes, dum quid quidque sit declaratur, dum sine confusione parti sua cuique redduntur, dum nihil praetermittitur proprium, nihil adnumeratur alienum, totum hoc ipsum, quo disciplina dicitur, egerinf, in 2, 21 nennt Augustin die definiendi vis atque distribuendi das, was eine disciplina (als Beispiel dient die Grammatik) überhaupt ausmacht und wodurch sie wahr ist. Etwas zurückhaltender formuliert Augustin in mag. 43 als allgemeine Regel, dass Missverständnisse, die aufgrund eines unterschiedlichen Verständnisses von Wörtern entstehen, durch Definitionen vermieden werden können - vorausgesetzt, das Definieren gelingt: huic errori definitiones mederi posse dicuntur, ut in hac quaestione, si definirei, quid sit virtus, eluceret aiunt non de re, sed de verbo esse controversiam; quod ut concedam, quotus quisque bonus definitor inveniri potest? Im Verlaufe des Dialogs von Acad. 1 zeigt sich jedoch das Problem der Polysemie von Wörtern, die zur Definition eines anderen Wortes verwendet werden, und die Methode des Definierens wird von Trygetius grundsätzlich kritisiert (1, 15 [42-46]). Die folgende Definition (Z. 23-30) erleichtert den Schülern den Einstieg ins Gespräch und die Formulierung ihrer Argumente. Augustin leistet eine solche Hilfestellung mehrere Male in Acad. 1, so in 1, 5 (25) und 1, 10 (1114), wobei er an der zuletzt genannten Stelle nur noch auf die Notwendigkeit einer Definition hinweisen muss und diese in der Folge von Trygetius gegeben wird. In 1, 13 (lf.) bringt Trygetius schliesslich selbständig eine Definition der sapientia vor, um die Erörterung aus einer Sackgasse herauszuführen. Im Laufe des Gesprächs findet also ein Lernprozess statt, der die Schüler zu grösserer Unabhängigkeit führt (vgl. oben S. 9-13 zum Gespräch als Übung). Dagegen gibt in 1, 16 (11-15) nach einer Aporie erneut Augustin eine Definition (aber explizit nicht m e h r als das: itaque a me nihil aliud habebis quam definitionem sapientiae). Einmal akzeptierte Definitionen werden immer wieder zitiert und in die Argumentation einbezogen, so die Defi-
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nition des glücklichen Lebens (s.u. zu Ζ. 23-30). Hingegen deckt Licentius wiederholt Mängel in den Definitionen von Irrtum und Weisheit auf: 1, 11 (55-58); 1, 13 (18f.); u.ö. Aufgrund seiner Einwände lösen einander mehrere Definitionsversuche von Irrtum und Weisheit ab; bei keinem der beiden Begriffe wird eine Einigung erzielt. Die Definitionen haben also durchaus den Anspruch, die zu definierende Sache inhaltlich adäquat zu erfassen, und die meisten Definitionen in Augustins philosophischen Dialogen werden einer Prüfung unterzogen (ausgenommen sind davon "rein terminologische Definitionen innerhalb des Lehrgebäudes einer Einzeldisziplin wie der Mathematik oder der Musik" [Voss, Dialog 287; mit Verweis auf an. quant. lOff.; mus. 1, 2; u.ö.]). Die Definition als Gegenstand der Erörterung steht in der Tradition der platonischen Dialoge (vgl. Voss, Dialog 286f.), doch werden anders als bei Piaton die Definitionen nicht durch Dihärese gemeinsam erarbeitet (vgl. G.J.P. O'Daly [oben zu Z. 21] 264).31 22 ut ex eo colligam quid respondere conveniat: colligere ex bedeutet 'schliessen aus', 'ableiten aus', z.B. Quint, inst. 5, 10, 11: cum sit argumentum ratio probationem praestans, qua colligitur aliud per aliud (vgl. TLL 3, 1617, lOff.). Die Definition des Glücks, die Trygetius oben in Z. 21 fordert und die er hier als Basis für weitere Voten beansprucht, wird aber erst in 1, 9 explizit in die Argumentation mit einbezogen. 23 quid censes ... esse aliud ... nisi: nisi (statt quam) ist bei rhetorischen Fragen mit implizierter Negation seit dem Altlat. üblich (vgl. LHS 688; in Z. 27 steht dagegen quam). Die Sperrung quid ... aliud ist ungewöhnlich (ähnlich auch unten 1, 16 [7f.]: ne que inter vos aliud quaerendum). 23-30 beate vivere ... secundum id quod in homine optimum est vivere ... mens aut ratio dici potest: Die vorliegende Definition des Glücks wird von den verschiedenen Gesprächspartnern ab 1, 9 wiederholt aufgegriffen: 1, 9 (58-60 und 74-76) durch Trygetius; ebd. Z. 90-92 und 1, 11 (45-47) und 1, 23 (53f.) durch Licentius; 1, 24 (16-18 und 21f.) durch Augustin; vgl. auch Acad. 3, 27 (9f.): in mente arbitror esse summum hominis bonum. Zu Augustins Stellungnahme zur vorliegenden Glückskonzeption in retr. s.o. S. 69. Die Definition beruht auf der aristotelisch-stoischen Tradition, gemäss der der Intellekt das Wesen des Menschen ausmacht; so Arist. EN 10, 7. 1177b 34-1178a 2: ζην κατά τ ό κράτιστον τ ω ν έν α ύ τ φ · . . . δόξειε δ' α ν και είναι έκαστος τούτο; ebd. 1178a 5-8: τ ό γ α ρ οίκεΐον έκάστω τ η φύσει κράτιστον και ήδιστον έστιν έκάστω. και τ φ ά ν θ ρ ώ π ω δή ό κ α τ ά τ ο ν νουν βίος, ειπερ τ ο ύ τ ο μάλιστα ά ν θ ρ ω π ο ς . ούτος ά ρ α και εϋδαιμονέστατος; Protr. Β 59-62 D., bes. Β 61 D.: ούκοΰν ψ υ χ ή μεν
31 Immerhin definiert der Schüler Licentius in ord. 1, 28 die Ordnung auf der Basis des vorangehenden Gesprächs; Augustin greift die Definition in der Fortsetzung an.
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σ ώ μ α τ ο ς βέλτιον (άρχικώτερον γάρ), ψυχής δέ τ ό λόγου 2χον και διάνοιαν; Β 62 D.: μόνον ή μάλιστα ήμεΐς έσμεν τ ό μόριον τ ο ύ τ ο (vgl. die Paraphrase von Düring 235: "this is our very self'). Die Erkenntnis und Verwirklichung des eigentlichen Wesens des Menschen bedeutet Glück; vgl. Β 93-96 D., bes. Β 94 D.: ούκοΰν την εϋδαιμονίαν τιθέμεθα ήτοι φρόνησιν είναι. Zenon kondensiert seine von Aristoteles beeinflusste Auffassung des höchsten Guts in der Telos-Formel des 'Lebens gemäss dem Logos' (ομολογουμένως ζην, SVF 1, 179; dazu Long / Sedley 399/476; Steinmetz 526; B. Inwood in History of Hell. Philos. 684-687). Augustin rezipierte diese Bestimmung des Glücks wohl v.a. durch Cicero, z.B. Tusc. 5, 67: etenim, quae pars optuma est in homine, in ea situm esse necesse est illud, quod quaeris, optumum. quid est autem in homine sagaci ac bona mente melius? eius bono fruendum est igitur, si beati esse volumus', bonum autem mentis est virtus, ergo hac beatam vitam contineri necesse est, fin. 5,40: non necesse est ... animique optimam quamque partem carissimam (esse), in eaque expletione naturae summi bonifinem consistere, cum longe multumque praestet mens atque ratio? Von besonderem Interesse für die pädagogische Anlage des Schülergesprächs von Acad. 1 (dazu oben S. 10) ist die Frage, ob die vorliegende Glücksdefinition - die als philosophisches Grundwissen betrachtet werden darf - auch in Ciceros Hortensius stand (so Ohlmann 32 und 35f.; Alfaric 402 Anm. 1, beide hauptsächlich aufgrund von Fr. 115 G. = 102 S. = Aug. trin. 14, 26 [unten zu 1, 23 (50-57) zitiert]; ähnlich auch Hartlich 297f.).32 Neben Fr. 115 G. legt dies insbesondere der Vergleich mit dem gesamten Argumentationsverlauf in trin. 13 und 14 nahe. Dort diskutiert Augustin nämlich ebenfalls eine Konzeption des Glücks, die den Intellekt als 'Bestes im Menschen' ins Zentrum stellt, wobei der Kontext mehrere HortensiusZitate enthält (Fr. 58 G. = 69 S. = trin. 13, 7; 110 G. = 101 S. = trin. 14, 12; 115 G. = 102 S. = trin. 14, 26). Aufschlussreich ist, dass das Zitat beati certe (inquit) omnes esse volumus (Fr. 58 G. = 69 S.) in trin. 13, 7 - ähnlich wie in Acad. 1 - der Definition des Glücks im Sinne der stoischen Telos-Formel unmittelbar vorausgeht: itane falsum erit unde nec ipse, cum Academicis omnia dubia sint, Academicus Cicero dubitavit qui cum vellet in Hortensie dialogo ab aliqua re certa de qua nullus ambigeret sumere suae disputationis exordium, beati certe, inquit, omnes esse volumus? absit ut hoc falsum esse dicamus. quid igitur? an dicendum est etiamsi nihil sit 32 Ferner aufgrund von Hort. Fr. 110 G. = 101 S. und Fr. 84 G. = 84 S.; letzteres wird folgendermassen eingeleitet: vide quid iste (seil. Cicero in Hortensio) pro vivacitate mentis contra voluptatem corporis dicat (die Berührungspunkte mit der vorliegenden Stelle sind jedoch sehr vage). Ohlmanns Vorschlag wurde von keinem der Hortensius-Hetausgeber befolgt.
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aliud beate vivere quam secundum virtutem animi vivere, tarnen et qui hoc non vult beate vult vivere ?33 In trin. 14, 11 wird mens humana explizit als das 'Beste des Menschen' bezeichnet. Schliesslich wird in trin. 14, 26 = Hort. Fr. 115 G. = 102 S. die Vernunft gleich wie in Acad. 1 mit der philosophischen Suche und dem Aufstieg in den Himmel zusammengebracht (s.u. zu 1, 23 [50-57]; vgl. Grilli 151f.). Die Parallelität des Argumentationsgangs in trin. 13 und 14 und in Acad. 1 ('Alle wollen glücklich sein' - Telos-Formel - Diskussion von Weisheit und Wissen - ratio als Vollzug der philosophischen Suche, deren Vollendung nach dem Tod erwartet wird) sowie die Bezugnahmen beider Texte auf den Hortensius lassen tatsächlich vermuten, dass die Telos-Formel auch im Hortensius enthalten war (vgl. auch oben S. 24). 24f. temere ... verba non fundam: Zur Gefahr der Voreiligkeit (temeritas, προπετεια) bei der Zustimmung zu einer Aussage vgl. S VF 2, 131; 2, 993; 3, 548; Cie. ac. 1,45; 2, 66 (vgl. Reid z.St.); Aug. Acad. 2, 19 (77); u.ö.; zur 'Zustimmung' s.u. zu 1, 7 (21-23). Die Schüler haben es sich als Regel zu eigen gemacht, Voreiligkeit zu vermeiden; vgl. 1, 6 (48); 1, 8 (38 und 46). Besonders den akademischen Skeptikern wird aufgrund ihrer Zurückhaltung des Urteils (s.u. zu 1, 7 [21-23]) eine vorsichtige Haltung attestiert; vgl. Acad. 2, 20 (2): Academicorum cautio; 3, 16 (63-65): Académicos ... modestos cautosque homines videri. 25 definiendum mihi abs te: abs mit Abi. statt Dat. auctoris beim Gerundi vum wegen des Dat. commodi; vgl. aber die gleiche Konstruktion auch ohne Dat. commodi (o.ä.) unten 1, 22 (19f.): quae a sapiente quaerendae sunt. - Forderung an Augustin, seine erste Definition durch eine weitere zu präzisieren (dies geschieht in Z. 26-28; s.u. zu Z. 29). 26 quis ... dubitaverit: Zu dubitare mit Infinitiv in der Bedeutung 'zweifeln' in einer Frage, die eine Verneinung impliziert, s.o. zu Z. 2f. Zum Potentialis in rhetorischen Fragen vgl. KS 2, 1, 178. 26f. nihil esse aliud ... quam: In rhetorischen Fragen mit implizierter Verneinung (wie hier) ist seit dem Altlat. nisi üblicher als quam (so oben in Z. 23; s. z.St.). 27-30 earn partem animi... haec autem ... mens aut ratio dici potest: animus bedeutet entweder 'Seele' (so hier: als Oberbegriff, der die verschiedenen Seelenteile oder -vermögen umfasst; dafür kann auch anima stehen, so in 1,9 [69]) oder aber 'Intellekt' (als rationaler Seelenteil, so z.B. unten 1, 20 [32]). - Die beiden Begriffe mens und ratio werden oft gemeinsam für den rationalen Seelenteil verwendet (z.B. Cie. leg. 1, 19; 2, 8; 33 Augustin beruft sich für die Telos-Formel auf Zenon (trin. 13, 8), vielleicht aufgrund von Cie. ac. 1, 35: Zeno ... qui omnia quae[que] ad beatam vitam pertinerent in una virtute poneref, 1, 38: hic (seil. Zeno) omnis (seil, virtutes) in rationeponebat.
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fin. 5, 40; Tuse. 5, 70); Bedeutungsnuancen dürften hier kaum zu unterscheiden sein. In den Wiederholungen der Definition im Verlauf von Acad. 1 wird viermal ratio aufgenommen (1, 9 [91 f.]: secundum earn partem animi vivit, quam regnare ceteris convenit, et haec pars ratio dicitur, 1, 10 [1]: secundum rationem\ 1, 11 [45f.]: dantes... operam rationi, hoc est secundum divinam illam partem animi viventes\ 1, 24 [21f.]: secundum rationem). Zweimal wird der 'herrschende Teil' genannt (1, 9 [Z. 59f.: earn partem animi..., quam ceteris convenit imperare; ebd. Ζ. 75f.: earn partem animi..., quam dominari in homine fas est])\ einmal heisst es secundum legem mentis (1,24 [17]). Der rationale Seelenteil gilt im Anschluss an Piaton und Aristoteles als göttlich und daher unsterblich; vgl. Cie. fin. 5, 38; 5, 57: optimaque parte hominis, quae in nobis divina ducenda est, ingenii et mentis acie fruuntur, nat. deor. 2, 34: ratio recta constansque, quae supra hominem putanda est deoque tribuenda id est mundo; Sen. epist. 76, 9: in homine quid est optimum? ratio: hac antecedit ammalia, deos sequitur (vgl. Hadot 99-103). Augustin teilt in den frühen Schriften die Annahme einer göttlichen Instanz im Menschen, so Acad. 1, 1 (7): divinum animum (s.o. zu 1, 1 [7f.]); 1, 11 (46): secundum divinam illam partem animi viventes.34 Der höchste Seelenteil wird als Verbindungsglied zu Gott verstanden, das zum Wesen des Menschen gehört (später distanziert sich Augustin von dieser Auffassung; dazu oben S. 69f.). Im Allgemeinen geht Augustin von einer Zweiteilung der Seele aus. Diese Dichotomie scheint er selber als platonisch zu verstehen, obwohl Piaton von drei Seelenteilen ausgeht (vgl. O'Daly, Mind 13; dens., Anima 316 und 322324). Die Zweiteilung steht in Einklang mit der aristotelisch-stoischen Tradition; vgl. Arist. Protr. Β 23 und Β 59f. D.; Cie. Tusc. 2, 47: est enim animus in partis tributus duas, quarum altera rationis est partieeps, altera expers-, ac. 1, 39; u.ö. 21 f . cui dominanti optemperare: Die Relation der verschiedenen Seelenteile zueinander wird als ein Verhältnis zwischen Herrscher und Beherrschten verstanden (so auch unten 1, 9 [75f. und 91f.]). Dies geht auf Piaton zurück (vgl. PI. Phdr. 247c 7f.; Ti. 70a 5) und wurde von der Stoa aufgenommen; vgl. Cie. nat. deor. 2, 29: omnem enim naturam necesse est... habere aliquem in se prineipatum, ut in homine mentem ...; prineipatum autem id dico quod Graeci ήγεμονικόν vocanf, rep. 1, 60: illud vides, si in animis hominum regale imperium sit, unius fore dominatum, consili scilicet (ea est enim animi pars optima), Consilio autem dominante nullum esse libidinibus ... 34 Die Vermittlung durch Cicero ist wahrscheinlich; vgl. Duchrow 15 Anm. 48 gegen Holte 310 Anm. 2, der die Annahme eines göttlichen Seelenteils auf alexandrinischen Einfluss zurückführt.
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locum; Tuse. 2, 51: is igitur sive ea ratio, quae erit in eo perfecta atque absoluta, sic itti parti imperabit inferiori, ut iustus parens probis filiis; bei Aug. vgl. ord. 2, 6 (63-68); lib. arb. 1, 67; u.ö. 28 quaeque: quisque tritt seit dem Altlatein bisweilen in der Bedeutung von quisquís bzw. quicumque auf; diese Verwendung von quisque als verallgemeinerndem Relativpron. wird ab Apul. üblich (vgl. KS 2, 2, 197; LHS 201 f.; Schrijnen-Mohrmann, Studien zur Syntax der Briefe des hl. Cyprian [Nijmegen 1936] 1, 160f.). 29 ne aliam postules definitionem: Augustin kommt einer möglichen dritten Forderung nach einer Definition zuvor (vgl. Trygetius' erste und zweite Forderung in Z. 21 f. bzw. 25). Trygetius weist in 1, 15 (43-46) selber auf das Problem des infiniten Regresses beim Definieren hin, das entsteht, wenn die Begriffe des Definiens jeweils ihrerseits wieder definiert werden sollen (s. z.St.). 30f. quod si tibi non videtur, quaere ... vel... vel ...: Wenn Trygetius nicht einverstanden ist, muss er eigene Definitionen vorbringen (denn für jeden Diskussionsschritt wird vorausgesetzt, dass sich alle einig werden; s.o. zu Z. 4). Die Alternative (vel... vel) bezieht sich auf Trygetius' Forderungen nach den Definitionen des glücklichen Lebens (Z. 21 f.) bzw. des Besten im Menschen (Z. 25).
1, 6: Formulierung der beiden Grundpositionen In der Folge werden einander zwei mögliche Relationen zwischen Wahrheit und Glück gegenübergestellt: einerseits die Wahrheitserkenntnis als Bedingung des Glücks (dogmatische Position, von Trygetius vertreten), andererseits die Wahrheits s u c h e als Bedingung des Glücks (skeptische Position, von Licentius vertreten). Die stärkere Bedingung (Wahrheitserkenntnis) schliesst die schwächere (Wahrheitssuche) mit ein. 32-34 quid ergo? ... non invento vero beate posse vivi, si tantum quaeratur: Präzisierung der Fragestellung aufgrund des bisher Gesagten: Die Frage von 1, 5 (5f.), ob Glück auch ohne Wahrheitserkenntnis möglich sei, wird mit Licentius' Bedingung aus Z. 17f. (si verum quaeramus) kombiniert. - Die vorliegende Stelle wurde aufgrund ihrer inhaltlichen Nähe zum CiceroReferat in 1, 7 (16-23) (Wahrheitssuche als Glücksbedingung) Cicero zugeschrieben (Hort. Test. 194d Hagendahl = Fr. 91A 3 S.). Als selbständiges Fragment kann sie jedoch nicht gelten (s.o. S. 22). 32 ad propositum: Vgl. Acad. 2, 9 (61): nunc ad propositum veniamus', Cie. Tusc. 1, 23; u.ö. propositum ist rhetorischer Terminus technicus für das 'Hauptthema' (θεσις, im Gegensatz zum 'Spezialthema': ϋπόθεσις, causa)
1,6: Formulierung der beiden Grundpositionen
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bzw. für die 'unbegrenzte' oder 'allgemeine Untersuchung' (quaestio infinita); vgl. Cie. top. 79: quaestionum duo genera sunt: alterum infinitum, definitum alterum. definitum est quod ύπόθεσιυ Graeci, nos causam; infinitam quod θεσιν illi appellant, nos propositum possumus nominare', orat. 45f.; Aphth. Prog. 13. Aufgrund ihrer Loslösung von konkreten Umständen werden besonders philosophische Fragen als proposita bezeichnet; vgl. Quint, inst. 3, 5, 5: infinitae (seil, quaestiones) sunt quae remotis personis et temporibus et locis ceterisque similibus in utramque partem tractantur, quod Graeci θέσιν dicunt, Cicero propositum, ... alii quaestiones ρ hilo so ρ ho convenientis (vgl. Lausberg 62f. §§ 69f.). 34 repeto ... sententiam illam meam: Als Antwort auf Augustins präzisierte Frage verweist Trygetius auf sein erstes Votum von 1, 5 (3) (s. z.St.). 35 vos... quid opinamini?: S.o. zu Z. 4. 36f. maiores nostri, quos sapientes beatosque aeeepimus, eo solo, quod verum quaerebant: Licentius bekräftigt seine schon in 1, 5 (17f.) geäusserte Meinung, indem er dafür die 'Vorfahren' als Gewährsleute beansprucht. Diese werden nicht lediglich als Verkünder einer Lehrmeinung eingeführt, sondern vielmehr als Beispielfiguren, die selber verwirklicht haben, was sie lehren (quos sapientes beatosque aeeepimus). Licentius behält diese Anschaulichkeit der Argumentation in der Fortsetzung bei: Ab § 7 wird die Frage, wie Glück erreicht werden kann, anhand der Figur des beatus bzw. sapiens erörtert (vgl. 1, 7 [3f.]); in §§ 17-23 wird für den sapiens das Beispiel eines den Gesprächsteilnehmern bekannten Wahrsagers angeführt (s.u. zu 1, 11 [41 f.] und zu 1, 12 [71-77]; auch S. 147). Es ist kaum Zufall, dass diejenige Dialogfigur, die die skeptische Haltung vertritt, ihre Aussagen eher mit Beispielen belegt als Beweisgänge formuliert, die auf bestimmten Voraussetzungen beruhen. Dieses Vorgehen ist insbesondere für die Pyrrhoneer bezeugt, die als Beispiel des beatus ihren Schulgründer anführten (vgl. G. Striker, Happiness as Tranquillity, Monist 73 [1990] 102). Während Licentius' Gewährsleute hier noch anonym bleiben, nennt er im folgenden Paragraphen als Vertreter seiner Position Karneades und Cicero (1, 7 [10-13]). Die vorliegende Auffassung von Glück bzw. Weisheit wird auch unten 1, 7 (16-27); 2, 11 (5-7); 2, 26 (32f.); u.ö. genannt; zu ihrer Tradition s.u. S. 90f. - sapientes beatosque: Glück und Weisheit bedingen einander gegenseitig, und die entsprechenden Begriffe sind v.a. in der stoischen Tradition praktisch austauschbar; vgl. unten 1, 7 (4f.): beatum ... volumus esse ... sapientem-, 1, 24 (6): beatum solum necesse est esse sapientem; beata ν. 14 (189): at nemo sapiens nisi beatus-, Cie. fin. 3, 26 = SVF 3, 582: omnes sapientes semperfeliciter, absolute, fortunate vivere·, SVF 3, 583-588; u.ö.
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37f. bene beateque vixerunt: Ethische Vollkommenheit (darauf zielt bene ab) ist eine Voraussetzung des Glücks. Diese Relation drückt sich in der (in ähnlichen Formulierungen stets gleichen) Reihenfolge der beiden durch Alliteration verbundenen Adverbien (bzw. Adjektive) aus; vgl. ord. 2, 52 (5f.): ut ea proveniant, quae nos bonos faciant ac beatos\ vera rei. 1: vitae bonae ac beatae via; Cie. o f f . 2, 6: quod spectet et valeat ad bene beateque vivendum. 38f. ago gratias ... invidere iam coeperam: Augustins Dank für die Rolle dès Schiedsrichters ist ein ironisches Understatement, da er sich als Lehrer durchaus nicht vor der Aufgabe fürchten müsste, eine Position zu verteidigen, wie Acad. 2 und 3 zeigen. Auch dass Augustin Alypius beneide, muss als Ironie gelesen werden, da diese Aussage in Widerspruch zu Augustins Autorität als Lehrer und Gesprächsleiter steht (zur vorteilhaften Lage desjenigen, der in der Auseinandersetzung keine Position verteidigen muss, vgl. Trygetius in Acad. 2, 20 [17f.]: an in quaestione ista invidetis securitati meae?\ auch Cie. nat. deor. 1, 17). Die Ironie gehört zu den Stilelementen, die die urbane Atmosphäre des literarischen Dialogs charakterisieren. In Acad. 1 handelt es sich dabei stets um Rhetorische Ironie (zu diesem Begriff sowie zu den verschiedenen Ironie-Signalen wie Understatement, Inkongruenz, Registerwechsel etc. vgl. R. Nünlist, Rhetorische Ironie - Dramatische Ironie. Definitions- und Interpretationsprobleme, in: J.P. Schwindt (Hg.), Tradition und Innovation. Poetische Verfahren im Spannungsfeld Klassischer und Neuerer Literatur und Literaturwissenschaft [München/Leipzig 2000] 6787). Augustins Einwurf betont die Schwierigkeit des vorliegenden Problems für die Schüler. - cum Alypio me iudicem fecistis: Die Rolle des Schiedsrichters ist in Z. 7-12 Alypius zugeteilt worden, Augustin hat dieses Amt dagegen nicht explizit erhalten. Dass er es für sich beanspruchen kann, ergibt sich aber ohne Zwang aus dem Gesprächsverlauf: Augustin hat von Anfang an selber keine Position bezogen, sondern vielmehr Fragen gestellt, die Licentius und Trygetius zu den beiden einander entgegengesetzten Standpunkten führten. Als "director" des Gesprächs (O'Meara, Hist. 166f.), der sich nicht direkt an der Auseinandersetzung beteiligt, ist er somit auch für das Amt des Schiedsrichters die ideale Figur, zumal Alypius die Szene in Kürze verlassen wird (1, 8 [42-44] [Alypius]: pro meo quoque muñere geminatam sibi potestatem partieeps me cum iudicii non renuet [seil. Augustinus] usque in reditum meum; vgl. 1, 15 [53]; 1, 16 [3-5]). 39-41 quoniam igitur ... videtur beatam vitam ... posse contingere: Diese Stelle wurde aufgrund der inhaltlichen Nähe zumindest von Licentius' Position (Wahrheitssuche als Glücksbedingung) zum Cicero-Referat in 1, 7 (16-23) ebenfalls Cicero zugeschrieben (Hort. Test. 194e Hagendahl = Fr.
1, 6: Formulierung der beiden Grundpositionen
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91A 4 S.). Für die Auffassung der Stelle (bzw. eines Teils davon) als mehr oder weniger wörtliche Übernahme aus Cicero spricht möglicherweise die Tatsache, dass Licentius die vorliegende Formulierung seiner Position durch Augustin zweimal praktisch wörtlich wiederholt, so in 1, 7 (26f.): beatam vitam etiam per se ipsa investigatione verìtatis posse contingere', 1, 11 (49f.): potest igitur sola inquisitione veritatis ... beata vita contingere (diese beiden Stellen wurden ihrerseits ebenfalls dem Hortensius zugeschrieben; s.u. zu 1, 7 [24-27] bzw. 1, 11 [49f.]). Die sich wiederholende stereotype Formulierung, verbunden mit der Nähe zum Cicero-Referat in § 7, bedeutet zwar nicht zwingend, dass es sich um ein 'Versatzstück' aus einem fremden Text handelt; denkbar ist aber, dass es sich um einen Cicero zugeschriebenen Lehr- oder Merksatz handelt (placitum; s.u. zu 1, 7 [16-18]); dazu A. Laks (oben S. 21 Anm. 76). Zu allgemeinen Vorbehalten gegenüber der Zuweisung s. jedoch oben S. 22. 40f. alteri ... sola investigatione veritatis, alteri non nisi inventione: Augustin formuliert die beiden Grundpositionen, die durch die Anapher alteri - alteri und die Alliteration der beiden antithetischen Begriffe investigatio und inventio korreliert sind. Die Wahrheitsfindung schliesst als stärkere Glücksbedingung die Wahrheitssuche als schwächere Bedingung mit ein. Alypius gibt Licentius' Position in Acad. 2, 11 (5-7) folgendermassen wieder: sapientisque totum munus, ut abs te quoque, Licenti, ilio sermone (seil. Acad. 1) dissertum est, in conquisitione veri explicari; vgl. Acad. 2, 16 (5f.). Augustin weist Licentius' Position in 1, 24 (25f.) der skeptischen Akademie zu: Academici, quorum tueris sententiam. Licentius vertritt die Position der Skeptiker auch in beata ν. (vgl. 14f.; 20). 42f. Navigius ... transiré: Dies bezieht sich auf 1, 5 (19-21). 44 patroni: Vgl. Acad. 2, 18 (59): patronus Academiae; 2, 29 (14f.). Auch Cicero verwendet patronus oft für den Vertreter einer philosophischen Position, z.B. Lael. 25; nat. deor. 1, 6; div. 2, 150. Zum jurist. Vokabular für die Dialogsituation s.o. zu 1, 5 (7). 44f. diligenti discussióne digníssima: Nachdruck durch Alliteration und Cursus tardus, discussio bedeutet ursprünglich 'Beben', 'Erschütterung', die Bedeutung 'Untersuchung' ist erst ab dem 4. Jh. belegt (vgl. TLL 5, 1, 1371, 24ff.; s.u. zu 1, 8 [33] zu discutere), diligens wird häufig als Attribut der Wahrheitssuche verwendet; vgl. 1, 7 (21): diligentissimam inquisitionem veritatis·, 1, 14 (36): diligens inquisitio veritatis; 1, 23 (43): diligens inquisitio; 1, 24 (20): inquisitorem diligentissimum veritatis; 1, 25 (48): diligenter quaesita ventate; 2, 1 (12); 3, 16 (62f.): requiram diligentius; u.ö.; vgl. diligenter quaerere u.ä. (allerdings nicht in Verbindung mit der Wahrheit als Objekt) bei Cie. Verr. 1, 29; Plane. 60; leg. 1,4; u.ö.
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45f. si res magna est ... magnos viros desiderati Licentius versucht Augustine Forderang mit dem Einwand begegnen, dass eine 'grosse / schwierige Angelegenheit' auch 'grosse / bedeutende Männer' benötige (womit er selber - schon aufgrund seines jungen Alters - folglich ausscheide). Das Wortspiel mit magnus wird unten in Z. 49f. fortgesetzt (in dial. 8 benutzt Augustin übrigens das Wort magnus, um das Phänomen der Mehrdeutigkeit zu illustrieren). 46f. noli quaerere... in hac villa, quod ubivis gentium reperire difficile est: Mit einem Argument a fortiori weist Augustin Licentius' Einwand ab ('Such nicht ausgerechnet in diesem Landhaus, was auf der g a n z e n W e l t schwierig zu finden ist!'). 48 non temere: S.o. zu 1, 5 (24). 48f. cur ... et qua tibi ratióne videátur: Cursus trispondaicus. Nachdem die einander gegenüberstehenden Positionen formuliert sind (Z. 40f.), beginnt erst jetzt die eigentliche Herausforderung für die Schüler, nämlich die Aufgabe, ihre Standpunkte rational zu begründen (vgl. unten zu 1, 16 [7-11]). 49f. maximae res cum a parvis quaeruntur,... soient efïïcere: Cursus tardus. Nachdem 'grosse' Männer schwierig zu finden seien (Z. 45-47), bringt Augustin vor, dass junge Leute durch die Behandlung schwieriger Probleme reifen (zur spielerischen Gegenüberstellung gross / bedeutend / schwierig vs. klein / jung s. auch oben Z. 45f.). Zum Aspekt der Übung durch das Gespräch vgl. oben S. 9-13.35
1,7: Cicero als Licentius' Gewährsmann Licentius' Gewährsmann für die Position, dass die Wahrheitssuche hinreichende Bedingung für Glück sei, ist Cicero. Dafür gibt es gute Gründe: Die Wahrheitssuche ist gemäss Cicero Inhalt und Zweck der philosophischen Tätigkeit; ja Philosophie i s t Wahrheitssuche.36 Mit dieser Auffassung stellt 35 Ein ähnlicher Gedanke begegnet im Prolog von Schillers Wallenstein (V. 57-60): "Denn nur der grosse Gegenstand vermag / Den tiefen Grund der Menschheit aufzuregen, / Im engen Kreis verengert sich der Sinn, / Es wächst der Mensch mit seinen grössern Zwecken" (vgl. Voss 338 Anm. 13). 36 Cie. ac. 2, 60: dicunt (seil. Academici) veri inveniundi causa contra omnia dici oportere et pro omnibus', 2, 65: nisi ineptum putarem ... iurarem per Iovem deosque penates me et ardere studio veri reperiendi et ea sentire quae dicerem", 2, 76: Arcesilan vero non obtrectandi causa cum Zenone pugnavisse, sed verum invenire voluisse sic intellegitur, fin. 1 , 3 : nec modus est ullus investigandi veri, nisi inveneris, et quaerendi defatigatio turpis est; Tusc. 3, 46: quid enim laboro, nisi ut Veritas in omni quaestione explicetur, rep. 3, 8; nat. deor. 1, 11; o f f . 1, 13; u.ö. (vgl. Fuhrer, Kriterium 257; Tarrant 26; Burkert 187).
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sich Cicero einerseits in die Tradition von Piaton und Aristoteles. 37 Aristoteles fordert vor allem im Protreptikos, seiner Werbeschrift für die Philosophie, explizit zur Wahrheitssuche auf; diese wird als 'eigentlichste Tätigkeit' ( κ υ ρ ι ώ τ α τ ο ν I p y o v ) des Intellekts bezeichnet. 38 Andererseits knüpft Cicero mit der Aufforderung zur Wahrheitssuche insbesondere an die philonisch-metrodorische Skepsis an. 39 Das Cicero-Referat in Acad. 1, 7 geht aller Wahrscheinlichkeit nach auf den Hortensius zurück. 40 Insofern spiegelt sich darin die Tradition der protreptikoi logoi. Es verbindet die Kernthese der akademischen Skepsis, dass v o m Menschen nichts erfasst werden kann, und das ebenfalls skeptische Gebot, die Zustimmung zurückzuhalten, mit der platonisch-aristotelischen Forderung der Wahrheitssuche. 41
37 Vgl. Pl. Grg. 505e 4f.: χρήναι π ά ν τ α ; ημάς φιλονίκως ϋχειυ πρός τ ό είδέναι τ ο αληθές; Phlb. 58d 4f.: της ψυχής ήμών Βύναμις èpâv τε του άληθοϋς και π ά ν τ α 'ένεκα τούτου πράττειν; Prt. 333b 7f.: μή άποκάμωμεν άλλά κα\ τ α λοιπά διασκεψώμεθα; Phd. 66a 5-6; Ερ. 7. 344b (von dieser Stelle sind Inhalt und Ausdruckweise von Cie. ac. 2, 7 geprägt: verum invenire sine ulla contentione volumus idque summa cura studioque conquirimus ... neque nostrae disputationes quiequam aliud agunt, nisi ut in utramque partem dicendo et audiendo eliciant et tamquam exprimant aliquid, quod aut verum sit aut ad id quam proxime accédai). Zum Einfluss Piatons vgl. Görler 929f.; Gawlick/Görler 1024f.; 1090-1092; Burkert 187; Düring 238. 38 Protr. Β 65 D.: εϊ μεν οΰν άπλοϋν τι ζφόν έστιν ό άνθρωπος και κατά λόγου καΐ νοϋν τέτακται αϋτου ή οΰσία, οϋκ άλλο έστ\ν αύτου ϋργον ή μόνη ή άκριβεστάτη ά λ ή θ ε ι α και τ ό περί τ ω ν όντων ά λ η θ ε ύ ε ι ν εϊ δ' έστιν έκ πλειόνων δυνάμεων συμπεφυκός, δήλόν έστιν ώς άφ' ou πλείω πέφυκεν άποτελεΐσθαι, άει τούτων τ ό βέλτιστον έργον έστίν, οίον ιατρικού ύγίεια και κυβερνήτου σωτηρία, βέλτιον δ'ούδέν έχομεν λέγειν Ιργον της διανοίας ή του διανοουμένου της ψυχής ήμών α λ η θ ε ί α ς , ά λ ή θ ε ι α άρα τ ό κυριώτατον έργον έστί τοΰ μορίου τούτου της ψυχής; Β 103 D.: ... κσταγελαστον ήδη τ ό μή π ά ν τ α πόνον πονεΐν κα\ πάσαν σπουδήν σπουδάζειν οπως κτήσηται ταύτην τήν φρόνησιν ήτις γνώσεται τήν α λ ή θ ε ι α ν ; vgl. EE 1, 4. 1215b If.: ό μέν φιλόσοφος (seil, βίος) βούλεται περί φρόνησιν είναι και τήν θεωρίαν τήν περ'ι τήν ά λ ή θ ε ι α ν (vgl. Düring 275). 39 Vgl. Grilli 150; Schäublin et al. 195 Anm. 2; zu Philon v. Larissa vgl. Brittain passim. 40 S.u. zu Ζ. 16-23 und 19-23. 41 Durch die Aufforderung zur Wahrheitssuche scheint sich Cicero von der rigoroseren Skepsis in der Tradition des Arkesilaos abzuheben, in der die Elenktik vorwiegt (vgl. Görler 805f.; 878). Doch schon in Bezug auf Arkesilaos lässt sich festhalten: "la ricerca della verità, che non si raggiunge mai, finisce per identificarsi con il processo della ricerca che è costituito dall'epoche" (A.M. Ioppolo, Opinione e scienza. Il dibattito tra Stoici e Acadmici nel III e II secolo a.C., Elenchos 12 [Napoli 1986] 160). Zur Rolle der Wahrheitssuche im Hortensius vgl. Testard 1, 27; Görler, Cicero 176.
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2 ut adversum invicem disputemus, quod te utiliter velie confido: adversum invicem (für adversum se bzw. nos invicem) ist erst spät belegt (vgl. LHS 177; ähnlich auch Acad. 3, 6 [74]: ad invicem). - Zur Gerichtssituation s.o. zu 1, 5 (7); zum 'Nutzen', der in der dialektischen Übung besteht, vgl. oben S. 9-13. 3f. cur beatus esse non possit... minime inveniat: Licentius eröffnet die Auseinandersetzung in der Rolle des Fragenden und stellt seine Position (s.o. 1, 5 [17f.] und 1, 6 [35-38]) zur Diskussion (s.o. S. 5). 4-7 quia beatum ... video: Trygetius' erstes Gegenargument in Form eines Syllogismus. Die erste Prämisse ist durch die 1. Pers. Plur. volumus als allgemeingültig formuliert. Der Syllogismus lautet: Glücklich ist der vollkommene Weise (4f.). Wer sucht, ist nicht vollkommen (5f.). Also ist er nicht glücklich (6f.). Von Licentius' Frage (Z. 3f.) direkt dazu aufgefordert, konzentriert sich Trygetius darauf, die Mängel der gegnerischen Position aufzudecken; d.h. er geht elenktisch vor (vgl. Graeser 254). 4f. quia beatum ... perfectum in omnibus sapientem: Erste Prämisse. Trygetius greift entgegen seiner eigenen Ankündigung, er wolle aus Augustine Glücksdefinition ableiten, was er zu antworten habe (1, 5 [22]), vorerst nicht auf diese Definition zurück, die er durchaus akzeptiert hat. Vielmehr formuliert er die Bestimmung des Glücks neu: Glücklich ist der perfekte Weise (vgl. Cancik / Cancik-Lindemaier 212; J. Doignon, «Vie heureuse» et perfection, REAug 41 [1995] 309-314). Der stoische Weise ist durch den Besitz von virtus charakterisiert; diese wird mit perfecta ratio gleichgesetzt (z.B. fin. 4, 35; Sen. epist. 76, 16). Aus dieser Vorstellung heraus erklärt sich die Beschreibung des Weisen als vollkommen und autark (z.B. beata ν. 25 = SVF 3, 572). Der enge Zusammenhang zwischen Glück und Weisheit ist von Licentius in 1, 6 (36f.) nur nebenbei erwähnt worden (s. z.St.). In der Fortsetzung wird Weisheit zum zentralen Gesprächsthema (1, 13-1,23). 5f. qui autem adhuc quaerit, perfectus non est: Zweite Prämisse. Ihr Inhalt wird unten in 1, 9 (63) wiederholt und erst dort diskutiert. Die Forderung, dass der Weise vollendet sein müsse (perfectum, Z. 5), ermöglicht Trygetius die Ablehnung der skeptischen Auffassung, dass durch die blosse Wahrheitssuche Weisheit erlangt werde, da die Suche als stets unvollendeter Vorgang verstanden werden kann, der gemäss Trygetius erst im Finden vollendet wird (1, 9 [63; 71; 79; 93]). Die Vorläufigkeit der Suche wird durch das Adv. adhuc ('noch') betont. Aus der vorliegenden Argumentation folgt die Notwendigkeit, sich über den neuen Begriff perfectum zu verständigen. Dies geschieht in 1,9, wo der hier einsetzende Argumentationsstrang mit der
1,7: Cicero als Gewährsmann
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Glücksdefinition aus 1, 5 verbunden wird. - Ähnlich wie hier Trygetius argumentiert Augustin in beata ν. (s.o. S. 68). 7f. potest apud te vivere, inquit, auctoritas maiorum?: 'Kann bei dir die Autorität der Vorfahren Bestand haben?'. Das umgangssprachliche apud te in der Bedeutung 'bei dir' ~ 'für dich', 'deiner Ansicht nach' begegnet auch unten Z. 15 (vgl. TLL 2, 342, 38ff.; KS 2, 1, 525; LHS 224). Die Junktur vivit auctoritas (o.ä.) ist bei Cicero mehrfach belegt (Att. 10, 1, 1: vivit auctoritas; Phil. 2, 12: vivet auctoritas; Balb. 49). Die Lesart vivere H Μ Ρ R sowie Migne, Knöll und Green ist somit vincere S Τ vorzuziehen; die Konjektur vigere (H. Hohensee, The Augustinian Concept of Authority [New York 1954] 38) ist überflüssig (vgl. Lütcke, Auct. 1113 Anm. 550; Hensellek 161f. § 81). Licentius geht nicht auf Trygetius' Einwand (Z. 4-7) ein, sondern fragt diesen, ob er die Autorität der Vorfahren akzeptiere. Er will sich also in der Folge für seine Position auf eine philosophische Autorität berufen - jetzt expliziter als in 1, 6 (36-38) - und versucht sicherzustellen, dass Trygetius mit diesem Vorgehen grundsätzlich einverstanden ist. Hier und in der anschliessenden Darstellung von Ciceros Lehrmeinung in Z. 16-23 geht er auf Trygetius' Bestimmung des Glücklichen als perfectus sapiens nur am Rande ein (s.u. zu Z. 25); erst in 1,9 (64ff.) äussert er sich explizit dazu. 8 non omnium: Trygetius akzeptiert Licentius' Vorgehen nur unter dem entscheidenden Vorbehalt, dass nicht alle Vorfahren als Autoritäten gelten können. Er bemüht sich auch im weiteren Gesprächsverlauf von Acad. 1 um Unvoreingenommenheit und Selbständigkeit (s.u. zu 1, 9 [61-63]). 9f. qui sapientes fuerunt: Trygetius nennt Weisheit als Autoritäts-Kriterium (darin sind Wissen und Tugend, also Kompetenz und richtige Lebensführung zusammengefasst; zu diesen Autoritäts-Kriterien vgl. Lütcke, Auct. I 166f.; s. auch oben zu Z. 4f.). 10-12 Carneades,... qui fuerit: = Karneades F 14b Mette. - Karneades v. Kyrene (wahrsch. 214/213-129/128) wird in Acad. 3, 40 (17f.) als Gründer und Schulleiter der 'dritten Akademie' genannt (dazu T. Dorandi, Ricerche sulla cronologia dei filosofi ellenistici [Stuttgart 1991] 11-16; Görler 851855). Während Licentius Karneades hier - ebenso wie Augustin in Acad. 2, 11 (4) - als Gewährsmann für die skeptische Position anführen will, greift er ihn in 2, 27 (15) an. In 3, 22f. folgt eine längere Auseinandersetzung Augustine mit Karneades, dem Hauptgegner auf skeptischer Seite (vgl. 3, 39 [69f.] mit Fuhrer z.St.). Da das philosophische Wissen der Schüler hauptsächlich auf Ciceros Hortensius zu beruhen scheint (dazu s.o. S. 16f.) und sich Licentius gleich anschliessend für seine Position nicht mehr auf Karneades, sondern auf Cicero beruft (s.u. zu Z. 16-23), lässt die vorliegende Erwähnung vermuten, dass
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Karneades auch bereits im Hortensius als Ciceros Gewährsmann eingeführt worden war (wie auch in anderen Schriften Ciceros [s.u. zu Z. 12]; vgl. Straume-Zimmermann 196). Dass Cicero im Hortensius eine Autorität für seine eigene Position anführte, ist umso wahrscheinlicher, als dieses Werk gemäss Aug. conf. 3, 8 auch einen doxographischen Abschnitt über die philosophischen Gegner enthielt. In den erhaltenen Fragmenten des Hortensius wird Karneades allerdings nicht erwähnt, und es bleibt bei der blossen Vermutung (s. auch oben S. 20f.). - Da Licentius neben Cicero immerhin auch Karneades kennt und als möglichen Gewährsmann anführt, behauptet Metz 26 wohl nicht ganz zu Recht, Licentius wisse selber nicht, dass sich seine Position der akademischen Skepsis zuodnen lässt (so Augustin unten 1, 24 [25f.]). 11 f. ego ... Graecus non sum; nescio ... qui fuerit: Diese demonstrative Einschränkung des Diskussionsrahmens auf den römischen Bereich lässt sich nicht nur als Hinweis auf mangelnde Kenntnisse des Schülers in Philosophie und Griechisch bzw. allgemeiner auf ein tiefes Bildungsniveau in der Spätantike lesen (wovon z.B. Marrou 27-46/25-41 ausgeht), sondern auch als Ausdruck einer seit Cato und Cicero zum Topos gewordenen Griechenfeindlichkeit (so Acad. 2, 27 [15]: Graeca pestis; 3, 12 [17]: o Graeca industria; s.u. zu Ζ. 29-31). 12f. quid, ... , de ilio nostro Cicerone quid tandem existimas?: Die Frage wirkt durch die Anapher eindringlich und ungeduldig: Licentius scheint - mit Recht - zu hoffen, Trygetius werde zugestehen, dass Cicero weise sei. Erste namentliche Nennung Ciceros im Dialogteil (Z. 12-27 = Test. 194a Hagendahl; im Proömium vgl. 1, 4 [97]). Der Tonfall ist respektvoll; Cicero wird als bekannte und akzeptierte Autorität aus dem eigenen, d.h. römischen Bereich eingeführt; ähnlich unten Z. 16f.: Ciceroni nostro; 2, 24 (5f.): auctoritate illa Tulliana-, 3, 14 (2f.); 3, 15 (28-32); 3, 41 (19); 3,43 (4f.) (vgl. Testard 1, 231-234 und 251-254). In seinen späteren Werken ist Augustin im allgemeinen zurückhaltender gegenüber paganen Philosophen (vgl. Lütcke, Auct. I 111). Licentius führt Cicero als römischen Stellvertreter des Karneades ein; vgl. auch Acad. 2, 1 (5f.): congrua illi tempori ratio (seil. Academicorum) simul cum ipso tempore et cum ipsius Carneadis Ciceronisque corporibus sepulta foret. Cicero tritt in mehreren seiner Dialoge als Anwalt der akademischen Skepsis auf: ac. 2, 64ff.; 1, 43ff.; fin. 2; 4 und 5; div. 2; fat. (vgl. Burkert 181 Anm. 20). 13 cum diu taeuisset: Die Gesprächspausen betonen jeweils die Schwierigkeit der behandelten Fragen; so auch unten 1, 9 (64); 1, 10 (6); 1, 14 (21).
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Für weitere Belege dieses Dialogtopos bei Augustin und Cicero vgl. Fuhrer zu 2,16 (15).42 13f. sapiens fuit: Dass Trygetius Cicero als sapiens und somit als philosophische Autorität einschätzt (s.o. zu Z. 9f.), liegt aufgrund von dessen Bedeutung als Schulautor nahe und muss nicht heissen, dass er Ciceros Lehrmeinung in allen Punkten teilt (dies ist nicht der Fall: s.u. 1, 8 [49f.]). Licentius nutzt jedoch in der Fortsetzung Trygetius' Zugeständnis, indem er Cicero als Gewährsmann für seine eigene Position anführt. Folgerichtig möchte Trygetius später sein Votum zurücknehmen (1,8 [46f.]). 14f. eius de hac re sententia habet apud te aliquid ponderis?: Licentius' Votum wirkt durch die beiden eingeschobenen Präpositionalkonstruktionen gedrängt (de hac re; apud te, Isokolon und Homoioteleuton). Zu apud te, 'deiner Ansicht nach', s.o. zu Z. 7f. Die Metapher des 'Gewichts' für die Autorität schwingt auch im Bild des Jochs der Autorität mit (unten 1, 9 [62]: iugum illud auctoritatis)·, vgl. auch 1, 8 (53f.): nihil interest, nisi cuius ponderis ... rationes afferanv, 3, 43 (17f.): gemino pondere nos impelli ad discendum auctoritatis atque rationis. 16-23 nam earn tibi excidisse ...: Aus Licentius' Behauptung, dass Trygetius Ciceros Lehrmeinung bezüglich des vorliegenden Problems (eius de hac re sententia, Z. 14) entfallen sei (excidisse), lässt sich unter der Annahme einer weiteren Voraussetzung schliessen, dass Z. 16-23 bzw. Teile davon aus dem Hortensius stammen (zum Motiv der Gedächtnislücken s.o. S. 16f. mit Anm. 55). Denn wenn einerseits hier impliziert wird, dass Trygetius die in Z. 16-23 referierte Lehrmeinung Ciceros eigentlich kennen müsste, und andererseits die Voraussetzung akzeptiert wird, dass das philosophische Wissen der Schüler ausschliesslich auf den Hortensius zurückgehe (dazu oben S. 16f.), folgt daraus, dass das vorliegende Cicero-Referat eine Stelle des Hortensius wiedergibt - zwar nicht als wörtliches Zitat, doch zumindest als Paraphrase (so Testard 1, 35 Anm. 4; zur Frage, inwiefern eine solche Stelle als Fragment bezeichnet werden kann, vgl. die Literatur oben S. 21 Anm. 76; s. auch unten zu Z. 16-18). Wohl aus diesem Grund weist A.B. Krische, Über Cicero's Akademika, Göttinger Studien (1845) 152f. Anm. 1, die Stelle dem Hortensius zu (ohne Argumentation). Im Anschluss an Krische nehmen Baiter-Kayser die vorliegende Passage (Z. 16-23) als Fr. 96 in ihre Hortensius-Ausgabe auf; Hartlich 296f. und Ohlmann 36-39 folgen ebenfalls Krische; ebenso Müller, Ruch, Grilli, Hagendahl und StraumeZimmermann (Fr. 101 M. = 95 R. = 107 G. = Test. 194a Hagendahl = 91 S.). Vom Hortensius ausschliessen wollten die vorliegende Stelle dagegen Hirzel 42 Zu einseitig interpretiert Curley xv diesen Dialogtopos dahingehend, dass im Allgemeinen die vor der Gesprächspause genannte Position überwunden und das darauf folgende Argument durchgesetzt werden könne. Ein Gegenbeispiel bildet die vorliegende Stelle.
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297 Anm. 2 (evtl. mit Ausnahme des Satzes Ζ. 19-21: nihilque remanere ... veritatis; dieser passe in die Nähe von Fr. 110 und 115 G.) und mit ihm Piasberg 81 f. Hirzeis Argumente sind jedoch unhaltbar.43 Der Inhalt der vorliegenden Stelle aus Acad. 1, 7 wurde in der Forschung als Antwort auf Hort. Fr. 51 G. = 92 S. = Acad. 3, 31 (57f.) verstanden: si igitur nec certi est quidquam nec opinari sapientis est, nihil umquam sapiens approbabit (so Grilli 145-150; J. Glucker [oben S. 19 Anm. 69] 52f.; zu Fr. 51 G. = 92 S. s.u. zu Z. 21-23 [b]). Das Wort igitur in Cie. Hort. Fr. 51 G. = 92 S., das nicht zum Argumentationsgang von Acad. 3, 31 gehört, zeigt erstens, dass es sich - im Gegensatz zur vorliegenden Stelle - wohl um ein wörtliches Zitat handelt, und zweitens, dass weitere Ausführungen zum akademisch-skeptischen Standpunkt auch vorangingen. Aus diesen beiden Gründen ist es kaum möglich, die Reihenfolge der beiden Fragmente festzulegen. 16-18 placuit enim Ciceroni nostro beatum esse etiamsi ad eius inventionem non valeat pervenire: Zu nostro s.o. zu Z. 12f. - Licentius referiert als Ciceros Meinung, dass Wahrheitssuche Glück verschaffe, auch wenn die Hypothese gilt, dass die Wahrheit nicht erlangt wird (etiamsi... pervenire). Diese Hypothese trifft gemäss Ciceros in Z. 20 referierter Behauptung nihil ab homine percipi posse zu (s. z.St.). Das Verb placuit zeigt, dass Ciceros philosophische Position hier in Form eines verkürzten, griffigen 'Merksatzes' (placitum ~ δόγμα) formuliert wird (in die gleiche Richtung deutet auch sententia, 'Lehrmeinung', in Z. 14; s. auch oben zu 1, 6 [39-41]). 19-23 quis ignorât eum affirmasse vehementer (1) nihil ... percipi posse (2) nihilque remanere ... inquisitionem veritatis, propterea quia, si (2') incertis rebus esset assensus,... liberari errore non posset: Licentius schreibt Cicero zwei Behauptungen zu, die er durch die Anapher nihil nihilque verbindet: (1) 'Es kann vom Menschen nichts erfasst werden' (Akatalepsia-These; s.u. zu Z. 20), (2) 'Es bleibt dem Weisen nur die 43 Hirzeis Argumente lauten folgendennassen: Im Hortensius propagiere Cicero nicht den skeptischen Standpunkt (mit Tusc. 2, 4; div. 2, 1; vgl. jedoch Hort. Fr. 51 G. = 92 S.; dazu oben S. 18-20); ausserdem spreche die Tatsache, dass der Hortensius in Acad. 1, 7 nicht explizit genannt werde, gegen die Zuweisung zu diesem Werk. Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass gemäss der Darstellung im Proömium (Acad. 1, 4 [97]) gerade der Hortensius den Diskussionsteilnehmern bekannt war und somit nicht eigens genannt werden musste. In Piasbergs Editio maior von Ciceros Paradoxa Stoicorum, Academicorum reliquiae cum Lucullo (Leipzig 1908) 59 ist die Stelle als Fragment des zweiten Buchs von ac. 1 aufgeführt (gemäss Piasberg 81f.); ebenso in Piasbergs Edition von Ciceros Academicorum reliquiae cum Lucullo (Leipzig 1922 = Leipzig 1996) 21. Ohlmann 36-39 bringt gegen diese Zuweisung vor, dass Licentius Ciceros Academici libri nicht gelesen habe (er geht also davon aus, dass Augustin den Dialogfiguren keine Kenntnisse unterschiebt, die diese gemäss der Darstellung in Acad. nicht haben; dazu oben S. 16 Anm. 53; zur Zuweisung auch S. 21).
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Wahrheitssuche' (s.u. zu Z. 20f.). Mit der ersten Behauptung führt Licentius eine neue Voraussetzung für seine Argumentation ein. Behauptung (2) folgt aus Behauptung (1) (dazu genauer unten zu Z. 20f.). Sie wird jedoch durch einen indirekten Beweis (2') noch eigens begründet (durch Abweisung des Gegenteils; s.u. zu Z. 21-23). Das vorliegende Referat verbindet die Kernthese der akademischen Skepsis, dass vom Menschen nichts erfasst werden kann (1), und die ebenfalls skeptische Forderung der vollständigen Zurückhaltung der Zustimmung (2') mit der platonisch-aristotelischen Forderung der Wahrheitssuche (2) (s.o. S. 90f.). Das Konzept des Weisen, das Cicero damit zugeschrieben wird (Behauptungen [2] und [2']), wird durch Licentius' Beschreibung der Weisheit in 1, 23 (40-46) ergänzt und illustriert. 20 (1) nihil ab homine percipi posse: Akatalepsia-These. Vgl. Cie. ac. 2, 18 = Philon v. Larissa Test. 27 Brittain: nihil posse comprehendi·,44 ac. 1, 45 = Arkesilaos F 9, lOf. Mette: neque esse quiequam quod cerni aut intellegi posset; de orat. 3, 67 = Arkesilaos Τ 5a, 7 Mette: nihil esse certi quod aut sensibus aut animo percipi possif, π ά ν τ α ά κ α τ ά λ η π τ α bei S.E. M. 7, 49; Ρ. 1, 200; u.ö. (vgl. Görler 801; s. auch unten zu Z. 21-23). Zu ab homine vgl. die Gegenüberstellung Mensch - Gott unten 1, 9 (68-70). Die vorliegende These ist in der Akademie in Auseinandersetzung mit den stoischen Konzepten der 'kataleptischen' bzw. 'erfassungsvermittelnden Erscheinung' (καταληκτική φαντασία ~ visum quod comprehendi/percipi potest) und des 'Erfassens' (κατάληψις ~ pereeptio) entstanden (vgl. Acad. 2, 11). Gemäss Augustins Verständnis in Acad. setzt sich eine kataleptische Erscheinung aus drei Elementen zusammen: (1) einer Proposition, (2) dem (empirischen) Sachverhalt, den die Proposition wiedergibt, wenn sie wahr ist, (3) der Erscheinung, in der die Proposition repräsentiert wird. Eine kataleptische Erscheinung ist eine Erscheinung, in der eine Proposition Ρ auf eine bestimmte Art und Weise repräsentiert wird, die ausschliesslich daher kommen kann, dass Ρ tatsächlich zutrifft (vgl. C. Brittain, Knowledge, no doubt. Augustine Contra Académicos 3.26, Medieval Philosophy and Theology 12 [2003, im Druck]; M. Frede, Stoic Epistemology, in: History of Hell. Philos. 302-304; Steinmetz 529-532). Die kataleptische Erscheinung ist per Definition eine wahre Erscheinung und gilt daher als 'Kriterium der Wahrheit' (z.B. SVF 2, 56; 2, 90). Wenn das Subjekt der durch die kataleptische Erscheinung vermittelten Information 'zustimmt' (dazu s.u. zu Z. 21-23), dann erfolgt das 'Erfassen'. Die akademischen Skeptiker übernehmen zwar einerseits das Konzept der kataleptischen Erscheinung als Kriterium der Wahrheit, bestreiten jedoch an-
44 Zwischen percipi und comprehendi wird nicht unterschieden; vgl. Cie. ac. 2, 17: comprehendi et percipi; 2, 83: nosci percipi comprehendi (dazu Kirwan 24).
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dererseits, dass es eine kataleptische Erscheinung tatsächlich gibt, weil man zwischen wahren und falschen Erscheinungen nicht unterscheiden könne (so Arkesilaos F 2, 21f. Mette = S.E. M. 7, 154: οτι ουδεμία τοιαύτη άληθής φαντασία Ευρίσκεται οϊα ουκ αν γένοιτο ψευδής, ώς δια π ο λ λ ώ ν και ποικίλων παρίσταται; Cie. ac. 2, 77 [vgl. Görler 7 9 9 ] ) . D i e Konsequenz davon ist die These, dass nichts erfasst werden könne. Eine weitere Konsequenz wird auch so formuliert, dass es im Bereich der menschlichen Wahrnehmung nichts Gewisses gebe (Cie. Hort. Fr. 51 G. = 92 S.: nec certi est quidquam; dazu s.u. Z. 21-23). Vor dem Hintergrund der vorliegenden Stelle muss auch die in Z. 17f. enthaltene Hypothese, dass Wahrheit nicht erlangt werden kann, als zutreffend verstanden werden.46 Der argumentative Zusammenhang, dem die vorliegende These entstammt, wird jedoch erst in der Fortsetzung von Acad. exponiert: Augustin referiert in 2, 11 (11-17) die Definition der kataleptischen Erscheinung, die auf Zenon zurückgeht, und die skeptische Gegenargumentation; eine ausführliche Auseinandersetzung mit der These folgt in Augustins Oratio perpetua (3, 18-29). Die Gültigkeit der vorliegenden These wird in Acad. 2 und 3 auf 'philosophische Belange' eingeschränkt (2, 11 [3f.]; 3, 22 [llf.]; 3, 23 [39]). In Acad. 1 findet sich ein Reflex dieser Einschränkung in 1, 23 (28) (s. z.St.). An der vorliegenden Stelle wird hingegen die blosse Behauptung wie ein auswendig gelernter Merksatz genannt. Überdies zeigen nicht nur die Gedächtnislücken der Schüler (dazu oben S. 11), sondern besonders auch die Tatsache, dass sie die hier in groben Zügen referierte skeptische Lehrmeinung nur mit Mühe überhaupt in ihre Argumentation mit einbeziehen (s.u. zu Z. 21-23), dass die Schüler erst sehr oberflächliche Kenntnisse der stoischakademischen Wahrnehmungslehre haben. Licentius weicht im weiteren Verlauf des Gesprächs sogar von der These ab, dass nichts erfasst werden könne (1, 17f. und bes. 1, 22 [18-20]; s. z.St.). 20f. (2) nihilque remanere ... inquisitionem veritatis: Behauptung (2) folgt notwendig aus Behauptung (1), falls vorausgesetzt wird, dass ausschliesslich die Wahrheitssuche und die Wahrheitsfindung als mögliche Glücksbedingungen (bzw. Weisheitsbedingungen) zur Auswahl stehen; dies ist gemäss 1, 6 (40f.) der Fall (ohne diese Einschränkung der Glücksbe45 Ein Beispiel eines skeptischen Aparallaxie- bzw. Ununterscheidbarkeits-Arguments (Cie. ac. 2 , 4 7 ) wird unten S. 149 Anm. 18 referiert. 46 Indem Augustin die akademische These in Acad. 2, 11 (11) als verum non posse comprehendi referiert, formuliert er das Verbindungsglied zwischen der These nihil pereipi potest und der Annahme, dass die Wahrheit nicht gefunden werden könne (diese Verbindung ist an vorliegenden Stelle nur implizit gegeben). Vergleichbar mit Acad. 2, 11 (11) ist auch conf. 5, 19: nec aliquid veri ab homine comprehendi posse decreverant (seil. Academici philosophi).
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dingungen besteht kein logischer Zusammenhang zwischen der Behauptung, dass nichts erfasst werden kann, und der Empfehlung, die Zustimmung zurückzuhalten; vgl. Striker 54). Denn Behauptung (1) (nihil ... percipi posse) schliesst die Wahrheitsfindung aus (s.o. zu Z. 20); somit bleibt nur die Wahrheitssuche übrig (remanere ist in der Bedeutung von relinqui unüblich; vgl. Hensellek 158 § 62). Die These, dass vom Menschen nichts erfasst werden kann, und die Aufforderung zur Wahrheitssuche schliessen einander also nicht aus. Diese Darstellung entspricht tatsächlich Ciceros Haltung, der, obwohl er skeptische Positionen vertrat, dennoch stets die Wahrheitsfindung anstrebte (dazu s.o. S. 90f.). 21-23 si (2') incertis rebus esset assensus,... liberari errore non posset: Indirekter Beweis von Behauptung (2) durch Abweisung des Gegenteils: Als Gegenteil der Beschränkung auf die Wahrheitssuche fuhrt Licentius die Zustimmung zu incertae res an (2'), woraus notwendig Irrtum folge. Aus dieser Argumentation ist ersichtlich, dass die Wahrheitssuche (2) die Zurückhaltung der Zustimmung (2') impliziert. Dies folgt auch aus 1, 11 (37-39), wo die Behauptung, dass derjenige, der die Wahrheit sucht, Irrtum vermeide, dadurch begründet wird, dass nichts Falschem zustimme und folglich nicht irre, wer die Zustimmung zurückhalte: in quem (seil, errorem) nullo pacto incidit, (2') qui veritatem quaerendam semper existimat; falsum enim probare non potest, (2) qui probat nihil. Ebenso wird der genannte Zusammenhang aus der Anspielung auf die vorliegende Stelle in Acad. 2, 11 (5-9) deutlich: (2) sapientisque totum munus, ut abs te quoque, Licenti, ilio sermone dissertum est, in conquisitione veri explicari; (2') ex quo confici, ut nulli etiam rei sapiens adsentiatur; erret enim necesse est, quod sapienti nefas est, si adsentiatur rebus incertis. Zum Zusammenhang zwischen der in Z. 20 referierten These, dass nichts erfasst werden kann (1), und dem Gebot, die Zustimmung zurückzuhalten (2'), vgl. die Rekapitulation des Diskussionsgegenstandes am Schluss des zweiten Buches (Acad. 2, 30 [38f.]): utrum illorum argumentis probabile sit (1) nihil percipi posse ac (2') nulli rei esse adsentiendum; sowie 3, 22 (2-4): duo sunt, quae abAcademicis dicuntur ... (1) nihil posse percipi et (2') nulli rei debere adsentiri; ausserdem Cie. ac. 2, 36f.: sed de pereeptione hactenus; ... nunc de adsensione atque adprobatione... pauca dicemus. Im Folgenden sollen die (ursprünglich stoischen) Konzepte von Zustimmung, Irrtum und Zurückhaltung der Zustimmung kurz erläutert werden: (a) Zustimmung (συγκατάθεση, adsensio, adprobatio47) wird zu wahren Aussagen gegeben (άξιώματα; vgl. SVF 3, 171) bzw. zu wahren (d.h. kataleptischen) Erscheinungen (φαντασίαι [s.o. zu Z. 20]). Die Zustimmung ist 47 Zwischen adsentiri und adprobare wird nicht unterschieden (vgl. Fuhrer zu 2 , 1 1 [22]).
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ein willentlicher Akt des erkennenden Subjekts (vgl. Cie. ac. 1, 40: adsensionem ... quam esse vult in nobis positam et voluntariam\ dazu H. von Staden, The Stoic Theory of Perception and its "Platonic" Critics, in: P.K. Machamer / R.G. Turnbull [Hgg.], Studies in Perception [Columbus OH 1978] 109). Aus der Zustimmung resultiert das Erfassen (κατάληψις, perception s.o. zu Z. 20). Wenn Zustimmung zu wahren Aussagen gegeben wird, folgt daraus, dass eine incerta res eine Aussage oder eine Erscheinung ist, von der nicht entschieden werden kann, ob sie wahr oder falsch ist (s. auch unten zu Z. 22; in 3, 32 [71f.] verwendet Augustin statt incertum das Adjektiv dubium). Behauptung (1) ('nihil... percipi posse', Ζ. 20) wiederum impliziert, dass a l l e res incertae sind (mit anderen Worten, dass nie entschieden werden kann, ob eine res wahr oder falsch ist; vgl. Acad. 2, 11 [9]: omnia incerta esse\ civ. 4, 30 p. 183, 28; 19, 1 p. 349, 20f.; 19, 18 p. 386, 25f. D.K.; trin. 13, 7; auch Cie. de orat. 3, 67; Hort. Fr. 51 G. = 92 S. [unten in (b) zitiert]; Sen. epist. 88, 5; u.ö.). Es scheint zwar, dass die akademischen Skeptiker selber diese rigorose Konsequenz durch die Unterscheidung zwischen incertum (άδηλου) und dem, was nicht erfasst werden kann ( ά κ α τ ά λ η π τον), vermeiden wollten; dies referiert Lucullus in Cie. ac. 2, 32: queruntur quod eos insimulemus omnia incerta dicere, quantumque intersit inter incertum et id quod percipi non possit docere conantur eaque distinguere', vgl. 2, 54: ne hoc quidem cernunt (seil. Academici), omnia se reddere incerta, quod nolunf, 2, 110. Wie diese Unterscheidung im einzelnen begründet wurde, ist allerdings nicht klar, und im vorliegenden Kontext wird sie ausser Acht gelassen (ein Reflex davon findet sich dagegen möglicherweise in 1, 23 [28]; s. z.St.).48 (b) Das Thema des error wird in 1, 10-12 ausführlicher behandelt. Trygetius schreibt den Irrtum in 1, 10 (2) dem Suchenden zu (s. z.St.). Licentius setzt dem in 1, 11 (36f.) ein Konzept des error entgegen, das dem hier vorliegenden entspricht, wobei er aber unten nicht von der Zustimmung zu res incertae spricht, sondern spezifischer von der Zustimmung zu einem falsum anstelle eines verum (zu diesen Begriffen s. z.St.): error mihi videtur esse falsi pro vero approbatio (wie an der vorliegenden Stelle dagegen noch 2, 11 [8f.]: erret enim necesse est, quod sapienti nefas est, si adsentiatur rebus incertis; vgl. 3, 31 [57f.] = Hort. Fr. 51 G. = 92 S.: certe in Hortensio legistis: si igitur nec certi est quidquam nec opinari sapientis est, nihil umquam sapiens approbabit). Aus skeptischer Perspektive kann die Zustimmung zu res incertae nicht nur insofern als error bezeichnet werden, als dabei früher oder später einmal eine Zustimmung zu einem Falschen anstelle 48 Die genannte Unterscheidung geht nach Numen. Fr. 26, 109-111 Des Places auf Karneades zurück (vgl. Görler 860; Schäublin et al. 215 Anm. 86; A.M. Ioppolo, Doxa ed epoché inArcesilao, Elenchos 5 [1984] 360-363).
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eines Wahren erfolgen wird bzw. dies zumindest riskiert wird (so Fuhrer zu 2, 11 [8f.] bzw. Kirwan 23), sondern schon die Zustimmung zu einer res, von der nicht klar ist, ob sie wahr oder falsch ist, bedeutet error, selbst wenn die res wahr ist (s.u. zu Z. 22). Diese error-Konzeption hat ihre Wurzeln letztlich in der stoischen Auffassung, dass Irrtum aus der 'schwachen' (also schwach begründeten, ungesicherten) Zustimmung folgt (άσθενής συγκατάθεση; vgl. S VF 1, 60; 3, 172; dazu W. Görler, 'Ασθενής συγκατάθεσις. Zur stoischen Erkenntnistheorie, WJA 3 [1977] 83-92). (c) Zurückhaltung der Zustimmung (έποχή): Wenn die Zustimmung zu incertae res notwendig Irrtum bedeutet und wenn alle res incertae sind (dazu s.o. [a]), folgt daraus, dass die Zustimmung vermieden werden soll. Die (allerdings nicht vollständige) Zurückhaltung der Zustimmung wird in Acad. 2, 14 (15f.) schon Sokrates und Piaton zugeschrieben: qui (seil. Socrates, Plato ac reliqui veteres) se hactenus crediderunt posse ab errore defendi, si se adsensioni non temere commisissenf, die akademisch-skeptische Forderung der generellen Zurückhaltung wird in 2, 14 (25) referiert: nulli rei esse adsentiendum", vgl. 3, 24 (9f.): is enim errat, qui quod sibi videtur temere probat; 3, 32 (68-70): an de ilio errore aliquid quaerimus, quem dicunt penitus evitari, si in nullam rem animum declinet adsensio?; ebd. Z. 70-72; 3, 34 (22f.). Augustin argumentiert gegen die skeptische Strategie der έποχή in 3, 30-36. Besonders in Ciceros Verständnis scheint, wie aus dem vorliegenden Referat deutlich wird, die Zurückhaltung der Zustimmung zu keinerlei Stillstand zu führen, sondern im Gegenteil zu einer fortwährenden Suche nach der Wahrheit (dazu oben S. 90f.). Cicero stellt ausserdem in ac. 2, 108 auch die Zurückhaltung der Zustimmung selbst nicht als Passivität, sondern als Handlung dar: maximam actionem puto repugnare visis obsistere opinionibus adsensus lúbricos sustinere-, dies referiert auch Augustin in Acad. 2, 12 (3If.): quamvis et ipsam refrenationem et quasi suspensionem adsensionis magnam prorsus actionem sapientis esse dicebant (scil. Academici). Zur έ π ο χ ή vgl. Striker passim; Görler 801 (Arkesilaos); Görler 855f. (Karneades); Long / Sedley 258/307. 22 etiamsi fortasse verae forent: incertae res k ö n n e n zwar w a h r s e i n , doch auch dann sind sie in Bezug auf die Menschen stets incertae, da man nie sicher w i s s e n kann, o b eine res wahr ist oder nicht (s.o. zu Z. 21 23 [a]). Dass die Zustimmung zu einer solchen res incerta in jedem Fall als error gilt, selbst wenn die res wahr ist, wird auch in Acad. 3, 32 (70-72) referiert: errat enim, inquiunt, quisquís non solum rem faisant sed etiam dubiam, quamvis vera sit, approbat. Augustin kritisiert diese paradox anmutende Konsequenz der skeptischen Argumentation in 3, 34.
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23 maxima ... culpa sapientis: Die Forderung, dass der Weise nicht irren darf, ist ebenso stoisch wie akademisch; vgl. Cie. ac. 2, 66 = SVF 1, 52: sapientis autem hanc censet Arcesilas vim esse maximam Zenoni adsentiens, cavere ne capiatur, ne fallatur videre; ac. 1, 42 = SVF 1, 53: errorem autem et temeritatem et ignorantiam et opinationem et suspicionem et uno nomine omnia quae essent aliena firmae et constantis adsensionis a virtute sapientiaque removebat; Mur. 61 = SVF 1, 54: sapientem nihil opinari, nullius rei paenitere, nulla in re falli, sententiam mutare numquam; SVF 3, 548-556 (vgl. Steinmetz 528; Striker 60). Die Forderung wird auch von anderen Philosophenschulen vertreten (vgl. Long / Sedley 456/544). Auf dieser Grundlage kann Trygetius später als allgemein akzeptierte Aussage anführen, dass derjenige, der irre, weder gemäss der Vernunft lebe noch glücklich sei (1, 10 [lf.]). 24-27 quam ob rem si et... et..., quid dubitamus existimare ... pòsse contíngere?: Cursus tardus. Licentius schliesst seine Argumentation mit einem hypothetischen Syllogismus ab, der sich in der Formulierung eng an Trygetius* Syllogismus der Z. 4-7 anlehnt, jedoch zu einer entgegengesetzten Folgerung führt. Die beiden Prämissen sind als zwei Glieder des «'-Satzes durch et... et korreliert; die erste Prämisse wird als allgemeingültig formuliert (necessario ... credendum est), die Folgerung als rhetorische Frage: Licentius: Vgl. Trygetius (Z. 4-7): Der Weise ist notwendig glücklich. Glücklich ist der vollkommene Weise. Wahrheitssuche ist vollkommene Wer sucht, ist nicht vollkommen. Aufgabe der Weisheit. Also verleiht die Wahrheitssuche Also ist nicht glücklich, wer sucht. ein glückliches Leben. Die Folgerung (Z. 26f.) wurde aufgrund der inhaltlichen Nähe zum CiceroReferat in Z. 16-23 (Wahrheitssuche als Glücksbedingung) ebenfalls Cicero zugeschrieben (Hort. Test. 194f Hagendahl = Fr. 91A 5 S.); vgl. jedoch die Vorbehalte gegenüber dieser Zuweisung oben S. 22. 25 perfectum sapientiae munus: In Antwort auf Trygetius' Prämissen (Z. 4-6: 'Glücklich ist der vollkommene Weise' ; 'Wer sucht, ist nicht vollkommen') nimmt Licentius zwar in seiner zweiten Prämisse das Attribut perfectus auf, bezieht es aber nicht auf den Weisen oder auf den, der sucht, sondern auf die 'Aufgabe der Weisheit'; das perfectum sapientiae munus besteht seiner Meinung nach in der Wahrheitssuche. Durch den veränderten Bezug vermeidet er die Vorstellung, dass die Wahrheitssuche erst mit der Auffindung der Wahrheit vollendet sei. Zur Formulierung vgl. Acad. 2, 11 (5-7): sapientisque totum munus... inquisitione veri explicari (zum Text s. Fuhrer z.St.); lib. arb. 2, 97: qui... totum Studium suum ad investigationem conferunt veritatis ut semet ipsos deumque cognoscant, magnum
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hoc esse sapientiae munus iudicanf, Cie. fin. 3, 31 : ut quidam Academici constituisse dicuntur, extremum bonorum et summum munus esse sapient i s obsistere visis adsensusque suos firme sustinere. 26f. beatam vitam ... contingere: Zur Formulierung s.o. zu 1, 6 (39-41); zu per se ipsa investigatione veritatis vgl. auch unten 1, 9 (94f.): sola ipsa inquisitione veritatis; 1, 14 (39): ipsa per se investigatio veritatis.
1,8: Trygetius' Distanzierung von Ciceros Autorität 28f. licetne tandem ad ea, quae temere concessa sunt, rursum redire?: Trygetius bezieht sich auf seine Antwort in 1, 7 (13f.), wie unten Z. 46f. klar wird. Zu temere s.o. zu 1, 5 (24f.). Die pleonastische Junktur rursum redire (in Gesprächssituationen) ist geläufig (vgl. Cie. Brut. 291; de orat. 3, 114; u.ö.). - In 1, 15 (40f.) gesteht Trygetius ebenfalls einen eigenen Fehler ein (Z. 41: in re non necessaria fidenter adsentior; s.u. zu 1, 15 [42f.]). 29-31 illi... quos ... non inveniendi veri cupiditas sed ingenii iactantia puerilis impellit: Die beiden alternativen Motivationen des 'Verlangens, die Wahrheit zu finden,' und der 'kindischen Prahlerei mit dem Talent' sind durch Alliteration korreliert (vgl. die Kontrastierung von Veritas und victoria unten Z. 36f.). Sie spiegeln die traditionelle Gegenüberstellung von Philosophie und Rhetorik (dazu genauer unten zu Z. 36f.). Zur Wahrheitsfindung als Motivation des Philosophierens s.o. S. 90f. Im Einklang mit der vorliegenden Stelle tadelt Augustin die Schüler für vorwitziges und streitsüchtiges Verhalten in ord. 1, 29f. Cicero vertritt das Ideal der unparteiischen Erörterung in ac. 2, 7 (oben S. 91 Anm. 37 zitiert); ebenso fin. 1, 27; Tuse. 3, 50f. Ähnlich kontrastiert auch Platon in R. 6. 499a 4-9 Wahrheitssuche und Streitlust: οϋδέ γε αύ λ ό γ ω ν , ώ μακάριε, καλών τε και ελευθέρων ίκανώς έπήκοοι γεγόνασιν (seil, οι πολλοί), οίων ζητεΐν μεν τ ο άληθές συντεταμένω^ έκ π α ν τ ό ς τ ρ ό π ο υ τ ο υ γ ν ώ ν α ι χάριν, τ ά δε κομψά τε και εριστικά και μηδαμόσε άλλοσε τείνοντα ή πρόξ δόξαν και ipiv και έν δίκαις και έν ίδίαις συνουσίαις π ό ρ ρ ω θ ε ν ά σ π α ζ ο μ έ ν ω ν (vgl. Burkert 183 Anm. 27; zu Platon s. auch unten zu Ζ. 33 und 37-39). Den Vorwurf der Streitsucht erhebt Cicero besonders gegenüber den Griechen, so fin. 2, 80; de orat. 1, 47: verbi enim controversia iam diu torquet Graeculos homines contentionis cupidiores quam veritatis (auf diese Stelle spielt Augustin wohl in Acad. 2, 24 [4f.] an; vgl. Fuhrer z.St.). 31-33 apud me ... conceditur... volo: '(Deshalb) wird bei mir ... nicht nur gestattet, sondern ich will...' (zu apud me, hier ~ 'was mich angeht', 'soweit es auf mich ankommt', s.o. zu 1, 7 [7f.]).
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32 nutriendi educandique: Zur Nahrungs-Metaphorik s.o. zu 1, 4 (86); zu Augustine Funktion als Lehrer von Licentius und Trygetius s.o. zu 1, 4 (95): ad studia hortans atque animans; unten 1, 25 (43): studia, quae mihi magna cura est\ zum pädagogischen Aspekt des Gesprächs s.o. S. 9-13. 33 in praeceptis habeatis: Die Formulierung von verbindlichen Gesprächsregeln fördert das Methodenbewusstsein der Schüler (dazu oben S. 10). Sie entspricht ausserdem der Annäherung der Erörterung an den festen Rahmen einer Gerichtsverhandlung (s.o. zu 1, 5 [7]). Bei Piaton ist die gleiche Praxis, die hier eigens als Regel formuliert wird, übrigens ganz selbstverständlich (s.u. zu Z. 37-39; vgl. Voss, Dialog 287f.). 33f. ad ea vos discutienda redire oportere, quae concesseritis incautius: '(dass ihr es zu den Vorschriften zählt,) notwendig zu dem, was ihr allzu unvorsichtig zugestanden habt, zurückzukehren, um es zu erörtern.' Die Bedeutung 'erörtern', 'untersuchen' von discutere ist erst ab dem 4. Jh. belegt (vgl. TLL 5, 1, 1374, 67ff.; s.o. zu 1, 6 [44f.] zu discussio). Der Konj. im Relativsatz hat eine kausale Färbung. Zum Inhalt des Relativsatzes s.o. zu 1, 5 (24f.). 35 profectum puto: Der ethische Fortschritt (statt profectus sonst meist profectio; griech. π ρ ο κ ο π ή ) ist ein stoisches Konzept. All diejenigen, die sich auf die Weisheit zu bewegen, aber noch nicht weise sind, gelten als proficientes (vgl. Steinmetz 544-546; 616). 35f. in comparatione recti verique inveniendi: 'im Vergleich zur Auffindung des Richtigen und Wahren' (in comparatione mit Gen. auch unten 1, 22 [5]: in comparatione... der, Cie. o f f . 3, 20; u.ö.). 36f. contemnitur ... victoria: Dank dem Zugeständnis seines Kontrahenten könnte Licentius an diesem Punkt des Gesprächs einen einfachen 'Sieg' erringen; er verzichtet jedoch darauf. Denn gerade für einen Skeptiker kann es keinen Sieg geben; sein Ziel ist es vielmehr, dass die philosophische Suche immer weitergeht (dies wird durch das unentschiedene Ende von Acad. 1 veranschaulicht; s.u. S. 209f.). Zur Geringschätzung des 'Sieges' (bzw. des Ruhmes) im Vergleich zur Wahrheit vgl. Acad. 2, 10 (39f.): cum in prodendo vero non magis victoriae quam animo tuo consulturus sis; 2, 15 (28f.): gloriae cupidior quam veritatis (in kritischem Tonfall); 2, 17 (38): utinam ... iam vincar, 3, 30 (14-16): ultro me victum esse profiteer, non enim de gloria comparando, sed de invenienda veritate tractamus\ ord. 1, 20 (59f.); an. quant. 24; auch Cie. inv. 2, 9: docti ab aliquo facile et libenter sententiam commutabimus; Tusc. 3, 51: verum dicentibus facile cedam; 2, 4f.; 3, 46; fin. 2, 8; Min. Fei. 14, 2: cum non laudi, sed veritati diseeptatio vestra nitatur, Hier. adv. Pelag. 1, 22: non enim de adversario victoriam, sed contra mendacium quaerimus veritatem; u.ö. (in die gleiche Richtung weist auch die Ge-
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geniiberstellung des 'Verlangens, die Wahrheit zu finden,' und der 'kindischen Prahlerei mit dem Talent' oben Z. 29-31). Die Alternative zwischen 'Wahrheit' und 'Sieg' dürfte in den Kontext der traditionellen Auseinandersetzung zwischen Philosophie und Rhetorik bzw. Sophistik gehören, die mit Piaton einen ersten Höhepunkt erreichte und wahrscheinlich gerade in protreptischen Schriften öfter thematisiert wurde (so in Ciceros Hortensius; s.u. zu 1, 15 [43-46]). Aristoteles verwendet für die gleiche Alternative die Begriffe Dialektik und Eristik. Er bezeichnet in SE 171b 22-26 diejenigen, die nur um des Sieges willen argumentieren, als 'Eristiker' und hebt diese in der Fortsetzung von den 'Dialektikern' ab: ώσττερ γ α ρ ή έν ά γ ώ ν ι άδικία εΤδός τι έχει και έστιν άδικομαχία τις, ο ύ τ ω ς έν ά ν τ ι λ ο γ ί α άδικομαχία ή εριστική έστιν· έκεΐ τε y à p oi π ά ν τ ω ς ν ι κ α ν προαιρούμενοι π ά ν τ ω ν ά π τ ο ν τ α ι , και ενταύθα οί εριστικοί, οϊ μεν ουν της ν ί κ η ς αυτής χ ά ρ ι ν τοιούτοι εριστικοί άνθρωποι και φιλέριδες δοκοΰσιν είναι.... Neben der Forderung, in der Wahrheitssuche unvoreingenommen zu sein, spielt bei der Geringschätzung des Sieges auch der Aspekt der Übung eine Rolle; vgl. Acad. 2, 17 (26-29): fac me, inquarti, certum esse (seil, de victoria mea)', non ideo tarnen tu causam tuam debes deserere, praesertim cum haec inter nos disputatio suscepta sit exercendi tui causa. Am Schluss von Acad, wird die vorliegende Alternative zwischen 'Sieg' und 'Wahrheit' aufgelöst: Entsprechend der Tradition der Konversions- und Kontroversdialoge setzt sich die eine Position gegen die andere durch. Selbstverständlich wird die siegreiche Position dabei auch als die 'wahre' verstanden; insofern wird die Forderung überflüssig, zugunsten der Wahrheit auf den Sieg zu verzichten (vgl. Voss, Dialog 207). 37-39 itaque ... redire permitto: Die Praxis, den Kontrahenten ein unüberlegtes Zugeständnis zurücknehmen zu lassen, ist aus Piatons Dialogen bekannt, z.B. Grg. 461d 2-4 (Sokrates): και έ γ ώ έθέλω τ ω ν ¿ομολογημέν ω ν εί τί σοι δοκεΐ μή καλώς ώμολογήσθαι άναθέσθαι δτι αν συ βουλή; 462a 3; Ly. 218c; Chrm. 164d; [Hipparch.] 229e (mit dem Bild, bei einem Brettspiel einen Spielstein zurückzunehmen). Vgl. Cie. Hort. Fr. 32 G. = 68 S. (mit dem gleichen Bild): itaque tibi concedo, quod in duodeeim scriptis solemus, ut calculum redducas, si te alieuius dati paenitef, Rufin. Clement. 2, 25, 2-4 (vgl. Ohlmann 48; Voss 288f.). Unter anderen Argumentationsregeln wird in Acad. 3, 29 (28-33) auch folgende genannt (Z. 29-31): si male concedendo inferuntur (seil, ratiuneulae, 'Trugschlüsse'), ad ea quae concessa sunt esse redeundum (während es sich dort aber lediglich um technische Anweisungen zum Umgang mit verschiedenen Trugschlüssen handelt, steht im vorliegenden Abschnitt die innere Haltung der Gesprächsteilnehmer im Vordergrund [Z. 29-31; 36f.]). - In Augustins anti-manichä-
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ischen Streitgesprächen c. Fort, und c. Felic. wird das Recht, eine Aussage zurückzunehmen, nicht eingeräumt (vgl. Erler 308 Anm. 78). 37 sententiae: 'Urteil', 'Entscheidung' (Metapher aus dem jurist. Bereich; dazu s.o. 1, 5 [7]). 39 res enim mei iuris est: 'denn dies ist meine Befugnis' (nämlich als derjeniger, der zur Zeit im Gespräch die Überhand hat, dem Unterlegenen zu erlauben, seine Aussage zurückzunehmen). Allerdings gehorcht Licentius damit nur der Anweisung des Schiedsrichters. 39-45 tum Alypius ... progressurum: Die dramaturgische Funktion von Alypius' Einwurf ist wie schon in 1, 5 (7-12) die Retardation. 40 suscepti a me officii nondum partes esse: 'dass es noch nicht an der Zeit für das von mir übernommene Amt ist'. Alypius' 'Amt' ist das des Schiedsrichters (s.o. 1, 5 [7-11]). partes bedeutet 'Rolle', 'Aufgabe' (s.o. zu 1, 5 [10]). 41 iam dudum disposita profectio: disposita: 'anberaumt', 'festgesetzt'. Häufiger wird dafür das Verb constituere verwendet, so oben 1, 5 [8]: iter... constitutum (vgl. Hensellek 150 § 19). Zum Inhalt s.o. zu 1, 5 (7-12). 42 interrumpere: Die absolute Verwendung von interrumpere ist aussergewöhnlich (in TLL 7, 1, 2274, 21ff. wird neben der vorliegenden Stelle nur Avell. 12, 28 zitiert). 42f. geminatam sibi potestatem particeps mecum iudicii non renuet: Mit dem 'Teilhaber am Schiedsrichteramt' ist Augustin gemeint (s.o. zu 1, 6 [38f.]). Dessen Amtsgewalt wird insofern verdoppelt, als Alypius' Anteil daran auf ihn übergeht. 44 in reditum meum: Alypius nimmt in Acad. 2 und 3 wieder am Gespräch teil (vgl. Acad. 2, 10 [16]; s.o. zu 1, 5 [7-12]). - certamen: 'Streitgespräch'. Das Wort passt einerseits zum jurist. Vokabular von Acad. 1 (s.o. zu 1, 5 [7]; certamen als 'Gerichtsverhandlung' z.B. in Cie. Verr. 2, 2, 177; orat. 208; Tusc. 5, 78), andererseits zum Kriegsvokabular, das Augustin in der Rekapitulation des Gesprächs verwendet (s.u. zu 1, 24 [9f.]). 46f. temere dedi... sapientem: Seil, in 1, 7 (13f.). Zu temere s.o. zu 1, 5 (24f.). 47-50 ergone Cicero sapiens non fuit...? - etsi concedam... non omnia tarnen eius probo: Licentius begründet das Attribut sapiens nicht durch Ciceros philosophische Position (auf die er sich zwar zwar oben in 1, 7 [1627] beruft), sondern allgemeiner und unverfänglicher dadurch, dass Cicero die Philosophie in lateinischer Sprache begründet und zu ihrem Höhepunkt geführt habe. Trygetius entgeht dieser Unterschied jedoch nicht: Wenn er aufgrund von Licentius' Votum auch zugeben kann, dass Cicero den Rang eines sapiens hat, teilt er dennoch nicht sämtliche Positionen Ciceros (über-
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dies ist das Zugeständnis durch den potentialen Konj. concedam zurückhaltend formuliert). - Zur Anerkennung von Ciceros sprachlicher Leistung vgl. Acad. 2, 26 (37f.): quid putatis, inquarti, Ciceronem, cuius haec verba sunt, inopem fuisse latinae linguae... ? (weitere Belege bei Fuhrer z.St.). 50 atqui: 'jedoch', 'aber jedenfalls'. Licentius akzeptiert Trygetius* Argument grundsätzlich, fügt aber eine einschränkende Bedingung an. Die Partikel atqui wird bes. im Dialog verwendet und "fügt unter Einräumung des vorher Gesagten eine widerlegende oder einschränkende Behauptung mit versicherndem Nachdruck an" (KS 2,2, 89; vgl. LHS 493). 51 hoc, de quo agitur: Dies bezieht sich auf Licentius' Cicero-Referat in §7. 53 vestra: Seil, alle übrigen Gesprächsteilnehmer (Licentius als Kontrahent; Augustin als Schiedsrichter; Navigius). 53f. cuius ponderis ... rationes: Zur Formulierung vgl. oben 1, 7 (14f.): ergo eius (seil. Ciceronis) de hac re sententia habet apud te aliquid ponderis? Das vorliegende Argument beruht auf der grundsätzlichen Gegenüberstellung von ratio und auetoritas (dazu s.u. zu 1, 9 [61-63]). - ad id quod volo asserendum... afferam: '(wie gewichtige Gründe) ich für das anbringe, was ich (bei euch als wahr) durchsetzen will', asserendum (seil, esse) hängt von volo ab. 54-56 perge, inquit ille. quid enim audeam ... adversárium profitétur: Cursus velox. ille: seil. Licentius. Nach ille kann kein Sprecherwechsel stattfinden, da eindeutig Trygetius der 'Gegner Ciceros' ist (Z. 55f.; vgl. oben 49f.). Der überlieferte Text in Z. 55, quid enim, inquit, audeam (von Knöll und Green übernommen), ist somit fehlerhaft und inquit muss athetiert werden. - Die Hervorhebung des eigenen Ungenügens durch die rhetorische Frage (quid enim audeam etc.) sowie die Hochschätzung des Kontrahenten, des 'Gegners Ciceros', sind ironisch, denn Licentius vertraut im Grunde durchaus auf die Überzeugungskraft seiner Position und die Autorität seines Gewährsmanns Cicero (s.o. Z. 50f.). Zum Stilmittel der Ironie s.o. zu 1, 6 (38).
1, 9: Menschliche und göttliche Vollkommenheit 57-63 (1) volo attendas, ait, tu iudex noster (2) tu autem (Z. 60), Licenti, volo vel nunc mihi concedas ... perfectum non esse, qui adhuc veritatem requirat: Trygetius richtet je eine Forderung (1) an Augustin, der in 1, 6 (38f.) die Rolle des Schiedsrichters für sich beansprucht hat, und (2) an Licentius. Die Anordnung der Prädikate und Vokative in den beiden Gliedern ist chiastisch (volo attendas, tu - tu ..., volo ... concedas). (1):
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Forderung, auf die Glücksdefinition aus 1, 5 (23-30) zurückzukommen. Diese Definition bezieht Trygetius ab Z. 74 explizit in seine eigene Argumentation mit ein (s.u. zu Z. 72-77; vgl. auch die Ankündigung in 1, 5 [22], aus der Definition weitere Voten abzuleiten: ut ex eo colligam quid respondere conveniat). (2): Forderung, den Inhalt der zweiten Prämisse von 1, 7 (5f.: qui autem adhuc quaerit, perfectus non est) 'beim zweiten Anlauf' (vel nunc) zu akzeptieren. 57f. a t t e n d e s , q u e m ad modum ... definieris: '(ich möchte,) dass du die Aufmerksamkeit darauf richtest, wie du ... definiert hast (seil, in 1, 5 [2330]).' attendere mit indir. Fragesatz ist nicht unüblich (z.B. Cie. inv. 1, 8; 2, 175; vgl. TLL 2, 1121, 63ff.). Trygetius' drei Voten des vorliegenden Paragraphen enthalten je eine Frage, die mit 'wie' eingeleitet wird, doch mit sorgfältiger Variation (quo pacto, Ζ. 66; quomodo, Ζ. 73). 59f. beatum esse, qui secundum earn partem animi vivit, quam ceteris convenit imperare: S.o. zu 1, 5 (23-30). Mit earn partem etc. ist die Vernunft gemeint; s. dort zu Ζ. 27-30. Zu imperare s. dort zu Z. 27f. 61-63 liberiate ... iugum illud auetoritatis excussi: Mit auetoritas ist hier Cicero gemeint, dessen Lehrmeinung seit § 7 zur Diskussion steht (vgl. Nörregaard 131; Lütcke, Auct. I 149f.; das Demonstrativpron. illud, Z. 62, verweist sowohl auf etwas schon Genanntes als auch allseits Bekanntes). Das Bild der auetoritas als Joch ist auch in Ac ad. 2, 30 (27-30) impliziert: auetoritate magnorum excellentiorumque philosophorum, quibus nos praebere colla sive inbecillitas nostra sive sagacitas ipsorum ... compellif, vgl. c. Faust. 12, 2; ep. 29, 9 (weitere Beispiele bei Lütcke, Auct. 1157 Anm. 774f.). Mit libertas, auetoritas, vindicare verwendet Trygetius politische bzw. juristische Metaphern, die in philosophischen Zusammenhängen traditionell geworden sind (zum Gedanken, dass die Philosophie zu Freiheit führe, s.o. zu 1, 1 [14f.]; zu vindicare vgl. unten 1, 11 [43f.]: ab omni corporis labe animum vindicante j; 3, 1 [25-27]: philosophia... maiorempartem... sibi usurpet ac vindice f , 3, 38 [35-37]: qui se ab omnibus vitiis mundantes in aliam quandam plus quam humanam consuetudinem vindicarinf, Sen. epist. 1, 1: vindica te tibi\xx.ö.). Der vorliegende Einschub dokumentiert einen Lernprozess: Der Schüler beansprucht für sich, nicht nur angelesene Positionen zu repetieren (so Licentius in § 7), sondern eigenständige rationale Argumente zu entwickeln, die in diesem Fall auf die Widerlegung der auetoritas abzielen (s.o. 1, 8 [53f.]: nihil interest, nisi cuius ponderis ... rationes afferam). Dieser Versuch des Schülers, die ratio gegen die auetoritas auszuspielen, scheint bei Augustin singulär zu sein (vgl. Lütcke, Auct. I 184 Anm. 928). Im allgemeinen beschreibt dieser das Verhältnis von auetoritas und ratio dahingehend, dass auetoritas der ratio zeitlich vorangeht, um dann freilich von ratio als der
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übergeordneten Instanz ergänzt zu werden (ord. 2, 16 und 2, 24-26; bes. 2, 26 [4-12]: tempore auctoritas, re autem ratio prior est... quamquam bonorum auctoritas imperitae multitudini videatur esse salubrior, ratio vero aptior eruditis, tarnen ... non aperiatnisi auctoritas ianuam\ vgl. auch vera rei. 129: nam ipsi rationi purgatioris animae ... nullo modo auctoritas humana praeponitur, 134 [über die zweite von sieben 'geistigen Altersstufen', spiritales aetates]: non auctorìtatis humanae continetur sinu, sed ad summam et incommutabilem legem passibus rationis innititur, mag. 15 [152f.]; u.ö.). Die Vernunft gehört notwendig zu jeglicher Erkenntnis (vgl. ord. 2, 26); aber nur für sehr wenige Menschen ist sie auch eine hinreichende Voraussetzung für die Erkenntnis (vgl. ord. 2, 30). Daher kommt der auctoritas eine wichtige Rolle zu, und das Verhältnis von ratio und auctoritas ist grundsätzlich komplementär (vgl. auch Acad. 3, 43 [17f.]: gemino pondere nos impelli ad discendum auctorìtatis atque rationis', Nörregaard 130f.; weitere Literaturangaben bei Doignon, Etat 68f.). Zu Trygetius' Wagnis, sich von Cicero zu emanzipieren, passt hingegen die Bemerkung, dass die menschliche Autorität meistens irre (ord. 2, 27 [45f.]: humana vero auctoritas plerumque fallii). Die Bemerkung fällt im Zusammenhang mit der Unterscheidung von menschlicher und göttlicher Autorität (vgl. Lütcke, Auct. 1113-118). - Schon Cicero stellt einander ratio und auctoritas öfter gegenüber, indem er bald ersterer den Vorzug gibt (z.B. nat. deor. 1, 10), bald letzterer (z.B. ac. 2, 60; Tuse. 1, 49, mit auctoritas ist dort Piaton gemeint). Indem sich Trygetius von einer weithin akzeptierten Autorität befreit, nimmt er übrigens eine Haltung ein, die besonders die Skeptiker für sich beanspruchten: libertas bzw. licentia (εξουσία) sind zentrale Begriffe in Ciceros Darstellung der akademischen Skepsis, z.B. in ac. 2, 8: hoc autem liberiores et solutiores sumus, quod integra nobis est iudicandi potestas nec, ut omnia quae praescripta [et quibus] et quasi imperata sint defendamus, necessitate ulla cogimur, Tusc. 5, 33: quodcumque nostros ánimos probabilitate percussit, id dicimus, itaque soli sumus liberi; 5, 83: utamur igitur liberiate qua nobis solis in philosophia licet uti, quorum oratio nihil ipsa iudicat, sed habetur in omnes partes, ut ab aliis possit... iudicarv, o f f . 3, 20. Das Eigentümliche der skeptischen Akademie {proprium Academiae) ist gemäss div. 2, 150: nulla adhibita sua auctoritate iudicium audientium relinquere integrum ac liberum (vgl. Burkert 191f.). 62 philosophia pollicetur: Zum Topos, dass die Philosophie etwas 'verheisst', s.o. zu 1, 1 (19-22). 64 post diuturnum silentium: Licentius sieht sich hier zum zweiten Mal mit einer Behauptung konfrontiert (s.o. zu Z. 57-63), die er oben in § 7 nicht durch Argumentation, sondern unter Berufung auf Ciceros Autorität widerlegen wollte. Nachdem dieser Versuch fehlgeschlagen ist, fällt es ihm offen-
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sichtlich schwer, eine neue Antwort zu formulieren (zur Funktion der Gesprächspausen s.o. zu 1,7 [13]). 65f. istic sum ... et aveo audire: Trygetius' Antwort wirkt durch die zuvorkommende Ausdrucksweise, die in Widerspruch zur antagonistischen Gesprächssituation steht, ironisch (zur Ironie s.o. zu 1, 6 [38f.]): Die Dialogformel istic sum bedeutet 'hier bin ich', 'ich bin ganz Ohr' (Forc. 3, 632 beschreibt die Wendung als 'urbane dicta'; vgl. z.B. Ter. Hec. 114; Cie. fin. 5, 26; Aug. sol. 1, 15; u.ö.); aveo ist dichterisch und archaisch (vgl. TLL 2, 1313, 39ff.; Finaert 52; aveo audire in ähnlichem Tonfall z.B. auch Cie. div. 2, 128).
66f. quo pacto possit et... et...: Inhalt der Behauptung von Z. 63 (perfectum non esse, qui... requirat), als indirekte Frage formuliert. 67 ad finem: Das höchste Ziel (finis; τέλος) besteht für praktisch sämtliche Philosophenschulen in der beata vita (dazu oben S. 7). Differenzen bestehen jedoch in Bezug auf die Frage, wie man zum glücklichen Leben gelangt; dies zeigen die einander gegenüberstehenden Glücksbedingungen im vorliegenden Dialog (s.o. 1, 6 [40f.]). 68 fateor, quod: Der Konjunktionalsatz statt Acl nach Verba dicendi und sentiendi ist in den Frühschriften noch selten. In den Cassiciacum-Dialogen ist das Verhältnis von Acl zur analytischen Konstruktion 55 : 1 ; dagegen in conf., civ. und epist. 11,5 : 1; in den Predigten sogar 2 : 1 . Während in den Cassiciacum-Dialogen im quod-Satzes der oblique Konj. die Regel ist, wird später auch der Ind. gebräuchlich (vgl. Mohrmann 2, 248f.). Weitere Beispiele in Acad. sind 1, 15 (45): fingens, quod', 2, 26 (27): credo, quod', 3, 3 (29): disserendum ..., quod', 3, 9 (63): vide ri mihi, quod (vgl. Stotz 392-396; LHS 576f.; Schrijnen 325f.; Finaert 60). 68-72 (1) solum deum ... arbitrer... (2) hominis animam .... (3) hominis autem finis ...: Der Abschnitt ist in drei Schritte gegliedert, wobei Gott und die Seele des Verstorbenen auf der einen und der (lebende) Mensch auf der anderen Seite einander gegenübergestellt werden. Das gleiche Schema allerdings nicht auf Wahrheitserkenntnis, sondern auf sapientia bezogen referiert Augustin als skeptische Ansicht in Acad. 3, 20 (35-39): non quidem, dum hic vivis, sapiens eris - (1) est enim apud deum sapientia (3) nec provenire homini potest - sed cum te tali studio satis exercueris atque mundaveris, (2) animus tuus ea post hanc vitam, id est cum homo esse desieris, facile perfruetur. Die vorliegende Argumentation ist eine Weiterentwicklung der Akatalepsia-These, die Licentius in 1, 7 (20) referiert hat (nihil ab homine pereipi posse). Indem Licentius ungeachtet der Tatsache, dass er sich in 1, 7 auf diese These sowie auf die Forderung der Epoché beruft, hier gewisse Ansichten über Gott und das Weiterleben der Seele nach dem Tod formuliert,
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scheint er eher als Platoniker denn als Skeptiker zu sprechen; möglicherweise widerspiegelt sein Votum eine dogmatische Interpretation der philonischmetrodorischen Skepsis, die den Glauben an Gott impliziert (vgl. Brittain 137 Anm. 11; 230f.; s. auch unten zu 1,23 [44-46 und 50-57]). 68f. (1) veritatem autem illam solum deum nosse: illam: 'die in Frage stehende', 'die schon genannte' (nämlich Z. 63; 67; und passim; gemeint ist die 'Wahrheit an sich'). - Licentius vertritt die vorliegende Meinung auch unten 1, 23 (40-46); vgl. auch Acad. 3, 20 (35f.) (oben zu Z. 68-72 zitiert). Die These, dass nur Gott die Wahrheit erkennen könne, wird von Epiphanios schon Arkesilaos und Karneades zugeschrieben: Άρκεσίλαος εφασκε τ φ θ ε φ έφικτόν είναι μόνερ τ ό άληθές, άνθρώπορ δέ ού· Καρνεάδης τ α α υ τ ά τ φ Άρκεσιλάω έδόξασεν (Arkesilaos F 15 = Karneades F 8c Mette = Epiph. epit. haer. 3, 29f.); es dürfte sich allerdings um eine christliche Interpretation handeln (vgl. Mette, Arkesilaos 93; Görler 823f.). Damit werden die Skeptiker in die Tradition von Pythagoras und Sokrates gestellt, für die die Ansicht bezeugt ist, dass nur Gott weise sei; vgl. Pythagoras bei D.L. 1, 12: μηδένα y à p είναι σοφόν άλλ' ή θεόν (dazu Düring 179); Pl. Phdr. 278d 3f.: τ ό μεν σοφόν, ώ Φαιδρέ, καλεϊν εμοιγε μέγα είναι δοκεΐ και θ ε φ μόυω πρέπειν (einen Menschen könne man dagegen φιλόσοφος nennen); Prm. 134a-e (dazu Burkert 184f.). Der gleiche Topos findet sich in Arist. Metaph. 1, 2. 982b 28-32: διό και δικαίως äv ούκ ά ν θ ρ ω π ί ν η νομίζοιτο αύτης (seil, της φρονήσεως) ή κτησις· π ο λ λ α χ ή γ ά ρ ή φύσις δούλη τ ω ν ά ν θ ρ ώ π ω ν εστίν, ώστε κατά Σιμωνίδην 'θεός αν μόνος τ ο ΰ τ ' έχοι γέρας', άνδρα δ' ουκ άξιον μη οΰ ζητεΐν τ η ν καθ' α υ τ ό ν έπιστήμην; Iamb. Protr. 36, 11 Pistelli: μόνοις δέ μέτεστι θεοΐς (seil, ή σοφία θεωρητική). Doch nicht nur wird dieser Topos entsprechend den Bedürfnissen der Skeptiker abgewandelt, indem die Weisheit durch die Wahrheitserkenntnis ersetzt wird, sondern darüber hinaus beruft sich Licentius in Acad. 1 auf das Konzept einer spezifisch menschlichen und erreichbaren Weisheit, die jedoch nicht im Wissen um Wahrheit besteht, sondern in der Wahrheitssuche (s.u. zu Z. 70f. und zu 1,23 [44-46]). 69f. (2) aut forte hominis animam, cum ... dereliquerit: Den Gedanken, dass das absolut höchste Ziel erst nach dem Tod erreicht werden könne, wiederholt Licentius unten in 1, 23 (55f.): extremo die vitae ad id quod concupivit adipiscendum reperiatur paratas fruaturque merito divina beatitudine (vgl. auch Acad. 3, 20 [37-39] [oben zu Z. 68-72 zitiert]; ord. 2, 26 [25-27]: mox ut hoc corpus reliquerint, eos ... liberari). Er konnte darin von Cie. Hort. Fr. 110 G. = 101 S. = Aug. trin. 14, 12 beeinflusst sein (Szenario des Lebens nach dem Tod auf den Inseln der Seligen): una igitur essemus beati cognitione naturae et scientia, qua sola etiam deorum est vita laudanda (einen Bezug der vorliegenden Stelle zum Hortensius vermuten Ohlmann
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39f. und 43; Hartlich 297 Anm. 1; Alfaric 402 Anm. 1; Testard 1, 267). Den gleichen Gedanken schreibt Augustin in civ. 10, 29 p. 448, 11-15 D.-K. Porphyrios zu: ubi Piatonis sententiam sequens nec ipse (scil. Porphyrins) dubitas in hac vita hominem nullo modo ad perfectionem sapientiae pervenire, secundum intellectum tamen viventibus omne quod deest Providentia Dei et gratia post hanc vitam posse compleri. 69 forte: Die gleiche Zurückhaltung in Bezug auf das Weiterleben der Seele nach dem Tod begegnet auch in Cie. Hort. Fr. 110 G. =101 S. (ut fabulae ferunt), ebenso in Fr. 115 G. = 102 S. (magna spes est) (vgl. Ohlmann 40). 69f. hoc corpus, hoc est tenebrosum carcerem: Das platonische Motiv der Abwertung des Körpers im Vergleich zur Seele begegnet schon im Proömium (1,1 [Vf.]: divinum animum mortalibus inhaerentem\ s. z.St.); ebenso unten 1,11 (43f.). Das Bild des Körpers als Kerkers geht ebenfalls auf Piaton zurück und ist weit verbreitet; vgl. PL Phd. 62b 3f.· εν τινι φρουρά έσμεν οί άνθρωποι; 67d If.; Phdr. 250c 6; Plot. 4, 8, 1, 32f.; 6, 9, 9, 53f.; Cie. rep. 6, 14: qui e corporum vinculis tamquam e carcere evolaverunf, Verg. Aen. 6, 734: clausae (scil. animae) tenebris et carcere caeco; Sen. dial. 11, 9, 3: animus ... velut ex diutino carcere emissus, tandem sui iuris et arbitrii, gestii et rerum naturae spectaculo fruitur. Augustin verwendet das Bild des Kerkers oft (in Acad. noch 2, 7 [7f.], allerdings in einem anderen Zusammenhang); vgl. P. Courcelle, Tradition platonicienne et traditions chrétiennes du corps-prison (Phédon 62b; Cratyle 400c), REL 43 (1965) 406-443; dens., Connais-toi 345-393. Zu den möglichen Gründen für die Bindung der Seele an den Körper s.o. zu 1, 1 (6f.). 70f. (3) hominis autem finis est perfecte quaerere veritatem: perfecte quaerere als höchstes Ziel des Menschen auch unten Z. 79 und 93. Licentius nimmt damit Trygetius' Attribut des Weisen (perfectus) auf (1, 7 [5] und 1, 9 [63]), das er aber anders, nämlich als Attribut der Suche in seine Bestimmung des Weisen mit einbezieht (das gleiche Vorgehen schon in 1, 7 [25], wo er perfectum als Attribut von sapientiae munus aufnimmt). 'Perfekt' ist die Suche dann, wenn sie in dem für den Menschen möglichen Mass erfolgt (Z. 82f.; zu diesem Standpunkt s.o. S. 90f.). 71 f. perfectum sed tamen hominem: Absolute Perfektion (also die Wahrheitsfindung) ist gemäss Z. 68-70 Gott und möglicherweise der Seele nach dem Tod vorbehalten. Daraus folgt, dass der Mensch nicht die höchstmögliche Perfektion erreichen kann, sondern nur eine ihm angemessene. 72-77 (1) non igitur potest.... quomodo enim, cum ... nequeat? (Z. 74) (2) potest autem..., si quidem potest..., quam ... fas est (Z. 76). (3) potest igitur verum invenire: Die Passage ist durch das viermal wiederholte potest strukturiert. Die Argumentation ist syllogistisch. (1): Das Fazit aus Licentius'
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Votum und die rhetorische Frage (Z. 72-74) geben indirekt Trygetius' eigene Position wieder (gemäss 1, 6 [40f.]: 'nur wer die Wahrheit findet, ist glücklich'). Diese Position, von der sich Trygetius offensichtlich durch seinen Kontrahenten nicht abbringen lässt, bildet die erste Prämisse. (2): Innerhalb der zweiten Prämisse (Z. 74-76) wird im íí'-Satz die Glücksdefinition aus 1,5 (23-30) mit einbezogen (wie oben Z. 57-60 angekündigt). (3): Die Folgerung beweist, dass die Wahrheitsfindung möglich ist bzw. dass die in der ersten Prämisse implizierte Glücksbedingung erfüllt werden kann. Der Beweisgang lautet folgendermassen: Wer die Wahrheit nicht erreichen kann, ist nicht glücklich (Z. 72-74). Wenn der Mensch vernunftgemäss leben kann, dann kann er glücklich sein (Z. 74-76). Also kann er die Wahrheit erreichen (Z. 76f.).49 75 si quidem: Kausales si in Verbindung mit quidem ist besonders oft bei den Kirchenvätern belegt (vgl. LHS 673f.). 76 quam dominari... fas est: Zur Relation der Seelenteile untereinander s.o. zu 1, 5 (27f.). 77f. aut... non concupiscat verum, ne, cum... non potuerit, necessario miser sit: Iteratives cum mit Konj. (potuerit) ist selten; bes. Konj. Perf. und Präs. sind nachklassisch (vgl. KS 2, 2, 206). Oft enthält der cwm-Satz in diesen Fällen eine kausale Färbung, so hier (vgl. LHS 624). Die vorliegende Stelle ist ein indirekter Beweis des Gesagten durch Reductio ad absurdum der Gegenposition: 'Andernfalls soll er sich zusammennehmen und die Wahrheit nicht begehren, damit er nicht, wenn er sie nicht hat erreichen können, zwangsläufig unglücklich ist'. Die Forderung, die Wahrheit nicht zu begehren, ist im vorliegenden Kontext absurd, denn darüber, dass man auf jeden Fall nach der Wahrheit streben muss, sind sich alle Gesprächsteilnehmer einig (s.o. zu 1, 6 [40f.]). Die im Finalsatz implizierte
49 Anders gibt Kirwan 17-20, das Argument wieder. Während die allgemeine Voraussetzung gelte, dass jeder Glückliche nach Wahrheit strebe ("Every happy man greatly desires the truth"), laute der Syllogismus folgendermassen: "Men can be happy." "No man can be happy if there is something he greatly desires but cannot attain." 'Therefore some men can attain some truth." Gemäss dieser Darstellung könnten nur die Glücklichen Wahrheit erlangen, wobei aber nicht ausgeschlossen werden könne, dass niemand tatsächlich glücklich sei. Die Wiedergabe der allgemeinen Voraussetzung ist allerdings fehlerhaft. Sie müsste richtig lauten: "Every man greatly desires the truth." Dies geht erstens aus 1,5 (2-4) hervor; zweitens wäre gerade Trygetius mit der zuerst genannten Version nicht einverstanden: Gemäss seiner Position strebt der Glückliche nicht mehr nach Wahrheitserkenntnis, da er diese ja hat.
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Behauptung, dass notwendig unglücklich sei, wer die Wahrheit nicht erreiche, wird von Licentius aber bestritten, wie er in Z. 78-95 ausführt. 78-85 at hoc ipsum = Cie. Hort. Fr. 108 G. Die vorliegende Stelle wurde aufgrund der inhaltlichen Nähe zum Cicero-Referat in 1, 7 (16-23) (Wahrheitssuche als Glücksbedingung) Ciceros Hortensius zugeschrieben (ebenso Z. 86-89); s. jedoch die Vorbehalte gegenüber dieser Zuweisung oben S. 22. Zur Wahrheitssuche als Inhalt und Zweck der Philosophie bei Cicero (Z. 83: inveniendae veritati) s.o. S. 90f. 79 beatum hominis perfecte- quaerere veritatem: Zu beatum als Subst. (τό μακάριον) vgl. Cie. fin. 5, 84: in qua (seil, virtute) sit ipsum etiam beatum; Tusc. 5, 45; Sen. epist. 74, 29: beatum enim illud uno loco positum est, in ipsa mente. - Die Bestimmung des Glücks des M e n s c h e n entspricht derjenigen des höchsten Ziels des M e n s c h e n , das vom τέλος Gottes bzw. der Seele nach dem Tod abgehoben wurde (oben Z. 70f.: hominis autem finis est perfecte quaerere veritatem). In 1, 23 (56f.) stellt Licentius dementsprechend dem menschlichen Glück auch ein göttliches Glück gegenüber (s. z.St.). Zur Formulierung perfecte quaerere vgl. Z. 70f. und Z. 93. 80-85 quisquís ergo quisquís autem (Z. 82)...: Nachdem Licentius in Z. 78-80 festgelegt hat, was das Ziel des Menschen ist, kann er daraus eine Bestimmung desjenigen ableiten {ergo, Z. 81), der das Ziel nicht erreicht, und desjenigen, der es dagegen erreicht. Die Alternative wird durch die Anapher von quisquís markiert. 82f. tantum, quantum homo potest ac debet, dat operam inveniendae veritati: Zur Formulierung vgl. unten Ζ. 88: quantum potest instai investigandae veritati', 1,11 (45): dantes, quantum homini licet, operam rationi (zur Annahme, dass solche stereotypen Formulierungen auf placita verweisen, s.o. zu 1, 6 [39-41]). Zur Einschränkung quantum... potest s.u. zu 1, 23 (51). 84 etiamsi eam non inveniat, beatus est: Vgl. Licentius' Cicero-Referat oben 1, 7 (17f.): beatum esse ... etiamsi ad eius (seil, veritatis) inventionem non valeat pervenire; unten Z. 85. Gemäss dem genannten Referat trifft die vorliegende Hypothese zu, dass der Suchende die Wahrheit nicht finde (s.o. zu 1, 7 [20]: nihil ab homine percipi posse). Görler, Cicero 176, fasst daher den potentialen Konj. der vorliegenden Stelle als irreal auf. 84f. totum enim facit, quod ut faciat, ita natus est: 'denn er tut vollständig, was zu tun er geboren ist'. Ein inhaltlich vergleichbarer Konsekutivsatz findet sich in Cie. o f f . 1, 103: neque enim ita generati a natura sumus, ut ... videamur (vgl. KS 2, 2, 248). Auffällig sind an der vorliegenden Stelle jedoch die Verschränkung von Konsekutiv- und Relativsatz sowie die Tatsache, dass der Konsekutivsatz wegen dieser Verschränkung vor dem Hauptsatz steht.
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85f. inventio autem si defuerit,... quod natura non dedit: Vgl. oben 1, 1 (6-8): ita comparatum est... sive pro necessitate naturae, ut divinum animum mortalibus inhaerentem nequaquam sapientiae portus accipiat (s.o. zu 1, 1 [6f.]); Cie. ac. 2, 32 (Einwurf eines skeptischen fictus interlocutor): na tur am accusa, quae in profundo veritatem, ut ait Democritus, penitus abstruserit.50 Gemäss Licentius' Cicero-Referat in § 7 trifft die vorliegende Hypothese zu (s.o. zu Z. 84). 86-89 postremo ...? beatus igitur erit: = Cie. Hort. Fr. 109 G. = Test. Hagendahl 192b; vgl. auch Testard 2, 2. Die Zuschreibung folgt aus der inhaltlichen Nähe zum Cicero-Referat in 1, 7 (16-23) (Wahrheitssuche als Glücksbedingung; vgl. Grilli 151; s. auch oben zu Z. 78-85; vgl. jedoch die Vorbehalte gegenüber der Zuschreibung oben S. 22. - Zum Futur (erit, Z. 89) als 'gnomischem Tempus' in Schlüssen vgl. KS 2, 1, 143 (gleiche Verwendung des Futurs auch unten 1, 14 [33; 37f.]). - Der Syllogismus lautet: Der Mensch ist entweder glücklich oder unglücklich (Z. 86f.). Wer immer sucht, ist nicht unglücklich (Z. 87-89). Also wird, wer immer sucht, glücklich sein (Z. 89). 86f. cum ... aut beatum esse aut miserum: Zur ersten Prämisse vgl. unten 1, 14 (37f.): omnis autem homo aut miser aut beatus; beata ν. 24 (21f.): nihil esse medium inter miserum et beatum. Die Vorstellung, dass es zwischen dem Zustand des miser (~ stultus) und demjenigen des beatus (~ sapiens) kein Mittleres gibt, ist stoisch (vgl. M. Pohlenz, Die Stoa [Göttingen 6 1984] 1, 154; Forschner 198; P. Donini in History of Hell. Philos. 715). 87-89 nonne dementis est... miserum dicere?: Die zweite Prämisse fasst Licentius' Ausführungen der Ζ. 78-86 in Form einer rhetorischen Frage zusammen; zum Inhalt vgl. auch unten 1,11 (41f.). 87f. dies noctesque quantum potest instat investigandae veritati: Vgl. oben Z. 82f.: tantum, quantum homo potest ac debet, dat operam inveniendae veritati (s. z.St.). Zur dichterischen Junktur instare mit Dat. finalis in der Bedeutung 'sich bemühen um' vgl. z.B. Verg. Aen. 1, 504: instans operi·, Ον. ars 2, 535: animus maioribus instat, zur Verbindung mit Gerundiv vgl. Amm. 22, 7, 7; Aug. civ. 2, 26 p. 93, 9f. D.-K. Zum Wortlaut vgl. die Wendung dies noctesque considerantibus in Fr. 115 G. = 102 S. (zu 1, 23 [50-57] zitiert). Zur Einschränkung quantum potest s.u. zu 1, 23 (51). 89f. deinde illa defînitio ... uberius suffragatur: uberius kann als "gezierte Variante" von plus verstanden werden (so Hensellek 161 § 79 mit Verweis auf sol. 2, 32: quod vides mihi plurimum suffragare). suffragari ist eine Metapher aus dem polit. Bereich ('die Stimme abgeben für'). - Nach 50 Vgl. Democr. VS 68 Β 117: έτετ) 8è ούδεν ίδμεν· έν β υ θ φ γ ά ρ ή άλήθεια (der Gedanke, dass die N a t u r Ursache der Verborgenheit der Wahrheit sei, ist bei Demokrit jedoch nicht belegt).
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Abschluss der Beweisführung {postremo, Ζ. 86) fügt Licentius ein weiteres Argument an (deinde, Ζ. 89), indem er einen Bogen zurück zur Glücksdefinition von 1, 5 (23-30) schlägt. Mit dieser Bezugnahme folgt er Trygetius' Vorgehen (s.o. zu Z. 57-63). Die Redundanz seiner Argumentation wird zusätzlich durch den Komparativ des Adv. betont (mihi... uberius suffragatur: '... erhalte ich noch eloquentere Unterstützung'). 90-95 nam s i e t q u a e r o .... quod si absurdum est, quid dubitamus ...?: Licentius strukturiert den Abschluss seiner Argumentation ähnlich wie am Ende von § 7: Auch dort folgte auf einen hypothetischen Syllogismus eine rhetorische Frage (1, 7 [24-27]: quam ob rem si et... et..., quid dubitamus ...?). Die Wiederholung des Argumentationsmusters wirkt schulmässig. 90-92 si beatus est, sicuti est, qui..., et... ratio dicitur: Die erste Prämisse des Syllogismus erhält Nachdruck durch Alliteration (si) und Epipher (est). Zur Relation der Seelenteile untereinander s.o. zu 1, 5 (27f.); zu ratio s.o. zu 1,5 (27-30). 92f. utrum non secundum rationem vivat qui quaerit perfecte veritatem: utrum kann als Fragepartikel in einer eingliedrigen Frage verwendet werden, wenn das zweite Glied der Doppelfrage aus dem Zusammenhang erschlossen werden kann (so hier: 'ob nicht gemäss der Vernunft lebt [oder nicht], wer ... sucht'; vgl. KS 2, 2, 529). - Indirekte rhetorische Frage, in der Licentius die Glücksdefinition gemäss seiner Bestimmung des höchsten Ziels oben Z. 71 und 78f. explizit als perfekte Wahrheitssuche interpretiert (zur Tradition dieser Position vgl. oben S. 91 mit Anm. 38). 93-95 quod si absurdum est, quid dubitamus ... sola ipsa inquisitióne veritátis?: Cursus trispondaicus. Licentius beantwortet seine eigene indirekte rhetorische Frage durch eine weitere rhetorische Frage. Zur Formulierung s.o. zu 1, 7 (26f.: per se ipsa investigatione veritatis).
1, 10-1, 12: Irrweg und Irrtum In seinem zweiten Argument gegen Licentius' skeptische Position erhebt Trygetius das Thema des Irrtums zum neuen Mittelpunkt des Gesprächs, und zwar kurz bevor das erste Tagesgespräch beendet wird (§ 10). Indem das neue Thema vor dem szenischen Einschnitt eingeführt wird, erhält dieser die Funktion einer Retardation.1 Mit der Diskussion des error stösst das Gespräch zu demjenigen Element vor, das gemäss Augustins Rekapitulation die 'Pièce de résistance' der akademisch-skeptischen Philosophie darstellt.2 Zunächst formuliert Trygetius eine gegen die skeptische Position zugeschnittene Definition des Irrens: Suchen, ohne zu finden (§ 10 [17f.]). Dieser Definition setzt Licentius in einem zweiten Schritt die stoische error-Konzeption entgegen, die von den akademischen Skeptikern in ihrer Polemik gegen die stoische Wahrnehmungslehre aufgenommen worden ist: error ('Irrtum') ist die Zustimmung zum Falschen anstelle eines Wahren (§ 11 [36f.]). Er knüpft damit an sein Cicero-Referat in § 7 an. In der Folge konzentriert sich Licentius in einer längeren Rede auf die Widerlegung der gegnerischen Vorstellung von error. Sein eigener Definitionsvorschlag wird dagegen in Acad. 1 noch nicht diskutiert, sondern erst in 3, 34. Die Auseinandersetzung um den error als (Irr-) Weg leitet zur stoischen Definition der Weisheit als recta via vitae über (§13 [6])·
1, 10: Erste Definition: Irren als 'Suchen, ohne zu finden' 1-3 mihi ... videtur. errat autem omnis, ... nec invenit: Trygetius' zweites Argument gegen die These, dass die Wahrheitssuche hinreichende Glücksbedingung sei (zum ersten Argument s.o. 1, 7 [4-7]). Es wird in Form eines Enthymems, d.h. eines unvollständigen Syllogismus gegeben: Wer irrt, lebt nicht vernunftgemäss und ist nicht glücklich (s.u. zu Z. lf.). Wer immer sucht und nicht findet, irrt (s.u. zu Z. 2f.). (Implizit: Wer immer sucht und nicht findet, ist nicht glücklich.) 1 Ähnlich auch Acad. 1,15 (vgl. Voss, Dialog 222). 2 Vgl. Acad. 1, 24 (25f.): ubi enim arcem locaverunt Academici ... nisi in erroris definitione? (s. z.St.).
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Zum Enthymem vgl. Quint, inst. 5, 14, 1: habet enim (seil, enthymema) rationem et propositionem, non habet conclusionem: ita est ille imperfectus syllogismus (vgl. 5, 14, 24; anstelle der Schlussfolgerung kann auch eine der beiden Prämissen fehlen; vgl. Iul. Vict. rhet. p. 53, 5ff. Giomini/Celentano). Das Enthymem wird wegen der rhetorischen Qualität der Brevitas geschätzt (vgl. Lausberg 199f. § 371). If. nec secundum rationem vivere nec beatus omnino quisquís errat: Erste Prämisse. Trygetius bezieht die Glücksdefinition von 1, 5 (23-30), deren Definiens und Definiendum er mit nec ... nec korreliert, in seine Argumentation mit ein (wie schon in 1, 9 [59f.; 74-76; s. dort zu Z. 57-63]). Inhaltlich darf die erste Prämisse als allgemein anerkanntes Axiom gelten (vgl. Licentius' Antwort in Z. 5f. und oben zu 1, 7 [23]: liberari errore non posset, quae maxima est culpa sapientis). 2f. errat autem omnis, qui semper quaerit nec invenit: Zweite Prämisse. Trygetius verwendet errare hier in der nicht-terminologischen Bedeutung 'herumirren', mit der er Licentius in Verlegenheit bringen kann (s.u. zu Z. 6 und 6f.). Die Formulierung richtet sich gegen die skeptische Vorstellung des Glücks als fortwährender Wahrheitssuche. 3-5 unde tibi unum e duobus monstrandum est ...: Um die unausgesprochene Schlussfolgerung aus Z. 1-3 abzuweisen, muss Licentius entweder die erste oder die zweite Prämisse des Enthymems widerlegen. 5f. beatus errare non potest: Der erste Teil von Licentius' Antwort nimmt auf die erste Prämisse von Trygetius' Enthymem bezug (Z. lf. und 4), die er als zutreffend akzeptiert. 6 cum diu siluisset: Licentius hat offensichtlich Mühe, einen Einwand gegen die zweite Prämisse von Trygetius' Enthymem (Z. 2f.) zu finden (zur Funktion der Gesprächspausen s.o. zu 1, 7 [13]). 6f. non autem errat... cum quaerit, quia ut non erret quaerit: Der zweite Teil von Licentius' Antwort richtet sich gegen die zweite Prämisse (Z. 2f.). Die Suche als Bestreben, Irrtum zu vermeiden (quia ut non erret quaerit), kann jedoch nur dann als Widerlegung dieser Prämisse gelten, wenn Irrtum entgegen Trygetius' Ansicht nicht als Nicht-Finden verstanden wird (sondern vielmehr als eine Folge der Zustimmung zu unsicheren Dingen). Die benötigte Alternative, das akademisch-skeptische Konzept des Irrtums, hat Licentius zuvor zwar selbst referiert (1, 7 [21-23]). Er scheint sich aber dessen nicht bewusst zu sein, sondern bittet aus Ratlosigkeit unten in Z. 1823 um Aufschub. Erst am folgenden Gesprächstag beruft er sich explizit auf das genannte Konzept des Irrtums (1, 11 [36f.]). Indirekt wird damit gezeigt, wie begrenzt der Nutzen des blossen Auswendiglernens von Schulmeinungen ist: Licentius hat zwar einerseits das akademisch-skeptische Konzept des
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error in § 7 selber schon vorgebracht, ist aber hier unfähig, es tatsächlich in seine Argumentation mit einzubeziehen (s. auch oben S. 11). 8f. sed errat, cum minime invenit: Trygetius beharrt auf seinem Konzept des Irrens von Z. 2f.: 'Suchen, ohne zu finden'. 9f. ita ... profuturum ..., quod ..., quasi: ita korreliert mit quasi (ähnlich z.B. Cie. Tuse. 1, 13: ita iocaris, quasi ego dicam... .prodesse mit fakt. quod (statt Acl) ist nicht unüblich (vgl. Cie. fin. 5, 69; Flacc. 101; Ov. trist. 2, 1, 266; 3, 2, 5; u.ö.). lOf. quasi nemo erret invitus aut quisquam omnino erret nisi invitus: Der gleiche Gedanke wird zweimal formuliert, wobei nemo und quisquam ... nisi einander in der Struktur entsprechen und invitus durch die Epipher hervorgehoben wird. - Da Trygetius nicht von der unausgesprochenen Voraussetzung von Licentius' Votum in Z. 6f. aus argumentiert (error als Folge der - freiwilligen - Zustimmung zu unsicheren Dingen; s. z.St.), kann er Licentius die banale Feststellung entgegensetzen, dass Irrtum immer u n f r e i w i l l i g geschehe, dass also mit anderen Worten das blosse Bestreben, Irrtum zu v e r m e i d e n , nicht vor Irrtum b e w a h r e (zur Annahme, dass die assensio freiwillig geschehe, s.o. zu 1, 7 [21-23]). 1 lf. tum ego ... definiendum vobis est... quid sit error: Augustin hilft den Schülern aus der Sackgasse, indem er eine von beiden akzeptierte Definition des error als neue Argumentationsgrundlage fordert (zu Augustine Hilfestellungen s.o. zu 1, 5 [21]). 12-15 facilius enim eius fines ...: Spiel mit der Mehrdeutigkeit der Wörter error und (de-) finire bzw. fines, die einerseits den Gesprächsinhalt betreffen (s.o. Z. 11 f.), andererseits aber hier auf die Gesprächssituation bezogen werden. Das Spiel wird von Licentius in seiner Erwiderung aufgenommen (Z. 15), ausserdem noch 1, 11 (34f.); 1, 12 (75) und 1, 13 (21f.); ähnlich auch 1, 12 (71). Auf vergleichbare Weise wird in beata ν. mit der Gesprächssituation beim Essen gespielt, indem das kulinarische Vokabular metaphorisch auch auf den Fortgang des Gesprächs selber bezogen wird (s.o. zu 1,4 [86]). 13f. in quem iam penitus ingressi estis: Grund dieses Vorwurfs ist, dass die Schüler nicht erkannt haben, dass sie sich über das Konzept des error verständigen müssen, bevor sie damit argumentieren können. Zu diesem methodischen Grundsatz s.o. zu 1, 5 (21). 14f. ego ... idoneus non sum: Entschlossener als hier weigert sich Trygetius unten in 1, 15 (41-43), eine eigene Definition zu formulieren (zur Schwierigkeit des Definierens s. z.St.). 16f. non ingenio, sed causa optima: Die Hervorhebung der eigenen günstigen Sachlage (causa) ist ein Topos der Gerichtsrede (Lausberg 159 § 278). Vgl. auch Acad. 2, 16 (9): tanta causae bonitate subnixus. Zum Gerichtsvokabular im Dialog s.o. zu 1, 5 (7).
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17f. nam errare númquam inveníre: Cursus trispondaicus. Erste Definition: Trygetius antwortet auf Augustins Forderung nach einer Definition von error (Z. 1 lf.) mit einer Definition des Verbs errare, die inhaltlich der zweiten Prämisse seines Enthymems entspricht (s.o. zu Z. 2f.). Das Verb erscheint ihm wohl deshalb als vorteilhaft, weil er seine Vorstellung des Irrens als eines fortwährenden und unvollendeten Prozesses mit den Infinitiven und den zugehörigen antithetischen Adverbien (semper quaerere, numquam invenire) prägnant ausdrücken kann (das dieser Konzeption entsprechende Substantiv müsste etwa als 'Irrweg' oder 'In-die-Irre-Gehen' verstanden werden). Die zweite Definition (unten 1, 11 [36f.] von Licentius formuliert) gilt dagegen dem Substantiv error. - Eine ähnliche errorKonzeption wird in lib. arb. 2, 101 formuliert: error est enim cum sequitur aliquid quod non ad id ducit quo volumus pervenire (seil, ad beatitudinem). 20f. aut ita mihi apparet: Ein Tribut an die skeptische Haltung, gemäss der ja keine sicheren Aussagen über eine 'Sache an sich' (res ipsa per se, Ζ. 20) möglich sind (Akatalepsia-These, s.o. zu 1,7 [20]). 21f. peto a vobis, ut usque in crastinam lucem quaestio differatur: Die Junktur crastina lux ist poetisch und biblisch (z.B. Verg. Aen. 8, 170; Idc 6, 31; vgl. TLL 4, 1106, 51-60). - Die Bitte um Aufschub und die explizite Aufsparung eines Themas für später (besonders am Ende eines Dialoges) sind geläufige Dialogmotive; vgl. unten 1, 15 (54-56): quasi de integro magnum quiddam disserendum viderem oboriri, in alium diem distuli', 1, 23 (24f.); 1, 24 (2f.) (s. z.St.); ord. 1, 33 (62): placuit quaestionem differrv, Cie. de orat. 2, 367; rep. 2, 70 (vgl. Gunermann 193-195). 22 si... potuero: si mit kausaler Färbung (dazu KS 2, 2,427; LHS 673f.). 23 cum id sedulo mecum ipse volvam: Die Vorstellung, Denken bedeute, einen Gegenstand bei sich selbst hin und her zu bewegen (auch unten 1, 20 [29f.]), ist im Anschluss an Homer konventionell; vgl. Catull. 64, 250; Verg. Aen. 1, 50; 4, 533; Sail. Cat. 32, 1 (s. C. Sallustius Crispus De Catilinae coniuratione. Kommentiert von K. Vretska [Heidelberg 1976] z.St.); Liv. 26, 7, 3; u.ö. Damit verbunden ist auch die platonische Auffassung des Denkens als eines Selbstgesprächs (Pl. Tht. 189e 6-190a 1; Sph. 263e 3-5; vgl. Aug. ord. 2, 19, 50 [36-38]: haec et alia multa secum anima bene erudita loquitur atque agitat). 24 ire surreximus: Der Inf. nach Verben der Bewegung ist altlat. und nachklass.; er tritt bes. häufig seit Tert. auf, bisweilen in Nachahmung des Griechischen (KS 2, 1, 680f.; LHS 344f.). - non renuentibus ceteris: Zur Forderung, dass stets alle jeden Gesprächsschritt gutheissen müssen, s.o. zu 1, 5 (4). 25 nobisque ... sermocinantibus: 'während wir uns ... unterhielten'. Zu Unrecht will Bogan 55 und 58 hier eine unübliche Bedeutung 'to dispute, to
1 , 1 1 : Irrtum als Zustimmung
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discuss' feststellen. Vielmehr wird gerade zwischen philosophischem Dialog und entspannter Unterhaltung unterschieden (vgl. Z. 25-27: in cogitatione defixus vs. relaxare animum). 27f. cum advesperasceret: Nach Einbruch der Dunkelheit werden die Gespräche stets unterbrochen; vgl. Acad. 2, 24 (29f.); 2, 29 (1 lf.); 2, 30 (44); Cie. de orat. 3, 209; u.ö. (zu diesem Dialogtopos vgl. Becker 29). Dies wird insbesondere damit begründet, dass der Stenograph in der Dunkelheit nicht mehr mitschreiben könne (unten 1, 15 [54]). In 3, 44 (26f.) setzt Augustin allerdings seine oratio perpetua nach Einbruch der Nacht bei Lampenlicht fort (vgl. auch ord. 2, 54). 28 conflictum: conflictus ('das Zusammenschlagen') im Sinn von (mündlichem) 'Kampf, Streit' ist erst ab dem 4. Jh. belegt (auch Acad. 2, 22 [26]; vgl. TLL 4, 238, 16ff.). 28f. modum imgosui gerguasique, ut in alium diem differii ßaterentur: Die Passage ist reich an Alliterationen und Assonanzen. - Zum Topos des 'rechten Masses' der Gesprächseinheit vgl. PI. R. 5. 450b 5; Cie. Tusc. 4, 82; Aug. Acad. 3, 45 (54-56); u.ö. Augustin verwendet diesen Topos bisweilen mit expliziter Anknüpfung an die philosophische Konnotation des Begriffs {modus als Mass der universalen Ordnung), so in ord. 1, 26 (106f.): ubi non modus? atque inde admoniti, ut spectandi modus esset, perreximus; 1, 33 (61f.); 2, 50 (36-38): haec et alia multa secum anima bene erudita loquitur atque agitai, quae persequi nolo, ne, cum ordinem vos docere cupio, modum excedam, qui pater est ordinis; ebenso mit Anknüpfung an die theologische Konnotation des Begriffs (modus als erste Person der Trinität), so in Acad. 2, 9 (62f.): coepi metuere, ne hoc prineipium modum excederet... . nam modus proeul dubio divinus est", beata ν. 36 (294f.): modus ipse nos admonet et convivium aliquo intervallo dierum distinguere. Vgl. auch oben zu 1, 8 (33) (Regeln der Gesprächsführung). Zum Motiv des Aufschubs s.o. zu Z. 21f. 30 inde ad balneas: Das Bad ist hier ein Ort der Erholung; in der Fortsetzung des Dialogs ist es auch Ort des Gesprächs; vgl. Acad. 3, 1 (1-3): cum post ilium sermonem... alio die consedissemus in balneis... sic exorsus sum.
1, 11: Zweite Definition: Irrtum als 'Zustimmung zum Falschen anstelle des Wahren' Der Paragraph wird von Licentius' Rede dominiert, in der er einerseits ein auf die Stoiker zurückgehendes Konzept des error vorbringt und illustriert (Z. 35-50), andererseits Trygetius' Definition von § 10 widerlegt (Z. 50-62). 31 postridie autem cum consedissemus: Zweiter Gesprächstag. Zu den Gesprächsorten in Acad. s.o. zu 1, 5 (1).
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3 If. proferte ... coeperatis: Bei der Wiederaufnahme des Gesprächs wird jeweils das bisher Gesagte rekapituliert; so auch unten 1, 16 (3-11); 2, 25 (9f.); beata ν. 17; 23; ord. 2, 2 (vgl. O'Meara, Hist. 166). Es ist daher unnötig, an der vorliegenden Stelle die ungewöhnliche Bedeutung 'fortsetzen' für proferre anzunehmen (gegen Hensellek 157 § 57). Mit der gleichen didaktischen Absicht fordert Augustin in Acad. 2, 29 (15-17) vor der Unterbrechung eine konzise Formulierung der Fragestellung: volo inter nos hodie pienissime constet, ad quam quaestionem nobis explicandam mane surgendum sit. Ebenso rekapituliert Augustin am Schluss von Acad. 1 den ganzen bisherigen Gesprächsverlauf (§ 24). Zu Beginn des Dialogs in Acad. 2 wird das Gespräch des ersten Buchs dagegen durch die Lektüre der stenographischen Mitschrift vergegenwärtigt (2, 10 [15-19]). Auch am Anfang von Acad. 3 knüpft Augustin durch eine knappe Zusammenfassung wiederum an Acad. 1 an (3, 1 [15-19]). Die Verweise auf vorangehende und kommende Diskussionen können als typische Stilmerkmale des „school-room"-Dialogs verstanden werden (O'Meara, Academics 29 m. Anm. 152). 32f. distuleramus: Zum Dialogmotiv des Aufschubs s.o. zu 1, 10 (21f.). 33 rogatu meo: Zu rogata + Possessivpron. vgl. Cie. Verr. 2, 1, 88; leg. 3, 13; u.ö.; häufiger ist die Verbindung mit einem Gen. subj. belegt; vgl. Cie. Brut. 87; 205; u.ö. 34 hic plane ... non erras: Zum Spiel mit errare auf zwei Bezugsebenen (Gesprächsinhalt und Gesprächssituation) s.o. zu 1, 10 (12-15). 35 omen: Augustin kritisiert in retr. 1,1,2 diese Verwendung des Wortes, weil es weder in der Bibel vorkomme noch unter Christen geläufig sei (zu hic plane ... optaverim, Z. 34f.): hoc licet non serio, sed ioco dictum sit, nollem tamen eo verbo uti. omen quippe me legisse non recolo sive in sacris litteris nostris sive in sermone cuiusquam ecclesiastici disputatoris, quamvis abominatio inde sit dicta, quae in divinis libris assidue reperitur (vgl. Mohrmann 1, 384; Schrijnen 327). Entgegen Augustins Einschätzung kommt omen in 3 Rg 20, 33 vor. 36 quod heri etiam ... protulissem: Vgl. 1, 10 (27-29). etiam bedeutet hier ~ iam (vgl. Hensellek 172 § 140). 36-40 error... non igitur potest errare: Die Schlussfolgerung dieses Syllogismus wird schon in Z. 37f. vorausgenommen; die zweite Prämisse wird als Begründung dieser eingeschobenen Schlussfolgerung formuliert. Das Argument lautet: Irrtum ist die Zustimmung zum Falschen anstelle eines Wahren (Z. 36f.). Etwas Falschem kann nicht zustimmen, wer seine Zustimmung zu nichts gibt (Z. 39). Also kann er nicht irren (Z. 39f.).
1,11: Irrtum als Zustimmung
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36f. error... falsi pro vero approbatio: Zweite Definition; diese gilt dem Substantiv error (die erste Definition, 1, 10 [17f.], galt dem Verb errare). Licentius knüpft damit an die Auffassung des error an, die er schon in 1, 7 (21-23) unter Berufung auf Cicero vorgebracht hat: si incertis rebus esset assensus, ... liberari errore non posset (approbare ~ assentiri; s. z.St.)· Die gleiche Konzeption des error kehrt später in Augustins Referat des zenonischen Kriteriums der Wahrheit wieder (Acad. 2, 11 [8f.]); sie liegt auch in Acad. 3, 31 (57f.) = Cie. Hort. Fr. 51 G. = 92 S. zugrunde: certe in Hortensio legistis si igitur nec certi est quidquam nec opinari sapientis est, nihil umquam sapiens approbabif, auch sol. 2, 3; lib. arb. 1, 77; 3, 179; trin. 9, 16; ench. 17; 19; 20; u.ö. Cicero versteht allerdings die 'Zustimmung zum Falschen anstelle eines Wahren' nicht als error (άμάρτημα), sondern als opinio (δόξα), so ac. 2, 66-68; Hort. Fr. 51 G. = 92 S. opinio und error werden jedoch oft analog verwendet (vgl. die Stellen bei Fuhrer zu 2, 11 [8f.]). O'Daly spricht in Bezug auf die vorliegende Stelle von einer 'psychologischen' Definition des error, wohl weil der voluntare Akt der Zustimmung vorausgesetzt wird (G.J.P. O'Daly, Anima, erroryfalsum en los primeros escritos de san Agustín, Augustinus 26 [1981] 189). Anstelle von incertae res wie in 1, 7; 2, 11 und 3, 31 ist in der vorliegenden Definition präziser von falsi pro vero approbatio die Rede. Dies steht in Einklang mit Cie. ac. 2, 53: ipse sapiens sustinet se in furore, ne approbet falsa pro veris; 2, 66: sic pro veris probare falsa turpissimum est (in Aug. ench. 17 werden verum /falsum und certum / incertum zusammen verwendet: cum aliud non sit errare quam verum putare quod falsum est... vel certum habere pro incerto incertumve pro certo, sive falsum sive sit verum). Indem Licentius die Formulierung falsi pro vero wählt, wendet er den Begriff verum erstmals in dessen terminologischer, von Veritas klar unterschiedener Bedeutung an. Die Differenzierung zwischen verum (το αληθές) und Veritas (άλήθεια) entstammt der stoischen Wahrnehmungslehre. Dabei gilt τ ό άληθές als Attribut einer Aussage bzw. eines Urteils (άξίωμα; vgl. S.E. M. 7, 38-45 = S VF 2, 132; S.E. P. 2, 80-83; u.ö.; dazu Long, Hell. Philos. 130; ders., Language 98-101; Kerferd 132; Annas lOlf.). verum ist also eine Aussage, die zutrifft; dementsprechend ist falsum eine Aussage, die nicht zutrifft. Aber da die vorliegende Definition in Acad. 1 nicht diskutiert wird, fehlt auch eine Verständigung über die darin verwendeten Begriffe (dazu unten zu 1, 23 [28]). Neben dem Cicero-Referat in 1, 7 (s. dort zu Z. 16-23) und neben Acad. 3, 31 (57f.) = Cie. Hort. Fr. 51 G. = 92 S. enthält Augustins Rekapitulation von Acad. 1 einen zusätzlichen möglichen Hinweis darauf, dass die vorliegende Definition auch im Hortensius stand, nämlich die Angabe, dass die Definition Licentius ' w i e d e r eingefallen sei' (1, 24 [26-29]: quae [seil, err oris
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definitio] tibi nisi noctufartasse per somnium redi ret inmentem, iamquid responderes non habebas, cum in exponenda Ciceronis sententia id ipsum tu ipse ante commemoraveris). Denn vorausgesetzt, man akzeptiert die Grundannahme, dass das Wissen der Schüler auf dem Hortensius beruhe (s.o. S. 16f.), dann folgt aus der genannten Angabe in der Rekapitulation, dass Licentius auch die vorliegende Definition durch seine Hortensias-Lektüre kennt (vgl. Ohlmann 40f.; zum möglichen Kontext der Definition im Hortensius s.o. zu 1, 7 [16-23]; zu den Gedächtnislücken der Schüler s. allerdings auch oben S. 20f.).3 38f. qui veritatem quaerendam semper existimat..., qui probat nihil: Der erste Relativsatz lehnt sich an Trygetius' Definition des error an (vgl. 1, 10 [17]: semper quaerere). Die unablässige Suche wird im zweiten Relativsatz (qui probat nihil) als Zurückhaltung der Zustimmung (έποχή) und insofern als Vermeidung des error gedeutet, entsprechend zu 'Ciceros Lehrmeinung' von 1, 7 (20-23): nihilque remanere sapienti nisi diligentissimam inquisitionem veritatis, propterea quia, si incertis rebus esset assensus ... liberari errore non posset (s.o. zu 1, 7 [21-23]). 40 beatus autem: Durch die Freiheit von error (Z. 37-39) wird eine notwendige Bedingung für das Glück erfüllt (s.o. zu 1, 10 [lf.]). Es folgt nun der separate Erweis, dass beständige Wahrheitssuche Glück verschaffe. 40f. ne longius abeam: Die Formel ist geläufig; vgl. Acad. 2, 24 (2f.); Cie. S. Rose. Al\ Caecin. 95; u.ö. 41 f. si nobis ipsis ... liceret,..., cur nos beatos appellare dubitaremus: Licentius wählt zur Illustration der Behauptung, dass Wahrheitssuche Glück verschaffe, das nächstliegende, anschaulichste Beispiel: das gegenwärtige philosophische Gespräch. In diesem Vorgehen wird das antike Verständnis von Philosophie als konkretem, zu Glück führendem Lebensvollzug sichtbar (dazu P. Hadot, Exercices spirituels et philosophie antique [Paris 31993] / Philosophie als Lebensform [Berlin 1991]; C. Horn, Antike Lebenskunst [München 1998]). Überdies entspricht es besonders Licentius' skeptischer Haltung, seine Aussage eher mit einem Beispiel zu belegen als Argumente dafür beizubringen (dazu oben zu 1, 6 [36f.]). Zum Inhalt vgl. oben 1, 9 (8789): nonne dementis est eum, qui dies noctesque quantum potest instai investigandae veritati, miserum dicere? beatus igitur erit. Auch seine 'Zweifel' an der genannten Position illustriert Licentius in Acad. 2, 16 (4-7) mit seinem eigenen Zustand während des Gesprächs (die Erwähnung dieser Zweifel dient allerdings der captatio benevolentiae): paenitet me, inquit, tantopere
3
In Piasbergs Ausgabe von Ciceros Académica (s.o. S. 96 Anm. 43) ist die Stelle als Fragment des zweiten Buchs der Academici posteriores aufgenommen (59 [Editio maior] bzw. 21, lOff.).
1,11: Zweite Definition von error
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affirmasse contra Trygetium beatam vitam in veritatis inquisitione consistere, nam me ista quaestio ita perturbât, ut vix non miser sim. 43-50 viximus enim ..., quam beatam esse vitam ... convenit (Z. 47); atqui... quaesivimus veritatem (Z. 48f.).... potest igitur sola inquisitione ... beata vita contingere: Der vorliegende Syllogismus lautet: Wir lebten gemäss der Vernunft, was Glück bedeutet (Z. 43-47). Wir haben nichts gefunden, sondern die Wahrheit nur gesucht (Z. 47-49). Also kann die blosse Wahrheitssuche Glück verschaffen (Z. 49f.). 43 magna mentis tranquillitate: Licentius bezieht sich auch bei seiner Beschreibung des Weisen in 1, 23 (52f.) auf das Konzept der 'Seelenruhe' (dazu SLA s.v. tranquillitas 4.2): in se atque in deum semper tranquillus intenditur, noch expliziter tut dies Augustin innerhalb von seiner Rekapitulation des Gesprächs in 1, 24 (35f.): inquisitionem veritatis, ex qua propter animi tranquillitatem beata vita contingeret. Bei Cicero und Seneca steht (mentis) tranquillitas für die griech. Begriffe άπάθεια, άταραξία, ευθυμία, die unter dem Stichwort 'Seelenruhe' zusammengefasst werden können. Im Ideal der Seelenruhe treffen sich Epikureer, Stoiker und sowohl pyrrhonische als auch akademische Skeptiker, wobei die verschiedenen Schulen das Konzept inhaltlich jeweils unterschiedlich interpretieren. Licentius bringt die Seelenruhe in erster Linie mit dem Rückzug des Geistes vom Körper in Zusammenhang (so auch unten 1, 23 [50-54]). Die Konzentration auf den Geist bedeutet für ihn entsprechend seiner skeptischen Position, die Wahrheit zu suchen (vgl. oben 1, 9 [92f.]). Die zweite wichtige Voraussetzung der Seelenruhe aus skeptischer Perspektive erwähnt er allerdings nicht, nämlich die Zurückhaltung der Zustimmung; vgl. D.L. 9, 107; S.E. M. 11, 141-144; Ρ. 1, 8; dazu M.F. Burnyeat, Can the Sceptic Live his Scepticism? in: Schofield et al., 24f.; G. Striker (s.o. zu 1, 6 [36f.]); P. Wilpert, Ataraxie, RAC 1 (1950) 845; M.L. McPherran, Ataraxia and Eudaimonia in Ancient Pyrrhonism: is the Skeptic really Happy?, in: J.J. Cleary / D.C. Shartin (Hgg.), Proceedings of the Boston Area Colloquium in Ancient Philosophy 5 (Lanhametc. 1991) 135-171.4 43f. ab omni corporis labe animum vindicantes: 'indem wir den Geist von jeder körperlichen Schwäche loslösten'. Zur Formulierung vgl. ord. 2, 45 (6f.): animum ... vel admirabili temperantia remotissimum ab omnibus nugis et a magna labe corporis emergentem·, sol. 1, 12: mens est ab omni labe corporis pura, id est a cupiditatibus rerum mortalium iam remota atque purgata (zu beachten ist die Interpretation von labes als cupiditas·, diese wird auch an der vorliegenden Stelle durch Z. 44f. nahegelegt; vgl. 4
Die vorliegende skeptische Interpretation des Konzepts von Seiten der Dialogfigur repräsentiert kaum Augustins eigenes Ideal der Seelenruhe (gegen Duchrow 23f.).
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Gunermann 74). In Verg. A en. 6, 745f. (doñee longa dies ... / concretam exemit labenv, von Green im Apparat z.St. zitiert) muss labes dagegen eher als körperliches Gebrechen verstanden werden (vgl. Aen. 6, 736-747). Zu vindicare vgl. oben 1, 9 (61f.): liberiate, in quam maxime nos vindicatur am se philosophia pollicetur (s. dort zu Z. 61-63). - Zum Gebot, den Geist vom Körper zu lösen, vgl. auch oben 1, 9 (69f.) (corpus-carcer-Metapher; s. z.St.); unten 1, 23 (50f.). 44f. a cupiditatium faeibus ... remoti: Der Gen. PI. auf -ium Η Ρ R ist gerade bei cupiditas nicht ungewöhnlich und liegt auch in Acad. 2,4 (28) vor (vgl. KS 1, 341; A.A.R. Bastiaensen, Rez. Fuhrer, Gnomon 73 [2001] 35). Zur Formulierung vgl. Cie. Tusc. 1, 44: cumque corporis faeibus inflammari soleamus ad omnisfere cupiditates. 45 dantes... operam rationi: Zur Formulierung vgl. 1,9 (83): dat operam inveniendae ventati', ferner Trygetius in 1, 21 (56f.): darentque operam his diseiplinis instruere atque adminiculare suam mentem. Inhaltlich bedeutet das 'Bemühen um die ratio' für Licentius die Wahrheitssuche (s.o. zu Z. 43). - quantum homini licet: Die Einschränkung rührt daher, dass Erkenntnis gemäss 1, 9 (68f.) nur Gott zukommt: veritatem autem illam solum deum nosse arbitrer (s. z.St.). Eine ähnliche Einschränkung formuliert Licentius unten 1, 23 (50f.): cum ab omnibus involucris corporis mentem quantum potest evolvit (s. dort zu Z. 51). 46f. secundum divinam illam partem animi viventes, quam beatam esse vitam ... convenit: Das Relativpron. quam richtet sich in Genus und Numerus nach dem Prädikativ beatam ... vitam und bezieht sich auf den vorangehenden Satz secundum ... viventes als ganzen. - 'Jener göttliche Seelenteil' ist gemäss 1, 5 (26-30) ratio bzw. mens. Diese höchste Seeleninstanz gilt in der platonisch-aristotelisch-stoischen Tradition als göttlich (s.o. zu 1, 5 [27-30]). Später distanziert sich Augustin von dieser Auffassung (s.o. S. 69). 47 atqui: atqui leitet oft die zweite Prämisse eines Syllogismus ein (KS 2, 2, 90f., LHS 493; zum vorliegenden Syllogismus s.o. zu Z. 43-50). Die Lesart atque H sowie Migne ist daher auf jeden Fall auszuschliessen. 48f. nihil invenimus,... quaesivimus veritatem: Licentius gesteht dem Gespräch vom Vortag, seiner skeptischen Einstellung getreu, keinerlei Erkenntnisgewinn zu. Sinn und Zweck der Suche liegen für ihn in der Tätigkeit selbst (dazu oben S. 90f.). 50-52 nam definitio tua vide ... excludatur notione communi: Übergang von der Darstellung der eigenen Position zur Widerlegung von Trygetius' Definition des Irrens von § 10 (17f.). Der neue Gedanke wird durch den Imp. vide markiert. - excludere in der Bedeutung von 'widerlegen' ist selten, doch nicht ungebräuchlich (vgl. Hensellek 151 § 25). - notio communis ist hier nicht terminologisch und heisst 'allgemeine, übliche Bedeutung' (ähnlich
1,11: Zweite Definition von error
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Acad. 2, 7 [If.]: ex vulgi notione\ zu notio als 'Bedeutung' vgl. Cie. top. 83: cum autem quid sit quaeritur, notio explicando est). Zum stoischen Fachbegriff κοινή ϋννοια, den Cicero mit notio communis übersetzt (z.B. Tusc. 4, 53), s.u. zu 1,15 (48f.). 52 dixisti: Dies bezieht sich auf 1, 10 (2f. und 17f.). 53-62 (1) quid, s i n o n n e (Ζ. 55)...? (2) quid, si..., potestne (Ζ. 57) ...? quid, si ..·, nonne (Ζ. 61)...?: Die Anapher von quid, si unterstreicht die Parallelität der drei durch -ne eingeleiteten rhetorischen Fragesätze. - Der Abschnitt enthält zwei Argumente (Z. 53-57 bzw. Z. 57-62), die sich auf das erste bzw. das zweite Glied von Trygetius' Definition des Irrens beziehen (1, 10 [17f.]: nam errare est utique [1] semper quaerere, [2] numquam invenire). Argument (1) lautet dahingehend, die Definition sei zu eng bzw. das Definiens habe einen geringeren Bedeutungsumfang als das Definiendum; Argument (2) hingegen, die Definition sei zu weit bzw. das Definiens habe einen grösseren Bedeutungsumfang als das Definiendum. Dieser Kritik liegen die Regeln des korrekten Verhältnisses von Definiens und Definiendum zugrunde, die Aristoteles in der Topik formuliert: Erstens, die Definition muss umgekehrt werden können, also Definiens und Definiendum müssen gegenseitig voneinander ausgesagt werden können (Top. 1, 8. 103b 7-10: ά ν ά γ κ η y à p π α ν τ ό περί τίνος κατηγορούμενον ήτοι άυτικατηγορεΐσθαι τ ο υ π ρ ά γ μ α τ ο ς ή μή. και ει μεν άντικατηγορεΐται, ορος ή ίδιον άν εΐη. εί μεν σημαίνει τ ό τί ήν είναι, ορος, εί δε μή σημαίνει, ίδιον). Zweitens, der Bedeutungsumfang von Definiens und Definiendum muss genau deckungsgleich sein (Top. 6, 3. 140b 21-23 [Definition zu eng]: εί δέ τι τ ω ν έν τ ω λ ό γ ω ('Definiens') μή πασιν ύιτάρχει τοις ΰ π ό τ α ϋ τ ό είδος, ά δ ύ ν α τ ο ν ολον τ ο ν λόγον ίδιον είναι- ού y à p άντικατηγορηθήσεται τ ο υ π ρ ά γ μ α τ ο ς ; Top. 6, 3. 140a 24-27 [Definition zu weit]: εϊ δ' έπι πλεΐον είρηκε τ ο ν ορον, π ρ ώ τ ο ν μεν σκοπεΐν εί τινι κέχρηται ô π α σ ι ν υπάρχει, ή ο λ ω ς τοις ούσιν ή τοις ύ π ό τ α ύ τ ό γένος τ φ όριζομένφ). 5 Diese Regeln übernimmt Cicero (vgl. inv. 1,91 -, de orat. 2, 108: hoc praeeepit ratio et doctrina, ut vis ('Bedeutung') eius rei, quam definías, sic exprimatur, ut ñeque absit quicquam ñeque supersif, 1, 189; 1, 209; orat. 117; rep. 1, 38; top. 32); ebenso Marius Victorinus (vgl. defin. 29f.; s.u. zu Z. 55f.). Augustin referiert die genannten Regeln z.B. in an. quant. 47: definitio nihil minus, nihil amplius continet quam id quod suseeptum est explicandum; aliter omnino vitiosa est. utrum autem huiusmodi
5
Aristoteles greift für diese Regeln möglicherweise auf die pseudo-platonischen Horoi (Definitionssammlungen) zurück; so A. Pronay (Hg.), C. Marius Victorinus: Liber de definitionibus. Eine spätantike Theorie der Definition und des Definierens. Mit Einleitung, Übersetzung und Kommentar (Frankfurt a.M. 1997) 279f.
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vitiis careat, conversione exploratur, vgl. auch sol. 2, 20: nihil praetermittitur proprium, nihil adnumeratur alienum. 53-55 (1) quid, si nonne tibi videtur errare?: Argument (1): Trygetius' Definition sei zu eng (s.o. zu Z. 53-62). Das Beispiel, das Licentius zur Begründung anführt (Irrtum, dem keine Suche vorausgeht), entspricht seiner eigenen Definition des Irrtums als Zustimmung zum Falschen (vgl. Z. 36f.). Besonders verpönt ist den Skeptikern dabei die Voreiligkeit (vgl. temere, Ζ. 54; dazu s.o. zu 1, 5 [24]). 55f. hoc igitur erroris genus ... non complexa est: Zur Unterteilung (partitio) des Definiendum in genera s.u. zu 1, 23 (44). Zur Formulierung vgl. Mar. Victorin. defin. 29, 34f.: ergo vitiosa est definitio minus complexa quam quaerebatur. 57f. (2) quid, si etiam ... complexa est, potestne definitio ulla esse vitiosior?: Argument (2): Trygetius' Definition sei zu weit (s.o. zu Z. 53-62). Die gleiche Kritik wendet Licentius unten in 1, 13 (18f.) an: definitio autem nihil conplecti debuit, quod esset alienum', ebenso in 1, 22 (22f.): illa vestra definitio... nescio quid aliud, quod ad sapientiam non pertineret, inclusit. 58-62 nam si quis Alexandriam quaerat...: Zum potentialen Konjunktiv im Nebensatz mit Ind. statt Konj. im Hauptsatz, wenn das Prädikat Verben wie posse u.a. enthält (hier potes, Ζ. 59), s.o. zu 1, 5 (17f.). - Eine Variante des berühmten Weg-Beispiels in Piatons Menon, das ebenfalls in einem epistemologischen Kontext vorgebracht wird.6 Das Beispiel des Reisenden auf dem geraden Weg (Z. 59: recto... itinere) bereitet die folgende Definition der Weisheit als recta via vitae vor (1, 13 [6]). Augustin verwendet in Acad. 3, 34 (24ff.) ebenfalls das Bild von zwei Reisenden, allerdings mit einem anderen Beweisziel (nämlich die Problematik der έποχή aufzuzeigen). 61 in ea: seil. via. 62f. non ... semper quaesivit: Trygetius hakt bei einem Wort seiner Definition von 1, 10 (17f.) ein, das von Licentius unbeachtet blieb und dem er eine Bedeutung zuschreiben kann, die dazu führt, dass Licentius' Widerlegung nicht mehr stichhaltig ist: semper ~ 'immer und ewig'. Licentius nimmt in der Folge (1,12 [69f.]) eine alternative Bedeutung von semper an. Das Problem der Mehrdeutigkeit von Begriffen, die in Definitionen verwendet werden, kehrt unten in § 13 (10-19) und § 14 (26f.) wieder und wird in § 15 diskutiert (s. dort zu Z. 43-46). 6
In PI. Men. 97a-c wird das Beispiel des Weges bei der Gegenüberstellung von Wissen und richtiger Meinung benutzt: Es genüge, vom Weg nach Larissa eine richtige Vorstellung zu haben, um den Weg zu finden. Dabei handelt es sich jedoch um ein anderes Problem als an der vorliegenden Stelle (gegen F. Wörter, Die Unsterblichkeitslehre in den philosophischen Schriften des Aurelius Augustinus [Freiburg i.Br. 1880] 85; Ohlmann 48f.).
1,12: Beispiel des Reisenden
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1,12: Licentius prüft das Beispiel des Reisenden Die spitzfindig wirkende Argumentation dieses Abschnitts hakt bei der Bedeutung von semper ein. Die Mehrdeutigkeit einzelner, in Definitionen verwendeter Begriffe wird jedoch erst weiter unten als grundsätzliches methodisches Problem des Definierens wahrgenommen (s. zu 1, 15 [43-46]). 64 recte dicis ... bene admones: Licentius' Lob des Gegners ist ironisch, denn er gibt diesem nur insofern recht, als er dessen eigenes Argument gegen Trygetius' Definition verwenden kann (zur Ironie im Dialog s.o. zu 1, 6 [38]). 64f. inde ... nihil ad rem pertinet definitio tua: res ist hier das Definiendum. Mit definitio tua ist Trygetius' Definition des Irrens in 1, 10 (17f.) gemeint, inde ist elliptisch für 'Daraus wird klar, dass' (gemeint ist: weil die Definition die Formulierung semper quaerere enthält; s.o. zu 1, 11 [62f.]). 65f. non enim ego beatum esse dixi, qui semper quaerat veritatem: Dies bezieht sich auf Licentius' Argumentation in § 9 (78-95), die der errorKonzeption von Trygetius in § 10 (Z. Iff.) vorausging. Tatsächlich benutzte Licentius dort das Wort semper nicht (vielmehr perfecte [Z. 79; 93]; tantum, quantum homo potest ac debet [Z. 82f.]; dies noctesque [Z. 87f.]). Dagegen sagte er in 1, 11 (37f.): in quem (seil, errorem) nullo pacto incidit, qui veritatem quaerendam semper existimat. 67-69 (1) primo quia non ..., (2) deinde quia non ...: Zwei Argumente dafür, dass der Mensch die Wahrheit nicht 'immer' (~ 'immer und ewig') suchen kann: (1) der Mensch lebt nicht für immer, (2) er kann nicht von Anbeginn seines Lebens die Wahrheit suchen. 69f. aut si semper id putas dicendum ...: Alternative Bedeutung von semper, 'ununterbrochen, solange es möglich ist' (also 'immer' innerhalb eines bestimmten Zeitraums). Dieser Wortsinn ist im Vergleich zu der in Z. 62f. intendierten Bedeutung ('immer und ewig') wesentlich eingeschränkter. 71 tibi Alexandriam redeundum est: Der Witz der Stelle beruht auf der Verschränkung von Inhalt und konkretem Gesprächsverlauf: 'nach Alexandria zurückkehren' bedeutet hier 'zum Beispiel des Reisenden zurückkehren' (1, 11 [58-62]). Zu diesem Stilmittel s.o. zu 1, 10 (12-15). 71-77 fac enim quemquam,... quo pergebat: Licentius wiederholt sein Argument aus 1, 11 (58-62), wobei er semper (Ζ. 61) durch eine Umschreibung ersetzt, die der eingeschränkten Bedeutung von semper gemäss Z. 69f. entspricht (Z. 71f.). - Mit der Formel fac enim wird die rhetor. Technik der evidentia eingeleitet (dazu Lausberg 400 § 810); ähnlich auch Acad. 2, 19 (79); 3, 16 (37); 3, 17 (18); u.ö. (s. auch oben S. 46 Anm. 28 und zu 1, 6 [36f.]).
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Contra Académicos
73 ut supra dixi: Dies bezieht sich auf 1, 11 (59): recto pergat itinere. - deviet: Das Verb ist erst spät belegt (vgl. TLL 5, 1, 863, 71f.; Bogan 28).
75 errabis, si tibi errasse iste videbitur: Wortspiel durch Bezug von errabis auf den Gesprächsverlauf und denjenigen von errasse auf den Gesprächsinhalt (s.o. zu Z. 71). Zum Futur in einer Folgerung s.o. zu 1, 9 (8689). Der Inf. Perf. erklärt sich dadurch, dass die Suche des Reisenden durch dessen Tod beendet wurde und daher auf sie zurückgeblickt werden kann (obwohl das Beispiel im Präsens geschildert worden ist). 76 nec quaerere desierit nec invenire potuerit: Anapher und Homoioteleuton unterstreichen die Pointe des Beispiels des Reisenden nach Alexandria. 77-83 quam ob rem si (1) et mea descriptio vera et (2) tua vero definitio et frustrata est et..., cur quaeso ...?: Fazit aus dem Beispiel des Reisenden und Abschluss der Argumentation. Die komplexe Periode gipfelt in einer rhetorischen Frage als Apodosis; die beiden Glieder des «'-Satzes sind je durch et... et strukturiert (im zweiten Glied wäre vom Sinn her aut... aut passender, vgl. Hensellek 171 § 139). Der Beweisgang lautet folgendermassen: 'Wenn (l)die e i g e n e Definition w a h r ist und (2) die g e g n e r i s c h e Definition f a l s c h , warum ist dann das Problem noch nicht erledigt?' 77 mea descriptio: Seil, die Definition des error als falsi pro vero approbate (1, 11 [36f.]). Zu descriptio als 'Definition' (auch 1, 14 [28f.]; 1, 23 [44]; Cie. inv. 2, 55; u.ö.) vgl. TLL 5, 1, 666, 53ff. 78 perfecte quaerit: Mit der Forderung, 'vollkommen' zu suchen, wird ein Element aus § 9 aufgenommen (1, 9 [71; 79; 93]). Diesem entspricht in der Argumentation um error in § 12 die Forderung, 'immer' zu suchen (s.o. zu Z. 65f.). 79f. beatusque est ob earn rem, quod ... vivit: Gemäss der Glücksdefinition von 1, 5 (23-30). - Die Wendung ob earn rem, quod ist nur vereinzelt belegt (z.B. Cie. fat. 23; fam. 13, 1, 3; Gell. 6, 3, 36 = Cato orat. Fr. 121 Sblendorio). 80 frustrata est: '(wenn ...) falsch ist' (Gegensatz zu vera aus Z. 77). Zur nachklass. Verwendung des Part. Perf. Pass.frustratus als Adjektiv (~ irritus, cassus, falsus) vgl. TLL 6, 1, 1440, 36ff. 80-82 si non e s s e t s i . . . causa firmata est: Zu kausalem si (Ζ. 81) s.o. zu 1, 10 (22). causa ist eine jurist. Metapher ('Gerichtssache'; s.o. zu 1, 5 [7]); zu firmare, 'beweisen', vgl. TLL 6, 1, 811, 53ff. (in Cie. inv. 1, 10 bedeutet causa firmatur dagegen 'der Streitpunkt wird festgelegt'). 81 si ex eo solum, quod ego definivi: Dies bezieht sich auf Licentius' Argumentation im Anschluss an seine Definition des error in 1, 11 (36f.).
1,12: Beispiel des Reisenden
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82f. quáestio dissolúta: Cursus velox. Zur Formulierung vgl. Plin. nat. 7, 180: quaestione ... dissoluta·, Aug. civ. 14, 2 p. 5, 26 D.-K.: harte dissolvere quaestionem (vgl. TLL 5, 1, 1495ff.; unzutreffend Bogan 100: dissolvere sei hier "rare and unusual in meaning: to refute, to reply to")·
1, 13-1, 15: Weisheit als Weg In seinem dritten Argumentationsschritt gegen Licentius gibt Trygetius dem Gespräch mit der Definition von sapientia eine neue Wendung. Auf seine beiden Definitionen der Weisheit in der vorliegenden Textpassage folgen im letzten Teil des Dialogs je eine Definition desselben Begriffs von Augustin, Trygetius und Licentius.1 sapientia kann einerseits gleichbedeutend mit philosophia sein.2 Dies zeigt sich besonders in der Tradition der ersten Weisheitsdefinition. Andererseits ist die Weisheit besonders eng mit dem glücklichen Leben verbunden; sapiens und beatus sind praktisch austauschbare Begriffe.3 Daraus ergibt sich, dass sapientia gleichsam der vermittelnde Begriff zwischen Philosophie und Glück ist. Wenn aber in Acad. 1 gezeigt werden soll, dass Philosophie zu Glück führt,4 so überrascht es nicht, dass die Weisheit in der Diskussion so breiten Raum einnimmt. Die erste Weisheitsdefinition - sapientia als recta via vitae - konzentriert sich auf den konkreten Vollzug der 'rechten Lebensführung'. In der zweiten Definition kommt die explizite Ausrichtung auf die Wahrheitserkenntnis hinzu. In der dritten Definition (§ 16) wird dann der kognitive Aspekt ganz in den Vordergrund gerückt, indem Weisheit an Wissen gebunden wird. Das Gespräch kreist damit die Grundfrage von Acad. 1 nach dem Verhältnis von Glück und Wahrheitserkenntnis zunehmend enger ein.5
1,13: Erste Definition: Weisheit als 'rechter Lebensweg' 1 hic Trygetius: Trygetius geht nicht auf Licentius' letztes Votum ein. Mit seinem Neuansatz gesteht er implizit ein, dass sich seine vorangehende Argumentation, die sich auf den Begriff des error konzentrierte, nicht durchgesetzt hat. If. sapientiam rectam viam esse vitae: Erste Weisheitsdefinition (s. auch unten zu Z. 6). Das Konzept der sapientia als 'rechter Lebensführung' stellt 1 2 3 4 5
Acad. 1, 13 (If.); 1, 14 (22f.); 1, 16 (14f.); 1, 23 (35-37); 1, 23 (41-46). Vgl. W. Görler, Philosophie. I. Antike. G. Rom, HWP 7 (1989) 608. S.o. z u l , 6 ( 3 6 f . ) . S.o. z u l , 5 ( 1 3 f . ) . S.o. S. 67f.
1,13: Weisheit als 'rechter Lebensweg'
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das Handeln nach ethisch vertretbaren Massstäben ins Zentrum, via muss einerseits als 'Art und Weise' oder 'Methode' verstanden werden, entsprechend zu ars und ratio, die in der Tradition dieser Definition häufig anstelle von via stehen (vgl. Burkert 197). Andererseits wurde das Bild des Weges oben von Licentius mit dem Beispiel der Reisenden nach Alexandria vorbereitet (1,11 [58-60]). Zum Umgang mit via als Bild s.u. zu Z. 13-18. Das Konzept der Weisheit (bzw. der Philosophie, dazu Ganss 11 mit Anm. 1) als ars vitae ist stoisch; vgl. SVF 3, 516: ώστε και τεχνην αυτόν (seil, τον σοφόν) εχειν περι τον βίον, ής ΐδιόν έστιν έργον τ ό εκαστον τ ώ ν π ρ α τ τ ο μ έ ν ω ν ά π ό άριστης διαθέσεως π ρ ά τ τ ε ι ν ; S.E. Μ. 11, 170: οί δέ Στωϊκο\ και άντικρύς φασι την φρόνησιν ... τεχνην ϋπάρχειν περι τον βίον; Cie. Tuse. 1,1: cum omnium artium, quae ad rectam vivendi viam pertinerent, ratio et disciplina studio sapientiae, quae philosophia dicitur, contineretur, 2, 12; ac. 2, 23: sapientiam artem vivendi, quae ipsa ex sese habeat constantiam·, o f f . 2, 6: sive ratio constantiae virtutisque ducitur, aut haec ars (seil. Studium sapientiae) est aut nulla omnino, per quam eas assequamur, fin. 1, 42: sapientia, quae ars vivendi putanda est', 3, 4: ars est enim philosophia vitae', 5, 15: cognitis autem rerum finibus, cum intellegitur, quid sit et bonorum extremum et malorum, inventa vitae via est; Sen. epist. 95, 7: nam et haec (scil. sapientia) ars vitae est·, 90, 27; 117, 12; Lact. inst. 3, 15: eodem ductus errore Seneca - quis enim veram viam teneret errante Cicerone? - philosophia, inquit, nihil aliud est quam recta ratio vivendi... vel ars rectae vitae agendae\ Clem. Al. Paed. 2, 2, 25: τελεία y à p ή σοφία θείων ουσα και ά ν θ ρ ω π ί ν ω ν π ρ α γ μ ά τ ω ν επιστήμη έμπεριλαβοΟσα τ α oka, κατ' έκεΤνο, καθ' ö äv επισκοπή την ά ν θ ρ ώ π ω ν άγέλην, τέχνη γίνεται περ'ι βίον; u.ö. (vgl. Ganss 1 If.). Im Hintergrund der Vorstellung der Weisheit als Methode steht die sokratische Frage, ob Tugend lernbar sei (PI. Men. 70a 1: ά ρ α διδακτόν ή άρετή), ebenso das Verständnis der Philosophie als 'Einübung der Tugend' (Euthd. 275a lf.: κάλλιστ' äv προτρέψαιτε εις φιλοσοφίαν και αρετής έπιμέλειαν) und Aristoteles' Diskussion der Frage, ob Glück μαθητόν ή έθιστόν ή και ά λ λ ω ς π ω ς άσκητόν, ή κατά τινα θείαν μοΐραν ή και διά τ ύ χ η ν π α ρ α γ ί ν ε τ α ι (ΕΝ 1, 10. 1099b 9-11). Für die Stoa vgl. SVF 3, 560: άρετήν, περι δλον ουσαν τον βίον τεχνην (dazu Long / Sedley 383/457; Cancik / Cancik-Lindemaier 216). Neben der grundsätzlichen Annahme, dass das Wissen der Schüler aus Ciceros Hortensius stamme (s.o. S. 16f.), wurden in der Forschung folgende thematische Berührungspunkte als Argumente dafür gelesen, dass die vorliegende Definition auch im Hortensius stand: (1) Die allgemeine Bestimmung der Philosophie als Ethik in Hort. Fr. 54 G. = 49 S.: quoniam philosophi esset, quid in vita faciendum vel non faciendum sit disputare (Ohlmann 49).
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Contra Académicos
(2) Die Wegmetapher für ratio (dazu Grilli 97) in Hort. Fr. 64 G. = 75 S.: habet enim ipsa (seil, ratio) certam et definitam viam, et ex ea multis vitiis et erroribus depravata deducitur. Dem zweiten Teil dieses Fragments liegt das stoische Konzept der διαστροφή τ ο υ λ ό γ ο υ zugrunde (Grilli 95106). Dass in Verbindung mit der recta ratio und ihrer depravado auch die Konzeption der Weisheit als recta via vitae genannt wurde (so Grilli 37 zu Fr. 64 G.), ist zwar denkbar, es bleibt jedoch bei der blossen Vermutung. 2-4 sed tarnen volo ... definías, ut sciam, utrum quae mihi eadem tibi esse videatur: Zu utrum in einer eingliedrigen Frage s.o. zu 1, 9 (92f.); zur Notwendigkeit, sich über die verwendeten Begriffe zu verständigen, s.o. zu 1, 5 (21). - Licentius stimmt Trygetius' Votum zwar zu, akzeptiert dieses aber nicht als Definition der Weisheit (der Grund dafür ist die Doppeldeutigkeit von via durch die konkrete sowie die bildhafte Verwendung; s.u. Z. 10-19). Durch seinen Einwand wird der Unterschied zwischen wahrer Prädikation und Definition ins Blickfeld gerückt: Wahre Prädikation erfüllt die Anforderungen einer Definition dann nicht, wenn entweder die Prädikation nur auf einen Teil des Definiendums zutrifft und die Definition daher zu eng ist (diese Kritik wendet Licentius oben in 1, 11 [53-55] an), oder aber wenn die Prädikation auf mehr als nur auf das Definiendum zutrifft und die Definition daher zu weit ist (gemäss Licentius ist letzteres hier der Fall; s.u. zu Z. 18f.). Zu diesen Regeln des Definierens s.o. zu 1, 11 (53-62) und bes. die Gegenüberstellung von Definition und Eigenschaft in Arist. Top. 1, 8. 103b 9f.: ε'ι μεν γ ά ρ σημαίνει τ ο τί ήν είναι, opoç, ε'ι δέ μή σημαίνει, ίδιον. 5 quod nunc interrogatus es: Dies bezieht sich auf Trygetius' Frage in Z. I f . (nunc ~ nuper). 5f. etiam ... concessisti: Seil, in Z. 2. etiam ist hier bekräftigend: 'du hast ja ... auch zugegeben' (vgl. TLL 5, 2, 932, 6ff.). 6 recta via ... nominator: Die Antwort auf Licentius' Forderung nach einer Definition entspricht inhaltlich der Weisheitskonzeption in Z. lf., aber anders als dort hat das Votum hier die Form eines Aussagesatzes. 7f. nihil mihi tarn ridiculum quam ista definitio videtur: Licentius' Reaktion bezieht sich nicht auf den Inhalt von Trygetius' Votum, dem er in Z. 2 zugestimmt hat, sondern darauf, dass es sich dabei um eine Definition handle (vgl. Z. 2-4). - Die rhetorische Strategie, die Voten des Gegenübers ins Lächerliche zu ziehen, wird auch in Acad. 2, 19 (85); 3, 17 (8f.); 3, 20 (48); 3, 34 (47f.) angewendet (dazu Quint, inst. 6, 3, 22; vgl. Lausberg 142 § 257). 8 fortasse ...; pedetemtim: Zum Gebot der Vorsicht bei der Meinungsäusserung s.o. zu 1, 5 (24). 8-10 ut ratio praeveniat risum tuum;... risu inrisione dignissimo: Die Gegenpole ratio und risus sind durch Alliteration verbunden; im zweiten Teil des Satzgefüges entsteht durch die Verbindung risu inrisione dignissimo ein
1,13: Weisheitals 'rechterLebensweg'
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paronomastisches Oxymoron. Der Intellekt und das Lachen werden einander auch unten 1, 21 (47f.) gegenübergestellt: cum ... magna mentis altitudine deriderei. lOf. vitae mortem esse contrariam: Zwischen Leben und Tod gibt es kein Drittes (vgl. beata ν. 28 [114]). 12f. via vitae ... ne in mortem incidat: Licentius bestimmt die via vitae (indem er das Attribut rectam, Ζ. 1, übergeht) als Erhaltung des Lebens und somit als Vermeidung des Todes. Die ethische Dimension der via vitae, die für die sapientia fundamental ist (s.o. zu Z. lf.), fällt somit weg. Trygetius scheint dieses Problem nicht zu bemerken. 13-18 ergo si viator quispiam.... quomodo igitur ... sapientia est?: Der vorliegende Syllogismus, dessen erste Prämisse und Schlussfolgerung als rhetorische Fragen formuliert sind, lautet: Wer geradenwegs geht und dabei dem Tod entkommt, geht auf dem rechten Lebensweg (Z. 13-16). Diesen Weg nennt niemand Weisheit (Z. 16f.; s. z.St.). Also ist nicht jeder rechte Weg Weisheit (Z. 17f.). Licentius führt das Bild des rechten Weges auf die eigentliche Bedeutung zurück. Er nutzt somit für seine Widerlegung die Wahl zwischen metaphorischem und nicht-metaphorischem Sprachgebrauch aus: via ist in der Definition ein Bild, in der Widerlegung nicht (bei semper, oben 1,11 [62f.], wurden dagegen verschiedene Bedeutungen des Wortes gegeneinander ausgespielt). Somit zeigt sich hier zum zweiten Mal - in anderer Form - das Problem der Mehrdeutigkeit von Begriffen, die im Definiens verwendet werden (s. auch unten Z. 26f.; vgl. das Problem des infiniten Regresses beim Definieren in 1, 15 [43-49]). 16f. et eam sapientiam nominat nemo: Kein Fragesatz, sondern ein Aussagesatz (gegen Green, Knöll, Migne). Da es sich um die Prämisse eines Syllogismus handelt, wäre nur eine rhetorische Frage denkbar: 'Diesen Weg nennt (etwa) niemand Weisheit?' (implizite Antwort: 'Doch, alle.'). Beweisziel ist aber, dass im Beispiel der Z. 13-16 zwar ein 'rechter Lebensweg' geschildert wird, der aber n i c h t als sapientia bezeichnet werden kann (vgl. Z. 17f.). In Migne ist der Satz nur durch Strichpunkt vom Vorhergehenden getrennt, was aber die Struktur des Syllogismus verschwimmen lässt. 18 concessi enim esse, sed non solam: Sprecher ist hier und im folgenden (bis Z. 20) Licentius (mit Migne; gegen Green und Knöll). Denn enim leitet keine Antwort ein; concessi bezieht sich auf Licentius' Antwort in Z. 2 (vgl. auch concessisti in Z. 5); die Argumentation der Z. 18-20 ist wiederum syllogistisch. Abgesehen davon wird ein Sprecherwechsel sonst immer verdeutlicht (s.o. Z. 1; 2; 4; 6f.; etc.). - solam: seil, sapientiam (Definiendum der Z. 1 und 6). Die vorliegende Kritik an der Definition besteht darin, dass sich
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das Definiens (recta via vitaé) nicht ausschliesslich auf das Definiendum bezieht (s. zum folgenden Lemma). 18f. definitio ..., quod esset alienum: Da das Definiens Dinge mit einschliesse, die dem Definiendum 'fremd' seien, ist die Definition gemäss Licentius zu weit. Die gleiche Kritik wendet er oben in 1, 11 (57f.) gegen Trygetius' Definition des error an (s. z.St.), ebenso unten 1, 14 (23) und 1, 22 (22f.) gegen die zweite bzw. die dritte Weisheitsdefinition.
1, 14: Zweite Definition: Weisheit als 'Weg zur Wahrheit' 21 diu ille tacuit: Trygetius scheint sich darüber klar zu werden, dass Licentius' Einwand stichhaltig ist und er seine Weisheitsdefinition modifizieren muss. Zum Dialogtopos des Schweigens s.o. zu 1, 7 (13). 21f. definió... finire: Zu diesem Wortspiel vgl. oben zu 1, 10 (12-14). 22f. sapientia est via recta quae ... ducat: In der zweiten Weisheitsdefmition erweitert Trygetius die erste (1, 13 [lf.]) um die Wahrheit als Ziel des Weges. Ob die Wahrheit auch erreicht werden muss, bleibt offen (vgl. unten Z. 30f.); entscheidend ist jedoch die Ausrichtung darauf. Während die erste Definition lediglich die Unterscheidung von richtig und falsch voraussetzt und der Weg bzw. die Methode selbst als praktische Umsetzung dieser Unterscheidung im Vordergrund steht, kommt hier also der Aspekt der kontinuierlichen Annäherung an die Wahrheitserkenntnis hinzu. - Die Definition kann aufgrund der Dialogform nicht kurzerhand als Augustins eigene Meinung betrachtet werden (gegen O'Daly, Mind 165); zu diesem Problem s. auch oben S. 68 mit Anm. 7. 23 similiter et hoc ... refellitur: Die Definition wird auf ähnliche Art und Weise widerlegt wie diejenige in § 13 (lf.), nämlich indem sie als zu weit erwiesen wird (s.o. zu 1, 13 [18f.]). 24 Vergilium: Zur Lesart Virgilium M T P 2 vgl. J. Doignon, Problèmes textuels et modèles littéraires dans le livre I du De ordine de saint Augustin, REAug 24 (1978) 82-86; zur Vergillektüre in Cassiciacum s.u. zu 1, 15 (58). 25 perge ... dirige gressum: = Verg. Aen. 1,401 = Test. 826 Hagendahl. 26f. sequens hanc viam ad id, quod dictum erat, id est ad verum, pervenit: 'gelangte er, indem er diesem Weg folgte, zu dem, was ihm gesagt worden war, also zum Wahren'. Mit anderen Worten, indem Aeneas dem Weg folgt, den ihm Venus zeigt, und dadurch an den richtigen Ort gelangt (seil, reginae ad limina, Aen. 1, 389), wird das, was sie gesagt hatte, im Nachhinein als wahr bestätigt (die Argumentation beruht auf der Gleichung 'zum Gesagten gelangen' ~ 'das Gesagte als wahr bestätigen').
1,14: Weisheit als 'Weg zur Wahrheit'
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verum wird hier in der terminologischen, von veritas unterschiedenen Bedeutung verwendet und als 'wahre Aussage' verstanden (zu verum als Attribut einer Aussage in der Stoa s.o. zu 1, 11 [36f.]). Licentius' Argumentation ist elenktisch: Er übernimmt die Voraussetzungen der Gegenposition, indem er ein Beispiel eines verum anführt und damit von der These nihil percipi posse abweicht, die er in 1,7 (20) referiert hat (s. z.St.; die gleiche Methode wendet Licentius auch in §§ 17-18 an; s.u. S. 146f.). Indem er veritas aus dem Definiens (Z. 23) durch verum ersetzt, kann er die gleiche Strategie anwenden, die oben schon zweimal zum Zug gekommen ist, nämlich die Mehrdeutigkeit eines Begriffs des Definiens auszuspielen (1, 11 [62f.]: verschiedene Bedeutungen von semper, 1, 13 [10-19]: metaphorische und nicht-metaphorische Verwendung von via): Hier nimmt verum einerseits scheinbar veritas aus dem Definiens auf, andererseits wird verum aber als 'wahre Aussage' verstanden. Dass veritas durch verum abgelöst wird, ist allerdings problematisch: Da die terminologische Bedeutung von verum klar unterschieden wird von veritas, ist der Bezug zur Definition letztlich verloren. Trygetius erfasst dieses Problem jedoch nicht (s.u. zu 1, 23 [28]). Courcelle, Lecteurs 94 bezeichnet Licentius' Argument als 'badinage' ('Scherz'), da er im folgenden seine Strategie umkehren wird (s.u. zu Z. 30f.). Die Argumentation auf der Grundlage gegnerischer Positionen mit dem Ziel, diese zu widerlegen, ist jedoch ein übliches Vorgehen (s.o. zu Z. 26f.). 28f. quamquam stulte prorsus ... conor: 'Gleichwohl ist es durchaus töricht von mir zu versuchen ...' (zum Inhalt s.u. zu Z. 30f.). Vor quamquam ist eine starke Interpunktion vorzuziehen (Punkt), denn es folgt ein neuer Widerlegungsversuch (gegen Migne [Doppelpunkt] sowie Knöll und Green [Strichpunkt]). - descriptionem ... effringere: Zu descriptio als 'Definition' s.o. zu 1, 12 (77). Bei metaphorischer Verwendung von effringere wird sonst (anders als hier) meist das Bild eines Tores o.ä. mit einbezogen, z.B. Cie. Mur. 33: Asiae ianuam ..., qua effracta ...; Hier, epist. 39, 4, 2: paradisi ianuam Christus effregerat (vgl. TLL 5, 2, 202, 5Iff.). Ein ähnlich drastisches Bild wird in Acad. 3, 22 (19f.) mit succidere (seil, definitionem) verwendet (vgl. Hensellek 151 § 22). 30f. non ipsam veritatem, sed viam, quae ad earn ducat: Licentius kehrt hier seine Strategie um: Er bereitet die skeptische Auslegung der zweiten Weisheitsdefinition in Z. 34-36 vor, d.h. er benutzt jetzt diese Definition als Argument f ü r seine eigene Position. Er macht sich dabei die Tatsache zunutze, dass die Definition offenlässt, ob die Wahrheit tatsächlich erreicht werden müsse. Die Vorstellung, dass die Weisheit ein fortdauernder Prozess ist, steht mit der skeptischen Position in Einklang.
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Contra Académicos
31-34 quisquís ergo hac utitur vía, sapientia prefecto utitur, et qui sapientia utitur, sapiens sit necesse est; sapiens igitur erit ille, qui ... nondum pervenerit: Epipher von utitur (zur Junktur sapientia uti vgl. z.B. Sen. epist. 117, 16: usus sapientiaé). Syllogismus, dessen erste Prämisse (Ζ. 3If.) auf der zweiten Weisheitsdefinition beruht. Der Schlussatz setzt die (freilich unproblematische) Gleichung des Weges zur Wahrheit mit der Wahrheitssuche voraus; diese Gleichung folgt aber erst in Z. 34-36 explizit. Werden W e g z u r W a h r h e i t g e b r a u c h t , gebraucht die Weisheit (31f.). Wer die Weisheit gebraucht, ist weise (32f.). Wer die W a h r h e i t s u c h t, ist weise (33f.). 33 erit: Futur als 'gnomisches Tempus' in Schlussfolgerungen (vgl. KS 2, 1, 143; s. auch oben 1, 9 [89]; unten Z. 37f. erit und faciei). - perfecte quaesierit: S.o. zu 1,9 (70f.). 34-36 nam via, quae ducit ad veritatem, nulla, uti opinor, intellegitur melius quam diligens inquisitio veritatis: Gleichsetzung der zweiten Weisheitsdefinition mit der skeptischen Position. Durch die Gleichsetzung des Weges zur Wahrheit (vgl. Z. 31f.) mit der Wahrheitssuche (vgl. Z. 33f.) wird gleichzeitig die fehlende Voraussetzung des syllogistischen Arguments der Z. 31-34 nachgeschoben. - Zu diligens inquisitio veritatis s.o. zu 1, 6 (44). 36 hac igitur sola via utens: sola bezieht sich sowohl auf hac als auch auf via: Einerseits ist darin eine Einschränkung im Vergleich zu via in der ersten Definition enthalten (vgl. bes. 1, 13 [17f.]), andererseits eine implizite Gegenüberstellung von Weg und Ziel. 37-39 at nemo ... non tantum inventio, sed ipsa per se investigátio veritátis: Cursus velox. Ein zusätzlicher Syllogismus schliesst die Argumentation ab. Die Schlussfolgerung setzt diejenige aus Z. 33f. voraus (wer die Wahrheit sucht, ist weise). Beweisziel des vorliegenden Syllogismus ist darüber hinaus, dass die Wahrheitssuche auch glücklich macht. Diese letzte Wendung des Argumentationsgangs wird durch at (Ζ. 37) hervorgehoben (die Lesart at S Τ R2 und Migne ist daher gegenüber et Η Μ Ρ R sowie Knöll und Green vorzuziehen; vgl. auch beata ν. 14 [189]: at nemo sapiens nisi beatus). Zur ersten Prämisse s.o. 1, 6 (36f.: maiores nostri, quos sapientes beatosque accepimus)·, zur zweiten Prämisse s.o. zu 1, 9 (86f.: cum hominem necesse sit aut beatum esse aut miserum); zur Schlussfolgerung s.o. zu 1, 7 (26f.: per se ipsa investigatione veritatis). Das Argument lautet: Kein W e i s e r ist unglücklich (Z. 37). Jeder Mensch ist entweder unglücklich oder glücklich (Z. 37f.). Also macht die W a h r h e i t s s u c h e glücklich (Z. 38f.).
1,15: Infiniter Regress beim Definieren
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1, 15: Problem des infiniten Regresses beim Definieren Trygetius bringt im folgenden Abschnitt das Problem des infiniten Regresses beim Definieren zur Sprache. Dieser entsteht, wenn für jeden Begriff, der zur Definition eines anderen Begriffs verwendet wird, eine weitere Definition gefordert wird. Dieses Argument gegen das Definieren scheint aus der Beobachtung der Polysemie von Begriffen hervorzugehen, die zur Definition von errare bzw. sapientia verwendet wurden (semper. 1, 11 [62f.]; via: 1, 13 [10-19]; Veritas / verum: 1, 14 [26f.]). Allerdings kritisiert Trygetius die Methode des Definierens nicht aufgrund der Schwierigkeit, jede Mehrdeutigkeit im Definiens auszuschliessen. Vielmehr behauptet er umgekehrt, die Definition eines Begriffs wie sapientia sei überflüssig, da eine apriorische Kenntnis davon bestehe. Er hält sich somit nicht bei möglichen Mängeln der Methode auf, sondern stellt radikaler den Nutzen der Methode an sich in Frage. Andererseits räumt er ein, dass die apriorische Kenntnis schwierig in Worte zu fassen sei (Z. 49-52). Trygetius' Überlegungen, die als Ansätze einer Methodenreflexion betrachtet werden dürfen (s.o. S. 10), werden von der Gesprächsrunde in keiner Weise aufgenommen. 40 ille arridens: Seil. Trygetius. Das Lächeln bei Beginn eines Votums oder bei der Beendung eines Gesprächs ist ein Dialogtopos (vgl. TLL 2, 637, 30ff.). Besonders im Zusammenhang mit dem Verzicht auf einen Sieg (dazu oben 1, 8 [35-37]) oder mit der Annahme einer Niederlage im Gespräch (so hier) drückt es oft Bescheidenheit aus (vgl. Gunermann 209-211; G. Bardy [oben S. 20 Anm. 74] 68 Anm. 1 und 2). Vgl. Acad. 2, 16 (3): verecunde arridens; 2, 17 (25f.); 3,45 (46-51); beata ν. 14 (197); u.ö. 41 dum ... in re non necessaria fídenter assentior: Dies bezieht sich auf Licentius' Forderung nach einer zweiten Definition, der Trygetius in 1, 14 (21f.) stattgab. Dies betrachtet er jetzt als Fehler (ähnlich z.B. Cie. ac. 2, 49: hue si perveneris me tibi primum quidque concedente, meum vitium fuerit). Er versucht jedoch im folgenden nicht lediglich, eine bestimmte Aussage zurückzunehmen (wie oben 1, 8 [37-39]), sondern kritisiert vielmehr die Art und Weise des Vorgehens, also das Definieren, das er als 'nicht notwendig' betrachtet (s. auch unten zu Z. 42f.). 41 f. quasi vero ... definitor: Das seltene Wort definitor verwendet Augustin auch in mag. 43: quotus quisque bonus definitor inveniri potest? (TLL 5, 1, 356, 69ff.). Neubildungen von Substantiven auf -tor (-sor) sind im Spätlatein nicht selten; in Acad. vgl. 2, 3 (17) dehortator, 2, 19 (73): visor, 3, 44 (32f.): concertatores (dazu Mohrmann 1, 34; Hensellek 150 § 16). 42f. aut quiequam ... magis supervacaneum puto: Während die Definitionen bisher im Gespräch eine zentrale Rolle spielen (s.o. zu 1, 5 [21f.]), zweifelt Trygetius hier ihren Nutzen grundsätzlich an. Licentius hatte
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oben in 1, 10 (14f.) lediglich sein eigenes Ungeniigen in Bezug auf das Definieren angeführt: ego, inquit Licentius, definire aliquid idoneus non sum; ähnlich auch ord. 1, 28 (5-9): ordo iste quid sit defìnitione conplectere. - tum ille (seil. Licentius) ubi se ad definiendum cogi audivit, quasi aqua frigida adspersus exhorruit et turbatiore vultu me intuens ...; 2, 4 (1-7): defini ergo, inquam, si placet, quid sit esse cum deo et quid sit non esse sine deo. si enim de verbis inter nos controversia est, facile contemnetur, dummodo rem ipsam, quam concepisti mente, videamus. - odi ego, inquit (seil. Licentius), definire. - quid ergo faciemus? inquam. - tu, inquit, defini quaeso. nam facilius est mihi videre in alterius defìnitione, quid non probem, quam quicquam bene definiendo explicare (gleiches Vorgehen ist in Cie. ac. 2, 17 für 'gewisse Stoiker' bezeugt: alii autem [seil. Stoicorum] negabant se pro hac evidentia quicquam priores fuisse dicturos, sed ad ea quae contra dicerentur dici oportere putabant, ne qui fallerentur)·, mag. 43 (wenn die Gesprächspartner mit demselben Begriff nicht dasselbe meinen): huic errori definitiones mederi posse dicuntur, ut in hac quaestione, si definirei, quid sit virtus, eluceret aiunt non de re, sed de verbo esse controversiam; quod ut concedam, quotus quisque bonus definitor inveniri potest? et tarnen adversus disciplinam definiendi multa disputata sunt. Kritik an der Methode des Definierens bzw. an der Dialektik insgesamt ist für die Epikureer und die Skeptiker bezeugt; vgl. Epicur. Fr. 242f. Usener; Cic .fin. 2, 4: negat enim (seil. Epicurus) definiri rem piacere, sine quo fieri interdum non potest, ut inter eos, qui ambigunt, conveniat quid sit id, de quo agatur, 2, 18: dialecticam ... contemnit Epicurus·, Karneades Τ 9a Mette: Καρνεάδης την διαλεκτικήν ελεγε πολύποδι έοικέναι. Ausserdem dürfte der Angriff auf die Dialektik ein traditionelles Motiv der Polemik gegen die Philosophie sein; dies zeigt sich z.B. in Ciceros Hortensius (s.u. zu Z. 4346). 43-49 (1) quis enim si...? (2) nam quid si...? (3) cuius enim ...?: Die Begründung der Kritik folgt in Form von drei rhetorischen Fragen, wobei jeweils die folgende Frage ihrerseits die vorangehende begründet. An die ersten beiden Fragen schliesst je ein i/-Satz an; die erste und die dritte sind durch die Alliteration und die Wiederholung von enim korreliert. 43-46 (1) quis enim modus erit, si... definiri flagitem?: Als Begründung der Kritik an der Methode des Definierens dient das Problem des infiniten Regresses. Dieser entsteht, wenn die Begriffe jedes Definiens' ihrerseits wieder definiert werden sollen, um jegliches Missverständnis aufgrund von deren Mehrdeutigkeit auszuschliessen. Trygetius' Strategie ist also die, die Methode des Definierens ad absurdum zu führen. Bei der Definition des Glücks als secundum id quod in homine optimum est vivere (1, 5 [23f.]) hat sich das Problem des Regresses ansatzweise schon gezeigt, indem Trygetius in seiner
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Entgegnung auf die Definition forderte: nam id ipsum optimum quid sit, definiendum mihi abs te puto (Ζ. 25f.). Ausserdem haben sich in der Auseinandersetzung um Irrtum und Weisheit beide Schüler die Mehrdeutigkeit von einzelnen in Definitionen verwendeten Begriffen zunutze gemacht, um gegnerische Voten zu widerlegen (semper, 1, 11 [62f.]; via, 1, 13 [10-19]; verum, 1, 14 [26f.]). Dies hätte nur vermieden werden können, wenn all diese Begriffe eigens definiert worden wären (wobei sich dann das Problem nur verschoben hätte). Die generelle Unzulänglichkeit von Definitionen wurde schon von Piaton thematisiert, z.B. Ep. 7. 343b 4-6: και μην ττερι λόγου (seil. 'Erklärung', oft auch 'Definiens') γε ό αύτός Xôyoç, είπερ έξ ο ν ο μ ά τ ω ν και ρ η μ ά τ ω ν σύγκειται, μηδέν ίκανώς βεβαίως είναι βέβαιον (vgl. O'Meara, Hist. 169f.). Das gleiche Problem scheint in Ciceros Hortensius angeführt worden zu sein, und zwar vom Rhetor Hortensius als Argument gegen die Philosophie bzw. deren Teilbereich der Dialektik; vgl. Fr. 24 G. = 59 S.: item omne verbum ambiguum esse dicunt (seil, dialectici). quomodo igitur ambigua ambiguis explicabunt? nam hoc est in tenebras exstinetum lumen inferre6 (vgl. Fr. 25 G. = 54 S.: se ad extremum pollicetur prolaturum quae se ipsa comesi: quod efficit dialecticorum ratio). Die auf Hortensius' Angriff folgende Verteidigung der Dialektik - wahrscheinlich von Seiten Ciceros selbst - macht geltend, dass Hortensius als Rhetor selber von der Dialektik Gebrauch macht: quis te (seil. Hortensie) aut est aut fuit umquam in partiundis rebus, in definiundis, in explicandis pressior? (Fr. 27 G. = 55 S.; vgl. Fr. 26; 28-31 G. = 60f.; 63; 67; 93 S.; dazu Hartlich 294; Grilli 76f.). - Augustin setzt sich in dial. 9f. mit dem Problem mehrdeutiger Wörter auseinander, indem er das oben zitierte Hortensius-Ftagment 24 G. = 59 S. zum Ausgangspunkt nimmt (dazu Ruef 150-157).7 43 modus: S.o. zu 1, 10 (28f.). 45f. fingens, quod nihil intellegam: Konjunktionalsatz statt Acl nach Verba dicendi und sentiendi (s.o. zu 1, 9 [68]). - Gemäss Trygetius entsteht der infinite Regress beim Definieren, wenn Unverständnis absichtlich vorgegeben wird.
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Zu Cie. Hort. Fr. 24 G. = 59 S. vgl. Gell. 11, 12, 1 = SVF 2, 152: Chrysippus ait, omne verbum ambiguum natura esse (damit ist ein Spezialfall der Mehrdeutigkeit gemeint, nämlich dass jedes Wort insofern zweideutig ist, als es immer auch sich selbst als Wort bezeichnen kann). Zum Problem der ambiguitas formuliert Augustin in dial. 9 folgende Lösung: quod dictum est omne verbum ambiguum esse, de singulis verbis dictum est. explicantur ambigua disputando et nemo utique verbis singulis disputât, nemo igitur ambigua verba verbis ambiguis explicabit (dazu Ruef 150f.).
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46-48 (2) nam quid planissimum si ... sapientiae definido postula tur?: Begründung des Vorwurfs, dass beim Definieren ein infiniter Regress entstehe (s.o. zu Z. 43-46), durch ein Argument a fortiori in Form einer rhetorischen Frage ('wenn die Definition der Weisheit gefordert wird, dann müssen mit gleichem Recht auch alle anderen Dinge definiert werden, die völlig klar sind'). Trygetius geht davon aus, dass allgemein klar ist, was Weisheit ist (s.u. Z. 48f.). Hiermit beruht sein Argument jedoch auf einer Voraussetzung, die angesichts der vorangehenden Auseinandersetzung um sapientia von den anderen Gesprächsteilnehmern kaum geteilt wird. - Ob es nötig sei, allgemein Bekanntes bzw. Evidentes eigens zu definieren, wurde in der Stoa unterschiedlich beurteilt; vgl. Cie. ac. 2, 17: nec ea, quae tarn clara essent, definienda censebant; 2, 18: plerique tarnen et definitiones ipsarum etiam evidentium rerum non improbant.8 48f. (3) cuius enim verbi... apertiorem notionem natura esse uoluit ...?: Die implizite Voraussetzung der zweiten rhetorischen Frage (Z. 46-48) wird hier als Begründung derselben formuliert, und zwar noch einmal in Form einer rhetorischen Frage: die Bedeutung (notio-, s.o. zu 1, 11 [50-52]) von sapientia sei von Natur aus im Geist verfügbar. Mit demselben Gedanken argumentiert Augustin als Dialogfigur in lib. arb. 2, 103: ita etiam priusquam sapientes simus, sapientiae notionem in mente habemus impressami 2, 160: novit ergo insipierts sapientiam. non enim, sicut iam dictum est, certus esset velie se esse sapientem idque oportere, nisi notio sapientiae menti eius inhaereret, ebenso geht Augustin von einer apriorischen Kenntnis des Glücks aus (dazu s.o. S. 70). Die Formulierung natura ... voluit verrät jedoch nicht, wie die Entstehung der apriorischen Kenntnis im Geist vorgestellt wird. Der Begriff notio lässt zwar an die stoischen 'Allgemeinbegriffe' denken (κοιναι ευυοισι; προλήψεις), für die seit Cicero notio, seltener auch notitia, als Übersetzung verwendet wird (z.B. ac. 1, 32; 1, 42; 2, 30; top. 31; u.ö.) und die seit der Geburt durch wiederholte Wahrnehmungen entstehen (dazu Steinmetz 594f.; F.H. Sandbach, Ennoia and prolepsis in the Stoic theory of knowledge, in: Long, Problems 28f.; D. Obbink [oben S. 77 Anm. 29] passim). Es scheint aber, dass Augustin dieses stoische Konzept nicht übernommen hat, sondern an Stellen wie den oben zitierten vielmehr von apriorischen Begriffen ausgeht, deren Entstehung von der Sinneswahrnehmung unabhängig ist (vgl. O'Daly, Mind 184). 49-52 sed nescio quo modo, cum mentis nostrae veluti portum notio ipsa reliquerit et verborum sibi quasi vela tetenderit, ... calumniarum mille naufragia: Die Konstruktion nescio quo modo + eingeschobener Kon8
An der zuerst genannten Stelle sind als Subjekt "Kollegen des Stoikers Antipater von Tarsos" zu verstehen (Schäublin et al. 200 Anm. 25); der Kontext der zweiten Stelle lässt hingegen nicht erraten, von wem die Rede ist.
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junktionalsatz ist unüblich; vgl. noch Acad. 2, 17 (43); Nep. Thras. 1, 3 und bes. Cie. Tusc. 1, 24, wo ein ähnlicher Kontext vorliegt: sed nescio quo modo, dum lego, adsentior, cumposui librum..., adsensio omnis illa elabitur. Trygetius räumt eine Schwierigkeit ein: Die Bedeutung von sapientia ist nur so lange klar, wie sie im sicheren 'Hafen des Geistes' bleibt. Sobald sie sich des 'Gefährts' der Wörter bedient (vgl. das Bild des 'Segelsetzens', vela tetenderit, Z. 51), wird sie 'tausend Schiffbrüche aufgrund von Sophistereien' erleiden (die Metapher des Schiffbruchs wird auch in Acad. 2, 14 [24] verwendet: opinionis naufragio), vela tendere in der Bedeutung 'Segel setzen' scheint singulär zu sein; in Verg. Aen. 3, 268 (tendunt vela Noti) bedeutet tendere dagegen 'spannen', 'blähen' (vgl. Hensellek 167 § 113). Die Junktur calumniarum ... naufragia nimmt auf die Vorstellung des absichtlich vorgegebenen Unverständnisses Bezug (Z. 45f.). Die Kenntnis der Bedeutung allein garantiert also keine problemlose Verständigung über sapientia. Als Grund dafür nennt Trygetius jedoch allein die Böswilligkeit der Gesprächspartner (vgl. oben zu 1, 8 [29-31] zur Streitsucht); die Schwierigkeit liege also nicht in der Sache selbst. An anderen Stellen scheint Augustin dagegen ein Ungenügen der sprachlichen Kommunikation selbst festzustellen; vgl. ord. 1, 16 (27): o si possem dicere quod volo; 1, 18 (17-19): at ille (seil. Licentius) ingemescens difficultate verborum nec omnino quaerens, quid responderet, sed quem ad modum quod respondendum erat promeret;9 2, 4 (1-7) (oben zu Ζ. 42f. zitiert); cat. rud. 3: melioris (scil. sermonis) enim avidus sum, quo saepe fruor interius, antequam eum explicare verbis sonantibus coepero', conf. 11, 17: quid est ergo tempus? si nemo ex me quae rat scio; si quaerenti explicare velim, nescio. Die Bewegung, die im Bild des 'aus dem Hafen Auslaufens' enthalten ist, wird bei Cicero als 'Öffnen und Ausrollen des Begriffs durch das Definieren' ausgedrückt, so orat. 116: explicanda est saepe verbis mens nostra de quoque re atque involuta rei notitia definiendo aperienda est, Tusc. 4, 53: quae enim istarum definitionum non aperit notionem nostram, quam habemus omnes de fortitudine tectam atque involutam?, top. 31: notionem appello quod Graeci tum ϋυνοιαν tum πρόληψιυ. ea est insita et animo praeeepta cuiusque cognitio enodationis indigens; o f f . 3, 76: complicatam notionem evolvere. 52-54 quam ob rem aut... aut...: Abschluss der Argumentation in Form einer Disjunktion. 53f. aut iudex noster in eius patrocinium dignetur descendere: Zum Gerichtsvokabular s.o. zu 1, 5 (7); insbesondere zu patrocinium in Bezug auf
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In De ordine wird das Ungenügen der Sprache im Zusammenhang mit der Rolle der Inspiration diskutiert (dazu s.u. zu 1, 21 [49f.]).
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eine philosophische Position vgl. Cie. ac. 2, 17: patrocinium Academiae\ nat. deor. 1, 6; 1, 11; fin. 2, 67; Plin. epist. 9, 7, 1. Die Junktur in patrocinium descendere, 'sich zur Verteidigung herablassen' (s. auch unten 1, 16 [4f.]), ist wohl in Anlehnung an das häufiger belegte in causam bzw. in partes descendere, 'Partei beziehen', gebildet (Cie. Phil. 8, 4; Att. 8, 1, 3; Tac. ann. 15, 50; u.ö.). descendere enthält hier aber auch die Konnotation des Machtverlusts durch die Aufgabe des Schiedsrichteramts (vgl. TLL 5, 1, 649, 36ff.). - iudex ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt des Dialogs Augustin (s.o. 1, 6 [39]). Er geht auf die vorliegende Aufforderung nicht ein (s.u. zu 1, 16 [llf·]). 54f. cum iam stilum nox impediret ... magnum quiddam ... oboriri: Zum Motiv der Gesprächsmitschrift vgl. die Angabe im Proömium 1, 4 (98f.): adhibito itaque notario. Das Gespräch wird gewöhnlich bei Einbruch der Dunkelheit unterbrochen (vgl. Acad. 2, 29 [14]: antequam stilum nostrum tenebrae occupent). Aber auch am Vortag flammte die Auseinandersetzung gerade bei Einbruch der Nacht auf (s.o. zu 1, 10 [27f.]). 57f. in rebus rusticis ordinandis: Das philosophische otium auf dem Landgut (s.o. zu 1, 4 [72f.]) ist von praktischen Arbeiten begleitet; vgl. Acad. 2, 10 (13f.): paululumque cum rusticis egimus quod tempus urgebat', 2, 25 (2f.). Möglicherweise spielen dabei insbesondere christliche Modelle des Rückzugs aus der Gesellschaft eine Rolle (vgl. Courcelle, Recherches 178187): Im christlichen Mönchtum wurde unter Berufung auf 2 Th 3, 10 körperliche Arbeit in den Tagesablauf mit einbezogen und auch als Teil des Gebets betrachtet (dazu A. Guillaumont, Le travail manuel dans le monachisme ancien. Contestation et valorisation, in: Ders., Aux origines du monachisme chrétien. Pour une phénoménologie du monachisme, Spiritualité Orientale 30 [Bégrolles en Mauges 1979] 118f.; vgl. auch die Diskussion bei R.J. Halliburton, The Inclination to Retirement - the Retreat of Cassiciacum and the 'Monastery' ofTagaste, TU 80 = Studia Patristica 5 [Berlin 1962] 332). 58 in recensione primi libri Vergilii: Zu recensio, '(erneute) Lektüre', vgl. Hensellek 157f. § 60 (das ungebräuchliche Abstractum steht anstelle eines Gerundivs). - Auf die vorliegende Stelle nimmt Acad. 2, 10 (3f.) Bezug: cum tres tarnen Vergilii libros post ρ rim um recenseremus. Unklar ist, welches Werk Vergils damit gemeint ist. Für die vier Bücher Geórgica spricht die Tatsache, dass an der soeben zitierten Stelle von vier VergilBüchem die Rede ist; daneben wurde die Angabe oben in Z. 57f., man habe den Tag in rebus rusticis ordinandis verbracht, als Anspielung auf die Geórgica verstanden (Alfaric 397; dies ist zweifellos zu gesucht). Für die Aeneis könnte dagegen das Zitat im vorangehenden Paragraphen sprechen (1, 14 [25] = Aen. 1,401) sowie die grosse Zahl an weiteren Zitaten aus der Aeneis
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in Acad. (die Stellen sind bei Fuhrer zu 2, 10 [3] gesammelt). Doch die Kenntnis der wichtigsten Schulautoren war so selbstverständlich, dass manche Stellen daraus jederzeit aus dem Gedächtnis zitiert werden konnten (darauf deuten z.B. die Terenz-Zitate in beata ν. 25; 32; ord. 1,9; 1, 20; 2, 21; vgl. J.J. O'Donnell, Augustine's Classical Readings, Ree Aug 15 [1980] 168-170). An der vorliegenden Stelle können sich die Leser aber noch aus einem anderen Grund an Aen. 1 erinnert fühlen, nämlich weil das Thema von Acad. 1 diesem Buch 'auf eigenartige Weise entspricht' (so O'Donnell 3, 85: "[T]he theme of Acad. 1 is eerily apposite to Aeneid 1 ('on the table' at Acad. 1. 5. 15): do you call a person happy while on a journey, or only when the journey is over?"; vgl. auch Courcelle, Lecteurs 33). - Vergils Allgegenwärtigkeit zeigt sich z.B. auch daran, dass zur Prüfung der telepathischen Fähigkeiten eines Wahrsagers ein Vergilvers gewählt wurde (unten 1,18 [4047]); ebenso daran, dass sich Trygetius wohl über die gemeinsame Lektüre hinaus mit Vergil beschäftigte (vgl. Acad. 3, 1 [20-22]). Zu Vergil bei Augustin vgl. neben Hagendahl auch G.A. Müller, Formen und Funktionen der Vergilzitate bei Augustin von Hippo (Paderborn etc. 2003); S. MacCormack, Shadows of Poetry. Vergil in the Mind of Augustine (Berkeley etc. 1998).
1, 16-1, 23: Weisheit als Wissen, Divination als Wissensquelle Der vorliegende Abschnitt enthält je eine längere Rede von Augustin, Licentius und Trygetius. 1 Erst danach folgen wieder kürzere Voten. Möglicherweise sollen die zusammenhängenden Reden bereits einen Fortschritt der Schüler im Formulieren von Argumenten andeuten. Am Anfang dieser Gesprächsphase ist jedoch eine Hilfestellung von Seiten Augustins nötig: Er ist es, der das Gespräch mit einer neuen Definition der Weisheit über einen schwierigen Punkt hinwegführt. 2 Diese dritte Weisheitsdefinition stoischer Tradition konzentriert sich auf den Wissensbegriff und insbesondere die Gegenstände des Wissens: "Weisheit ist das Wissen um menschliche und göttliche Dinge." In der Fortsetzung wird die Definition am Beispiel eines divinus ('Divinationspraktikers'), der als möglicher stoischer Weiser eingeführt wird, geprüft, woraus sich eine eingehende Auseinandersetzung mit der Divination ergibt. Der Argumentationsgang dieses Dialogteils und die Tradition der Positionen sowie der zeitgenössische Kontext und die Motivation der Beschäftigung mit der Divination sollen im Folgenden kurz dargestellt werden. Licentius versucht in §§ 17-18 die dritte Weisheitsdefinition durch die Behauptung zu widerlegen, dass diese Definition die den Dialogpartnern wohlbekannte zwielichtige Figur des divinus Albicerius mit einschliesse, da er über das von der Definition geforderte Wissen um menschliche und göttliche Dinge verfüge. Wenn Licentius dies überzeugend vertreten könnte, hätte er die Definition nicht nur als zu weit erwiesen, sondern auch rhetorisch effektvoll ad absurdum geführt. In seinem elenktischen Argumentationsgang übernimmt er die dritte Weisheitsdefinition als erste, unausgesprochene Prämisse. Die zweite Prämisse bildet der Erweis, dass Albicerius über das geforderte Wissen verfüge; als Schlussatz folgt daraus, dass Albicerius weise ist.3 Trygetius wird allerdings die zweite Prämisse aus inhaltlichen Gründen nicht akzeptieren (§§ 19-22). Ausserdem wird er sich die Tatsache zunutze machen, dass Licentius mit der zweiten Prämisse von der skeptischen These
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Augustin: § 16; Licentius: §§ 17-18; Trygetius: §§ 19-22 (16) (zur Zuweisung dieses Abschnitts an Trygetius s.u. zu 1, 19 [1]). 1, 16 (14f.). Zu Augustins Hilfestellungen s.o. S. 10 und zu 1, 5 (21). Acad. 1, 17 (23)-l, 18 (53) bzw. 1,18 (53-55).
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nihil ab homine percipi posse abweicht, die dieser selber in einer früheren Phase des Gesprächs referiert hatte.4 Mit der Figur des Albicerius versucht Licentius, anschaulich zu argumentieren.5 Er nennt einerseits konkrete Beispiele für Albicerius' Wissen um 'menschliche und göttliche Dinge' ; andererseits verschiebt sich die Aufmerksamkeit von der Definition der Weisheit auf die Figur des Weisen. Dabei wird der divinus als mögliche Konkurrenz zum stoischen sapiens dargestellt. Die Einbettung der Divination in die Diskussion des stoischen Weisheitsideals zeigt, dass sich in der Beispielfigur des Albicerius nicht etwa nur die weite Verbreitung der Wahrsagekunst in der Spätantike spiegelt.6 Vielmehr muss diese Tatsache vor dem Hintergrund der traditionellen Auseinandersetzung um die Divination als Wissensquelle betrachtet werden, die insbesondere zwischen Stoikern und Skeptikern ausgetragen wurde. Tatsächlich blieb die Frage, wie das Wissen eines divinus beurteilt werden kann und soll, bis in die Spätantike heftig umstritten, obwohl die Divination ihre Rolle im öffentlichen politischen Leben längst eingebüsst hatte und die Argumente pro und contra zu Gemeinplätzen worden waren.7 Vor diesem Hintergrund gewinnt die vorliegende Diskussion um Albicerius als Beispiel des stoischen Weisen an Kontur. Die wichtigsten antiken Verfechter der Divination sind die Stoiker.8 Sie vertreten einen rationalen Zusammenhang des ganzen Universums (συμπάθεια), der durch eine ununterbrochene Ursachenkette geregelt ist (ειμαρμένη).9 Auf dieser Grundlage basiert aus stoischer Sicht die prinzipielle Vor4 Acad. 1, 7 (20); s.u. zu 1, 22 (17f.) und (18-20). 5 Ähnlich verfahrt Cicero im Hortensius mit der Figur des Orata als möglichem Beispiel des beatus (Fr. 67-73 G. = 39f.; 42f. S.). Inhaltlich scheint die Argumentation anhand eines divinus aber - soweit sich das prüfen lässt - in keiner Weise durch den Hortensius motiviert zu sein. Daran zeigt sich besonders deutlich, dass Acad. 1 keineswegs als blosse Aufbereitung der Argumente des Hortensius betrachtet werden darf (s.ó. S. 25). - Der Rückgriff auf Beispielfiguren steht in Einklang mit Licentius' skeptischer Haltung (s.o. zu 1, 6 [36f.]). 6 Dazu unten S. 152-154. 7 Vgl. Fögen 26: "Die Semantik der Texte ... künde(t) bis ins 5. Jahrhundert vom Sitz des Problems im menschlichen Wissenssystem und seinen traditionellen Artikulationsformen." - Ursprünglich diente in Rom die staatlich institutionalisierte Divination dazu, die Zustimmung der Götter zu den Entscheidungen der Menschen einzuholen. In der vorliegenden Diskussion ist divinatio jedoch - entsprechend der veränderten politischen und juristischen Lage (s.u. S. 153) - auf den privaten Bereich eingeschränkt. 8 Unter den Stoikern äusserte gemäss Cie. div. 1, 6 (vgl. auch 2, 88 und 97) einzig Panaitios Zweifel (dazu R.J. Hankinson, Stoicism, Science and Divination, in: Apeiron 21 [1988] 130 und 133 Anm. 50; Long, Hell. Philos. 212). 9 S VF 2, 944f.; 2, 959; 2, 967 (vgl. Long, Astrology 167; dens., Hell. Philos. 163-170; R.J. Hankinson in History of Hell. Philos. 526-534).
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hersehbarkeit der Dinge. 10 Wenn der Mensch aber durch die Divination Wissen um Zukünftiges erlangen kann, dann scheinen ihm nahezu göttliche Fähigkeiten verliehen - so Cicero zu Beginn seiner Schrift De divinatione.11 Als divinus kann jedoch nur der sapiens gelten.12 Das stoische Ideal des Weisen wiederum war äusserst schwierig zu erreichen, und kaum einer, der sich in der Antike als divinus ausgab, dürfte diesem tatsächlich entsprochen haben.13 Immerhin waren Beispiele von Philosophen bekannt, die neben ihrem philosophischen Wissen auch über divinatorische Fähigkeiten verfügten, allen voran Nigidius Figulus, ein Zeitgenosse Ciceros.14 Dennoch blieb die Divination als Wissensquelle umstritten. Im Gegensatz zu den Stoikern hielten die Skeptiker die Divination für unmöglich; sie blieben damit ihrem Grundsatz treu, dass es kein Wissen gebe.15 Karneades formulierte eine Reihe von Argumenten gegen Chrysipp, die in der späteren Polemik gegen die Astrologie oft wieder verwendet wurden, so 10 SVF 1, 174; vgl. Steinmetz 538; R.J. Hankinson in History of Hell. Philos. 534-537. Die stoischen Schriften über die Divination sind ausnahmslos verloren: Chrysipp verfasste zwei Bücher über Divination, eine Orakelsammlung und ein Werk über Träume (Cie. div. 1, 6; 1, 37; 1, 39); weitere Werke über Divination sind für Diogenes von Seleukia, Antipater und Poseidonios bezeugt (Cie. div. 1, 6). Hauptquelle unserer Kenntnisse der genannten Autoren ist daher Cie. div. 1 (dazu Marcus Tullius Cicero, Über die Wahrsagung. De divinatione. Lateinisch-deutsch, hg., übers, und erläutert von C. Schäublin [München/Zürich 1991] 399-418). 11 Div. 1, 1: ... versari quondam inter homines divinationem, quam Graeci μαντική ν appellant, id est praesensionem et scientiam rerum futurarum. magnifica quaedam res et salutaris, si modo est ulla, quaque proxime ad deorum vim natura mortalis possit accedere. 12 Vgl. div. 2, 129 = SVF 3, 607: Stoici autem tui negant quemquam nisi sapientem divinum esse posse·, Stob. 2 p. 67, 13f. Wachsmuth-Hense: μόνον δε φασι τ ο ν σοφόν κα\ μ ά ν τ ι ν ά γ α θ ό ν είναι; Stob. 2 ρ. 114, 16-18 Wachsmuth-Hense = SVF 3, 605: και μαντικόν δε μόνον είναι τ ο ν σπουδαΐον, ώ ς αν έπιστήμην έ χ ο ν τ α δ ι α γ ν ω σ τικήν σημείων τ ω ν εκ θεών ή δ α ι μ ό ν ω ν π ρ ο ; ά ν θ ρ ώ π ι ν ο ν βίον τ ε ι ν ό ν τ ω ν (dazu Pfeffer 53-56). 13 S.u. zu 1, 19 (5-8). 14 S.u. zu 1, 17 (21). Zu den Berührungspunkten zwischen Philosoph und Magier vgl. M.W. Dickie, The learned magician and the collection and transmission of magical lore, in: D.R. Jordan et al. (Hgg.), The world of ancient magic. Papers from the first International Samson Eitrem Seminar at the Norwegian Institute at Athens, 4-8 May 1997 (Bergen 1999) 163-193 (Dickie behandelt neben Nigidius Figulus insbesondere Anaxilaos von Larissa und Bolos von Mendes). Vgl. auch Aug. ep. 102, 32 über Apollonios von Tyana und Apuleius: side istis, ut dixi, quos magos vel ρ hilo sop ho s laudabiliter nominant etc. (zur Schwierigkeit wiederum, Divination und Magie in der Spätantike klar voneinander abzugrenzen, vgl. F. Graf, Magic and divination, in: D.R. Jordan [s.o.] 283298). 15 Weitere Vorbehalte betrafen das Problem des Verhältnisses zwischen Determination (als Voraussetzung der Divination) und freiem Willen (vgl. Görler 889-891).
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von Favorinus, Sextus Empiricus und Augustin.16 Gleichzeitig machten sich die Skeptiker nach dem Zeugnis von Ciceros Lucullus die stoische Parteinahme zugunsten der Divination für einen elenktischen Beweisgang gegen die stoische Konzeption der 'wahren Erscheinung' als Grundlage von Wissen und Weisheit zunutze. Dabei diente den Skeptikern die gegnerische Position, dass es divinatorische Erscheinungen gebe (insbesondere Träume und Visionen), die a priori falsa seien und trotzdem probabilia,17 als Ausgangspunkt für einen Sorites (Haufenschluss), mit dem bewiesen werden sollte, dass falsche und wahre Erscheinungen letzten Endes nicht unterschieden werden können. Denn - so der Argumentationsgang in Cie. ac. 2, 47 - wenn schon divinatorische Erscheinungen probabilia seien, dann auch solche Erscheinungen, die (im Gegensatz zu den divinatorischen) deutlich an das Wahre herankämen, und folglich auch solche Erscheinungen, die kaum voneinander zu unterscheiden seien, und mit noch grösserem Recht auch solche, die man überhaupt nicht voneinander unterscheiden könne (das implizite Fazit lautet: zwischen wahrer und falscher Erscheinung kann man nicht unterscheiden).18 Dieses Argument wird in der Fortsetzung zwar hauptsächlich in formaler 16 Favorin. Fr. 3 Barigazzi = Gell. 14, 1; S.E. M. 5; Aug. conf. 7, 8-10; civ. 5, 1-9 (vgl. Long, Astrology 190; Sesto Empirico, Contro gli astrologi, a cura di E. Spinelli, Elenchos 32 [Napoli 2000] 20 Anm. 17; 31 Anm. 31 [mit Literatur]). Augustin kannte Cie. Av., eine mögliche Quelle dieser Argumente, sicher seit der Niederschrift von civ. 5 (vgl. Hagendahl 70-72 Test. 152-157), doch wahrscheinlich schon früher. 17 Cie. ac. 2, 47: quaerunt, quonam modo falsa visa quae sint, ea deus efficere possit probabilia. Die Stelle bezieht sich auf Chrysipp, SVF 3, 177: και τ ο ν θεόν ψευδείς έμποιεΐν φ α ν τ α σ ί α ç , κα\ τ ό ν σ ο φ ό ν , ού σ υ γ κ α τ α τ ι θ ε μ έ ν ω υ ούδ' ε'ικόντων δεομέυους η μ ώ ν , ά λ λ ά π ρ α τ τ ό ν τ ω ν μόνον και ό ρ μ ώ ν τ ω ν έπι τ ο φαινόμενον. Chrysipp erklärt also das Paradox der divinatorischen Erscheinungen, die von Gott oder einem Weisen stammen und trotzdem a priori 'falsch' sind, indem er zwischen Zustimmung und blossem Handlungsantrieb unterscheidet (vgl. Long, Language 100). Bemerkenswert ist die Gleichsetzung des Divinationspraktikers mit einem 00905. Das Konzept des probabile, das in Cie. ac. 2 , 4 7 vorausgesetzt ist, wird in Acad. erst ab 2, 16 diskutiert. 18 Cie. ac. 2, 47: nam cum dicatis, inquiunt (seil. Academici), visa quaedam mitti a deo, veto ea quae in somnis videantur quaeque oraculis auspieiis extis declarentur (haec enim aiunt probari a Stoicis, quos contra disputant) - quaerunt, quonam modo falsa visa quae sint ea deus efficere possit probabilia, quae autem plane proxume ad verum accédant, efficere non possit; aut si ea quoque possit cur illa non possit quae perdifficiliter internoscantur tarnen; et si haec, cur non inter quae nihil sit omnino. Die divinatorischen Erscheinungen werden wohl insofern als falsa (bzw. ψευδείς in SVF 3, 177, oben Anm. 17) bezeichnet, als derjenige, der einen Traum hat, meist nicht weiss, dass er träumt, und somit seine Wahrnehmung nicht richtig einschätzt (so PI. Tht. 157e ff., bes. 158a lf.: ώ ς π α ν τ ό ς μ ά λ λ ο ν ήμΐν ψευδείς αισθήσεις έν α ύ τ ο ΐ ς [seil, in Träumen u.ä.] γ ι γ ν ο μένας; vgl. zu diesem Thema auch Acad. 3, 26 mit C. Brittain [oben zu 1, 7 (20)] passim; zu Cie. ac. 2, 47 vgl. Dillon, Mind 106f. Anm. 3; M.F. Burnyeat [unten zu 1, 22 (28)] 36f.). Inwiefern auch Orakelsprüche usw. als a priori 'falsch' gelten können, ist unklar.
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Hinsicht diskutiert (ac. 2, 49f.); die inhaltliche Auseinandersetzung beschränkt sich zudem auf Träume, Wahn- und Rauschzustände, während von der Divination durch Orakel, Vogel- und Eingeweideschau in der Fortsetzung nicht mehr die Rede ist (ac. 2, 51-53). Trotz dieser Einschränkung scheint es, dass sich Licentius auf den Spuren dieses Arguments bewegt, wenn er das Beispiel eines divinus anfuhrt, um das stoische Weisheitsideal zu widerlegen und damit indirekt für die eigene epistemologische Position zu argumentieren. Er bezeichnet jedoch im Gegensatz zu Lucullus' Referat in ac. 2, 47 die Auskünfte des Wahrsagers nicht als falsa, die probabilia sind, sondern vielmehr als certa et vera (1,18 [49]). Trygetius' Gegenargumentation ist umso effektvoller, als sie in Widerspruch zur traditionellen Verteidigung der Divination durch die Stoiker steht, deren Standpunkte er in der übrigen Diskussion von Acad. 1 wahrt. In seiner Entgegnung (§§ 19-22 [16]) konzentriert sich Trygetius einerseits auf den stoischen Wissensbegriff, dem Albicerius' Wissen nicht genüge (§ 19), andererseits auf die 'menschlichen und göttlichen Dinge'. Als menschliche Dinge werden die Tugenden bestimmt (§ 20). Zusätzlich widmet sich Trygetius auch der Frage, wie das Wissen um die menschlichen Dinge erreicht werden könne. Als Antwort darauf formuliert er die Forderung, den Intellekt mit Hilfe der artes liberales auszubilden (§ 21). Bei den göttlichen Dingen beschränkt er sich zunächst darauf, diese in Relation zu den menschlichen Dingen als hervorragender zu bestimmen. In der Folge tritt an die Stelle der göttlichen Dinge Gott, der als ausschliesslich intellektuell und nicht durch die Sinne erfassbar beschrieben wird (§ 22). - Neben der Frage, über was für eine Art von Wissen Albicerius verfüge, widmet sich Trygetius auch dem Zustandekommen dieses Wissens. Dabei beruft er sich auf eine weit verbreitete Dämonenlehre, die im Anschluss an Piaton und Xenokrates zur Erklärung der Divination verwendet wurde.19 - Drittens legt Trygetius sein Augenmerk auf die Frage, wozu das Wissen des Wahrsagers dient (§ 22). Die Beurteilung von Albicerius' Divination beruht in allen drei genannten Bereichen - dem Wissen, seinem Zustandekommen, seiner Anwendung - auf dem Kriterium des grundsätzlichen Vorrangs des Intellekts vor der Sinneswahrnehmung bzw. des beständig Seienden vor dem Veränderlichen. Dieses Kriterium bestimmt den gesamten Argumentationsgang der §§ 17-22: Licentius misst daran Albicerius' Lebensweise und sein Bildungsniveau,20 um ihn 19 S.u. S. 177f. Das Interesse der Platoniker an der Divination als Wissensquelle dürfte mit ein Grund sein, warum die Divination in der Kaiserzeit trotz aller skeptischen Polemik zum Teil auch unter Gebildeten akzeptiert blieb (s.u. zu 1, 18 [34f.]). Doch gab gerade auch die platonische Erklärung der Divination durch Dämonen Anlass zu Kritik von christlicher Seite (s.u. S. 178 und zu 1, 20 [35f.]). 20 S.u. zu 1, 17 (18-20) bzw. zu 1,18 (45f.).
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von vornherein als möglichen sapiens auszuschliessen; Trygetius verneint, dass Albicerius über unfehlbares und weisheitsrelevantes Wissen verfüge, und kritisiert die materialistischen und egoistischen Motive des Wahrsagers für die Berufsausübung.21 Aufgrund dieser offenkundigen ethischen und intellektuellen Unzulänglichkeiten scheint die Einordnung von Albicerius' Divination als minderwertiger Form von Wissensvermittlung gelungen zu sein, und die These, dass Albicerius ein stoischer Weiser sei, wird im Dialog nicht mehr aufrechterhalten.22 Wenn für die Gesprächsrunde damit zwar entschieden ist, dass die Divination weder als Wissenschaft gelten kann noch eine Konkurrenz zur Philosophie darstellt, so ist jedoch eine andere, brisante Frage, die wohl auch in der vorliegenden Diskussion als verborgene Motivation im Hintergrund steht, nicht beantwortet, nämlich die Frage, wie die pagane Divination von christlichen Wundern und Prophezeiungen zu unterscheiden sei. Wunder und Prophezeiungen spielen eine fundamentale Rolle im spätantiken Christentum, denn durch sie konstituiert sich zu einem guten Teil die divina auctoritasP Diese wiederum ist für fast alle Menschen eine notwendige Voraussetzung der vernunftgemässen Gotteserkenntnis und darüber hinaus für diejenigen, die zu rationaler Erkenntnis nicht fähig sind, eine gleichwertige Alternative zu derselben.24 Wenn aber christliche Wunder und Prophezeiungen bisweilen den Beispielen paganer Divination zum Verwechseln ähnlich sehen, dann stellt die pagane Divination eine ernstzunehmende Konkurrenz zum Christentum dar. Vor der Gefahr der Verwechslung warnt Augustin ausdrücklich im zweiten Buch von De ordine·. Bei der divina auctoritas müsse man den Trug der Dämonen fürchten, die durch gewisse Weissagungen und durch ihre Macht über die sinnlich wahrnehmbaren Dinge die Seelen leicht täuschten. 21 S.u. zu 1, 19 (1-12) und 1, 20 (19-29) bzw. zu 1, 22 (8-10). Dasselbe Kriterium des grundsätzlichen Vorrangs des Intellekts vor der Sinnesebene liegt auch dem Abschnitt über das Zustandekommen von Divination zugrunde, denn als Begründung für ihre negative Einschätzung dient die Vorstellung, dass Divination lediglich durch die verfeinerte Sinneswahrnehmung der Dämonen entstehe (s.u. 1, 20 [34-39]). Problematisch ist dabei jedoch, dass die Art und Weise des Zustandekommens von Divination im Unterschied zu den ethischen und intellektuellen Mängeln, die dem Wahrsagers und seinem Wissen angelastet werden, nicht nachprüfbar ist. 22 Eine gegenseitige Abgrenzung von Divination und Wissenschaft unternimmt Augustin insbesondere in doctr. ehr. 2; dazu W. Klingshirn, Divination and the Disciplines of Knowledge according to Augustine, in: K. Pollmann / M. Vessey (Hgg.), Augustine and the Disciplines (Oxford, im Druck); W. Hogrebe, Metaphysik und Mantik. Die Deutungsnatur des Menschen (Frankfurt a.M. 1992) 164-173. Das Bestreben, eine bestimmte Art von scientia (also Divinationswissen) per se abzuwerten, ja zu verbieten (s.u. S. 153 Anm. 29), erreicht im 4. Jh. ein vorher ungekanntes Ausmass (vgl. Fögen 45f.; 78). 23 Vgl. Lütcke, Auct. 1168f. 24 S.o. zu 1,9 (61-63); Lütcke, Auct. II 500f.
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Hingegen könne diejenige Autorität als göttlich gelten, die die Menschen veranlasse, nicht in den Sinnen verhaftet zu bleiben, sondern vielmehr zum Intellekt 'hinzufliegen'.25 Hier wird zur gegenseitigen Abgrenzung von göttlichen und dämonischen Manifestationen das gleiche Prinzip des Vorrangs des Intellekts vor der Sinnesebene angewendet, das auch den vorliegenden Abschnitt prägt: Die göttliche Autorität ist daran zu erkennen, dass sie den Menschen von den Sinnen weg- und zum Intellekt hinführt. Der Unterschied zur Divination besteht also in der Zielsetzung der divina auctoritas, die dem Kriterium des Vorrangs des Intellekts entspricht. Doch trotz dieses Arguments ist die Frage nicht gelöst, wie göttliche und dämonische Wunder auf der Ebene der blossen Phänomene voneinander abzugrenzen sind. Vor paganen Divinationsspezialisten musste umso eindringlicher gewarnt werden, als einflussreiche Strömungen innerhalb des Christentums wie der Montanismus den Glauben an Wunder und Prophezeiungen förderten und Visionen und Träume als bevorzugtes Medium göttlicher Offenbarung verstanden wurden.26 Angesichts dieser Lage setzen sich die christlichen Autoren intensiv mit der Divination auseinander.27 Augustin polemisiert in seinen Predigten und exegetischen Schriften unermüdlich gegen die traditionellen 25 Ord. 2, 27 (29-34): in qua (seil, divina auetoritate) metuenda est aeriorum animalium mira fallacia, quae per rerum ad istos sensus corporis pertinentium quasdam divinationes nonnullasque potentias decipere animas facillime consuerunt aut periturarum fortunarum curiosas aut fragilium cupidos potestatum aut inanium formidulosas miraculorum. illa ergo auctoritas divina dicendo est, quae non solum in sensibilibus signis transcendit omnem humanam facultatem sed... non teneri sensibus, quibus videntur illa miranda, sed ad intellectum iubet evolare. Mit dem stoisch-neuplatonisch geprägten Gegenstand von De ordine, der rationalen Weltordnung, ist die Frage nach der grundsätzlichen Zugänglichkeit und Verfügbarkeit von Erkenntnis und damit auch nach der Möglichkeit von Divination eng verbunden. Die Aufmerksamkeit für die Divination zeigt sich in De ordine neben der oben zitierten Stelle auch an den wiederholten Anspielungen auf die Figur des vates (dazu s.u. zu 1, 19 [17f.]) und am Interesse für das Phänomen der Inspiration (s.u. zu 1, 21 [49f.]); ebenso daran, dass Augustin bei der Aufzählung der diseiplinae auch die Sternkunde erwähnt und sich dabei die Gelegenheit nicht entgehen lässt, zwei mögliche Haltungen dieser gegenüber zu unterscheiden, die der religiosi und die der curiosi (2, 42 [11-16], unten S. 197 Anm. 90 zitiert). 26 Vgl. Wieland 55; Dulaey 30 und passim; Courcelle, Confessions 127-136; dens., Divinatio 1241-1251. Zu den Montanisten vgl. C. Trevett, Montanism (Cambridge 1996) 86-92; Dodds, Pagan 63-65. Zur Konkurrenz zwischen Klerus und Wahrsagern vgl. Brown, Sorcery 130. Heilige wie z.B. Hilarión wurden als magi verehrt; neben den Bischöfen Cyprian und Athanasius waren Zauberer gleichen Namens bekannt (vgl. Brown, ebd. 139). Zum Vorwurf, Christus und die Apostel hätten magische Handlungen vollzogen (z.B. Aug. cons. ev. 1, 9-11) vgl. Thorndike 505; R. Kieckhefer, Magic in the Middle Ages (Cambridge 1989) 33-37; Fögen 189-192 (mit Literatur). 27 Vgl. Markus, Magic 377 Anm. 9; 388; Dodds, Pagan 55 Anm. 3; Courcelle, Divinatio 1241-1249.
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Divinationsmethoden, was auf die weite Verbreitung derselben unter den nordafrikanischen Christen schliessen lässt.28 Auch durch wiederholte einschränkende Gesetze und Verbote konnte die Divination im vierten und beginnenden fünften Jahrhundert nicht verdrängt werden.29 Vielmehr belegt gerade die Tatsache, dass die Verbote wiederholt erneuert werden mussten, das Weiterleben der Divination.30 Augustin selbst hegt ein besonderes Interesse für die Astrologie.31 Dieses war möglicherweise durch seine frühere, zehn Jahre dauernde Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Manichäer geweckt und gefördert worden, bei denen die Astrologie eine zentrale Rolle spielte.32 In den Confessiones widmet Augustin mehrere Abschnitte seinen persönlichen Erfahrungen mit der Astrologie in Karthago. Wichtig scheint ihm dabei, diese von der Magie zu unterscheiden: So habe er einerseits die Beihilfe eines Haruspex, der ihm zum Sieg bei einem Dichterwettstreit verhelfen wollte, abgelehnt, und zwar 28 Vgl. z.B. s. 9, 17: abstinete ... a mathematicis, ab haruspicibus, a sortilogis, ab auguribus; s. Mai 105, 1: in qualibet infirmitate sortílegos quaerunt, haruspices et divinos interrogane Io. ev. tr. 7, 7: non quando nobis dolet caput, curramus ad praecantatores, ad sortílegos et remedia vanitatis. fratres mei, non vos plangam? cotidie invenio ista; et quid faciam? nondum persuadeo christianis in Christo spem esse ponendam", en. Ps. 57, 4; 59, 11; 91, 10; 93, 20; ep. 246, 2; u.ö. Zur Verbreitung der Divination unter den Christen vgl. D. Pingree, Astrologia, astronomia, AL 1 (1986-94) 485f.; O'Donnell 2, 210f.; Alfaric 27f.; Barb, passim; Trombley 1, 59-72; Brown, Sorcery passim; J. den Boeft, Divinatio, AL 2 (1996ff.) 518. Besonders einflussreich war in Nordafrika die Astrologie; vgl. F. Cumont, Les religions orientales dans le paganisme romain (Paris 1963 = 4 1929) 153 Anm. 15; J. Toutain, Cultes païens dans l'empire romain (Paris 1911) 2,193ff. Zur Aktualität der Divination im 4. Jh. vgl. auch Amm. 21,1-2; 23,1-5. 29 Im Jahr 357 wurde die Divination verboten (Cod. Theod. 9,16, 4: nemo haruspicem consulat aut mathematicum, nemo hariolum. ... sileat omnibus perpetuo divinandi curiositas). Nach einer Lockerung der Gesetzgebung durch Kaiser Julian folgte 370 (oder 373?) ein neues Verbot. Zur Rechtslage vgl. Trombley 59-72; L. Desanti, Sileat omnibus perpetuo divinandi curiositas. Indovini e sanzioni nel diritto romano (Mailand 1990); D. Grodzynski, Par la bouche de l'empereur. Rome IVe siècle, in: J.P. Vernant et al. (Hgg.), Divination et Rationalité (Paris 1974) 267-294; s. auch unten zu 1, 19 (12-14). Zu den Gründen des Verbots vgl. besonders Fögen Kap. 6-8. 30 Vgl. Barb 107; R. Kieckhefer (s.o. S. 152 Anm. 26) 41 zu kirchlichen Synoden wie z.B. 314 in Ancyra und 375 in Laodicaea, in denen Beschlüsse gegen Divination formuliert wurden. 31 Vgl. Beard et al. 2, 189f. Zur Astrologie s. auch unten zu 1, 19 (13) und zu 1, 22 (3-13). 32 Vgl. Alfaric 234; L. Ferrari, Astronomy and Augustine's Break with the Manichees, REAug 19 (1973) 268; B. Brüning, De l'astrologie à la grâce, in: Collectanea Augustiniana, Mèi. T.J. van Bavel, hrsg. von Β. Brüning et al. (Leuven 1990) 575-643. Zur Astrologie bei den Manichäern vgl. H.G. Schipper, Melothesia: A Chapter of Manichaean Astrology in the West, in: J. van Oort et al. (s.o. zu 1, 3 [73-75]) 195-204; W. Gundel / H.G. Gundel, Astrologumena. Die astrologische Literatur in der Antike und ihre Geschichte (Wiesbaden 1966) 329-331.
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weil der Haruspex mittels Tieropfer die Beihilfe von Dämonen gewinnen wollte.33 Andererseits habe er Astrologen konsultiert, ihre Schriften studiert, ja er habe sogar selber astrologische Auskünfte erteilt.34 Den Umgang mit den Astrologen rechtfertigt er dadurch, dass diese offenbar keine Opfer vollzogen oder Gebete an einen Geist richteten.35 Seine spätere Distanzierung von der Astrologie stellt er als Folge des Einflusses seiner gebildeten Freunde dar (Vindicianus, Nebridius und Firminus); das entscheidende Argument, das er dabei verwendet (zwei zur gleichen Zeit und am gleichen Ort geborene Menschen mit dem gleichen Geburtshoroskop, jedoch ganz unterschiedlichen Lebensläufen), ist allerdings ein skeptisches Standardargument.36 Offensichtlich war Augustin mit der älteren philosophischen Diskussion um die Divination vertraut.37 Die Frage, wie das Wissen der paganen Wahrsager erklärt und von ähnlichen Manifestationen der göttlichen Autorität abgehoben werden soll, hat Augustin wiederholt beschäftigt, wobei er zu unterschiedlichen Lösungsansätzen gelangt.38 Während in den Cassiciacum-Dialogen mit dem grundsätzlichen Vorrang des Intellekts vor der Sinnesebene ein sicheres Kriterium gegeben scheint (s.o. S. 150f.), verlässt Augustin in späteren Schriften dieses Argumentationsmuster der paganen Tradition und behandelt das Problem mit grösserer Zurückhaltung. Denn wenn es ein leichtes war, die Beispiele für Albicerius' Wissen anhand dieses Kriteriums als banal und irrelevant zu beurteilen, bereitete beispielsweise die Vorhersage des Heiden Antoninus, dass das Serapeion in Alexandria zerstört werde, grössere Schwierigkeiten.39 Die Bewahrheitung dieser Vorhersage im Jahr 391 konnte aus christlicher Perspektive als Erfüllung eines göttlichen Plans gelesen werden; daher musste es erstaunen, dass sie aus dem Mund eines Heiden gekommen war. Auf
33 Conf. 4, 3. Zur Figur des haruspex s.u. zu 1, 19 (12f.). Insgesamt hängt Augustine Beurteilung der Astrologie trotz der Unterscheidung in conf. 4, 3ff. eng mit seinen Ansichten über Magie zusammen (vgl. Markus, Magic 378). Zum Problem der gegenseitigen Abgrenzung von Magie und Divination s. die Literaturangabe oben S. 148 Anm. 14. 34 Conf. 4,4: ideoque illos planos, quos mathematicos vocant, plane consulere non desistebam\ 4, 5: libris genethliacorum esse me deditum·, 7, 8f. 35 Conf. 4, 4: quod quasi nullum eis esset sacrificium et nullae preces ad aliquem spiritum ob divinationem dirigerentur. 36 Conf. 7, 8. Zur skeptischen Kritik an der Divination s.o. S. 148-150. Eine ausführlichere Widerlegung der Astrologie lässt Augustin in civ. 5, 1-7 folgen; vgl. trin. 3 und 4; div. qu. 79. 37 S.o. S. 149 Anm. 16. 38 Z.B. ep. 159, 5: sicut scio non ea corpore fieri, utinam sie scirem ... quove modo distinguantur visa eorum, quos error vel impietas plerumque deludit, quando visis piorum atque sanctorum similia pleraque narrantur. 39 Zu dieser Episode vgl. A.D. Nock, Two Notes (II), VChr 3 (1949) 56.
1,16: Weisheit als 'Wissen um die menschlichen und göttlichen Dinge'
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eine entsprechende Anfrage hin verfasste Augustin zwischen 406 und 411 die Schrift De divinatione daemonum, in der er ausführlich darlegt, wie die Divination mit Hilfe von Dämonen zustande kommt.40 Da die Dämonen jedoch im Verborgenen wirken und ihr Einfluss nicht empirisch nachprüfbar ist, konnte das Problem der Unterscheidung auf diese Weise nicht zufriedenstellend gelöst werden. Eine ausführliche Diskussion von Visionen und Prophezeiungen findet sich im letzten Buch des Geneji'j-Kommentars De genesi ad litteram.41 Augustin gelangt dort zum Schluss, dass die Visionen selbst kein sicheres Kriterium für ihre Beurteilung als göttlich oder dämonisch enthalten; vielmehr bedürfe es zu dieser Unterscheidung einer besonderen Befähigung des Menschen. Diese erhalte er durch die Gnadengabe der diiudicatio spirituum nach 1 Cor 12, 10.42 Zur Vision muss also die Einsicht in ihre Bedeutung aufgrund von göttlicher Gnade hinzutreten.43
1,16: Dritte Definition: Weisheit als 'Wissen um die menschlichen und göttlichen Dinge' 1 mox ut: 'sobald als* (vgl. ord. 2, 26 [25]), im Spätlat. nach dem Modell von simul ut u.ä. gebildet (vgl. KS 2, 2, 365 Anm. 2; LHS 637). 2f. otium ... negotium: Zum otium als Voraussetzung für das Philosophieren s.o. zu 1, 3 (72f.). Augustin bezeichnet hier das philosophische Gespräch als negotium (vgl. Acad. 3, 18 [14f.]: negotium philosophandi) und verbindet otium und negotium in einem paronomastischen Oxymoron. 3-5 heri p o s t u l a s t i u t a iudicis muñere ad sapientiae patrocinium descenderem: Bisweilen bevorzugt Augustin die Präp. a in Verbindung mit de- oder ex-Komposita (auch unten 1, 23 [50f.]: ab ... evolvif, vgl. Hensellek 170 § 130). Zu ad patrocinium descendere ('die Verteidigung übernehmen') s.o. zu 1, 15 (53f.); zur Verwendung von jurist. Vokabular s.o. zu 1, 5 (7). Explizite Anknüpfung an die Fragestellung des Vortags wie schon in 1, 11 (31f.) (s. z.St.). Trygetius hatte in 1, 15 (53f.) die Forderung vorgebracht, 40 S. auch unten § 20. Zu divin. daem. vgl. K. Kühn, Augustins Schrift De divinatione daemonum, Aug(L) 47 (1997) 291-337; J. den Boeft, Divinatione daemonum (De -), AL 2 (1996ff.) 520f. 41 Gn. litt. 12, ca. 414 entstanden (vgl. Markus, History 276). 42 Gn. litt. 12, 13: discretio sane difficillima est, cum spiritus malignus quasi tranquillius agit ac sine aliqua vexatione corporis adsumto humano spiritu dicit quod potest, quando etiam vera dicit et utilia praedicat, transfigurons se, sicut scriptum est, 'velut angelum lucis', ad hoc, ut, cum illi in manifestis bonis creditum fuerit, seducat ad sua. hunc discerni non arbitror nisi dono ilio, de quo ait apostolus, cum de diversis dei muneribus loqueretur, 'alii diiudicatio spirituum' (vgl. 12,9). 43 Vgl. Wieland 62 und 108f; Markus, History 277f.
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dass der Schiedsrichter die Weisheit verteidige. Augustin kommt der Forderung jedoch nur beschränkt nach (s.u. Z. 1 lf.). 5-7 quasi vero (1) quemquam ... adversarium sapientia pateretur aut (2) ullo defendente ita laboraret...: Die Verwendung der Pronomina quemquam und ullo ist durch die implizite Negation bedingt (im Abi. findet sich meist ullo statt quoquam\ vgl. KS 1, 624). Die Variante te earn S Τ scheint eine Korrektur zu sein, durch die der Sinn vereindeutigt und expliziter auf den Kontext bezogen wird. Dies ist jedoch für das Verständnis nicht nötig. Zweigliedriger ironischer Kommentar zur Forderung, die Verteidigung der Weisheit zu übernehmen: (1) Die Weisheit selbst duldet weder Gegner, (2) noch gerät sie durch schlechte Verteidiger in Schwierigkeiten, so dass sie einen besseren 'Rechtsbeistand' (auxilium) nötig hätte (quasi vero deutet oft Ironie an; vgl. KS 2, 2, 453; zur Ironie s.o. zu 1, 6 [38f.]). Ein ähnliches Argument in Bezug auf die Wahrheit begegnet in Cie. ac. 2, 36: facile etiam absentibus nobis Veritas se ipsa defendet. Vgl. auch Acad. 3, 31 (38): qui s enim non credat invictam ('unbesiegbar') esse sapientiam?·, ord. 1, 9 (88f.): neque enim res ipsa, sed Licentius superabitur. 5 in sermone: sermo in der Bedeutung 'Dialog' auch unten 1, 25 (39); 2, 10 (1; 15); Cie. de orat. 3, 129: sermo ille Piatonis·, u.ö. 7-11 nam (1) neque inter vos aliud quaerendum natum est quam quid sit sapientia ... (2) neque si..., propterea reliqua defensio sententiae tuae tibi deserenda est: 'Denn (1) einerseits hat sich unter euch nichts anderes als Untersuchungsgegenstand ergeben, als (die Frage), was die Weisheit sei...; (2) andererseits kannst du nicht, wenn ..., deswegen die weitere Verteidigung deiner Meinung aufgeben' (defensione [Green] ist ein Druckfehler; deserere auch in Acad. 2, 17 [27] und ord. 1, 4 [25] in Bezug auf die zu verteidigende Sache, dort causa). Substantiviertes Gerundiv begegnet schon bei Catull und ist seit Livius geläufig (vgl. LHS 157). - Ebenfalls zweigliedrige Ausführung des in Z. 5-7 gesagten: (1) Alle Gesprächsteilnehmer bemühen sich um die Weisheit, (2) eventuelles Ungenügen der Schüler bezieht sich nicht auf die Weisheit an sich, sondern vielmehr auf deren Definition; daher die Aufforderung an Trygetius, u n a b h ä n g i g davon, ob ihm eine zufriedenstellende Definition gelungen sei, dennoch seine Meinung zu verfechten (diese Unabhängigkeit der defensio sententiae vom Definieren wird durch das Attribut reliqua ausgedrückt). Augustin unterscheidet also deutlich zwei Aspekte des philosophischen Gesprächs: 1) D e f i n i e r e n . 2) (Anhand einer Definition als Diskussionsbasis) seine P o s i t i o n verteidigen. Insbesondere der zweite Aspekt dient der Übung (vgl. oben S. 9-11).
1,16: Weisheit als 'Wissen um die menschlichen und göttlichen Dinge'
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8 in quo: 'und dabei', 'und diesbezüglich' (bezieht sich auf quaerendum bzw. auf den Inhalt der indir. Frage quid sit sapientia). 9 oppugnai: Der Paragraph ist von Kampfmetaphern geprägt (vgl. auch adversarium, Z. 5; defendente, Ζ. 6; defecisse, Ζ. 10; deserenda, Ζ. 11). Das gleiche gilt für Augustins Rekapitulation des Gesprächs (s.u. zu 1, 24 [9f.]). 10 in definienda sapientia defecisse te putas: Die Junktur deficere in mit Gerundiv ('nicht genügen in Bezug auf', 'hinter dem Geforderten zurückbleiben bei') ist unüblich; ähnlich noch Curt. 4, 4, 17: duo milia, in quibus occidendis defecerat rabies·, Aug. util. cred. 13: in quaestiuncula magistro deficienti... suscensemus (vgl. TLL 5, 1, 33, 28ff.; Hensellek 150 § 15). Augustin enthält sich eines eigenen Urteils über Trygetius' Weisheitsdefinitionen von 1, 13 (lf.) und 1, 14 (22f.); der Gesprächsverlauf hat allerdings gezeigt, dass sie anfechtbar waren. 11 f. nihil aliud habebis quam definitionem sapientiae: Augustin gibt mit der Definition lediglich eine neue Diskussionsbasis, aufgrund welcher Trygetius im folgenden seine Position vertreten soll (s.o. zu Z. 7-11). 12-14 quae nec mea nec nova est, sed et priscorum hominum et quam vos miror non recordari: Zwei zweigliedrige Prädikationen der folgenden Weisheitsdefinition, durch nec ... nec bzw. et ... et korreliert. Letzteres bezeichnet Hensellek 172 § 139 als "Pseudokorresponsion", wohl weil die beiden Glieder nicht parallel gebaut sind und insbesondere das letzte Glied nicht mehr vom Relativpron. quae abhängt. - Indem sich Augustin auf die Autorität von nicht näher bestimmten 'altehrwürdigen Leuten' beruft (priscorum hominum), führt er die folgende Definition als weit verbreitete Schulmeinung ein (vgl. Cie. o f f . 2, 5 in Bezug auf die gleiche Definition [s.u. zu Z. 14f.]: ut a veteribus philosophis definitum est; in je anderen Kontexten auch Licentius in 1, 6 [36]: maiores nostri; Trygetius in 1, 19 [5f.]: a quibusdam philosophis dicitur). 13f. quam vos miror non recordari: Wenn Augustin davon ausgeht, dass die Schüler die Definition eigentlich kennen müssten, lässt sich daraus ein Argument für die Annahme gewinnen, dass sie in Ciceros Hortensius enthalten war. Vorausgesetzt wird dabei, dass das philosophische Grundwissen der Schüler auf der Hortensius-Lektüre beruhe (die gleiche Argumentation lässt sich auch auf Acad. 1,7 und 1,11 anwenden; s.o. zu 1, 7 [16]: excidisse und unten zu 1, 24 [26f.]: nisi noctu fartasse per somnium rediret in mentem\ zur genannten Voraussetzung s. jedoch oben S. 20f.). Weitere Argumente dafür, dass die Definition im Hortensius stand, werden zu Z. 14f. genannt. 14f. sapientiam esse rerum humanarum divinarúmque sciéntiam: Cursus tardus. Dritte Weisheitsdefinition. Die Reihenfolge der Adjektive humanarum — divinarum entspricht nicht der traditionellen Form der Definition; die Umformulierung soll möglicherweise das Fortschreiten der Erkenntnis
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Contra Académicos
von niedrigeren zu höheren Erkenntnisgegenständen andeuten (so Testard 1, 270; Augustin führt jedoch die Umkehrung der Adjektive nicht konsequent durch: traditionelle Reihenfolge in Acad. 3, 5 [24] und civ. 6, 2 p. 247, 24f. D.K.). Die vorliegende Definition der Weisheit ist wie diejenigen in 1, 13 (lf.) und 1, 14 (22f.) stoisch; vgl. S VF 2, 35: oi μεν ouv Στωικοί ϋφασαν την μεν σοφίαν είναι θείων τε και ά ν θ ρ ω π ί ν ω ν έπιστημην; 2, 36: την δε σοφίαν (φασιν) έπιστημην θείων τε και ά ν θ ρ ω π ί ν ω ν π ρ α γ μ ά τ ω ν ; 2, 1017; u.ö. (vgl. Ganss 12). Aëtios und Sextus nennen diese Definition der Weisheit im Zusammenhang mit derjenigen der Philosophie (~ Streben nach σοφία) und mit der Beschreibung von deren Teilen; anstelle der Weisheit wird bisweilen auch die Philosophie als 'Wissen um menschliche und göttliche Dinge* definiert, z.B. Max. Tyr. 26, 1; u.ö. (vgl. Ganss 11 mit Anm. 1; zur Austauschbarkeit der Begriffe Weisheit und Philosophie s. auch oben zu 1, 1 [8] und zu 1, 13 [lf.]). Die Definition ist oft belegt; vgl. Cie. fin. 2, 37: divinarum humanarumque rerum scientia quae potest appellari rite sapientia; Tusc. 5, 7; o f f . 1, 153; Sen. epist. 31, 8; 74, 29; Alcin. Intr. 1; Apul. Plat. 2, 6; Galen, hist. phil. 5 = Doxographi Graeci 603 Diels; Clem. Al. Paed. 2, 2, 25; u.ö. Die Definition ist teilweise mit einem Zusatz versehen, der auch die Kenntnis der Ursachen aller Dinge zur Weisheitsbedingung macht, so in Cie. Tusc. 4, 57: sapientiam esse rerum divinarum et humanarum scientiam cognitionemque, quae cuiusque rei causa sit, de orat. 1, 212 (den Zusatz bezeichnet Seneca epist. 89, 5 als überflüssig).44 Höchstwahrscheinlich stand die Definition auch in Ciceros Hortensius, so dass die Leser hier einen Bezug zum Ciceronischen Protreptikos herstellen konnten (dazu oben S. 23f.). Für die Zuweisung der Definition zum Hortensius spricht - abgesehen von der Anspielung auf die Gedächtnislücke der Schüler im vorliegenden Text (s.o. zu Z. 13f.) - auch Cie. o f f . 2, 5: Cicero gibt an dieser Stelle eine Zusammenfassung von Themen, die er in seinem Protrepticus (also im Hortensius) umfassender behandelt habe. Unter anderem führt er auch die erweiterte Version der vorliegenden Weisheitsdefinition an (s.o.): sapientia autem est, ut a veteribus philosophis definitum est, rerum divinarum et humanarum causarumque quibus eae res continentur scientia. 44 Angesichts der weiten Verbreitung der kürzeren Form der Definition interpretiert Testard 1, 261 und 276 kaum richtig, dass Augustin den Zusatz deshalb weglasse, weil für ihn die causae der menschlichen Wahrnehmung entzogen seien. Ebenso wenig plausibel ist Feldmanns These, der Zusatz fehle deshalb, weil Augustin sich im Gegensatz zu Cicero nicht für Wissenschaft interessiere (E. Feldmann, Der Einfluss des Hortensius und des Manichäismus auf das Denken des jungen Augustinus von 373 [Diss. Münster 1975] 411414). Vielmehr dürfte der Grund darin liegen, dass die Erwähnung des Wissens um causae den folgenden Versuch, die Definition zu widerlegen, erheblich komplizieren würde.
1,16: Weisheit als 'Wissen um die menschlichen und göttlichen Dinge'
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Grilli nimmt o f f . 2, 5 im Sinne einer Inhaltsangabe des Hortensius als Fr. 94 in seine Ausgabe auf (im Testimonienapparat zitiert er u.a. auch Acad. 1,16 [11-15]), ebenfalls Straume-Zimmermann (Fr. 6), die sich hingegen nicht zu Acad. 1, 16 äussert (auch Ohlmann 45f. weist daraufhin, dass die Weisheitsdefinition in Acad. 1, 16 ein Hortensius-Zitat sein dürfte). Im Hortensius stand die Definition wohl wie bei Aëtios und Sextus im Kontext der Interpretation des Begriffs philosophia als amor sapientiae {Hort. Fr. 93 G. = 50 S.); beides dürfte von Cicero selbst zu Beginn seiner Schlussrede vorgebracht worden sein. Die Zuweisung der Definition zum Hortensius kann zusätzlich durch Augustins Auseinandersetzung mit den Begriffen scientia und sapientia in trin. 13 und 14 gestützt werden, die vom Hortensius geprägt ist und in deren Zusammenhang die Definition ebenfalls zitiert wird (s.u. und zu 1, 20 [24-26]; vgl. Madec, Hortensius 169). Wie die Definition des Glücks in 1, 5 (23-30) wird auch die vorliegende Definition im folgenden mehrmals wiederholt: 1, 18 (54f.); 1, 22 (10-12). In 1, 23 (37 bzw. 43) wird sie von Trygetius bzw. Licentius ergänzt (s.u. zu 1, 23 [35-37] und [43]). Alypius nimmt in 3, 5 (24) und 3, 6 (49-51) bei der Diskussion des sapiens auf diese ergänzte Version Bezug (s.u. zu 1, 23 [4446]). Der Begriff scientia - hier Teil des Definiens - wird seinerseits in § 19 zum Definiendum (Z. 2-8), und dass die 'menschlichen und göttlichen Dinge' die Summe aller möglichen Objekte des Wissens umfassen, wird ebenfalls in § 19 klar (s. dort zu Z. 5-8). - In trin. 14, 3 zitiert Augustin die Definition erneut, differenziert jedoch in der Fortsetzung mit Bezug auf Paulus (7 Cor 12, 8 und Col 2, 3) zwischen sapientia als Wissen um die göttlichen Dinge und scientia als Wissen um die menschlichen Dinge: disputantes autem de sapientia definierunt eam dicentes: sapientia est rerum humanarum divinarumque scientia. unde ego quoque in libro superiore utrarumque rerum cognitionem, id est divinarum atque humanarum, et sapientiam et scientiam dici posse non tacui. verum secundum hanc distinctionem qua dixit apostolus: alii datur sermo sapientiae, alii sermo scientiae, ista definitio dividendo est ut rerum divinarum scientia sapientia proprie nuncupetur, humanarum autem proprie scientiae nomen obtineat (es folgt die Einschränkung der menschlichen Dinge auf die glücksrelevanten Dinge; dazu s.u. zu 1, 20 [20f.]).45 Kurz zuvor (trin. 13, 24) hatte Augustin allerdings eingeräumt, dass die Begriffe scientia und sapientia oft austauschbar seien (vgl. Marrou 561569/465-470).
45 Diese Verbindung der paganen philosophischen Tradition mit Bibelstellen ist beispielhaft für Augustin (vgl. Hagendahl 515f.).
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Contra Académicos
1,17: Albicerius: Ein stoischer Weiser? 16f. quem ... diu putabam quaesiturum esse subiecit statim: Die unmittelbare Antwort steht im Gegensatz zu den häufigen Gesprächspausen und drückt Selbstsicherheit aus (vgl. oben zu 1, 7 [13]; diua [Green] ist ein Druckfehler). 18-20 flagitiosissimum illum hominem ... per innumera scorta solere dissolvi: innumerus ist poetisch und wirkt im vorliegenden Kontext durch die stilistische Inkongruenz ironisch (vgl. Finaert 52; zur Ironie s.o. zu 1, 6 [38f.]); scortum wird häufig in der Komödie verwendet. Zu dissolvere in Bezug auf den Lebenswandel vgl. TLL 5, 1, 1499, 43ff. (auch ebd. 1502, 7ff. zu dissolutus). Das Demonstrativpron. illum hat hier eine pejorative Konnotation; die Wirkung wird durch die Anapher in Z. 20 noch verstärkt. - An erster Stelle in Albicerius' Charakterisierung steht seine moralische Unzulänglichkeit (vgl. 1, 20 [28f.]). Dadurch stellt Licentius von vornherein klar, dass Albicerius auf keinen Fall als weise gelten kann. Wenn Albicerius dennoch die Kriterien der dritten Weisheitsdefinition erfüllen würde, wäre diese damit ad absurdum geführt. Zu der moralischen Unzulänglichkeit gesellt sich die intellektuelle hinzu (s.u. zu 1, 18 [45f.]). Es handelt sich hierbei um Topoi der Divinationskritik (s.u. zu 1, 18 [34f.]). - Die Vertreter der Divination hoben umgekehrt die hohen moralischen Voraussetzungen hervor, die ein Wahrsager erfüllen musste; vgl. Cie. div. 1, 121: ut igitur qui se tradidit quieti praeparato animo cum bonis cogitationibus, tum rebus ad tranquillitatem adeommodatis, certa et vera cernii in somnis, sie castus animus purusque vigilantis et ad astrorum et ad avium reliquorumque signorum et ad extorum veritatem est paratior. 20 Albicerium dico illum: Zu illum s.o. zu Z. 18-20. - Albicerius ist nur aus Aug. Acad. 1 bekannt; er ist der einzige zeitgenössische Wahrsager, den Augustin je namentlich nennt (vgl. Klingshirn 219).46 Es wird allgemein angenommen, dass der Schilderung eine historische Figur zugrundeliegt (vgl. Mandouze 50; Jones et al. 1, 32; A. Sizoo, Albicerius, waarzegger en gedachtenlezer, Hermeneus 10 [1937-38] 131-133). Zu seinem Beruf s.u. zu Z. 21. 21 consulentibus: consulere ist Terminus technicus für das Ersuchen um eine divinatorische Auskunft (vgl. TLL 4, 582, 30ff.).
46 In civ. 2, 24 p. 88, 19 D.-K. erwähnt Augustin noch den haruspex Postumius als Zeitgenossen Sullas; 5, 5 p. 197, 16 D.-K. erwähnt er Poseidonios als Astrologen und Philosophen. Für wichtige Hinweise für das Verständnis des Albicerius danke ich herzlich Prof. W. Klingshirn (Washington).
1,17: Albicerius: Ein stoischer Weiser?
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- mira quaedam et certa respondit: Im folgenden zählt Licentius vier Beispiele von Albicerius' Auskünften auf: (1) den vermissten Löffel (Z. 2327), (2) das verschwundene Geld (Z. 27-33), (3) Flaccianus' Landgut (1, 18 [34-40]) und (4) den Vergilvers (1, 18 [40-47]). Nur das erste Beispiel schildert eine eigentliche 'Konsultation' (s.o. zu Z. 21), das zweite dagegen eine nicht erbetene Auskunft, und die beiden letzten sind Testfragen zur Prüfung des Wahrsagers (wie z.B. Hdt. 1, 47; vgl. Dodds, Supernormal Phenomena 166). Die vier Beispiele könnten unter dem Begriff der Gedankenübertragung (Telepathie) zusammengefasst werden (nur beim ersten Beispiel muss dies möglicherweise ausgeschlossen werden; s.u. zu 1, 20 [34-36]).47 Die Auskünfte beziehen sich nicht auf die Zukunft, sondern ausschliesslich auf die Gegenwart.48 Es handelt sich dabei lediglich um Informationen; diese bewirken nichts (schon gar nichts Negatives).49 Die Informationen benötigen auch keine Interpretation. In Übereinstimmung mit dieser Beschreibung wird Albicerius in 1, 23 (29) als hariolus bezeichnet (s. z.St.). Die Beispiele für Albicerius' Wahrsagekunst sind wahrscheinlich durchaus repräsentativ für die Funktion der Divination im privaten Bereich, obwohl die Banalität der Beispiele oft - wie auch im vorliegenden Zusammenhang - zu polemischen Zwecken herausgestrichen wird, so z.B. in Bezug auf die Astrologie in Auson. 14, 18: ungues Mercurio, barbam love, Cypride crinem\ luv. 6, 578f.: si prurit /rictus ocelli / angulus, inspecta genesi collyria poscit. Porphyrios kritisiert diejenigen, die die Divination benutzten, um einen entlaufenen Sklaven zu finden oder sich beim Kauf eines Landguts, einer bevorstehenden Heirat oder einem Geschäft beraten zu lassen (vgl. Augustine Referat in civ. 10, 11 p. 421, 18-27 D.-K., unten S. 176 Anm. 65 zitiert); Nigidius Figulus wurde konsultiert, um eine verlorene Geldsumme wiederzufinden (Apul. mag. 42: itemque Fabium, cum quingentos denarium perdidisset, ad Nigidium consultum venisse; ab eo pueros Carmine instinctos indicavisse, ubi locorum defossa esset crumina cum parti eorum, ceteri ut forent distributi·, vgl. Ohlmann 49 Anm. 2; weitere Beispiele bei Dodds, Pagan 57). Die sich wiederholenden Motive (vermisste Gegenstände, insbesondere Geld; das Landgut; die Inspiration) deuten darauf hin, dass es sich 47 Vgl. E.R. Dodds, Telepathy and Clairvoyance in Classical Antiquity, in: Greek Poetry and Life. Essays presented to G. Murray (Oxford 1936) 364-385 (erweiterte Fassung davon in: Dodds, Supernormal Phenomena 159-176). 48 Vgl. die Belege für nicht zukunftsbezogene Mantik im griechischen Bereich bei Dodds, Supernormal Phenomena 160. Um vermisste Gegenstände aufzufinden, wurden in der Antike mit Vorliebe Orakel konsultiert (vgl. Dodds, ebd. 168; H.W. Parke, The Oracles of Zeus [Oxford 1967] 272; zu Albicerius' Gemeinsamkeiten mit einem Orakel s. auch unten zu Z. 25-27). 49 Albicerius kann daher kaum als 'Zauberer' betrachtet werden (vgl. Klingshirn 220, gegen Brown, Sorcery 26).
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Contra Académicos
um Standardbeispiele handelt. - Zu certa s.u. zu Z. 25-27; zu mira unten zu 1, 18 (35). 22f. nisi (1) et apud eos qui experti sunt, (2) et paucis ... satis sit: Der Abi. ist bei satis unüblich; möglicherweise steht er analog zum Abi. bei opus est oder in Anlehnung an die Junktur paucis dicam ('ich will es mit wenigen Worten sagen'; vgl. Hensellek 166 § 107). - Licentius appelliert einerseits an die persönlichen Erfahrungen der Gesprächsteilnehmer mit dem Wahrsager (vgl. Z. 24f.; 27; 1, 18 [36] und 1, 19 [10]). Die Divination wird dadurch als weit verbreitete (und akzeptierte) Praxis dargestellt. Andererseits soll Licentius' Beweisziel mit wenigen Beispielen zu erreichen sein. 23-27 nonne cochlearium ...: Beispiel (1). Bei diesem Löffel handelt es sich offenbar um einen wertvollen Gegenstand (vgl. die Anspielung auf den Besitz von Gold und Silber unten in 1, 20 [23]). 24 mihi autem dicebat: 'dabei sprach er zu mir' (auktorialer Einschub). 25 tuo iussu: Es wird hier nicht klar, ob Augustin die Dienste des Albicerius für sich selbst in Anspruch genommen haben soll oder lediglich anderen dazu riet. Doch auf jeden Fall wird betont, dass er die Divination des Albicerius selber kannte und guthiess. 25-27 non solum quid quaereretur... citissime verissimeque respondit: Albicerius erhielt offenbar kaum Informationen über den Gegenstand der Konsultation. Die Unmittelbarkeit der Antwort (vgl. Z. 30-33; 1, 18 [37]: statim\ ebd. Z. 47: securus et garrulus) rückt Albicerius in die Nähe eines Orakels (vgl. oben S. 161 Anm. 48): Die Pythia in Delphi gab bisweilen Orakel, bevor die entsprechende Frage gestellt wurde (Plu. De garrulitate 20); ebenso der Apollonpriester in Klaros (Tac. ann. 2, 54).50 - Albicerius antwortet nicht nur ohne zu zögern (und daher sicher; vgl. oben Z. 21: certa respondit), sondern auch wahrheitsgetreu; vgl. unten 1, 18 (49): certa ... et vera respondit. Dieses zweifache Kriterium der Sicherheit und Wahrheit des Wissens entspricht genau dem Wissensbegriff, den Trygetius in 1, 19 (4f.; 68; llf.; 15-17) vorlegt (s. dort zu Z. 2-5). Vgl. Cie. div. 1, 121: qui se tradidit quietipraeparato animo... certa et vera cernii in somnis. 26 nominatim: Dass Albicerius jeweils die dem gesuchten Gegenstand zugehörigen Namen bzw. Wörter exakt erriet, wird wiederholt betont; vgl. Z. 39: ipsum fundi nomen und das Beispiel des Vergilverses (Z. 40-47). Dies kann einerseits als Gradmesser für die Genauigkeit seiner Auskünfte verstanden werden, andererseits vielleicht auch als Hinweis darauf, dass Albicerius' Divination nicht auf Visionen beruht, die in Sprache übersetzt würden, sondern direkt auf Sprache basiert (s.u. zu 1, 21 [49f.]). 50 Aus der Angabe der unmittelbaren Antworten lässt sich schliessen, dass Albicerius keine Opfer veranstaltete (vgl. Klingshirn 223).
1,18: Beispiele fur Albicerius' Wissen
163
27-33 item me praesente ...: Beispiel (2), als Augenzeugenbericht eingeführt (vgl. zu Z. 22f.). 27f. quod in eo quod rogabatur nihil ... falsus est: 'dass er (seil. Albicerius) sich darin, worüber er befragt wurde, nicht im geringsten täuschte.' Zur reflexiven Bedeutung von falsus est (Perf. von falli) vgl. TLL 6, 1, 192, 68ff. - Trygetius bestreitet die vorliegende Behauptung in § 19 (Z. 2 und 9). 28-30 cum puer ..., cum ad eum pergeremus, furatus esset: eum: seil. Albicerium. Die Verschränkung der beiden cam-Sätze wirkt kolloquial. 32f. quantum sibi ailatum fuerit audisset: Erwartbar wäre im indir. Fragesatz Konj. Plqpf. In vorangestellten indir. Fragesätzen ist jedoch der Konj. Perf. statt Plqpf. seit Cicero belegt; der Fragesatz gibt dann eher die Perspektive des Redenden als die des Subjekts des übergeordneten Satzes wieder (vgl. KS 2, 2, 191). Hinzu kommen an der vorliegenden Stelle wohl stilistische Gründe (Häufung von Konj. Plqpf.-Formen; dazu LHS 552: Abweichungen von der Consecutio Temporum in der indir. Rede zur "Vermeidung der Einförmigkeit"). Die Tempusverschiebung des Hilfsverbs der Coniugatio periphrastica zum Perf. (fuerit statt sim) ist selten und unklassisch; üblicher ist die Verschiebung zum Plusquamperf. (z.B. Acad. 2, 28 [33]; vgl. KS 2, 1, 165-167; LHS 322).
1, 18: Weitere Beispiele für Albicerius' Wissen 34-40 quid, quod ...: Beispiel (3), eine Testfrage für den Wahrsager (s.o. zu 1, 17 [21]). 34f. doctissimum et clarissimum virum Flaccianum: Mit diesem Flaccianus scheint die gleiche Person gemeint zu sein, die in civ. 18, 23 p. 285, 10-12 D.-K. erwähnt wird: vir clarissimus Flaccianus, qui etiam proconsul fuit, homo facillimae facundiae multaequa doctrinae. Augustin hat durch Flaccianus die lateinische Version eines christlichen sibyllinischen Orakels kennengelernt; vgl. civ. 18, 23 p. 285, 10-13 D.-K.: Flaccianus, ... cum de Christo conloqueremur, Graecum nobis codicem protulit, carmina esse dicens Sibyllae Erythraeae.5i Aufgrund dieser Episode, deren Zeitpunkt übrigens nicht feststeht, lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, 51 Orac. Sibyll. 8, 217-43. Zum Text dieses Orakels vgl. D. Potter, Prophecy and History in the Crisis of the Roman Empire (Oxford 1990) 100 Anm. 15; zu Augustins Rezeption der sibyllinischen Orakel J.-M. Roessli, Augustin, les sibylles et les Oracles sibyllins, in: Augustinus Afer. Actes du colloque international Saint Augustin: africanité et universalité, Alger-Annaba 1-7 avril 2001, éd. par P.-Y. Fux et al., Paradosis 46 (Fribourg, im Druck).
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Contra Académicos
dass Flaccianus Christ war (vgl. zu 1, 21 [47]). Flaccianus gehörte dem Senatorenstand an (vir clarissimus) und wurde am 7. Oktober 393 Prokonsul der Provinz Africa (Cod. Theod. 1, 12, 4; vgl. Mandouze 461; Jones et al. 341). Er dürfte der Empfänger eines heute verlorenen Briefs sein, der in Possidius' Verzeichnis von Augustins Werken erwähnt ist (vgl. Courcelle, Recherches 262). Im Mittelalter wurde ihm eine apokryphe Schrift De visionibus Sibyllae zugeschrieben (vgl. ebd.). Möglicherweise hat er bei Augustins Abkehr von der Astrologie eine Rolle gespielt (wie Nebridius und Vindicianus, deren Einfluss in conf. 4, 6 und 7, 8 bzw. 4, 5 und 7, 8 hervorgehoben wird).52 Indem Flaccianus' Bildung, sein hohes intellektuelles Niveau und seine soziale Stellung betont werden (vgl. unten 1, 21 [51] und bes. 1, 21 [47]: magna mentis altitudine), stellt er einen genauen Gegenpol zu Albicerius dar, der als unmoralisch und ungebildet charakterisiert wird (1, 17 [18-20]; 1, 18 [45f.]). Die beiden Pole entsprechen dem Gegensatz zwischen der Ausbildung des Intellekts durch Wissenschaft und der Divination durch Sinneswahrnehmung, der unten in §§ 20-22 aufgebaut wird. Die gegenseitige Abgrenzung von Wissenschaft und Divination ist auch in conf. 4, 5 bei der Charakterisierung von Vindicianus sichtbar, der Augustin von der Astrologie abbringen will und der diese selber zugunsten der Medizin aufgegeben habe (vir sagax, medicinae artis peritissimus atque in ea nobilissimus). Die genannte Gegenüberstellung von Intellekt und Wissenschaft einerseits und Divination andererseits und der Vorwurf der moralischen und intellektuellen Unzulänglichkeit der Wahrsager sind Topoi der Divinationskritik; vgl. Cie. div. 2, 129: utrum philosophia dignius sagarum superstitione ista interpretari an explicatione naturae? ut, si iam fieri possit vera coniectura somniorum, tarnen isti, qui profitentur, earn facere non possint: ex levissimo enim et indoctissimo genere constant, (zur Gegenüberstellung von Philosophie und Magie/Divination [s.o. S. 148 Anm. 14], die Hand in Hand geht mit derjenigen von Stadt/Bildung/Reichtum einerseits und Land/Ignoranz/Armut andererseits, vgl. Graf lOOf.; s. auch unten zu 1, 22 [3]). Die Praxis stellte sich wohl komplexer dar, und Beispiele von gebildeten Leuten der Oberschicht, die Divination beanspruchten bzw. selber betrieben, fehlen nicht, etwa Nigidius Figulus (s.o. zu 1, 17 [21]; vgl. die Polemik in PI. R. 2. 364b-c; dazu Graf 101; Brown, Sorcery 121f.; s.o. S. 150 Anm. 19). Zu ihnen kann auch Augustin gezählt werden (s.o. S. 153f. und zu Z. 25).53 52 Vgl. Alfaric 250; Courcelle, Recherches 76. Allerdings geht Courcelles Schlussfolgerung zu weit, dass Augustin bewusst gegen Flaccianus' Ansichten gehandelt habe, wenn er (gemäss conf. 4 , 4 ) entgegen der christlichen Lehre die mathematici aufgesucht habe. 53 Aus Albicerius' Charakterisierung kann daher nicht ohne weiteres auf eine tatsächliche soziale Marginalisierung des divinus geschlossen werden (gegen Brown, Sorcery 129).
1,18: Beispiele für Albicerius' Wissen
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35 mirari solitum esse: Licentius nutzt die Doppeldeutigkeit von mirari aus: Flaccianus hat sich wohl über Albicerius gewundert, hat ihn aber zumindest nach Trygetius' Zeugnis, der sich in seiner Entgegnung ebenfalls auf Flaccianus beruft (1,21 [46-50]) - kaum bewundert. Während Licentius wiederholt behauptet, Albicerius' Wahrsagung sei staunenswert (s.o. Z. 21: mira ... respondif, unten Z. 40f.: sine stupore animi non queo dicere; Ζ. 44: ille obstupefactus), bestreitet dies Trygetius (s.u. 1, 20 [35]: non mirum; 1,21 [51]: qui talia mirarentur ...; vgl. auch 1, 20 [39]). Die Frage ist deswegen von Bedeutung, weil das Staunen nach christlicher Auffassung durch die Manifestationen göttlicher auctoritas in Wundern und Prophezeiungen bewirkt wird (vgl. Liitcke, Auct. I 168f.). Das Modell dieser Auffassung ist sowohl platonisch (Staunen und Bewunderung gehören zur Schau von etwas Göttlichem; vgl. Plot. 1, 6, 4, 13f. und 17; 1, 6, 7, 15-17; auch Aug. Acad. 2, 1 [19-22]) als auch neutestamentlich (Mt 12, 23; 15, 31; Lc 4, 22; u.ö.). Bei Piaton und Aristoteles ist das Staunen erster Beweggrund des Philosophierens (PI. Tht. 155d; Arist. Metaph. 1, 2. 982b 12f.). Von anderen Philosophen wird das Staunen als Affekt aber auch negativ geweitet (Demokrit VS 68 Β 216 Diels-Kranz: σοφίη άθαμβο^ άξίη π ά ν τ ω ν ; SVF 1, 57; u.ö.), und Aristoteles betrachtet die Überwindung des Staunens durch Vernunft als Ziel der Philosophie (dazu auch unten zu 1, 21 [47f.]; vgl. S. Matuschek, Über das Staunen. Eine ideengeschichtliche Analyse [Tübingen 1991] 8-23). - abs te: Seil. Augustin (vgl. Z. 41f.: discípulo tuo). 36 ad ilium divinum: Diese Bezeichnung gibt keinen Aufschluss über Albicerius* divinatorische Methode (dazu s.o. zu 1, 17 [21 und 25-27]). 37 statim: S.o. zu 1, 17 (25-27). 39 ipsum... nomen: S.o. zu 1, 17 (26): nominatim. 40-47 iam illud ...: Beispiel (4), eine Testfrage für den divinus (s.o. zu 1, 17 [21]). 41 stupore animi: S.o. zu Z. 35 (Motiv des Staunens). 41 f. amico nostro, discípulo tuo: Anspielung auf einen nicht identifizierbaren Altersgenossen der Schüler. 44 obstupefactus: S.o. zu Z. 35 (Motiv des Staunens). 45-47 nec ... securus et garrulus canere dubitavit: garrulus ist poetisch (vgl. Hensellek 152f. § 30; Finaert 52). Das Wort wird auch in ord. 1, 22 (12f.) in Bezug auf einen 'prophetischen Spruch' verwendet: audio Licentium succinentem illud propheticum laete atque garrule, canere ist doppeldeutig, denn es kann auch divinare, vaticinari bedeuten (vgl. TLL 3, 271, 12ff.). -
Es scheint sogar umgekehrt, dass in der frühen Kaiserzeit ein Divinationsspezialist umso eher als solcher anerkannt wurde, je höher sein Sozialstatus war (vgl. Artem. 2, 69; D.C. 49,43 [Agrippa]; 57, 15 [Tiberius]; Philostr. VA 8, 7, 3; dazu Pease 332f.).
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Dass Albicerius sicher und ohne zu zögern Auskunft gab, ist ein zentrales Kriterium für die Beurteilung seines Wissens (s.o. zu 1, 17 [26f.]). 45f. qui grammatici scholam vix transiera vidisset: Als grammaticus, 'Philologe, Gelehrter, Lehrer' (SLA s.v., 2.2), wird normalerweise der Lehrer bezeichnet, der die Schüler vom litterator, bei dem sie schon lesen gelernt haben, übernimmt und sie sprachlich und literarisch weiterbildet. Er geniesst im Allgemeinen geringes Ansehen (vgl. J. Christes, Grammaticus, Grammatikos, DNP 4 [1998] 1198). Bisweilen bedeutet das Wort aber auch 'Elementarlehrer', so in beata ν. 6 (141f.): nec Lartidianum et Rusticum consobrinos meos, quamvis nullum vel grammaticum passi sint, deesse volui; möglicherweise auch an der vorliegenden Stelle; vgl. Cresc. 1, 17: grammaticus a veteribus Latine dictus est litterator. - Die Formulierung verrät beissenden Spott ('der ... kaum einmal im Vorbeigehen gesehen hatte'). Albicerius' negative Charakterisierung betrifft somit neben seinem unmoralischen Lebenswandel (1, 17 [18-20]) auch seine mangelnde Bildung (vgl. unten 1, 21 [53f.]). Er steht daher in zweifacher Hinsicht in einem Gegensatz zu Flaccianus (s.o. zu Z. 34f.).54 Zur Unterscheidung zwischen sapiens und divinus anhand des Bildungsniveaus bemerken Cancik / Cancik-Lindemaier 211, der stoische Weise unterscheide sich von "bildungsfeindlichen Eremiten, Thaumaturgen und Charismatikern" durch sein "Wissen in Philosophie, aber auch in praktischen Lebensdingen und in den Wissenschaften." 47-49 num igitur aut aut ... respondit?: Licentius setzt mit einer zweigliedrigen rhetorischen Frage zum Abschluss seiner Beweisführung an: Er reklamiert für Albicerius gemäss der dritten Weisheitsdefinition in 1, 16 (14f.) sowohl ein Wissen um menschliche als auch um göttliche Dinge. 49 tarn certa ... et vera: Zum zweifachen Kriterium der Sicherheit und Wahrheit des Wissens vgl. oben 1, 17 (25-27) und z.St. 50-53 nam (1) et humanae res nihil sunt aliud quam res hominum (2) et res divinas ..., per quas homini divinatio ipsa contingit?: Licentius begründet seine zweigliedrige rhetorische Frage (Z. 47-49) in zwei Schritten, von denen der zweite erneut als rhetorische Frage formuliert ist: (1) 'Die Beispiele für Albicerius' Wissen zeigen, dass er über die humanae res Bescheid wisse'. Indem Licentius die 'menschlichen Dinge' zu 'Dingen der Menschen' umformt (possessiver Genitiv), kann er Geld usw. problemlos unter diese Kategorie subsumieren. Dagegen wird Trygetius in § 20 einwenden, dass äussere Güter wie Geld nicht als 'menschliche Dinge' gelten können, weil sie dem Zufall anheimgestellt sind (s.u. zu 1, 20 [20f.]).
54 Auf den Aspekt der mangelnden Bildung reduziert Brown, Sorcery 129 Albicerius' negative Charakterisierung.
1,18: Beispiele für Albicerius' Wissen
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(2) Etymologisches Argument: 'Divination entstehe durch die göttlichen Dinge'; so z.B. Cie. div. 1, 1: itaque ... huicpraestantissimae rei (seil, divinationi) nomen nostri a divis ... duxerunt (die Etymologie ist korrekt: divinatio und divinus sind beides Ableitungen von divus).55 Dass sich Licentius hier lediglich auf einen etymologischen und nicht auf einen sachlichen Zusammenhang zwischen divinatio und res divinae beruft, wird unten in 1, 22 (2022) noch deutlicher. Der Rückgriff auf die Etymologie war jedoch in der Antike eine akzeptierte Argumentationsweise. Augustin wendet sie z.B. in beata ν. 8 an (Etymologien von nequitia und frugalitas; dazu J. Doignon, Notes de critique textuelle sur le «De beata vita» de saint Augustin, REAug 23 [1977] 71f.; Marrou 127f./112f.). Er konnte sich für diese Vorgehensweise auf Varros Referat der Philosophie der Alten Akademie in Cie. ac. 1, 32 berufen: scientiam autem nusquam esse censebant nisi in animi notionibus atque rationibus. qua de causa ... verborum etiam explicatio probabatur, id est qua de causa quaeque essent ita nominata, quam ετυμολογίαν appellabant. Nach Ciceros Zeugnis in nat. deor. 3, 63 betrieben auch die Stoiker Zenon, Kleanthes und Chrysipp Etymologie; vgl. auch Cie. de orat. 2, 165; top. 10; 12; 35 (veriloquium als mögliche Übersetzung von ετυμολογία); Mart. Cap. 483: a nota vel etymologia, ut Graeci dicunt, sumimus argumentum (dazu Lausberg 215 § 392). Zur Rolle der Etymologie beim Definieren vgl. Quint, inst. 5, 10, 55:finimus aut vi... aut ετυμολογία; 56 1, 6, 29: in definitionibus assignatur etymologiae locus-, 7, 3, 25. Einen Kontrast zwischen etymologischer Verwandtschaft und inhaltlicher Unvereinbarkeit von divinatio und divinitas baut Augustin zu rhetorischen Zwecken in s. Dolbeau 24, 7 auf: si amant divinationem, agnoscant divinitatem\ vgl. divin. daem. 11 : ibi voluisse suam ostentare divinationem, ubi iam produntur diu simulasse divinitatem (dazu Mohrmann 1, 323-349). 53-55 sapiens ergo si ... defínitióne concédimus: Cursus tardus. Licentius wiederholt in der Schlussfolgerung noch einmal die Voraussetzung seines Beweisgangs, die dritte Weisheitsdefinition (1, 16 [15f.]). Indem er argumentiert, dass Albicerius nach der Definition als weise gelte, ist diese seiner Meinung nach als falsch erwiesen.
55 Im Hintergrund steht wohl das Verständnis von μ α ν τ ι κ ή als 'Wissenschaft der Z e i c h e n d e r G ö t t e r ' , so z.B. S.E. M. 9, 132: εί μή ε'ισΐ θεοί, ούδέ μαντική υ π ά ρ χ ε ι , επιστήμη ούσα θεωρητική κα\ έξηγητική τ ω ν ύ π ό θεών ά ν θ ρ ώ π ο ΐ ζ διδομέυων σημείων; vgl. auch Cie. div. 1,1 (oben S. 148 Anm. 11 zitiert). 56 Lausberg 76f. § 111 versteht hier vi bzw. έτυμολογίρ als "nach der empirischen Bedeutung" bzw. "nach der erschlossenen Grundbedeutung".
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1,19: Gegenargument (1) Albicerius erfüllt die Kriterien des stoischen Wissensbegriffs nicht Mit § 19 beginnt eine lange Entgegnung des Trygetius (bis § 22 [16]), die in vier Argumente gegliedert ist: (1) Wissensbegriff (§ 19), (2) 'menschliche Dinge' (§§ 20-21), (3) 'göttliche Dinge' und (4) Albicerius und der skeptische Weise (§ 22). Die ersten drei Argumente hängen miteinander zusammen, wobei das erste allein schon eine hinreichende Widerlegung der These wäre, dass Albicerius ein Weiser sei. Es lautet: (1) 'Albicerius hat gemäss dem stoischen Wissensbegriff k e i n Wissen'. Im Anschluss daran wirken Argumente (2) und (3) - ' e r weiss η i c h t ü b e r d i e r i c h t i g e n D i n g e Bescheid' - nicht nur überflüssig, sondern sie unterwandern geradezu Argument (1). Diese Inkohärenz ist wohl dadurch zu erklären, dass der stoische Wissensbegriff äusserst rigoros ist und kaum von jemandem eingehalten werden kann (s.u. zu Z. 5-8). Für den Fall, dass Argument (1) aufgrund dieses möglicherweise unrealistischen Wissensbegriffs nicht akzeptiert würde, bringt Trygetius daher noch weitere Argumente vor. - Mit Argument (4) verfolgt Trygetius ein neues Beweisziel: Wenn Albicerius um die göttlichen Dinge weiss, übertrifft er den skeptischen Weisen. Er dreht damit den Spiess um und macht sich Licentius' Beschreibung des Albicerius zunutze, um seinerseits das skeptische Konzept des Weisen ad absurdum zu führen. Trygetius formuliert zunächst einen qualitativ definierten Wissensbegriff stoischer Prägung, dem Albicerius' Wissen nicht standhält. Im zweiten Teil von 1, 19 weitet er seine Argumentation auf folgende Divinationsspezialisten aus: Haruspices, Auguren, Astrologen und Traumdeuter (Z. 12-14). Von all diesen hebt er hingegen den vates ab (Z. 17f.), dessen Wissen im Unterschied zu dem der andern Wahrsager zwar der intellektuellen Ebene angehört, aber nicht dem vates selber zugeschrieben wird, sondern einer 'fremden Geistinstanz'. 1 hic ille ... inquit: Seil. Trygetius. Doignon, Leçons 74-78, vertritt die weniger gut bezeugte Lesart ego ... inquarti S Τ R2, so dass der Sprecher des ganzen Abschnitts bis 1, 22 (16) Augustin wäre (so auch Gentiii und King). Seine Argumente beruhen jedoch auf der Vernachlässigung der Angaben über den konkreten Ablauf des Gesprächs in 1, 4 und 1, 24: Folgende Aussage in Augustins Rekapitulation der Auseinandersetzung um Albicerius kann sich nur auf die vorliegende lange Rede des Trygetius beziehen: quanta tibi vigilantia, quantis viribus restitit (seil. Trygetius), quam te paene involuit atque depressit (1, 24 [32f.]); vgl. ausserdem 1,4 (88f.): disputationem quam
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inter se Trygetius et Licentius habuerunt.51 Insgesamt nimmt Augustin nicht Partei in Acad. 1, sondern er liefert nur die Definitionen. Das für den Schüler respektable Argumentationsniveau lässt sich textimmanent dadurch erklären, dass Trygetius - ausser auf seine Lektüre - auf Flaccianus' Ansichten zurückgreifen kann (vgl. 1, 21 [46-59]; s. dort zu Z. 48f.). 1 primo: Trygetius leitet seine vier Argumente jeweils durch ein gliederndes Adverb ein; vgl. unten Z. 19: deinde\ 1, 22 (1): iam; 1, 22 (13): postremo. If. scientiam ... in qua ... aliquando fallitur: 'Ich nenne das nicht Wissen, bei dem der, der es verkündet, sich manchmal täuscht.' Wissen schliesst nach Trygetius' Darstellung Irrtum vollständig aus; partielles oder okkasionelles Wissen von etwas gibt es nicht. Gelegentliche wahre Aussagen reichen daher nicht aus, um Wissen zu konstituieren (vgl. Long, Language 99). Die Begründung dieses Wissensbegriffs folgt in Z. 2-5. Die Tatsache, dass sich die Deutungen und Prophezeiungen der Wahrsager als falsch erweisen konnten (s.u. Z. 9), wurde von den Gegnern der Divination stets ins Feld geführt, z.B. in Cie. div. 2, 99: ut mihi permirum videatur quemquam exstare, qui etiam nunc credat iis, quorum praedicta cotidie videat re et eventis refelli; 2, 109; Tac. ann. 6, 22: sed quaedam secus quam dicta sint cadere fallaciis ignara dicentium: ita corrumpi fidem artis. Manche Astrologen versuchten, ihre Irrtümer selber zu erklären (vgl. F. Cumont [oben S. 153 Anm. 28] 157). Die umgekehrte Argumentation, also dass ein einziges Beispiel genüge, um die Möglichkeit der Divination zu bestätigen, wird in Cie. div. 1,71 vorgebracht: si sine divinatione non potest officium et munus divinationis exstare, potest autem quis, cum divinationem habeat, errare aliquando nec vera cernere, satis est ad confìrmandam divinationem semel aliquid esse ita divinatum, ut nihil fortuito cecidisse videatur, vgl. 1, 60: sed sint falsa quaedam; contra vera quid dicimus? In div. 1, 24 wird zwischen der Divination als ars an sich und der (möglicherweise fehlerhaften) Anwendung derselben unterschieden: at non numquam ea, quae praedicta sunt, minus eveniunt. quae tandem id ars non habet? (zu dieser Unterscheidung s. auch unten zu 1, 20 [31-34]). Augustin erklärt die Irrtümer der Wahrsager durch deren Abhängigkeit von Dämonen {divin. daem. 10). 2-12 scientia enim ...: Trygetius'erstes Argument basiert auf folgendem Syllogismus: Wissen schliesst Irrtum aus (Z. 2-5). Albicerius irrt oft (Z. 8f.). Also ist er nicht wissend (Z. 1 lf.).
57 Doignon, Leçons 75 argumentiert mit 1, 16 (4f.): ut a iudicis muñere ad sapientiae patrocinium descenderem. Er verkennt dabei, dass Augustin sein sapientiae patrocinium explizit einschränkt (ebd. Z. 1 lf.: nihil aliud habebis quam definitionem sapientiae).
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2-5 scientia enim non solum comprehensis sed ita comprehensis rebus constat, ut... debeat: Erste Prämisse. Trygetius beruft sich auf die stoische Wissenskonzeption; vgl. Cie. ac. 2, 23: scientiam ..., quam nos non comprehensionem modo rerum sed earn stabilem quoque et immutabilem esse censemus; ac. 1, 41 = SVF 1, 60 und 1, 68: si ita erat comprehensum, ut convelli ratione non posset, scientiam, sin aliter, inscientiam nominabat (scil. Zeno); SVF 1, 68: έπιστήμην είναι την άσφαλη και βεβαίαν και άμετάθετον ύ π ό λ ό γ ο υ κατάληψιν; 2, 90; 2, 95; 3, 112; 2, 294; u.ö. (vgl. Steinmetz 532). Zum Konzept der κ α τ ά λ η ψ η / comprehensio, auf dem der Wissensbegriff beruht, s.o. zu 1, 7 (20). Die vorliegende Wissenskonzeption ist rein qualitativ und von der Perspektive des Wissenden her bestimmt (vgl. Kerferd 126). Wissen kann daher als kognitiver Zustand des Hegemonikon beschrieben werden (vgl. Long / Sedley 256f./305f.; Steinmetz 529f.; Long, Language 98-101). Im wf-Satz (Z. 3-5) werden für diesen Zustand Irrtum und Zweifel ausgeschlossen. Damit kehrt indirekt das doppelte Kriterium der Sicherheit und Wahrheit des Wissens wieder, das Licentius für Albicerius' Wissen beansprucht (s.o. zu 1, 17 [25-27]; vgl. unten Z. 6-8; 1 lf.; 15-17). Die möglichen Wissens in h al te werden durch die qualitative Bestimmung des Wissens zwar eingegrenzt; über die Inhalte selbst wird jedoch nichts ausgesagt. Die Auseinandersetzung mit den Wissensinhalten folgt in 1, 2022, zwar ohne explizite Bezugnahme auf die vorliegende Wissenskonzeption, aber in Übereinstimmung damit (s.u. zu 1, 20 [24-26]). Auf den gleichen Wissensbegriff beruft sich Augustin in an. quant. 49: scientiam non esse nisi cum res aliqua firma ratione pereepta et cognita est, 58: ne idipsum quidem, quod mente comprehenditur, ad nomen aspirare scientiae, nisi tarn firma comprehensio sit, ut ab ea mens nulla ratione queat demoveri; lib. arb. 2, 29: quiequid enim seimus, id ratione comprehensum tenemus; 2, 194. Die Anwendung der stoischen Wissenskonzeption in der Argumentation gegen die Divination hat in Favorinus' Polemik gegen die Astrologen eine Parallele (Fr. 3 Barigazzi = Gell. 14, 1, 33): non enim comprehensa, inquit, neque definita ñeque pereepta dicunt, sed lubrica atque ambagiosa coniectatione nitentes inter falsa atque vera pedetemptim quasi per tenebras ingredientes eunt.5S
58 Trotz der Tendenz in der Forschung, das philosophische Fachwissen der Schüler grundsätzlich dem Hortensius zuzuschreiben (s.o. S. 16f.), ist nie die Frage gestellt worden, woher Trygetius die vorliegende Wissenskonzeption, ebenso wie die Einschränkung des Wissens auf den Weisen (Z. 5-8) kennen könnte. Diese Inkonsequenz überrascht umso mehr, als Trygetius sein Argument explizit als philosophische Tradition ausgibt (a quibusdam philosophis dicitur, Z. 5f.). Ohlmann 45 geht zwar von der Annahme aus, dass die gesamten Ausführungen der §§ 17-22 zur Weisheitsdefinition von 1, 16 aus dem Hortensius übernommen seien, äussert sich jedoch nur zu 1, 20 explizit (s. dort zu Z. 24-
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5-8 unde verissime... in nullo... nisi in sapiente...: Klammerbemerkung innerhalb des Syllogismus der Z. 2-12. Die Einschränkung des Wissens auf den Weisen ist stoisch, vgl. Cie. ac. 2, 145 = SVF 1, 66: at scire negatis quemquam rem ullam nisi sapientem. ... scientiam talem esse dicebat, cuius compotem nisi sapientem esse neminem (vgl. SVF 2, 294; ac. 2, 115; S.E. M. 7, 152; 7, 432; dazu Steinmetz 532; Görler 798). Der Wissensbegriff wird damit radikalisiert: Es gibt nicht nur kein partielles oder okkasionelles Wissen von etwas, sondern es gibt überhaupt nur solches Wissen, das zugleich Weisheit konstituiert: im vorliegenden Kontext also Wissen um die menschlichen und göttlichen Dinge (gemäss der dritten Weisheitsdefinition von 1, 16 [14f.]). Mit anderen Worten, während Weisheit nach der dritten Definition auf einem b e s t i m m t e n Wissensinhalt beruht, neben dem a n d e r e Wissensinhalte grundsätzlich denkbar scheinen, wird hier nun j e g l i c h e s Wissen ausschliesslich dem Weisen zugeschrieben: Nur der Weise weiss; er hat Wissen um die menschlichen und göttlichen Dinge; anderes Wissen gibt es daher nicht. Dabei wird Wissen (und folglich Weisheit) aber anders als in 1, 16 nicht inhaltlich, sondern als Qualität definiert (s.o. zu Z. 2-5). Der rigorose Wissensbegriff, den Trygetius hier zugrunde legt, war selbstverständlich nicht unumstritten; vgl. Cie. ac. 2, 145 (Fortsetzung der oben zitierten Stelle): sed qui sapiens sit aut fuerit, ne ipsi (seil. Stoici) quidem soient dicere (s. Reid z.St.); div. 2, 61; Sen. benef. 4, 33, 2; S.E. M. 7, 432f. (vgl. Cancik / Cancik-Lindemaier 212f.; M. Frede, Stoics and Skeptics on Clear and Distinct Impressions, in: Frede 170; M. Reesor, The Stoic Wise Man, in: J.J. Cleary / D.C. Shartin (Hgg.), Proceedings of the Boston Area Colloquium in Ancient Philosophy 5 (Lanham etc. 1991) 107f. 5 a quibusdam philosophis: Zu dieser unbestimmten Angabe von Gewährsleuten für einen grundlegenden philosophischen Lehrsatz vgl. 1, 16 (12f.): quae (seil, definitio)... priscorum hominum (s. dort zu Z. 12-14). 6-8 (1) non modo pereeptum habere ..., (2) verum etiam inconcussum tenere: Der Kontext spricht klar gegen die Lesart perfectum Η Μ Ρ R sowie Green und Knöll, die im Zusammenhang mit der vorliegenden Diskussion um den sapiens als lectio facilior gelten kann (s.o. zu 1, 7 [4f.]). Hingegen entspricht pereeptum S Τ R2 sowie Migne in der Terminologie der stoischakademischen Wahrnehmungstheorie comprehensum (Z. 3; s.o. zu Z. 2-5). Die Umschreibung des präsentischen Perf. durch habeo + Part. Perf. Pass, ist schon seit dem Altlat. belegt (vgl. LHS 319f.; KS 2, 1, 763f.). Da sich das 'Erfassen' (pereeptum habere, Z. 7) per Definition auf eine wahre Erscheinung bezieht (s.o. zu 1, 7 [20]), geben die beiden parallelen
26). Ohlmanns Annahme geht jedoch sicherlich zu weit (zu diesem Problem s.o. S. 2022).
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Glieder erneut das doppelte Kriterium der Wahrheit und Sicherheit des Wissens wieder (s.o. zu Z. 2-5). Zu inconcussum tenere vgl. den Gegensatz zu eripere (Z. 21) sowie ord. 2, 26 (25): inconcusse credo; lib. arb. 2, 11: inconcussa fide teneam\ u.ö.; zur Kampfmetapher impulsus nutare (Z. 4f.) vgl. Acad. 2, 27 (3f.): impulsus temptas iterum inruere. 8f. scimus autem illum ... falsa dixisse: Zweite Prämisse (s.o. zu Z. 212). illum: seil. Albicerium. false (Green) ist ein Druckfehler. 10 ipse percepì: Beide Parteien führen ihre persönlichen Erfahrungen mit Albicerius ins Feld (s.o. zu 1, 17 [22f.]). 1 lf. eumne igitur scientem vocem...?: Schlussfolgerung (s.o. zu Z. 2-12) in Form einer rhetorischen Frage. - saepe falsa ... cunctanter vera: Die Beschreibung ist antithetisch zu Licentius' Insistieren auf den unmittelbaren und wahren Antworten (1, 17 [26f.]: citissime verissimeque; 1,18 [37]: statim). Sie nimmt Bezug auf das doppelte Kriterium der Sicherheit und Wahrheit des Wissens (s.o. zu Z. 2-5). 12-14 hoc me de haruspieibus ... de auguribus ... de his omnibus, qui sidera consulunt,... de coniectoribus dixisse: Trygetius dehnt seine Argumentation auf eine ganze Reihe von Wahrsagern aus, die alle dem Bereich der technischen Divination angehören.59 Die Argumentation geht zwar von Albicerius aus (hoc: seil, 'was ich soeben über Albicerius gesagt habe'), erhält jedoch einen grundsätzlichen Charakter.60 59 Einzige mögliche Ausnahme bilden die Traumdeuter, da die Träume gemäss Cie. div. 1, 34 und 113 zur natürlichen Divination gehören. Gleichzeitig wird jedoch die Traumdeutung in 1, 116 zur technischen Divination gerechnet (vgl. 1, 72). Die Unterscheidung zwischen technischer und natürlicher Divination, die schon in PI. Phdr. 244b-d präsent ist, wird in Cie. div. 1, 1 lf. folgendermassen beschrieben: duo sunt enim divinandi genera, quorum alterum artis est, alterum naturae, quae est autem gens aut quae civitas, quae non aut extispicum aut monstra aut fulgora interpretantium aut augurum aut astrologorum aut sortium (ea enim fere artis sunt) aut somniorum aut vaticinationum (haec enim duo naturalia putantur) praedictione moveatur? quorum quidem rerum eventa magis arbitrer quam causas quaeri oportere. est enim vis et natura quaedam quae tum observatis longo tempore signifleationibus tum aliquo instinetu inflatuque divino futura praenuntiat (dazu Pease 70f.; Pfeffer 57-59; C. Schäublin [oben S. 148 Anm. 10] 298). Augustin kennt diese Unterscheidung zwar (s.u. zu 1, 19 [17f.]), aber sie hat für ihn keine Bedeutung mehr (s.u. S. 179). 60 Klingshirn 221 sieht in der vorliegenden Stelle ein weiteres Argument für die Identifizierung von Albicerius als hariolus (gemäss 1, 23 [29]). Er beruft sich dabei auf eine fast deckungsgleiche Liste von Wahrsagern in Cie. nat. deor. 1, 55: haruspices augures harioli vates comedores, die Augustin dadurch modifiziere, dass er die harioli durch die Astrologen ersetze (ferner durch die separate Erwähnung der vates in Z. 17f.; s. jedoch z.St.), und zwar weil der hariolus durch die Beispielfigur des Albicerius schon abgedeckt wäre und nicht mehr eigens erwähnt zu werden brauchte. Dass sich Augustin auf nat. deor. 1, 55 bezieht, ist jedoch unsicher, Hessen sich doch problemlos weitere vergleich-
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Die Christen scheinen im allgemeinen die spezifischen Merkmale der verschiedenen Divinationsarten zu kennen (Min. Fei. 27, 1, unten S. 179 Anm. 81 zitiert). Die Haruspices wurden aufgrund der Tieropfer am meisten kritisiert, ebenfalls die Auguren wegen ihrer Verbindung mit Tieren (Courcelle, Divinatio 1247). In erster Linie unterscheidet Augustin jedoch zwischen den Zeichendeutern einerseits und dem vates andererseits (s.u. zu Z. 17f.). 12f. de haruspicibus: Die unaspirierte Schreibweise ist inschriftl. und paläograph. zwar bezeugt, die aspirierte überwiegt jedoch deutlich (TLL 1, 2544, 80ff.; vgl. C.O. Thulin, Die etruskische Disziplin [Darmstadt 1968 = Göteborg 1905-1909] 2, 3 Anm. 1; A. Bouché-Leclercq, Histoire de la divination dans l'Antiquité IV [Aalen 1978 = Paris 1882] 62 Anm. 1; vgl. dasselbe Phänomen bei hariolus·, s.u. zu 1,23 [29]). Die haruspices übten ursprünglich die Eingeweideschau beim Opfertier aus, ebenso die Interpretation von Donner und Blitz und anderen Wunderzeichen (vgl. Beard et al. 1, 19f.; 2, 175-178). Dementsprechend waren die etrusk. libri haruspicini gemäss Cie. div. 1, 72 und 2, 49 in haruspicini, fulgurates und rituales aufgeteilt (dazu D. Briquel, Divination, DNP 3 [1997] 715). Bei den christlichen Autoren ist der spezifische Charakter der Haruspizin teilweise noch fassbar (Min. Fei. 27, 1; Lact. mort. pers. 10, 2f.). Im Allgemeinen wird sie jedoch ohne spezielle Charakterisierung zusammen mit anderen Formen der Wahrsagekunst abgelehnt (Tert. apol. 35, 12; Prud. c. Symm. 2, 892; Caes. Arel. s. 13, 3; 50, 1; u.ö.; vgl. J. ter Vrugt-Lentz, Haruspex, RAC 13 [1986] 659). Augustin kennt die haruspices als Eingeweideschauer (civ. 2, 24, p. 87, 18-20 und 88, 17-21 D.-K.) und als Interpreten von Wunderzeichen (3, 11p. 108, 18-25 D.-K.); er rückt sie aber auch in die Nähe der Magie, bes. in conf. 4, 3 (vgl. oben S. 153f.): recolo etiam, cum mihi theatrici carminis certamen inire placuisset, mandasse mihi nescio quem haruspicem, quid ei dare vellem mercedis, ut vincerem, me autem foeda illa sacramenta detestatum et abominatum respondisse, nec si corona illa esset inmortaliter aurea, muscam pro victoria mea necari sinere. necaturus enim erat ille in sacrificiis suis animantia et Ulis honoribus invitaturus mihi suffragatura daemonia videbatur (dazu D. Briquel, Chrétiens et haruspices. La religion étrusque, dernier rempart du paganisme romain [Paris 1997] 188f.; vgl. auch Aug. en. Ps. 73, 18; doctr. chr. 2, 30). bare Listen heranziehen, bes. Cie. div. 1, 132: augurent ... haruspices ... astrólogos ... coniectores ... interpretes soinniorum; 2, 109; ferner Cato agr. 5, 4: haruspicem, augurent, hariolum, Chaldaeum-, Quint, inst. 5, 7, 36: haruspicum, augurum, coniectorum, mathematicorum fldes\ Arnob. nat. 1, 24, 2: haruspices ... coniectores harioli vates. Zu weiteren vergleichbaren Listen bei Augustin vgl. F. Dolbeau, Le combat pastoral d'Augustin contre les astrologues, les devins et les guérisseurs, in: P.-Y. Fux et al. (oben S. 163 Anm. 51, im Druck).
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Seit republikanischer Zeit wurde die Haruspizin neben dem öffentlichen auch im privaten Rahmen ausgeübt (Cato agr. 5, 4; Plin. epist. 2, 20, 4; 6, 2, 2); sie blieb bis in die Zeit unter Theodosius lebendig (vgl. Trombley 59-62; Barb 105f.). Unter Konstantin wurde eine spezielle Gesetzgebung auf die haruspices angewandt: Sie durften ihre Tätigkeit nicht in Privathäusern ausüben (Cod. Theod. 9, 16, lf. von 319). Im Jahr 320 wurden die haruspices zwar als Blitzdeuter bestätigt (Cod. Theod. 16, 10, 1), aber 357 wurde die Haruspizin zusammen mit allen anderen Divinationsarten verboten (9, 16,4). Nach einer vorübergehenden Lockerung unter Kaiser Julian, die 371 gesetzlich fixiert wurde (9, 16, 9), folgte 385 ein endgültiges Verbot (16, 10, 9). 13 de auguribus: Die offiziellen römischen Vogelschauer versuchten aufgrund der Interpretation von Flug und Stimmen der Vögel zu bestimmen, ob die Götter die von den Menschen gefällten Entscheidungen billigten (vgl. D. Briquel [oben zu Z. 12f.] 714; Beard et al. 1, 21-23; 2, 171f.). Seit republikanischer Zeit gab es neben dem offiziellen Kollegium auch private Auguren (Cato agr. 5,4). Das Augurenamt wurde noch im 4. Jh. im Symmachus-Kreis aufrechterhalten; die beiden zuletzt bezeugten Auguren sind Vettius Agorius Praetextatus und L. Ragonius Venustus (CIL 6, 1, 1178; CIL 6, 1, 503). Die Vogelschau wurde in den Jahren 357 und 358 ausdrücklich verboten (Cod. Theod. 9, 16,4: augurum et vatum prava confessio conticescat; vgl. 9, 16, 6). Doch Stellen bei Priscillian (tract. 3,70f.), Salvian (gub. 6, 12) und Caesarius von Arles (s. 12, 4; u.ö.) lassen auf ihr Weiterbestehen im privaten Rahmen schliessen (vgl. J.H. Waszink, Augurium, RAC 1 [1950] 980f.). 13 de his omnibus, qui sidera consulunt: Die üblichen Bezeichnungen für die Astrologen sind mathematici und genethliaci (Berechnung der Konstellationen bzw. der Geburtshoroskope). Zur Astrologie bei Augustin s.o. S. 153f. Die Astrologie wurde im Jahr 409 endgültig verboten (Cod. Theod. 9, 16, 12; vgl. Fögen 20-26). Es entwickelte sich jedoch eine spezifisch christliche Astrologie, indem heidnische Elemente aus der übernommenen Lehre entfernt oder christlich umgedeutet wurden (dazu W. Hübner, Zodiacus christianus. Jüdisch-christliche Adaptationen des Tierkreises von der Antike bis zur Gegenwart [Königstein 1983]). 14 de coniectoribus: Ein coniector kann ein Zeichendeuter jeglicher Art sein, insbesondere ein Traumdeuter (vgl. die Glosse somniorum S T R 2 sowie Migne; auch Paul. Fest. p. 60 Müller: coniector interpres somniorum). Augustin verwendet das Verb conicere aber auch für die Astrologen (z.B. conf. 7, 8). Der Ausdruck ist meist negativ konnotiert (vgl. Pease 335). 14f. putatote aut... proferte: Der sog. Imp. Fut. ist v.a. im Altlatein gebräuchlich und begegnet vereinzelt auch bei Cicero und den Augusteern. Der Bedeutungsunterschied zwischen Imp. Präs. und Imp. Fut. wurde im Spätla-
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tein nivelliert (vgl. KS 2, 1, 196f.; LHS 340f.). Die Formen des Imp. Fut. von putare waren besonders beliebt (vgl. KS 2, 1, 199). 15-17 numquam ... dubitaverit, numquam ... falsa respondent: Dies bezieht sich chiastisch auf Z. llf.: cum saepe falsa dixerit, ... si cuncíante r vera dixisset (s. z.St.). 17f. nam de vatibus ..., qui mente loquúntur aliéna: Cursus trispondaicus. Der vates (griech. μάντις) ist in erster Linie ein Seher, der durch Inspiration von einer Gottheit Orakelsprüche von sich gibt (vgl. G. Dumézil, La religion romaine archaïque [Paris 1974] 123f.). Der Ausdruck kann aber für jeden anderen beliebigen Wahrsager verwendet werden. Die Bezeichnung wird auch für private Wahrsager verwendet, also solche, die nicht an einen Tempel gebunden sind: vates ... absque templo (Min. Fei. 27, 1). Die Weissagung durch Inspiration gehört in die Kategorie der natürlichen Divination; dadurch unterscheidet sich der vates von den bisher genannten Wahrsagern, die alle der Kategorie der technischen Divination angehören (dazu oben zu Z. 12-14). Der vates dürfte der Vollständigkeit halber erwähnt sein.61 Trygetius schreibt die Prophezeiungen des vates der intellektuellen Ebene zu (mente, Ζ. 17f.). Dadurch hebt er diesen von Albicerius ab, der zwar ebenfalls aufgrund von Inspiration weissagt und dadurch eine gewisse Ähnlichkeit mit dem vates hat, dessen Inspiration jedoch lediglich mit Hilfe der verfeinerten Sinneswahrnehmung von Dämonen zustandekommt (s.u. zu 1, 20 [35f.] und zu 1, 21 [49f.]). Durch die separate Erwähnung des vates scheint Trygetius diesen von seiner Kritik an den oben genannten Zeichendeutern auszunehmen. Er kann den vates aber, obwohl dieser den Vorzug der Verbindung mit einer Geistinstanz aufweist, trotzdem diskussionslos als möglichen Weisen ausschliessen (nihil ... laborandum): Denn der vates spricht nicht als er selber, sondern durch eine f r e m d e Geistinstanz. Er selber kann daher genauso wenig wie alle andern genannten Wahrsager als weise gelten. Dennoch wird der vates hier als Vertreter einer grundsätzlich akzeptierten, intellektuellen Form von Offenbarungswissen angeführt. Er kann als paganes Pendant zum alttestamentlichen Propheten gelten; vgl. Aug. trin. 4, 21: quod qui potuerunt (seil, futura praenoscere) ab eis vates, a nostris prophetae appellati sunt. Der Grund für die Sonderbehandlung des vates dürfte einerseits mit der Tradition der christlichen Umdeutung der sibyllinischen Orakel (vgl. oben zu 1, 18 [34f.]; Beard et al. 2, 181), andererseits mit der vierten Ekloge Vergils zusammenhängen (dazu S. MacCormack [s.o. zu 1, 15 (58)] 22-31 ; Courcelle, Recherches 75f.). Die Terminologie ist bei Augustin aller61 Die Annahme, dass sich Augustin mit der Erwähnung der vates auf nat. deor. 1, 55 bezieht, wo die vates erwähnt werden, ist daher nicht notwendig (vgl. oben S. 172f. Anm. 60).
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dings fliessend; auch das Sprachrohr von Dämonen kann vates genannt werden (so z.B. in trin. 4, 23, unten S. 179 Anm. 80 zitiert).
1, 20: Gegenargument (2) 'Die menschlichen Dinge'. Divination mit Hilfe von Dämonen Trygetius' zweites Argument gegen die These, dass Albicerius ein Weiser sei, betrifft den Inhalt des Weisheitswissens, und zwar den Aspekt der 'menschlichen Dinge': Unter diesen seien nicht äussere Güter wie ein Landsitz oder Gold und Silber, sondern die vier Kardinaltugenden zu verstehen. Von Albicerius könne daher nicht gesagt werden, dass er Wissen um die 'menschlichen Dinge' habe. Während das erste Argument darauf abzielte, dass Albicerius gar nicht w i s s e (womit Licentius eigentlich hinreichend widerlegt wäre), lautet das zweite Argument, dass Albicerius nicht die richtigen Dinge kenne.62 Trygetius geht dabei vom grundsätzlichen Vorrang der intellektuellen Erkenntnis gegenüber der Sinneswahrnehmung aus, einem Leitmotiv seiner Entgegnung, das aus dem Wissensbegriff von § 19 folgt und das an die Argumentation des Proömiums anknüpft.63 Die Frage, zu welcher Art von Wissen man durch Divination gelange, war von deren Gegnern stets ins Feld geführt worden. Karneades sprach der Divination jeglichen Zuständigkeitsbereich ab.64 Weniger kategorisch unterschied Porphyrios in seinem Brief an Anebo - ähnlich wie hier Trygetius - zwischen äusseren Gütern als Bereich der Divination einerseits und glücksrelevanten Dingen andererseits.65 Augustin scheint Porphyrios zu folgen, wenn er bei
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Zu den Gründen dieses Überschusses an Argumentation s.o. S. 168. S.u. zu 1, 22 (5f.). Cie. div. 2, 8. Vgl. das Referat in Aug. civ. 10, 11 p. 421, 18-27 D.-K.: ceterum illos, quibus conversado cum diis ad hoc esset, ut ob inveniendum fugitivum vel praedium comparandum, aut propter nuptias vel mercaturam vel quid huius modi mentem divinum inquietarent, frustra eos videri dicit (seil. Porphyrius) coluisse sapientiam; illa etiam ipsa numina, cum quibus conversarentur, etsi de ceteris rebus vera praedicerent, tarnen quoniam de beatitudine nihil cautum nec satis idoneum monerent, nec deos illos esse nec benignos daemones, sed aut ilium, qui dicitur fallax, aut humanum omne commentum (das Referat bezieht sich auf Porph. Epist. Aneb. 2, 19 Sodano); vgl. auch Abst. 2, 52, 2: ôv δ' ήμεϊς ύπογράφομευ φιλόσοφον άφιστάμενον τ ώ ν έκτος είκότως φαμέν μή ένοχλήσειν δαίμοσι μηδέ μάντεων δεήσεσθαι μηδέ σ π λ ά γ χ ν ω ν ζ φ ω υ . ώυ y à p ευεκα ai μαντεϊαι, τ ο ύ τ ω ν ούτος μεμελέτηκεν άφίστασθαι.
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der Divination wiederholt betont, dass sie lediglich auf materielle Belange angewendet werde.66 Das divinatorische Wissen des Albicerius erklärt Trygetius durch die Beihilfe von Dämonen; sein Gewährsmann dafür ist der schon in § 18 erwähnte Flaccianus.67 Die Dämonen wirken gemäss Trygetius' Darstellung auf der Ebene der unteren Seelenvermögen, indem sie über eine verfeinerte Sinneswahrnehmung verfügen und dadurch Zugang zu den Gedächtnisinhalten der Menschen haben. Diese Inhalte teilen sie ihrerseits mittels Inspiration dem Wahrsager mit. Bei diesem Vorgang wird normalerweise ein Pakt zwischen dem Wahrsager und den Dämonen vorausgesetzt.68 Die Dämonen können auch durch Gebete und Opfer günstig gestimmt werden; davon ist im vorliegenden Zusammenhang allerdings nicht die Rede.69 Die Erklärung der Divination durch Dämonen ist platonisch. Dämonen werden im Anschluss an Piatons Symposion als Mittler zwischen Göttern und Menschen verstanden.70 Als solche Verbindungsglieder zu den Göttern sind die Dämonen für die Divination verantwortlich.71 Divination wird dementsprechend als Kommunikation mit den Göttern verstanden; die Dämonen sind dabei die Instrumente der Götter. Die Mittelplatoniker entwickelten ein besonderes Interesse an der Divination als Wissensquelle, denn zusammen mit der Tendenz, das Göttliche vom Menschen zu entfernen, gewann die Vorstellung der Vermittlung des Göttlichen durch Dämonen zunehmend an Bedeutung.72 Dabei berief man sich wiederum auf Piatons Symposion,73 Xenokrates weitete die Dämonenlehre 66 Z.B. conf. 7, 8: cum me ... de quibusdam suis rebus, in quas saecularis spes eius intumuerat, consuleref, ep. 138, 19: quod ergo ad istam terrenam pertinet felicitatem, fuit magus ille (seil. Apuleius), quod potuit. unde apparet nihil eum amplius fuisse, non quia noluit, sed quia non potuit; doctr. ehr. 2, 30. S. auch oben zu 1,17 (21). 67 Vgl. 1, 21 (46-50); s. dort zu Z. 48f. 68 Vgl. doctr. ehr. 2, 30 (dazu Markus, Magic 380-383). 69 Vgl. Klingshirn 223; gegen F. Van Fleteren, Demons, in: A.D. Fitzgerald (Hg.), Augustine through the Ages (Michigan / Cambridge 1999) 267. Gebete und Opfer werden z.B. in conf. 4, 3 erwähnt; vgl. [Pl.] Epin. 984e 1-3; u.ö. 70 PL Smp. 202e 3-4: έρμηνεϋον και διαπορθμεϋον (seil, t ò δαιμόνιου) θεοΐς τα παρ' ά ν θ ρ ώ π ω ν κα\ άνθρώποις τά π α ρ ά θεών. 71 Pl. Smp. 202e 7-203a 1: δια τ ο ύ τ ο υ (seil, του δαιμονίου) και ή μαντική π ά σ α χωρεί, κα\ ή τ ω ν ιερέων τέχνη τ ω ν τε περ\ τάξ θυσίας κα\ τελετάς κα\ τάς έπωδάς και την μαντείαν π α σ α ν και γοητείαυ; [Pl.] Epin. 984e 1-3: δαίμονας, ... της ερμηνείας αίτιον. 72 Vgl. Dillon 216. 73 Smp. 203a 1-2: θεός δέ ά ν θ ρ ώ π ω oü μείγυυται; vgl. Apul. Socr. 4: nullus deus miscetur hominibus; ebenso das Apuleius-Referat bei Aug. civ. 8, 18 p. 348, 1-4 D.-K.: quoniam nullus deus miscetur homini, quod Platonem dixisse perhibent, isti ad deos perferant preces hominum et inde ad homines interpretata quae poscunt (vgl. 8, 20f.).
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aus (Fr. 222-230 Isnardi Parente); im Anschluss an Xenokrates beschäftigte sich Plutarch vor allem in seiner Schrift De defectu oraculorum mit der Rolle der Dämonen bei den Orakeln. Die einzige überlieferte systematische Abhandlung des Mittelplatonismus über Dämonen ist jedoch die des Apuleius in De deo Socratis,74 Wie Piaton betrachtet Apuleius die Dämonen als Mittlerwesen zwischen Göttern und Menschen, die die Divination ermöglichen.75 Augustin wiederum setzt sich in De civitate dei ausführlich mit Apuleius' Dämonenlehre auseinander.76 Neben Apuleius ist für Augustine Ansichten über Dämonen insbesondere Porphyrios prägend.77 Die Christen übernehmen die Erklärung der Divination durch Dämonen. Allerdings gibt es aus christlicher Perspektive ausschliesslich schlechte Dämonen; diese werden als gefallene Engel aufgefasst.78 Dementsprechend können sie nicht als Vermittler zwischen Gott und Mensch betrachtet werden.79 Doch trotz ihrer negativen Konnotation sind die Dämonen in die übergreifende göttliche Ordnung eingebunden und können in dem Mass Wahres verkünden, wie es ihnen von Gott gestattet ist; insofern können sie auch als Gottes
74 Vgl. Dillon 216-219 und 317-320. 75 Apul. Socr. 6: ceterum sunt quaedam divinae mediae potestates inter summum aethera et ínfimas terras in isto intersitae aeris spatio, per quas et desiderio nostra et merita ad eos (seil, déos) commeant. ... per hos eosdem (seil. daemones), ut Plato in Symposio autumat, cuncta denuntiata et magorum varia miracula omnesque praesagiorum species reguntur. eorum quippe de numero praediti curant singuli [eorum], proinde ut est cuique tributa provincia, vel somniis conformandis vel extis fissiculandis vel praepetibus gubernandis vel oscinibus erudiendis vel vatibus inspirandis vel fulminibus iaculandis vel nubibus coruscandis ceterisque adeo, per quae futura dinoscimus. quae cuneta caelestium volúntate et numine et auctoritate, sed daemonum obsequio et opera et ministerio fieri arbitrandum esf, vgl. mag. 43: ..., quamquam Piatoni credam inter déos atque homines natura et loco medias quasdam divorum potestates intersitas, easque divinationes cunetas et magorum miracula gubernare (zu Apuleius' Dämonenlehre vgl. F. Regen, Apuleius. philosophus Platonicus [Berlin/New York 1971] 3-32; W. Bernard, Zur Dämonologie des Apuleius von Madaura, RhM 137 [1994] 358-373). 76 Vgl. civ. 8, 14-22 und 9, 3. Dazu C. Moreschini, La polemica di Agostino contro la demonologia di Apuleio, ASNP 3, 2, 2 (1972) 583-596. TI Vgl. civ. 10, 11 und Porph. Abst. 2, 38-42 sowie Epist. Aneb. 78 Vgl. Aug. civ. 8, 22 p. 353, 30-32 D.-K.: quia de caeli superioris sublimitate deiecti merito inregressibilis transgressionis in hoc sibi congruo velut carcere praedamnati sunt·, ep. 102, 18 (dazu J. den Boeft, Daemon(es), AL 2 [1996ff.] 214; F. Andres, Daimon, RE Suppl. 3 [1918] 318f.). 79 Vgl. civ. 8, 18 p. 347, 29-348, 4 D.-K.: frustra igitur eis Apuleius ... hunc detulit honorem, sic eos in aere medios inter aetherium caelum terramque constituens, ut... isti ad déos perferant preces hominum et inde ad homines impetrata quae poscunv, 8, 22 p. 354, 8f. D.-K.: inter deos et homines internuntios ac beneficiorum impetratores se esse finxerunt; 9 , 9 p. 380, 13-17 D.-K.
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Instrumente und als Verkünder der Wahrheit verstanden werden.80 Ein weiterer entscheidender Unterschied gegenüber den Piatonikern liegt darin, dass die Christen sämtliche Divinationsarten durch den Einfluss von Dämonen erklären (also auch die technischen), während sich die Platoniker hauptsächlich für die natürliche Divination interessieren.81 Augustin erklärt insbesondere auch die Astrologie durch den Umgang mit Dämonen; der Zusammenhang mit den Gestirnen ist für ihn nur ein scheinbarer.82 Nicht zuletzt durch diese Gleichschaltung aller Divinationsarten wird das pagane Verständnis der technischen Divination als einer Wissenschaft negiert.83 19 deinde res humanas ... res hominum: Argument (2) nimmt auf Licentius' Erklärung der 'menschlichen Dinge' als 'Dinge der Menschen' in 1, 18 (50f.) Bezug. Der possessive Genitiv weist expliziter als das Adjektiv auf das Thema der Güter voraus (s.u. zu Z. 20f.). 20f. quidquam ..., quod ... eripere casus potest?: Das Pronomen quidquam (statt aliquid) ist durch die implizite Verneinung der rhetorischen Frage bedingt. - Was dem Zufall anheimgestellt ist, gehört in die Kategorie der äusseren und körperlichen Güter (s.o. zu 1, 1 [4f.]). Diese können, so Trygetius, wegen ihrer Vergänglichkeit nicht als die eigentlichen res huma-
na Aug. trin. 3, 12; 4, 23: potestates autem aeriae superbae atque fallaces etiam si quaedam de societate et civitate sanctorum et de vero mediatore a sanctis prophetis vel angelis audita per suos vates dixisse reperiuntur id egerunt ut per haec aliena vera etiam fideles dei si possent ad sua falsa traducerent. deus autem per nescientes id egit ut Veritas undique resonaret, fldelibus in adiutorium, impiis in testimonium; divin, daem. 1; 10; 12; doctr. ehr. 2, 35; vgl. van der Nat 747. Daneben führt Augustin wiederholt den Zufall als Erklärung an (Gn. litt. 12, 22). Zufall und Dämonen schliessen einander jedoch nicht aus (gegen Ferrari 247): Der Zufall ist eine theoretische Erklärung, während durch die Dämonen das eigentliche Zustandekommen der Divination erklärt wird. Augustin stellt in conf. 4, 5 den Zufall in den Vordergrund: non arte, sed sorte (vgl. 4, 6; 7, 9; 7, 10; div. qu. 45, 2). 81 Vgl. z.B. Min. Fei. 27, 1-3: inpuri spiritus, daemones ... afflatu suo auetoritatem quasi praesentis numinis consequuntur, dum inspirantur interim vatibus, dum fanis inmorantur, dum nonnumquam extorum fibras animant, avium volatus gubernant, sortes regunt, oracula efficiunt falsis pluribus involuta. ... hi sunt et furentes, quos in publicum videtis excurrere, vates et ipsi absque templo, sic insaniunt, sic bacchantur, sic rotantur: par et in Ulis instigatio daemonis, sed argumentum dispar furoris\ Lact. inst. 2, 16, 1: eorum (seil, daemonum) inventa sunt astrologia et haruspicina et auguratio et ipsa quae dicuntur oracula. 82 Vgl. civ. 5, 7 p. 201, 2-7 D.-K.: non inmerito creditur, cum astrologi mirabiliter multa vera respondent, occulto instinctu fieri spirituum non bonorum, ..., non baroscopi notati et inspecti aliqua arte, quae nulla est. 83 S.o. S. 151 Anm. 22.
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nae gelten, eripere bildet einen Gegenpol zur Forderung inconcussum tenere in 1, 19 (8). Augustin kritisiert in trin. 14, 3 bei der Besprechung derselben Weisheitsdefinition, von der auch die vorliegende Diskussion ausgeht (s.o. 1, 16 [14f.]), in vergleichbarer Weise einen zu weiten Begriff der 'menschlichen Dinge' und möchte darunter nur solche Dinge verstanden wissen, die zum 'heilsamen rechten Glauben' und dadurch zum 'wahren Glück' führen: non utique quidquid sciri ab homine potest in rebus humanis, ubi plurimum supervacaneae vanitatis et noxiae curiositatis est huic scientiae (seil, humanarum rerum) tribuens, sed illud tantummodo quo fides saluberrima quae ad ve ram beatitudinem ducit gignitur (vgl. Ohlmann 46). 22-24 vel quot vel quales fundos quid auri, quid argenti, quid ... carminum cogitemus?: Sorgfältige rhetorische Gestaltung durch Anapher von quid, Alliteration, Homoioteleuton, Parallelismus und Asyndeton mit wachsenden Gliedern. Die Aufzählung bezieht sich auf die Beispiele des Landguts (1,18 [34-40]), des Löffels (1, 17 [23-27]) und des Vergilverses (1, 18 [40-47]). Der Vergilvers wird unten noch einmal separat behandelt (Z. 2934), da er nicht auf die gleiche Art und Weise wie Gold usw. zu den äusseren Gütern gerechnet werden kann. 24-26 ilia est humanarum rerum scientia, ... iustitiae sanetitatem: Trygetius nennt als 'menschliche Dinge' die vier Kardinaltugenden, indem er für jede eine die Bedeutung steigernde Periphrasis verwendet (vgl. Lausberg 305 § 589f.): prudentia wird durch die Lichtmetapher als Erkenntnis gedeutet, temperantia als ästhetisch-sittliches Empfinden; fortitude als konkrete, physische Stärke; iustitia als Bestreben um Integrität (vgl. dazu Panaitios' Ableitung der Tugenden aus vier Grundtrieben und -vermögen des Hegemonikon: Erkenntnistrieb, Empfinden für Ordnung und Schönheit, Trieb nach Vorrang, Selbst- und Arterhaltungstrieb [Fr. 98 und 103-107 von Straten; dazu Steinmetz 658]; zu den vier Kardinaltugenden vgl. auch Cie. inv. 2, 159-164, ein Text, auf den sich Aug. div. quaest. 83 31 bezieht; s. auch oben zu 1, 3 [61-64]). Trygetius definiert somit zumindest den einen Teilaspekt des Weisheitswissens inhaltlich: Wissen um menschliche Dinge ist Wissen um die Tugenden. Indem das Tugendwissen nur einen Teilaspekt des Weisheitswissens darstellt, scheint die Tugend implizit vom Wissen um die göttlichen Dinge, mit anderen Worten von der Gotteserkenntnis, abgehoben zu sein (s.u. zu 1, 22 [16f.]). Die Gleichsetzung der menschlichen Dinge, d.h. der dem Menschen wesentlich zukommenden Güter, mit den Tugenden ist stoisch (s.u. zu Z. 26f.). Die Gleichsetzung von Tugend und Wissen kann bis Sokrates (bzw. Piaton) zurückverfolgt werden (vgl. Kerferd 125 und 128-132) und wird auch von den Stoikern vertreten; vgl. bes. Lucullus in Cie. ac. 2, 23 (s. auch oben zu 1,
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19 [2-5]): maxime vero virtutum cognitio confirmât percipi et comprehendi multa posse, in quibus solis inesse etiam scientiam dicimus, quam nos non comprehensionem modo rerum, sed earn stabilem quoque et immutabilem esse censemus, itemque sapientiam, artem vivendi, quae ipsa ex sese habeat constantiam (zu dieser Beschreibung von sapientia vgl. oben 1, 13);84 Tusc. 4, 53: quo modo igitur Chrysippus? fortitude est, inquit, scientia rerumperferendarum (dazu Steinmetz 615). Die vorliegende Stelle wurde von Ohlmann 45f. aufgrund des Vergleichs mit trin. 12-14 dem Hortensius zugewiesen: Einerseits weisen die Themen von trin. 12-14 wesentliche Berührungspunkte mit dem Hortensius auf; der Bezug zum Hortensius wird ausserdem durch mehrere wörtliche Zitate in trin. 13-14 belegt (trin. 13, 7 = Hort. Fr. 58 G. = 69 S. [vgl. auch trin. 13, 6]; trin. 14, 12 = Hort. Fr. 110 G. = 101 S.; trin. 14, 26 = Hort. Fr. 115 G. = 102 5.; s.u. zu 1, 23 [50-57]). In trin. 14, 3 zitiert Augustin die stoische Weisheitsdefinition, die höchstwahrscheinlich auch im Hortensius stand und die oben in 1, 16 (14f.) genannt wird (s. z.St.). Andererseits berühren sich Trygetius' Ausführungen in §§ 19-21 in gewissen Punkten mit trin. 12-14; beispielhalber führt Ohlmann jedoch nur 1, 20 (19-27) und trin. 12, 21f. an. An der zuletztgenannten Stelle wird Wissen als Voraussetzung der Tugenden verstanden: sine scientia quippe nec virtutes ipsae, quibus recte vivitur, possunt haberi, per quas haec vita misera sic gubernetur, ut ad illam, quae vere beata est, perveniatur aeternam. Von einer grundsätzlichen Übereinstimmung des Argumentationsgangs in §§ 19-21 mit trin. 12-14 (Ohlmann 46) kann jedoch keine Rede sein. Der Vergleich mit trin. allein kann daher nicht für die Zuweisung der vorliegenden Stelle zum Hortensius sprechen; hinzu kommt, dass gerade der Zusammenhang von trin. 12, 21f. mit dem Hortensius keineswegs klar ersichtlich ist. Trotz dieser Schwierigkeiten folgt Grilli Ohlmann und nimmt die vorliegende Stelle als Hort. Fr. 95 auf; auch Voss 340 Anm. 32 vermutet eine Abhängigkeit vom Hortensius.85 26f. quae nullam fortunam metuentes vere nostra dicere audemus: Zur Begründung beruft sich Trygetius auf die stoische Auffassung der Tu84 Obwohl es im vorliegenden Zusammenhang in erster Linie darum geht, die Tugenden von den äusseren Gütern abzusetzen, mag bei der Bestimmung der Tugenden als menschliche Dinge auch die Überlegung im Hintergrund stehen, dass die Götter die Tugenden nicht nötig haben (vgl. Cie. nat. deor. 3, 38; Hort. 110 G. = 101 S.; Aug. mus. 6, 51-55; trin. 14, 12; dazu Doignon, Vertus 171-174 und 180-190). 85 Auf eine Kontrastierung der Tugenden mit äusseren Gütern in Cie. Hort, deutet auch Fr. 72 G. = Test. 197 Hagendahl = Aug. beata ν. 22 hin: an vero multorum in terris praediorum dominos divites appellamus, omnium virtutum possessores pauperes nominabimus? (dies ist jedoch kein Indiz für die Abhängigkeit der vorliegenden Stelle vom Hortensius). Straume-Zimmermann und Ruch erwähnen die Stelle nicht, ebenso wenig Baiter-Kayser, Müller und Piasberg.
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gend als des höchsten Guts, das von fortuna unabhängig ist (SVF 1, 179f.; s.o. zu 1, 1 [1-6] und zu 1, 3 [61-64]). Zu vere s.o. zu 1, 1 (14f.: in auras ve rae libertatis). 28f. luxuriöse deformiterque vixisset: Zu Albicerius' moralischer Unzulänglichkeit vgl. oben 1, 17 (18-20); deformiter in ähnlichem Kontext auch 2, 6 (79): deformiter inter scabra vitiorum (vgl. TLL 5, 1, 368, 79ff.). 29-31 quod autem dixit, quem versum volveret animo ille neque hoc puto ... numerandum: Dies bezieht sich auf 1,18 (40-47). Zu (animo) volvere s.o. zu 1, 10 (23). 30 a quo consulebatur: Die Lesart quo Μ Ρ R sowie Knöll ist auszuschliessen, denn blosser Abi. für den Agens beim Passiv steht nur bei soziativer oder instrumentaler Färbung (vgl. LHS 122). 31-34 non quo negem honestissimas disciplinas ..., sed quia ... concessimi est: Trygetius versteht das Beispiel des Vergilverses, aus dem man auf Kenntnisse in Grammatik und Rhetorik schliessen könnte, als stellvertretend für das gesamte Gebiet der propädeutischen Wissenschaften bzw. Künste (honestissimae disciplinae; dazu unten zu 1, 21 [56f.]). Diese fallen ihrerseits in den Zuständigkeitsbereich des Intellekts, des 'besten Teils' des Menschen (vgl. 1, 5 [26-30]; animus wird hier als rationaler Seelenteil verstanden, entsprechend zu ratio und mens unten Z. 38 bzw. 1, 21 [57]). Die 'Zugehörigkeit' der disciplinae zum Intellekt ist jedoch noch nicht klar bestimmt (Z. 32: ad possessionem quondam... pertinere): Den Unterschied zwischen der Beherrschung der Kunstprinzipien und der blossen Wiedergabe eines einzelnen Erzeugnisses einer Kunst oder Wissenschaft durch einen Ungebildeten wie Albicerius führt Trygetius erst unten in 1,21 genauer aus (s. dort zu Z. 44-46). Seine ganze Argumentation beruht auf der Gegenüberstellung von Intellekt und Sinneswahrnehmung (Z. 37f.; 1, 21 [55-57] und bes. 1, 22 [3-7]; s.o. S. 150f.). Indem Trygetius hier die disciplinae dem Intellekt unterstellt und sie damit dem Einflussbereich der Dämonen entzieht, dem Z. 34ff. gewidmet sind, steht sein Votum - entsprechend zur grundsätzlich negativen Konnotation der Dämonen - in Widerspruch zu der Auffassung, dass die (guten) Dämonen für die disciplinae zuständig seien, die z.B. bei Porph. Abst. 2, 38, 2 belegt ist: τ α ύ τ α ς δαίμονάς τε άγαθούς νομιστέον και έπ' ωφελείς* τ ω ν άρχομευων π ά ν τ α πραγματεύεσθαι, είτε τ ι ν ώ ν ά φ η γ ο ΐ ν τ ο ζ φ ω ν ..., ήμΐν αύ τ ε χ ν ώ ν τε και τ ω ν κ α τ ά μουσικήν παιδείας τε συναπάσης ιατρικής τε και γυμναστικής ή τίνος τούτοις όμοιας (diese Tradition lässt sich auf das apokryphe hellenistische Enoch-Buch zurückführen; vgl. Graf [oben S. 148 Anm. 14] 285). 34-36 ideo talia cum in memoriam nostram incurrerint, non mirum, si sentiri possunt ab ... vilissimis: Erster Teil der Erklärung von Albicerius' Wahrsagekunst: Die Dämonen können Inhalte aus dem Gedächtnis der Men-
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sehen wahrnehmen. (Der zweite Teil der Erklärung folgt in 1, 21 [49f.]: Die Dämonen inspirieren ihrerseits den Wahrsager.) Der Hauptsatz non mirum wird doppelt begründet: (a) durch die vorangehende Aussage ('einen Vergilvers zu erraten, gehört nicht zu den menschlichen Dingen'), die durch ideo aufgenommen wird, (b) durch den cum-Satz, der eine Erklärung dafür enthält, dass die Dämonen 'solche Dinge' (seil, wie einen Vergilvers) wahrnehmen können (si-Satz): Weil sie Zugang zum menschlichen Gedächtnis haben. Denn wenn solche Inhalte in das Gedächtnis eines Menschen gelangt sind (cum ... ineurrerint), dann können die Dämonen diese offenbar von dort aufnehmen und in einem nächsten Schritt weitergeben.86 Die Divination wird damit als Gedankenübertragung bzw. Telepathie von Mensch zu Mensch mit Hilfe von Dämonen verstanden (vgl. D.C. 67, 18; Philostr. VA 8, 26ff.; Eun. VIS" 6, 9 p. 470 Boissonade; dazu Dodds, Pagan 55 Anm. 2; O'Daly, Mind 122 Anm. 34; zum konkreten Vorgang der Übertragung s.u. zu Z. 38f.). Die vorliegende Erklärung versucht der Divination das Geheimnisvolle zu nehmen (non mirum; vgl. oben zu 1, 18 [35]; J. den Boeft [oben S. 153 Anm. 28] 522, spricht von Augustine "sustained minimalization of the demons' power"). Die Erklärung geht aus dem soeben genannten Beispiel des Vergilverses hervor, wird aber durch talia sowie in memoriam nostram verallgemeinert. Ob und wie genau sich diese Erklärung auch auf das Beispiel des vermissten Löffels anwenden lässt (1, 16 [23-27]), ist nicht ganz klar, denn der Gegenstand wurde möglicherweise vermisst, ohne dass irgendjemand irgendwann Kenntnis davon hatte, wo er war.87 Festhalten lässt sich, dass der Wirkungsbereich der Dämonen die untergeordneten Seelenfunktionen eingeschränkt wird, zu denen Sinneswahrnehmung und Gedächtnis gehören (vgl. an. quant. 71; dazu O'Daly, Mind 13; ders., Anima 323). Die Dämonen nehmen im vorliegenden Zusammenhang somit keine Mittlerfunktion zwischen Gott und den Menschen wahr. In diesem Punkt hebt sich die Charakterisierung der Dämonen von der platonischen Tradition ab (s.o. S. 178). 35f. ab ... animalibus quibusdam vilissimis, quos daemonas vocant: Das griech. Fremdwort daemon (Acc. Plur. oft daemonas·, vgl. TLL 5, 1,4, 36) ist in der lat. Literatur seit Apuleius belegt; als lat. Pendant wurde auch 86 Die Vorzeitigkeit von ineurrerint wird von den Übersetzern nicht beachtet. Die Begründung, die im cum-Satz gegeben wird, lautet aber nicht, dass Inhalte, die (grundsätzlich) in das menschliche Gedächtnis gelangen (können), auch von den Dämonen wahrgenommen werden können, sondern dass die Dämonen diejenigen Inhalte, die tatsächlich in das menschliche Gedächtnis g e l a n g t s i n d , wahrnehmen können. Deshalb folgt aus dieser Argumentation, dass die Dämonen Zugang zum menschlichen Gedächtnis haben. 87 Die Dämonen können jedoch auch auf andere Art als aus dem menschlichen Gedächtnis Informationen erhalten, nämlich durch 'natürliche Zeichen' (vgl. ep. 8, 9; O'Daly, Mind 121-124). Bei der Wahrsagepraxis könnte man in diesem Fall nicht von Telepathie sprechen (vgl. Dodds, Supernormal Phenomena 162).
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genius verwendet (vgl. C. Moreschini [oben S. 178 Anm. 76] 585 Anm. 1). Augustin übernimmt in civ. 9, 20 p. 395, 8f. D.-K. die (Pseudo-)Etymologie von Piatons Kratylos: daemones enim dicuntur... ab sdentici nominati (vgl. Cra. 398b 6-7: οτι φρόνιμοι και δαήμονες ήσαν, δαίμονας αυτούς ώνόμασεν; s. auch unten zu Ζ. 37f.). daemon ist bei den christl. Autoren im Unterschied zur paganen Tradition ausschliesslich negativ konnotiert; vgl. unten Z. 48f.; Aug. civ. 7, 27 p. 310, 17 D.-K.: nefarios daemones atque immundissimos spiritus; 9, 19 p. 394, 17-19 D.-K.: sicut scriptura loquitur... numquam vero bonos daemones legimus; u.ö. Hauptgrund dafür ist, dass die Dämonen Leidenschaften unterworfen sind, und zwar im Unterschied zu den Menschen auch in ihrer rationalen Seele; vgl. civ. 8, 17 p. 346, 14ff.; 9, 3 p. 370, 9ff., bes. Z. 23-26 D.-K.: num est... ulla dubitatio, quod non animorum aliquas inferiores partes, sed ipsas daemonum mentes, quibus rationalia sunt animalia, velut procellosum salum dixit (seil. Apuleius) passionum tempestate turbari? (vgl. Apul. Socr. 13; dazu C. Moreschini [oben S. 178 Anm. 76] 587). 35 huius aeris: Das Element der Dämonen ist die Luft; sie bestehen aus Luft und bewohnen die Luft; vgl. [Pl.] Epin. 984e 1-3: δαίμονας, άέριον δέ γένος; Apul. Socr. 9-13; Porph. regr. 293F Smith (vgl. Dillon 318). Augustin folgt dieser Tradition, so divin. daem. 7: aerium corpus; civ. 8, 15 p. 343, 32 D.-K.: daemones in aere (seil, habitant)·, 8, 22 p. 353, 29f.; 21, 10 p. 510, 24-26 D.-K.: sunt quaedam sua etiam daemonibus corpora ... ex isto aere crasso atque umido, cuius inpulsus vento fiante sentitur (vgl. Mt 25, 41). Gemäss einer Tradition, die auf [Pl.] Epin. 984d-985a zurückgeht und durch Porphyrios vermittelt wird, unterscheidet Augustin in civ. 10, 9 p. 416, 9-11 D.-K. zwischen dem ätherischen Körper von Engeln und dem Luftkörper von Dämonen: discernât (seil. Porphyrius) a daemonibus angelos, aeria loca esse daemonum, aetheria vel empyria disserens angelorum; ähnlich auch ep. 9, 3 (vgl. Courcelle, Lettres 166 Anm. 8; O'Daly, Mind 122 Anm. 32). Die Christen führen die Luftnatur der Dämonen auf den Engelfall zurück, so Aug. Gn. litt. 3, 10: si autem transgressores illi, antequam transgrederentur, caelestia corpora gerebant, neque hoc mirum est, si conversa sunt ex poena in aeriam qualitatem (vgl. van der Nat 731). 37f. nos superari acumine ac subtilitate sensuum posse concedo, ratione autem nego: Prägnante Gegenüberstellung von Intellekt und Sinneswahrnehmung; vgl. unten Z. 55-57 und bes. 1, 22 (3-7). acumen und subtilitas ('Schärfe und Feinheit', vgl. SLA s.v. acumen 1.1; Hensellek 146f. § 1) dienen öfter zur Beschreibung der Sinneswahrnehmung der Dämonen, ebenso acrimonia und sagacitas, z.B. unten Z. 40: nescio qua sagacitate; Gn. litt. 2, 17: acrimonia cernendi... subtilioris sensus acumine', trin. 3, 13: pro subtilitate sui sensus et corporis; civ. 8, 15 p. 343, 13 D.-K.: acrimonia
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sensuum. In divin. daem. 7 schreibt Augustin den Dämonen ausser der schärferen Sinneswahrnehmung auch noch höhere Geschwindigkeit und längere Lebenserfahrung zu: quibus duabus rebus quantum ad aerium corpus attinet praediti, hoc est, acrimonia sensus et celeritate motus, multa ante cognita praenuntiant vel nuntiant, quae homines pro sensus terreni tarditate mirentur. accessit etiam daemonibus per tarn longum tempus quo eorum vita protenditi, rerum longe maior experientia, quam potest hominibus propter brevitatem vitae provenire (vgl. van der Nat 732f.). Da die Weissagungen der Dämonen lediglich auf ihrer ausserordentlich feinen Sinneswahrnehmung beruhen, können sie gemäss trin. 4, 22 nur scheinbar als Divination gelten: an vero iam ventura praecesserint et longe visa venientia nuntientur pro acuto sensu videntium, quod cum faciunt aeriae potestates divinare creduntur, tamquam si quisquam de montis vertice aliquem longe videat venientem et proxime in campo habitantibus ante nuntiet. Zwar wird das Wort daemon etymologisch mit 'Wissen* verbunden (civ. 9, 20; s.o. zu Z. 35f.); Augustin wertet das Wissen der Dämonen jedoch mit Bezugnahme auf 1 Cor 8, 1 negativ: civ. 9, 20 p. 395, 8-14 D.-K.: daemones enim dicuntur... ab scientia nominati. Apostolus autem spiritu sancto locutus ait: 'scientia inflat, caritas vero aedificat'... est ergo in daemonibus scientia sine caritate', vgl. civ. 9, 22; 5. 243, 5; Gn. litt. 12, 17. 38f. id fieri nescio quo modo secretissimo atque ... remotissimo: id fieri bezieht sich auf talia ... sentiri possunt (Z. 34f.). Der Zugang der Dämonen zum Gedächtnis ist nicht unmittelbar, sondern beruht auf einem physischen Zeichensystem: Die Dämonen nehmen gemäss divin. daem. 9 Zeichen im Gesicht der Menschen wahr, die für die Menschen unsichtbar sind (vgl. oben S. 183 Anm. 87): aliquando et hominum dispositiones, non solum voce prolatas, verum etiam cogitatione conceptas, cum signa quaedam ex animo exprimuntur in corpore, tota facilitate perdiscunf,... quae (scil. signa) obtuso sensu hominum cognosci non possunt, acuto autem daemonum possunt, vgl. ep. 9, 2f. In retr. 2, 30 lässt Augustin allerdings die Erklärung aus divin, daem. 9 nicht mehr vorbehaltlos gelten: rem dixi occultissimam audaciore asseveratione quam debui. nam pervenire ista ad notitiam daemonum per nonnulla etiam experimenta compertum est. sed utrum signa quaedam dentur ex corpore cogitantium, Ulis sensibilia nos autem latentia, an alia vi et ea spiritali ista cognoscant, aut difficillime potest ab hominibus aut omnino non potest inveniri. Den Zeichencharakter der Kommunikation mit den Dämonen erwähnt auch Porph. abst. 2, 41, 4: πάσι γ α ρ σημαίνουσιν, où πάξ δέ ξυνίησι τ α σημαινόμενα. Plotin ging davon aus, dass die Dämonen eine Lautsprache benutzen (4, 3, 18, 22f.; vgl. O'Daly, Mind 122f.; Markus, Magic 381-383). - Die Gefahr, göttliche und dämonische Manifestationen zu verwechseln (vgl. oben S. 151f.), wird durch das für beide Vorgänge iden-
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tische Vokabular treffend illustriert (vgl. 1, 1 [ 19f.]: sententiam ... remotam\ 1, 3 [78]: secretissimum deum). 39-42 non enim, si miramur apiculam ... saltem comparare debemus: miramur. 'voller Bewunderung beobachten' (s.o. zu 1, 18 [35] zum Motiv des Staunens). Die Junktur aut saltem ('oder auch nur', ebenso ord. 2, 28 [24]) ist unklassisch. - Augustin führt die Biene auch in ep. 137, 8 als Beispiel für ein Tier mit scharfer Sinneswahrnehmung an (in Übereinstimmung mit dem antiken biologischen Wissen; vgl. Arist. HA 4, 8. 534b 19f. : α'ι μελιτται... τ ο υ μέλιτος έκ πολλού αισθάνονται cbç τ η οσμή γ ι γ ν ώ σ κοντα). Ebenfalls anhand des Vergleichs mit Tieren und mit dem gleichen Ziel wie an der vorliegenden Stelle argumentiert Augustin in divin. daem. 1 (wobei er Hund, Geier und Adler anführt) und in civ. 8, 15 p. 343, 12-15 und 20-22 D.-K.: alioquin multas sibi et bestias praelaturus est, quae nos et acrimonia sensuum et motu facillimo atque celerrimo et valentia virium et annosissima firmitate corporum vincunt... (inzwischen werden die Vorzüge verschiedenster Tiere aufgezählt), sed sicut his omnibus ratiocinando et intellegendo meliores sumus, ita etiam daemonibus bene atque honeste vivendo meliores esse debemus. Der Gedanke, dass manche Tiere zwar einerseits keinen Anteil an der θεωρητική σοφία haben, andererseits aber den Menschen in Bezug auf die Sinneswahrnehmung überlegen sind, ist in Arist. Protr. Β 29 D. = Iamb. Protr. 36, 7-13 Pistelli belegt (zur umstrittenen Zuweisung dieses Texts vgl. R. Sorabji, Animal Minds and Human Morals. The Origins of the Western Debate [London 1993] 15f.).
1, 21: disciplinae vs. 'Wissen' der Dämonen 44-46 ipsa metra docuisset... versus proprios cecinisset: Trygetius stellt Albicerius' blossen Wiedergabe eines fremden Verses (Ζ. 31-34) die Beherrschung der Kunstprinzipien gegenüber (s.u. zu Z. 51-53). 44 coactus: 'aufgefordert'. Vgl. ord. 1, 14 (55): a consultore coactus est dicere. 45 statim proposita: In Verbindung mit einem Partizip bedeutet statim spätlat. bisweilen 'gerade eben' (vgl. Hensellek 159 § 67). 46 Flaccianum: Trygetius beruft sich für seine Gegenposition auf denselben Gewährsmann wie Licentius (vgl. oben zu 1,18 [34f.]). 46f. soles commemorare: Seil. Licentius. 47 illud divinationis genus: Flaccianus hat a n d e r e Arten von Divination durchaus akzeptiert, so die christliche sibyllinische Tradition (s.o. zu
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1, 18 [34f.]; vgl. unten Z. 55: ' j e n e Divination' - im Gegensatz zu anderen Divinationsarten). 47f. magna mentis altitudine derideret atque despiceret: m-, de- und aAlliteration. - Durch 'Erhabenheit des Geistes' wird Romanianus auch in Acad. 2, 2 (30f.) charakterisiert: illa tua naturali mentis altitudine. Die mentis altitudo ist gemäss Cie. part. orat. 77 eine Spielart von magnitudo animi (dazu R.-A. Gauthier, Magnanimité. L'idéal de la grandeur dans la philosophie païenne et dans la théologie chrétienne [Paris 1951] 159). Das Konzept der 'Geistesgrösse' (μεγαλοψυχία) wiederum geht auf Aristoteles zurück. Für den μ ε γ α λ ό ψ υ χ ο ς ist es charakteristisch, äussere Güter und Scheinwissen zu verachten (despiceret, Z. 48); vgl. Arist. EE 3, 5. 1232a 38f.: ετι δοκεΐ μεγαλοψύχου είναι τ ό καταφρονητικόν είναι; ΕΝ4, 8. 1124b 5f.; Panaitios Fr. 106 von Straten = Cie. o f f . 1, 66f. (als Charakteristik des fortis animus et magnus): rerum externarum despicientia \ Cie. Hort. Fr. 105 G. = 100 S.: consolabitur eam (seil, rationem) magnitudo animi et humanarum opinionum alta quaedam despectio (zum Bezugswort von eam vgl. Grilli 136); vgl. Fr. 99 und 104 G. = 90 und 85 S.; Plot. 1, 6, 6, l l f . (zum Motiv der Verachtung s. auch oben zu 1, 1 [23]). Ausserdem staunt der μεγαλόψυχος über nichts; Arist. EN 4, 8. 1125a 2f.: οΰδέ θαυμαστικός· ουδέν γ α ρ μέγα α ΰ τ φ έστιν (zum Staunen s.o. zu 1, 18 [35]). Zu magnitudo animi vgl. Grilli 133-136; U. Knoche, Magnitudo animi. Untersuchungen zur Entstehung und Entwicklung eines römischen Wertgedankens, Philologue Suppl. 28 H. 3 (Leipzig 1935) 52. - Zum Motiv des Lachens vgl. den Gegensatz zwischen ratio und risus oben 1, 13 (8-10). Ebenfalls auf die Divination bezieht sich das 'Verlachen' in conf. 4, 6: Nebridius ... inridens totum illud divinationis genus\ auch 7, 10: quos (seil, deliros) iam iamque invadere atque inrisos refellere cupiebam. Lachen und Verachtung werden auch bei Sextus in Bezug auf eine (Pseudo-)Wissenschaft miteinander verbunden (vgl. Barnes 64). 48f. nescio cui abiectissimae animulae - sie enim dicebat: Die Bezeichnung der Dämonen als 'Seelen', die als wörtliches Zitat von Flaccianus ausgegeben wird, ist üblich (z.B. Apul. Socr. 16; Porph. Ab st. 2, 38; SVF 2, 1101-1103). Der Diminutiv wirkt hier abwertend (eine ähnliche Verwendung von animula ist nur bei Amm. 28, 1,7 belegt: eliciendi animulas noxias). Zur negativen Charakterisierung der Dämonen s.o. zu 1, 20 (35f.). - Doignon, Leçons 78 führt den Einschub sie enim dicebat als Argument für die Zuweisung von §§ 19-22 (16) an Augustin an (s.o. zu 1, 19 [1]), da Augustin Flaccianus am besten gekannt habe. In 1, 18 beruft sich jedoch auch Licentius auf Flaccianus (obwohl er ihn möglicherweise nicht persönlich kannte).
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49f. quo ille quasi spiritu admonitus vel inflatus: Zweiter Teil der Erklärung von Albicerius' Divination (erster Teil oben in 1, 20 (34-39); s. dort zu Z. 34-36): Er wird von einem Dämon inspiriert. Das Verb admonere hat bei Augustin eine terminologische Bedeutung, und zwar als Ermahnung zur Hinwendung nach innen, u.a. durch den heiligen Geist (z.B. beata ν. 35; sol. 1, 2; vgl. Du Roy 161f.; O'Connell, Visage 69; dens., Theory 206f.; J. Morán, La teoría de la 'admonición' en los Diálogos de san Agustín, Augustinus 13 (1968) 257-271; G. Madec, Admonitio, AL 1 [1986-94] 95-99). Die Verwendung dieses Verbs mag die Schwierigkeit illustrieren, die Offenbarungen der Dämonen als solche zu erkennen und nicht mit einer göttlichen Offenbarung zu verwechseln (s.o. zu 1, 20 [38f.]; die Formulierung quasi spiritu ['wie durch einen Geist'] deutet die gleiche Schwierigkeit an, da spiritus die bevorzugte Bezeichnung der dritten göttlichen Person ist). Das Wort inflatus, neben 'inspiriert' auch 'aufgeblasen', 'eingebildet', ist dagegen vorwiegend negativ konnotiert und korrigiert den Eindruck der Überlagerung von göttlicher und dämonischer Manifestation (vgl. TLL 7, 1, 1467, 47ff. und civ. 9, 20 p. 395, 14f.: et ideo tarn inflati, hoc est tarn superbi sunt [seil, daemones]·, 9, 22 p. 397, 4f. D.-K.: omnis corporalium temporaliumque rerum scientia, qua inflantur daemones, vilis est, beata ν. 3 [67]; zur Verbindung mit spiritu vgl. ord. 1, 28 [10]: nescio, quo adventicio spiritu me credis inflatum). An anderen Stellen verwendet Augustin das Wort instinetus, das bei ihm ebenfalls einen abwertenden Beiklang hat (vgl. Wieland 49; 107), z.B. conf. 4, 5; civ. 21, 8 p. 507, 17 D.-K.; Gn. litt. 2, 17: instinetu quodam occultissimo; 12, 22. Bei der Behandlung von Prophezeiung und Visionen v.a. in Gn. litt. 12 und ep. 8 und 9 entwickelt Augustin Ansätze zu einer Theorie der Inspiration (vgl. Markus, History 272). In Gn. litt. 12, 22 diskutiert Augustin zwei Möglichkeiten des konkreten Vorgangs der Inspiration. Entweder wird die Eingebung - eine Vision oder Worte88 - direkt im Menschen geformt, oder sie gelangt schon geformt zu ihm und wird dank einer Verbindung oder Vermischung mit der Inspirationsquelle wahrgenommen: quonam modo haec visa in spiritum hominis veniant, utrum ibi primitus formentur an formata ingerantur et quadam coniunctione cernantur, ut sic hominibus angeli ostendant cogitationes suas et corporalium rerum similitudines, quas in suo spiritu futurorum cognitione praeformant, vgl. 12, 30: utrum visa sua facili 88 Im Allgemeinen konzentrieren sich Augustine Ausführungen zur Divination auf Visionen (vgl. Wieland, passim; O'Daly, Mind 120-127); es können aber auch Worte eingegeben werden; vgl. e neh. 59: angeli ... spirituali potentia quasdam visiones, non oculis corporeis, sed spiritualibus, vel mentibus ingérant, vel dicant aliquid non ad aurem forinsecus, sed intus animae hominis, etiam ipsi ibidem constitutv, ep. 162, 5; civ. 2, 26 p. 93,12f. D.-K. (vgl. oben zu 1,17 [26]).
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quaderni et praepotenti iunetione vel conmixtione etiam nostra esse facientes (seil, angeli), an scientes nescio quomodo nostram in spiritu nostro informare visionem, difficilis pereeptu, et difficilior dictu res est (vgl. Wieland 58f., Dulaey 121ff.; O'Daly, Mind 125-127). Die Frage wird nicht entschieden; wiederholt betont Augustin den undurchschaubaren Charakter des Vorgangs (Gn. litt. 12, 21: aliquo occulto opere spirituali..., occulta quadam vi spirituali; trin. 11,7: aliqua occulta vi; u.ö.; dazu Wieland 59). Eine Theorie der Inspiration wurde in der Antike v.a. im Zusammenhang mit Dichtung entwickelt, zuerst fassbar bei Demokrit VS 68 Β 18 DielsKranz: ποιητής δέ ασσα μέν αν γ ρ ά φ η μετ' ενθουσιασμού κα\ ίεροΟ πνεύματος, καλά κ ά ρ τ α έστίν (vgl. Dodds, Irrational 82; P. Murray, Poetic Inspiration in Early Greece, JHS 101 [1981] 87-100; K. Thraede, Inspiration, RAC 18 [1998] 334-337). Auch Augustin thematisiert in De ordine die Verbindung von Inspiration und Dichtung: Kaum zufällig formuliert gerade Licentius, der sich auch als Dichter erprobt, seine Voten wiederholt aufgrund einer Inspiration oder Eingebung, so in ord. 1, 16 (26f.): quasi mente quadam correptus', 1, 17 (2f.): hominempaululum quasi digesta ebrietate ajfabilem factum-, 1, 19 (39f.): afflatum nova inspiratione sermonem", 1, 28 (10): nescio, quo adventicio spiritu me credis infla tum (vgl. O'Meara, Porph. II, 127f.). Dabei spielen wohl auch neuplatonische und paulinische Vorstellungen von (positiv konnotierter) Divination durch Eingebung eine Rolle (dazu Fuhrer zu 2, 2 [43f.]). 51-53 num grammaticam ... docere: Die wissenschaftlichen Disziplinen haben den Vorrang vor einzelnen Beispielen von Wissen. Damit wird die Gegenüberstellung zwischen Intellekt und Divination bzw. Sinnesebene weitergeführt (vgl. oben 1, 20 [29]). Die Erwähnung der grammatica ('Philologie, Grammatik'; vgl. SLA s.v., 2.1) geht direkt aus dem Beispiel des Vergilverses hervor (Z. 44-46); Musik und Geometrie werden stellvertretend für die restlichen artes genannt (vgl. unten zu Z. 56f.). - Das Beispiel des einzelnen Verses im Gegensatz zur Dichtkunst an sich benutzt Augustin in vera rei. 116 als Vergleich für den Gegensatz zwischen Sinneswahrnehmung und Intellekt: itaque ut nonnulli perversi magis amant versum quam ipsam artem, qua conficitur versus, quia plus se auribus quam intellegentiae dediderunt, ita multi temporalia diligunt. 52 geometricam: geometrica ist gegenüber geometria (Migne) die seltenere Form; Augustin zieht sie jedoch stets vor (so in sol. 1, 9; 2, 32; civ. 15, 27 p. 118, 3 D.-K.; u.ö.; vgl. TLL 6, 2, 1910, 51ff.). 53f. nosset... fateretur: Von quaerebat (50f.) abhängig. 54 ad extremum: In der übertragenen adverbialen Bedeutung selten ('nachdrücklich', 'inständigst'); vgl. noch Liv. 23, 2, 4 (TLL 5, 2, 2008, 63f.).
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55 ánimos suos ... illi divinationi: Die Gegenüberstellung von Intellekt (s.o. zu Z. 31-34) und Divination mit Hilfe von Dämonen wird durch das Possessiv- bzw. Demonstrativpronomen betont (zu letzterem s.o. zu Z. 47). In den folgenden Zeilen wird diese Gegenüberstellung ausgeführt (bis Z. 59). 56f. darentque operam his disciplinis instruere atque adminiculare suam mentem: Die vorliegende Bedeutung von adminiculare, 'stützen' (von Pflanzen), 'helfen', ist üblich (gegen Bogan 99). Augustin verwendet das sonst selten belegte Wort mehrmals; es ist nicht archaisch (gegen Finaert 52; vgl. TLL 1, 727, Iff.). Die Pflanzen- und Landwirtschaftsmetaphorik ist in der Protreptik geläufig, so z.B. als Vergleich in Cie. Hort. Fr. 91 G. = 14 S.: ut enim segetes agricolae subigunt aratris multo ante quam serant. Zu operam dare mit Inf. (poet, und nachklass.) vgl. TLL 5, 1, 1681, 72ff.; 9, 2, 666, 27ff.; KS 2, 1, 674. his disciplinis ist als ein von den beiden Inf. abhängiger Abi. instr. zu verstehen. Beispiele einzelner diseiplinae werden oben in Z. 52 genannt (Grammatik, Musik, Geometrie); die Liste wird in ord. 2, 13f. und 2, 35-43 um Dialektik, Rhetorik, Astrologie und Arithmetik ergänzt. Der Zyklus dieser sieben Wissenschaften bzw. Künste dient als Vorbereitung für den Aufstieg zur höchsten Erkenntnis durch die Philosophie. Dies wird in De ordine ausführlich dargelegt; vgl. auch Acad. 2, 8 (27-29): filius tuus coepit philosophari. ego eum reprimo, ut disciplinis necessariis prius excultus vigentior et firmior insurgat. Trygetius' Aufforderung, den Geist mit Hilfe der diseiplinae auszubilden, ist daher in erster Linie auf die Schüler selbst zu beziehen, die am Anfang des Erkenntniswegs stehen und die richtige Methode der Annäherung wählen müssen. Dabei stellt ihnen die philosophische Tradition als Alternativen einerseits die diseiplinae, andererseits die Dämonen zur Auswahl (s.u. zu Z. 57-59). Das vorliegende Bildungskonzepts hat einen pythagoreischplatonischen Hintergrund und war Augustin wahrscheinlich durch Varrò bekannt (vgl. die Literatur bei Fuhrer 124 Anm. 115; zur Genese des Kanons der sieben diseiplinae jetzt D. Shanzer, Augustine 's Disciplines: Silent diutius Musae Varronis?, in: Κ. Pollmann / M. Vessey (oben S. 151 Anm. 22) passim. Das Thema der propädeutischen Studien war auch in Ciceros Hortensius präsent; vgl. Fr. 89 G.: multis artibus opus est ut ad philosophiam possit accedi (in der Fortsetzung werden Grammatik, Redekunst, Geometrie, Musik und Astrologie genannt; dazu Grilli 112f.; Hartlich 307; zum Hortensius in Acad. 1 s.o. S. 13-25). 57-59 aeriam istam invisibilium animantium naturam transilire et eam superevoláre contíngeret: Cursus tardus. Zum Doppelkompositum superevolare vgl. Lucan. 3, 299 und Manil. 1, 45, wobei das Wort dort jeweils getrennt geschrieben und super als Präposition aufgefasst wird. Die transitive Verwendung des Doppelkompositums an der vorliegenden Stelle wirkt unge-
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wohnlich. Zur Luftnatur der Dämonen s.o. 1, 20 (35f.); zu ihrer Unsichtbarkeit vgl. Porph. Abst. 2, 39, 1; Tert. apol. 22, 5f.; Min. Fei. 27, 2; Lact. inst. 2, 14, 14; u.ö. (vgl. van der Nat 732; ausserdem oben zu Z. 49f.). Die Vorstellung des 'Flugs' geht auf die Fahrt des 'befiederten Seelengespanns' zum himmlischen Ort in Piatons Phaidros zurück (246a-256e); zur Motivgeschichte vgl. P. Courcelle, Flügel (Flug) der Seele I, RAC 8 (1972) 29-65. Bisweilen ist mit dem 'Flug' insbesondere Aufstieg der Seele nach dem Tod gemeint, so in Cie. cons. Fr. 12 van Wageningen (ausführlicher unten zu 1, 23 [56] zitiert): bonis etiam studiis atque artibus expolitos leni quodam et facili lapsu ad deos, id est ad natura sui similem, pervolare. Die Dämonen können den Flug der Seele gemäss Aug. ord. 2, 27 (29-34) beeinträchtigen (oben S. 152 Anm. 25 zitiert); vgl. mus. 6, 50: sed haec actio qua sese anima, opitulante deo et domino suo, ab amore inferioris pulchritudinis extrahit, debellans atque interfìciens adversus se militantem consuetudinem suam, ea victoria triumphatura in semetipsa de pote statibus aeri s huius, quibus invidentibus et praepedire cupientibus e ν ola t ad suam stabilitatem et firmamentum deum, nonne tibi videtur ea esse virtus quae temperantia dicitur? (vgl. Doignon, Vertus 182). Mit dieser Einschätzung der Dämonen wendet sich Augustin gegen die entgegengesetzte neuplatonische Ansicht, dass die Dämonen die Seele in ihrem Aufstieg unterstützen, die er in civ. 10, 9 p. 416, 11-13 D.-K. referiert: admoneat (seil. Porphyrius) utendum alieuius daemonis amicitia, quo subvectante vel paululum a terra possit elevari quisque post mortem.
1, 22: Gegenargmente (3) und (4): 'Die göttlichen Dinge' (3): Diese sind ausschliesslich intellektuell erfassbar (Z. 1-13) (4): Albicerius übertrifft den skeptischen Weisen (Z. 13-23) 1-3 iam... nesciebat? : Argument (3) wird durch eine rhetorische Frage eingeführt, die ein selbständiges Teilargument enthält (s.u. zu Z. 3). Die starke Interpunktion nach nesciebat (mit Migne; so auch Gentiii, Kavanagh, O'Meara, King, Voss) lässt die Strukturierung der Z. 1-8 in Frage (Z. 1-3) und Antwort (Z. 3-8) in Form eines Syllogismus klar hervortreten (dagegen setzen Green und Knöll das Fragezeichen erst nach attingit, Z. 6). lf. res divinae ... meliores augustioresque: Anders als bei den res humanae (§§ 20-21) geht Trygetius gar nicht auf Licentius' Argument ein (etymologischer Zusammenhang zwischen divinus und res divinae), sondern stellt dem etymologischen ein sachliches Argument entgegen: die Wertung der göttlichen Dinge in Relation zu den menschlichen Dingen.
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- omnibus concedentibus: Das Einverständnis aller wird für jeden Gedankenschritt vorausgesetzt und gilt als Legitimierung axiomatischer Aussagen (s.o. zu 1, 5 [4]). 3 ille ... qui quid esset ipse nesciebat?: Seil. Albicerius, 'der nicht wusste, was er selbst (als Mensch) war.' Eine hinreichende Begründung für den Vorwurf der mangelnden Selbsterkenntnis liegt in Albicerius' lasterhaftem Lebenswandel (vgl. 1, 17 [18-20] und 1, 20 [28f.]). Denn Selbsterkenntnis heisst Verwirklichung der dem Menschen eigenen Vernunftnatur (s.u.; vgl. die Definition des 'Besten im Menschen' als mens aut ratio in 1, 5 [26-30]). Zudem basiert gemäss §§ 20-21 auch Albicerius' Divinationswissen nicht auf der Vernunft. Die rhetorische Frage der Z. 1-3 basiert auf der Vorstellung, dass Selbsterkenntnis - die zugleich als Wissen um die menschlichen Dinge verstanden werden kann - eine Voraussetzung für die Erkenntnis des Göttlichen ist. Die Forderung nach Selbsterkenntnis (γνώθι σεαυτόν) war einerseits als Vorschrift des delphischen Apollon überliefert und wurde andererseits den sieben Weisen zugeschrieben (vgl. VS 10 p. 63, 25 Diels-Kranz; Stob. 3, 21 p. 556-583 Wachsmuth-Hense; Pl. Prt. 343b). Piaton versteht Selbsterkenntnis als Besonnenheit (σωφροσύνη, Chrm. 164e) bzw. als Erkenntnis der höchsten, göttlichen Seeleninstanz (θεόν τε και φρόνησιν, Ale. I 133c 5); ähnlich auch Arist. (s.o. zu 1, 5 [23-30]); Cic.fin. 3, 73; 5,44; Tuse. 1, 52; leg. 1, 58; u.ö. Im Neuplatonismus wurde die Maxime ausführlich behandelt, besonders unter dem Einfluss von PI. Ale. I, der als propädeutischer Text gelesen wurde (dazu G.J.P. O'Daly, Plotinus' Philosophy of the Self [Shannon 1973] 7-19); vgl. z.B. Plot. 5, 3, 1; 4, 3, 1 (dazu W. Beierwaltes, Selbsterkenntnis und Erfahrung der Einheit. Plotins Enneade V 3. Text, Übersetzung, Interpretation, Erläuterungen [Frankfurt a.M. 1991] 77-93). Porphyrios verfasste eine ganze Schrift über das γνώθι σεαυτόν (273-275F Smith) (vgl. O'Daly, Mind 208f.; Courcelle, 'Connais-toi' 1, 113-163; J. Pépin, Idées grecques sur l'homme et sur dieu [Paris 1971] 71ff.; H. Tränkle, ΓΝίύΘ! ΣΕΑΥΤΟΝ. Zu Ursprung und Deutungsgeschichte des delphischen Spruchs, WJA 11 [1985] 19-31). Mit dem vorliegenden Argument vergleichbar ist Acad. 3, 37 (27f.), wo Selbsterkenntnis Voraussetzung für Wahrheitserkenntnis ist: in ea quae se cognosceret anima velut expoliri et quasi serenari veritatem (seil. Platonem sensisse); ebenso ord. 1, 2 (45)-1, 3 (51), wo Selbsterkenntnis Voraussetzung für die Einsicht in die universelle Ordnung ist: nihil enim aliud minus eruditis hominibus accidit, qui universam rerum coaptationem atque concentum imbecilla mente complecti et considerare non valentes, si quid eos offenderli, quia suae cogitationi magnum est, magnam rebus putant inhaerere foeditatem. cuius erroris maxima causa est, quod homo sibi ipse est incognitus.
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Der Gedanke geht auf Piaton zurück; vgl. Phdr. 229e 5-7 (Sokrates): ού δύναμαί π ω κατά τ ό Δελφικόν γράμμα γ ν ώ ν α ι έμαυτόν· γελοΐον δή μοι φαίνεται τ ο ΰ τ ο έτι άγνοοΰντα τ α άλλότρια σκοπεΐν; ähnlich auch Xen. mem. 1, 1, 12 (über Sokrates' Verteidigung vor Gericht): και π ρ ώ τ ο ν μεν α ύ τ ώ ν έσκόπει πότερα ποτε νομίσαντες ίκανώς ήδη τ ά ν θ ρ ώ π ι ν α είδέναι έρχονται έπι τ ό περί τ ω ν τοιούτων φροντίζειν, ή τ α μεν άνθρώπινα παρέντες, τ α δαιμόνια ('das Göttliche') δε σκοποΰυτες ηγούνται τ α προσήκοντα πράττειν. έθαύμαζε δ' εί μη φανερόν αϋτόΐς έστιν, οτι τ α ΰ τ α οϋ δυνατόν έστιν άνθρώποις εύρεΐν; Porph. Sent. 40 p. 50, 3-5 Lamberz (dazu Solignac 460). Zur Geschichte des Motivs vgl. J. Pfeiffer, Contemplatio Caeli. Untersuchungen zum Motiv der Himmelsbetrachtung in lateinischen Texten der Antike und des Mittelalters (Hildesheim 2001) 27-69. Der Gegensatz zwischen Sehergabe und Vernunftnatur ist ein Topos der Divinationskritik (dazu auch oben zu 1, 18 [34f.]), dem die Assoziation der inspirierten Weissagung mit Wahnsinn zugrundeliegt. In PI. Phdr. 265b ist die divinatorische Inspiration (μαντική έπίπνοια) eine der vier Arten von göttlichem Wahnsinn (μανία; dazu Dodds, Irrational 64-75; Pfeffer 21-24). In eine ähnliche Richtung weist auch Piatons Unterscheidung zwischen inspirierter Wahrsagekunst und deren rationaler Ausdeutung durch προφηταί in Ti. 71d 3-72b 5, bes. 71e 2-4: μαντικήν άφροσύνη θεός άνθρωπίνη δέδωκεν· ούδεις γ ά ρ έννους εφάπτεται μαντικής ένθέου και άληθοΰς; 72a 5-b 1: τ ό πράττειν και γνώναι τ ά τε αύτοΰ και εαυτόν σώφρονι μόνω προσήκειν. οθεν δή και τ ό τ ω ν π ρ ο φ η τ ώ ν γένος έπι ταΐς ένθέοις μαντείαις κριτάς έπικαθιστάναι νόμος (dazu Pfeffer 31). - Zum polemischen Topos, dass die Wahrsager ihr eigenes Schicksal nicht kennen, vgl. die Belege bei Pease 336f. 3-13 nisi forte ... sidera ...; cetera autem (Z. 8)...: Der Argumentationsgang lautet: Ein Astrologe hat kein Wissen um göttliche Dinge (Z. 3-8); andere Wahrsager noch weniger (Z. 8-10). Also hat Albicerius nicht das von der dritten Weisheitsdefinition geforderte Wissen (Z. 10-13). Dieses Argument a fortiori lässt die Frage offen, ob die Erwähnung von sidera direkt auf Albicerius zu beziehen ist. Wenn ja, würde dieser somit über astrologisches Wissen verfügen, wobei allerdings völlig unklar bliebe, wie er dieses im einzelnen anwendet. Aufgrund dieser Interpretation könnte Albicerius jedenfalls in der Liste der Wahrsager in 1, 19 (12-14) den Astrologen zugerechnet werden.89 Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Albicerius zu denjenigen Wahr-
89 Als Astrologen bezeichneten Albicerius Alfaric 28 und Mandouze 50 (ohne Begründung); O'Donneil 2, 210 aufgrund von conf. 4, 4f.; B. Brüning (oben S. 153 Anm. 32) 601 mit Verweis auf Acad. 1, 22 (4).
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sagern zu zählen ist, die 'anderes' als die Gestirne benutzen (zu cetera s.u. zu Z. 8-10).
Aus der vorliegenden Stelle ist ersichtlich, dass die Astrologie unter den verschiedenen Arten von Divination am meisten Respekt geniesst. Da sie auf regelmässigen und messbaren Gestirnsbewegungen beruht, kann sie am ehesten den Rang einer Wissenschaft beanspruchen; zudem werden Astronomie und Astrologie in der Antike nicht klar geschieden (W. Hübner, Die Begriffe »Astrologie« und »Astronomie« in der Antike [Stuttgart 1990]); vgl. vera rei. 143f. : non enim frustra et inaniter intueri oportet pulchritudinem caeli, ordinem siderum, candorem lucis, dierum et noctium vicissitudines, lunae menstrua curricula, anni quadrifariam temperationem quadripartitis elementis congruentem ... in quorum consideratione non vana et peritura curiositas exercenda est, sed gradus ad immortalia et semper manentia faciendus (zu curiositas s.u. zu Z. 5f.; zur Beurteilung der sidera ebd.; zu Augustins eigener Beschäftigung mit der Astrologie s.o. S. 153f.). 3-5 nisi forte existimas sidera... magnum quiddam esse: Erste Prämisse eines Syllogismus (zweite Prämisse Z. 7: haec autem praesto sunt oculis nostris-, Schlussfolgerung Z. 7f.: nec ista igitur ... sapientia profitetur). Trygetius formuliert auf ironische Art und Weise eine Bedingung für die Behauptung, dass jemand wie Albicerius Wissen um die göttlichen Dinge habe: 'Es sei denn etwa, du glaubst, die Gestirne seien etwas Grossartiges ...' (zur starken Interpunktion vor nisi s.o. zu Z. 1-3). Diese Bedingung kann seiner Meinung nach gar nicht eingehalten werden, wie aus der Fortsetzung deutlich wird (Z. 5-8). Die Lesart existimans Η Μ Ρ R ist paläographisch zwar besser bezeugt als existimas S Τ R2 und wird von Knöll und Green bevorzugt. Da Trygetius jedoch ein mögliches Argument seines Gegners Licentius vorausnimmt, ist die 2. Pers. gegenüber dem Part. Präs. vorzuziehen. Die Lesart existimans enthält dagegen die inhaltliche Schwierigkeit, dass Albicerius' eigene Ansichten für die Beantwortung der zur Diskussion stehenden Frage, ob Albicerius Wissen um die göttlichen Dinge habe, unerheblich sind. Die Lesart würde zudem den hypothetischen Nebensatz enger an die vorangehende rhetorische Frage anbinden: '... wie konnte jener diese erreichen ..., wenn nicht etwa, indem er die Gestirne ... für etwas Grossartiges hielt' (zur Struktur der Z. 1-8 s. jedoch oben zu Z. 1-3). 5 in comparatione verissimi et secretissimi dei: S.o. zu 1, 3 (77f.: verissimum et secretissimum deum). Augustin illustriert Gottes Grösse öfter durch den Vergleich mit den Gestirnen, so z.B. conf. 5, 3: nec inveniris (seil, deus) a superbis, nec si... vestigent vias astrorum; c. ep. Pel. 2, 12: dei vero gratia non solum omnia sidera et omnes cáelos, verum etiam omnes angelos supergreditur (s.u. zu Ζ. 8-10).
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5f. quem raro fortasse intellectus, sensus autem nullus attingit: Konzise Formulierung des Gegensatzes zwischen sensus und intellectus, der oben in 1, 20 (31-39) und 1, 21 (54-59) aufgebaut wird. Der Vorrang der intellektuellen Erkenntnis kommt klar zum Ausdruck. Dies entspricht der Mahnung im Proömium, nihil omnino colendum esse ... quicquid ullus sensus attingit. (1,3 [75-77]; zum platonischen Hintergrund der Dichotomie sensus - intellectus s. z.St.). Die Möglichkeit der Gotteserkenntnis durch den Intellekt wird hier zurückhaltend formuliert, aber dennoch zuversichtlicher als in späteren Schriften (s.o. zu 1, 3 [79]). 6f. haec autem praesto sunt oculis nostris: Zweite Prämisse (s.o. zu Z. 3-5). Der geringere Wert der Gestirne gegenüber Gott wird in Entsprechung zum Vorrang des Intellekts vor der Sinnesebene durch ihre Sichtbarkeit begründet (vgl. Z. 4: quae cotidie contemplamur). Die Tatsache, dass die Astrologie auf der Sinneswahrnehmung beruht, wird auch in Cie. div. 2, 91 als Argument gegen dieselbe genannt: oculorum fallacissimo sensu iudicant (seil. Chaldaei) ea, quae ratione atque animo videre debebant. In conf. 4, 4 stellt Augustin das Interesse für die Astrologie - das er anfänglich teilte (dazu oben S. 153f.) - als Ausdruck eines negativ gewerteten Wissensdrangs dar (curiositas; vgl. O'Donnell 2, 210; das gleiche auch von anderen Divinationsarten in trin. 4, 13; Io. ev. tr. 97, 3; civ. 10, 9 p. 415, 9-11; 10, 26 p. 443, 13 D.-K.; ep. 118, 33; 138, 19; Tert. idol. 9, 2; apol. 35, 13; praescr. 43, 1; vgl. van der Nat 748). Die Distanzierung von der Astrologie (conf. 7, 8-10) steht daher im Kontext der Überwindung der curiositas-, letzteres ist Voraussetzung für die Ermöglichung der Wahrheitssuche. Denn während curiositas das Streben nach Wissen durch Sinneswahrnehmung meint (insbesondere durch den Gesichtssinn), kann die Wahrheit nur intellektuell erfasst werden (vgl. A. Labhardt, Curiositas, AL 2 [1996] 193; O'Donnell 2, 151; s.o. S. 152 Anm. 25). Diese in den Confessiones breit ausgeführte Thematik ist hier schon vorgezeichnet (zur Wirkungsgeschichte vgl. H. Blumenberg, Augustins Anteil an der Geschichte des Begriffs der theoretischen Neugierde, REAug 7 [1961] 35-70; dens., Die Legitimität der Neuzeit [Frankfurt a.M. 21988] 261528). 7f. nec ista igitur... sapientia profitetur: Schlussfolgerung (s.o. zu Z. 35). Als sinnlich wahrnehmbare Gegenstände können die Gestirne nicht diejenigen göttlichen Dinge sein, die in der dritten Weisheitsdefinition in 1, 16 (15f.) gemeint sind (sola bezieht sich in erster Linie auf qualia, nicht auf sapientia: dafür spricht einerseits das Bezugswort illa, andererseits der Vorwurf des Licentius, dass die dritte Weisheitsdefinition zuviel mit einschliesse [unten Z. 22f.]). 8-10 cetera autem ... prae sideribus prefecto viliora sunt: Indem die Schlussfolgerung des vorangehenden Syllogismus von Z. 7f. als erste Prä-
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misse dient, ergibt sich zusammen mit der vorliegenden Stelle als zweiter Prämisse ein weiterer Syllogismus, dessen Konklusion in Z. 10-13 folgt. Die Gestirne gelten unter den körperlichen Dingen als die hervorragendsten; vgl. Aug. Gn. litt. 12, 30: sidera, quae corpora longe sunt meliora terrestribus. Für die Interpretation von cetera gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder sind darunter (a) gemäss der Liste der Wahrsager in 1, 19 (12-14) Opfer, Vogelschau, Wunderzeichen und Träume zu verstehen, oder aber (b) gemäss § 20 die Dämonen. Für (a) spricht das naheliegende Verständnis von sidera als Instrumentarium der Astrologen; dementsprechend wären mit cetera die Hilfsmittel anderer Divinationstechniken gemeint. Für (b) spricht hingegen die ausführliche Schilderung der Dämonen in § 20, mit deren Hilfe Albicerius weissagte, während er offenbar keine anderen Mittel anwandte. Die absteigende Hierarchie Gott - Gestirne - Dämonen, die damit in Z. 3-10 entsteht, entspricht der Darstellung der übermenschlichen Wesenheiten in [Pl.] Epin. 984d-985a; Apul. Socr. passim; Porph. Abst. 2, 37 sowie Augustine Referat von Varros theologia naturalis in civ. 7, 6. Die beiden genannten Möglichkeiten schliessen einander jedoch nicht aus. 9f. quibus ... vel ad vanam iactantiam vel ad quaestum abutuntur: Der Vorwurf der Selbstverherrlichung und besonders der persönlichen Bereicherung ist in Augustine Kritik an der Divination zentral; vgl. div. qu. 45, 2: volentes ... nos vendere stellis ipsumque pretium quo vendimur a nobis accipere\ doctr. ehr. 2, 32 über die genethliaci bzw. mathematici: et ipsi... nimis errant et vendunt imperitis hominibus miserabilem servitutem\ 2, 35: quibus inlusionibus et deeeptionibus evenit, ut istis superstitiosis et perniciosis divinationum generibus multa prae ferita et futura dicantur Simpl. 1, 2, 3: responso illa quae miseris venditant (seil, genethliaci). Augustin nimmt damit ein gängiges Motiv der Polemik gegen die Divination auf; vgl. Soph. Ant. 1055: τ ό μαντικόν γ α ρ π α ν φιλάργυρον yévoç; Cie. div. 1, 132: non me sortílegos ñeque eos, qui quaestus causa hariolentur ... agnoscere\ ebd.: superstitiosi vates impudentesque harioli (= Enn. trag. 266-269 Jocelyn:) aut inertes aut insani aut quibus egestas imperai/... /quibus divitias pollicentur, ab iis drachumam ipsi petunt; Gell. 14, 1,2 = Favorin. Fr. 3 Barigazzi: id praestigiarum atque offuciarum genus commentos esse homines aeruscatores et cibum quaestumque ex mendaciis captantes; Gell. 14, 1, 34 = Accius 264f. Dangel: nihil credo auguribus, qui auris verbis divitant / alienas, suas ut auro locupletent domos (vgl. Pease 336-338). Der genannte Vorwurf ist moralischer Art (vgl. oben S. 151; Dodds, Pagan 58). Er bezieht sich nicht auf die Divination selbst, sondern auf die Motive und Zwecke dessen, der die Divination praktiziert (vgl. Markus, Magic 383). Mit anderen Worten, der Wert der Divination bemisst sich zu
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einem wesentlichen Teil an den Absichten des Praktizierenden (das Pendant dazu ist der Vorwurf, die Divination beziehe sich nur auf materielle Belange; vgl. oben S. 176f.).90 Neben den Kategorien der curiositas gegenüber dem Streben nach höchster Erkenntnis (s.o. zu 1, 22 [5f.]) wendet Augustin hierbei insbesondere die Unterscheidung zwischen privaten, egoistischen und öffentlichen, gemeinnützigen Motiven an (Markus, Magic 377 und 380 spricht diesbezüglich von einer 'soziologischen' Unterscheidung). Dabei werden das öffentliche Recht und das gemeinsame Wohl als Platzhalter des göttlichen Gesetzes verstanden. Die Prophezeiungen und Wunder der christlichen Heiligen werden also dadurch charakterisiert, dass sie frei von egoistischen Zwecken sind und ganz im Einklang mit Gottes universalen Plänen stehen. Wer dagegen aus egoistischen Motiven handelt, fällt unweigerlich unter den Einfluss von Dämonen (vgl. div. qu. 79, 1-4; doctr. ehr. 2, 30-37; dazu Thorndike 508; Markus, Magic 379-381). Die Unterscheidung von privaten und gemeinnützigen Motiven wurde auch bei der Gesetzgebung über Divination und Magie angewendet (vgl. Cod. Theod. 9, 16, lf.; 9, 16, 3; dazu Markus, Magic 380; Trombley 64; s.o. zu 1, 19 [12f.]). Dies geht aus der antiken Praxis hervor, den Wert einer τέχνη / ars grundsätzlich an ihrem Nutzen zu messen; dieser ist ein wesentliches Kriterium für Wissenschaftlichkeit (so z.B. die Stoiker, Sextus Empiricus, Galen; dazu R. J. Hankinson [oben S. 147 Anm. 8] 137 mit Anm. 67; Barnes 63). 10-13 non igitur... partieeps fuit frustraque ... definitio nostra temptata est: Schlussfolgerung (s.o. zu Z. 8-10). Der Plural nostra bezieht sich in erster Linie auf Trygetius und Augustin (letzterer hat die Definition in 1, 16 [14f.] vorgebracht; vgl. Licentius in Z. 22: vestra definitio), ferner auch auf die Stoiker, mit deren Positionen sich Trygetius assoziiert. Die Junktur tempio definitionem scheint singulär zu sein. 13-16 postremo ... veritatem: Argument (4). Trygetius schneidet hier ein Problem in Licentius' Argumentation an, das er unten in 1, 23 (26-28) auf den Punkt bringen wird (s. zu Z. 17f. und 18-20).
90 Vgl. auch die Überlegungen zur richtigen und falschen Motivation der Sternkunde in vera rei. 143f. (oben zu Z. 3-13 zitiert) und ord. 2, 42 (11-16): etiam ibi per constantissimas temporum vices, per astrorum ratos definitosque cursus, per intervallorum spatia moderata intellexit (seil, ratio) nihil aliud quam illam dimensionem numerosque dominari, quae (seil, dimensio) similiter definiendo ac secernendo in ordinem nectens astrologiam genuit, magnum religiosis argumentum tormentumque curiosis\ ebenso die Kritik an der falschen Anwendung einer akzeptierten und autoritativen Wissensquelle, nämlich der Bibel, in ep. 55, 20: hi vero qui de paginis evangelicis sortes legunt... etiam ista mihi displicet consuetude, ad negotia saecularia et ad vitae huius vanitatem propter aliam vitam loquentia oracula divina velie convertere.
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13-15 quicquid ... contemnere oporteat: Was weder zu den menschlichen noch zu den göttlichen Dingen gehört, sind äussere Güter; diese unterliegen dem Zufall (vgl. 1, 20 [19-24]). Zum Motiv der 'Verachtung' s.o. zu 1, 21 (47f.) und zu 1, 1 (23). 15 tuus ille sapiens: Gemeint ist der Weise gemäss Licentius' CiceroReferat in § 7 (vgl. dort Z. 20f.: nihilque remanere sapienti nisi diligentissimam inquisitionem veritatis; auch 1, 14 [33f.]: sapiens igitur erit ille, qui perfecte quaesierit veritatem, etiamsi ad eam nondum pervenerif, unten Z. 17f.). Zur Formulierung vgl. Acad. 2, 12 (25f.): sapientem tuum; 2, 19 (90): Académicos tuos (stets an Licentius gerichtet). 16 ille: Seil. Licentius. 16f. nam virtus ... divina est: Etwas unvermittelt beruft sich Licentius auf die Tugend als auf etwas Göttliches, nachdem oben die vier Kardinaltugenden gerade als res humanae bestimmt worden waren (1, 20 [24-26]). virtus entspricht hier jedoch dem höchsten Seelenteil, ratio, der als dem Menschen wesentlich eigenes Verbindungsglied zu Gott verstanden wird (s.o. zu 1, 5 [23-30]) und in dem die Wahrheit zu suchen sei (Z. 15f.). Die Tugend als Wahrheitserkenntnis scheint also von den Tugenden als Wissen um die menschlichen Dinge abgehoben zu werden. Möglicherweise ist Augustin in dieser Gestaltung von der platonischen Vorstellung mehrerer Tugendstufen beeinflusst (vgl. Schlapbach 151; zu Augustins Rezeption der Tugendstufen jetzt C. Brittain, Attention Deficit. Augustine 's use of the Piatonist theory of the grades of virtue, in: Proceedings of the Boston Area Colloquium in Ancient Philosophy 18 [2003, im Druck]).91 17f. has ..., quas tuus sapiens semper inquiret?: Licentius hat in §§ Π Ι 8 die in 1,7 (20) referierte skeptische Position nihil ab homine percipi posse verlassen und unter gegnerischen Voraussetzungen argumentiert, indem er für Albicerius das von der dritten Weisheitsdefinition geforderte Wissen postuliert. Trygetius zeigt hier die für Licentius problematische Konsequenz dieser Argumentation auf, dass Albicerius, der gemäss Licentius Wissen um die göttlichen Dinge hat (1, 18 [52f.]), somit den 'skeptischen Weisen' übertrifft, da dieser nur suchen, aber nichts wissen kann (1, 7 [19-27]; u.ö.). Während also Licentius den stoischen Weisen karikierte, indem er den zwielichtigen Albicerius als solchen Weisen reklamierte, wendet Trygetius jetzt eine ähnliche Strategie an: Eben dieser Albicerius übertreffe nach Licentius' eigener Argumentation den 'skeptischen Weisen' (vgl. unten 1, 23 [26-28]). 18-20 divinas ..., sed non eas, quae a sapiente quaerendae sunt: Die Präposition a mit Abi. ersetzt den eher üblichen Dat. auctoris beim Gerun91 Hirzel 297 Anm. 1 interpretiert hier etwas ungenau, gemäss § 22 seien 'die Tugenden' die göttlichen Dinge.
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div (so auch in 1, 5 [25] und 2, 25 [19f.]). - Licentius unterscheidet in seiner Antwort diejenigen divinae res, die Albicerius kannte, von denjenigen, die der Weise sucht (also gemäss Ζ. 15-17 Wahrheit bzw. virtus). Diese Differenzierung führt unten in 1, 23 (28) zu der nicht unproblematischen Annahme von mehreren genera veri (s. z.St.). Da Licentius auf Trygetius' Einwand eingeht und seine Argumentation der §§ 17-18 verteidigt, scheint er zu vergessen, dass diese auf den gegnerischen Voraussetzungen basiert, nicht auf den eigenen. Indem er hier von seiner elenktischen Strategie abweicht und entgegen seiner eigenen Position, aber nicht mehr argumenti causa behauptet, Albicerius wisse 'göttliche Dinge', begeht er einen argumentativen Fehler, ohne dies jedoch im weiteren Verlauf des Gesprächs zu bemerken. 20-22 quis enim ... loquendi consuetudinem, si ei divinationem concédât, adimat res divinas, e quibus divinatio nominata est?: Innerhalb des JÍ-Satzes Chiasmus von Prädikat und Objekt. - Licentius beruft sich hier expliziter auf das etymologische Argument als in 1, 18 (52f.) (zu diesem Argument s. z.St.); eine inhaltliche Beschreibung der göttlichen Dinge, die der Wahrsager weiss, lässt er dabei vermissen, consuetudo (griech. συνήθεια, lat. auch usus, z.B. Quint, inst. 8, 2, 12) ist ein zentrales Kriterium für den richtigen Sprachgebrauch; vgl. Quint, inst. 1, 6, 43-45 (dazu Lausberg 256f. § 469). 22f. illa vestra definido ... nescio quid aliud ... inclusit: Seil, die dritte Weisheitsdefinition (1, 16 [14f.]). Das Possessivpron. vestra zeigt, dass sich Licentius gegenüber Augustin und Trygetius in der Minderheit sieht; vgl. Z. 12 (Trygetius): definitio nostra. Die Definition schliesst gemäss Licentius das Wissen des Albicerius mit ein (also Wissen um äussere Güter); vgl. unten 1, 23 (34f.): quia complexa est eum (seil. Albicerium), quem non possumus vocare sapientem.92 Zum Vorwurf der zu weiten Definition s.o. zu 1, 11 (57f.).
1, 23: Der sapiens in der Beschreibung des Licentius 24f. definitionem istam ... defendet... ille qui protulit: Gemeint ist die dritte Weisheitsdefinition (1, 16 [14f.]) bzw. Augustin. Wenn Trygetius hier darauf verzichten will, die Definition zu verteidigen, kommt er in der Folge dennoch Augustine Aufforderung nach, jedenfalls seine Meinung zu vertreten. 92 Doignon, Vertus 171 interpretiert unzutreffend, die Definition sei deshalb zu weit, weil sie die göttlichen Dinge nicht von den menschlichen abhebe (wie Licentius es mit seiner Unterteilung der Definition in § 23 fordert).
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25 responde: Die Variante volo respondeas S Τ ist möglicherweise in Anlehnung an 1, 9 (57) entstanden (volo atiendas). 25f. ut tandem ad id quod agitur veniamus: Trygetius will nun seinerseits anhand von Licentius' Beispiel des Albicerius die skeptische Weisheitskonzeption widerlegen. Er wendet sich damit 'endlich' (tandem) dem Kernpunkt der Auseinandersetzung zu (id quod agitur), der Alternative zwischen Wahrheitssuche und Wahrheitserkenntnis als Voraussetzungen für das höchste Gut (s.o. 1,6 [39-41]). 26 istic sum, inquit ille: Seil. Licentius. Zu istic sum s.o. zu 1, 9 (65). 26-28 dasne, ait, Albicerium scisse verum? - do, inquit. - melior igitur tuo sapiente: tuo sapiente bezieht sich auf Licentius' Konzept des Weisen; vgl. 1, 22 (15): tuus ille sapiens (s. z.St.). - Trygetius bringt das Problem von Licentius' Inkohärenz in Bezug auf die skeptische Position, das er schon in 1, 22 (17f.) angefühlt hat, hier auf den Punkt, indem er Licentius explizit bestätigen lässt, dass Albicerius etwas Wahres wisse. Dies hatte Licentius in 1, 18 (49) selber schon behauptet: vera respondit (seil. Albicerius; zu verum, 'etwas Wahres', s.o. S. 71f. und zu 1, 11 [36f.]). Wenn das so ist, übertrifft Albicerius den 'skeptischen Weisen', da dieser nichts weiss (s.o. zu 1, 7 [1923]). Denn dass Wissen das Ziel alles Suchens ist und daher besser als die Suche, sagen auch die Skeptiker (nur behalten sie das Wissen den Göttern vor; s.u. Z. 44f.). 28 genus veri: Licentius verteidigt seine Argumentation, indem er Albicerius die Erkenntnis derjenigen Wahrheit, die der Weise sucht, abspricht. Implizit unterscheidet er also zwei Arten von Wahrheit: die Wahrheit, die der Weise sucht und während seines Lebens nie findet, und die Wahrheit, die Albicerius weiss (wobei dieser als Beispiel für den Nicht-Weisen gelten kann). Mit dieser Differenzierung der Wahrheit stellt sich Licentius einerseits in Widerspruch zum stoischen Wissensbegriff von § 19, gemäss dem ausschliesslich der Weise Wissen hat, andererseits zu seinem eigenen skeptischen Grundsatz, gemäss dem überhaupt nichts erfasst werden kann (Akatalepsia-These; s.o. 1, 7 [20]). Die bedeutsame Unterscheidung, die Licentius hier zur Rettung seiner Argumentation von §§ 17-18 bzw. der skeptischen Position einführt, wird nicht explizit thematisiert; auch Trygetius geht im folgenden nicht darauf ein. Obwohl die allererste Frage des Dialogs den Begriff verum enthält (1, 5 [2f.]), fehlt in Acad. 1 jegliche Verständigung über diesen Begriff. Dieser Mangel zeigt sich an der vorliegenden Stelle am deutlichsten. Eine inhaltliche Bestimmung der Wahrheit erfolgt erst am Ende von Acad. 3 (s.o. S. 72). Es scheint, dass Licentius hier eine Position verwendet, die am Anfang von Acad. 2 Karneades zugeschrieben wird. Denn seine Unterscheidung von zwei Arten von Wahrheit und folglich von Wissen, von denen nur die eine uner-
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reichbar bleibt, findet eine partielle Entsprechung in der in Acad. 2, 11 (2-4) referierten Einschränkung der akademischen Akatalepsia-These auf das Wissen in 'philosophischen Belangen' : Academicis placuit nec homini scientiam posse contingere earum dumtaxat rerum, quae ad philosophiam pertinent - nam cetera curare se Carneades negabaf, vgl. auch 3, 22 (1 If.): ea nos nescire quae inter philosophos inquiruntur, cetera ad nos non pertinere. Auf der einen Seite entsprechen einander also: quod genus veri sapiens requirit (1, 23 [28f.]) scientiam ... earum dumtaxat rerum, quae ad philosophiam pertinent (2, H [3f.]) quae inter philosophos inquiruntur (3, 22 [1 If.]). Was aber auf der anderen Seite die nicht-philosophischen Belange angeht, ist in 2, 11 (3f.) und 3, 22 (llf.) keineswegs die Rede von Wahrheit oder Wissen; vielmehr werden diese Belange grundsätzlich von jeglichem philosophischen Interesse ausgeschlossen. Doch sowohl diese Einschränkung als auch Licentius' Unterscheidung sind Reaktionen auf das Problem, alltägliche Kenntnisse wie z.B. diejenigen von Albicerius zu erklären und zu werten. Dieses Problem betraf ebenso die Stoiker (aufgrund ihres rigorosen Wissensbegriffs und der Einschränkung des Wissens auf den Weisen, s.o. zu 1, 19 [58]) wie die Skeptiker (da diese gar kein sicheres Wissen für möglich hielten, s.o. zu 1, 7 [20]). Tatsächlich geht Cicero in ac. 2, 146 davon aus, dass es in alltäglichen Belangen, ja sogar in der Kunst ein praktisches 'Wissen' (seientia) gebe; dieses entspreche allerdings nicht dem stoischen Wissensbegriff (vgl. Schäublin et al. 308 Anm. 482; C. Brittain [oben zu 1, 7 (20)]; daneben auch ac. 2, 32 [oben zu 1, 7 (21-23) zitiert], wonach die Skeptiker verneinten, dass 'alles ungewiss' sei). Der Begriff verum begegnet in diesem Zusammenhang allerdings nicht. Im Allgemeinen wird stattdessen probabile und statt scire vielmehr opinari verwendet (vgl. Cie. ac. 2, 146 bzw. 2, 67 und 148). Dies gilt auch für die Pyrrhoneer (dazu M. Frede, The Skeptic's Beliefs, in: Frede 179; 195f.; M.F. Burnyeat, Idealism and Greek Philosophy: What Descartes saw and Berkeley missed, The Philosophical Review 91 [1982] 2527; F. Ricken, Antike Skeptiker [München 1994] 124f.). Licentius' Unterscheidung von zwei Arten von W a h r h e i t ist also in dieser Form nicht kompatibel mit der skeptischen Tradition. Sie beruht auf einer nicht-terminologischen Verwendung von scire und implizit auch von verum, die allerdings zumindest teilweise auch bei Cicero belegt ist. Auf ähnliche Weise trennt übrigens auch Laktanz zwischen einem dem Menschen verfügbaren 'Alltagswissen' und der absoluten Wahrheit, die Gott vorbehalten ist (inst. 2, 8, 70f.; dazu Fögen 310f.). 29f. non solum ille ... adsequitur: Zu non solum für non solum non vgl. LHS 519. Zu adsequi, 'finden' (~ 'wissen'), vgl. oben 1, 9 (74; 77f.).
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29 ille delirus haríolus: Paronomastische Umschreibung für Albicerius (Spiel mit den Silben il, le, li, ru, ri, lu\ vgl. Mohrmann 1, 323-349). Die unaspirierte Schreibweise ariolus ist epigraphisch nicht bezeugt; die aspirierte Schreibweise überwiegt in den Codices (G. Thiele, Harioli, RE Suppl. 3 [1918] 886, 18ff.; TLL 6, 3, 2534, 17ff.). In conf. 7, 10 verwendet Augustin das Wort deliri für die Astrologen, in 7, 8 deliramenta für ihre Weissagungen; vgl. Cie. div. 2, 90 über die Astrologie: o delirationem incredibilem (zum Gegensatz zwischen Divination und Vernunft s.o. zu 1, 22 [3]). Der hariolus gehört traditionell in die Kategorie der natürlichen Divination: Er wendet keine bestimmte Methode an, sondern weissagt aufgrund von Inspiration. Er steht somit besonders dem vates nahe (s.o. zu 1, 19 [17f.]); vgl. Cie. div. 1, 4: hariolorum etiam et vatum furibundas praedictiones; 1, 132 = Enn. scaen. 319 Vahlen (s. auch oben zu 1, 22 [9f.]): superstitiosi vates impudentesque harioli (vgl. Klingshirn 221f.; S. Montero, Mántica inspirada y demonologia: los Harioli, AC 62 [1993] 115-129). Die Bezeichnung des Albicerius als hariolus stimmt also mit der Beschreibung seiner Tätigkeit in §§ 17-18 überein (s.o. zu 1, 17 [21 und 25-27]).93 Doch der Begriff hariolus, der stets einen abwertenden Beiklang hat, dient besonders aus christlicher Perspektive nicht nur als Bezeichnung einer bestimmten Kategorie von Divinationsspezialisten, sondern ebenso als Schimpfwort für sämtliche divini (vgl. C. Frateantonio, Harioli, DNP 5 [1998] 158). 30 dum in hoc corpore vivit: Vgl. oben 1, 9 (68-70): veritatem ... nosse arbitror aut forte hominis animam, cum hoc corpus, hoc est tenebrosum carcerem, dereliquerit (s. dort zu Z. 69f.); ebenso unten Z. 50f. 30-32 quod tarnen tantum est, ut multo sit praestabilius ... quam iilud aliquando invenire: Der Vergleich zwischen dem genus veri, das der Weise sucht, und demjenigen, über das Albicerius verfügt, zeigt die Inkommensurabilität der beiden genera. Andererseits lässt die Formulierung aliquando invenire (Gegensatz zu semper quaerere, Z. 3 lf.) Albicerius' Kenntnis der Wahrheit als weniger sicher erscheinen als in Z. 27 (Albicerium scisse verum). 33 in angustiis: Erstaunlich ist, dass Trygetius nicht gegen Licentius' Unterscheidung von zwei Arten von Wahrheit protestiert, sondern den darin implizierten Angriff auf den stoischen Wissensbegriff, den er in § 19 seiner Argumentation zugrundegelegt hat, akzeptiert. Er verteidigt hier also diesen Wissensbegriff nicht mehr als alleingültig, sondern ist mit der Möglichkeit der nicht-terminologischen Verwendungsweise der Begriffe verum und scire
93 Neben der Bezeichnung hariolus (s.o. 1, 23 [29]) für einen Divinationspraktiker wie Albicerius war auch diejenige des 'Bauchredners' üblich ( ε γ γ α σ τ ρ ί μ υ θ ο ; , z.B. Clem. Al. Protr. 2, 11, lf.; dazu Dodds, Pagan 56).
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(s.o. zu Ζ. 28) und der daraus folgenden Annahme eines Wissens des NichtWeisen einverstanden. - definitio illa: Seil, die dritte Weisheitsdefinition (1,16 [14f.]). 34f. quia complexa est eum, quem non possumus vocare sapientem: Gemeint ist Albicerius. Der Vorwurf, die Definition sei zu weit, begegnet schon oben 1, 22 (22f.) und unten Z. 38f. 35-37 si sapientiam rerum ... earum, quae ad beatam vitam pertineant: Vierte Weisheitsdefinition. Die erste Erweiterung der dritten Weisheitsdefinition (Z. 37; vgl. unten Z. 43) dient dazu, Albicerius expliziter als bisher als Weisen auszuschliessen: Sein Wissen bezieht sich gemäss § 20 auf äussere Güter und ist daher vom stoischen Standpunkt aus nicht glücksrelevant (vgl. § 2). Mit dem Kriterium des Glücks knüpft Trygetius an die Hauptmotivation des Gesprächs an (s.o. S. 67). Da allerdings die Begriffe sapientia und beata vita praktisch austauschbar sind (s.o. zu 1, 6 [36f.]), ist es problematisch, den einen Begriff durch den andern zu definieren. Dazu gesellt sich bei der Eingrenzung der menschlichen und göttlichen Dinge durch den Relativsatz der Eindruck einer Tautologie: Gemäss §§ 20-22 dürfen unter den menschlichen und göttlichen Dingen per se die glücksrelevanten Dinge verstanden werden (die Tugenden; die göttlichen Dinge). Wenn Trygetius dies hier nicht mehr voraussetzt, heisst das mit anderen Worten, dass er in Bezug auf die 'menschlichen und göttlichen Dinge' die gleiche begriffliche Aufweichung vornimmt wie Licentius bei verum und scire (s. zu Ζ. 28). Dabei ist zu beachten, dass die Einschränkung durch den Relativsatz derjenigen in Acad. 2, 11 (3f.) im Wortlaut sehr nahesteht: 1, 23 (36f.): scientiam ... earum (seil, rerum humanarum divinarumque), quae ad beatam vitam pertineant 2, 11 [3f.]): scientiam ... earum dumtaxat rerum, quae ad philosophiam pertinent. Zu den Gründen für die Unterscheidung zwischen terminologischer und nicht-terminologischer Verwendung von verum, scire und res humanae divinaeque und die daraus folgende explizite Eingrenzung des Geltungsbereichs der terminologisch verwendeten Begriffe auf den Weisen und auf glücksrelevante Dinge (bzw. auf philosophische Belange in 2, 11) s.o. zu Z. 28. 38 ille: Seil. Licentius. 38f. superior definitio invasit alienum, haec autem proprium deseruit: Chiasmus von Prädikat und Objekt, superior definitio bezieht sich auf die dritte Weisheitsdefinition (vgl. Z. 34f.). Während diese also gemäss Licentius zu weit ist, indem sie etwas Fremdes 'vereinnahmt' (vgl. auch 1, 11 [57f.] und 1, 13 [18f.]), ist die vierte Weisheitsdefinition zu eng, weil sie etwas Eigenes 'zurücklässt' (zu den Metaphern aus dem militärischen Bereich vgl. unten zu 1, 24 [12f.]).
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40 avaritiae ... stultitiae: stultitia wird in beata ν. 28 als 'Mangel', 'Mangelhaftigkeit' (egestas) gedeutet und ist insofern ein Gegenstück zu avaritia ('Raffgier'). 40-43 ut... inquisitio: Fünfte Weisheitsdefinition. Grilli zitiert Z. 41-43 im Testimonienapparat zu Cie. Hort. Fr. 94 G. = 6 S. (dazu s.o. zu 1, 16 [14f.]). Er scheint also auch an der vorliegenden Stelle von einem Einfluss des Hortensius auszugehen. 40f. ut iam ipse explicem definitione: Licentius übernimmt das Ruder und legt im Folgenden zwar keine völlig neue, aber eine für seine Bedürfnisse weiter ergänzte Definition vor. 42f. quae ad beatam vitam pertineant: Mit Bezug auf Trygetius' Ergänzung von Z. 37. 43 non scientia solum sed etiam diligens inquisitio: Zweite Ergänzung der dritten Weisheitsdefinition (vgl. oben Z. 37). Die Sperrung von non solum ist seit Liv. üblich (vgl. LHS 518; KS 2, 2, 58). Zu diligens als Attribut der Wahrheitssuche s.o. zu 1, 6 (44f.). - Erst in der Folge wird klar, dass scientia und inquisitio nicht zu ein und derselben sapientia gehören, sondern dass die Ergänzung der Definition auf eine Aufspaltung der Weisheit in menschliche und göttliche hinausläuft (unten Z. 44f.). 44 descriptionem si partiri velis: Zu descriptio als 'Definition' s.o. zu 1, 12 (77). Die partitio ist die Unterteilung der Definition in genera; vgl. Cie. top. 83: partitio sie (seil, quaeritur): triane genera bonorum sint. 44-46 prima pars... dei est, haec autem... hominis, illa igitur deus, hac autem homo beatus est: Durch die Teilung der Definition spaltet Licentius die Einheit der Weisheit auf: Er verbindet die Dichotomie von Wissen vs. Suche in der erweiterten Definition mit der Dichotomie von menschlichem vs. göttlichem Telos, die er schon in § 9 eingeführt hat. Er hatte dort Wissen allein Gott zugeordnet, während dagegen in der Suche das höchste Ziel des Menschen bestehe (Z. 68-71): veritatem autem illam solum deum nosse arbitror... hominis autem finis est perfecte quaerere veritatem (s.o. zu 1, 9 [68f.] und [70f.]). Dementsprechend werden einander an der vorliegenden Stelle eine menschliche und eine göttliche Weisheit gegenübergestellt. Die Bestimmung der menschlichen Weisheit steht in Einklang mit Licentius' CiceroReferat von 1, 7 (16-23) und bes. mit dessen Résumé in 1, 7 (25f.): veritatis sola inquisitio perfectum sapientiae munus est; vgl. auch 2, 11 (5-7). Licentius' Rede ist bis zum Ende von § 23 von der gleichen Argumentation wie in § 9 geprägt (vgl. bes. die Gegenüberstellung von divina und humana beatitude unten Ζ. 56f.). Alypius nimmt Licentius' Definition der Weisheit des Menschen in Acad. 3 auf (3, 5 [24f.]: habitum inquisitionis divinarum humanarumque rerum esse in sapiente; 3, 6 [49f.]: quam tarnen sapientiam in
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investigatione divinarum humanarumque rerum me constituisse\ ebd. Ζ. 67: sapientiam, quae in investigatione posita est). Für die Vorstellung einer spezifisch menschlichen Weisheit, die in der Wahrheitssuche besteht, kann Sokrates als Gewährsmann gelten, der sich in PI. Ap. 20d 8 auf eine άνθρωπίνη σοφία beruft, womit das Wissen um das eigene Nicht-Wissen gemeint ist, verbunden mit dem unermüdlichen Bestreben, das Apollon-Orakel richtig zu verstehen (vgl. 21d; 23a-b). Augustin bringt die Vorstellung einer spezifisch menschlichen Weisheit auch in trin. 14, 26 ein, und zwar im Kontext eines Hortensius-Zit&ts. Allerdings scheint er dort die Einschränkung auf den Menschen auf die Bibel zurückführen zu wollen: hanc contemplativam sapientiam, quam proprie puto in litteris sanctis ab scientia distinctam sapientiam nuncupari dumtaxat hominis, ... Cicero commendans in fine dialogi Hortensii: 'quae nobis', inquit, 'dies noctesque ... ' (Fr. 115 G. = 102 S.; dazu unten zu Z. 50-57). Eine andere Unterteilung der Weisheitsdefinition von 1,16 (14f.) als die vorliegende schlägt Augustin in trin. 14, 3 vor (oben zu 1, 16 [14f.] zitiert): Dort wird das Ziel verfolgt, sapientia und scientia voneinander abzugrenzen. 48f. quomodo ... frustra, cum tanta mercede conquirat?: Zum Gedanken des 'Lohns' (frustra vs. tanta mercede) s.u. zu Ζ. 56. 50 quo sapiens, eo beatus: S.o. zu 1, 6 (36f.). 50-57 cum ab omnibus involucris corporis ...: Licentius' abschliessende Beschreibung des Weisen steht in folgenden drei Punkten Cie. Hort. Fr. 114 und 115 G. = 83A 3 und 102 S. aus Ciceros Schlussrede nahe (vgl. Grilli 15If.; Ohlmann 46f.): Gegenüberstellung von K ö r p e r u n d I n t e l l e k t (s.u. zu Z. 50-53); Gegenüberstellung von D i e s s e i t s u n d J e n s e i t s (Z. 53-57: et hic - et extremo die vitae etc.); Erlösung je nach V e r d i e n s t (s.u. zu Z. 56). Vgl. Fr. 114 G. = 83A 3 S. = Aug. ep. 104, 3: cum extremum diem fungimur, non exstingui animam sed emigrare censent et, ut merita quoque eius adserunt seu bona seu mala, vel ad beatitudinem vel ad miseriam permanere.... malorum ergo finis est mors, sed in eis quorum casta pia fidelis innocens vita, non in eis qui temporalium nugarum et vanitatum cupiditate flagrantes et, cum hic sibi felices videntur, ipsa voluntatis pravitate miseri convincuntur et post mortem graviores miserias non habere tantum, verum etiam sentire coguntur, Fr. 115 G. = 102 S. (s. auch oben zu 1, 5 [23-30] und zu 1, 9 [87f.]): quae nobis dies noctesque considerantibus acuentibusque inte Iii gentiam quae est mentis acies caventibusque ne quando illa hebescat, id est in philosophia viventibus, magna spes est: aut si hoc quo sentimus et sapimus mortale et caducum est, iucundum nobis perfunctis muneribus humanis occasum neque molestam exstinctionem et quasi quietem vitae fore; aut si ut antiquis philosophis Usque maximis longeque clarissimis placuit, aeternos ánimos ac divinos habemus, sic existí-
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mandum est quo magis hifuerint semper in suo cursu, id est in rat i one et in investigandi cupiditate, et quo minus se admiscuerint atque implicuerint hominum ν it i is et erroribus, hoc eis faciliorem ascensum et reditum in caelum fore. ... quapropter (inquit), ut aliquando terminetur oratio, si aut exstingui tranquille volumus cum in his artibus vixerimus, aut si ex hac in aliam haud paulo meliorem domum sine mora demigrare, in his studiis nobis omnis opera et cura ponendo est (neben Hort. Fr. 115 G. bringt J. Doignon auch Vergleichsmaterial aus fin. 5 und Tusc. 5 bei: Du bonheur humain à la béatitude divine. Un centón cicéronien dans la bouche d'un disciple d'Augustin, Augustinus 39 [1994] 131-137). Ähnliche Motive enthält jedoch v.a. auch Tusc. 1, 44: profecto beati erimus, cum corporibus relictis et cup iditatum et aemulationum erimus expertes; quodque nunc facimus, cum laxati curis sumus, ut spectare aliquid velimus et visere, id multo tum faciemus liberius totosque nos in contemplandis rebus perspiciendisque ponemus, propterea quod et natura inest in mentibus nostris insatiabilis quaedam cupiditas veri videndi et orae ipsae locorum illorum, quo pervenerimus, quo faciliorem nobis cognitionem rerum caelestium, eo maiorem cognoscendi cupiditatem dabant. ... praecipue vero fruentur ea (scil. pulchritudine), qui tum etiam, cum has terras incolentes circumfusi erant caligine, tarnen acie mentis dispicere cupiebant. 50-53 cum (1) ab omnibus involucris corporis mentem ... evolvit et (2) se ipsum in semet ipsum colligit, cum (1') se non permittit cupiditatibus laniandum, sed (2') in se atque in deum ... intenditur: Die beiden durch cum - cum korrelierten Glieder nennen die Aufgabe des Weisen in je zwei Schritten: (1) Loslösung des Intellekts vom Körper, (Γ) Abkehr von den Begierden, (2) Einkehr in sich, (2') Ausrichtung auf sich und auf Gott. (1) I n t e l l e k t vs. K ö r p e r . Der K o n t r a s t wird im ersten Glied durch das Verb evolvere (he r a u s winden) und die Präposition ab angezeigt, im zweiten Glied durch die Negation non. Der Intellekt (mens) ist das wahre Selbst des Menschen (s.o. zu 1, 5 [27-30]). Die Vorstellung des Körpers als einer Hülle, die abgelegt werden soll, geht letztlich auf PI. Grg. 523c 3-5 zurück: άμπεχόμενοι y á p , εφη, οί κρινόμενοι κρίνονται- ζώντε$ γ α ρ κρίνονται, πολλοί ουν, ή δ' ος, ψυχά$ πονηρά^ ϋχοντες ήμφιεσμένοι είσι σ ώ μ α τ ά τε καλά κτλ.; vgl. Plot. 1, 6, 7, 5f.; Sen. epist. 92, 13: nam de hoc (seil, corpore) quoque natura ut quondam vestem animo circumdedit; velamentum eius est; Ambr. Isaac 8, 78: exuat unusquisque animam suam involucris sordidioribus ... foris relinquat vultum corporis (vgl. Courcelle, Recherches 125f.; vergleichbar ist auch das Bild des Körpers als carcer in 1, 9 [69f.]; s. z.St.). Die Loslösung des Intellekts vom Körper wird im Anschluss an Sokrates in Piatons Phaidon als bewusste Vorbereitung auf den Tod verstanden; vgl. bes. Tusc. 1, 75: secernere autem a corpore animum,
1, 23: Licentius' sapiens
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nec quicquam aliud, est mori discere. ... hoc, et dum erimus in terris, erit illi caelesti vitae simile, et cum illuc ex his vinclis emissi feremur, minus tardabitur cursus animorum. nam qui in compedibus corporis semper fuerunt, etiam cum soluti sunt, tardius ingrediuntur. (2) A u s r i c h t u n g auf s i c h s e l b s t ~ A u s r i c h t u n g auf G o t t . Die R e f l e x i v i t ä t des wahren Selbst des Menschen, die im ersten Glied durch die Pronomina se ipsum in semet ipsum (Z. 51) ausgedrückt wird, kehrt im zweiten Glied in der medialen Verbform intenditur wieder; im zweiten Glied wird ausserdem die P a r a l l e l i t ä t der Ausrichtung auf sich selbst und auf Gott sichtbar (in se atque in deum). Zur Hinwendung zu sich selbst s.o. zu 1, 1 (12): ut te tibi reddat. 51 quantum potest: Ähnliche Einschränkungen oben 1, 9 (82f.); 1,11 (45). Vgl. PI. Ep. 7. 344b 7-c 1: έξέλαμψε φρόνησις περί ϊκαστον και vous, συντείνων οτι μάλιστ' εί$ δύναμιν άνθρωπίυην (zu συντείνων vgl. intenditur, unten Ζ. 53). 51f. se ipsum in semet ipsum colligit: Vgl. ord. 1, 3 (51-53): qui tamen ut se noscat, magna opus habet consuetudine ... animum in se ipsum coliigendi atque in se ipso retinendi; Sen. dial. 7, 16, 3 (zum Inhalt vgl. auch oben zu 1, 1 [12]). In den Confessiones ist wiederholt Gott Subjekt und der Mensch dagegen Objekt des Verbs colligere (z.B. 1, 3: nec tu dissiparis, sed colligis nos\ 2, 1: colligens me a dispersione).94 53 tranquillus: Zum Konzept der Seelenruhe s.o. zu 1, 11 (43). 53f. quod beatum esse supra inter nos convenit, ratione perfruatur: beatum dürfte als Substantiv aufzufassen sein ('Glück'), ebenso wie in 1, 9 (79) (s. z.St.). - Die Stelle nimmt auf die Glücksdefinition von 1, 5 (23-30) Bezug ('Leben gemäss der Vernunft'). Zu (per-)frui vgl. Z. 56: fruatur ... beatitudine; Ζ. 57: perfruitus (seil, beatitudine)·, 3, 20 (38f.): ea (seil. sapientia)... peifruetur (oben zu 1, 9 [68-72] ausführlicher zitiert); ord. 1, 24 (74-77): animae ... diseiplinis et virtute formosae copulantur intellectui per philosophiam et non solum mortem fugiunt verum etiam vita beatissima perfruuntur. Später wird Augustin als Objekt von frui, d.h. als höchstes Gut, ausschliesslich Gott gelten lassen (dazu Lorenz, passim; Pfligersdorffer IOIDI). 56 merito: Die Vorstellung, dass die Seele im Jenseits je nach Verdienst erlöst oder bestraft wird, ist platonisch (vgl. das Totengericht in Grg. 523a526d und Ap. 41a 1-5 sowie die Jenseitstopographie in Phd. 113d-l 14c). Das Motiv begegnet auch in Cie. Hort. Fr. 114 und 115 G. (oben zu Z. 50-57 zitiert); Lactanz belegt es mit einem Zitat aus Ciceros Consolatio in inst. 3, 94 J.J. O'Donnell, Hearing Confessions, StudPatr 18,4 (1983) 101 Anm. 17, stellt einen Bezug zwischen dieser Verwendung von colligere in den Confessiones und Is 11, 12 her: et levabit signum in nationes et congregabit profugos Israhel et dispersos luda colliget.
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19, 3: docent divinae litterae non exstingui animas, sed aut pro iustitia praemio adfici aut poena pro sceleribus sempiterna: nec enim fas est aut eum, qui sceleratus in vita feliciter fuerit, effugere quod meretur aut eum, qui ob iustitiam miserrimus fuerit, sua mercede fraudari. quod adeo verum est ut idem Tullius in Consolatione non easdem sedes incolere iustos atque impios praedicaverit. (cons. Fr. 12 van Wageningen:) nec omnibus, inquit, iidem illi sapientes arbitrati sunt eundem cursum in caelum patere; nam vitiis et sceleribus contaminates deprimi in tenebras atque in caeno iacere docuerunt, castos autem ánimos puros Íntegros incorruptos, bonis etiam studiis atque artibus expolitos leni quodam et facili lap su ad deos, id est ad natura sui similem, pervolare. Beim frühen Augustin vgl. bes. ord. 2, 26 (25-27): mox ut hoc corpus reliquerint, eos, quo bene magis minusve vixerunt, eo facilius aut dijficilius liberari. Später wird sich Augustin von der Vorstellung, dass der Mensch aufgrund seiner Verdienste erlöst werden kann, entfernen. In Auseinandersetzung mit Paulus' Lehre, dass die einen Menschen dazu erwählt sind, erlöst zu werden, die anderen nicht (Rm 9-11), entwickelt er seine Gnadenlehre (zur Einführung vgl. Horn 30-37). 56f. fruaturque merito divina beatitudine, qui humana sit ánte perfrúitus: Cursus tardus. Die Form perfruitus ist spätes und biblisches Latein (klassisch ist perfructus H2 R Τ sowie Migne). Augustin verwendet sie noch in nat. b. 41 (während die Form perfructus bei Aug. nicht belegt ist). Entsprechend zur Dichotomie von Diesseits und Jenseits (Z. 53-57) und zu derjenigen von menschlicher und göttlicher Weisheit (Z. 44-46) folgt hier die Dichotomie von menschlichem und göttlichem Glück (dazu vgl. auch 1, 9 [79] und z.St.). Inhaltlich ist das göttliche Glück Erkenntnis (s.o. Z. 40-46). Zur Angleichung des Menschen an Gott nach dem Tod s.o. zu 1, 9 (69f.). Indem Augustin in späteren Werken zu einer eschatologischen Glückskonzeption gelangt (s.o. S. 69f.), ergibt sich eine bemerkenswerte Nähe zur hier formulierten, platonisch geprägten Auffassung des Licentius.
1, 24-1, 25: Rekapitulation Augustin greift ein und unterbricht das Gespräch, das keineswegs abgeschlossen ist, sondern beliebig fortgesetzt werden könnte.1 Diese Offenheit hängt mit der Anlage des Dialogs als dialektischer Übung zusammen. Der Aspekt der Übung wird explizit als Zweck von Acad. 1 genannt: Um der Übung willen wurde das Gespräch überhaupt fortgeführt, nachdem einerseits Augustins deklariertes Hauptziel - nämlich die Schüler für die Wahrheitssuche zu begeistern - schon zu Beginn des Gesprächs als erreicht gelten konnte und andererseits im Hinblick auf die Grundalternative von Acad. 1 die Frage, ob die Wahrheitssuche hinreichende Glücksbedingung sei oder ob die Wahrheit auch gefunden werden müsse - kein nennbarer Fortschritt erzielt werden konnte.2 Die Zusammenfassung des Gesprächs, die die Funktion einer Gedächtnisstütze hat, zeigt jedoch, dass neben den methodischen Problemen auch die inhaltlichen Ergebnisse der einzelnen Diskussionsschritte keineswegs als nutzlos oder unergiebig erachtet werden, obwohl sie nicht genügen, um die Grundalternative zu entscheiden.3 Mit der Kampfmetaphorik, die Augustin in der Rekapitulation der einzelnen Gesprächsschritte verwendet (§ 24), betont er das hohe Engagement der Schüler. Als inhaltliches Fazit von Acad. 1 steht fest: Die Wahrheitssuche ist eine notwendige Glücksbedingung (1, 25 [46-49]). Damit hat die schwächere der beiden zur Auswahl stehenden Bedingungen, die gleichzeitig deren grösster gemeinsamer Nenner ist, vorerst das letzte Wort.4 Das Fazit knüpft an die Protreptik zur Philosophie des Proömiums an, denn nach der Wahrheit zu suchen heisst, zu philosophieren.5 Einen expliziten Bogen zurück zum Proömium schlägt ausserdem die Ankündigung, die schriftliche Form des Dialogs werde nun an Romanianus gesandt, um ihn zur Nachahmung der philo-
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Vgl. Marrou 310f./264f.; s.u. S. 210 Anm. 6. S.u. zu 1, 25 (41f.). Dass die dialektische Übung ein wesentliches Element der Auseinandersetzung ist, wird auch im Dialog selber klar, der wiederholt methodische Probleme berührt, so die Frage, ob eine Aussage zurückgenommen werden darf (§ 8); die Alternative, mit Hilfe einer philosophischen Autorität oder aber aus freien Stücken zu argumentieren (§ 9); die Gefahr des infiniten Regresses beim Definieren (§ 15). Zur Praxis der Rekapitulation vgl. oben zu 1, 11 (31f.). Unzutreffend schreibt Hoffmann 139, Augustin zeige in der Rekapitulation die Schwächen von Licentius' Position auf. S.o. S. 90f.
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sophischen Lebensform zu bewegen, die im Dialog präsentiert wird (1, 25 [53-55]). Da das Fazit in Bezug auf die Grundalternative von Acad. 1 aporetisch ist, kann der Ausgang des Dialogs von Acad. 1 als 'skeptisch' im eigentlichen Wortsinn bezeichnet werden: Die Suche nach der Lösung des Problems ist zu keinem Abschluss gekommen, sondern muss weitergehen.6 Durch diesen dramaturgischen Kunstgriff wird der Inhalt des Fazits gleichsam über den Buchrand hinaus in Szene gesetzt, und die Fortsetzung des Dialogs wird motiviert. Vor dem Hintergrund, dass sich Licentius' skeptische Position vorläufig behauptet, wird die nun in Acad. 2 und 3 folgende Polemik gegen die akademische Skepsis umso effektvoller wirken.
1, 24: Rekapitulation der Gesprächsschritte Augustin wendet sich in erster Linie an Licentius. Dies erklärt sich dadurch, dass dieser der Sohn des Adressaten Romanianus ist und Augustin am Ende des ersten Buchs die Vorbildfunktion des Sohnes für den Vater noch einmal betont (1, 25 [53-55]). 2 diu quaereret: Gesprächspausen treten öfter ein; zur Bedeutung dieses Motivs s.o. zu 1, 7 (13). Zur Formulierung vgl. besonders 1, 17 (16f.): diu ... quaesiturum esse quod diceret. 2f. non puto ... argumenta defutura: Die Angabe, dass die Auseinandersetzung jederzeit weitergeführt werden könnte, ist ein Dialogtopos; s.o. zu 1, 10 (21f.) und zu 1, 11 (31f.); Acad. 3, 45 (49-52); Cie. ac. 2, 148;//«. 2, 119; 4, 80; nat. deor. 3, 94; PI. Tht. 171c-d (vgl. O'Meara, Hist. 170f. = Studies 19; Becker 42).7 3 otiose: 'in Ruhe' (Voss). Freie Zeit (otium) ist eine Voraussetzung für gelingendes Philosophieren (s.o. zu 1, 3 [72f.]). 4 quid ... defuit ad respondendum?: Trygetius war tatsächlich nie um eine Antwort verlegen, wenn er auch einmal eine vorschnelle Aussage zurücknehmen (1, 8 [28f.]) oder bisweilen lange überlegen musste (1, 7 [13]; 1, 14 [21]).
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Vgl. S.E. P. 1, 3: ζητοΰσι δε oi σκεπτικοί (dazu Burkert 188; J. Annas / J. Barnes, The Modes of Scepticisme. Ancient Texts and Modern Interpretations [Cambridge etc. 1985] 1; G.E. Ryan, Commentary on McPherran [oben zu 1, 11 (43)] 175); ebenso die Übersetzung von σκεπτικοί als quaesitores et consideratores bei Gell. 1 1 , 5 , lf. Vgl. auch oben S. 90f. zu Ciceros skeptischer Philosophie als unaufhörlicher Wahrheitssuche. Augustin hält demgegenüber im Proömium zu Acad. 2 fest, dass die skeptische Haltung von der Wahrheit abhalte (bes. 2, 1 [9]: desperatione inveniendi·, s. auch oben S. 5 Anm. 17).
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Metz 26 schreibt unzutreffend, Trygetius' Position sei Licentius' Argumenten unterlegen.
1, 24: Rekapitulation
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4f. nam primo ipse intulit: Mit primo wird die Aufzählung der einzelnen Gesprächsschritte eingeleitet, die den ganzen § 24 einnimmt. Auf primo folgt deinde in Z. 29; dazwischen findet sich eine Reihe relativer Anschlüsse (Z. 9: cui loco; Ζ. 18: quo te laqueo Ζ. 26: quae). Von intulit hängt ein Acl ab, der in Z. 7-9 folgt. 5 de beata vita quaestio nata est: Diese Angabe verdeutlicht, dass die Motivation der Auseinandersetzung in der Frage nach den Zugangsbedingungen des Glücks liegt (s.o. zu 1, 5 [5f.]). Das glückliche Leben wurde in 1, 5 (23-30) definiert; auf der Grundlage dieser Definition entwickelte sich die anschliessende Auseinandersetzung zwischen Licentius und Trygetius. 6 beatum solum ... sapientem: Dies bezieht sich auf 1, 7 (4f.) (unten zu Z. 7-9 zitiert). 6f. si quidem stultitia etiam stultorum iudicio misera est: Kausales si quidem ist bei den Kirchenschriftstellern sehr verbreitet (vgl. LHS 674). Der Einschub ist durch das Polyptoton stultitia / stultorum und das Oxymoron stultorum iudicio prägnant formuliert. Der Inhalt ist die negative Entsprechung zur stoischen Ansicht, dass Weisheit Glück bedeutet (s.o. zu 1, 6 [36f.]); vgl. beata ν. 28 (125f.): omnis stultus miser. 7-9 perfectum sapientem..., non autem perfectum..., unde ne beatum quidem: Dies bezieht sich auf Trygetius' Syllogismus aus 1, 7 (4-7): quia beatum ... volumus esse perfectum in omnibus sapientem. qui autem adhuc quaerit, perfectus non est. hunc igitur quomodo asseras beatum, omnino non video. 9 loco: 'Argument' (z.B. Cie. Cael. 24: loco respondere\ Sen. contr. 1, 7, 14: loco... institit). 9f. cum molem auetoritatis obiceres: Licentius berief sich oben in 1, 7 zuerst auf Karneades, dann ausführlich auf Cicero. - Die Wendung moles auetoritatis ist im klass. Latein nicht belegt, bei Aug. dagegen noch lib. arb. 3, 209; c. lui. 2, 5; c. lui. imp. 3, 38; u.ö. (vgl. Lütcke, Auct. 1156 mit Anm. 777). Die ganze vorliegende Rekapitulation ist von Kampfmetaphern durchzogen, hier molem ... obiceres; Z. 18: quo te laqueo cum expedisses\ 22f.: pugnasses; 23-25: occupavit praesidium tuum, unde pulsus ... amiseras, ni te indutiae reparassent. Mit diesem Vokabular wird das hohe Engagement der Schüler in den Vordergrund gerückt (Doignon, Etat 58, beschreibt die Wirkung dieser Metaphorik als 'pathos'). S. auch oben zu 1, 16 (9). lOf. modeste ... perturbatus tarnen se statim erexit: Trygetius gestand in 1, 7 (13-15) zu, dass Cicero ein Weiser war und seine Meinung Gewicht habe. In 1, 8 (46f.) widerrief er jedoch sein Zugeständnis. Das Verb se erigere ('sich aufrichten') scheint einen Erkenntnisfortschritt anzudeuten (vgl. beata ν. 4 [82f.]: ubi factus erectior illam caliginem dispuli; ord. 1, 27 [25]: erectiore animo insurgitis; s.u. zu 1, 25 [59]: surreximus). Es wird in Z. 12
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durch exsiluit gesteigert (mit Alliteration und Homoioteleuton) (vgl. ord. 1, 19 (36-38): inter s Huit modice et repente sese erigen s, qua Trygetius lectum habebat... inquit...). 11 f. generosa quadam contumacia: 'mit einer gewissen edlen Unbeugsamkeit' . Vgl. schon Licentius' - zwar ironische - Bewunderung für seinen Kontrahenten in 1, 8 (55f.): quid enim ... audeam contra eum qui se Ciceronis adversarium profitetur? 12 in verticem libertatis exsiluit: exsiluit steigert erexit (s.o. zu Z. 10f.). Die vorliegende Stelle bezieht sich auf 1, 9 (61-63): iam enim liberiate, in quam maxime nos vindicaturam se philosophia pollicetur, iugum illud auctoritatis excussi (s. z.St.). 12f. adripuit... de manibus violenter excussum: Zu adripere in Bezug auf philosophische Positionen vgl. Fuhrer zu Acad. 2, 11 (12). Die bildhafte Ausdrucksweise de manibus ... excussum wiederholt sich in Acad. 2, 26 (34); vgl. Cie. Mur. 30. Zur Kampfmetaphorik s.o. zu Z. 9f. 14 utrum tibi perfectus ... videretur: Dies bezieht sich auf 1, 9 (60-63), wo Trygetius sein Argument aus 1, 7 (6f.) (oben zu Z. 7-9 zitiert) wiederholte. 15 ad caput: 'zum Ausgangspunkt' (vgl. Bogan 80). Gemeint ist die Glücksdefinition aus 1, 5 (23-30). 16f. per illam definitionem perfectum esse ... ac per hoc beatum nisi perfectum esse non posse: illam definitionem bezieht sich auf die Definition des Glücks aus 1, 5 (23-30). Dass der beatus auch perfectus sei, geht jedoch nicht direkt aus jener Definition hervor, sondern wird erst in 1, 7 (4f.) ausgesprochen (oben zu Z. 7-9 zitiert). 17 legem mentis: Mit dieser Periphrasis werden die Begriffe ratio und mens der Glücksdefinition aufgenommen (1, 5 [29]); zur Formulierung vgl. Cie. leg. 2, 11: illa divina mens summa lex est-, 1, 23 (dazu A.A. Long [oben S. 7 Anm. 19] 89 = ders., Studies 190). 18 laqueo cum expedisses: Zur Kampfmetaphorik s.o. zu Z. 9f. 19 cautius: Zur Vorsicht als Gegenpol zur temeritas s.o. zu 1, 5 (24f.). 19f. perfectum hominem ... inquisitorem diligentissimum veritatis: Dies bezieht sich auf 1, 9 (70-72). diligens ist öfter Attribut der Wahrheitssuche (s.o. zu 1, 6 [44f.]). 20-23 ipsaque illa defínitione ... praefidentius ... pugnasses: Dies bezieht sich auf 1, 9 (89-95), bes. Z. 92f.: quaero, utrum non secundum rationem vivat qui quaerit perfecte veritatem. - Zur Kampfmetaphorik (hier durch die p-Allitteration untermalt) s.o. zu Z. 9f. Die Form praefidentius ('allzu verwegen') ist nur bei Augustin bezeugt (auch ep. 155, 5). - Aus diesem negativen Urteil wird deutlich, dass der Lehrer Licentius' Interpretation der Glücksdefinition nicht teilt.
1, 24: Rekapitulation
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23 tibi plane reposuit; ... praesidium tuum: 'bezahlte er es dir prompt heim; ... Gemeint ist 1, 10, wo Trygetius die gegnerische Position (praesidium tuum) rundweg als error bezeichnet (Z. 17f.): nam errare est utique semper quaerere, numquam invertire. - Zur Kampfmetaphorik s.o. zu Z. 9f. 24 amiseras: Der Indikativ statt Konj. im Irrealis steht besonders dann, "wenn das Verbum des (in der Regel voranstehenden) Nachsatzes mit rhetorischem Nachdruck eine noch nicht vollendete Handlung als schon vollendet hinstellt; so steht besonders das Plusquamperfekt" (KS 2, 2,403). - indutiae: Die Metapher des 'Waffenstillstands' bezieht sich auf die Verschiebung der Diskussion auf den nächsten Tag in 1, 10 (20ff.). Zur Kampfmetaphorik s.o. zu Z. 9f. 25f. ubi enim arcem locaverunt Academici ..., nisi in erroris definitione?: Durch diese rhetorische Frage wird die Aufzählung der Gesprächsschritte unterbrochen; dadurch wird der Inhalt der Frage umso mehr hervorgehoben. Zum Bild der 'Burg' oder 'Festung' der Philosophie bzw. einer philosophischen Schule vgl. beata ν. 10 (91f.): ipsam, inquam, prorsus, mater, arcem philosophiae tenuistv, ord. 1, 32 (56f.): summam philosophiae arcem-, Cie. div. 1, 10: arcem ... Stoicorum (Gunermann 137f.; zur bildhaften Verwendung von arx vgl. Cie. Tusc. 2, 58; TLL 2, 741, 15ff.). - Die Definition des Irrtums kann wohl deswegen als 'Festung' der akademischen Skeptiker bezeichnet werden, weil sich Skeptiker und Dogmatiker darin einig waren, dass der Weise nicht irren dürfe (s.o. zu 1, 7 [23]). Das eigentliche skeptische Kernargument, dass jeder irrt, der seine Zustimmung nicht zurückhält, folgt aber nicht direkt aus der Definition des Irrtums, sondern vielmehr aus der Hinzunahme einer weiteren Voraussetzung, nämlich alle res seien incertae (s.o. zu 1, 7 [21-23]). - quorum tueris sententiam: Licentius' Standpunkt wird hier erstmals explizit der akademischen Skepsis zugewiesen (ebenso noch unten 1, 25 [56]). 26-29 nisi ... rediret in mentem, ... non habebas, cum ... commemo· raveris: Zum Indikativ habebas im Nachsatz der potentialen Periode s.o. zu 1, 5 (17). Der Konj. Perf. commemoraveris (statt Plqpf.) ist auf die Gegenwart, d.h. auf das Urteil des Redenden bezogen (dieses Phänomen ist besonders häufig in kausalen und konzessiven cwm-Sätzen, zumal bei Cicero; vgl. KS 2, 2, 189f.; LHS 551; an der vorliegenden Stelle liegt ein konzessiver cum-Satz vor). - Die Junktur sententiam exponere auch 2, 10 (22f.) (weitere Belege bei Fuhrer z.St.). Die vorliegende Stelle bezieht sich auf 1,11 (36f.): error mihi videtur esse falsi pro vero approbatio. Die Angabe, dass Licentius diese Definition des error wohl über Nacht wieder eingefallen sei, wurde als Argument für die Zuweisung der Definition zum Hortensius verstanden (so Ohlmann 40f.).
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Dass das Konzept des error im Hortensius wohl tatsächlich thematisiert wurde, ist auch unabhängig von 1, 11 ersichtlich, nämlich aus dem CiceroReferat in 1, 7 (21-23): si incertis rebus esset assensus, ... liberari errore non posset·, auf diese Stelle bezieht sich die vorliegende Aussage cum ... commemoraveris. Zur Problematik der Zuweisung von 1,11 (36f.) zum Hortensius s. z.St.; zum Motiv der Gedächtnislücken der Schüler auch oben S. 20f. 29 deinde: Vgl. primo oben Z. 5. 29f. ad definitionem sapientiae. Dies bezieht sich auf die fünf Definitionen der Weisheit in 1, 13 (6); 1, 14 (22f.); 1, 16 (14f.); 1, 23 (36f. und 4143). 30f. quam ... labefactare conareris: quam alliteriert mit quanta, quantis (Z. 32), quam (Z. 33), qua (Z. 35). Zur Formulierung vgl. Cie. ac. 2, 16: definitiones labefactare. - Dies bezieht sich auf Licentius' ausführliche Argumentation in §§ 17-18 im Anschluss an die dritte Weisheitsdefinition (nicht auf die beiden kurzen Einwürfe am Ende von § 22 [Z. 16-23]; gegen Doignon, Leçons 76 Anm. 33). 31 tua furta: Die 'Kniffe' dürften sich insbesondere darauf beziehen, dass Licentius in §§ 17-18 eine Voraussetzung des Gegners benutzt (nämlich dass Wissen möglich ist), die mit seiner eigenen Position unvereinbar ist (s.o. zu 1, 22 [17f. und 18-20]). In furta steckt zusätzlich eine Anspielung auf das Beispiel des Diebstahls, den Albicerius aufdeckte (1, 18 [28-33]). 31f. auxiliator tuus Albicerius: auxiliator ist erst ab dem 1. Jh. n.Chr. bezeugt (zu den Nomina auf -tor s.o. zu 1, 15 [42]: definitor). - Zur Person des divinus Albicerius s.o. zu 1, 17 (20). 32f. quanta tibi vigilantia ... depressit: Dies bezieht sich auf Trygetius' Rede in 1, 19-1, 22 (16) (keinesfalls auf den kurzen Wortwechsel am Anfang von 1, 23 [Z. 24-28]; gegen Doignon, Leçons 76; s.o. zu 1, 19 [1]). 34f. tua definitione nova ... humanam esse sapientiam ...: Dies bezieht sich auf die fünfte Weisheitsdefinition von 1, 23 (Z. 40-43: etenim ut iam ipse explicem definitione quod sentio, sapientia mihi videtur esse rerum humanarum et divinarum, quae ad beatam vitam pertineant, non scientia solum sed etiam diligens inquisitio) und auf die daran anschliessende Zuweisung des Wissens an die Götter und der Suche an die Menschen. Entsprechend zu der aus dieser Zuweisung folgenden Unterscheidung zwischen menschlichem und göttlichem Glück (1, 23 [56f.]) spricht Augustin hier spezifisch von der m e n s c h l i c h e n Weisheit, die den Gegenpol einer göttlichen Weisheit impliziert. Zu diesem Standpunkt des Licentius vgl. 1, 9 (68-72) und z.St.; bes. 1, 9 (70f.): hominis autem finis est perfecte quaerere veritatem. 35f. propter animi tranquillitatem: Vgl. 1,23 (52f.): in se atque in deum semper tranquillus intenditur, zum Konzept der Seelenruhe s.o. zu 1, 11 (43).
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36-38 huic iste sententiae non respondebit, praesertim si... reddi sibi grátiam postulábit?: Cursus velox. "Dieser These soll er nichts erwidern können, zumal wenn er um den Gefallen (eines Aufschubs wenigstens für den Rest des Tages) bittet?" (Voss). Dass es sich hier um eine Frage handelt, ergibt sich aus Z. 2f.: non puto ... etiam huic argumenta defutura, si eum otiose quaerere permittamus. Mit dem Demonstrativpronomen huic wird das letzte Glied der Aufzählung hervorgehoben (nachdem vorher relative Anschlüsse verwendet wurden; s.o. zu Z. 4f.). Zu partikellosen Fragen vgl. LHS 460: "Auch in klassischer Sprache, besonders bei Cie., sind unwillige Fragen jeder Art, vor allem die durch ein betontes Personal- oder anderes Pronomen mit oder ohne et eingeleiteten oft partikellos" (vgl. auch KS 2, 2, 501-503).
1,25: Fazit 39 ne longum faciamus,...: Diese Wendung, die das Ende der Texteinheit einleitet, ist nicht geläufig (vgl. noch Hör. sat. 1, 3, 137 und 2, 1, 57: ne longum faciam). Zu sermo, 'Dialog', s.o. zu 1, 16 (5). 41 pro suseepto negotio: Was damit gemeint ist, wird unten Z. 43-45 zusammengefasst (s. zu Z. 43f.). 41 f. quae ... posset... finiri, nisi exercere vos vellem: Potentialis der Vergangenheit. - Tatsächlich bedeutet das Fazit des ersten Buchs (s.u. Z. 4349) inhaltlich keinen Fortschritt gegenüber dem Anfang (s.u. zu Z. 46-49). Dieses Defizit wird aber durch den Aspekt der dialektischen Übung wettgemacht (s.o. S. 9-13). Die Übung ist wiederum ist nicht etwa blosser Selbstzweck, sondern bleibt stets der Wahrheitssuche verpflichtet (s.o. zu 1, 8 [36f.]). Zur wichtigen Rolle der dialektischen Übung vgl. Acad. 2, 17 (28f.): disputatio suseepta sit exercendi tui causa et ad elimandum animum provocando, 3, 6 (52f.): videris enim iam mihi exercendi tui causa disputare", sol. 1, 27; 2, 34: ñeque nunc per istos circuitus aliud quam exercitationem tuam ... operamur; an. quant. 25; mag. 21. In Acad. 2, 22 (15-17) wird die spielerische Komponente der Übung als Vorbereitung auf den Ernst der Philosophie betont (vgl. Fuhrer z.St.). Das Verständnis der Dialektik als Übung (γυμνασία) ist traditionell (z.B. Arist. Top. 1, 2. 101a 27). 42f. nervosque vestros et studia ... explorare: 'eure Ausdauer und eure Studien ... zu prüfen'. Vergleichbar ist die Gegenüberstellung von Talent und Bildung in Acad. 2, 17 (33-36): eruditio autem diseiplinarumque copia si te deficit, non usque adeo tarnen ingenium tuum esse debet invalidum, ut ... succumbas. Der Vergleich zeigt, dass studia an der vorliegenden Stelle nicht
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Contra Académicos
'Neigung' (Voss) oder 'ardeur' (Doignon, Etat 57) o.ä. bedeutet. Vgl. auch 1, 4 (94f.) (zu Z. 43 zitiert) und 1, 25 (53f.). 43 quae mihi magna cura est: Diese Angabe bezieht sich hauptsächlich auf studia, für die sich Augustin auch selber verantwortlich fühlt (s.o. zu 1,4, [94f.]: eos ad. studia hortans atque animans\ vgl. auch die Mahnung in 3, 45 [49f.]: legite Académicos). 43-45 cum instituissem vos ad quaerendam veritatem ... hortari, coeperam ... quaerere, quantum in ea momentis poneretis: Der Vorsatz, die Schüler zur Wahrheitssuche anzuspornen, schlägt sich in der Thematik nieder, die Augustin für Acad. 1 wählt (vgl. 1, 5 [2f.], unten zu Z. 46 zitiert). Der Vorsatz wiederum seht in Einklang mit dem Motiv der Protreptik zur Philosophie des Proömiums (s.o. S. 8). 46 omnes ..., ut plus non desiderem: Dies wurde schon aus der Antwort auf die erste, suggestive Frage des Dialogs deutlich (1,5 [2-4]: numquidnam dubitatis, inquarti, verum nos scire oportere? - minime, ait Trygetius ceterique se vultu ipso approbasse significaverunt). 46-49 nam ... perquirenda est: Das Subjekt Veritas wird aus dem Einschub sive ... inventa sive ... quaesita veritate erschlossen. Fazit von Acad. 1
ist somit, dass die Wahrheitssuche notwendige Glücksbedingung ist. Die Grundalternative von Acad. 1, die im Einschub sive ... sive ... wiedergegeben ist (vgl. 1, 6 [40f.]), wird damit aber nicht entschieden. Da die Wahrheitssuche als notwendige Glücksbedingung nie in Frage gestellt worden ist, wird somit gegenüber dem Anfang des Dialogs in dieser Hinsicht keinerlei Erkenntnisgewinn erzielt (s.o. S. 9). 47 cum beati esse cupiamus: S.o. 1, 5 (13f.) und z.St. 51 relatam in litteras mittemus: S.o. zu 1, 4 (88-90): nam disputationem ... relatam in litteras tibi misi. - potissimum patri tuo: 'in erster Linie deinem Vater' (eine weitere Verbreitung des Dialogs über den Adressaten Romanianus hinaus ist somit von Anfang an intendiert). Die Erwähnung von Romanianus schlägt einen Bogen zurück zum Proömium (vgl. Voss, Dialog 201). Zur Protreptik gegenüber Romanianus s.o. zu 1, 1 (21f.: ad quam te invito philosophia). 52 cuius erga philosophiam ... animum teneo: 'dessen Neigung für die Philosophie ich ... kenne'. Zu Romanianus' Begeisterung für die Philosophie vgl. 1, 4 (85-87): ad quam (seil, philosophiam)... quo te incitarem, quamvis tuam sitim bene noverim, gustum tarnen mittere volui (s. z.St.); 2, 3 (1) mit Fuhrer z.St. 52f. sed adhuc quae admittat (seil, ad philosophiam) quaero fortunam: Zur Bedeutung von fortuna für den Zugang zur Philosophie s.o. zu 1, 1 (1-3) und 1, 1 (7-10): ut divinum animum mortalibus inhaerentem nequaquam sapientiae portus aeeipiat, ... nisi eo ilium ipsa (seil, fortuna) vel secunda vel
1, 25: Fazit
217
quasi adversa perducat. fortuna kann an der vorliegenden Stelle als 'günstige Gelegenheit' verstanden werden (so Hensellek 152 § 29 mit Verweis auf Verg. Aen. 9, 240: si fortuna permittitis uti; vgl. auch die Übersetzung von Voss: "glückliche Stunde"). 53f. incendi autem in haec studia vehementius poterit, cum te ipsum... sic vivere ... cognoverit: Üblicher als incendi in ('sich entflammen für') ist incendi ad (vgl. TLL 7, 1, 870, 15f.). Zur Wirkung des Vorbildes s.o. S. 8f. Die Formulierung sic vivere zeigt, dass die Hinwendung zur Philosophie die gesamte Lebensweise betrifft (vgl. 1, 5 [20f.]: in veritatis inquisitione vivere). Entsprechend können als Beispiele für menschliche auetoritas diejenigen gelten, qui... non vivunt aliter, quam vivendum esse praeeipiunt {ord. 2, 27 [46-49]); vgl. auch ord. 2, 28 (1-6): permagna, inquit, vitae imago abs te ante oculos nostros cum piene tum breviter constituía est, cui quamvis cotidianis praeeeptis tuis inhiemus, tarnen nos hodie cupidiores flagrantioresque reddidisti. ad quam, si fieri posset, non solum nos verum etiam cunctos hommes iam pervenire et eidem inhaerere cuperem. An der vorliegenden Stelle schwingt wohl auch der Wunsch mit, dass Romanianus nach Cassiciacum komme (s.o. zu 1,1 [13]). 54f. non audiendo solum verum etiam legende: Gegenüber mündlichen Nachrichten (die Romanianus durch seinen Sohn Licentius erhalten konnte) wird der Lektüre hier eine eindringlichere Wirkung auf den Rezipienten zuerkannt (zur Rolle der Lektüre s.o. S. 1 lf.). 55-57 tibi autem, si, ut sentio, Academici placent, vires ... validiores para: vires parare auch in Aug. ord. 1, 20 (64f.); s.o. zu 1, 24 (9f.) (militär. Metaphorik). - Licentius' Position wird hier wie schon in 1, 24 (25f.) explizit als 'akademisch' charakterisiert (vgl. Cary 143). Auf die vorliegende Stelle bezieht sich Acad. 2, 18 (58f.): in vires tuas redi, quas ut congereres undeunde posses patronus Academiae futurus, longe ante monueram. Licentius verteidigt den skeptischen Standpunkt gegen Augustin in 2, 10-19. Augustins Hauptgegner in Acad. 2 und 3 ist allerdings Alypius (vgl. 2, 8 [38f.]: cum Alypio ... confligam), denn der Schüler ist der anspruchsvolleren Argumentation gegen die Skeptiker noch nicht gewachsen (er gibt sich in 2, 19 geschlagen). Die Auseinandersetzung mit Alypius erfolgt in 2, 24-3, 13. 57 illos ego accusare decrevì: Damit wird nicht nur die Weiterführung der Diskussion (s.o. zu Z. 2f.), sondern gleichzeitig auch die Thematik der folgenden beiden Bücher angekündigt (zu diesem Topos vgl. O'Meara, Hist. 166). Auf die vorliegende Stelle bezieht sich Acad. 2, 10 (8f.): ad retractandam quam distuleramus de Academicis quaestionem. Augustin ist accusator Academicorum in 2, 22 (lf.); vgl. 2, 24 (25f.) (Augustin): contra eos ipsos non invitus armabor. Das Hauptthema des Dialogs ist aber nicht erst in Acad. 2 und 3, sondern schon in der Auseinandersetzung der beiden Schüler
218
Contra Académicos
in Buch 1 präsent, indem sich Licentius in § 7 für seine Position offenkundig auf Ciceros akademisch-skeptische Philosophie beruft und Trygetius die Gegenposition einnimmt.8 Neu ist hingegen, dass Augustin selber einen Standpunkt vertreten will und sein Argumentationsziel schon hier in aller Deutlichkeit offenlegt. Dieses Ziel bedingt die Widerlegung der in § 7 referierten Grundsätze, dass nichts erfasst werden kann und dass die Zustimmung zurückgehalten werden muss (diese Widerlegung erfolgt in 3, 18-36). 58 prandium paratum esse: Die Erwähnung des Essens hat gliedernde Funktion; vgl. Acad. 2, 13 (56f.): mater nostra ... ita nos trudere in prandium coepif, 3, 6 (69f.); ord. 2, 18 (dazu J. McWilliam, Académicos, Contra, in A.D. Fitzgerald [s.o. S. 177 Anm. 69] 3). Daneben wird kulinarisches Vokabular auch metaphorisch für den Erkenntnisprozess verwendet (s.o. zu 1, 4 [85-87]); dadurch ergeben sich auch an der vorliegenden Stelle zusätzliche Assoziationen. 59 átque surréximus: Cursus tardus. Eine übertragene Bedeutung des Aufstehens im Sinn eines Erkenntnisfortschritts nimmt H.H. Gunermann (oben zu 1, 3 [67]) 203 mit Anm. 89 an (in Bezug auf ord. 1, 22 und 1, 25); vgl. oben zu 1, 24 (10f.). Ein ähnlicher Buchschluss ist Cie. div. 2, 150: quae cum essent dicta, surréximus.
8
Voss, Dialog 207f. betont die Uneinheitlichkeit des Werks zu stark, wenn er sagt, Gegenstand der folgenden Bücher sei "eine im ersten Buch eher beiläufig vorgebrachte Auffassung, dass nämlich die Wahrheit nicht erkannt werden könne" (immerhin begründet Licentius mit dieser Auffassung in § 7 seine Position). Der Ausblick in Z. 55-57 auf das folgende ist daher keineswegs nur "eine schriftstellerische Massnahme zur Verbindung der Werkteile" (ebd.).
Anhänge Anhang I Corrigenda zu CCL XXIX 2,2 pp. 3-18: Stelle Seite Zeile 4 66 uternoque 1,3 1,3 4 68 quid 5 85 auiudius 1,4 47 es 6 1,6 7 16 excidsse 1,7 12 35 opinior 1,14 1, 16 12 11 defensione 13 16 diua 1,17 14 9 false 1,19 14 31 numerandam 1,20 1,22 15 12 frutraque 1,22 15 19 sa 1,23 16 28 nulio
veternoque quod avidius est excidisse opinor defensio diu falsa numerandum frustraque a nullo
Anhang II An folgenden Stellen weicht der Text, den der Kommentar zugrunde legt, von Greens Text ab: Stelle Seite Zeile 3 3 patitur, patitur. 1,1 1,5 5 8 puto, puto. 1,8 55 enim, inquit, audeam enim audeam 8 1, 13 11 17 nemo? nemo. 1, 13 11 18 est? - concessi est? concessi 1,13 11 18f. solam. - definitio solam. definitio 11 28 dici; dici. 1, 14 12 37 et at 1, 14 14 7 1,19 perfectum perceptum 14 12f. aruspicibus haruspicibus 1, 19
Anhänge
220 1,22 1,22 1,22 1,24
15 15 15 17
3 4 6 38
nesciebat, existimara attingit? postulabit.
nesciebat? existimas attingit. postulabit?
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Lorenz Lütcke, Auct. I
Lütcke, Auct. II Madec, Hortensius
Madec, Christus
Mandouze
Markus, History Markus, Magic Marrou
Mayer / Chelius
Metz
Mohrmann Most Mourant Nörregaard
229
1987) / Die hellenistischen Philosophen. Texte und Kommentare. Übers, von K. Hülser (Stuttgart/Weimar 2000). Lorenz, R. Fruitio dei bei Augustin, ZKG 63 (1950) 75-132. Lütcke, K.-H. »Auctoritas« bei Augustin. Mit einer Einleitung zur römischen Vorgeschichte des Begriffs (Stuttgart etc. 1968). Lütcke, K.-H. Auctoritas, AL 1 (1986-1994) 498-510. Madec, G. L"Hortensius' de Cicéron dans les livres XIII-XIV du 'De Trinitate', REAug 15 (1969) 167173. Madec, G. Christus, scientia et sapientia nostra. Le principe de cohérence de la doctrine augustinienne, RecAug 10 (1975) 77-85. Mandouze, A. Prosopographie chrétienne du basempire, Bd. 1: Prosopographie de l'Afrique chrétienne (303-533) (Paris 1982). Markus, R.A. Saint Augustine on History, Prophecy and Inspiration, Augustinus 12 (1967) 271-280. Markus, R.A. Augustine on magic: A neglected semiotic theory, REAug 40 (1994) 375-388. Marrou, H.-I. Saint Augustin et la fin de la culture antique (Paris 41958) / Augustinus und das Ende der antiken Bildung, übers, von L. Wirth-Poelchau / W. Geerlings, hrsg. von J. Götte (Paderborn etc. 21995). Mayer, C. / Chelius, K.H. (Hgg.) Internationales Symposion über den Stand der Augustinus-Forschung vom 12. bis 16. April 1987 (Würzburg 1989). Metz, W. Augustinus - Studium Sapientiae im Gespräch, in: K. Jacobi (Hg.) Gespräche lesen. Philosophische Dialoge im Mittelalter (Tübingen 1999) 2338. Mohrmann, C. Etudes sur le latin des chrétiens I (Rom 21961). Most, G.W. (Hg.), Collecting Fragments. Fragmente sammeln (Göttingen 1997). Mourant, J.A. Augustine and the Academics, RecAug 4 (1966) 67-96. Nörregaard, J. Augustins Bekehrung. Übers, von A. Speimeyer (Tübingen 1923).
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O'Meara, Porph. I O'Meara, Porph. II
Pfeffer Pfligersdorffer
Plasberg Reale
Rist Ruef
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Bibliographie
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3. Aufsätze - Monographien
Schmidt
Schofield et al.
Schrijnen
Solignac
Steinmetz
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Thimme
Thorndike
Trombley
van der Nat Voss, Dialog
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120 122 .62 207 Α. 94 165 165 .59 184 165 70 A. 18
9-11 1 Cor Ï, 24 8, 1 12, 8 12, 10. 2 Cor 4, 16 Col 2, 3 2 Th 3, 10 Io 14, 6
.208 40; 72 185 159 155 70 A. 18 159 144 .72
Antike Autoren Accius (Dangel) 264f.
196
Alkinoos Intr. 1
158
Ambrosius Isaac 62 4, 11 51; 56 8, 78 44+A. 26; 55; 206 in Luc. 7, 220 35 virg. 2, 2 50 Ammian 22,7,7 28, 1,7 Aphthonios Prog. 13
115 187 87
Apuleius mag. 42. met. 11, 15 Plat. 2, 6. Socr. 4 6 9-13 16 Aristoteles An. post. 1, 1. 71a. Cael. 1, 3. 270b EE 1,4. 1215b 3, 5. 1232a EN 1, 1-4 1, 1. 1094a
161 .43; 45 158 196 177 Α. 73 178 Α. 75 184 187 77 77 .91 A. 38 187 .77 77
234
Indices
1, 2. 1095a 7 A. 20 1,4. 1095a 77 1,8 30 1, 10. 1099b 133 4,8. 1124b 187 4, 8. 1125a 187 10,2. 1173a 77 10,7. 1177b-1178a 82 10,7. 1178a 82 HA 4, 8. 534b 186 Metaph. 1, 1. 980a 77 1,2. 982b 111; 165 Ph. 2,4. 196b 38 3, 6. 206a 75 Pol. 1, 1. 1252a 77; 80 Protreptikos (Düring) 77 Β 23 85 Β 29 186 Β 59f. 85 Β 59-62 82f. Β 62 83 Β 65 91 A. 38 Β 93-96 83 Β 103 91 A. 38 Β 106 31 Α. 8; 32 Α. 12 Rhet. 1, 2. 1356b 50 1,5. 1360b 77 SE 171b 105 Top. 1, 2. 101a 215 1,5. 101b 81 1, 8. 103b 127; 134 6, 3. 140b 127 Arkesilaos (Mette) Τ 5a, 7 F 2, 21f. F 9, lOf. F 15 Arnobius nat. 1,24,2 6, 16
97 98 97 111 173 A. 60 27
Artemidor 2, 69
165 A. 53
Augustin Acad. 2. 29; 200 2-3 .4 A. 14; 5; 88; 210; 217 2, 1 .27; 30; 33; 34; 35; 37; 41; 52; 72 A. 27; 89; 94; 210 A. 6 2, 2 .28; 34; 59; 60; 187; 189 2, 2-3 .29 2, 3 .35; 41; 44; 54; 139; 216 2,4 7 A. 23; 34; 35; 37; 54; 55; 59; 80; 126 2, 5 .34; 46 A. 29; 52; 54; 60 2, 6 36; 41; 61; 182 2,7 .41; 55; 112; 127; 165 2, 8 .35; 41; 42; 43; 54; 56; 60; 190; 217 2, 9 37; 58; 86; 121 2, 10 11 A. 35; 62; 73; 75; 104; 106; 122; 144; 156; 213; 217 2, 10-15 .74 2, 10-19 217 2,11 4 A. 14; 97; 80; 87; 89; 93; 98+A. 46; 99; 100; 102; 123; 201; 203; 204; 212 2, 12 101; 198 2, 13 .218 2, 14 .73; 101; 143 2, 15 104 2, 16 89; 119; 124; 139; 149 A.17 2, 16-20 11 A. 35 2, 17 12 Ä. 36; 16 A. 54; 73; 104; 105; 139; 143; 156; 215 2.1 8 35; 61; 89; 217 2 . 1 9 .84; 129; 134; 139; 198 2, 20 84; 88 2.2 1 .75 2 . 22 34; 65; 121; 215; 217
1. Stellen 2,24 2 2 2 2 2 2 2 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3
38; 94; 103; 121; 124; 217 24-3, 13 217 25 73; 122; 144; 199 26 87; 107; 110; 212 27 93; 94; 172 28 163 89; 121; 122; 144 29 30 99; 108; 121 68; 200 1 73; 80; 108; 108; 121; 122; 145 2 28; 29 Α. 6; 30; 33 2f. 30 2-4 29; 37 3 29 Α. 6; 60; 110 5 158; 159; 204 6 92; 159; 204; 215; 218 7 61; 64 9 27; 110 12 94 13 74 14 94 15 94 16 84; 89; 129 17 129; 134 18 155 18-29 98 18-36 218 20 110; 111; 134; 207 22 98; 99; 137; 201 22f. 93 23 98 24 101 26 57; 73 27 68 Α. 7; 69 Α. 12; 82 29 105 30 27; 104 30-36 101 31 19 Α. 69; 96; 100; 123; 156
235 3,32 3,34
100; 101 54; 55; 101; 117; 128; 134 3, 36. 37 3 , 3 7 36; 41; 57; 72 Α. 24; 192 3, 38 41; 108 3, 39 72 Α. 24; 93 3,40. 93 3,41 41; 59; 94 3,42. 33; 56 3,43 .51; 94; 95; 109 3,44. 121; 139 3,45 12 Ä. 37; 63; 121; 139; 210; 216 an. et or. 2, 3 .57 an. quant. lOff. 82 24 104 25 .215 47 127 49 170 58 170 71 183 beata v. 5; 12; 61; 68+A. 10; 73; 119 1 .27; 31; 32; 45 1-6 .27 Α. 4 2 30; 33; 43¿; 52; 53; 54 3 .44; 59; 188 4. 15 Α. 44; 31 Α. 11; 41; 54; 211 6 62; 63; 166 7 79 8 167 9 .62 10. 12 Α. 38; 76; 213 11 43; 68 Α. 8 12. .79 13 .69 Α. 10 13f. 62; 79 14. 79; 87; 138; 139 14f. 69 Α. 10; 89
236
15 65; 74 17 62; 122 19 79 20 69 A. 10; 89 22 181 A. 85 23 122 24 115 25... 68 Α. 7; 69 Α. 12; 92; 145 26 46 A. 30; 49 28 51; 135; 204; 211 31 39 32 145 34 72 A. 27 34f. 59 A. 38 35 52; 58; 68 A. 9; 188 36 121 cat. rud. 3 143 10 39 160 A. 46; 173 civ. 2, 24 2, 26 115; 188 A. 88 2, 29 52 3, 11 173 4, 30 100 5 149 A.16 5, 1-7 154 A. 36 5, 1-9 149 A . 1 6 5,5 160 A. 46 5,7 179 A. 82 6, 2 158 7,6 196 7, 27 184 7 A. 22 8,3 8,8 69 A. 14 8, 10 69 A. 14 8, 14-22 178 A. 76 8, 15 184f. ; 186 8, 17 184 8, 18 177 A. 73; 178 A. 79 8, 20f. 177 A. 73 8, 22 178 A. 78+79;184 178 A. 76; 184 9, 3
Indices
178 A. 79 55 184 184; 185; 188 185;188 31 A. 10;112 76 184; 191; 195 161; 176 A. 65; 178 A. 77 10, 14 42 10, 26 195 11,3 57 12,4 38 13, 19 31 A. 10 13,24 70 A. 18 14, 2 131 14, 25 71 A. 19 15,27 189 18, 23 163 7 A. 22; 100 19, 1 19,4 70 A. 16+17; 71 A. 19 19, lOf. 71 A. 19 100 19, 18 188 21,8 184 21, 10 22, 22 41 22, 30 71 A. 19 12 A. 37;19 conf. 207 1,3 54 1, 17 2, 1 207 61 3, 1 3 , 7 15 A. 46+48; 54; 63 A. 42 3,8 19 A. 66; 94 61 3, 10 4, 1 47f.; 53; 56 43 4,2 4, 3..154 A. 33; 173; 177 A. 69 4,4...154 A. 34+35; 164 A. 52; 195 9, 9 9, 17 9, 19 9,20 9, 22 10, 29 10, 1 10,9 10, 11
237
1. Stellen 193 A. 89 154 A. 34; 164; 179 A. 80; 188 164; 187; 179 A. 80 4, 6 194 5,3 54 5, 16 5, 19 3 6 A . 1 8 ; 9 8 A . 46 6, 12 56 6, 13 75 6, 17 61 15 A . 4 4 6, 18 6, 19 19 A. 69; 60 6,24 55; 66 53 6, 9 154 A. 36; 164; 174; 7, 8 177 A. 66; 202 154 A. 34 7, 8f. 195; 149 A. 16 7, 8 - 1 0 7, 9 179 A. 80 179 A. 80; 187; 202 7, 10 7, 16 61 38 7, 19 7,21 72 A. 25 54 8 15 A. 47; 19 A. 69 8, 17 63 9, 2 54 9, 4 54 9, 13 7 0 A. 18 10,9 10, 29 70 A. 15 10, 30 70 A. 15 10,31 76 10,54 56 11, 17 143 166 Cresc. 1, 17 4,4f. 4, 5
cons. ev. 1,9-11 1,53
dial. 8 9 9f.
(¿¿v. qu. 45, :2
152 A. 26 72 A. 25 90 141 A. 7 81; 141 179 A. 80; 196
79 79, 1-4
154 A. 36 197 180 div. quaest. 83 31. divin. daem. 1 179 A. 80 7 184; 185; 186 9 185 10 169; 179 A. 80 11 167 12 179 A. 80 doctr. ehr. 2 1 5 1 A . 22 2, 30 1 7 3 ; 1 7 7 A. 66+68 2, 30-37 197 2, 32 196 2, 35 179 A. 80; 196 ench. 17 123 19 123 20 123 59 188 A. 88 153 A. 28 en. Ps. 5 7 , 4 153 A. 2 8 59, 11 173 73, 18 43 83,5 43 85, 16 91, 10 153 A. 28 93,20 153 A. 28 148,3 57 ep. 2 58 188 8 183 A. 87 8, 9. 188 9 185 9, 2f. 184 9, 3 62 27,4 108 29,9 31 62 44,2 65 55,20 197 A. 9 0 102, 18 178 A. 7 8 102, 32 148 A. 14 50; 2 0 5 104,3 104, 12 76
238 118, 15 70 A. 16 118, 33 195 130, 10 76 137,5 56 137,8 186 138, 19 177 A. 66; 195 143,5 31 147,4 57 147,7 56; 57 155,5 212 159,5 154 A. 38 162,5 188 A. 88 169,7 59 224,2 37 A. 20 246,2 153 A. 28 c. ep. Pel. 2, 12 194 c. Faust. 12, 2 108 20,5 76 c. Felic. 106 c. Fort. 106 c. Iul. 15 A. 49 2, 5 211 4,71 36 c. Iul. 4, 72 44 4,78 31 A. 8; 32 A. 13; 43 211 c. Iul. imp. 3, 38 57 4,69 5, 55 76 6, 12 76 6,26 76 Gn. litt. 2, 17 184; 188 184 3, 10 4, 8 58 31 A. 8 6, 9 12 155 A. 41 155 A. 42 12,9 12, 13 155 A. 42 185 12, 17 189 12,21 12, 22 179 A. 80; 188 12, 30 188f. ; 196
Indices
Gn. adv. Man. 2. 22 32 Io. ev. tr. 7, 7 153 A. 28 97,3 195 lib. arb. 1, 10 35; 36 A. 18 1,67 86 1,77 123 1,99 76 2, 11 172 2, 29 170 2, 29ff. 57 A. 35 2,97 102 2, 101 76; 120 2, 103 70 A. 15; 142 2, 160 142 2, 194 170 3, 179 123 3, 188-202 31 3, 198 31 3,209 211 3,265 43 mag. 2 70 A. 18 15 109 21 215 57 39 43 81; 139; 140;178 A.75 46 39; 76 mor. 1,4 76 27 1,32 76 1,35 56 1,37 2, 10 38 82 mus. 1, 2 31 6, 30 6, 50 191 181 A. 84 6,51-55 208 nat. b. 41 73 ord. 42 1, 1 38 1,2 192 1,2f. 34; 56; 57; 58; 207 1,3
1. Stellen 40; 55; 156 1,4 1,5 54; 55; 63; 64; 65; 79 1,7 74; 79 1,9 33; 145; 156 1, 10 59 1, 11 38 186 1, 14 1, 16 143; 189 189 1, 17 1, 18 143 189;212 1, 19 1,20 65; 104; 145; 217 1,21 60 1,22 165; 218 1,24 41; 207 1,25 218 1,26 65; 121 1,27 54; 64; 65; 211 1, 28... 82 A. 31; 140; 188; 189 1,29f. 65; 103 1,30 54 12A. 39; 41 1,31 1,32 52; 213 54; 121; 120 1,33 74 2, 1 2,2 122 2,4 140; 143 2,6 86 20 A. 74 2,7 2, 13f. 190 2, 16 36; 39; 59 A. 38; 109 2, 18 218 2,21 145 2.24 40:41:59 2,24-26 109 2,26 68 A. 9; 109; 111; 155; 172; 208 2, 26f. 59 A. 38 2,27 29 A. 6; 41; 109; 152 A. 25; 191; 217 2, 28 186; 217
239 2,29 60 2, 30 31 Α. 10; 109 2,31 31 Α. 10 2, 35-43 190 2, 38 40 Α. 23 2,42 152A. 25; 197 A. 90 2,44 58 2, 45 35; 125 2,47 58 2, 50 120; 121 2,51 38; 40; 53; 58 2, 52 34; 88 2, 54 121 retr. 69 55 1, 1, 1 1, 1, 2 32; 33 A. 14; 37; 57; 69 Α. 11; 122 69 Α. 12 1, 1,4. 68 Α. 8; 69 Α. 12 1, 2. 57 1, 3, 2 1,4,3 58+Α. 37 69 Α. 12 1, 14,2 2, 30 185 153 Α. 28 s. 9, 17 78,3 59 59 79 117,5 58 150,8 70 Α. 16 150, 10 71 Α. 19 156,7 70 Α. 16+17 185 243,5 71 Α. 19 306,7 356,3 79 s. Dolbeau 2 4 , 7 167 153 Α. 28 s. Mai 105, 1 Simpl. 1, 2, 3 196 sol. 1, 1 65 52; 188 1,2 52; 61 1,3 1,9 189 57 Α. 36; 125 1, 12.
240 68 A. 9 1, 13 58;110 1, 15 15 A. 47; 53 1, 17 1,22 41 1,24 36; 56; 59 1,25 35 72 A. 25; 215 1,27 72 A. 25 1,29 1,30 34 2, 3 123 2, 8 72 A. 25 2,20 81; 128 2,21 81 72 A. 25 2, 28 2, 32 115; 189 2, 34 215 trin. 2, 5 76 3-4 154 A. 36 3, 12 179 A. 80 184 3, 13 52 4,1 195 4, 13 4,21 175 4, 22 185 4, 23 176; 179 A. 80 72 A. 25 4,24 123 9, 16 189 11,7 12-14 17; 181 44 12, 14 12,21f. 181 13-14 15 A. 49; 83; 84; 159 181 13.6 13.7 7 A. 22; 23 A. 84; 76+A. 28; 83; 100; 181 48; 76; 84 A. 33 13.8 76 13.9 13, 10...43; 70 A. 17; 71 A. 19 76 13,11 159 13,24 76 13,25
Indices
14, 3 14, 11 14, 12
159;180; 181,205 69 A. 14; 84 32 A. 12; 43; 83; 111; 181+A. 84 14, 26 80; 83; 84; 181; 205 util. cred. 1 41 2 60 2 61 4 52 157 13 20 8 A. 26 25 69 A. 12 72 A. 26 33 88 vera reí. 1 116 189 129 109 134 109 194; 197 A. 90 143f. 185 72 A. 25 72 A. 25 206 Ausonius 14, 18
161
Avellinus 12, 28
106
Boethius cons.
55
Caesarius von Arles s. 12,4 13,3 50. 1
174 173 173
Cato agr. 5,4 173 A. 60; 174 orat. Fr. 121 Sblendorio 130 Catull 64,250
120
Cicero ac. 1 1, 17
18; 63 96 A. 43 58
1. Stellen 30 1, 19 38 1,29 1, 30-32 57 1,32 142; 167 1,35 84 A. 33 1,38 84 A. 33 1,39 85 1,40 100 1,41 170 1,42 102; 142 1,43ff. 94 84; 97 1,45 2 149 2, 7 91A. 37; 103 2, 8 109 2,9 63 2, 16 214 2, 17 ...97 Α. 44; 140; 142; 144 2, 18 97; 142 2, 23 133; 170; 180 2, 30 142 2, 32 100; 115; 201 2, 34 58 2, 36 156 2, 36f. 99 2,47 98 A. 45; 149+A. 17+18; 150 2,49 139 2,49f. 150 2,51-53 150 2, 53 123 2, 54 100 2,60 90 A. 36; 109 2, 64ff. 94 2, 65 90 A. 36 2, 66-68 123 2, 66 84; 102; 123 2,67 201 2, 76 90 A. 36 2, 77 98 2, 83 97 A. 44
241 2, 108 101 2, 110 100 2, 115 171 2, 142 57 2, 145 171 2, 146 201 2, 148 201; 210 Att. 4, 6, 2 55 6, 2 , 2 75 144 8, 1,3.... 93 10, 1, 1 Balb. 49 93 Brut. 8 55 122 87 122 205 291 103 211 Cael. 24 41 53 Caecin. 95 124 cons. Fr. 12 van Wageningen 191; 208 de orat. 1, 39 46 A. 30 103 1,47 1,212 158 127 1, 189 81; 127 1,209 1,219 61 2, 108 81; 127 2, 145 55 2, 165 167 2, 367 120 97; 100 3,67 3, 114 103 3, 129 156 3,205 50 121 3,209 148; 149 A. 16 div. 1 148 A. 10 148 A. 11; 167+A. 55 1, 1 202 1,4. 1,6 147 A. 8; 148 A. 10
242 1, 10 213 172 A. 59 1, l l f . 1,24 169 1,34 172 A. 59 1,37 148 A. 10 1,39 148 A. 10 1,60 169 1,71 169 1,72 172 A. 59; 173 1, 113 172 A. 59 172 A. 59 1, 116 160; 162 1, 121 1, 132 173 A. 60; 196; 202 2 94 13 A. 42; 96 A. 43 2, 1 2, 8 176 A. 64 2,49 173 2,61 171 2, 88 147 A. 8 202 2,90 2,91 195 2, 97 147 A. 8 2, 99 169 2, 109 169; 173 A. 60 2, 128 110 2, 129 148 A. 12; 164 2, 150 89; 109; 218 /am. 13, 1, 3 130 94 fat. 130 23 fin. 1, 3 90 A. 36 103 1,27 133 1,42 61 1,72 94 2 81 2, 3f. 140 2,4 104 2,8 140 2, 18 39 2,20 46 A. 30 2, 22
Indices
2, 37 158 2,67 144 2, 80 103 2, 114 33 2, 119 210 3, 4 133 3, 26 87 3,31 103 3,48 36 A. 19 3,69 38 A. 21 3, 73 192 4 94 4, 17 29 4, 35 92 4, 63f. 36 A. 19 4, 80 210 5 94; 206 5, 15 133 5, 26 110 5, 38 85 5,40 83; 85 5,43 29 5,44 192 85 5,57 119 5,69 29 5,71 5,79 39 5, 84 30; 114 7 A. 21; 77 5, 86 Flacc. 101 119 Hort. (Grilli) 11; 12; 13-25; 30 Α. 7; 34 Α. 16; 36; 48; 53; 63; 64 65; 71; 77; 91 A.41; 93f.; 105; 123f.; 147 A. 5; 157; 170 A. 58; 213f. 14+A. 6 Fr. 24 141 Fr. 25-31 24 A. 87; 105 Fr. 32 Fr. 51 19 A. 69; 24 A. 87; 96+A. 43; 98; 100; 123 Fr. 52 19 A. 67
1. Stellen 133 61+A. 40 23 A. 84; 76+A. 28; 83; 181 Fr. 59: 59a: 59b 76 Fr. 64 43+A. 25; 134 44; 46 A. 30; 49 Fr. 67 Fr. 67-73 147 A. 5 Fr. 68 49 Fr. 71 46 A. 30 Fr. 72 181A. 85 Fr. 84 44; 83 A. 32 41 Fr. 88 Fr. 89 41; 190 190 Fr. 91 Fr. 93 19; 159 Fr. 94 23 A. 85; 159; 204 Fr. 95 17 A. 60; 18 A. 63; 22;181 Fr. 99 187 Fr. 104 187 Fr. 105 187 Fr. 106 15 A. 47; 19 A. 69; 43; 44 Fr. 107.. .17 A. 57; 21 A. 75; 95 Fr. 108 17 A. 58; 22; 114 Fr. 109 17 A. 58; 22; 115 Fr. 110 32 A. 12; 43; 83+A. 32; 96; 111; 112; 181+A. 84 Fr. 111 41 Fr. 112. ...31 A. 8; 32 A. 13; 43 Fr. 114 50; 205; 207 Fr. 115 19 A. 67; 24 A. 87; 80; 83; 84; 96; 112; 115; 181; 205; 207 inv. 1, 8 108 1, 10 130 1,91 127 2, 9 104 2, 55 130 Fr. 54 Fr. 57 Fr. 58
243 180 2, 159-164 108 2, 175 Lael. 25 89 89 leg. 1,4. 84 1, 19 212 1,23 41; 192 1,58 84 2, 8 212 2, 11 122 3, 13 212 Mur. 30 137 33 102 61 nat. deor. 1, 6 89; 144 1, 10 109 90 A. 36; 144 1,11 88 1, 17 1,55 172A. 60;175A.61 1,66 39 2, 29 85 181A. 84 3,38 85 2, 34 167 3,63 3,94 210 81 off- 1,7 90 A. 36 1, 13 187 1, 66f. 114 1, 103 1, 153 158 23 A. 85; 157; 159 2, 5 2, 6. 88; 133 2, 19 34 A. 16 3,20 104; 109 3,67 46 A. 30 3, 76 143 orat. 45f. 87 116 80; 143 117 127 208 106 part. orat. 77 187 Phil. 2, 12 93
244 2, 118 8,4 Plane. 60 rep. 1, 1 1,38 1,60 2, 70 3,8 6, 14 S. Rose. 47 Tim. 8 51 top. 9 10 12 31 32 35 79 83 Tuse. 1, 1 1,7 1, 13 1.23 1.24 1,44 1,49 1,52 1,75 2,4 2, 4f. 2, 12 2,47 2,51 2, 58 3,2 3,6 3, 36 3,46 3, 50f. 3,51
Indices
35 144 89 53 81; 127 85 120 90 A. 36 112 124 72 A. 25 41 81 167 167 142; 143 127 167 87 127; 204 133 63; 64 119 86 143 126; 206 109 192 206 18 A. 65; 96 A. 43 104 133 85 86 213 29 13 A. 42; 18 A. 65 29 90 A. 36; 104 103 104
4, 13 4, 53 4, 57 4, 82 4, 83 5 5, 1-5 5,2 5,5 5, 7 5, 9 . . . . 5, 33 5, 38f. 5,45 5,67 5, 70 5,78 5, 83
53 127; 143; 181 158 121 40 206 34 34+A. 16 43; 45 158 41 109 33 114 83 85 106 109
Verr. 1, 29 2, 1, 88 2, 2, 177
89 122 106
CIL 6,1,1178 6, 1, 503 8, suppl. 1 Nr. 17226
174 174 48
Cod. Theod. 1, 12,4 2, 8, 19 174; 9, 16, If. 9, 16, 3 153 A. 29; 9, 16, 4 9, 16, 6 9, 16, 9 9, 16, 12 16, 10, 1 16, 10, 9
164 63 197 197 174 174 174 174 174 174
Curtius Rufus 4. 4. 17
157
Cyprian Don. 3; 7; 8; 11; 12; 13..46 A. 29
1. Stellen Demokrit (Diels-Kranz) 68 Β 117 115 Α. 50 68 Β 18 189 68 Β 216. 165 Dio Cassius 49,43 57, 15 67, 18
165 Α. 53 165 Α. 53 183
Diogenes Laertios 1, 12 9, 107
Ill 125
Dion Chrysostomos or. 13
.27 A. 5
245 14, 1, 2 14, 1, 33 14, 1, 34
196 170 196
Herodot 1,47
161
Hieronymus adv. Pelag. 1, 22 in eccles. 9 epist. 39,4, 2.
104 .29 137
Horaz c. 1, 35, 38 3, 29,49-56 epist. 1, 14, 1 sat. 1,3, 137 2, 1, 57
.27 .29 34f. .215 .215 Ill 186
Ennius trag. 266-269 Jocelyn scaen. 319Vahlen
196 .202
Enoch-Buch
182
Epikur Epist. ad Men. 122 Fr. 199 Usener Fr. 242f. Usener
Jamblich Protr. 36, llPistelli. 36, 7-13 Pistelli.
61 36 140
Julius Victor (Giomini/Celentano) rhet. p. 52, llf. .77 p. 53, 5ff. 118
Ill
Juvenal 6, 578f.
161
183
Juvencus 4, 340f.
27
Epiphanios epit. haer. 3, 29f. Eunapios VS 6, 9 p. 470 Boissonade
Favorinus (Barigazzi) Fr. 3 149 Α. 16; 170; 196 [Flaccianus] De visionibus Sibyllae
164
Flavius Mallius Theodorus
.31
Galen hist. phil. 5
197 158
Gellius 6, 3, 36. 11,5, If. 11, 12, 1 14, 1
130 210 A. 6 141 A. 6 149 A. 16
Karneades (Mette) Τ 9a. F 14b F 8c
100 A. 48 140 .93 Ill
Klemens von Alexandrien Paed. 2, 2, 25 133; 158 3, 8 50 Protr. 2, 11, if. .202 Ä. 93 Lactanz inst. 1, 19f. 2, 14, 14 2, 16, 1 3, 15
.61 191 179 A. 81 133
246 3, 16, 12f. 3, 19, 3 3, 29, 13-17 6, 20, 8-36 mort.pers. 10, 2f,
Indices
19 A. 67 207f. 29 48 173
Ovid am. 2, 11, 5 ars 2, 535 trist. 2, 1,266 3, 2, 5
.27 115 119 119
Panaitios (von Straten) Fr. 98 Fr. 103-107 Fr. 106
180 180 187
Paulus Festus p. 60 Müller.
174
Livius 6, 6, 16. 21, 18, 12 23, 2 , 4 26, 7, 3 26, 9, 9
75 35 189 120 75
Lucan 3, 299
190
Petron 2,7
.54
Manilius 1,45
190
Philon von Larissa (Brittain) Test. 27
.97
Marc Aurel 9, 39
38
Marius Victorinus defin. 29f. 29, 34f.
127 128
Martianus Capella 483
167
Máximos von Tyros 26, 1
158
Minucius Felix 5, 1 14, 2 15, 1 27, 1 27, 1-3 27,2 30, 6 Nepos Thras. 1, 3
75 104 75 173; 175 179 A. 81 191 47 143
Numenios (Des Places) Fr. 26,109-111 100 A. 48 Orac. Sibyll. 8, 217-43....163 A. 51 Orígenes
62
Philostrat VA 8, 7, 3 8, 26ff.
165 A. 53 183
Piaton Ale. 1 133c Ap. 20d 21d 23a-b 41a Chrm. 164d 164e Cra. 398b Ep. 7. 334c-337e 7. 343b. 7. 344b. 7. 344b-c Euthd. 275a 278e Grg. 461d 462a 484c 505e 523a-526d
192 192 205 205 205 207 105 192 184 27 A. 5 141 91 A. 37 .207 133 .77 105 105 .61 91 Ä. 37 .207
247
1. Stellen 523c Lg. 697b Ly. 218c Men. 70a 97a-c Prm. 134a-e Phd. 62b 66a 67d 82e 113d-114c Phdr. 229e 237b-c 244b-d 246a-256e 247c 250c 265b 278d PA». 58d Pri. 313c 333b 338a 343b R. 2. 364b-c 5. 450b 6.499a 9. 589a-b Smp. 202e 202e-203a 203a Sph.223e 263e 77if. 155d 157e ff. 171c-d 174b 176a-b 189e 6-190a Ti. 27d-28a 29c
206 30 105 133 128 A. 6 111 112 91 A. 37 112 32 207 193 80 172 A. 59 191 85 112 193 111 91 A. 37 62 91 A. 37 75 192 164 121 103 70 A. 18 177 A. 70 177 A. 71 177 A. 73 62 120 165 149 A. 18 210 80 A. 30 55 120 57 72 A. 25
69d. 70a. 71d-72b 72a-b. [Hipparch.] 229e [Epin.] 984d-985a 184; 984e 177 A. 69+71;
45 .85 193 193 105 196 184
Plautus Aul. 828 Bacch. 87f.
.73 .44
Plinius epist. 2, 20,4. 6, 2, 2. 9,7, 1 nat. 7, 180 9, 168-172 36, 104-109 paneg. 59, 3
174 174 144 131 49 .49 .49
Plotin 1, 6, 4 1, 6, 6. 1,6,7 1, 6, 8 1, 6, 9 3, 2, 3 3, 2, 7 3, 3 4, 3, i 4, 3, 18 4,4, 3 4,8, 1 4, 8,5 5, 1, 1 5,1, 10. 5, 3, 1 5, 3, 16 6, 9,9 Plutarch De defectu oraculorum De garrulitate 20.
165 187 165; 206 .55 .52 38 42 .42 192 185 .31 Α. 9 112 31 Α. 9 .31 Α. 9 .70 Α. 18 192 .57 112 178 162
248
Indices
Porphyrios Abst. 2, 52, 2. 176 A. 65 2, 37 196 2, 38 187 2, 38,2 182 2, 38-42 178 A. 77 2, 39, 1 191 2,41,4 185 Epist. Aneb. 178 A. 77 2, 19 Sodano. 176 A. 65 Περί του Γνώθι σαυτόυ 192 275F, 22-32 Smith 70 A. 18 De philosophia ex oraculis haurienda 303F Smith. 40 A. 24 304F Smith 41 De regr. an. ... 31 A. 10; 40 A. 24 293F Smith. 184 Sent. 40 p. 50 Lamberz 193 44 57 Possidius Vita Aug. 26, 1
79
Priscillian tract. 3,70f.
174
Prudenz c. Symm. 2, 892
173
Quintilian inst. 1,6, 29. 1,6,43-45 2, 8, 70f. 3, 5, 5 5, 7, 36 5, 10, 11 5, 10, 55 5, 11, 1 5, 14, 1 5, 14, 13 5, 14,24 6,3,22 7,3,25 8, 2, 12
167 199 201 87 173 A. 60 82 167 , 50 118 77 118 134 167 199
9, 2,31 11,3, 57
28 54
Rufin Clement. 2, 25, 2-4
105
Sallust Cat. 32, 1
120
Salvian gub. 6, 12
174
Seneca maior contr. 1,7, 14
211
Seneca minor benef. 4, 33, 2 dial. 1, 2,4 1,3, 1 I, 4 2, 5, 5 7, 1, 1 7, 2, 1 7, 2, 2 7, 5,4 7, 16, 3 10, 8, 5 II,9, 3 epist. 1, 1 6, 5 7 8,7 14, 11 29, 10-12 31,8 36, 6 44, 7 51, 5 52 52, 8 59, 15 65, 16 74,29 76, 9 76, 16
171 45 38 53 28 .7 Α. 20; 77 48 48 53 207 35 112 108 9 Α. 29; 50 48 .36 55 48 158 .30 .77 53 30+A. 7 9 Α. 29 .77 36 114; 158 85 .92
1. Stellen 78,22 88,5 89,4 89,5 90,27 92, 13 94,74 95,7 95, 66 95,72 108, 12 108, 23 115,7 117,6 117, 12 117, 16 120, 14 Sextus Empiricus M. 5 7, 38-45 7,49 7, 152 7, 154 7,432 7,432f. 9, 132 11, 141-144 11, 170 P. 1,3 1, 8 1,200 2, 80-83 Sophokles Ant. 1055
53 100 41 158 133 206 45 133 50 50 60 60 52 77 133 138 33 2A.5 149 A. 16 123 97 171 98 171 171 167 A. 55 125 133 210 A. 6 125 97 123 196
Stobaios (Wachsmuth-Hense) 2 p. 114, 16-18 148 A. 12 2 p. 67, 13f. 148 A. 12 3, 21 p. 556-583 192 SVF 1, 52-54
102
249 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3
57 60 66 68 174 179 179f. 35 36 56 90 95 131 132 152 294 944f. 959 965-973 967 993 1017 1101-1103 16 49-67 112 171 172 177 237-244 516 548 548-556 560 572 582 583-588 605 607
Symmachus epist. 1, 53
165 101; 170 171 170 148 A. 10 83 28; 182 158 158 97 97; 170 170 84 123 141 A. 6 170; 171 147 A. 9 147 A. 9 38 147 A. 9 84 158 187 7 A. 19 28 170 99 101 149 A. 17+18 28 133 84 102 133 92 87 87 148 A. 12 148 A. 12 .49
250
Indices
4, 31 Synesios ep. 41 insomn. 8 p. 158 Terzaghi 8 p. 159 Terzaghi
49 49 50 45
Tacitus cam. 2, 24. 2, 54 6, 22 15, 50 dial. 4, 2
33 162 169 144 75
Terenz Hec. 114.
110
Tertullian apol. 9, 11 22, 5f. 35, 12 35, 13 idol. 9,2 praescr. 43, 1 sped.
47 191 173 195 195 195 48
Tibull 1, 3, 2 Valerius Maximus 9, 1, 1 Varrò
27 49 196
Vergil Aen. 1 1,50 1,389 1,401 I,504. 2, 551 3, 268 4, 533 6, 128 6,734 6,736-747 8, 170. 9, 240 9, 310-313 II,390. eel. 4 georg. 1, 123f. Vitruv 7, 1,6
145 120 136 136 115 43 143 120 36 A. 19 112 126 120 217 65 54 175 144 52 49
VS 10 p. 63, 25 Diels-Kranz.... 192 Xenophon mem. 1, 1, 12 4,4, 9f.
193 9 A. 28
Xenokrates (Isnardi Parente) Fr. 222-230
178
2. Namen und Sachen Akatalepsia.....96f.; 110; 120; 200f. Allgemeinbegriffe, stoische 142 Arithmetik 190 Astrologie. 148; 153f.; 164; 174; 179; 190; 193-195; 202 - christliche 174 Astronomie. 194; 197 A. 90 Aufschub (Dialogmotiv) 120
Aufwachen (metaphorisch) 52 augur 174 Aussagenlehre, stoische 50 Autoren, christliche 47f.; 61; 152; 173; 184 Autorität 10; 37; 39; 93; 95; Í08f.; 151; 154; 165 Bad. .49; 73; 121
2. Namen und Sachen
Bedeutung 126f.; 142 Begriff, apriorischer ...70; 139; 142 Bekehrung. 53; 60 Biene 186 Bildung 94; 150; 164; 166 Cassiciacum. 4; 20; 35; 55; 63 Cassiciacum-Dialoge 7; 9; 57; 59; 63f.; 69; 154 Christentum. 13; 41; 57f.; 122; 153; 173; 178f. Christus....37; 40; 59 A. 38; 70; 72; 152 A. 26 Chrysipp. 148; 167 coniector
174
Cursus. .27; 38; 44; 47; 89; 90; 102; 107; 116; 120; 131; 138; 157; 167; 175; 190; 206; 208; 215; 218 Dämonen 150f.; 154f.; 169; 177f.; 179; 182-184; 187; 191; 196 Definition 10; 80-82; 127; 134; 143; 156 - partitio der
Denken Dialektik Diatribe Dichtung.
.204
120 105; 140f.; 190; 215 9; 50 189
diiudicatio spirituum
155
Divination 12 - anhand der Bibel. 197 A. 90 -Kritik der 148-150; 152f.; 161; 164; 170; 193; 196; - Motive der Ausübung der_.._196f. -natürliche.... 172 A. 59; 175; 179; 202 - u n d Sprache 162; 185 -technische 172; 179 - Verbot der 153 Dummheit .48; 115; 204 ειμαρμένη 147 Elenktik. 5; 91 A. 41; 92; 137; 146; 149; 199
251
Engel 178; 184 Epikureer. 140 έποχή s. Zustimmung Erfassen/κατάληψις.74; 97; 171 Erkenntnis 111, 126; 152 A. 25; 198 -Gottes58f.;68f.; 151; 195 Erlösung .205; 207f. Eros-Metaphorik. .41 Erscheinung, kataleptische / wahre 97-99; 149; 171 Essen (auch metaphorisch) 49; 61f.; 104; 218 Etymologie. 167 Eudaimonismus .7 Fehler, argumentativer 103 Flaccianus 163f.; 177 Fortschritt, ethischer. 104 fortuna .26; 28-30; 37; 45; 166; 182; 198; 216 Freiheit 36f.; 39; 55; 109 frui. 207f. Galen 197 Gebet .34 Gedächtnis 177; 182f.; 185 Gedankenübertragung 161; 183 Geistesgrösse 187 Geometrie. 189 Gerichtssituation (metaphorisch).... 30; 50; 75; 108 Gesprächspausen 94f. Gesprächsregeln 104 Gestirne. 179; 194-196 Glück. .7 - eschatologisches 71; 208 - göttliches .208 - menschliches 114; 208 - Streben nach .7; 70; 76f. Glücksbedingungen .4; 7f.; 17; 67; 79; 86; 89; 98; 209 und passim Gnade 155
252 Gnadenlehre 208 Gott .58; 68f.; llÖf.; 150; 194; 196; 204; 206f. grammaticus 166 Grammatik 182; 189 Güter, äussere.....l5; 30; 44; 46; 50; 53; 166; 176; 179f.; 187; 198; 203 Güter, sichere 30 hariolus. 202 haruspex 173f. Heiliger Geist. 188 Inspiration 177; 188f.; 193; 202 intellegibilia 36; 52; 56f. Intertextualität...21 A. 75; 24 A. 86 Ironie..88; 107; 110; 129; 156; 160 Irrtum......43; lOOf.; 117; 169f.; 213 Jenseits 71; 205; 207 Jugendalter 44; 60 Kampf (metaphorisch) 157; 172; 203; 211 Karneades 93f.; 148 Kleanthes 167 Körper...30; 32; 57; 112; 125; 205f. - Verbindung der Seele mit dem 30-32 Konjunktionalsatz statt AcI. 110 Konsens 73f.; 77 Lachen/ Lächerlichkeit. 134f.; 187 Lächeln 139 Lektüre llf.;20; 60; 63 Licentius 60 Logik, stoische 81 Magie 153; 164; 173 Mailand 54; 66; 75; 80 Manichäismus 35; 55f.; 153 Mehrdeutigkeit 119; 128; 135; 137; 139-141 Mensch, innerer 70 Methode, philosophische...2; 9-11; 77; 80; 133; 139; 190 Mittelpiatonismus 177
Indices
modus 121 Mönchtum 144 Monica 12 Montanismus 152 Musik. 189 Mysterien (metaphorisch) 40 Mystik. 58 Natur. 3 lf.; 115; 142 Navigius .79 Nebridius 164 Negative Theologie 58 Neugier 195 Nigidius Figulus 161; 164 Notwendigkeit. .32 Offenbarung 152; 175; 188 opinari 123; 201 Orakel 162f.; 175; 178 Ordnung .26; 37f.; 152 A. 25 otium. 26; 55; 144; 155 - christliches 55 Parataxe 42; 52 Personifikation. 28; 55 perspicuitas 58 Philosophie 39f. - als Mutterfigur 55 - als Zuflucht .26; 33; 55 placitum. 89; 96; 98 Präexistenz 31 A. 9 probabile 149; 201 Propädeutik 2; 190 Prophezeiung....! 3; 151 f. ; 155; 165; 188
Protokoll. 21; 64f.; 144 Protreptik...9; 26; 47; 77; 209; 216 Proteptikoi logoi 8; 62; 105 Pyrrhonismus 1; 87 Pythagoras. Ill Rekapitulation. 122; 209 Retardation 117 Rhetorik. 53f.; 105; 182; 190
2. Namen und Sachen
Rückkehr / Einkehr zu sich selbst... 34; 206 Schiedsrichter 75; 88 Schlaf (metaphorisch) 52 Seele 30-33; 84; 110-112 - Bezeichnung der Dämonen.....l87 - Zweiteilung der. 85 Seelenflug 36; 191 Seelenruhe 125 Selbsterkenntnis 192 sensibilia 36; 52; 56f. sensus interior 57 Α. 35 Serapeion in Alexandria. 154 Sinneswahrnehmung 56; 150; 152; 164; 176f.; 182-184; 195 Sinnlichkeit. 44; 60 Skepsis .210 - akademische 18f.; 91; 94; 97; 100; 101; 213 - philonisch-metrodorische91 ; 111 Sokrates 111; 133; 180; 204 Spiele / muñera .47 Sprache, Ungenügen der. 143 Staunen. 165; 187 Sündenfall 32 συμπάθεια 147 Szenerie 3 A. 8; 73 Telos-Formel, stoische 83f. Terenz. 145 Theater 47f. Theodoras, Flavius Mallius 31 Tier 186 Tod: - Leben nach dem 110-112; 191; 208 - Vorbereitung auf den .206 Traum....l49f,; 152; 172 A. 59; 196 Trygetius .62 Tugend 28f.; 51; 133; 150; 198 - a l s Wissen 180f. Tugendstufen 198
Übung, dialektische
253
2; 9; 105; 209; 215 Varrò 190; 196 vates. 152 Α. 25; 173; 175; 202 Verachtung 42; 187 Verdienst. 31; 205; 207f. Vernunft / Intellekt. 10; 13; 39; 43; 67f.; 82; 84f.; 91; 108f.; 126; 150; 152; 164; 175f.; 182; 184; 195; 198; 205f. verum (stoisch).71; 123; 137; 200f. Vindicianus 164 Vision. 149; 155; 162; 188 Vollkommenheit. 92; 112 Vorbild .9; 26; 45; 50; 60; 87; 124; 147; 217 Voreiligkeit. 84 Vorhersehbarkeit 147f. Vorsehung. 26; 28; 42 Vorsicht 53; 84 Wahrheit: - platonisch. .36 - Arten der .200 - Kriterium der 97; 123 Wahrheitsfindung .4; 8; 79; 89; 92; 98f.; 102; 103; 112f.;200 Wahrheitssuche 8; 67; 73; 79f.; 89; 90f.; 98f.; 111; 198; 204; 209 und passim Wahrnehmungslehre .58; 71; 74; 96-103; 117; 123; 171 Weg 128; 133 Weiser: - 'skeptischer' 168; 198; 200 - stoischer .28; 87; 92; 102; 146148; 166; 171 Weisheit 87; 92; 93; 97; 102; 135; 136; 138; 156; 157-159; 171; 180; 200 - stoische Definition der. 117; 132f.; 146f.; 158; 181
254 - göttliche 204 - Hafen der (metaphorisch). 33f. - menschliche 111 ; 204f.; 214 - Streben nach 15; 41; 110 Wissen 101 - nicht-terminologisch. 201 - Sicherheit und Wahrheit des 162; 170; 172 Wissensbegriff, stoischer 150; 168; 170; 200-202
Indices
Wissenschaft I
artes... 63;
151; 164; 179; 182; 189; 197 Wunder 13; 151f.; 165; 196 Zeichen 185 Zenon. .98; 123; 167 Ziel, höchstes .7; 28; 67f.; 83; 110-112; 204; 207 Zustimmung 99f. - Zurückhaltung der....97; 101; 123 Zwei-Welten-Lehre 52; 57
• Patristische Texte und Studien 23 χ 15,5 cm. Leinen. 56 Annette von Stockhausen, Athanasius von Alexandrien, Epistula ad Afros. Einleitung, Kommentar und Übersetzung. 2002. X, 366 S. 55 Kenji Tsutsui, Die Auseinandersetzung mit den Markioniten im Adamantius-Dialog. Ein Kommentar zu den Büchern I-II. 2002. VIII, 360 S. 54 Martin Heimgartner, Pseudojustin - Uber die Auferstehung. Text und Studie. 2001. X, 362 S. 53 Die älteren griechischen Katenen zum Buch Hiob. Band III: Fragmente zu Hiob 23,1 - 42,17. Hrsg. v. Ursula Hagedorn und Dieter Hagedorn. 2000. VIII, 415 S. 52 Athanasius von Alexandrien. De sententia Dionysii. Einleitung, Übersetzung und Kommentar von Uta Heil. 1999. IX, 344 S. 50 Sebastian Thier, Kirche bei Pelagius. 1999. IX, 358 S. 49 Jörg Ulrich, Euseb von Caesarea und die Juden. Studien zur Rolle der Juden in der Theologie des Eusebius von Caesarea. 1999. X, 324 S. 48 Die älteren griechischen Katenen zum Buch Hiob. Band II: Fragmente zu Hiob 9,1 - 22,30. Hrsg. v. Ursula Hagedorn und Dieter Hagedorn. 1997. VIII, 395 S. 47 Iustinus Martyr: Iustini Martyris Dialogus cum Tryphone. Ed. by Miroslav Marcovic. 1997. XV, 339 p. 46 Therese Fuhrer, Augustin contra Académicos, (vel De Academicis) Bücher 2 und 3. Einleitung und Kommentar. 1997. X, 532 S. 45 Clemens Schölten, Antike Naturphilosophie und christliche Kosmologie in der Schrift „de opificio mundi" des Johannes Philoponos. 1996. XI, 488 S. 43/44 Tatianus: Tatiani Oratio ad Graecos. Theophili Antiocheni ad Autolycum. Hrsg. v. Miroslav Marcovic. 1995. 2 Tie. Band 43: XII, 117 S. Band 44: X, 192 S. 42 Repertorium der griechischen christlichen Papyri. II, Teil 1: Kirchenväter-Papyri. Teil 1: Beschreibungen [RGCP II/l]. Hrsg. v. Kurt Aland. 1995. CXXVIII, 580 S. 41 Thomas Graumann, Christus interpres. Die Einheit von Auslegung und Verkündigung in der Lukaserklärung des Ambrosius von Mailand. 1994. XI, 477 S. 40 Die älteren griechischen Katenen zum Buch Hiob. Band I: Einleitung, Prologe und Epiloge, Fragmente zu Hiob 1,1 - 8,22. Hrsg. v. Ursula Hagedorn und Dieter Hagedorn. 1994. XVI, 457 S. 39 Jörg Ulrich, Die Anfange der abendländischen Rezeption des Nizänums. 1994. XI, 327 S. 38 Iustinus Martyr: Iustini Martyris Apologiae pro Christianis. Ed. by Miroslav Marcovic. 1994. XII, 211 p. 37 Klaus Fitschen, Serapion von Thmuis. Echte und unechte Schriften sowie die Zeugnisse des Athanasius und anderer. 1992. XII, 226 S. 36 Dionysius: Corpus Dionysiacum. Band 2: Pseudo-Dionysius Areopagita. De Coelesti Hierarchia, De Ecclesiastica Hierarchia, De Mystica Theologia, Epistulae. Hrsg. v. Günter Heil und Adolf M. Ritter. 1991. XV, 300 S. 35 Johannes Chrysostomos: Kommentar zu Hiob. Hrsg. u. übers, v. Ursula Hagedorn und Dieter Hagedorn. 1990. XLIII, 323 S. Jeweils 200 S. Griechisch mit synoptischer Anordnung der deutschen Übersetzung, S. 201-323 Lit.verz. und Register. 34 Rufinus: Tyrannius Rufinus, Historia monachorum sive de Vita Sanctorum Patrum (Editio critica). Hrsg. v. Eva Schulz-Flügel. 1990. XXV, 423 S. Mit 20 Stemmata u. 15 Tab. 33 Dionysius: Corpus Dionysiacum. Band 1 : Pseudo-Dionysius Areopagita. De Divinis Nominibus. Hrsg. v. Beate R. Suchla. 1990. XXIX, 237 S. 12 Tab. Mit div. Stemmata. 32 Iustinus Martyr, Cohortatio ad Graecos / De monarchia / Oratio ad Graecos. Beigefügtes Werk: De monarchia [u.a.]. Pseudo-Iustinus. Hrsg. v. Miroslav Marcovic. 1990. IX, 161 S. 31 Athenagoras, Legatio Pro Christianis. Hrsg. v. Miroslav Marcovich. 1990. XII, 158 S.
30 Reinhard M. Hübner, Die Schrift des Apolinarius von Laodicea gegen Photin (Pseudo-Athanasius, Contra Sabellianos) und Basilius von Caesarea. 1989. VIII, 322 S. 29 Johannes von Damaskos: Die Schriften. Band 5: Opera homiletica et hagiographica. Bearb. v. Bonifatius Kotter. 1988. XX, 607 S. 27 James E. Goehring, The Letter of Ammon and Pachomian Monasticism. 1986. XII, 307 p. 25 Hippolytus, Refutatio omnium haeresium. Hrsg. v. Miroslav Marcovic. 1986. XVI, 541 S. 24 Olympiodor, Diakon von Alexandria - Kommentar zu Hiob. Hrsg. v. Ursula Hagedorn und Dieter Hagedorn. 1984. XC, 522 S. 1 Taf. 23 Aurelio de Santos Otero, Die handschriftlichen Uberlieferungen der altslavischen Apokryphen. Band II: 1. 1981. XLVI, 272 S. 4 färb. Taf. 22 Johannes von Damaskos: Die Schriften. Band 4: Liber de haeresibus. Opera polemica. Bearb. v. Bonifatius Kotter. 1981. XXII, 486 S. 6 Stemmata. 21 lWolfgang A. Bienert, Dionysius von Alexandrien. Zur Frage des Origenismus im dritten Jahrhundert. 1978. XII, 252 S. 20 Aurelio de Santos Otero, Die handschriftlichen Uberlieferungen der altslavischen Apokryphen. Bandi: 1978. XL, 227 S. 2Taf. 19 Psalmenkommentare aus der Katenenüberlieferung. 3 Bände. Band III: Untersuchungen zu den Psalmenkatenen. Hrsg. v. Ekkehard Mühlenberg. 1978. X, 293 S. 18 Repertorium der griechischen christlichen Papyri. I: Biblische Papyri, Altes Testament, Neues Testament, Varia, Apokryphen. [RGCP I], Hrsg. v. Kurt Aland. 1976. XIV, 473 S. 17 Johannes von Damaskos: Die Schriften. Band 3: Contra imaginum calumniatores orationes tres. Bearb. v. Bonifatius Kotter. 1975. XVI, 229 S. 16 Psalmenkommentare aus der Katenenüberlieferung. 3 Bände. Band II: Psalmenkommentare aus der Katenenüberlieferung. Hrsg. v. Ekkehard Mühlenberg. 1977. XXXIV, 398 S. 15 Psalmenkommentare aus der Katenenüberlieferung. 3 Bände. Band I: Psalmenkommentare aus der Katenenüberlieferung. Hrsg. v. Ekkehard Mühlenberg. 1975. XXXIV, 375 S. 14 Der Hiobkommentar des Arianers Julian. Hrsg. v. Dieter Hagedorn. 1973. XC, 410 S. 13 Wolfgang Α. Bienert, „Allegoria" und,Anagoge" bei Didymos dem Blinden von Alexandria. 1972. XII, 188 S. 12 Johannes von Damaskos: Die Schriften. Band 2: Expositio fidei. Bearb. v. Bonifatius Kotter. 1973. LX, 291 S. 11 Werner Strothmann, Johannes von Apamea. 1972. XIII, 210 S. + Syrischer Text als Beil. 9 Amphilochius: Amphilochii Iconiensis Iambi ad seleucum. Hrsg. v. Eberhard Oberg. 1969. VIII, 105 S. 7 Johannes von Damaskos: Die Schriften. Band 1: Institutio elementaris. Capita philosophica (Dialéctica). Bearb. v. Bonifatius Kotter. 1969. XVI, 198 S. 5 Manfred Hornschuh, Studien zur Epistula Apostolorum. 1965. VIII, 136 S. 4 Makarios: Die 50 geistlichen Homilien des Makarios. Hrsg. v. Hermann Dörries / Erich Klostermann / Matthias Kroeger. 1964. LXVIII, 341 S. 3 Hans Dehnhard, Das Problem der Abhängigkeit des Basilius von Plotin. Quellenuntersuchungen zu seinen Schriften De Spiritu Sancto. 1964. VIII, 100 S. 2 Das Evangelium nach Philippos. Hrsg. v. Walter Till. 1963. VI, 96 S. 1 Eutherios von Tyana: Eine Antilogie des Eutherios von Tyana. Hrsg. v. Martin Tetz. 1964. XLI, 90S.