Aufklärung und Informationskontrolle im Zivilprozess: Eine vergleichende Studie zum deutschen, englischen und US-amerikanischen Recht [1 ed.] 9783161588884, 9783161588891, 3161588886

Der Zivilprozess jeder modernen Rechtsordnung muss zwei gegenläufige Ziele versöhnen: die Aufklärung des Sachverhalts un

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A. Einleitung
B. Informationskontrolle als Regelungsbereich des Zivilprozessrechts
I. Das Problem prozessfremder Wirkungen der prozessualen Sachverhaltsaufklärung
1. Rechtsordnungsübergreifende Grundlagen des Problems
a) Die zivilprozessuale Sachverhaltsaufklärung aus der Vogelperspektive
b) Die Grundsätze der Verfahrenstransparenz
c) Einsatzvielfalt der Information als Problem des Zivilprozesses
2. Erscheinungsformen der prozessfremden Wirkung zivilprozessualer Aufklärung
a) Das Problem zweckfremder Informationsverwendung
b) Das Problem rechtswidriger Informationsverbreitung
3. Informationskontrolle, Geheimhaltungsinteresse und Schutzwürdigkeit
II. Mittel der Informationskontrolle im Zivilprozess
1. Kontrolle durch Zweckbindung der Information
a) Zweckbindung durch den Ausschluss von Personen
b) Zweckbindung durch die Auferlegung von Verhaltenspflichten
2. Kontrolle durch vorbeugende Vorenthaltung
3. Der Preis effektiver Informationskontrolle
4. Informationskontrolle und Prozessstruktur
C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich
I. Beweisförmige und vorbereitende Aufklärung
II. Die Beweisaufnahme im Rechtsvergleich
1. Die Beweisaufnahme der anglo-amerikanischen Hauptverhandlung
a) Die Methode des Fallrechts und richterliche Passivität
b) Ablauf des trial
c) Beweisaufnahme unter Parteikontrolle
aa) Die Einheit von Tatsachenbeibringung und Beweis
bb) Parteiherrschaft als Kontrolle der Beweisaufnahme – das Kreuzverhör
cc) Zentrale Bedeutung der Glaubwürdigkeitskontrolle
d) Zusammenfassung
2. Die Beweisaufnahme im deutschen Zivilprozess
a) Abstraktes Gesetzesrecht und Richtermacht
b) Ablauf der kontinentalen Beweisaufnahme
c) Die Beweisaufnahme der ZPO als rechtsgebundene Aufklärung
aa) Parteiherrschaft als Bindung des Gerichts an den Parteivortrag
bb) Die Beweisaufnahme der ZPO im Kontrast zum trial
(1) Durchführung der Beweisaufnahme
(2) Tiefgang der Beweisaufnahme
(3) Parteimitwirkung und Glaubwürdigkeitskontrolle
d) Zusammenfassung
III. Die vorbereitende Aufklärung im Rechtsvergleich
1. Die Vorbereitung des trial
a) Erfolgsaussicht als Standard der Vorbereitung
b) Private Aufklärung als Mittel prozessualer Vorbereitung
aa) Begriffliches
bb) Disclosure und discovery nach den Federal Rules of Civil Procedure
cc) Disclosure und Austausch schriftlicher Zeugenaussagen nach englischem Zivilprozessrecht
dd) Umfang des vorbereitenden Informationsaustausches
c) Die Aufsichtsfunktion des Gerichts bei der vorbereitenden Aufklärung
2. Die Vorbereitung der Beweisaufnahme im deutschen Zivilprozess
a) Subsumierbarkeit der Tatsachenbehauptung als Standard der Vorbereitung
b) Grundsätzliche Verzichtbarkeit auf eine vorbereitende Aufklärung
c) Die vorbereitende Aufklärung als Ausnahmeerscheinung
aa) Auskunft durch substantiiertes Bestreiten
bb) Offenbarung von Beweismitteln
cc) Prozessuale Vorlagepflichten
dd) Privatbetriebene Aufklärung vor dem Prozess
IV. Zusammenfassung
D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess
I. Kontrolle des Öffentlichkeitszugangs
1. Ausschluss der Öffentlichkeit von Verhandlung und Beweis
a) Die Ausschlusstatbestände aus einem funktionalen Blickwinkel
b) Geringer Stellenwert des Öffentlichkeitsgrundsatzes im deutschen Zivilprozess
aa) Verfassungsrang und Strukturbezug der Verfahrensöffentlichkeit
bb) Verhältnismäßigkeit beim Ausschluss der Öffentlichkeit
cc) Verhältnis von Öffentlichkeit und Mündlichkeit
c) Fazit zur vergleichenden Betrachtung des Öffentlichkeitsgrundsatzes
2. Zugriff Dritter auf die Prozessakte und vorbereitende Materialien
a) Grundsätzliche Unzugänglichkeit der Prozessakte in England und Deutschland
b) Die freie Zugänglichkeit der Prozessakte in den USA
aa) „Unfiled discovery“
bb) Einsichtsrecht nach Grad inhaltlicher Auseinandersetzung des Gerichts
c) Fazit zur vergleichenden Betrachtung des Aktenzugangs
II. Der Ausschluss der Partei von der Beweisaufnahme
1. Informationskontrolle und Entscheidungsoptimierung
2. Kein Parteiausschluss im trial
a) Kein Parteiausschluss im US-amerikanischen trial
b) Kein Parteiausschluss im englischen trial
3. Kein beweisrechtliches Geheimverfahren im deutschen Zivilprozess
a) Der Parteiausschluss im black-box-Verfahren
b) Das in-camera-Verfahren als Verwirklichung praktischer Konkordanz
aa) Praktische Konkordanz durch ein effektives Zwischenverfahren
(1) „Blinde“ Abwägung im Zwischenverfahren
(2) In-camera-Prüfung im Zwischenverfahren
bb) Praktische Konkordanz durch ein in-camera-Hauptsacheverfahren
cc) Fazit zum beweisrechtlichen Geheimverfahren in Deutschland
4. Unvergleichbarkeit von pre-trial und Beweisaufnahme
III. Kontrolle des Parteiverhaltens während der Prozessvorbereitung
1. Kontrolle der Informationsnutzung durch die Partei im pre-trial
a) Mittel zur Informationskontrolle im pre-trial
aa) Ausgangsregelung
(1) Grundsätzliche Verwendungsbeschränkung im englischen pre-trial
(2) Grundsätzliche Verwendungsfreiheit im US-pre-trial
bb) Verwendungsbeschränkungen als Standard der Informationskontrolle
cc) Personell eingeschränkte Offenlegung
(1) Offenlegung an ausgewählte Mitglieder des Unternehmens
(2) Offenlegung an externe Anwälte und Experten
dd) Vorbeugende Vorenthaltung
ee) Vorläufigkeit der Schutzmaßnahmen
b) Vorkehrungen zur Optimierung der Entscheidungsposition des Gerichts
aa) Die Entscheidung zur Informationskontrolle
(1) Nachweis eines konkreten Geheimhaltungsinteresses
(2) Nachweis eines besonderen Informationsinteresses
(3) Einzelfallabwägung
bb) Maßnahmen zur Optimierung der Entscheidungsposition
(1) Entscheidung aufgrund von Informationskategorien
(2) In-camera-Einsichtnahme in die umstrittenen Informationen
(3) Zuhilfenahme eines neutralen Dritten
c) Zusammenfassung
2. Kontrolle der Informationsnutzung durch die Partei in der deutschen Prozessvorbereitung
a) Ausschluss einer Partei vom gegnerischen Vortrag
b) Informationskontrolle im vorbereitenden Informationsprozess
aa) Mittel zur Informationskontrolle bei der materiellrechtlichen Informationsbeschaffung
(1) Beschränkung der Informationskontrolle auf vorbeugende Vorenthaltung
(2) Einschaltung eines Informationsmittlers (Wirtschaftsprüfervorbehalt)
bb) Vorkehrung zur Optimierung der Entscheidungsposition des Gerichts
(1) Entscheidung nach Informationskategorien
(2) In-camera-Prüfung im „Düsseldorfer Verfahren“
(a) Funktionsweise
(b) Verfahrensrechtliche Form
(c) Erhebung des Gutachtens zum Beweis
cc) Zusammenfassung
3. Fazit zur Informationskontrolle bei der vorbereitenden Aufklärung
IV. Informationsvorenthaltung als Mittel der Informationskontrolle
1. Verlegenheitslösung bei Risiken zweckfremder Informationsverwendung
2. Sachgerechtes Instrument zum Schutz der Vertraulichkeit und Privatheit
a) Vorenthaltung als Instrument starken Vertraulichkeits- und Persönlichkeitsschutzes
aa) Informationsvorenthaltung zum Schutz der Vertraulichkeit
bb) Informationsvorenthaltung zum Schutz der Privatsphäre
b) Schwacher Schutz der Vertraulichkeit und Privatsphäre im Zivilprozess
3. Als Schlusspunkt ein Sonderfall: Das Privileg gegen Selbstbezichtigung
E. Schluss
I. Ergebnisse
II. Drei Anregungen für die deutsche Prozessrechtsdogmatik
1. Aufgabe des Wunsches nach einem beweisrechtlichen Geheimverfahren
2. Informationskontrolle durch zweckbindende Verhaltenspflichten
3. In-camera-Prüfung der Schutzwürdigkeit
Literaturverzeichnis
Sachregister
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 9783161588884, 9783161588891, 3161588886

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Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 168 herausgegeben von Rolf Stürner

Thomas Vogt Geisse

Aufklärung und Informationskontrolle im Zivilprozess Eine vergleichende Studie zum deutschen, englischen und US-amerikanischen Recht

Mohr Siebeck

Thomas Vogt Geisse, geboren 1983; Studium der Rechtswissenschaften an der Universidad de Chile in Santiago, Chile; DAAD-Stipendiat; 2014 LLM an der Universität Bonn; 2019 Promotion an der Universität Bonn; seit 2019 Professor für Prozessrecht an der Universidad Alberto Hurtado, Santiago. orcid.org/0000-0002-9169-8306

ISBN  978-3-16-158888-4 / eISBN  978-3-16-158889-1 DOI  10.1628/978-3-16-158889-1 ISSN  0722-7574 / eISSN  2568-7255 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 2018/2019 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurde die deutsche Literatur und Rechtsprechung bis zum Herbst 2019 eingearbeitet. Soweit möglich, wurden auch Änderungen der ausländischen Rechtslage berücksichtigt. Mein herzlicher Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Moritz Brinkmann. Seine freundliche und mitreißende Art, zum Denken herauszufordern, keimende Gedanken ans Licht zu führen und zugleich einer kritischen Überprüfung zu unterziehen, hat nicht nur meiner Studie den rechten Weg gewiesen, sondern überhaupt die Freude an der Rechtswissenschaft in mir gesteigert. Er wird mir persönlich das Leitbild eines Rechtsgelehrten bleiben. Herrn Professor Dr. Eberhard Schilken danke ich für die Übernahme und schleunige Erstellung des Zweitgutachtens sowie für die Freundlichkeit, die er mir stets während meiner Zeit in Bonn entgegengebracht hat. Herrn Professor Dr. Rolf Stürner sei für die Aufnahme in die Schriftenreihe „Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht“ gedankt. Den Bürgern meiner Heimat, der Republik Chile, verdanke ich die Finanzierung des Promotionsaufenthalts über das „Becas Chile“-Stipendium. Dem Deutschen Akademischen Austauschdienst bin ich für die ergänzende Förderung ebenfalls zu Dank verpflichtet. Für die Gewährung eines großzügigen Druck­kosten­ zuschusses sei der Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung herzlich gedankt. Ein besonderer Dank gebührt Herrn Professor Dr. Raúl Núñez Ojeda. Er hat mein Interesse für das Prozessrecht geweckt und in allen Phasen gefördert. Den Herren Professoren Francisco González Hoch, Dr. Álvaro Pérez Ragone, Dr. ­Jorge Larroucau Torres und Dr. Enrique Barros Bourie möchte ich für ihre Unterstützung ebenfalls danken. Anregende Diskussionen verdanke ich meinen Bonner Weggefährten, unter ihnen besonders Herrn Javier Contesse Singh, Herrn Dr. Sebastián Mantilla Blanco und Herrn David Rüther. Hervorheben möchte ich meinen Dank an Frau Kristina Schönfeldt, die es verstand, mit Rat und Kritik Wertvolles zur Entwicklung meiner Ideen beizutragen. Für die Durchsicht des Manuskripts und treffende Anmerkungen bin ich Herrn Jaschar R. A. Kohal sehr

VIII

Vorwort

dankbar. Frau Dashne Sardar Sabr hat mir bei der Vorbereitung des Manuskripts bedeutende Hilfe geleistet; ihr ebenfalls vielen Dank. Auch meine Geschwister Katia, Stefan und Clemens Vogt Geisse verdienen Erwähnung. Sie erweisen sich ungeachtet jeglicher Entfernung stets als meine nächsten Begleiter. Schließlich habe ich ganz besonders meinen Eltern Patricia Geisse Jiménez und Nikolaus Vogt zu danken. Sie haben mich mit ihrer Hilfe und Teilnahme bestärkt und überhaupt Neugier und Denkfreude in mir geprägt. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Santiago de Chile, im Februar 2020

Thomas Vogt Geisse

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

B. Informationskontrolle als Regelungsbereich des Zivilprozessrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

I. Das Problem prozessfremder Wirkungen der prozessualen ­Sachverhaltsaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

1. Rechtsordnungsübergreifende Grundlagen des Problems . . . . . . . a) Die zivilprozessuale Sachverhaltsaufklärung aus der Vogelperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Grundsätze der Verfahrenstransparenz . . . . . . . . . . . . . c) Einsatzvielfalt der Information als Problem des Zivilprozesses . . 2. Erscheinungsformen der prozessfremden Wirkung zivilprozessualer Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Problem zweckfremder Informationsverwendung . . . . . . . b) Das Problem rechtswidriger Informationsverbreitung . . . . . . . 3. Informationskontrolle, Geheimhaltungsinteresse und Schutzwürdigkeit

5

8 8 11 12

II. Mittel der Informationskontrolle im Zivilprozess . . . . . . . . . .

12

1. Kontrolle durch Zweckbindung der Information . . . . . . . . . . . . a) Zweckbindung durch den Ausschluss von Personen . . . . . . . . b) Zweckbindung durch die Auferlegung von Verhaltenspflichten . . 2. Kontrolle durch vorbeugende Vorenthaltung . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Preis effektiver Informationskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . 4. Informationskontrolle und Prozessstruktur . . . . . . . . . . . . . . .

12 13 13 13 14 14

5 6 7

X

Inhaltsverzeichnis

C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

17

I. Beweisförmige und vorbereitende Aufklärung . . . . . . . . . . . .

17

II. Die Beweisaufnahme im Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . .

19

1. Die Beweisaufnahme der anglo-amerikanischen Hauptverhandlung . a) Die Methode des Fallrechts und richterliche Passivität . . . . . . . b) Ablauf des trial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beweisaufnahme unter Parteikontrolle . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Einheit von Tatsachenbeibringung und Beweis . . . . . . . bb) Parteiherrschaft als Kontrolle der Beweisaufnahme – das Kreuzverhör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zentrale Bedeutung der Glaubwürdigkeitskontrolle . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Beweisaufnahme im deutschen Zivilprozess . . . . . . . . . . . a) Abstraktes Gesetzesrecht und Richtermacht . . . . . . . . . . . . b) Ablauf der kontinentalen Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . c) Die Beweisaufnahme der ZPO als rechtsgebundene Aufklärung . . aa) Parteiherrschaft als Bindung des Gerichts an den Parteivortrag bb) Die Beweisaufnahme der ZPO im Kontrast zum trial . . . . . . (1) Durchführung der Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . (2) Tiefgang der Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . (3) Parteimitwirkung und Glaubwürdigkeitskontrolle . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20 21 23 24 25

III. Die vorbereitende Aufklärung im Rechtsvergleich . . . . . . . . .

42

1. Die Vorbereitung des trial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfolgsaussicht als Standard der Vorbereitung . . . . . . . . . . . b) Private Aufklärung als Mittel prozessualer Vorbereitung . . . . . . aa) Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Disclosure und discovery nach den Federal Rules of Civil Procedure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Disclosure und Austausch schriftlicher Zeugenaussagen nach englischem Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Umfang des vorbereitenden Informationsaustausches . . . . . c) Die Aufsichtsfunktion des Gerichts bei der vorbereitenden Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vorbereitung der Beweisaufnahme im deutschen Zivilprozess . . a) Subsumierbarkeit der Tatsachenbehauptung als Standard der Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsätzliche Verzichtbarkeit auf eine vorbereitende Aufklärung . c) Die vorbereitende Aufklärung als Ausnahmeerscheinung . . . . . . aa) Auskunft durch substantiiertes Bestreiten . . . . . . . . . . . .

42 42 44 45

26 28 30 30 31 32 34 34 35 35 38 39 41

46 49 53 55 59 59 61 66 67

Inhaltsverzeichnis

XI

bb) Offenbarung von Beweismitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Prozessuale Vorlagepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Privatbetriebene Aufklärung vor dem Prozess . . . . . . . . .

68 70 72

IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

I. Kontrolle des Öffentlichkeitszugangs . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

1. Ausschluss der Öffentlichkeit von Verhandlung und Beweis . . . . . a) Die Ausschlusstatbestände aus einem funktionalen Blickwinkel . . b) Geringer Stellenwert des Öffentlichkeitsgrundsatzes im deutschen Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfassungsrang und Strukturbezug der Verfahrensöffentlichkeit bb) Verhältnismäßigkeit beim Ausschluss der Öffentlichkeit . . . . cc) Verhältnis von Öffentlichkeit und Mündlichkeit . . . . . . . . c) Fazit zur vergleichenden Betrachtung des Öffentlichkeitsgrundsatzes 2. Zugriff Dritter auf die Prozessakte und vorbereitende Materialien . . a) Grundsätzliche Unzugänglichkeit der Prozessakte in England und Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die freie Zugänglichkeit der Prozessakte in den USA . . . . . . . aa) „Unfiled discovery“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einsichtsrecht nach Grad inhaltlicher Auseinandersetzung des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit zur vergleichenden Betrachtung des Aktenzugangs . . . . . .

83 84 86 87 91 93 99 100 100 105 106 107 109

II. Der Ausschluss der Partei von der Beweisaufnahme . . . . . . . . 109 1. Informationskontrolle und Entscheidungsoptimierung . . . . . . . . 2. Kein Parteiausschluss im trial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein Parteiausschluss im US-amerikanischen trial . . . . . . . . . b) Kein Parteiausschluss im englischen trial . . . . . . . . . . . . . . 3. Kein beweisrechtliches Geheimverfahren im deutschen Zivilprozess . a) Der Parteiausschluss im black-box-Verfahren . . . . . . . . . . . . b) Das in-camera-Verfahren als Verwirklichung praktischer Konkordanz aa) Praktische Konkordanz durch ein effektives Zwischenverfahren (1) „Blinde“ Abwägung im Zwischenverfahren . . . . . . . . . (2) In-camera-Prüfung im Zwischenverfahren . . . . . . . . . bb) Praktische Konkordanz durch ein in-camera-Hauptsacheverfahren cc) Fazit zum beweisrechtlichen Geheimverfahren in Deutschland 4. Unvergleichbarkeit von pre-trial und Beweisaufnahme . . . . . . . .

110 111 111 113 115 117 122 124 125 126 128 131 132

XII

Inhaltsverzeichnis

III. Kontrolle des Parteiverhaltens während der Prozessvorbereitung 136 1. Kontrolle der Informationsnutzung durch die Partei im pre-trial . . . a) Mittel zur Informationskontrolle im pre-trial . . . . . . . . . . . . aa) Ausgangsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundsätzliche Verwendungsbeschränkung im englischen pre-trial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Grundsätzliche Verwendungsfreiheit im US-pre-trial . . . . bb) Verwendungsbeschränkungen als Standard der Informationskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Personell eingeschränkte Offenlegung . . . . . . . . . . . . . (1) Offenlegung an ausgewählte Mitglieder des Unternehmens (2) Offenlegung an externe Anwälte und Experten . . . . . . . dd) Vorbeugende Vorenthaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Vorläufigkeit der Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . b) Vorkehrungen zur Optimierung der Entscheidungsposition des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Entscheidung zur Informationskontrolle . . . . . . . . . . (1) Nachweis eines konkreten Geheimhaltungsinteresses . . . . (2) Nachweis eines besonderen Informationsinteresses . . . . . (3) Einzelfallabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Maßnahmen zur Optimierung der Entscheidungsposition . . . (1) Entscheidung aufgrund von Informationskategorien . . . . (2) In-camera-Einsichtnahme in die umstrittenen Informationen (3) Zuhilfenahme eines neutralen Dritten . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontrolle der Informationsnutzung durch die Partei in der deutschen ­Prozessvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschluss einer Partei vom gegnerischen Vortrag . . . . . . . . . b) Informationskontrolle im vorbereitenden Informationsprozess . . . aa) Mittel zur Informationskontrolle bei der materiellrechtlichen ­Informationsbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Beschränkung der Informationskontrolle auf vorbeugende ­Vorenthaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einschaltung eines Informationsmittlers ­(Wirtschaftsprüfervorbehalt) . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorkehrung zur Optimierung der Entscheidungsposition des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Entscheidung nach Informationskategorien . . . . . . . . . (2) In-camera-Prüfung im „Düsseldorfer Verfahren“ . . . . . . (a) Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Verfahrensrechtliche Form . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Erhebung des Gutachtens zum Beweis . . . . . . . . .

136 137 137 137 139 141 144 146 148 152 153 153 153 154 155 157 158 159 160 161 162 163 163 166 167 168 168 170 170 171 173 176 178

Inhaltsverzeichnis

XIII

cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3. Fazit zur Informationskontrolle bei der vorbereitenden Aufklärung . . 180

IV. Informationsvorenthaltung als Mittel der Informationskontrolle . 181 1. Verlegenheitslösung bei Risiken zweckfremder Informationsverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachgerechtes Instrument zum Schutz der Vertraulichkeit und Privatheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorenthaltung als Instrument starken Vertraulichkeits- und Persönlichkeitsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Informationsvorenthaltung zum Schutz der Vertraulichkeit . . . bb) Informationsvorenthaltung zum Schutz der Privatsphäre . . . . b) Schwacher Schutz der Vertraulichkeit und Privatsphäre im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Als Schlusspunkt ein Sonderfall: Das Privileg gegen Selbstbezichtigung

181 182 182 182 187 188 189

E. Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 I. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 II. Drei Anregungen für die deutsche Prozessrechtsdogmatik . . . . . 199 1. Aufgabe des Wunsches nach einem beweisrechtlichen Geheimverfahren 199 2. Informationskontrolle durch zweckbindende Verhaltenspflichten . . . 202 3. In-camera-Prüfung der Schutzwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 207

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Abkürzungsverzeichnis Abs. A.C. AcP a. F. All ER AnwBl ARSP Art. Aufl. BAG Beschl. BGB BGH BGHZ BNetzA BRAO BT-Drs. Buff. Pub. Int. L.J. B.U.L. Rev. Bus. L.R. BVerfG BVerfGE BVerwG bzw. Cardozo L. Rev. Cas. W. Res. L. Rev. C.D. Cal. Ch. Chi.-Kent L. Rev. Cir. C.I.T. C.L.P. Colum. L. Rev. Cornell L. Rev. CPR C.P. Rep Ct. Int’l Trade D.C.

Absatz Law Reports, Appeal Cases Archiv für die civilistische Praxis alte Fassung All England Law Reports Anwaltsblatt Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Artikel Auflage Bundesarbeitsgericht Beschluss Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesnetzagentur Bundesrechtsanwaltsordnung Bundestags-Drucksache Buffalo Public Interest Law Journal Boston University Law Review The Business Law Reports Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise Cardozo Law Review Case Western Reserve Law Review Central District of California Chancery Division Chicago-Kent Law Review Circuit United States Court of International Trade Reports Current Legal Problems Columbia Law Review Cornell Law Review Civil Procedure Rules (England und Wales) Civil Procedure Reports United States Court of International Trade District of Columbia

XVI D.D.C. D. Colo. D.Conn. D. Del. D. Kan. D. Mass. D.N.D ders. d. h. dies. Diss. Dist. DJT DS ebd. E.D. La. E.D. Mich. E.D. Mo. E.D. Pa. E.D. Va E.D. Wis. Emory L.J. EMRK EWCA Civ EWHC f., ff. F.2d F.3d Fed. Cir. Fn. Fordham Intell. Prop. Media & Ent. L.J. FRAND FRCP FRE F.R.D. FS F. Supp. GeschGehG GG ggf. GRUR GRURInt GVG GWB GWR HBG

Abkürzungsverzeichnis District of D.C District of Colorado District of Connecticut District of Delaware District of Kansas District of District of Massachusetts District of North Dakota Derselbe das heißt dieselbe, dieselben Dissertation District Deutscher Juristentag Der Sachverständige ebenda Eastern District of of Louisiana Eastern District of Michigan Eastern District of Missouri Eastern District of Pennsylvania Eastern District of Virginia Eastern District of Wisconsin Emory Law Journal Europäische Menschenrechtskonvention Court of Appeal (Civil Division) England & Wales High Court folgende Federal Reporter, Second Series Federal Reporter, Third Series Federal Circuit Fußnote Fordham Intellectual Property, Media & Entertainment Law Journal fair, reasonable, and non-discriminatory (in Bezug auf eine Lizenzerteilung) Federal Rules of Civil Procedure (USA) Federal Rules of Evidence (USA) Federal Rules Decision Festschrift Federal Supplement Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen Grundgesetz gegebenenfalls Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler Teil Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Handelsgesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis Hamline L. Rev. Harv. L. Rev. H.C. H.L. Hrsg. Int’l & Comp. L.Q. Ill. L. R. IJPL insb. InsO J JA Jura JuS JZ K.B. LG Litig. M.D.N.C. MDR Mich. J. Int‘l L. Minn. L. Rev. Mitt. MMR m.w.N. N.D. Ill. N.D.Tex. NJ NJW NVwZ NZKart OLG p., para. PD P.T.S.R. Q.B. RabelsZ RIW R.P.C. Rutgers L.J. SAE S.Ct. S.D.N.Y S.D. Ohio S.D. Tex. sec. StGB StPO

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XVIII Temple L. Rev. Tort & Ins. L.J. U. Chi. L. Rev. U. Ill. L. Rev. UKHL UKSC U.N.S.W.L.J. U. Pa. L. Rev. U. Rich. L. Rev. U.S. W.D. Va. W.D.N.Y. Widener L. Rev. WL WLR WRP Yale L.J. z. B. ZEuP ZPO ZUM ZZP ZZPint

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A. Einleitung Ein moderner Zivilprozess muss zweierlei leisten können: Aufklärung und Geheimhaltung. Beide Leistungen stehen in einem eigentümlichen Spannungsverhältnis zueinander. Die vorliegende Untersuchung hat das Ziel, dieses Verhältnis rechtsvergleichend zu durchleuchten. Dabei soll weder eine „Forschungslücke“ entdeckt und geschlossen noch ein unmittelbares Praxisbedürfnis bedient werden. Stattdessen wird für Altbekanntes eine Betrachtungsweise angeboten, die bisher unsichtbare oder wenig beachtete Bezüge zwischen den Zivilprozessordnungen des common law und des kontinentalen Rechtskreises zum Vorschein treten lässt. Ausgewählt wurden die Zivilprozesse bedeutender Repräsentanten beider Rechtstraditionen – Deutschland1, England2 und die Vereinigten Staaten von Amerika3 –, deren Leuchtkraft den Reformbestrebungen jüngerer Rechtsordnungen immer wieder den Weg weist – gerade auch in der Heimatrechtsordnung des Verfassers.4 Die Untersuchung nimmt folgenden Gang: Zuerst wird die Aufgabe der Informationskontrolle im Zivilprozess als rechtsordnungsübergreifende Aufgabe definiert (B.), sodann die Struktur der Sachverhaltsaufklärung im anglo-amerikani1 

Nach der „Zivilprozessordnung“ von 1879 (ZPO). Nach den „Civil Procedure Rules“ von 1999 (CPR), die den Zivilprozess in England und Wales regeln. 3  Nach den „Federal Rules of Civil Procedure“ von 1938 (FRCP) und den „Federal Rules of Evidence“ von 1975 (FRE). Diese Vorschriften bilden das Zivilprozessrecht vor den Bundesgerichten. Darüber hinaus haben die einzelnen Staaten ihre eigenen Prozessrechte, die in dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden. Diese sind aber weitgehend an das System der Federal Rules angelehnt. Vgl. etwa Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht (2011), 12–14. 4  Die Vorarbeit zur anstehenden Reform der chilenischen Zivilprozessordnung war stark vom deutschen Zivilprozessrecht beeinflusst (vgl. Núñez Ojeda, Revista de Estudios de la Justicia Nr.  6 (2005), 175 ff.), während in letzter Zeit vermehrt zur Annährung an das common law angeregt wird, vgl. Peña Mardones, Ius et Praxis (2017), 79 ff. (für die Aufnahme eines begrenzten discovery oder disclosure Systems in das Reformprogramm) oder Riego Fuentes, Sistemas Judiciales Nr.  18 (2014), 76 ff. (für eine Anwendung des “case management” im chilenischen Zivilprozess). Überhaupt stehen in Chile Fragen zur Reform und Modernisierung des Rechts regelmäßig im Zwiespalt zwischen dem anglo-amerikanischen und deutschen Einfluss, Cooper, (2008) 29 Mich. J. Int’l L., 501 ff. 2 

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A. Einleitung

schen und deutschen Zivilprozess gegenübergestellt (C.). Auf dieser Grundlage wird der Schwerpunkt der Arbeit in Angriff genommen und die verschiedenen Methoden der Informationskontrolle im Zivilprozess rechtsvergleichend ergründet (D.). Die Studie endet mit einer Aufzählung der Ergebnisse und drei Empfehlungen an die deutsche Prozessrechtsdogmatik (E.).

B. Informationskontrolle als Regelungsbereich des Zivilprozessrechts Diese Studie soll vergleichend betrachten, wie nationale Zivilprozessrechte mit Informationen umgehen. Dafür muss das Spannungsfeld von Aufklärung und Geheimhaltung, das jedem modernen Zivilprozess innewohnt, zunächst begrifflich fassbar und damit dem Rechtsvergleich zugänglich gemacht werden. Hierzu sind zuerst Fragen der Betrachtungsweise und Vergleichbarkeit zu klären. Ohne festen Aussichtspunkt lassen sich äußere Auffälligkeiten nationaler Prozessordnungen nämlich nicht eindeutig und nachvollziehbar als Unterschied oder Gemeinsamkeit verbuchen: Ähnelt die Urkundenedition nach §  142 ZPO etwa der Dokumentenvorlegung im discovery-Verfahren gem. FRCP 34? Genügt es für die Bejahung der Gemeinsamkeit, dass in beiden Fällen die Partei einer prozessualen Pflicht zur Offenlegung von Erkenntnisquellen nachkommt? Sind sie schon deshalb vergleichbar, weil beide Vorgänge zur prozessualen Aufklärung beitragen? Oder müssen Struktur und normativer Kontext herangezogen werden, um zum Schluss zu gelangen, dass im ersten Fall die Vorlage als Beweis vor dem erkennenden Gericht, im zweiten im Vorfeld einer Beweisaufnahme ausschließlich an die Gegenpartei erfolgt, sodass es sich um unterschiedliche Vorgänge handeln muss? Man sieht, die Betrachtungsweise kann einem äußerlich ähnlichen Vorgang unterschiedliche Bedeutungen verleihen. Ähnlich verhält es sich mit der prozessualen Geheimhaltung. Besteht eine Verwandtschaft zwischen der Offenlegung mit attorneys-eyes-only-Vorbehalt, wie sie im pre-trial des anglo-­amerikanischen Zivilprozesses regelmäßig zum Einsatz kommt, und dem von der deutschen Lehre teils befürworteten beweisrechtlichen Parteiausschluss unter Einschaltung eines Prozessvertreters? Bevor eine Antwort gegeben wird, müssen die Grundlagen der Vergleichbarkeit deutlich hervortreten – sonst läuft die Rechtsvergleichung Gefahr, mehr Verwirrung als Klarheit zu stiften. Die Frage der Vergleichbarkeit ist aber auch für die deutsche Rechtsdogmatik von Bedeutung, da sie die Überzeugungskraft ihrer Ansichten – sei es für die Erweiterung der prozessualen Aufklärungspflichten oder für die Einführung eines Geheimverfahrens – gerne durch Bezugnahme auf Recht und Praxis des anglo-amerikanischen Zivilprozesses zu steigern versucht.

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B. Informationskontrolle als Regelungsbereich des Zivilprozessrechts

Eine vergleichende Betrachtung nationaler Zivilprozessrechte darf sich also nicht mit intuitiv hergestellten Zusammenhängen begnügen, sondern muss durch ein offenes Methodenbewusstsein die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse sicher­ stellen und sich auf diese Weise der Kritik der durchlaufenen Gedankengänge aussetzen. Die funktionale Methode der Rechtsvergleichung liefert dazu einen bewährten Ansatz, der auch der Zivilprozessrechtsvergleichung einen brauchbaren analytischen Rahmen anweisen kann: das tertium comparationis. Die Vergleichbarkeit von Rechtsinstituten lässt sich nicht abstrakt erfassen, sondern nur vom Standpunkt eines klar definierten gemeinsamen Problems herstellen.1 Für die Prozessrechtsvergleichung bedeutet dies darüber hinaus, dass sich die kontrastierenden Verfahrensstrukturen der anglo-amerikanischen und kontinentalen Prozesstradition nicht als abstrakte Konstrukte gegenüberstehen, sondern im Bezug zu konkreten Problemen an Einfluss gewinnen oder verlieren. Dieser methodischen Vorgaben eingedenk wird in diesem Kapitel das länderübergreifende Problem aufgedeckt, das der Spannung zwischen Aufklärung und Geheimhaltung zugrunde liegt (I), sodann die Mittel zur Handhabung des Problems aufgezeigt (II), die Nachteile der einzelnen Regelungsoptionen skizziert (III), und der Zusammenhang mit der Prozessstruktur geklärt (IV). Diese Überlegungen sollten genügen, um in den nächsten Kapiteln zum Rechtsvergleich überzugehen.

I. Das Problem prozessfremder Wirkungen der prozessualen Sachverhaltsaufklärung Alle modernen Zivilprozessrechte sind mit dem Problem der prozessfremden Wirkungen der aus prozessualem Anlass freigesetzten Informationen konfrontiert. Im Folgenden werden zuerst die institutionellen Bedingungen dargestellt, die das Problem hervorbringen (1), dann seine beiden Erscheinungsformen veranschaulicht (2). Eine prozessfremde Wirkung tritt nämlich einerseits als eine Gefahr zweckfremder Verwendung der durch das Prozessrecht verbreiteten Informationen hervor (2.a)), andererseits kann sie auch als Widerspruch zu einem materiellen Geheimhaltungsgebot in Erscheinung treten (2.b)). Schließlich werden einige begriffliche Klarstellungen nachgetragen (3).

1 Grundlegend Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (1996), 33 ff.: „Wenn das Recht funktional als Regelung sozialer Sachverhalte gesehen wird, sind Rechtsprobleme in jedem Land von der gleichen Art“ (45). Zum funktionalen Vergleich des Prozessrechts, Stürner/Stadler, in: Transnationales Prozessrecht (1995), 263, 265; Gottwald, in: FS Schlosser (2005), 227 ff.

I. Das Problem prozessfremder Wirkungen der prozessualen Sachverhaltsaufklärung

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1. Rechtsordnungsübergreifende Grundlagen des Problems a) Die zivilprozessuale Sachverhaltsaufklärung aus der Vogelperspektive Ungeachtet des unterschiedlichen Stellenwerts, den die Wahrheitsfindung in verschiedenen Prozessordnungen einnimmt, ist das Recht der Sachverhaltsaufklärung ein bedeutender Teil jedes modernen Zivilprozessrechts.2 Es umfasst Vorschriften, die auf Beibringung von Informationen hinwirken. Seine klassische Ausgestaltung ist die Anreizbildung durch Beweislastregelungen. Die Parteien werden angeregt, zur Abwendung des Prozessverlustes in ihrer Kontrolle befindliche Informationen vorzulegen. Die Steuerung der Sachverhaltsaufklärung über Beweislasten hat jedoch eine Beschränkung, die zunehmend als Nachteil empfunden wird. Sie vermag es nicht Informationen einzubeziehen, die sich außerhalb des Kontrollbereichs der beweisbelasteten Partei befinden. Parteiwissen und Urteilsgrundlage sind dann von der (prozessual) zufälligen Verteilung der Erkenntnisquellen zwischen den Parteien abhängig; wenn sich die Beweislastverteilung nicht mit der faktischen Verteilung der rechtsrelevanten Informationen deckt, kommt es zu einer Beweislastentscheidung, obwohl weitere relevante Informationsquellen außerhalb des Prozesses verfügbar gewesen wären. Solche Situationen werden heutzutage weltweit als negativ bewertet – die Entscheidung des Gerichts sollte unter Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen getroffen werden.3 Ausschlaggebend für diese Wertung ist die zunehmende Sorge um die Wirksamkeit des materiellen Rechts, welches seine Funktion der Verhal-

2  Siehe Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht (1983), 27 ff., insb. Fn. 127. Es ist aber keineswegs ein selbstverständlicher Bestandteil aller Prozessrechte. Prozessuale Aufklärung setzt voraus, dass in einer Rechtsgemeinschaft die Tatsachenermittlung als zuverlässigste Erkenntnismethode anerkannt ist und der (hinreichend) aufgeklärte Sachverhalt daher als bestgeeignete Grundlage der bindenden Entscheidung dienen kann. Dies erscheint heute als selbstverständlich, ist es aber nicht. Im mittelalterlichen Europa waren Zweikampf, Wasser- und Feuerproben bis 1215 von der Kirche anerkannte Verfahrensweisen (dazu Taruffo, Simplemente la Verdad (2010), 15 ff.). Bis in die Neuzeit stellen die Azande in Zentralafrika einen Ehebruch anhand des Ergebnisses der zeremoniellen Vergiftung von Küken fest (Chase, Law, Culture and Ritual (2005), 15–29). In diesen Gesellschaften wird die höchste Form der Erkenntnis als Offenbarung verstanden, die nur bei Befolgung bestimmter Rituale (Zeremonie der Giftzubereitung, Segnung der Zweikampfwaffen etc.) zugänglich wird. Entsprechend wird in den Prozessen dieser Gesellschaften nicht auf Grundlage hinreichend aufgeklärter Sachverhalte entschieden, sondern die Entscheidung anderen Erkenntnissphären anvertraut, durch die sich Geister oder Gottheiten offenbaren. 3  Vgl. ALI/UNIDROIT Principles of Transnational Civil Procedure 16.1 („Generally, the court and each party should have access to relevant and nonprivileged evidence“). Zu diesem Konsens Stürner, RabelsZ 69 (2005), 201, 235 („universally accepted, fundamental rule“). Sehr emphatisch auch Taruffo, Simplemente la Verdad (2010), 160 ff., insb. 161 f.

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B. Informationskontrolle als Regelungsbereich des Zivilprozessrechts

tenssteuerung doch nur auf Grundlage der Wirklichkeit erfüllen könne.4 Dieses Bestreben hat wohl im Funktionswandel des Privatrechts seine rechtssoziologische Erklärung. Dieses hat sich in der Neuzeit vom Garanten einer formalen Rahmenordnung zu einem Mittel zielorientierter Gestaltung gesellschaftlicher Zustände gewandelt.5 Jedenfalls musste das System der Beweislasten verstärkt um Aufklärungspflich­ ten und/oder richterliche Aufklärungsbefugnisse erweitert werden, die darauf hinwirken, dass grundsätzlich alle (potentiell) rechtserheblichen Informa­tions­ quellen herangezogen werden können. Wie die resultierenden Aufklärungssysteme genau strukturiert sind, wird später veranschaulicht. Aus der Vogelperspektive ist zunächst nur relevant, dass jedes moderne Zivilprozessrecht Lasten und Pflichten zur Einbringung von Informationen vorhält, um eine Informationssammlung zu veranlassen, die ohne Prozess nicht zustande kommen würde und deren Umfang sich im Laufe des letzten Jahrhunderts ausgeweitet hat. b) Die Grundsätze der Verfahrenstransparenz Zugleich unterstehen moderne Zivilprozesse dem Ideal der Verfahrenstransparenz gegenüber Partei und Allgemeinheit. Einerseits soll jede Person Gelegenheit haben, den Ausgang des Verfahrens, in dem über ihre Rechtsgüter entschieden wird, effektiv mitzubestimmen. Dies setzt ein Informationsrecht der Partei bezüglich des Prozessgeschehens voraus, das verschiedener normativer Grundlage entspringen kann: etwa dem Grundsatz der Waffengleichheit als Forderung eines fairen Verfahrens; mit besonderer Intensität aber dem Anspruch auf Ge4  „Zivilprozess und Zivilprozessrecht sind […] Institutionen, die die Anordnungen des materiellen Rechts flankieren und ihre praktische Wirksamkeit sichern.“ Gomille, Informationsproblem und Wahrheitspflicht (2016), 4 m. w. N., auch 7 f.; ähnlich Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 5 f. Aus anglo-amerikanischer Sicht (im Zusammenhang mit der Beweisvereitelung) Solum/Marzen, (1987) 36 Emory L. J., 1085, 1139: „Truthseeking is important because accurate results are essential if the laws are to serve their social purposes.“ Vgl. auch Posner, Economic Analysis of Law (2011), 820 f., der die sozialen Kosten verminderter Verhaltenskontrolle durch falsche Urteile in den Blick nimmt („social cost of an erroneous outcome“). Der Gesichtspunkt der Wirksamkeit des objektiven Rechts ist (zumindest im engeren Sinn) nicht rechtsdogmatisch, sondern betrachtet das Rechtssystem von außen – er ist also rechtssoziologisch bzw. ökonomisch. Aus dogmatischer Sicht erscheint das Bestreben um die Wirksamkeit des Rechts durch umfassende Wahrheitserforschung im Verfahren als Ausfluss der rechtsstaatlichen Rechtsschutzgewährleistung, wie bei Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 31 ff., insb. 42 f., oder der „rule of law“, wie bei Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  1.5 („Without remedies there are no rights and without enforceable rights there is no rule of law“). 5  Zu diesem Wandel Teubner, ARSP 1982, 13, 24 f. Vergleichend zum Privatrecht: Hager, Strukturen des Privatrechts in Europa (2012), insb. 3–28.

I. Das Problem prozessfremder Wirkungen der prozessualen Sachverhaltsaufklärung

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hör.6 Neben der Partei soll auch die Allgemeinheit Zugang zu den Inhalten des Zivilprozesses erhalten, um in der Lage zu sein, die Tätigkeit der Gerichte zu überwachen7 und damit die Legitimation und das Vertrauen in die Rechtsprechung zu stärken.8 Die Verfahrenstransparenz gegenüber der Allgemeinheit drückt sich im Öffentlichkeitsgrundsatz und in ergänzenden Zugangsrechten Dritter aus. Hier soll zunächst nur die faktische Wirkung der Verfahrenstransparenz festgehalten werden: Die durch Vorschriften zur Sachverhaltsaufklärung gesammelten Informationen werden aufgrund dieser Normen der Verfahrenstransparenz zudem weitergegeben und verbreitet, um parteiliche Einflussnahme bzw. öffentliche Überwachung zu ermöglichen. c) Einsatzvielfalt der Information als Problem des Zivilprozesses Die zur Aufklärung eines rechtsrelevanten Sachverhalts beigebrachten und über die Grundsätze der Verfahrenstransparenz verbreiteten Informationen beschränken sich in ihren Wirkungen aber nicht auf die Zwecke, die ihnen das Prozessrecht zugedacht hat. Informationen sind polyvalent: Sie sind durch Wirkungsund Einsatzvielfalt gekennzeichnet. Dem steht die Rechtsordnung zunächst einmal wertneutral gegenüber.9 Die Vernehmung eines Zeugen trägt zur Aufklärung des Sachverhalts bei und ihre öffentliche Vornahme stellt die Justiz unter Aufsicht der Allgemeinheit. Nur kann die Zeugenaussage zugleich etwa einem Schriftsteller den Stoff für ein literarisches Werk bereitstellen, einer lauernden Staatsanwaltschaft Anhaltspunkte für eine Straftat liefern oder einem Unternehmer Betriebsinformationen eines Konkurrenten preisgeben, die er im Wettbewerb ausnutzen kann – um nur einige Beispiele zu nennen. Parteivorträge, Ver6  Die Abgrenzung zwischen rechtlichem Gehör und Waffengleichheit ist problematisch (vgl. MüKoZPO/Rauscher, Einleitung Rn.  258). Jedenfalls steht beim Gehörsrecht die Einflussmöglichkeit auf die gerichtliche Entscheidung, bei der Waffengleichheit der Gleichheitsgedanke bei Ausübung der Prozessrechte im Vordergrund. So kann letztere eine Annährung des Wissenstands der Parteien fordern, um die Gleichheit der Mitwirkung sicherzustellen, für Europa etwa Grabenwarter/Pabel, EMRK (2016), §  24 Rn.  72. 7  Vgl. etwa BGH NJW 1977, 157 f. („die Kontrolle des Verfahrensgangs durch die Allgemeinheit“); BVerfG NJW 2001, 1633, 1635 („Rechtsposition des Volks […], von den Geschehnissen im Verlauf einer Gerichtsverhandlung Kenntnis zu nehmen und die durch die Gerichte handelnde Staatsgewalt einer Kontrolle in Gestalt des Einblicks der Öffentlichkeit zu unterziehen“); Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (2007), Rn.  155. Zum common law: Scott v. Scott [1913] A.C. 417; Jacob, The Fabric of English Civil Justice (1987), 22. Weitere Nachweise unten bei D.I.1. 8  Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (2007), Rn.  155; Scott v. Scott [1913] A.C. 417, 463 (per Lord Atkinson); EGMR Malhous v. the Czech Republic, 12.7.2001, No.  33071/96, §  55. 9 Dazu Druey, Information als Gegenstand des Rechts (1995), 102.

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B. Informationskontrolle als Regelungsbereich des Zivilprozessrechts

nehmungen, Urkunden- und Gegenstandsvorlegungen usw. können – als prozessual gerechtfertigte und geforderte Aufklärungsvorgänge – aufgrund der Ein­satzund Wirkungsvielfalt der Informationen prozessfremde Folgen hervorbringen. Dazu gehört auch das Beispiel des Arztes, den die prozessuale Pflicht träfe, über Themen auszusagen, die zugleich vom Arztgeheimnis gedeckt sind. Die prozessuale Informationsverbreitung würde auch hier, als prozessfremde Wirkung, zum Vertrauensbruch und Rechtsverstoß führen. An diesen Beispielen zeichnen sich zwei Fallgruppen ab, die genauer darzustellen sind.

2. Erscheinungsformen der prozessfremden Wirkung zivilprozessualer Aufklärung a) Das Problem zweckfremder Informationsverwendung Die prozessuale Einbringung und Verbreitung von Informationen eröffnen für ihre Empfänger ein riesiges Feld möglicher Anwendungen, die mit den Zwecken des Prozessrechts, das ihre Freisetzung veranlasst hat, nichts zu tun haben. Denn die Parteien und Mitglieder der Öffentlichkeit, die kraft Verfahrenstransparenz zum Empfang der beigebrachten Informationen berechtigt sind, existieren nicht nur in ihren prozessualen Rollen, sondern sind zugleich handlungsfreie Privatpersonen. Als solche können sie mit dem empfangenen Wissen grundsätzlich nach Belieben verfahren. Hier liegt die Wurzel eines Problems, das den zu untersuchenden Rechtsordnungen gemein ist. Zum einen ist die Transparenz der Aufklärung notwendige Grundlage einer legitimen Justiz, zum anderen bringt sie damit faktisch Informationen in Umlauf, die den kenntnisnehmenden Personen zur freien Verfügung stehen. Ein Gerichtsverfahren ist somit nicht nur die institutionalisierte Form der Rechtsdurchsetzung, sondern faktisch auch Informationsquelle in einer Gesellschaft handlungsfreier Individuen: Jede Person kann über die ihr zugängliche Information, sei es, dass sie über ein Gerichtsverfahren oder über eine andere Quelle zugänglich gemacht wurde, grundsätzlich frei verfügen.10 Sie können damit je nach Vorliebe und Zielsetzung Privat-, Gruppenoder Allgemeininteressen verfolgen, die mit den Zwecken der prozessualen Informationsverbreitung nicht übereinstimmen.11 In jeder Prozessrechtsordnung 10  Zu

Gerichtsverhandlungen als allgemein zugängliche Quelle und damit Grundlage der Informationsfreiheit im Sinne des Art.  5 I 1, 2. Alt. GG vgl. BVerfG NJW 2001, 1633, 1634 f.; Dreier/Schulze-Fielitz, GG Art.  5 I, II Rn.  79. Die grundsätzliche Freiheit, aus allgemein zugänglichen Quellen erlangte Informationen frei zu verbreiten, ist der Minimalgehalt der Meinungsfreiheit in liberalen Demokratien; ob sie darüber hinaus das Recht auf Zugang zu bestimmten unzugänglichen Informationen gewährt, ist dagegen rechtsordnungsabhängig, vgl. Barendt, in: Comparative Constitutional Law (2012), 891, 899 f. 11  Moore-Bick J. formuliert den Zusammenhang zwischen dem Öffentlichkeitsgrundsatz

I. Das Problem prozessfremder Wirkungen der prozessualen Sachverhaltsaufklärung

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erhebt sich daher die Frage, ob, wie und inwieweit Informationskontrolle betrieben werden muss, um den ausufernden Möglichkeiten des zweckfremden Gebrauchs der via Zivilprozess freigesetzten Informationen Grenzen zu setzen. Ein Blick in die Rechtsprechung der untersuchten Rechtsordnungen kann das Problem zweckfremder Informationsverwendung veranschaulichen. Die bedeutendste Fallgruppe ist die Verwertung eines zu Aufklärungszwecken aufgedeckten Unternehmensgeheimnisses. Es handelt sich aber um ein allgemeines Problem, das sich auch auf andere Risikolagen erstreckt: Die Vorlage von Dokumenten seitens des beklagten Hotelunternehmens könnte zur Ahndung von Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften führen;12 die Preisgabe der Mitglie­der­ liste des klagenden Verbands könnte eine Belästigung mit sinnlosen Wett­be­ werbsprozessen durch die Mitwerber hervorrufen;13 die Offenlegung von Fi­nanz­ ­­informationen könnte Kunden abtrünnig machen;14 die zum Nachweis eines Urhe­berechts vorgelegten Briefe eines berühmten Schriftstellers könnte der Beweisführer sogleich gewinnbringend veröffentlichen;15 eine vorbereitende Videovernehmung könnte gezielt zur Bloßstellung oder Rufschädigung des Vernommenen verwendet,16 oder in einen gewinnträchtigen Dokumentarfilm eingearbeitet werden;17 auch könnte die prozessuale Informationsverbreitung Beteiligte oder Dritte besonderen Gefahren aussetzen: Repressalien durch Andersdenkende18 bis hin zu Folter und Mord durch Milizen.19 Nicht jeden dieser Fälle drohender Alternativnutzung haben die Gerichte auch als prozessrechtswidrig angesehen. Der Sorge, dass die prozessual veranlasste Informationsverbreitung zu frivolen Prozessen führen könnte, hat der BGH k­ eine Bedeutung beigemessen20 und US-Gerichte meinen, dass eine öffentliche Bloß­ stellung, selbst wenn vom Gegner gezielt betrieben, grundsätzlich hingenommen und dem Potential zweckfremder Nutzung sehr treffend: „one consequence of observing the principle of open justice is that those who are present at a hearing may obtain access to information that they may be able to use to their advantage in other contexts, that is simply a consequence of doing justice in public. It is not one of its primary objects.“ Dian AO v. Davis Frankel & Mead (A Firm), [2005] 1 WLR 2951, 2959. 12  Alterskye v. Scott, [1948] All ER 469, 470. 13  BGH NJW 1996, 391 – „anonymisierte Mitgliederliste“. 14  V v. T & Anor, [2014] EWHC 3432 (Ch), Rz.  10, 21. 15  RGZ 69, 401, 405 f. – „Nietzschebriefe“. 16  Flaherty v. Seroussi, 209 F.R.D. 295 (2001) bzw. Marceaux v. Lafayette City-Parish Consol. Government, 731 F.3d 488 (2013). 17  Drake v. Benedek Broad. Corp., 2000 WL 156825 (D. Kan. Feb. 9, 2000). 18  Seattle Times Co. v. Rhinehart, (1984) 104 S.Ct. 2199, 2204; Church of Scientology of California v. Department of Health, [1979] 1 WLR 723. 19  Libyan Investment Authority v. Societe Generale SA, 2015 EWHC 550 (QB). 20  BGH NJW 1996, 391, 392.

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B. Informationskontrolle als Regelungsbereich des Zivilprozessrechts

werden müsse.21 Die Frage, welche alternative Verwendungsart dem Zivilprozessrecht als rechtswidrig und unzulässig gelten soll, gehört, wie auch die Frage nach den Maßnahmen um sie zu unterbinden, schon dem Bereich der nationalen Regelungsoptionen an, die unterschiedlich ausfallen können. In der Regel wird sich eine Prozessrechtsordnung zur Bestimmung der (Un-)Zulässigkeit prozessfremder Informationsverwendung am jeweiligen materiellen Recht orientieren. Das Recht prozessualer Informationskontrolle kann daher zum Großteil als Recht zur Prävention materiellrechtlicher Rechtsverstöße verstanden werden. Dies ist offensichtlich, wenn einem Verfahrensbeteiligten Körperverletzung oder Tötung droht, wird aber auch bei Risiken der Verwertung von Unternehmensgeheimnissen deutlich, wenn etwa gesagt wird, dass der prozessuale Rechtsschutz nicht zum (materiellrechtlichen) Verlust eines Unternehmensgeheimnisses führen darf.22 Dieser Präventionsaspekt klingt auch bei Stürner an, wenn er vom „Risiko künftiger Wettbewerbsverstöße“ spricht und bei der Bestimmung der Schutzwürdigkeit eines Unternehmensgeheimnisses den „Maßstab künftiger Mißbrauchsmöglichkeit“ anzulegen empfiehlt.23 Diese Ausrichtung an das materielle Recht ist aber nicht zwingend. Die Verfolgung einer Straftat ist kein Rechtsbruch, was Prozessordnungen nicht davon abhält, die strafprozessuale Verwendung der offengelegten Informationen zu verbieten. Zudem zeigt das englische Zivilprozessrecht, dass auch ein pauschales Verbot jeglicher Art zweckfremder Verwendung denkbar ist: Nach CPR 31.22(1) soll die Dokumenten-disclosure ausschließlich den Zwecken des Verfahrens vorbehalten bleiben.24 Das französische Zivilprozessrecht untersagt die zweckfremde Verwendung des Sachverständigengutachtens dagegen nur bei Gefahr der Verletzung eines berechtigten Interesses.25 Mit diesen Beispielen sind schon unterschiedliche Lö-

21 

Flaherty v. Seroussi, 209 F.R.D. 295 (2001). McGuire, GRUR 2015, 424, 428. 23  Stürner, JZ 1985, 453, 458 bzw. 461. 24  „A party to whom a document has been disclosed may use the document only for the purpose of the proceedings in which it is disclosed“. Wie das House of Lords in The Home Office v. Harman, [1983] A.C. 280, 301 klargestellt hat, ist hier ein Rechtsbruch irrelevant: „I take the expression ‚collateral or ulterior purpose‘ […] merely to indicate some purpose different from that which was the only reason why, under a procedure designed to achieve justice in civil actions, she was accorded the advantage, which she would not otherwise have had, of having in her possession copies of other people’s documents“ (per Lord Diplock). Auf diese Vorschrift wird zurückzukommen sein. 25  Art.  247 des französichen Code de Procédure Civile: „L’avis du technicien dont la divulgation porterait atteinte à l’intimité de la vie privée ou à tout autre intérêt légitime ne peut être utilisé en dehors de l’instance si ce n’est sur autorisation du juge ou avec le consentement de la partie intéressée“ (eigene Hervorhebung). 22 

I. Das Problem prozessfremder Wirkungen der prozessualen Sachverhaltsaufklärung 11

sungsansätze angedeutet, die allesamt das gemeinsame Problem zweckfremder Verwendung der prozessual gesammelten Informationen als Bezugspunkt haben. Festzuhalten ist: Jeder Zivilprozess, der in einer Gesellschaft handlungsfreier Individuen eingebettet ist und dessen Aufklärungsaktivität mit parteilichen Informationsrechten und öffentlichem Zugang verbunden ist, steht vor demselben Problem: Die zur Rechtsdurchsetzung freigesetzten Informationen können zu prozessfremden Zwecken genutzt werden. Die Frage, in welchen Fällen und mit welchen Mitteln diesem Phänomen Grenzen gesetzt werden sollen, drängt sich daher in den untersuchten Rechtsordnungen auf und lässt in der zweckbindenden Informationskontrolle einen Regelungsbereich aller Zivilprozessrechte erkennen, der verglichen werden kann. b) Das Problem rechtswidriger Informationsverbreitung Die zweite Art prozessfremder Wirkung prozessualer Sachverhaltsaufklärung erscheint als Wertungswiderspruch zwischen dem aufklärenden Prozessrecht und (meist) dem materiellen Recht. Es kann vorkommen, dass eine prozessuale Last oder Pflicht auf die Einbringung von Informationen abzielt, deren Verbreitung das materielle Recht gerade unterbinden will. Beispielsweise kann eine Urkundenvorlegung die Persönlichkeitssphäre einer Partei verletzen (Vorlage des Tagebuchs) oder von einem Berufsgeheimnis umfasste Informationen enthüllen. Es entsteht ein Wertungskonflikt zwischen der prozessualen Informationsverbreitung und einer materiell geschützten Geheimsphäre, sei es, dass sie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder besonderen Vertraulichkeitsbeziehungen entstammt. Bestimmte Arten von Kommunikation (Anwalt/Mandant, Arzt/Pa­ tient, Journalist/Quelle usw.) sind nur dann von Qualität, wenn Vertraulichkeit zugesichert ist. Besteht ein allgemeines Interesse am Zustandekommen dieser Kommunikation (wirksame Rechtsverfolgung, qualitative ärztliche Behandlung, wahrheitsgetreue Berichterstattung usw.) sorgt das materielle Recht für die Sicherung der Vertraulichkeit, weil die Erschütterung des zugesicherten Vertrauens das Zustandekommen dieses wertvollen Austausches behindern würde.26 Selbst wenn die Zusicherung der Vertraulichkeit nur vertraglich gegeben ist, besteht ein allgemeines Interesse daran, den Glauben an die Bindungskraft von Vertraulichkeitsvereinbarungen aufrechtzuerhalten. Sind solche Informationen nun für einen Rechtsstreit relevant, fordert das Prozessrecht die Einbringung und Verbreitung von Informationen, die nach materiellem Recht gerade geheim gehalten werden sollen. Die Befolgung des Prozessrechts würde eine Wertung des materiellen Rechts untergraben, die Befolgung des materiellen Rechts würde die Rechtsdurchsetzung erschweren und die Effektivität des Rechtsschutzes verrin26 

Genaueres unter D.IV.

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B. Informationskontrolle als Regelungsbereich des Zivilprozessrechts

gern. Jede Rechtsordnung muss für diese Wertungswidersprüche eine Lösung finden. Die einfachste Lösung wäre einem der beiden Regelungsbereichen pauschal Vorrang einzuräumen, also im Konfliktfall entweder das materielle Recht (persönliche und vertrauliche Informationen müssen niemals eingebracht werden) oder das Prozessrecht (persönliche und vertrauliche Informationen müssen ohne Einschränkungen eingebracht werden) immer obsiegen zu lassen. In den untersuchten Zivilprozessrechten haben sich jedoch differenzierte Lösungen entwickelt. Die Auflösung solcher Wertungswidersprüche ist also die zweite Aufgabe eines Rechts der zivilprozessualen Informationskontrolle.

3. Informationskontrolle, Geheimhaltungsinteresse und Schutzwürdigkeit Aus Sicht der Person, der aus der zweckfremden Informationsverwendung ein Nachteil droht oder deren Persönlichkeitssphäre bzw. Vertrauensbeziehung gefährdet ist, treten diese Probleme als „Geheimhaltungsinteresse“ auf, ein Begriff, der in deutschen Arbeiten zum zivilprozessualen Geheimnisschutz geläufig ist. An diesem Begriff wird festgehalten und er soll nach der obigen Unterscheidung entweder das Interesse an der Vermeidung zweckfremder Informationsverwendung oder an der Geheimhaltung persönlicher oder vertraulicher Informationen bezeichnen. Geläufig ist auch der Ausdruck „schutzwürdige Information“. Auch er soll übernommen werden, um sich sowohl auf missbrauchsanfällige (also rechtswidrig zweckfremd einsetzbare) als auch persönliche und vertrauliche Informationen zu beziehen.

II. Mittel der Informationskontrolle im Zivilprozess Nun wird eine Übersicht zu den Mechanismen gegeben, die zur Bewältigung des Problems in Frage kommen. Ganz abstrakt besehen gibt es zwei Arten von Maßnahmen, durch die das Zivilprozessrecht Informationskontrolle ausübt: die Zweck­ bindung der beigebrachten Informationen und die vorbeugende Vorenthaltung grundsätzlich beizubringender Informationen.

1. Kontrolle durch Zweckbindung der Information Die zivilprozessual freigesetzte Information kann an den Zweck der Rechtsdurchsetzung gebunden werden, indem man Personen von der Kenntnisnahme der schutzwürdigen Information ausschließt (a) oder Pflichten im Umgang mit den empfangenen Informationen auferlegt (b).

II. Mittel der Informationskontrolle im Zivilprozess

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a) Zweckbindung durch den Ausschluss von Personen Zunächst besteht die Möglichkeit, bestimmte Personen (Mitglieder der Öffentlichkeit oder Verfahrensbeteiligte) vom Prozess auszuschließen. Steht fest, dass die öffentliche Verbreitung der Informationen zu prozessfremden und unerwünschten Folgen führen könnte, ist der Ausschluss der Öffentlichkeit das nächststehende Mittel, diese Risiken zu beseitigen bzw. ihre vertrauliche Handhabe aufrechtzuerhalten. Wenn das Risiko aber von einer Partei ausgeht – typisch, aber nicht ausschließlich, bei der Offenlegung von Unternehmensgeheimnissen an den Konkurrenten – kommt zusätzlich ein Parteiausschluss in Frage. Die Informationskontrolle erfolgt hier also durch gezielte Einschränkung der Grundsätze der Verfahrenstransparenz, wodurch der Kreis der Eingeweihten verengt und das Potential prozessfremder Folgen verringert oder beseitigt wird. b) Zweckbindung durch die Auferlegung von Verhaltenspflichten Weiter bietet es sich an, Parteien oder Dritten die Pflicht aufzuerlegen, eine prozessfremde Verwendung der empfangenen Informationen zu unterlassen. Dies ist das bevorzugte Instrument des common law. In bescheidenem Maße ist es aber auch dem deutschen Prozessrecht bekannt. Meist sind Verschwiegenheitsverpflichtungen ausreichend, um alle relevanten Risiken abzudecken – zuweilen sind aber auch Nutzungsverbote oder ergänzende Pflichten sinnvoll.27 Eine solche Verhaltenspflicht kann im Gesetz vorgesehen28 oder als gerichtliche Verpflichtungsbefugnis ausgestaltet sein29 und gilt nur dann als effektiv, wenn bei Verstoß besondere Sanktionen drohen.30

2. Kontrolle durch vorbeugende Vorenthaltung Unerwünschte Folgen der Aufklärung lassen sich am effektivsten dadurch vermeiden, dass man von der Informationseinbringung einfach absieht, d. h. indem man nachteilige Folgen der Informationsverbreitung als Ausnahmen zu Aufklärungspflichten oder Grenzen zu Ermittlungsbefugnissen auffasst. Eine vorbeu27 Etwa bei Geschäftsgeheimnissen, die ohne Informationsweitergabe verwertet werden können, McGuire, GRUR 2015, 424, 428, Fn. 67. 28  Wie die vorgenannte Pflicht zur zweckgerechten Nutzung der Dokumente nach CPR 31.22 oder die Verschwiegenheitspflicht der Richter nach §§  203 II 1 Nr.  1, 353b I 1 Nr.  1 StGB. 29  Deutsche Gerichte nur im Anwendungsbereich des §  174 III GVG, die Gerichte des common law im umfassenden Anwendungsbereich ihrer inherent jurisdiction. Vgl. dazu unten C.III.1.c). 30  In Deutschland über §  353d Nr.  2 StGB (Verstoß einer Verschwiegenheitsanordnung), im common law über das contempt of court-Verfahren.

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B. Informationskontrolle als Regelungsbereich des Zivilprozessrechts

gende Vorenthaltung kommt vor allem dann in Frage, wenn in einer Rechtsordnung die Privatsphäre oder vertrauliche Beziehungen nicht erst bei der Verbreitung ihrer Inhalte (die man ja mit den Ausschluss der Öffentlichkeit verhindern könnte) als verletzt gelten, sondern schon bei der Einführung in das Gerichtsverfahren.31 Aber auch bei Risiken zweckwidriger Verwendung kann das Prozessrecht mit vorbeugender Vorenthaltung reagieren. Dies ist zum einen der Fall, wenn den vorgenannten Mitteln zur Zweckbindung Hindernisse entgegenstehen; etwa das Gehörsrecht absolute Geltung beansprucht, sodass ein Parteiausschluss nicht in Frage kommt oder wenn das Gericht keine Befugnis besitzt, strafbewehrte Schweigepflichten aufzuerlegen. Hier bleibt dem Gericht kaum eine andere Wahl, als die aufklärungspflichtige Partei vorbeugend von der Beibringung der (grundsätzlich geschuldeten) Information zu befreien. Dies ist typisch für das deutsche Zivilprozessrecht, das zur Handhabung von Geheimhaltungsinteressen bei den Vorlegungspflichten nach §§  142, 144 ZPO, der Mitwirkungspflicht nach §  371 III ZPO oder bei Anwendung der sekundären Behauptungslast Zumutbarkeitsgrenzen vorsieht, nach deren Überschreitung die Information nicht beizubringen ist.

3. Der Preis effektiver Informationskontrolle Jede dieser vier konkreten Maßnahmen zur Informationskontrolle (Ausschluss der Öffentlichkeit, Ausschluss der Partei, sanktionsbewehrte Pflichten und vorbeugende Vorenthaltung) hat eigene Folgeprobleme: Der Ausschluss der Öffentlichkeit entwertet die Überwachung der Justiz durch die Allgemeinheit; der Ausschluss einer Partei behindert deren autonome Einflussnahme auf das Verfahren; die Auferlegung von Pflichten setzt Institutionen zur effektiven Sanktionierung voraus; und die vorbeugende Vorenthaltung missachtet das vorherrschende Verständnis eines effektiven Rechtsschutzes, das die Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen fordert. Eine Ideallösung ist insofern nicht ersichtlich, jede Maßnahme bringt ihre eigenen Nachteile mit sich.

4. Informationskontrolle und Prozessstruktur Was bisher „prozessuale Sachverhaltsaufklärung“ genannt wurde beschreibt Aufklärungsvorgänge, die sehr unterschiedlich reguliert sein können. Regelungen unterscheiden sich je nach Verfahrensabschnitt und die Folge und Ausgestaltung von Verfahrensabschnitten ist von Staat zu Staat verschieden: Die Aufklä31 

Genaueres unter D.IV.2.

II. Mittel der Informationskontrolle im Zivilprozess

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rung kann privat durch die Parteien betrieben werden oder vor dem erkennenden Gericht stattfinden; sie kann der Vorbereitung der Hauptverhandlung dienen oder als Beweisaufnahme direkt auf die hoheitliche Überzeugungsbildung abzielen. Die Probleme prozessfremder Wirkung können in jeder dieser Phasen prozessualer Aufklärung auftreten; nicht jedes Mittel der Informationskontrolle lässt sich aber in jedem Verfahrensabschnitt einsetzen. Der Ausschluss von Personen von der Kenntnisnahme des Prozessgeschehens ist beispielsweise sehr strukturabhängig: Während der Verhandlung und Beweisaufnahme haben Öffentlichkeit und Parteianwesenheit ein großes Gewicht, sodass ein Öffentlichkeits- oder Parteiausschluss mit höherem Rechtfertigungsaufwand verbunden ist als in vorbereitenden Phasen. Andere Mittel der Informationskontrolle sind dagegen weitgehend strukturneutral: Schweigepflichten regulieren das Verhalten außerhalb des Prozesses. Auch die ausnahmsweise Vorenthaltung beizubringender Informationen greift nicht in die Verfahrensgestaltung ein. Diese Beziehungen zwischen Aufklärung, Struktur und Informationskontrolle müssen beim Rechtsvergleich berücksichtigt werden. Daher wird als nächstes die Struktur der zivilprozessualen Sachverhaltsaufklärung rechtsvergleichend dargestellt (C.). Erst dann kann die vergleichende Untersuchung der Informationskontrolle unternommen werden (D.).

C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich Bisher war ganz allgemein vom „Zivilprozess“ die Rede innerhalb dessen „Aufklärung“ betrieben wird. Nun müssen die Aufklärungssysteme der untersuchten Länder konkret gegenübergestellt werden. Der erste Schritt ist die Bestimmung von Aufklärungsphasen, die in jeder Zivilprozessordnung erkannt werden können. Dabei soll „Aufklärung“ ganz allgemein und zweckoffen als Tätigkeit zur gedanklichen Rekonstruktion eines vergangenen oder gegenwärtigen Sachverhalts verstanden werden.1

I. Beweisförmige und vorbereitende Aufklärung Das Zivilverfahren ist auf die hoheitliche Entscheidung des Rechtstreits gerichtet;2 dass es oft – oder sogar meist – nicht zu einem Urteil kommt, ändert nichts an diese Ausrichtung.3 Kläger und Beklagter stellen sich in ihrer Kommunikation auf die Möglichkeit ein, dass letztlich ein Gericht den Ausgang des Konflikts bindend und endgültig entscheiden wird. Weiter wird hier vorausgesetzt, dass für 1  Damit wird eine vom Bewusstsein des Menschen unabhängige, von der Erkenntnis allerdings erfassbare Wirklichkeit vorausgesetzt. Zu dieser realistischen Einstellung zur Wahrheit, M. Schweizer, Beweiswürdigung und Beweismaß (2015), 33 f. m. w. N. 2  „[W]hatever is meant by a ‘fact’, and whatever system of procedure is envisaged, fact-finding is the business of the judge, or of the jury if there is one. It is not the business of the parties.“ Jolowicz, On Civil Procedure (2000), 211. „Ein richterliches Entscheidungsverfahren zielt […] nicht nur auf ein […] rechtmäßiges Erkenntnis im Sinne eines bloßen Rechtsgutachtens ab, sondern auch auf eine autoritative Streitentscheidung, einen in verschiedener Weise wirkenden richterlichen Machtspruch.“ Gilles, in: FS Schiedermair (1976), 183, 193 (Hervorhebung im Original). 3  Das gilt auch für das anglo-amerikanische Zivilverfahren, das äußerst selten bis zum trial voranschreitet. „It is also to be borne in mind that the likelihood of a settlement is influenced by the parties’ assessment of their chances at the trial, which is in turn influenced by the trial rules“, Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  22.2. Auch das US-amerikanische Zivilprozessrecht bewahrt eine „grundsätzliche Orientierung am Jury-Verfahren“, Brinkmann, Das Beweismaß im Zivilprozess (2005), 14 f.

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

Zivilsachen keine Staatsbehörde zur Ermittlung relevanter Sachverhalte vorgesehen ist.4 Die betroffenen Privatpersonen sind selbst dafür verantwortlich, den Streit in verhandelbarer Gestalt an den Entscheidungskörper heranzutragen. Der bürgerliche Konfliktfall bedarf also stets einer Vorbereitung, sowohl in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht, für die, bei allem staatlichen Entgegenkommen in jüngerer Zeit,5 letztlich die Parteien verantwortlich sind.6 Will man die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung vergleichend darstellen, muss man den Aspekt der hoheitlichen Tatsachenfeststellung vom Aspekt der vorbereitenden Aufarbeitung des Stoffes gedanklich trennen und in Bezug bringen, und zwar auf eine Weise, die in jeder der untersuchten Prozessordnungen nachvollziehbar ist.7 Diese Trennung wird hier folgendermaßen vorgenommen. Der hoheitliche Teil der Aufklärung umfasst Vorgänge und Aktivitäten zur ­Herausbildung der Urteilsgrundlage bezüglich streitiger Tatsachen. Er begreift Einführung und Erhebung von Informationen, sowie die Überprüfung der Verlässlichkeit ihrer Quellen.8 Die Regeln zur Erarbeitung dieser Basis begründen 4 

Der Verzicht auf eine Ermittlungsbehörde prädeterminiert weitgehend die normative Ausgestaltung der Informationsbeibringung (und lässt etwa den Kontrast zwischen Verhandlungsund Untersuchungsgrundsatz verschwimmen), vgl. Prütting, JA 1985, 313, 314; Tolani, Parteiherrschaft und Richtermacht (2019), 498. Bildhaft dazu Jolowicz, (2003), 52 Int’l & Comp. L.Q. 2, 281: „The fact is, however, that the only kind of situation in which a truly inquisitorial procedure can be envisaged is exemplified when a policeman who, arriving at the scene of a fracas, opens the proceedings with the time honoured formula, ‚What’s going on here?‘“ 5  Zur Sichtbarwerdung der Schranken zur Justiz und der Verrechtlichung ihrer Überwindung grundlegend Cappelletti/Garth, Access to Justice and the Welfare State (1981), 1 ff. Zu aktuelleren Entwicklungen: Storskrubb/Ziller, in: Access to Justice as a Human Right (2007), 311 ff. 6  Diese Verantwortung ist vom Privatrecht vorgeschrieben. Es besteht ein „normative[r] Zusammenhang zwischen dem der Privatautonomie verpflichteten materiellen Privatrecht einerseits und dem zugehörigen Verfahrensrecht andererseits“, Wagner, Prozeßverträge (1998), 59. Dies wird auch aus anglo-amerikanischer Sicht vorausgesetzt, vgl. Jolowicz, On Civil Procedure (2000), 21. f. (Freiwilligkeit der Anrufung der Gerichte und Orientierung an dem Privatinteresse der Parteien als Wesensmerkmale des Zivilprozesses). Der Zivilprozess liberaler Gesellschaften dient der Verwirklichung eines auf Privatautonomie basierenden Privatrechts, was diesem (i) die Gewährleistung der Parteidisposition über den Gegenstand des Verfahrens (Henckel, Prozessrecht und materielles Recht (1970), 119 ff.) und (ii) die Wahrung der Parteiverantwortung bei der Informationsbeibringung (Henckel, Prozessrecht und materielles Recht (1970), 144 f.; Wagner, Prozeßverträge (1998), 60) vorschreibt. 7  Die Schwierigkeiten eines gemeinsamen Begriffs der Prozessvorbereitung erläutert Jolowicz, On Civil Procedure (2000), 206: „Both types of system [das kontinentale und das anglo-amerikanische] see the legal process as consisting of two principal stages, the first of which is preparatory. However, common lawyers see the business of the preparatory stage as preparation for trial; the others see it as preparation for decision.“ 8  Durch das Erfordernis einer Glaubhaftigkeitsprüfung unterscheidet sich die Beweisaktivität von der Verhandlung. Zwar wird auch die Verhandlung als Urteilsgrundlage gewürdigt (in

II. Die Beweisaufnahme im Rechtsvergleich

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somit überall das „Beweisrecht“. Wenn ab jetzt von beweisförmiger Aufklärung die Rede ist, sind die Aufklärungsvorgänge zur hoheitlichen Feststellung streitiger Tatsachen gemeint, die als solche vom Beweisrecht erfasst sind. Der Zivilrichter kann und darf sich die Urteilsgrundlage aber nicht selbst verschaffen. Der beweisförmigen Aufklärung muss eine Vorbereitung vorangehen, die den Streit in eine Form bringt, die der anvisierten Beweisaufnahme angemessen ist. Neben der Aufarbeitung und Beschreibung des Lebenssachverhalts kann die Vorbereitung auch einer vorbereitenden Aufklärung bedürfen. Während die beweisförmige Aufklärung stets Sache des Prozessrechts ist, stehen für die vorbereitende Aufklärung Regelungsoptionen offen: Sie kann durch Prozessrecht (vorprozessuale oder prozessuale Aufklärungspflichten im Vorfeld der Beweisaufnahme) oder materielles Recht (materiellrechtliche Informationsansprüche) geregelt sein. Sie kann aber auch ohne besondere Rechtsform den Privatermittlungen der Parteien und Anwälte überlassen sein.9 Diese vorbereitenden Aufklärungsmaßnahmen können (und dürfen) nicht schon die richterliche Überzeugung zu streitigen Tatsachen herbeiführen. Sie dienen lediglich dazu, den Rechtstreit in eine Form zu bringen, welche den Anforderungen der Beweisaufnahme genügt, die dem Gericht die Erkenntnis verschaffen soll. Wie diese Anforderungen genau aussehen, richtet sich nach der Beschaffenheit der Beweisaufnahme.

II. Die Beweisaufnahme im Rechtsvergleich Eine Möglichkeit, den Vergleich zivilprozessualer Aufklärung anzugehen, ist dem chronologischen Fortgang des Zivilverfahrens zu folgen. Man legt sich ein „Raster“ zurecht, welches vorne, bei der vorprozessualen Aufklärung, ansetzt, Deutschland ausdrücklich nach §  286 I 1 ZPO; im trial automatisch durch die Verbindung von opening und closing arguments mit der Beweisaufnahme), was sich von der Beweiswürdigung aber dadurch unterscheidet, dass sie den unstreitigen Stoff zum Gegenstand hat und die Glaubwürdigkeit der Informationsquellen daher keine Rolle spielt. Sofern streitige Tatsachen festgestellt werden müssen, ist die Beweisform erforderlich, die die Verlässlichkeit der Quellen mitberücksichtigt. Zur Abgrenzung von Verhandlungswürdigung und Beweiswürdigung Brehm, Die Bindung des Richters an den Parteivortrag (1982), 249 ff. 9 Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018), §  110 Rn.  2. In den USA wird von den Parteien verlangt, dass sie private Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben („inquiry reasonable under the circumstances“), bevor sie pleadings einreichen und die discovery einleiten (FRCP 11(b)). Das englische Zivilprozessrecht geht weiter und gibt zur Vermeidung oder Verkürzung von Prozessen in bestimmten Materien Empfehlungen zum privaten Informationsaustausch im Vorfeld der Verfahrenseinleitung („pre-action-protocols“). Obwohl es sich dabei nicht um bindendes Recht handelt, kann ihre Nichterfüllung auf gerichtlichen Ermessensentscheidungen, etwa über die Kosten, Einfluss haben. Dazu Brandt, Das englische Disclosure-Verfahren (2015), 56; Andrews, The Modern Civil Process (2008), Rn.  6.10.

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

dann zur Beschreibung der Verfahrenseinleitung übergeht, die prozessuale „Stoffsammlung“ oder „Informationsbeschaffung“ ergründet und schließlich in der Beweisaufnahme mündet.10 Diese Vorgehensweise trübt m. E. den Blick für die Prozessstruktur.11 Kern des Zivilverfahrens ist die hoheitliche Tatsachenfeststellung. Die vorausgehenden Verfahrensabschnitte müssen so beschaffen sein, dass der in ihnen verarbeitete Stoff Verhandlungs- und Beweisreife erreichen kann, was von den Eigenschaften der Beweisaufnahme her bestimmt ist. Es ist daher vorzugswürdig, das Verfahren „von hinten aufzurollen“, also von der Beschaffenheit der Beweisaufnahme auszugehen und ihre Rückwirkung auf die ­vorangeschalteten Verfahrensabschnitte zu betrachten. Die Eigenheiten der Beweisaufnahme bedingen die Voraussetzungen ihrer Verfügbarkeit. Diese wiederum bestimmen die Art und Weise angemessener Vorbereitung, was dann für die Hürde der Verfahrenseinleitung und die vorprozessuale Aufklärung maßgebend ist.

1. Die Beweisaufnahme der anglo-amerikanischen Hauptverhandlung Die Bestimmung eines prägenden Merkmals der anglo-amerikanischen Beweisaufnahme hängt von der Betrachtungsweise ab.12 Zuweilen wird der Einsatz eines Geschworenengerichts („jury“) als das bezeichnende Attribut angeführt.13 Das ist überzeugend, sofern Regeln zur Beweiszulässigkeit in den Blick genommen werden,14 deren Ursprung und Funktionsweise zumindest teilweise auf die Laienbeteiligung zurückgehen.15 Will man aber eine Charakterisierung vorlegen, die auch für den Großteil der anglo-amerikanischen Zivilverfahren ohne Jury­ beteiligung Geltung beanspruchen kann, ist eine Anknüpfung an die singuläre Art der Parteikontrolle über die Beweisaufnahme vorzugswürdig.16 Ein Ver10 Etwa

Breidenstein, Zur Methodik der Verfahrensrechtsvergleichung (2012), 9–56; ähnlich Gerber, in: Law and Justice in a Multistate World (2002), 665 ff. 11  Sie zwingt zu einer überzogenen Abstraktion der Sprache, die zum vergleichenden Verständnis der Prozessstruktur nur wenig beitragen kann; man siehe als Beispiel nur die Beschreibung, die Breidenstein, Zur Methodik der Verfahrensrechtsvergleichung (2012), 35 zur zivilprozessualen „Informationsbeschaffung“ liefert. 12  Die Meinungen zum Wesensmerkmal des trial betonen entweder die Parteikontrolle oder die Laienbeteiligung, Damaška, Evidence Law Adrift (1997), 2 f. 13 Beispielsweise Jolowicz, On Civil Procedure (2000), 205. 14 Vgl. Brinkmann, Das Beweismaß im Zivilprozess (2005), 15. 15  Morgan, (1937) 4 U. Chi. L. Rev., 247, 258; Langbein, (1996) 96 Colum. L. Rev., 1168, 1194. 16  Dass Parteikontrolle von der Jurybeteiligung, wenn nicht historisch, so doch begrifflich trennbar ist, belegt Damaška, Evidence Law Adrift (1997), 74: „By adversary I mean a system of adjudication in which procedural action is controlled by the parties and the adjudicator remains essentially passive. […] Defined in this way, the adversary system is clearly indifferent to the variations in court structure and the temporal organization of proceedings“.

II. Die Beweisaufnahme im Rechtsvergleich

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gleich der kontinentalen und anglo-amerikanischen Parteiherrschaft darf sich dabei nicht auf die Feststellung eines „Mehr“ an Parteikontrolle bei der letzteren beschränken, sondern muss einen qualitativen Unterschied erkenntlich machen. Äußerlich fällt auf, dass sich die anglo-amerikanische Beweisaufnahme in zwei entgegensetzten Falldarstellungen der Parteien aufspaltet, die einem passiven Tat­richter zur Wahl dargeboten werden.17 Diese passive Grundhaltung ist von besonderer Qualität. Sie ist nicht nur die äußere Erscheinung verfahrensrechtlich gebotener Zurückhaltung, wie man sie vom kontinentalen Zivilrichter gewohnt ist, sondern Ausdruck eines Klimas, in dem sich die Polarität der Parteiaktivität und die Untätigkeit des Gerichts gegenseitig bedingen. Die genaue Zusammensetzung dieses Klimas ist mannigfaltig und lässt sich bis zu den Eigenheiten der Anwalts-18 und Gerichtsordnung zurückverfolgen – womöglich bis zu den Grundsätzen geschichtlich gewachsener Staatsorganisation.19 So weit soll hier nicht ausgeholt werden. Die Darstellung begnügt sich mit der Betonung zweier Gesichtspunkte, die m. E. für das vergleichende Verständnis der Beweisaufnahme am wichtigsten sind: zum einen die Methode des Fallrechts (a), zum anderen der hergebrachte Ablauf des trial20 (b). Beide Aspekte laufen darauf hinaus, dass dem Gericht des anglo-amerikanischen Zivilprozesses kein neutraler Standpunkt gegeben ist, von dem es Beweisaktivität entwickeln könnte, sodass die Beweisaufnahme der Kontrolle der Parteien überlassen bleibt (c). a) Die Methode des Fallrechts und richterliche Passivität Umfang und Grenzen richterlicher Aktivität sind eng mit dem Neutralitätsgedanken verbunden; die Grenzen der Neutralität sind aber wiederum mit dem Rechtsdenken verwoben.21 Im modernen Verfassungsstaat steht die Aktivität des Gerichts grundsätzlich unter dem Verdacht der unsachlichen Bevorzugung oder 17 

Damaška, Evidence Law Adrift (1997), 74 ff. Langbein, (1996) 96 Colum. L. Rev., 1168, 1201. 19 Meisterhaft Damaška, The Faces of Justice and State Authority (1986), der die Parteidominanz des anglo-amerikanischen Prozesses (109 ff.) mit einer unbürokratisch und horizontal organisierten Staatsgewalt (23 ff.) und einer reaktiven Staatsideologie (73 ff.) in Verbindung bringt. 20  Der Ausdruck „trial“ begreift die Einheit von Verhandlung und Beweis als einmaliges Ereignis der Tatsachenfeststellung und Rechtsfindung. Als solches lässt er sich in kontinentaleuropäische Rechtsprache nicht direkt übertragen (Jolowicz, On Civil Procedure (2000), 206), weswegen hier das Original beibehalten wird. 21 Für Stürner ist „[d]ie Lösung des Urkonflikts zwischen richterlicher Beratung und richterlicher Neutralität […] das eigentliche Kernproblem bei der Bestimmung des Umfangs und der Grenzen richterlicher Aktivität“, Stürner, Die richterliche Aufklärung im Zivilprozeß (1982), Rn.  19. Im Folgenden soll weitergehend dargestellt werden, dass sich auch die Methode des Rechtsdenkens auf das Verständnis der Neutralität und damit auf die Grenzen richterlicher Aktivität auswirkt. 18 

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

Benachteiligung einer Partei (Befangenheit)22 und wird entsprechend einem Neutralitätsgebot unterworfen.23 Die sachliche Gleichbehandlung der Parteien findet aber dort ihre Grenze, wo das Recht unterscheidet.24 Richterliche Aktivität, die auf einem sicheren Rechtsstandpunkt fußt, verdrängt den Befangenheitsverdacht. Für die Sachverhaltsaufklärung bedeutet das: Wenn sich die Beschreibung eines Sachverhalts im Recht klar einordnen lässt, kann das Gericht, auf die Rechtserheblichkeit gestützt, den Gang der Aufklärung leiten.25 Je abstrakter der Tatbestand einer Norm formuliert ist, desto früher kann ihr ein Sachverhalt, selbst in allgemeiner Beschreibung, untergeordnet werden. Die Abstraktion des Rechtssatzes ist insofern rechtsmethodische Prämisse der in §  139 I ZPO vorgesehene Befugnis zu materieller Prozessleitung.26 In der Denkweise des Fallrechts ist eine abstrakte Einordnung eines Streitfalls jedoch kaum möglich. Sie erfordert die Kenntnis von Einzelheiten des konfliktbegründenden Sachverhalts sowie der in Frage kommenden Präzedenzfälle.27 Denn der Rechtsatz der anwendbaren Präzedenzfälle wird durch Vergleich und Unterscheidung („distinction“) der konkreten Gegebenheiten des neu zu entscheidenden Falles gewonnen.28 Nur im Konkreten lässt sich die methodisch vorgeschriebene29 Feststellung von Pro22 

Begrifflich nach Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (2007), Rn.  488, der mit Unbefangenheit das Gebot sachlicher Distanz beschreibt, das zusammen mit dem Prinzip der Unparteilichkeit das Neutralitätsgebot ausmacht. 23  Dies gilt freilich rechtsordnungsübergreifend, vgl. z. B. Art.  6 EMRK („by an independent and impartial tribunal“); zu den USA: „Under the Constitution, judicial impartiality constitutes an essential element of due process“, Kaufman, (1980) 80 Colum. L. Rev., 671, 692 m. w. N. 24  In Deutschland wird betont, dass die aus Neutralität gebotene Zurückhaltung dort aufhört, wo das Recht (und daher auch die richterliche Rechtsbindung) ansetzt, Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (1987), 219. 25  Vgl. zur Neutralität des deutschen Zivilrichters bei der Aufklärung: „Die Aufklärungs­ tätigkeit muß sich […] als sachlich ausweisen. Sachlich ausgewiesen wird die richterliche Aktivität, wenn sie von rechtlichen Erörterungen den Ausgang nimmt“, Brehm, Die Bindung des Richters an den Parteivortrag (1982), 221 m. w. N. 26  Genaueres sogleich unter C.II.2.a). 27  Damaška, (1975) 123 U. Pa. L. Rev., 1083, 1104: „It is typical of precedents that the decisional standard contained in them can hardly be translated into an abstract rule. What is important in factual details of such professional anecdotes can be approached from different perspectives, and hardly can be stated with precision.“ 28  Fikentscher, Methoden des Rechts (1975), Band  II, 98 beschreibt diesen Vorgang folgendermaßen (aus Sicht des englischen Rechts): „[N]ach Schilderung des zu entscheidenden Falles [wird] genauestens achtgegeben […], ob verwandte Fälle vorhanden sind, nach deren Präzedenzaussagen der neue Fall beurteilt werden könnte, oder von denen sich der neue Fall in bestimmten Hinsichten unterscheidet, so daß die neue Regel im Vergleichsverfahren gewonnen werden kann.“ 29  Es handelt sich um drei gedankliche Schritte: „First comes the perception of relevant like­nesses between the previous case and the one before the court. Next there is the determina-

II. Die Beweisaufnahme im Rechtsvergleich

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blemidentität zwischen Präzedenzfall und Anwendungsfall und die daraus folgende Bestimmung des bindenden Teils – der ratio decidendi – bewerkstelligen, was die singuläre „Sachverhaltsbezogenheit“ des anglo-amerikanischen Rechtsdenkens ausmacht.30 Die Methode der Rechtsanwendung entwickelt sich also vom Sachverhalt zur Norm, „von unten nach oben“.31 Die Bestimmung der Rechtserheblichkeit setzt einen bis ins Detail bekannten Sachverhalt voraus und kann daher nicht der Aufklärung vorausgehen. Bevor Detailwissen vorhanden ist, kann ein Dritter nur schwerlich einen rechtlichen Standpunkt einnehmen, aus dem unbefangen die Aufklärung zu leiten wäre. Damit sind auf methodischer Ebene die Passivität und beobachtende Rolle des Entscheiders gewissermaßen vorbestimmt. Die Aufbringung und Darlegung der Information sowie ihre rechtliche Einordnung mutet bis zuletzt interessensorientiert an und muss den Parteien vorbehalten bleiben.32 b) Ablauf des trial Zudem sind Parteiherrschaft und richterliche Passivität im äußeren Ablauf des traditionellen jury-trial verwurzelt. Historisch gesehen bedeutete Rechtsschutz in England die einmalige Anrufung von Laien aus der Umgebung – früher meist Analphabeten33 – zur Feststellung der streitigen Tatsachen eines Rechtsstreits. Mündlichkeit war das einzig denkbare Kommunikationsmedium34 und eine zum tion of the ratio decidendi of the previous case and finally there is the decision to apply that ratio to the instant case“, Cross/Harris, Precedent in English Law (1991), 192. 30  Eine treffende Erklärung aus deutscher Sicht findet sich in Hay, US-Amerikanisches Recht (2015), Rn.  22: „Die zentrale Bedeutung des Präjudizienfalles wirft die Frage auf, was konkret als ein die Entscheidung des Vorderrichters kontrollierendes, ihn bindendes Präjudiz zu betrachten ist. […] Das kann nur sein, was zur Entscheidung des in dem Fall vorliegenden Sachverhaltes notwendig war. Daraus ergibt sich die für den kontinentaleuropäischen Juristen ungewohnte Sachverhaltsbezogenheit des amerikanischen Rechtsdenkens, d. h. die eingehende Beschäftigung mit dem Sachverhalt (facts) eines jeden möglicherweise relevanten Präjudizes.“ 31  „Generally, they [die methodischen Grundsätze des common law] involve what may be described as reasoning from the bottom up, not the top down. The common law is not dirigiste.“ Laws, The Common Law Constitution (2014), 7. 32  Dass die Methode des Fallrechts eine subjektive und interessensorientierte Darstellung des Konfliktfalls in den Vordergrund stellt, ist englischen Juristen bewusst: „the perception of relevant resemblances or distinctions between the previous case and the one before the court is largely dependent on the context. Quite apart from the fact that there are bound to be a number of differences which any lawyer would at once recognize as immaterial, the way in which the instant case is argued and pleaded will frequently be of the utmost importance.“ Cross/Harris, Precedent in English Law (1991), 195, mit Fallbeispielen auf 192 ff. 33  Jolowicz, On Civil Procedure (2000), 374. 34  Jacob, The Fabric of English Civil Justice (1987), 19; Damaška, The Faces of Justice and State Authority (1986), 61 f.

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

einmaligen Ereignis konzentrierte Verhandlung die einzig denkbare Vorgehensweise.35 Für eine Aktenführung gab es weder Anlass noch Grundlage. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich die mündliche Hauptverhandlung zu einer gedrängten Struktur mit starr vorgeschriebenem Ablauf verfestigt36 – dem trial. Diese Struktur gilt bis heute – selbst bei Verfahren ohne Laienbeteiligung – grundsätzlich als die einzige Form in der die hoheitliche Tatsachenfeststellung Legitimität beanspruchen kann: Zur Eröffnung tragen die Parteien über ihre Anwälte (meist mit der beweisbelasteten Klägerseite beginnend) ihren Fall vor, als ob ihre Darstellung die einzig zutreffende Version der Sachlage wäre („opening speech“/ „opening statement“), danach befragen die Anwälte abwechselnd die von ihnen ausgewählten Zeugen. Nach den Vernehmungen halten die Anwälte abschließende Reden („final speech“/„closing argument“), in denen sie beteuern, dass die Zeugenaussagen die Richtigkeit ihrer Falldarstellung bestätigt haben.37 c) Beweisaufnahme unter Parteikontrolle Sachverhaltsbezogenes Rechtsdenken und gedrängter Verhandlungsablauf haben zur Folge, dass das Gericht keinen anderen Zugang zum Streitstoff hat, als die antagonistischen Falldarstellungen der Parteien. Diese werden von den Anwälten unter Berücksichtigung der verfügbaren Zeugen und der erwarteten Gegendarstellung der anderen Partei entworfen und mit dem einschlägigen Fallrecht in Bezug gebracht, um sie dem Tatrichter als die einzig zutreffende Nachstellung und Würdigung des Konfliktfalls vorzuführen38 („competing versions of the facts“39). Daher kann zwischen der parteilichen Darstellung des Sachverhalts 35  Wenn nur aufgrund mündlicher Aussagen geurteilt werden darf, muss die Entscheidung fallen, bevor der frische Eindruck des Vorgetragenen verflogen ist, vgl. v. Mehren, in: FS Coing (1982), 361, 364 f. Entsprechend muss sich das Prozessgeschehen zu einem einzigartigen Ereignis zusammenpressen („day in court“) in dem der gesamte Streitstoff verhandelt wird, Merryman, The Civil Law Tradition (1969), 121. 36  „fixed-sequence rule“, Langbein, (1985) 52 U. Chi. L. Rev., 823, 831. 37 Darstellung nach Jacob, The Fabric of English Civil Justice (1987), 161 ff.; Hazard/ Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure (2011), 435 ff. und Andrews, On Civil Process (2013), Rn.  14.09. 38  „The hallmark of the English trial is that each of the parties will present his case to the court in turn, so that there is a clear divide between the case of one party and the other, and the order which they will follow will depend on which party is required to begin.“ Jacob, The Fabric of English Civil Justice (1987), 161; „The decisionmaker is passive, and the informational sources are tapped by two procedural rivals. The information about the facts of the case reaches the adjudicator in the form of two alternating one-sided accounts.“ Damaška, (1975) 123 U. Pa. L. Rev., 1083, 1091; treffend aus deutscher Sicht Wagner, ZEuP (2001), 441, 460: „Die […] Zweiteilung des Verfahrens ist ein wesentlicher Grund für die Unterschiede in der Verteilung von Arbeit und Verantwortung zwischen Gericht und Parteien.“ 39  So aus kritischer Sicht Langbein, (1997) Raichle Lecture Series on Law in Society, 151,

II. Die Beweisaufnahme im Rechtsvergleich

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und der Beweisführung, aus welcher sich diese Darstellung ergeben soll, kaum unterschieden werden (aa). Die Parteiherrschaft kann sich nicht auf den Tatsachenstoff beschränken, sondern muss den beweisrechtlichen Aufklärungsvorgang selbst – namentlich die Zeugenvernehmung – mitumfassen (bb). Ferner macht die Parteiherrschaft über Falldarstellung und Zeugenbeweis die Frage der Glaubwürdigkeitskontrolle zum dominierenden Thema der Beweisaufnahme (cc). aa) Die Einheit von Tatsachenbeibringung und Beweis Das Wissen um den Sachverhalt seitens der Parteien ist nicht Ziel oder Folge, sondern Voraussetzung der anglo-amerikanischen Beweisaufnahme. Es wird erwartet, dass die Anwälte schon in den Eröffnungsreden ihre Falldarstellung als einen (aus ihrer Sicht) geklärten Sachverhalt vortragen, der nur die Bezeugung entscheidender Streitpunkte vor dem Tatrichter bevorsteht.40 Gerichtlich motivierte Aufklärungsarbeit findet im trial keine Grundlage, weswegen die im common law formell anerkannte richterliche Befugnis, von Amts wegen Zeugen zu laden und zu befragen,41 in der Praxis kaum jemals zur Anwendung kommt.42 Die gegensätzlichen Falldarstellungen und klärungsbedürftigen Streitpunkte müssen schon vor Verhandlungsbeginn feststehen, damit die konzentrierte, auf entscheidende Zeugenaussagen beschränkte Verhandlungsordnung eingehalten werden kann.43 Die parteiliche Falldarstellung und ihre Bestätigung durch den Zeugenbeweis bilden eine Einheit, die sich inhaltlich kaum trennen lässt: Der Zeuge soll bestätigen, was die jeweilige Partei in ihrer Darstellung schon als zutreffend voraussetzt. Daher stehen auch die Zeugen und übrigen Beweismittel im antagonistischem Verhältnis zueinander und werden den Parteien als „ihre eigene“ zugerechnet; neutrale Beweismittel haben kaum Platz im trial.44 Diese 159. Die diversen Vorteile dieses Modells betont hingegen Landsman, The Adversary System (1984), 44 ff. 40  Die opening statements der Anwälte muten wie Vorhersagen an, dass die Zeugen die Tatsachenbeschreibung zu ihrem Gunsten bestätigen werden. Daher fallen darin Sätze wie: „The evidence will show that the plaintiff in this case was in good health prior to the accident“; oder: „The evidence will further show that the defendant operated her car at high speed and lost control as she approached the intersection. […] The investigating officer will testify that defendant’s car left skid marks more than thirty feet long.“ Aus Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure (2011), 435. 41  In den USA ausdrücklich im Beweisrecht anerkannt, FRE 614 (a) bzw. (b). 42  Damaška, Evidence Law Adrift (1997), 77; Taruffo, Simplemente la Verdad (2010), 182. 43  v. Mehren, in: FS Coing (1982), 361, 362 f. 44  Damaška, Evidence Law Adrift (1997), 76 f. Dem durch die Woolf-Reform (1999) zur Kostenersparnis eingeführte „single joint expert“ des englischen Zivilprozesses wird Misstrauen entgegengebracht – er könne das Gericht irreleiten, gerade weil er sich einer polaren Debat-

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

Verflochtenheit der Beweismittel mit der parteiischen Falldarstellung erklärt das anglo-amerikanische Unverständnis für die Unterscheidung zwischen Tatsachen­ vortrag und Beweisaufnahme. Wie Stürner bemerkt, geht das Trial-Modell davon aus, „dass die Parteien die Tatsachen durch die Beweismittel uno actu vor den Richter bringen“.45 Auf strategischer Ebene wird den Anwälten die Konzipierung einer „case theory“ nahegelegt. Danach empfiehlt es sich, den Fall des Mandanten in eine plastische Erzählung einzukleiden, Zeugen zu benennen, deren Aussagen sich in die Erzählung fügen, Zeugen zu vermieden, die sie trüben könnten, und die Darstellung möglichst durch Kontrastierung zum erwarteten Fall des Gegners zu entwerfen.46 bb) Parteiherrschaft als Kontrolle der Beweisaufnahme – das Kreuzverhör Da parteiliche Falldarstellung und Beweis eine Einheit bilden, muss die Herrschaft über den streitigen Prozessstoff als Kontrolle über den Beweisvorgang selbst begriffen werden.47 Anwalt und Partei sind die Schöpfer ihrer Falldarstellung. Nur sie sind fähig und dafür verantwortlich, dienliche Zeugen zu benennen und diesen günstige Aussagen abzugewinnen. Da dabei ständig eine interessensorientierte Verzerrung des Sachverhalts droht48 und der Richter nicht in der Lage ist, zum Ausgleich eigene Beweiserhebungen zu veranlassen, ist die Gegenpartei für die Qualitätskontrolle des Zeugenbeweises zuständig. Die Zeugenaussage darf nur verwertet werden, wenn der Gegner Gelegenheit hatte, ihr Zustandekommen zu überwachen und den Zeugen vor dem Tatrichter auf Glaubte („adversarial debate“) entzieht. Daher gestatten die Gerichte regelmäßig einen ergänzenden Sachverständigenbeweis durch die Parteien und die cross-examination des neutralen Experten (Andrews, On Civil Process (2013), Rn.  13.18–13.20), sodass sich die Polarität auf Umwegen dennoch durchsetzt. 45  Stürner, ZZP 123 (2010), 147, 156, wobei Stürner, anders als hier, den reformierten englischen Zivilprozess nicht zum Trial-Modell zählt. 46  Aus US-amerikanischer Sicht Ohlbaum, (1993) 66 Temple L. Rev., 1, 17: „[case theory] is a design for getting into evidence facts – exhibits, statements, admissions, opinions – upon which the theory is predicated and refuting or keeping out of evidence those facts that are inconsistent with the theory. […] It is a model that the lawyer uses to persuade the jury how the event occurred and, to be sure, will be contrasted with the model presented by the opponent.“ Weitere Ausführungen ebd. 17–25. Aus der Sicht des common law im Allgemeinen, Anderson/ Schum/Twining, Analysis of Evidence (2005), 153: „The theory of a case, in advocacy, is the logical statement of the case-as-a-whole selected by counsel from the available alternatives, in light of opposing counsel’s anticipated theory and in light of counsel’s choice as to theme and story.“ 47  Diese Herrschaft, nicht nur über den Tatsachenstoff, sondern gerade über den Vorgang der Vernehmung, wird als typisch „adversarial“ – im Kontrast zu „inquisitorial“ – angesehen, vgl. Cross/Tapper, On Evidence (2010), 272. 48  Damaška, Evidence Law Adrift (1997), 79.

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würdigkeit zu testen.49 Das System abwechselnder Zeugenbefragung durch die Parteien (Kreuzverhör) ist auf diese gegenseitige Kontrolle ausgerichtet. Eine von anwaltlicher Befragung losgelöste, zusammenhängende Zeugenaussage ist nicht vorgesehen.50 Die Beweisaufnahme des trial ist im Grunde nichts anderes als die mündliche Vernehmung von Zeugen, die gegebenenfalls zur Stellungnahme zu Urkunden und Gegenständen („exhibits“) aufgefordert werden.51 Die Befragung beginnt mit der „Hauptvernehmung“ („examination in chief“/„direct examination“) durch den Anwalt der Partei, die den Zeugen benannt hat. Ziel der Hauptvernehmung ist es, für den eigenen Fall günstige Zeugenaussagen hervorzubringen.52 Dabei ist die Verleitung zu bestimmten Antworten („leading ques­ tions“)53 grundsätzlich nicht erlaubt54 und vom Gegner durch mündlichen Einspruch unverzüglich zu beanstanden („objection“).55 Darauf folgt die „Gegenvernehmung“ durch die Gegenpartei („cross-examination“), die hauptsächlich56 dazu dient, die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu erschüttern57 und damit das Gewicht seiner Aussage zu mindern. Anders als bei der Hauptvernehmung sind bei der Gegenbefragung zielgeführte Fragen zulässig58 und werden von Praktikern empfohlen.59 Das Kreuzverhör hat ideologisches Gewicht. In einer Verhandlungsstruktur, die keine neutrale Wahrheitsfindung zulässt, gilt diese Gegenkontrolle als die 49 

Damaška, Evidence Law Adrift (1997), 79. Jacob, The Fabric of English Civil Justice (1987), 162 f. 51  Es besteht im Gegensatz zum deutschen Zivilprozessrecht keine Echtheitsvermutung, vgl. Böhm, Amerikanisches Zivilprozessrecht (2005), Rn.  564, 591. Beweisstücke müssen grundsätzlich von einem Zeugen bestätigt werden („authentification“, FRE 901(a), (b)1). Auch die Gegenstandsvorlage ist nur im Rahmen einer Zeugenaussage von Belang: „real evidence is of little value unless accompanied by testimony indentifying it as the object the qualities of which are in issue, or relevant to the issue“, Cross/Tapper, On Evidence (2010), 57. 52  Cross/Tapper, On Evidence (2010), 294. 53  Cross/Tapper, On Evidence (2010), 295. 54  Cross/Tapper, On Evidence (2010), 294; in den USA ausdrücklich, FRE 611(c). 55  Jacob, The Fabric of English Civil Justice (1987), 163. 56  Natürlich gewährt sie auch die Möglichkeit, dem Zeugen des Gegners günstige Aussagen zum eigenen Fall zu entlocken (Cross/Tapper, On Evidence (2010), 313), wofür aber regel­ mäßig wenig Raum ist, da eine Partei keinen Zeugen stellen würde, dessen Aussagen die Falldarstellung des Gegners unterstützen. 57  „It is directed to demonstrate that the witness is unreliable, untrustworthy, inaccurate, forgetful, has a poor memory, is motivated to say whatever will help the party calling him, in short, that he is not telling the truth, still less the whole truth, and even that he is a brazen liar.“ Jacob, The Fabric of English Civil Justice (1987), 163 f.; Cross/Tapper, On Evidence (2010), 294; Keane/McKeown, The Modern Law of Evidence (2012), 194. Treffend auch die Beschreibung bei Tolani, Parteiherrschaft und Richtermacht (2019), 94 f. 58  FRE 611(c)(1); Zu England: Keane/McKeown, The Modern Law of Evidence (2012), 194. 59  Vor allem Fragen, die nur ein Ja oder Nein zulassen, Barnett, (2013) 40 Litig. 9. 50 

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

höchste Garantie wahrheitskonformer Entscheidungen.60 Sie ist zugleich hochrangiges Parteirecht, das auf ein althergebrachtes Ethos aus der Geschichte des Strafprozesses zurückführt: das Recht des Angeklagten, den Ankläger zur Rede zu stellen („right of confrontation“).61 Dieser Grundgedanke wurde auf den Zivilprozess übertragen und als das Recht, dem gegnerischen Zeugen gegenüberzutreten und einer Prüfung zu unterziehen – als Recht auf Gegenvernehmung – prozessual festgemacht.62 cc) Zentrale Bedeutung der Glaubwürdigkeitskontrolle Die Grundannahme, dass die von den Parteien hervorgebrachten Informationen unvollständig und verzerrt sind und einer Kontrolle der Gegenseite bedürfen, erklärt auch den für die anglo-amerikanische Beweisaufnahme typischen Vorrang des sachnächsten Beweismittels:63 Die Aussagen der Zeugen dürfen nur Tatsachen betreffen, die Gegenstand der eigenen Wahrnehmungen gewesen sind; Zeugen vom Hörensagen („oral hearsay“) sind nach traditionellem law of evidence bekanntlich unzulässig, um Tatsachen zu beweisen, auf die sich das Hö60  Berühmt ist das Zitat von Wigmore, die cross-examination sei „beyond any doubt the greatest legal engine ever invented for the discovery of truth“, die sich die US-Supreme Court zu eigen gemacht hat, California v. Green, 399 U.S.  149, 158 (1970). Zur kontrollierenden Funktion auch Jacob, The Fabric of English Civil Justice (1987), 163 f.; kritisch in Bezug auf die Tauglichkeit zur Wahrheitsfindung etwa Langbein, (1997) Raichle Lecture Series on Law in Society, 151, 165–171 und Taruffo, Simplemente la Verdad (2010), 179–184. 61  R v. Davis, [2008] UKHL 36 p.  5 per Lord Bingham (historische Herleitung des right of confrontation); zu den USA: Coy v. Iowa, 487 U.S.  1012, 1019 (1988): „The perception that confrontation is essential to fairness has persisted over the centuries because there is much truth to it“. 62 Vgl. Bentham, Rationale of Judicial Evidence (1827), 423: „In English law, in the case of an extraneous witness, cross-examination is in principle regarded as the indefeasible right of each party, in all sorts of causes, penal as well as non-penal: the examination of a witness is never regarded as complete without it.“ Das oberste Gericht Großbritaniens hat diesen Grundsatz kürzlich bestätigt, sowohl für den Strafprozess (R v. Davis, [2008] UKHL 36, 5) als auch für den Zivilprozess (Al Rawi v. Security Service, [2011] UKSC 34). Hierzu Lord Dyson: „There are certain features of a common law trial which are fundamental to our system of justice (both criminal and civil)“ (10), wobei er betont, dass „[a]nother aspect of the principle of natural justice [neben dem Recht auf Gehör] is that the parties should be given an opportunity to call their own witnesses and to cross-examine the opposing witnesses“ (13). Auch in den USA gilt das Recht auf cross-examination als Wesensbestandteil des civil trial Epstein, (2009) 14 Widener L. Rev., 427, 432 f. In Deutschland ist das Recht auf Konfrontation zwar im Strafprozessrecht anerkannt (§  250 StPO – Grundsatz der persönlichen Vernehmung), wird von der Rechtsprechung aber bewusst nicht auf den Zivilprozess übertragen (BGH NJW-RR 2007, 1077, 1078, Rn.  16.). 63  Damaška, (1992) 6 Minn. L. Rev., 425, 431 ff.; Bunge, Zivilprozess und Zwangsvollstreckung in England (2005), 143.

II. Die Beweisaufnahme im Rechtsvergleich

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rensagen bezieht.64 Dasselbe gilt für schriftliches Hörensagen („written hearsay“) in Urkundeninhalten. Teilweise wird die Unzulässigkeit des Hörensagens auf die Laienbeteiligung zurückgeführt. Man befürchtet, die Laien würden den verminderten Beweiswert von Informationen zweiter Hand nicht erkennen.65 Das liefert jedoch nur einen, wohl eher unwesentlichen Teil der Erklärung.66 Maßgebend war – und ist bis heute – der hohe Stellenwert der Gegenvernehmung als geheiligte Form der Parteibeteiligung, die auch in Zivilprozessen ohne Jury die anglo-amerikanische Beweisaufnahme prägt.67 Bei Aussagen zweiter Hand lässt sich der Aussagende weder unter Eid stellen noch der läuternden Gegenvernehmung unterziehen. Seine Glaubwürdigkeit bleibt ungeprüft und die Qualität der Aussage fraglich. Bei antagonistischer Beweisführung macht die Berücksichtigung vom Hörensagen den Eindruck höchster Ungerechtigkeit, da sich der Beweisgegner den ungünstigen Aussagen eines verdeckten Gegenspielers wehrlos ausgesetzt sieht.68 In England wurde die Zulässigkeitssperre des Hörensagens in den letzten Jahrzehnten aufgelockert. Seit Inkrafttreten des Civil Evidence Act 1995 ist von einer Abschaffung der hearsay-rule die Rede.69 Zu einer mit dem Kontinent vergleichbare, ganz auf taktvolle Beweiswürdigung vertrauende Zulässigkeit vom Hörensagen ist es jedoch nicht gekommen – das anglo-amerikanische Verständnis der Parteiherrschaft über den Beweis lässt diese Annährung schwerlich zu. Selbst bei Rückgang der Jurybeteiligung bleibt das singulär anglo-amerikanische Problem interessensorientierter Beweisführung bestehen, sodass der Verlass auf die freie Glaubwürdigkeitskontrolle kontinentalen Schlags nicht durchgehalten werden könnte. Daher musste in England an Stelle des Verbots ein besonderes Verfahren treten: Die Partei, die sich im trial auf Hörensagen berufen will, ist verpflichtet, 64  FRE 801(c): „‚Hearsay‘ means a statement that: (1) the declarant does not make while testifying at the current trial or hearing; and (2) a party offers in evidence to prove the truth of the matter asserted in the statement“; Civil Evidence Act 1995, sec. 1(2)(a): „‚hearsay‘ means a statement made otherwise than by a person while giving oral evidence in the proceedings which is tendered as evidence of the matters stated“. 65  Stürner, in: FS Söllner (2000), 1171, 1187. 66  Morgan, (1937) 4 U. Chi. L. Rev., 247, 255, 258. Die Gefahr, dass Jurymitglieder das Hörensagen überbewerten, wurde auch von empirischen Studien in Frage gestellt, Miene/Park/ Borgida, (1992) 76 Minn. L. Rev., 683 ff. insb. 692. 67  Die hearsay rule und cross-examination scheinen auch historisch eng zusammenzuhängen, vgl. Langbein, (2012) 122 Yale L.J. 522, 537, Fn. 65. 68  Damaška, (1992) 6 Minn. L. Rev., 425, 431 f.; ders, Evidence Law Adrift (1997), 79 f. 69  „In civil proceedings evidence shall not be excluded on the ground that it is hearsay“, Civil Evidence Act 1995 §  1(1); Keane/McKeown, The Modern Law of Evidence (2012), 328 („Abolition of the rule against hearsay“); Stürner, in: FS Söllner (2000), 1171, 1189 („mehr oder weniger abgeschafft – es gibt nur noch die Anforderung einer ‚Voranmeldung‘“).

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dem Gegner davon innerhalb einer Frist Nachricht zu geben.70 Dieser kann die Gegenvernehmung des abwesenden Aussagenden beantragen71 oder auf andere Weise den Beweis mangelnder Glaubwürdigkeit antreten.72 Was abgeschafft wurde ist also der Automatismus des Ausschlusses des Hörensagens zugunsten eines differenzierenden Systems, das die parteiliche Glaubwürdigkeitskontrolle im Einzelfall bewahrt.73 Das Unbehagen gegenüber ungetesteter Beweisführung besteht noch immer, nur wurde die hearsay-rule auf ihre ratio zurückgefahren, nämlich zu vermeiden, dass der Beweisführer sich durch die Unterbreitung von Aussagen verdeckter Zeugen der Kontrolle der Gegenpartei entzieht. d) Zusammenfassung Im common law geht der Tatsachenfeststellung eine gespaltene Beweistätigkeit voraus, die eine unbefangene Leitung der Aufklärung seitens des Gerichts ausschließt. Parteiherrschaft bedeutet nicht nur die Verantwortung über die Einführung von Tatsachen, sondern vielmehr auch die Kontrolle über den beweisrechtlichen Vorgang zur Erkenntnisgewinnung, hier insbesondere durch Zeugenvernehmungen. Dabei ist die Gelegenheit der Gegenpartei, die Glaubwürdigkeit der gegnerischen Zeugenaussage zu überprüfen, Maßgabe der Parteibeteiligung und Richtigkeitsgewähr des Beweisergebnisses. Das Unbehagen gegenüber mittelbaren Beweismitteln erklärt sich aus dem hohen Stellenwert gegenseitiger Parteikontrolle in der Beweisaufnahme.

2. Die Beweisaufnahme im deutschen Zivilprozess Nach kontinentaler Tradition ist die Tatsachenfeststellung eigenverantwortliche Erkenntnis des Gerichts. Die Beweisaufnahme soll ihm diese Erkenntnis verschaffen. Die Zivilparteien bestimmen zwar Bedürftigkeit, Gegenstand und Antritt des Beweises, die Beweisaktivität selbst ist aber dem Gericht überantwortet, 70 

CPR 33.2(2); Civil Evidence Act 1995 §  2(1). CPR 33.4; Civil Evidence Act 1995 §  3. 72  CPR 33.5; dementsprechend bemerkt Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  22.121: „What used to be a rule of exclusion is now a rule of notice, which requires the party who proposes to adduce hearsay evidence to give notice of his intention so that other parties may be in a position to challenge the evidence.“ 73  Jolowicz, On Civil Procedure (2000), 379; Keane/McKeown, The Modern Law of Evidence (2012), 336 („[I]t is an obvious safeguard to allow the other party to call the maker with a view to cross-examining him as to both the accuracy of the statement and his credibility as a witness“); Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  22.126 („The court would normally be bound to give permission to cross-examine the witness if hearsay testimony is of significant importance“). Genaueres zum Umgang mit dem Recht auf cross-examination bei Zeugen vom Hörensagen ebd. bei Rn.  22.126–22.130. 71 

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das diese bis zur Entscheidungsreife zu leiten hat. Auch diese Rollenverteilung ist auf kontinentale Rechtsmethode (a) und hergebrachte Prozessstruktur (b) zurückzuführen und hat einen einpoligen, auf rechtserhebliche Erkenntnis gerichteten Ablauf der Beweisaufnahme zur Folge (c). a) Abstraktes Gesetzesrecht und Richtermacht Die Möglichkeit richterlicher Aufklärung ist zunächst dem kontinentalen Rechtsdenken zu verdanken. Das Recht wird von der Abstraktion her gedacht74 und ermöglicht eine frühe Einordnung des Sachverhalts in das Recht und somit – prozessual – eine frühe Kanalisierung des Tatsachenstoffs.75 Der Rechtssatz wird nicht erst aus einem konkreten Fallbezug ersichtlich, sondern besteht normalerweise schon in der Abstraktion des Gesetzes – sauber in Tatbestand und Rechtfolge geteilt.76 Schon die Anrufung eines Rechtsatzes gibt das äußere Bild des Sachverhalts vor. Das Gericht kann meist schon aufgrund der einleitenden Schriftsätze einen neutralen Standpunkt im Recht beziehen, der die Befangenheit seiner Aktivität ausschließt. Nur so ist überhaupt denkbar, dass es nach §  139 I 2 ZPO verpflichtet sein kann, auf die Ergänzung ungenügender Angaben hinzuwirken – nur in Bezug auf den abstrakten Tatbestand eines anzuwendenden Rechtsatzes ist die Rede von einer zu ergänzenden Lückenhaftigkeit des Tatsachenvortrags sinnvoll.77 Überhaupt folgt die deutsche Rechtspraxis den handwerklichen Vorgaben einer „Relationstechnik“, die auf der Prämisse aufbaut, dass die Rechts­ prüfung in der Darlegungsstation (Klägerstation und Beklagtenstation) streng 74  Die tatbestandliche Abstraktion wird in der deutschen Lehre vom Rechtssatz deutlich: „Er [der Rechtssatz] ordnet dem generell umschriebenen Sachverhalt, dem ‚Tatbestand‘, eine ebenso generell umschriebenen ‚Rechtsfolge‘ zu. Der Sinn dieser Zuordnung ist, daß immer dann, wenn der im Tatbestand bezeichnete Sachverhalt vorliegt, die Rechtsfolge eintritt, d. h. im konkreten Fall gilt.“ Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft (1991), 251 f. 75  Stürner, ZZP 123 (2010), 147, 149, 151; ders. in: FS Stiefel (1987), 763, 775, 782, wobei er bei der Subsumtionsgebundenheit des kontinentalen Zivilprozesses weniger das Rechtsdenken als die geringe Bedeutung der Laienbeteiligung betont, was aber einander nicht ausschließt. Die Unterscheidungen Richter-/Laienprozess und abstrakt-technisches/fallbezogenes Rechtsdenken stehen vielmehr in engem Zusammenhang, Damaška, The Faces of Justice and State Authority (1986), 21 ff., 27 f. 76  Fikentscher, Methoden des Rechts (1975), Band  III, 739 ff. 77  Dass die Sachverhaltsaufklärung als einer der rechtlichen Einordnung nachfolgende Aktivität gedacht ist, wird vor allem dann klar, wenn die Lückhaftigkeit des Parteivorbringens dadurch entsteht, „dass eine Partei ihr Vorbringen auf einer vom Gericht nicht geteilten Rechtsansicht aufbaut, so dass es etwa an der Schlüssigkeit der Klage auf Basis der vom Gericht für einschlägig gehaltene Anspruchsgrundlage fehlt“ und das Gericht daher zum Hinweis zum weiteren Vortrag verpflichtet ist, PG/Prütting, §  139 Rn.  8, unter Bezugnahme auf OLG Köln NJW-RR 1998, 1686.

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von der Tatsachenfeststellung in der Beweisstation getrennt werden muss78 – also die rechtliche Einordnung des Vortrags der Aufklärung vorangehen soll. Da nicht Falläquivalenz im Konkreten, sondern Subsumierbarkeit im Abstrakten die rechtliche Einordung bestimmt, ist es überhaupt möglich vorauszusetzen, dass die Rechtserheblichkeit einer Tatsachenbehauptung auch ohne Detailwissen über den Sachverhalt erkannt werden kann. So ist von Anfang an klar, welche Tatbestandsmerkmale vorliegen müssen, damit am Ende des Verfahrens ein dem Rechtsatz entsprechendes Urteil fallen kann79 – sei es in Form offenkundiger, zugestandener, unbestrittener oder bis hin zur Überzeugung aufgeklärter Tatsachen. So trifft das kontinentale Zivilprozessrecht eine Unterscheidung, die der Prozessauffassung des common law verschlossen bleibt: der Unterschied zwischen tatbestandsbezogenem Behaupten und wirklichkeitsbezogenem Beweisen.80 Darauf lässt sich eine auf das gemeinsame Ziel der Erkenntnis beruhende Rollenverteilung zwischen Partei und Gericht aufbauen: Die Parteien formulieren einen Antrag, liefern dazu rechtserhebliche Tatsachenbehauptungen und markieren durch Bestreiten die Beweisbedürftigkeit, während das Gericht auf dieser Grundlage die beweisförmige Aufklärung leitet. Die Gegensätzlichkeit der Parteiinteressen bestimmt nicht den Gang der Beweisaktivität, sondern erschöpft sich in der (möglicherweise abstrakten) Bestimmung der Streitigkeit rechtserheblicher Behauptungen. Danach entwickelt sich eine einpolige, auf Erkenntnis der Wahrheit des rechtserheblichen Sachverhalts gerichtete Aufklärung.81 b) Ablauf der kontinentalen Beweisaufnahme Auch das kontinentale Rechtsdenken spiegelt sich in der Prozessstruktur wider. Diese entstand unter Bedingungen, die von denen des common law nicht unterschiedlicher sein könnten. Nicht bildungsferne Landbevölkerung, sondern das städtische Gelehrtentum Norditaliens umgab die Geburtsstätte des kontinentalen Prozesses (sog. romanisch-kanonischer Prozess).82 In den mittelalterlichen Uni78 

Vgl. etwa Schuschke/Kessen/Höltje, Zivilrechtliche Arbeitstechnik (2013), Rn.  193, 253. „Man wendet den Tatbestand auf den Sachverhalt eines vorgelegten, zu entscheidenden Falles in der Weise an, daß man Bruchstücke aus dem historischen Sachverhalt versuchsweise herauslöst und jedes Bruchstück mit einem der Tatbestandsmerkmale vergleicht. Ergibt sich, daß ein Stück des Sachverhalts mit einem Tatbestandsmerkmal zutreffend beschrieben ist, ist dieses Tatbestandsmerkmal ‚erfüllt’.“ Fikentscher, Methoden des Rechts (1975), Band  III, 739 (beim Darstellen des herkömmlichen Lehrschemas in Deutschland). 80  Dies gilt auch für Rechtsordnungen, deren Zivilprozessrecht noch stark von den spanischen Siete Partidas bestimmt ist. Zu Chile vgl. Vogt Geisse, in: Reformas necesarias a la justicia chilena (2018), Band  I, 253 ff. 81  Damaška, Evidence Law Adrift (1997), 121 ff. 82  van Caenegem, Judges, Legislators and Professors (1987), 117 f.; Taruffo, Simplemente la Verdad (2010), 24 ff. 79 

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versitäten von Bologna und Pavia studierte man den neuentdeckten Corpus Iuris Civilis und bildete einen neuen Schlag von Juristen aus. Sie wurden im abstrakten Rechtsdenken geschult; aus dem römischen Fallrecht sollten allgemeine Grundsätze hergeleitet werden.83 Auch die Kunst der Aktenführung und die Fertigkeit, Anliegen formgerecht zu Papier zu bringen, war Teil des Lehrprogramms („ars dictaminis“).84 Es entwickelte sich ein in Abschnitte geteiltes („ordo judicio­rum“), schriftliches Verfahren in dem nach und nach – in ausgedehnter Folge – durch Sammlung schriftlicher Befunde und richterliche Zeugenbefragung („secrete et sigillatim“ – in Abwesenheit der Parteien!),85 ein abstrakt rechtserheblicher Sachverhalt als wahr oder unwahr erkannt werden sollte. Die Zivilprozesse des Kontinents haben sich seitdem verändert. Der Übergang zur Moderne hat eine mündliche Hauptverhandlung zum Kern des Verfahrens gemacht.86 Die kontinentale Beweisaufnahme weist aber noch immer einen entscheidenden, konzeptionellen Unterschied zum trial auf. Sie ist in einem allgemeinen Sinn noch immer Instruktion, d. h. eine graduell ins Detail verlaufende Aufklärung einer abstrakt-rechtserheblichen Sachverhaltsbeschreibung. Die beweisförmige Aufklärung des Sachverhalts kann „Stück für Stück“ bis zur Entscheidungsreife voranschreiten.87 Bei Bedarf kann sich die Beweisaufnahme auf mehrere Termine erstrecken88 und auf die Erscheinung neuer Tatsachen, Streitpunkte oder Beweismittel reagieren. Konzentration ist zwar wünschenswert, aber nicht Strukturbedingung.89 Damit steht sie in auffallendem Gegensatz zum trial – zur Beweisaufnahme als mündliche Bezeugung konkreter Falldarstellungen.

83 

Taruffo, Simplemente la Verdad (2010), 26 f. Colish, Medieval Foundations of the Western Intellectual Tradition (1997), 176. 85 Dazu Nörr, Ein geschichtlicher Abriss des kontinentaleuropäischen Zivilprozesses (2015), 18–20, 26–31; Taruffo, Simplemente la Verdad (2010), 27, 39 ff. (zum „ordo judiciorum“ als ursprüngliche Grundstruktur prozessualer Wahrheitsfindung im Kontinent, insb. 44). 86  Zur Entwicklung in Deutschland Arens, Mündlichkeitsprinzip (1971), 10 ff. 87  Im Kontrast zum gedrängten trial wird dieses Vorgehen aus anglo-amerikanischer Sicht „piecemeal trial“ bezeichnet: „In the one variant, which I shall call the ‚day-in-court‘ model or ‚trial‘ strictly speaking, all material bearing on the case is preferably considered in a single block of time. In the other variant, proceedings develop through separate sessions at which material is gradually assembled in a piecemeal, or installment style.“ Damaška, The Faces of Justice and State Authority (1986), 41; ebenso Jolowicz, On Civil Procedure (2000), 206: „provision is made for the information on which the decision will be founded to come in piecemeal“. 88  Dem Prozessgericht obliegt die Entscheidung über die Erforderlichkeit eines weiteren Termins (§  368 ZPO), über Neuterminierung oder Fortsetzung der Beweisaufnahme, vgl. etwa Musielak/Voit/Stadler, §  368 Rn.  1. 89  Konzentration ist nicht Voraussetzung, sondern ein „Ziel“ (Junker, Discovery (1987), 106; Zöller/Greger, §  272 Rn.  1), das „in der Regel“ (§  272 I ZPO) erreicht werden sollte. 84 

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

c) Die Beweisaufnahme der ZPO als rechtsgebundene Aufklärung Rechtsdenken und Prozessstruktur verschaffen dem deutschen Gericht eine Position, aus welcher die Aufklärung des Sachverhalts auf Grundlage des Tatbestands anwendbarer Rechtsnormen gelenkt werden kann. Die Aufgabenverteilung zwischen Partei und Gericht gestaltet sich daher auf eine Art, die sich von der des anglo-amerikanischen Zivilprozesses grundlegend unterscheidet: Parteiherrschaft bedeutet lediglich Bindung des Richters an den Parteivortrag (aa) auf dessen Grundlage sich die Beweisaufnahme als eine auf rechtserhebliche Erkenntnis gerichtete – einpolige – Aufklärung entwickelt (bb). aa) Parteiherrschaft als Bindung des Gerichts an den Parteivortrag Herrschaft der Parteien über die Beweisaufnahme bedeutet nach kontinentalem Verständnis nicht Kontrolle über beweisrechtliche Aufklärungsvorgänge, wie sie soeben für das trial beschrieben wurde. In Parteihand liegen lediglich Tatsachenvortrag und Streitprogramm, an welche das Gericht gebunden ist.90 Die Grenzziehung zwischen Verhandlungsgrundsatz und richterlicher Verantwortung über Prozessstoff und Beweisaufnahme ist daher in ständiger Diskussion,91 während die Parteiherrschaft im trial lange als unsichtbare Selbstverständlichkeit vorausgesetzt wurde.92 Auf dem Kontinent ist die Teilnahme der Partei an der Beweisaufnahme nicht durch die Prozessstruktur vorbestimmt, sondern erscheint als Zugeständnis eines führungsstarken Gerichts, das diese im Grunde nicht nötig hätte.93 Das macht sich schon in der Sprache mancher Vorschriften bemerkbar, wenn den Parteien etwa Wort oder Anwesenheit zu „gestatten“ ist.94 Richterliche Passivität ist keineswegs strukturelle Vorbestimmung, sondern verfahrensrecht90  Stürner, ZZP 123 (2010), 147, 156 ff. unter Betonung des Kontrastes mit der Parteiherrschaft im trial und mit beeindruckender Widerlegung der aus anglo-amerikanischer Sicht üblichen Charakterisierung der kontinentalen Beweisaufnahme als Inquisition (157 f.). 91  Vgl. zum Problemfeld etwa Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 97–109 oder Diakonis, Grundfragen der Beweiserhebung von Amts wegen (2014). 92 Sie wird erst durch die rechtsvergleichende Betrachtung sichtbar. Etwa bei Millar, (1923), 18 Ill. L. R. 1, 16 f. („Anglo-American civil procedure, naturally, conforms to the principle of party-presentation“). 93  Nach kontinentaler Tradition galt die Parteibeteiligung der Wahrheitsfindung sogar als abträglich. Etwa bei der Zeugenbefragung: „The very presence of the litigants at these sessions was deemed undesirable; it was feared that witnesses could be intimidated and confused, that disorder and disruptions could obstruct the calm and methodical ventilation of the truth.“ Damaška, The Faces of Justice and State Authority (1986), 207. 94  §  137 IV bzw. §  357 I ZPO – dies im Kontrast zum preußischen Zivilprozess, in dem der Partei die Anwesenheit bei der Zeugenvernehmung eben nicht gestattet war, Dahlmanns, Neudrucke Zivilprozessualer Kodifikationen (1971), Band II, 585.

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lich gebotene Zurückhaltung.95 Der Verhandlungsgrundsatz problematisiert entsprechend Handlungen, die der Richter nicht ausüben darf, obwohl er es regelmäßig könnte,96 während anglo-amerikanische Gerichte umgekehrt das, was sie dürften – etwa von Amts wegen Zeugen laden und befragen (FRE 614) – aus Strukturgründen de facto unterlassen. Der kontinentale Verhandlungsgrundsatz gewährt gerade nicht die Parteikontrolle über den Beweishergang. Eine derartige Freiheit zur interessensorientierten Ausschöpfung von Beweismitteln wäre mit einer beweisförmigen Instruktion – einer von einem abstrakt-rechtserheblichen Sachverhalt her gelenkten Aufklärungsarbeit – nicht zu vereinbaren. Er berechtigt lediglich zur Beibringung von Tatsachenbehauptungen und Beweismitteln, um so die feststehenden „Tatbestandshüllen“ der einschlägigen Rechtsnormen auszufüllen. Ferner sind die Parteien zur Bestimmung der Beweisbedürftigkeit durch Bestreiten (§§  138 III, 288 I ZPO) und zum Antritt des Beweises (§§  371 I 1, 373, 403, 420, 421, 445 I ZPO) berechtigt. Die Beweisaufnahme selbst liegt jedoch in der Verantwortung des Gerichts. bb) Die Beweisaufnahme der ZPO im Kontrast zum trial Um diese auf Grundlage des Parteivortrags geführte Beweisaufnahme kontrastierend zu beschreiben, werden folgende Aspekte unterstrichen. Die Beweisaufnahme – insbesondere die Vernehmung von Beweispersonen – ist vom Gericht beherrscht (1); weiter kann die deutsche Beweisaufnahme nicht nur Behauptetes bestätigen, sondern auch in die Tiefe gehen und zu allgemeineren Sachverhaltsbeschreibungen konkret feststellbare Tatsachen ans Licht befördern (2); schließlich ist die Teilnahme der Parteien verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich geboten, die Glaubwürdigkeitsprüfung obliegt jedoch hauptsächlich dem Gericht (3). (1) Durchführung der Beweisaufnahme Die Parteien treten den Beweis an und sind zu dessen Erhebung berechtigt, sofern er erhebliche und beweisbedürftige Tatsachen zum Gegenstand hat.97 Die 95 

Damaška, The Faces of Justice and State Authority (1986), 209 ff. So darf das Gericht bei Ausübung der Frage- und Hinweispflicht nach §  139 I ZPO nicht selbst Tatsachen einführen, neue Klagegründe oder Einreden anregen, völlig neue Anträge veranlassen, er kann den Zeugenbeweis zwar anregen, nach §§  273 II Nr.  4, 373 ZPO aber nicht erheben (nach Schilken, Zivilprozessrecht (2014), Rn.  355–357). Deutlich ist das Gebot der Zurückhaltung am Art.  146 des französischen Code de Procédure Civile erkennbar, wonach eine richterliche Aufklärungsmaßnahme („mesure d’instruction“) nur subsidiär und nicht zur Behebung der Nachlässigkeit der belasteten Partei angeordnet werden darf („En aucun cas une mesure d’instruction ne peut être ordonnée en vue de suppléer la carence de la partie dans l’administration de la preuve“). 97  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018), §  117 Rn.  1; dies ist ein Aus96 

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

Beweisaufnahme ist aber vom Gericht anzuordnen,98 was auch von Amts wegen geschehen kann: Es liegt in seinem Ermessen eine Urkundenvorlegung (§  142 I 1 ZPO99) oder Inaugenscheinnahme (§  144 I 1. Alt. ZPO) anzuordnen, die Duldung einer sachverständigen Begutachtung aufzutragen (§  144 I 2. Alt. ZPO) und die Vernehmung einer oder beider Parteien zu veranlassen (§  448 ZPO); zwar darf es nicht Zeugenbeweis von Amts wegen erheben (§§  273 II Nr.  4, 373 ZPO), muss aber ggf. den entsprechenden Hinweis geben (§  139 I 2 ZPO).100 Sofern sich die Beweisaufnahme nicht schon in der gerichtlichen Einsichtnahme erschöpft,101 ist der Beweisvorgang der Leitung des Gerichts unterworfen: Die Vernehmung der Zeugen, Parteien und Sachverständigen102 liegt in seiner Hand. Der Vorsitzende hat Zeugen zu zusammenhängenden Angaben zu veranlassen (§  396 I ZPO) und ihnen Folgefragen zu stellen (§  396 II ZPO). Jede Art parteibeherrschten Kreuzverhörs ist unzulässig.103 Auch Art und Umfang der Tätigkeit des Sachverständigen (§  404a I ZPO) bestimmt das Gericht, den es, falls besondere Sachkunde erforderlich, zur Aufklärung und Feststellung von Tatsachen ermächtigen kann (§  404a IV ZPO).104 Das Gericht regelt auch die Mitwirkung der Parteien an den sachverständigen Ermittlungen (§  404a IV ZPO). Darüber hinaus kann es nach seinem Ermessen105 die Einnahme des Augenscheins mit dem Einsatz eines Sachverständigen kombinieren, etwa einen Fachmann bei der Inaugenscheinnahme hinzuziehen (§  372 I ZPO), ihm dieselbe übertragen106 oder eines seiner Mitglieder ggf. mit einem sachkundigen Gehilfen zu einer Ortsbesichtigung entsenden (§  372 II ZPO).107 Die Beweisaufnahme der ZPO geht also über die gezielte Befragung von Zeugen weit hinaus; der Zeugenbeweis gilt überhaupt als äußerst unverlässlich.108 Das soll nicht heißen, dass er im deutdruck des Verbots einer vorweggenommenen Beweiswürdigung, Schilken, Zivilprozessrecht (2014), Rn.  473. 98  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018), §  117 Rn.  27. 99  Bei Bezugnahme einer Partei, d. h. bei substantiiertem Tatsachenvortrag und Bestimmbarkeit der Urkunde, Krapfl/Mann, in: FS Schütze (2014), 279, 282 f. 100  Etwa um die aus der beigezogenen Strafakte bekannten Zeugenaussagen zu ergänzen, Musielak/Voit/Stadler, §  139 Rn.  14. 101  So beim Urkunden- und Augenscheinsbeweis, Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018), §  120 Rn.  51 bzw. §  119 Rn.  26. 102  Zur Vernehmung von Partei und Sachverständigen verweist die ZPO auf die Vorschriften zur Zeugenvernehmung (§  451 bzw. §  402 ZPO). 103  Selbst in der abgeschwächten Form des §  239 StPO, Stein/Jonas/Berger23, §  397 Rn.  1. 104  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018), §  122 Rn.  7, 34. 105 MüKoZPO/Zimmermann, §  372 Rn.  2. 106  Zu den Varianten Schilken, Zivilprozessrecht (2014), Rn.  516 f. 107  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018), §  119 Rn.  26. 108 Stein/Jonas/Berger23, §  373 Rn.  13; Schneider, Beweis und Beweiswürdigung (1994), Rn.  872.

II. Die Beweisaufnahme im Rechtsvergleich

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schen Zivilprozess unwichtig wäre,109 nur steht dem erkennenden Gericht daneben ein umfassendes Arsenal an ergänzenden Erkenntnisquellen zur Verfügung, die es auf eigene Initiative mobilisieren kann. Von einem nemo-tenetur-Grundsatz, den der BGH im Zusammenhang mit der vorbereitenden Aufklärung aufgestellt hat,110 kann in der Beweisaufnahme keine Rede sein. Wurde der Beweis einmal erhoben, ist der Beweisgegner stets zur Mitwirkung verpflichtet, sei es durch Gesetzesvorschrift oder über die Grundsätze der Beweisvereitelung. Er ist gehalten, der angeordneten Urkundenvorlegung – ggf. nach sorgfältiger Suche – nachzukommen (§  427 1 ZPO), Augenscheinsgegenstände vorzulegen (§  144 I 2 ZPO), die zumutbare Einnahme des Augenscheins zu dulden (§§  144 I 3, 371 III ZPO) und bei der sachverständigen Begutachtung zu kooperieren.111 Zudem darf er seine Vernehmung nicht grundlos verweigern (§  446 ZPO). Die Pflicht einer Partei Urkunden vorzulegen beschränkt sich allerdings auf das Vorliegen eines materiellrechtlichen Anspruchs (§  422 ZPO) oder einer Bezugnahme (§  423 ZPO)112 – Grenzen, die mit dem heutigen Verständnis des effektiven Rechtsschutzes kaum zu vereinbaren sind. Sie haben aber durch die Erweiterung der beweisrechtlichen Vorlageanordnungen von Amts wegen (§§  142, 144 ZPO), die diesen Schranken nicht unterliegen,113 zumindest theoretisch an Bedeutung verloren.114 Der Verstoß gegen diese Mitwirkungspflichten115 führt stets zu prozessualen Nachteilen. Auch die beweisbelastete Partei kann nicht ohne Konsequenzen den amtswegigen Beweiserhebungen des Gerichts die Mitwirkung verweigern, sondern wird mit dem Beweismittel ausgeschlossen und bleibt beweisfällig, analog zu §  367 ZPO.116 109 

„das praktisch wichtigste Beweismittel der ZPO“, MüKoZPO/Prütting, §  284 Rn.  54. BGH NJW 1990, 3151, soweit die sekundäre Behauptungslast nicht greift. 111  Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, (2015), Kap.  47 Rn.  35. 112  Soweit der Beweisführer nach §  372 II 1 ZPO (1. Alt.) eine Frist zur Herbeischaffung des Gegenstands beantragt, gelten diese Einschränkungen gem. §  371 II 2 ZPO auch für den Augenscheinsbeweis, dazu MüKoZPO/Zimmermann, §  371 Rn.  14 ff.; Adloff, Vorlagepflichten und Beweisvereitelung (2007), 202 f. 113  BGH NJW 2007, 2989, 2991 – „Schrottimmobilien“; Musielak/Voit/Stadler, §  142 Rn.  1; Krapfl/Mann, in: FS Schütze (2014), 279, 280 f. 114  Bei streitigen, substantiierten Behauptungen und hinreichend genau bezeichneten Urkunden ist von einer Reduzierung des Anordnungsermessens auf Null auszugehen, vgl. Musielak/ Voit/Stadler, §  142 Rn.  7; Stadler, in: FS Beys (2003), 1625, 1644 f.; zumindest, wenn die Vorlage die einzige Möglichkeit der Partei ist, den Beweis zu führen, Adloff, Vorlagepflichten und Beweisvereitelung (2007), 219. 115  In dieser Arbeit wird der Begriff der „prozessualen Pflicht“ im Sinne Stürners benutzt (Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 71 ff.), d. h. als Verhaltens­ anforderung, die nur bei vorwerfbarem Verstoß Sanktionen auslöst (84), sodass auch bei der Androhung von Prozessnachteilen von einer Pflicht die Rede sein kann. 116 Wieczorek/Schütze/Ahrens, Vor §  284 Rn.  15. 110 

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

(2) Tiefgang der Beweisaufnahme Die deutsche Beweisaufnahme geht viel tiefer als die des trial, zumal sie nicht nur auf Bestätigung konkreter Begebenheiten, sondern Ergründung eines ab­ strakt-­relevanten Sachverhalts abzielt, die verschiedene Ebenen der Konkretisierung durchschreiten kann.117 Eine Beweiserhebung kann neue Streitpunkte, Beweismittel oder Tatsachen ans Licht führen und das Gericht dazu bewegen, nach dem Gesichtspunkt der Rechtserheblichkeit leitend einzugreifen. Sind gerichtsbekannte Beweismittel nicht erhoben worden118 oder kommen, etwa durch eine Zeugenaussage, neue Beweismittel zum Vorschein,119 kann das Gericht neuen Beweis erheben oder den entsprechenden Hinweis geben (§  139 I 2 ZPO).120 Bringt die Beweisaufnahme bezüglich einer Tatsachenbehauptung neue oder genauere Tatsachen ans Licht, die möglicherwiese weder mit dem Vortrag des Klägers noch des Beklagten übereinstimmen,121 einer Partei aber günstig sind, werden sie Teil des Vortrags.122 Kommen bei der Begutachtung Tatsachen zum Vorschein, die außerhalb des Gutachtensauftrags liegen („Zusatztatsachen“)123 und eine Partei bestreitet sie, muss nachträglich Beweis erhoben werden.124 Diese schrittweise Ergründung des Sachverhalts („episodic character“) ist aus anglo-amerikanischer Sicht – im Kontrast zur festen Abfolge des parteidominierten trial – an der deutschen Beweisaufnahme besonders auffällig.125

117  Aus der Sicht der Praxis wird dieser Tiefgang etwa von Schneider, Die Klage im Zivilprozess (2007), Rn.  1926 betont: „Es ist […] Sache des Tatrichters, in der Beweisaufnahme die Zeugen nach Einzelheiten zu fragen, die ihm entscheidungserheblich erscheinen“. 118  Etwa Zeugen, die dem Gericht aus einer Strafakte bekannt sind, Deubner, NJW 1983, 1000. 119  So der Sachverhalt in BGH NJW 1961, 363. 120  ZB eines Meinungsforschungsgutachtens zur Feststellung der Verkehrsanschauung bezüglich eines Produkts (BGH NJW 1991, 495). Eine Hinweispflicht auf neue Beweismittel besteht nach der Rechtsprechung und wohl h. M. nur für Fälle, in denen eine amtswegige Beweiserhebung möglich wäre, aber nicht gewollt ist, Stürner, Die richterliche Aufklärung im Zivilprozeß (1982) Rn.  72; Musielak/Voit/Stadler, §  139 Rn.  14. 121  Das kommt nach Einschätzung von Brehm, Die Bindung des Richters an den Parteivortrag (1982), 61 nicht selten vor. Zu neuen Tatsachen, die in der Praxis bei der Zeugenbefragung zum Vorschein kommen, Geipel, Handbuch der Beweiswürdigung (2017), §  30 Rn.  258; Balzer/­Walther, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung (2018), Rn.  184. 122  Aufgrund des Tiefgangs der Beweisaufnahme hat sich der Grundsatz gebildet, „dass sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zu Tage tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu eigen macht“, BGH NJW 1991, 1541, 1542; NJW 2001, 2177, 2178; NJW-RR 2010, 495. 123  Vgl. MüKoZPO/Zimmermann, §  404a Rn.  8. 124 Stein/Jonas/Berger23, §  355 Rn.  23. 125  Langbein, (1985) 52 U. Chi. L. Rev., 823, hierzu insb. 830–832.

II. Die Beweisaufnahme im Rechtsvergleich

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(3) Parteimitwirkung und Glaubwürdigkeitskontrolle Die Herrschaft des Gerichts über den Gang der beweisförmigen Aufklärung bedeutet nicht, dass die Parteien untätig am Rand des Geschehens stehen müssen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.  103 I GG) verlangt, dass sie an den Aufklärungsvorgängen beteiligt sind, zumal „einer gerichtlichen Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden [können], zu denen Stellung zu nehmen den Beteiligten Gelegenheit gegeben war“.126 Das bedeutet jedoch nicht ausschließliche Kontrolle über das Zustandekommen der Urteilsgrundlage, sondern nur das Recht auf Mitwirkung an der Beweisaufnahme im Rahmen ihrer gesetzesrechtlichen Ausformung127 und das Recht auf Berücksichtigung der Mitwirkungshandlungen.128 Bei der Kontrolle der Verlässlichkeit der Beweismittel spielt die Partei aber eine Nebenrolle. Die Echtheit einer Privaturkunde wird nach kontinentalem Grundprinzip129 nicht durch Zeugenbeweis oder sonstige Mittel jedes Mal nachgewiesen, sondern ist, solange nicht substantiiert bestritten, vorausgesetzt (§  439 I, III ZPO). Grundsätzlich ist es dem Gericht nach §  286 I ZPO anvertraut, über den Beweiswert der Beweismittel frei zu befinden.130 Dazu gehört vor allem die Prüfung der Verlässlichkeit der Zeugen.131 Das Gesetz gibt dem Gericht selbst die Mittel in die Hand, um sich das Wissen für eine angemessene Glaubwürdigkeitskontrolle zu verschaffen. Nach §  395 II 2 ZPO ist der Vorsitzende befugt, dem Zeugen nach seinem Ermessen132 Fragen über die Umstände vorzulegen, „die seine Glaubwürdigkeit in der vorliegenden Sache betreffen, insbesondere über seine Beziehungen zu den Parteien“. In schwierigen Fällen – etwa bei Kindern oder Geisteskranken – kann das Gericht zur besseren Einschätzung der Glaubwürdigkeit ein Gutachten einholen.133 Freilich können auch die Parteien nach §  397 I ZPO dem Zeugen Fragen vorlegen lassen, wobei dieses Recht in erster Linie eine ausschöpfende Wahrheitsforschung bezweckt.134 Das Gesetz gestattet aber ausdrücklich auch Fragen zur Glaubwürdigkeit,135 doch anwaltli126 

BVerfG NJW 1957, 17, weitere Nachweise unten in D.II.3., Fn.  188. BVerfG NJW 1987, 2067 (die nähere Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs bleibt den einzelnen Verfahrensordnungen überlassen). 128  Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör (2000), Rn.  166 ff.; Stein/Jonas/Kern23, Vor §  128 Rn.  78. 129  Chase et al., Civil Litigation in Comparative Context (2017), 10. 130  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018), §  114 Rn.  1. 131  Neben der Glaubwürdigkeit des Zeugen auch die Glaubhaftigkeit der Aussage, vor allem ihre Widerspruchsfreiheit, Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, (2015), Kap.  31 Rn.  71. 132 MüKoZPO/Damrau, §  395 Rn.  4. 133  BGH NJW 2003, 2527, 2528; Stein/Jonas/Berger23, §  373 Rn.  28. 134 MüKoZPO/Damrau, §  397 Rn.  1. 135  Fragen zur Aufklärung „der Verhältnisse des Zeugen“ (§  397 I ZPO). 127 

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

chen Strategien, den Zeugen als unglaubwürdig darzustellen, sind in der Praxis der mäßigenden Kontrolle des Gerichts unterworfen.136 Beim Zeugenbeweis kommt jede Art von Wahrnehmung in Betracht,137 sodass auch der Zeuge vom Hörensagen tauglich ist und vernommen werden muss,138 selbst wenn der unmittelbare Zeuge benannt werden könnte.139 Beim Beweis vom Hörensagen wird weniger ein Verstoß gegen ein Mitwirkungsrecht des Gegners befürchtet, als die Notwendigkeit einer bedachtsamen Beweiswürdigung durch das Gericht betont.140 Dem BGH zufolge „haftet dieser Art des Beweises eine besondere Unsicherheit an, die über die allgemeine Unzuverlässigkeit des Zeugenbeweises hinausgeht, so dass an die Beweiswürdigung hohe Anforderungen zu stellen sind. Dies könnte es aber nicht rechtfertigen, ein solches Beweismittel als unzulässig anzusehen.“141 Gerade diesem Zweck dienen die Fragen zur „Erforschung des Grundes, auf dem die Wissenschaft des Zeugen beruht“ (§  396 II ZPO).142 Überhaupt ist materielle Un­ mittelbarkeit – die Nähe des Beweismittels zum Beweisgegenstand – für die Durchführung der Beweisaufnahme nach deutschem,143 wie auch sonst nach kontinentalem Zivilprozessrecht,144 nicht von Belang. Urkunden mit Aussagen von Personen, die nicht als Zeugen oder Sachverständige erscheinen (also „written hearsay“), sind weder unzulässig noch, wie nach englischem Recht, einer besonderen Verfahrensweise unterworfen,145 um eine umfassende Glaubwürdigkeitsprüfung durch die Ge136  Das Gericht „sollte jeden Anwalt grundsätzlich frei agieren lassen […]. Seine [des Anwalts] zunächst dunklen Fragen werden vermutlich darauf abzielen, Hinweise auf eine Unglaubwürdigkeit des Zeugen zu sammeln. Erst wenn das Gericht nach mehreren Fragen feststellen kann, dass dieses Ziel von dem Anwalt nicht verfolgt oder erreicht wird, solle es eingreifen.“ Balzer/Walther, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung (2018), Rn.  182. Versucht der Anwalt die Aussage des Zeugen zu verzerren und ihn in Widersprüche zu verwickeln „muss das Gericht sofort eingreifen und selber klarstellen, was der Zeuge gesagt hat“ (Rn.  183). 137 MüKoZPO/Prütting, §  284 Rn.  54. 138  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018), §  121 Rn.  9; MüKoZPO/Prütting, §  284 Rn.  98; BGH NJW 1992, 1899, 1900; wird die beantragte Vernehmung eines Zeugen vom Hörensagen abgelehnt, liegt darin ein Verstoß gegen Art.  103 I GG, BGH NJW-RR 2018, 506, 507. 139  BGH NJW 1992, 1899, 1900; Musielak/Voit/Foerste, §  284 Rn.  22. 140 Musielak/Voit/Huber, §  373 Rn.  17; die Aussage vom Hörensagen wird als Indizienbeweis gewürdigt, BGH NJW 1984, 2039, 2040. 141  BGH NJW 2006, 3416, 3418; NJW 2017, 386, 388; NJW-RR 2018, 506, 507. 142  „Damit soll namentlich festgestellt werden, ob seine Wissenschaft auf eigener zuverlässiger Wahrnehmung, auf fremder Mitteilung oder gar auf Phantasie beruht.“ BPatG GRUR 1978, 358, 359; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, §  396 Rn.  8. 143 MüKoZPO/Prütting, §  284 Rn.  51; Stein/Jonas/Leipold23, Vor §  128 Rn.  206; zumindest für die ganz herrschende Meinung, vgl. Schilken, SAE 1993, 308, 309. 144  Stürner, in: FS Blaurock (2013), 435, 445. 145  Nach Ansicht des BGH „kann der Beweisführer statt des Beweises durch Zeugen oder Sachverständige den Urkundenbeweis wählen. Auch eine Privaturkunde, die ein Zeugnis oder

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genpartei sicherzustellen. Die Beurteilung solcher „Zeugnisurkunden“146 ist – ungeachtet ihrer Sachferne – der freien Beweiswürdigung überlassen,147 wobei rechts­ vergleichend auffällt, dass ihre Zulässigkeit, weniger als Beschneidung der Rechte des Beweisgegners, sondern als ein Risiko des Beweisführers angesehen wird, der sich ja zur Überwindung seiner Beweisführungslast auf ein minderwertiges Be­ weismittel verlässt.148 Entsprechend muss das Gericht darauf hinweisen, den höherwertigeren Direktbeweis der Zeugenvernehmung in Erwägung zu ziehen.149 Für den Beweisgegner ist das weniger bedrohlich, zumal sich bei graduell ablaufender Auf­ klärung genug Gelegenheit anbietet, nach Vorlage der Zeugnisurkunde den ab­ wesenden Zeugen nach §  373 ZPO selbst zu laden.150 d) Zusammenfassung Nach deutschem Zivilprozessrecht ist die Beweisaufnahme eine von der tatbestandsmäßigen Behauptung bis zur konkreten Tatsachenerkenntnis graduell verlaufende Sachverhaltsaufklärung. Die ZPO stellt sie unter die Leitung des Gerichts, das sie auf den Bahnen der Rechtserheblichkeit bis zur Entscheidungsreife zu lenken hat (§  139 I ZPO i. V. m. den Befugnissen zur Gestaltung der Beweisaufnahme sowie den amtswegigen Beweiserhebungen). Auch die Prüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugen ist weitgehend dem Gericht überlassen. Freilich untersteht die Beweisaufnahme der verfassungsrechtlich gebotenen Mitwirkung der Parteien, an der zwar eine Pflicht zur Berücksichtigung geknüpft ist, die aber nicht als Kontrolle über die Beweisvorgänge verstanden wird. Gutachten ersetzen soll, kann im Wege des Urkundenbeweises beigebracht werden. Einer Zustimmung des Gegners bedarf die Führung des Urkundenbeweises nicht. Der Urkundenbeweis unterliegt der freien Beweiswürdigung.“ BGH NJW-RR 2007, 1077, 1078, Rn.  17; ähnlich BGH NJW 1981, 2193, 2194. Die Beibringung von Zeugnisurkunden versperrt jedoch nicht die Möglichkeit, den unmittelbaren Beweis anzutreten. Die Vorlage protokollierter Zeugenaussagen eines Strafverfahrens darf die Parteien nicht daran hindern, den direkten Zeugenbeweis anzutreten, BGH NJW-RR 1992, 1214, 1215. 146 Musielak/Voit/Foerste, §  284 Rn.  22. 147 MüKoZPO/Damrau §  373 Rn.  21. Wenn aber mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen, dessen Aussagen nur schriftlich vorliegen, der Erfolg der Klage „steht und fällt“ und ihr damit eine „überragende, prozessentscheidende Bedeutung“ zukommt, liegt in der Glaubwürdigkeitsbeurteilung auf Grundlage von Akten eines vorhergehenden Strafverfahrens eine fehlerhafte Überzeugungsbildung, BGH NJW 2000, 1420, 1421 ff. Auch BGH NJW 1995, 2856, 2857. Zudem spielt die Möglichkeit des Gegenbeweises für den Grundsatz der Beweiswürdigung eine Rolle, denn dieser gilt als verletzt, wenn Tatsachen gewürdigt werden, zu denen jede Möglichkeit der Gegenbeweisführung ausgeschlossen war, Schilken, SAE 1993, 308, 311. 148 Musielak/Voit/Foerste, §  284 Rn.  22. 149 MüKoZPO/Damrau, §  373 Rn.  21; Deubner, NJW 1983, 1000. 150  Daher hat sein Widerspruch gegen Zeugen vom Hörensagen keine Wirkung, BGH VersR 1970, 322.

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

III. Die vorbereitende Aufklärung im Rechtsvergleich Die Vorgehensweisen, die in den untersuchten Zivilprozessen als „Beweisaufnahme“ beschrieben werden, sind, wie soeben gezeigt, grundverschieden. Daher sind auch Ziel und Umfang ihrer Vorbereitung unterschiedlich. Für die Gesamtstruktur des Erkenntnisverfahrens bedeuten diese Unterschiede, dass sich der Aufklärungsschwerpunkt – und zugleich Schauplatz der Risiken der Informationsverbreitung – an verschiedenen prozessualen Orten befindet: Ist die Beweisaufnahme, wie im common law, auf Zeugenaussagen zu konkreten Streitpunkten beschränkt, rückt der Aufklärungsschwerpunkt in die vorbereitende Aufklärung, wo die Konkretisierung der einzelnen Streitpunkte geleistet werden muss. Ist die Beweisaufnahme aber, wie im Kontinent, eine vom Prozessgericht geleitete Erschließung eines abstrakt-rechtserheblichen Sachverhalts, liegt der Aufklärungsschwerpunkt im Beweisverfahren selbst; die Vorbereitung kann sich auf die Beibringung subsumtionsfähiger Tatsachenbehauptungen beschränken. Sichtbar wird dieser Unterschied vor allem am Standard, nach welchem Zugang zur Beweisaufnahme gewährt wird und der somit die Trennlinie zwischen beweisförmiger und vorbereitender Aufklärung zieht.

1. Die Vorbereitung des trial a) Erfolgsaussicht als Standard der Vorbereitung Da die Beweisaufnahme des trial als Gegenüberstellung zwei konkreter Falldarstellungen konzipiert ist, ist der Standard der Vorbereitung das Vorliegen eines verhandlungsreifen prima facie case. Verhandlungsreif ist der Fall dann, wenn konkrete Streitpunkte („facts in issue“151) bestimmt sind, die sich durch Zeugenaussagen aufklären lassen und ohne Verzögerung dargebracht und durch Gegenbefragung getestet werden können. Zur Prüfung der Verhandlungsreife hat sich das Kriterium der Erfolgsaussicht herausgebildet.152 Die vorläufigen Falldarstellungen der Parteien müssen auf hinreichende Beweismittel („sufficient proof“) begründet sein.153 Diese Prüfung der Hinlänglichkeit der Beweise muss sich na151 

Cross/Tapper, On Evidence (2010), 29. In England lautet das Zugangskriterium eindeutig „real prospects of succeeding“ (CPR 24.2), während in den USA die Richter den Zugang zum trial verwehren sollen, wenn anzunehmen ist, dass „a reasonable jury would not have a legally sufficient evidentiary basis to find for the party on that issue“ (FRCP 50(a)(1)) i. V. m. „no genuine dispute as to any material fact“ (FRCP 56(a)), vgl. Celotex Corp. v. Catrett, 477 U.S.  317, 322–327 (1986); Anderson v. Liberty Lobby, Inc., 477 U.S.  242, 257 (1986); Matsushita Elec. Indus. Co. v. Zenith Radio Corp., 475 U.S.  574, 596–598 (1986). 153  Glannon, Civil Procedure (2013), 478. 152 

III. Die vorbereitende Aufklärung im Rechtsvergleich

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türlich von der Beweisaufnahme im trial unterscheiden. Sie erfolgt gerade nicht durch die mündliche Befragung von Zeugen.154 Die Grundlage aller Entscheidungen des „pre-trial“ bilden vielmehr schriftliche Unterlagen („written evidence“),155 die die Falldarstellung der Parteien unterstützen, darunter Dokumente, Privatgutachten, Abschriften außergerichtlicher Zeugenaussagen („depositions“ bzw. „witness statements“) und insbesondere schriftliche Wissenserklärungen der Parteien oder Dritter, die durch einen Eid („affidavit“) oder die Beifügung einer Wahrheitsbeteuerung („statement of truth“156/“declaration“157) abgesichert sind. Das Gericht ist dann in der Lage, sich die hypothetische Entwicklung einer mündlichen Beweisaufnahme vorzustellen und danach zu entscheiden, ob die Durchführung eines trial gerechtfertigt ist.158 Diese Entscheidung fällt auf Antrag eines „summary judgment“: Ist eine Partei der Meinung, dass der Rechtsstreit ohne förmliche Beweisaufnahme beendet werden kann, so wird sie versuchen, eine sofortige Entscheidung zur Rechtsfrage zu erwirken. Sie muss darlegen, dass die Falldarstellung des Gegners keine Erfolgsaussicht hat, da die tatsächlichen Streitpunkte, auf die er sie aufbaut, in Wahrheit nicht bestehen. Die Vorbereitung im Rahmen des pre-trial ist darauf ausgerichtet, dass die Parteien ermitteln können, ob der Konflikt, insofern er überhaupt besteht, nur auf unterschiedlichen Rechtsmeinungen oder auf eine unterschiedliche Würdigung der Sachlage beruht. Insofern müssen sie in der Lage sein, eine Falldarstellung aufzubauen, die dem Antrag eines summary judgment standhält und somit den Zugang zum trial ermöglicht – oder auch um die unberechtigte Beanspruchung eines trial abzuwehren.159 154 

Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  9.60. Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure (2011), 386 f; Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  9.66. 156  Zur Unterscheidung dieser Institute aus englischer Sicht, Sime, Civil Procedure (2015), Rn.  32.02 ff. 157  Zur Unterscheidung aus US-amerikanischer Sicht, Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure (2011), 377 f. 158  Zum englischen Prozess: „Whether a party has a real prospect of success depends on an assessment of two distinct matters: first, on whether the party has a real prospect of success on the basis of the facts that are known at the time, and, secondly, on whether there is a real prospect that some additional support for the party’s case would emerge if the case followed the normal procedural route. It is only when the court is convinced that the party has no real prospect in respect of both these matters that the use of the normal process would be wasteful.“ Zuckerman, (2006) C.J.Q. 25, 287, 305. Vgl. auch Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure (2011), 379 („The frame of reference is a hypothetical jury trial of the case“). 159  „In practice, much of discovery is aimed at creating an evidentiary foundation for (or against) a motion for summary judgment.“ Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure (2011), 355. Daher darf kein summary judgment gegen eine Partei ergehen, die nicht genügend Gelegenheit hatte, einen wichtigen Zeugen zu kontaktieren oder beim Gegner Informationen einzuholen, vgl. Sime, Civil Procedure (2015), Rn.  24.50. 155 

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

Dazu ist eine umfassende Kenntnis der Sachlage durch die Parteien erforderlich.160 b) Private Aufklärung als Mittel prozessualer Vorbereitung Das „pleading“ – der Austausch von Tatsachenbehauptungen zur Bestimmung des Streitprogramms – war lange, bis ins 18. Jahrhundert, die einzige Form der Vorbereitung eines trial nach common law. Bei wachsender Komplexität der Rechtsstreitigkeiten ließ sich eine auf den Parteivortrag der pleadings beschränkte Vorbereitung bald nicht mehr mit dem sich im Augenblick erschöpfenden Schlagabtausch vereinbaren, zu dem sich die Beweisaufnahme des common law entwickelt hatte. Rede und Widerrede ließen nur abstrakte Streitpunkte festlegen. Über die genauen Argumente und Beweismittel des Gegners konnten die Parteien bis zum trial nur spekulieren; so war die Beweisaufnahme der Überraschung überlassen und Anreize zu Hinterhalt und Irreführung erweckt.161 Da an der hergebrachten Struktur des trial – seit der Magna Charta Symbol der Freiheit162 – nicht zu rütteln war, reagierte man auf diese Probleme durch die Einführung einer vorbereitenden Ermittlungsphase,163 deren Vorteile schon aus der equity-Gerichtsbarkeit bekannt waren.164 In England hatte sich seit 1831 graduell schon eine pre-trial discovery entwickelt,165 in den Vereinigten Staaten wurde sie mit den Federal Rules of Civil Procedure (1938) mit einem Schlag zum Grundprinzip.166 Die nachweisbare Erfolgsaussicht eines prima facie Falls entwickelte sich zur Voraussetzung des trial und die umfassende Erforschung der Tatsachen wurde zum Gegenstand seiner Vorbereitung und zugleich zur unweigerlichen Prämisse angemessener Justizgewährung.167 Heute gehört es zum Selbstverständnis 160 Es

wird damit nicht vernachlässigt, dass der prozessuale Informationsaustausch von weiteren Funktionen überlagert werden kann, etwa die Förderung der Vergleichsbereitschaft zur Entlastung der Gerichte im reformierten englischen Zivilprozess (Andrews, The Modern Civil Process (2008), Rn.  6.02) oder, darüber hinaus, die Einbeziehung möglichst vieler Konfliktaspekte zur Verwirklichung des private law enforcement im US-amerikanischen Zivilprozessrecht, Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht (2012), 70 f. 161  Vgl. dazu Sunderland, (1939) 15 Tenn. L. Rev., 737, 738. 162  Insb. Kap.  29, „lawful judgment of his peers“, woraus spätere Jahrhunderte ein Recht auf „trial by jury“ entwickelt haben. Plucknett, A Concise History of the Common Law (2010), 24. 163  Zu dieser Vorverlagerung der Aufklärung: Hickman v. Taylor, 329 U.S.  495, 507 (1947): „The deposition-discovery procedure simply advances the stage at which the disclosure can be compelled from the time of trial to the period preceding it, thus reducing the possibility of surprise“. 164  Subrin, (1987) 135 U. Pa. L. Rev., 909, 919. 165  Sunderland, (1937) 36 Mich. L. Rev., 215, 219 ff. 166  Schlosser, JZ 1991, 599, 600 („dramatische ‚Wende‘“). 167  „Mutual knowledge of all the relevant facts gathered by both parties is essential to pro-

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anglo-amerikanischer Ziviljustiz, dass die Parteien auf die Offenlegung von Wissenstand und Beweismaterial des Gegners angewiesen sind; anders wäre es den (Anwälten der) Parteien nicht möglich, ihre case theory zu entwerfen, für ihre Falldarstellung günstige und ungünstige Umstände zu erfassen, Zeugen ausfindig zu machen, durch Einholung ihrer Aussagen die Tauglichkeit für die Fall­ darstellung zu prüfen,168 die Gefahren, die von der Gegenbefragung ausgehen, vorherzusehen; kurz: einen erfolgsversprechenden Fall vorzubereiten.169 Eine Aufklärungsphase zur Erleichterung privater und selbstverantwortlicher Entscheidungen der Parteien zur Vorbereitung der Rechtsdurchsetzung ist also eine Systembedingung. aa) Begriffliches Die Offenlegung von Informationen kann drei Formen annehmen: die Offenbarung von Erkenntnisquellen, ihre Vorlegung170 oder die Duldung der Erkenntnisgewinnung.171 Diese Vorgänge werden in der anglo-amerikanischen Prozess­ vorbereitung stets als Aufklärungsbeitrag an die Gegenpartei verstanden, nicht an das Gericht – und an das erkennende Gericht schon gar nicht, von dem im pre-trial noch keine Rede sein kann. Die Offenbarungspflichten tragen den Parteien auf, dem Gegner die Existenz einschlägiger Erkenntnisquellen (Gegenstände, Orte, Menschen) mitzuteilen.172 Sie verzweigen sich in zwei Unterarten: zum einen die Pflicht zur unaufgeforderten Offenbarung, zum anderen die Offenbarungspflicht auf Anfrage. Die Pflichten zur Vorlegung von Gegenständen oder Duldung von Ermittlungen sollen dem per litigation. To that end, either party may compel the other to disgorge whatever facts he has in his possession“, Hickman v. Taylor, 329 U.S.  495, 507 (1947) (eigene Hervorhebung). 168  Ein Merkspruch US-amerikanischer Prozessanwälte ist: „don’t ask a question if you don’t know the answer“, Barnett, 40 Litig. (2013), 9. 169  Aus deutscher Sicht: „Es geht dort [im discovery-Vorverfahren der USA] um die Notwendigkeit der kompletten Beschaffung des Tatsachenstoffes für eine zeitlich konzentrierte mündliche Verhandlung vor dem Geschworenengericht“, Wieczorek/Schütze/Ahrens Vor §  284 Rn.  12. 170  In den FRCP ist mit „disclosure“ die Pflicht zur unaufgeforderten Offenbarung und Vorlegung der eigenen Erkenntnisquellen gemeint (FRCP 26(a)), während für die Vorlegung gegnerischen Materials der Ausdruck „production“ vorgesehen ist (FRCP 34). In England wird sowohl die unaufgeforderte wie die erfragte Offenbarung von Dokumenten „disclosure“ genannt, während der Vorlage oder Besichtigung der Ausdruck „inspection“ vorbehalten ist (CPR 31.2, 31.3). Mit „disclosure“ kann aber auch die Einheit von Offenbarung und Vorlegung gemeint sein (Offenbarung durch gleichzeitige Vorlegung). 171  So die „request to permit inspection“ (FRCP 34(a)(1)) oder „to permit entry into land and other property“ (FRCP 34(a)(2)). 172  Das ist ausdrücklich die Bedeutung von „disclosure“ im englischen Zivilprozess: „A party discloses a document by stating that the document exists or has existed“ (CPR 31.2).

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Gegner das Wissen um den Inhalt offenbarter oder parteibekannter Erkenntnisquellen verschaffen. Diese dreifache Einteilung in Offenbarung, Vorlegung und Duldung ist bei genauerer Betrachtung nicht immer sauber durchzuhalten.173 Dennoch sollte sie als Kompass genügen, um sich eine Übersicht über die Aufklärungsvorgänge des pre-trial zu verschaffen. bb) Disclosure und discovery nach den Federal Rules of Civil Procedure174 Nach Zustellung der Klage und Einlassung des Gegners beginnt die Phase des Informationsaustausches. Eingeleitet wird sie durch eine, zwar im Gesetz angeordnete, aber private Unterredung („conference“) zwischen den Parteien,175 um eine frühe Planung zu ermöglichen.176 Vor diesem Treffen sind Informations­ anforderungen unzulässig.177 Hier sollen die Parteien Vereinbarungen zur Offenlegung und Sicherung von Beweismitteln und Durchführung der gegenseitigen Ermittlung („discovery“) treffen.178 Der Umfang der discovery ist bekanntlich sehr weit gefasst, sodass jegliches Beweismaterial ermittelt werden darf, das nicht dem Schutz eines Privilegs untersteht, sofern es für die Ansprüche und Einwendungen relevant ist und in Verhältnis zu den Bedürfnissen des Falles steht.179 Die Parteien können jedoch eine breitere, engere, oder nach Kategorien unterscheidende Alternative vereinbaren.180 Am Ende des Treffens müssen sie sich auf einen „discovery plan“ geeinigt haben, der u. a. den Umfang und zeit­ lichen Rahmen der discovery beinhaltet.181 Dieser Plan wird in Form eines Berichts dem Gericht zugeführt182 und soll einer „pre-trial conference“ als Grundlage dienen, zu der die Parteien schon gleich nach Zustellung der Klage geladen 173  Die Offenbarung kann ja sogleich durch die Vorlage einer Kopie ausgeführt werden (etwa nach FRCP 26(a)(1)(A)(ii)), und die Pflicht zur Duldung von Besichtigungen – z. B. gegnerischer Büroräume – kann durch aktive Kooperationspflichten flankiert sein. 174  Die Darstellung folgt der Reihenfolge, die Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure (2011), 338 nahelegen: initial disclosure – planning for discovery – discovery – disclosure of expert testimony – pretrial disclosure – supplemental disclosure. 175  FRCP 26(f)(1) („the parties must confer as soon as practicable“). 176  Wright/Miller/Kane, Federal Practice & Procedure – Civil (2019), §  2051.1. 177  „A party may not seek discovery from any source before the parties have conferred as required by Rule 26(f)“, FRCP 26(d)(1). 178  FRCP 26(f)(2). 179  FRCP 26(b)(1), darauf wird sogleich (unter dd)) näher eingegangen. 180  FRCP 26(f)(3)(B). 181  FRCP 26(f)(3). 182  Innerhalb von 14 Tagen nach dem Treffen: „The attorneys of record and all unrepresented parties that have appeared in the case are jointly responsible for arranging the conference, for attempting in good faith to agree on the proposed discovery plan, and for submitting to the court within 14 days after the conference a written report outlining the plan.“ FRCP 26(f)(2).

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werden.183 Auf Grundlage des vereinbarten discovery-Plans erlässt das Gericht eine Anordnung zum zeitlichen, inhaltlichen und logistischen Rahmen des Informationsaustausches („scheduling order“).184 Dieser wird aber privat durchgeführt, über die Anwälte der Parteien, grundsätzlich ohne gerichtliche Beteiligung.185 Nun zu den Offenlegungspflichten und Ermittlungsmethoden: Zum Auftakt des Informationsaustausches sind die Parteien verpflichtet, grundlegende Informationen, auf die sie den eigenen Fall stützen wollen,186 – Urkunden, Gegenstände und Personen187 – unaufgefordert offenzulegen („initial disclosure“). Erfüllt wird diese Pflicht durch die Übergabe einer Liste der Erkenntnisquellen an den Gegner.188 Sie verlangt aber nicht die Offenbarung von Materialien, die dem gegnerischen Fall nützen. Jede Partei hat das günstige Beweismaterial in gegnerischer Hand selbstständig zu ermitteln. Dazu steht ihr eine Vielzahl an Ermittlungsbefugnissen zur Verfügung, die sie – nach Absprache mit der Gegenpartei im discovery-Plan – in beliebiger Ordnung einsetzen kann.189 Empfohlen wird folgende Reihenfolge: Den Überblick verschafft man sich, indem man der Gegenpartei die schriftliche Beantwortung eines Fragebogens zu einschlägigen Beweismitteln anträgt190 („interrogatories to parties“191) – jede Partei ist verpflichtet, auf diese Weise die Identität potentieller Zeugen und Existenz von Beweis­ gegenständen unter Eid zu offenbaren. Auf Grundlage dieser Antworten kann die Ermittlung vorangebracht werden.192 In einem nächsten Schritt werden Vorlagen („production“) und Besichtigungen („inspection“) durchgeführt, sowie münd­ liche Aussagen von Zeugen und Parteien („depositions“) eingeholt. Begonnen 183  Genauer: Das Gericht muss innerhalb von 90 Tagen nach Zustellung der Klage die scheduling order erlassen, wozu meist eine pre-trial conference anberaumt wird (FRCP 16(b)(2)). 21 Tage vor diesem Termin muss das Treffen der Parteien stattfinden (FRCP 26(f)(1)). 14 Tage nach diesem Treffen (also höchstens 7 Tage vor der pre-trial conference) muss der dort vereinbarte discovery plan eingereicht werden (FRCP 26(f)(2)). 184  FRCP 16(b)(1)(A); Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure (2011), 352. 185  Die vorgenannten Regeln sind mit Ausnahmen durchsetzt, auf die hier nicht eingegangen werden muss. 186  „the disclosing party may use to support its claims or defenses“, FRCP 26(a)(1)(A). 187  Personen, die zum eigenen Fall Informationen beitragen könnten, müssen benannt, Urkunden und Gegenstände beschrieben und die Grundlagen der Schätzung des beantragten Schadensersatzes sowie eventuelle Versicherungsvereinbarungen offengelegt werden, FRCP 26(a)(1). 188  Innerhalb von 14 Tagen nach dem anfänglichen Treffen der (Anwälte der) Parteien, FRCP 26(a)(1)(C). 189  FRCP 26(d)(3)(A): „methods of discovery may be used in any sequence“. 190  Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure (2011), 360. 191  FRCP 33. 192  Glannon, Civil Procedure (2013), 436.

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wird mit der Erforschung von Dokumenten, Gegenständen und Orten;193 konkret geschieht das durch Aushändigung von Fotokopien, Ordnern und Datensätzen, Durchsuchen von Emailkonten und Datenbanken auf den Servern des Gegners, Besichtigung des Firmengeländes, Erhebung von Proben an Gegenständen und in Grundstücken usw.194 Das Gericht ist an keinem dieser Vorgänge beteiligt. Mit fortschreitender Ermittlung kommt die Beweislage immer klarer zum Vorschein, sodass zwischendurch weitere interrogatories angetragen werden können, um Beweismittel zu spezifischeren Themen zu erfragen, was zu weiteren discovery-­ Gesuchen führen kann. Der Tiefgang, der die Beweisaufnahme des kontinentalen Zivilprozesses ausmacht, ist im common law also nicht im trial, sondern im pre-trial angesiedelt, jedoch in gänzlich unterschiedlicher Gestalt – als weitgehende formlose und privatbetriebene Ermittlung. Die discovery erfolgt also in „Phasen“195, die den Kern des Konflikts immer deutlicher zum Vorschein bringen, während Nebensächlichkeiten einvernehmlich abgefertigt werden. Nach und nach wird die Rolle der am Konfliktfall beteiligten Menschen deutlich, deren Wahrnehmungen für die Klärung des Sachverhalts bedeutend sein könnten und als Zeugen in Frage kommen. Dazu geben die FRCP den Parteien das Recht, dem Gegner und anderen potentiellen Zeugen ihre Aussagen mündlich abzunehmen und durch Protokoll, Ton- oder Filmaufnahme festzuhalten („depositions“).196 Meist wird der „deponent“ in den Büroräumen der Anwälte oder Parteien einer mündlichen Befragung unterzogen,197 deren Form sich an der Vernehmungs­ methode des trial orientiert.198 Nach fortgeschrittener discovery, wenn etwa feststeht, dass zum besseren Verständnis des Sachverhalts Fachwissen erforderlich sein wird, sind die Parteien, die einen Sachverständigen herangezogen haben, zu einer zweiten, besonderen Offenbarung verpflichtet („disclosure of expert testimony“): die Identität der sachverständigen Zeugen wird, unter Beilegung einer Kopie ihrer Gutachten, dem Gegner mitgeteilt.199 193 

Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure (2011), 353. FRCP 30–36. Vgl. Glannon, Civil Procedure (2013), 437–444. Deutschsprachig trotz zwischenzeitiger Reformen stets lesenswert Junker, Discovery (1987), 145 ff; für eine aktuelle Übersicht Landwehr, Die Pretrial Discovery (2017), 80 ff. und Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess (2019), 85 ff. 195  Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure (2011), 353. 196  FRCP 30–32; Glannon, Civil Procedure (2013), 442 betont, dass depositions in der Regel erst bei fortgeschrittener discovery und umfassender Kenntnis des Falles sinnvoll sind. Eine deutschsprachige Darstellung der Funktionsweise bei Junker, Discovery (1987), 149–165. 197  „[I]t is the common practice to use the attorney’s office“, Wright/Miller/Kane, Federal Practice & Procedure – Civil (2019), §  2112. 198  FRCP 30(c). 199  Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure (2011), 353, spätestens 90 Tage vor dem trial, FRCP 26(a)(2)(D)(i). 194 

III. Die vorbereitende Aufklärung im Rechtsvergleich

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In der Entwicklung dieses Informationsaustausches zeigt es sich, ob ein Prozessvergleich zu erreichen ist oder, wenn nur eine der Parteien ein trial für notwendig hält, die unwillige Partei ihn durch summary judgment zu verhindern versucht. Sonst werden sich aus den Ermittlungen, vor allem den depositions, die entscheidenden Zeugen jeder Partei herauskristallisiert haben. Kurz vor dem­ trial haben die Parteien eine letzte Offenbarungspflicht zu erfüllen: die Identität der Zeugen und anderer Beweismittel, die sie nun konkret im trial zu benutzen beabsichtigen („pre-trial disclosures“).200 cc) Disclosure und Austausch schriftlicher Zeugenaussagen nach englischem Zivilprozessrecht Der äußere Ablauf des pre-trial des englischen Zivilprozesses unterscheidet sich, zumindest aus der Distanz kontinentaler Prozessauffassung, wenig vom US-amerikanischen pre-trial – und das auch nach der großen Reform des Jahres 1999. Höhere Prominenz als in den USA hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der den gesamten englischen Zivilprozess durchzieht. Das Verhältnismäßigkeitspostulat ist Zielsetzung und Auslegungsgrundsatz zugleich201 und besagt, dass sich der prozessuale Aufwand eines jeden Verfahrensschritts nach den Bedürfnissen des Konfliktfalls richten soll.202 Er kommt schon bei der Bestimmung des Verfahrensgangs zur Anwendung: Geringfügige und mittelgroße Anliegen werden vereinfachten Verfahrenspfaden („small claim-track“ und „fast-track“) zugeleitet, während der vollumfängliche Prozess („multi-track“) nur komplexen Fällen mit hohem Streitwert vorbehalten bleibt.203 Obwohl Zivilstreitigkeiten zum größten Teil in einem der Kurzverfahren abgefertigt werden, folgt die nachstehende Beschreibung dem eher seltenen Verfahrenspfad des multi-track, da dieser bei Fällen komplexer Tatsachenlage zur Anwendung kommt,204 in denen sich das Recht der Sachverhaltsaufklärung besonders bewähren muss. 200 

Sie müssen spätestens 30 Tage vor dem Termin des trial erfolgen (FRCP 26(a)(3)(B)) und umfassen Name und Kontaktinformation der Zeugen, Abschrift ihrer depositions, Bezeichnung von Dokumenten und Gegenständen, FRCP 26(a)(3)(A). 201  Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  1.61 bzw. 1.64. 202  Er ist Bestandteil des „overriding objective“ des englischen Zivilprozesses: „These Rules are a new procedural code with the overriding objective of enabling the court to deal with cases justly and at proportionate cost.“ (CPR 1.1.(1)), wobei die Eigenschaften des Streites, die zu berücksichtigen sind, ausdrücklich aufgezählt werden: „dealing with the case in ways which are proportionate –(i) to the amount of money involved; (ii) to the importance of the case; (iii) to the complexity of the issues; and (iv) to the financial position of each party“ (CPR 1.1.(2)(c)). 203  Die Zuordnung liegt im Ermessen des Gerichts, hat sich aber grundsätzlich am Streitwert (CPR 26.6), sonst an den in CPR 26.8(1) aufgezählten Kriterien zu orientieren, etwa an Komplexität und erwartetem Aufwand, vgl. Sime, Civil Procedure (2015), Rn.  15.22 ff. 204  Sime, Civil Procedure (2015), Rn.  29.01.

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

Auch das englische pre-trial beginnt mit gesetzlich vorgeschriebenen Besprechungsterminen der Parteien, in denen Vereinbarungen über die Durchführung des Informationsaustausches getroffen werden, insbesondere über das Verfahren der Dokumentenoffenlegung und den Austausch anderer Beweismittel, über Notwendigkeit und Umfang sachverständiger Überprüfung des Sachverhalts und einen genauen Zeitplan mit Terminvorschlägen für „case management“ Konferenzen und das trial.205 Das System ist so gedacht, dass das pre-trial Gericht diese Vereinbarungen schlechthin – ohne Anhörung – übernimmt und die entsprechenden Anordnungen zum Zeitrahmen und Vollzug der vorbereitenden Aufklärung trifft.206 Während der Aufklärungstätigkeit werden case management Konferenzen durchgeführt, mit dem Zweck, vor Gericht den Fortschritt der Vorbereitung zu erörtern, die Erfüllung der Anordnungen – vor allem des Zeitplans207 – zu überprüfen, die Parteien zu Absprachen über den Inhalt (vor allem die Konkretisierung der issues208) und die Führung des Verfahrens anzuhalten und Anordnungen für das weitere Vorgehen zu bestimmen.209 Gegen Ende des pre-trial müssen die Parteien durch Beantwortung eines Fragebogens („pre-trial checklist“) den Stand der Vorbereitung darlegen, damit das Gericht den genauen Termin des trial festlegen kann.210 In komplexen Fällen wird eine abschließende Anhörung durchgeführt („pre-trial review“), um den Informationsstand der Parteien auf Verhandlungsreife zu überprüfen und noch einmal zu einem Prozessvergleich – und der Vermeidung eines kostenaufwendigen trial – anzuregen. Kommt dieser nicht zustande, werden Anordnungen zu Ablauf und Dauer des trial erlassen211 und kontrolliert, ob die Parteien die gebotenen Vorkehrungen getroffen haben, um dem trial-Richter eine schnelle Einarbeitung in den Fall zu erleichtern. Zu diesen Vorkehrungen zählen insbesondere eine schriftliche Übersicht der Streitpunkte, Argumente, einschlägigen Präjudizien und Beweismittel („skeleton arguments“)212 sowie ein Konvolut mit den Dokumenten, die für die Verhandlung von Belang sind („trial bundle“).213 Diese Unterlagen werden von beiden Parteien einvernehmlich zusammengestellt und dem erkennenden Gericht übergeben, das vor Zuweisung vom Rechtstreit in der Regel214 noch nichts weiß. 205 

PD 29, 4.7(1); Sime, Civil Procedure (2015), Rn.  29.04 f. CPR 26.8(1)(c); Sime, Civil Procedure (2015), Rn.  29.04. 207  Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  12.65. 208  Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  12.62; Sime, Civil Procedure (2015), Rn.  29.06. 209  PD 29, 5.1. 210  Sime, Civil Procedure (2015), Rn.  29.23. 211  Der trial-Richter kann diese jedoch bei Bedarf überarbeiten, CPR 29.9. 212  Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  22.17. 213  PD 39A 3.1 ff.; Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  22.20. 214 Ausnahmsweise kommt es zum „docketing“, d. h. einem Gericht wird von Anfang an 206 

III. Die vorbereitende Aufklärung im Rechtsvergleich

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Die vorbereitende Aufklärung des englischen Zivilprozesses hat zwei Schwerpunkte: die Pflicht zur Offenbarung und Einsichtsgewährung in Dokumenten („disclosure and inspection of documents“215, im Folgenden kurz: Offenlegung) und der Austausch von schriftlichen Zeugenaussagen („exchange of witness state­ments“216). Die für die US-discovery so bedeutsame mündliche Befragung potentieller Zeugen (depositions) hat sich in England nie durchgesetzt und ist bis heute auf den Ausnahmefall der Beweissicherung beschränkt geblieben, wie früher im equity-Verfahren.217 Der Hauptunterschied zwischen dem englischen und amerikanischen pre-trial liegt nicht im Grundkonzept umfassender, vorbereitender Aufklärung, sondern in der relativen Bedeutung der verschiedenen Aufklärungsmittel. Zudem markiert die englische Grundsatzentscheidung, die Aufklärung durch Pflichten zur unaufgeforderten Offenlegung zu gestalten, anstatt Ermittlungsbefugnisse zu vergeben, einen deutlichen Unterschied. Das zentrale Instrument ist die Dokumentenoffenlegung, wobei „document“ sehr weitereichend jede Art von Aufzeichnung umfasst.218 Es handelt sich, im Gegensatz zum begrenzten „disclosure“ der FRCP, um eine während der gesamten Vorbereitungsphase bestehende Pflicht219 zur unaufgeforderten Offenlegung, die (in seiner geläufigen Modalität als „standard disclosure“) sowohl günstiges wie nachteiliges Material betrifft.220 Die Pflicht schließt die zumutbare Suche („reasonable search“) nach vorlagepflichtigen Dokumenten ein.221 Die Bevorzugung einer Pflicht zur unaufgeforderten Suche und Offenlegung nachteiliger Dokumente geht auf eine bewusste Entscheidung der Reformer zurück, die von einem wirtschaftlichen Kalkül geleitet war. Dem kostenaufwendigen Durchsuchen fremder Dokumentenberge sollte ein Ende bereitet werden,222 indem ungünstiges Material nunmehr spontan offengesowohl das pre-trial wie auch das trial zugeordnet („designated judge“). Dies ist in der Praxis der Commercial Court vorgesehen und geläufig (Commercial Court Guide, D 4.1), da man sich dadurch Effizienzgewinne erhofft, Sime, Civil Procedure (2015), Rn.  15.07. 215  CPR Part 31 – „Disclosure and Inspection of Documents“. 216  CPR Part 34 – „Witnesses, Depositions and Evidence for Foreign Courts“. 217  Dort wurde sie nur zugelassen, wenn zu erwarten war, dass der Zeuge zum trial nicht erscheinen konnte, Jolowicz, On Civil Procedure (2000), 43 f. 218  CPR 31.4: „In this Part ‘document’ means anything in which information of any description is recorded“. Daher ist „Aufzeichnung“ eine treffende Übersetzung, Enchelmaier, GRUR­ Int 2012, 503, 506. 219  CPR 31.11: „(1) Any duty of disclosure continues until the proceedings are concluded. (2) If documents to which that duty extends come to a party’s notice at any time during the proceedings, he must immediately notify every other party.“ 220  Genaueres zum Umfang sogleich unter dd). 221  CPR 31.7. 222  Zu den Problemen des „discovery“-Verfahrens vor Einführung der CPR: „During the discovery process, it would be necessary for lawyers to sift through two masses of papers,

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legt werden muss; anscheinend hat dieser Wandel bisher aber nur zu einer Um­ lagerung der Kosten geführt.223 Jedenfalls ist, wie schon angedeutet, die Durchführung des disclosure-Verfahrens ohnehin dem Parteiwillen überlassen. Denn zu Beginn des Verfahrens, vor der ersten case management conference, muss jede Partei einen kurzen Bericht über die ihr bekannten relevanten Dokumente einreichen und zustellen – Angaben zu Art, Standort, Zugänglichkeit und Erhebungskosten des Materials sollen darin enthalten sein.224 Nach Austausch dieser Anfangsinformation sind die Parteien verpflichtet, in Kontakt zu treten, um sich auf einen Plan zu Umfang und Durchführung des Dokumentenaustausches zu einigen, der mit dem Verhältnismäßigkeitsgebot vereinbar ist.225 Die zweite Komponente der vorbereitenden Aufklärung, und eine der bedeutendsten Entwicklungen des englischen pre-trial in den letzten Jahrzehnten, ist der im Jahre 1986 eingeführte Austausch schriftlicher Zeugenaussagen („witness ­statements“).226 Der Teil der Zeugenaussage, der in der Beweisaufnahme die Hauptvernehmung ausmacht (also die Gewinnung günstiger Aussagen der eigenen Zeugen) wird von (dem Anwalt) der Partei, die den Zeugen zu benennen beabsichtigt, schon im Vorfeld des trial eingeholt und schriftlich festgehalten,227 und those held by their clients and those released by opponents for inspection in accordance with the disclosure obligation. In determining which documents should be released for the opponent to inspect, each side had to apply the broad Peruvian Guano case’s test to identify ‚relevant‘ documents. The recipient party then had to absorb the material disclosed according to that broad test.“ Andrews, The Modern Civil Process (2008), Rn.  6.03. Vgl. auch Woolf, Access to Justice – Final Report (1996), Kap.  12 Rn.  37. 223  Statt der Anwälte der informationssuchenden sind nun die Anwälte der informationspflichtigen Partei teure Stunden lang mit dem Aussortieren relevanter Dokumente beschäftigt. Daher wurden neue Reformen angekündigt, vgl. Gloster et al., Proposed Disclosure Pilote (2017), insb. Rz.  3.1(i): „Since the CPR came into force 18 years ago the volume of data that may fall to be disclosed has vastly increased, often to unmanageble proportions. The hope that the standard disclosure test introduced in the CPR would reduce the volumen of disclosure, and its costs, has not been fullfiled“ (eigene Hervorhebung). 224  CPR 31.5(3). Der Bericht muss spätestens 14 Tage vor der ersten case management conference eingereicht werden. 225  CPR 31.5(5). Das Treffen muss spätestens sieben Tage vor der ersten case management conference stattfinden. 226  „Over the last quarter of a century there has been a sea change in legislative and judicial attitudes towards the conduct of litigation, taking the form of increased positive case management by the judiciary and the adoption of procedures designed (a) to identify the real issues in dispute and (b) to enable each party to assess the relative strengths and weaknesses of his own and his opponent’s case at the earliest possible moment and well before any trial. […] The most important change has been the requirement that, save in exceptional cases, witness statements be exchanged prior to the trial.“ Mercer v. Chief Constable of Lancashire, [1991] 1 WLR 367, 373 (per Lord Donaldson MR). Zur Entwicklung auch Sorabji, (2013) 3 IJPL 295, 306 f. 227  Sorabji, (2013) 3 IJPL 295, 307.

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sodann, infolge gerichtlicher Anordnung,228 dem Gegner übergeben (normalerweise gegen gleichzeitigem Empfang der gegnerischen Zeugenaussagen229). Der Grund dieser Neuerung war zunächst der Bedarf nach einem konzentrierten ­trial.230 Denn grundsätzlich231 entfällt auf diese Weise die mündliche Hauptverneh­ mung232 (die Zeugen bestätigen am Zeugenstand lediglich ihre schriftliche Aussage233), und das trial kann sich auf sein legitimierendes Herzstück – die Gegenvernehmung – konzentrieren234 (und auf die eventuelle Wiedervernehmung durch den Beweisführer). Zugleich dient dieser beweisrechtliche Vorgriff der Vorbereitung, da sich die Erfolgsaussicht der eigenen und gegnerischen Falldarstellung anhand der gesammelten Zeugenaussagen bemessen lässt. Er fördert entsprechend auch eine Prozessbeendigung durch Vergleich.235 In dieser Funktion gleichen die witness statements den US-amerikanischen depositions236(die aber weitergehend durch mündliche Befragung auch der gegnerischen Zeugen erfolgen). Die Einholung der Zeugenaussagen ist erst nach Abschluss der Offenlegung und Einsichtnahme der Dokumente sinnvoll, damit die Zeugen Gelegenheit haben, diese durchzugehen und auf sie Bezug zu nehmen. Meist ordnet das Gericht daher einige Wochen nach der disclosure den Austausch der Zeugenaussagen an.237 dd) Umfang des vorbereitenden Informationsaustausches Da die anglo-amerikanische Aufklärung eine rechtliche Festlegung erst ermöglichen soll (und diese nicht voraussetzen kann), kann Entscheidungserheblichkeit nicht das Kriterium ihres Umfangs sein.238 Die pleadings haben nicht die Funk­ tion, entscheidungserhebliche Tatsachen einzuführen, sondern, neben der Antragsstellung, nur den konfliktbegründenden Sachverhalt zu umschreiben.239 Frü228 

CPR 32.4(2). Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  20.13. 230  Sorabji, (2013) 3 IJPL 295, 306. 231  Zu den Ausnahmen CPR 32.5(3). 232  „Where a witness is called to give oral evidence under paragraph (1), his witness statement shall stand as his evidence in chief unless the court orders otherwise“, CPR 32.5(2). 233  Sorabji, (2013) 3 IJPL 295, 307. 234  Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  20.2 ff.; Sorabji, (2013) 3 IJPL 295, 307. 235  Mercer v. Chief Constable of Lancashire, [1991] 1 WLR 367, 373 (per Lord Donaldson MR); Sorabji, (2013) 3 IJPL 295, 306 f. 236  Sorabji, (2013) 3 IJPL 295, 307. 237  Sime, Civil Procedure (2015), Rn.  32.18. 238  Wagner, JZ 2007, 706, 708 (zum US-amerikanischen discovery). 239  Zu den „statements of case“ des englischen Rechts (früher pleadings) sagt Sime: „The main rules in drafting statements of case are that they should set out the facts relied upon, not the law and not the evidence“, Sime, Civil Procedure (2015), Rn.  14.10. (eigene Hervorhe229 

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

her sollte es sich dabei um eine Benachrichtigung an Gegner und Gericht handeln („notice pleading“), also lediglich um eine Aktivierung des Verfahrens. Inzwischen wird eine Missbrauchskontrolle durchgeführt, in den USA durch eine anfängliche Plausibilitätskontrolle durch das Gericht,240 in England durch das Erfordernis, den Schriftsätzen eine Wahrheitserklärung („statement of truth“) beizufügen.241 Dies ändert aber nichts an der rechtlichen Ungebundenheit der Aufklärung, deren Umfang lediglich durch Relevanz und Verhältnismäßigkeit in Verbindung mit den geltend gemachten Ansprüchen und Einwänden begrenzt ist: „Unless otherwise limited by court order, the scope of discovery is as follows: Parties may obtain discovery regarding any nonprivileged matter that is relevant to any party’s claim or defense and proportional to the needs of the case, considering […]“242

Nicht Entscheidungserhebliches, sondern alles, was zur Gewinnung verwertbarer Information führen könnte, gilt als relevant.243 In den englischen CPR findet sich zwar keine ausdrückliche Norm, aus dem Gesamtzusammenhang wird aber ersichtlich, dass die Aufklärung ebenfalls an Relevanz und Verhältnismäßigkeit gebunden ist. Die Verhältnismäßigkeit ergibt sich schon aus dem overriding objective, den das Gericht bei jedem Verfahrensschritt zu wahren hat. Die Relevanz wird an den Vorschriften zum disclosure-­ Verfahren deutlich. Der Vorgang der „standard disclosure“ (CPR 31.6) soll nämlich die gesamte relevante Information ans Licht bringen, ohne, wie eben gesagt, auf gegenseitige Anfragen angewiesen zu sein. bung). Auch die Schriftsätze des US-amerikanischen Zivilprozesses bedürfen lediglich „a short and plain statement of the claim showing that the pleader is entitled to relief“ (FRCP 8(a)(2)) bzw. „a party must: state in short and plain terms its defenses to each claim asserted against it“ (FRCP 8(b)(1)(A)). 240  Die US-Supreme Court hat die Zugangshürde zur Verfahrenseröffnung vom nur der inhaltlichen Individualisierung und Benachrichtigung dienenden „notice-pleading“ zum „plausibility-pleading“ umgestellt (BellAtlantic v.Twombly, 550 US 544 (2007); Ashcroft v. Iqbal, 129 S.Ct. 1937 (2009)) und ist auf reichlich Kritik gestoßen (etwa Miller, (2013) 88 N.Y.U. L. Rev., 286, 331 ff.; Subrin/Main, (2014)162 U. Pa. L. Rev., 1839, 1848 ff.). 241  Nach CPR 22.1(1)(a). „The purpose of the requirement that a party should verify the factual contents of his own pleadings was to eliminate as far as possible claims in which the party had no honest belief.“ Clarke v. Marlborough Fine Art (London) Ltd (Amendments), [2002] 1 WLR 1731, 1742. 242  FRCP 26(b)(1). 243  Daher unterscheidet sich der Umfang der Aufklärung von der beweisrechtlichen Zulässigkeit: „Information within this scope of discovery need not be admissible in evidence to be discoverable.“ (FRCP 26(b)(1)). Reiling, Das US-amerikanische Discovery-Verfahren (2016), 123. Vgl. ferner Fin. Bldg. Consultants, Inc. v. Am. Druggists Ins. Co., 91 F.R.D. 59, 61 (N.D. Ga. 1981) („what is relevant during pretrial discovery and what is admissible during trial are two different things, the former being broader than the latter“).

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„Standard disclosure requires a party to disclose only– (a) the documents on which he relies; and (b) the documents which – (i) adversely affect his own case; (ii) adversely affect another party’s case; or (iii) support another party’s case; and (c) the documents which he is required to disclose by a relevant practice direction.“244

Wenn die informationsberechtigte Partei aber nachweist, dass die nach diesem Schema erfolgte Offenlegung nicht sämtliche relevanten Unterlagen hervorgebracht hat, kann sei bei Gericht eine Vorlageanordnung weiterer Dokumente oder Kategorien von Dokumenten beantragen245 („order for specific disclosure“, CPR 31.12.).246 Die specific disclosure hat eine doppelte Funktion. Zum einen handelt es sich um ein Mittel zur Kontrolle der Einhaltung der standard disclosure,247 zum anderen dient sie der Ergänzung: Sie soll Informationen erreichen, die über die standard disclosure hinaus gehen. Das Gericht kann so ausnahmsweise auch eine ausforschende Einsichtnahme von Dokumenten anordnen, also von Unterlagen, die die Voraussetzungen der standard disclosure zwar nicht erfüllen, aber zu verwertbaren Informationen führen könnten.248 Hieran zeigt sich, dass die Ausforschung des Gegners, welche den früheren Standard der englischen Aufklärung ausmachte, als Möglichkeit noch immer besteht, aber aus ökonomischen Gründen zur Ausnahme umgewertet wurde. c) Die Aufsichtsfunktion des Gerichts bei der vorbereitenden Aufklärung Schließlich ist zur Verdeutlichung eine Betrachtung zur Rolle des Gerichts des common law bei der vorbereitenden Aufklärung beizutragen. Das Aufsehen um 244 

Eigentlich ist die „standard disclosure“ im multi-track nur eine von mehreren Optionen, unter denen die Parteien die passende auswählen können. In 2013 wurde eine „menu option“ eingeführt, um die disclosure kostengünstiger und flexibler zu machen (Jackson, Review of Civil Litigation Costs – Final Review (2010), 372 f.). Je nach Bedarf des Falles können die Parteien z. B. nach „kontinentalrechtlicher Art“ offenlegen, d. h. nur konkret bestimmte Dokumente (CPR 31.5(7)(b)), oder offene Ermittlungen US-amerikanischer Prägung unternehmen (CPR 31.5(7)(d)). Diese Möglichkeiten werden aber kaum genutzt. In der Praxis wird noch immer stets nach der standard disclosure offengelegt, vgl. Gloster et al., Proposed Disclosure Pilote (2017), Rz.  3.1(ii) („[T]he reality is that neither the profession, nor the judiciary, has adequately utilised the wide range of alternative orders added as CPR 31.5(7). Standard disclosure has remained the default for most cases“). 245  „If a party believes that the disclosure of documents given by a disclosing party is inadequate he may make an application for an order for specific disclosure“ (PD 31A5.1). 246  „Its main application arises where a party can demonstrate that there is reason to believe that standard disclosure has not brought forward relevant documents either advertently or inadvertently.“ Sorabji, (2013) 3 IJPL 295, 306. 247  Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  15.61: „Orders of specific disclosure may be used to police compliance with standard disclosure directions“, etwa bei Verdacht, dass die Partei nicht sorgfältig nach relevanten Dokumenten gesucht hat. 248  Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  15.62.; Sorabji, (2013) 3 IJPL 295, 306.

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die Stärkung des case-management im anglo-amerikanischen Zivilprozess sollte nicht über das Wesentliche hinwegtäuschen: Die Aufklärung des pre-trial ist ein privatorganisierter Austausch von Informationen, der sich von Partei zu Partei vollzieht. Das Gericht hat keinen Kontakt zu den offengelegten Erkenntnisquellen, solange sie nicht im Zusammenhang mit einem Antrag (etwa auf ein summary judgment) eingereicht werden. Weder in den USA noch in England sind die offengelegten Dokumente und Zeugenaussagen Bestandteil der Prozessakte.249 Diese private Natur des Aufklärungsbetriebs ist im US-amerikanischen Zivilprozess am stärksten ausgeprägt. Discovery-Anträge gehen nicht über das Gericht, sondern werden direkt der Gegenpartei zugestellt.250 Die Ausübung der Ermittlungsbefugnisse und Befolgung der Informationspflichten wird von den Parteien, über ihre Anwälte, durch private Unterredungen und Vereinbarungen organisiert.251 Erst wenn die informationspflichtige Partei den discovery-Antrag nicht erfüllt, kann sich die Gegenpartei an das Gericht wenden, um eine Anordnung zu erwirken (FRCP 37(a)). Auch die informationspflichtige Partei kann sich an das Gericht wenden, um nach FRCP 26(c) Schutz zu beantragen („protective order“), wenn sie mit „gutem Grund“ („good cause“) geltend macht, dass die Ermittlungsbefugnisse gegen sie missbräuchlich gehandhabt werden oder unzumutbare Risiken oder Kosten zur Folge haben.252 In beiden Fällen fordern die FRCP aber die Abgabe einer Erklärung, durch die der Antragssteller versichert, redliche Versuche unternommen zu haben, um die Meinungsverschiedenheit einvernehmlich und ohne gerichtliche Beteiligung zu lösen.253 Die Rolle des englischen Zivilgerichts ist etwas prominenter. Nach den CPR soll es stete Kontrolle über das Verfahren ausüben, um einen kostengünstigen, 249  FRCP 5(d)(1): „disclosures under Rule 26(a)(1) or (2) and the following discovery requests and responses must not be filed until they are used in the proceeding or the court orders filing: depositions, interrogatories, requests for documents or tangible things or to permit entry onto land, and requests for admission“ (eigene Hervorhebung). Zu England, vgl. Cape Inter­ mediate Holdings Ltd v. Dring, [2018] EWCA Civ 1795, Rz.  41. Genaueres unten bei D.I.2. 250  „A party may serve on any other party a request“, FRCP 34(a); vgl. Miller, (1991) 105 Harv. L. Rev., 427, 448 (zum ursprünglichen Ideal einer „self-executing discovery“). 251  Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure (2011), 338; Glannon, Civil Procedure (2013), 446 f. 252  FRCP 26(c)(1): „A party or any person from whom discovery is sought may move for a protective order (…). The court may, for good cause, issue an order to protect a party or person from annoyance, embarrassment, oppression, or undue burden or expense“. 253  „The motion must include a certification that the movant has in good faith conferred or attempted to confer with the person or party failing to make disclosure or discovery in an effort to obtain it without court action“ (FRCP 26(c)(1) und 37(a)). Ein Anwendungsfall: Forest Prods. Northwest, Inc. v. United States, 453 F.3d 1355, 1361 (Fed. Cir. 2006), wo eine Schutz­ anordnung abgelehnt wurde, weil der Antragsteller „neither conferred with the government [die Gegenpartei] to resolve the dispute nor demonstrated good cause.“

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zeitsparenden und verhältnismäßigen Ablauf des Verfahrens sicherzustellen (CPR 1.4), weshalb es zu jedem wichtigeren Verfahrensschritt verfahrensleitende „directions“ zu erlassen hat, unter anderem auch „disclosure orders“ (CPR 31.5, 31.12). Damit veranlasst das Gericht aber keineswegs eine Offenlegung an sich selbst, wie etwa bei der Vorlageanordnung nach §  142 ZPO, sondern bestimmt lediglich Art und Umfang der gegenseitigen Offenlegung zwischen den Parteien.254 Außerdem sind die Parteien auch nach Inkrafttreten der CPR verpflichtet, sich zunächst einvernehmlich um die Durchführung der disclosure zu kümmern und bei Gericht einen Vorschlag zu Art und Umfang der disclosure einzureichen.255 Das Gericht überprüft lediglich, ob der Vorschlag der Parteien den Anforderungen an Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit des overrid­ ing principle entspricht, wird ihn ansonsten aber einfach bestätigen.256 Die Stärkung der Rolle der englischen Gerichte durch erweiterte Ermessensfreiräume darf daher nicht überbewertet werden.257 Die große Neuerung besteht vor allem darin, dass Gerichte von den einvernehmlichen Vorschlägen der Parteien über das weitere Vorgehen im pre-trial abweichen dürfen, wenn sie zu Verzögerungen oder sonstiger Ressourcenverschwendung führen könnten.258 Für eine weiter­ gehende, selbständige inhaltliche Gestaltung oder Leitung der Aufklärung, wie sie ein deutsches Gericht vornimmt, haben anglo-amerikanische Gerichte als informationell Außenstehende nur sehr beschränkte Möglichkeiten. Im pre-trial ist die Aufgabe des Gerichts also die Aufsicht einer privatbetriebenen Aufklärung. Neben der eben beschriebenen Effizienzkontrolle des Parteiver254 

Die Pflicht zur Offenlegung ist nicht mit einer Vorlagepflicht an das Gericht, sondern einem Einsichtsrecht der Gegenpartei verbunden, CPR 31.3 („A party to whom a document has been disclosed has a right to inspect that document“). 255  CPR 31.5(5) „Not less than seven days before the first case management conference, and on any other occasion as the court may direct, the parties must, at a meeting or by telephone, discuss and seek to agree a proposal in relation to disclosure that meets the overriding objec­ tive“ (eigene Hervorhebung). 256  CPR 31.5(6): „If –(a) the parties agree proposals for the scope of disclosure; and (b) the court considers that the proposals are appropriate in all the circumstances, the court may approve them without a hearing and give directions in the terms proposed.“ Dazu Sime, Civil Procedure (2015), Rn.  31.24. Dieses Hinwirken auf „agreed directions“ betrifft alle verfahrensleitenden Maßnahmen, etwa auch CPR 29.4: „The parties must endeavour to agree appropriate directions for the management of the proceedings and submit agreed directions, or their respective proposals to the court“. 257  Eine Überbewertung der aktiven Rolle des englischen Gerichts findet sich etwa bei Schmidt, Der Abschied von der Mündlichkeit (1997), 25; auch bei Bettinger, Prozessmodelle im Zivilverfahrensrecht (2016), 131–137, allerdings mit relativierenden Anmerkungen (z. B. auf 133, Fn. 319). 258  Was aus englischer, innerrechtlicher Sicht durchaus als eine Revolution erscheinen mag, Sorabji, English Civil Justice (2014), 25 f.

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haltens obliegt dem Gericht die Aufgabe, Informationspflichten zu erzwingen, Missbräuche und Risiken bei der Ausübung der Informationsrechte zu verhindern und auch sonst Meinungsverschiedenheiten der Parteien bei der Durchführung der Aufklärung bindend zu entscheiden. Diese gerichtliche Aufsichtsarbeit ist nur zulässig und effektiv, weil die „inherent jurisdiction“ das Gericht zum Verfahrensschutz ermächtigt und mit Durchsetzungsinstrumenten ausstattet. Sie ist Grundbestandteil der anglo-amerikanischen Gerichtsorganisation und Grundlage der gerichtlichen Aktivität des pre-trial. Sie gibt den Gerichten verschiedenartige Befugnisse im Umgang mit den sich vor ihnen abwickelnden Verfahren und beteiligten Personen. Obwohl sie in ihren meisten Anwendungsbereichen gesetzlich bestätigt wurde, beruht die inherent jurisdiction auf Richterrecht.259 Ihre wohl bedeutendste Ausformung ist die Befugnis, bei Störungen des Justizbetriebs und Verstöße gegen gerichtliche Anordnungen die Bestrafung des Störers, sei er Partei oder Dritter, zu veranlassen („contempt of court“).260 Die con­ tempt-Befugnis gibt Gerichten im Wesentlichen eine summarische Strafgewalt,261 die ihren Anordnungen ein großes Gewicht und ihrer Aufsichtsrolle besondere Wirksamkeit verleiht. Die Einleitung eines contempt-Verfahrens gilt aber als letzte Abhilfe.262 Dem Gericht stehen gegen die ungehorsame Partei auch eine Reihe prozessualer Sanktionen zur Verfügung. Ist die Offenbarung von Beweismitteln unvollständig, darf die Partei das Verheimlichte später nicht verwenden.263 Ansonsten ist die sanktionierende Nichtberücksichtigung von Teilen des Vorbringens der Partei vorgesehen, sowie die negative Würdigung ihres Verhaltens.264 Das Gericht verfügt also über ein vielfältiges Repertoire ermessensgebundener Sanktionsmöglichkeiten. 259 

Jacob, (1970) 23 C.L.P., 23, 45 f. Jacob, (1970) 23 C.L.P., 23, 28 f; FRCP 37(b)(2)(A)(vii) (als Sanktion bei Nichtbeachtung einer gerichtlichen discovery-Anordnung). P. Schweizer, Der Schutz der Rechtsverwirklichung im angelsächsischen Rechtskreis (1973), 41–68 unterscheidet das contempt-Recht zur „Erhaltung des Gerichtsfriedens“ und zum „Schutz der gerichtlichen Befehlsgewalt“, unter anderen Anwendungsbereichen. 261  P. Schweizer, Der Schutz der Rechtsverwirklichung im angelsächsischen Rechtskreis (1973), 91 ff., insb. 94–98. 262  Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  11.27; Junker, Discovery (1987), 200 ff. 263  FRCP 37(c): „[T]he party is not allowed to use that information or witness to supply evidence on a motion, at a hearing, or at a trial, unless the failure was substantially justified or is harmless“; CPR 31.21: „A party may not rely on any document which he fails to disclose or in respect of which he fails to permit inspection unless the court gives permission.“ 264  FRCP 37(b)(2)(A) sieht bei Nichtbefolgung einer discovery-Anordnung folgende, zum Großteil prozessuale Sanktionen vor: (i) directing that the matters embraced in the order or other designated facts be taken as established for purposes of the action, as the prevailing party claims; (ii) prohibiting the disobedient party from supporting or opposing designated claims or defenses, or from introducing designated matters in evidence; (iii) striking pleadings in whole 260 

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2. Die Vorbereitung der Beweisaufnahme im deutschen Zivilprozess a) Subsumierbarkeit der Tatsachenbehauptung als Standard der Vorbereitung Die Beweisaufnahme des deutschen Zivilprozesses ist eine stufenweise sich abwickelnde Konkretisierung eines streitigen Sachverhalts. Für ihre Eröffnung genügt eine streitige Tatsachenbehauptung, die als Ausgangspunkt und Grundlage der beweisrechtlichen Aufklärungstätigkeit dienen kann.265 An dieser Stelle ist ein Einwand anzusprechen, den ein deutscher Prozessrechtler gegen die obige Charakterisierung der Beweisaufnahme als Aufklärung einer abstrakt-rechtserheblichen Sachverhaltsbeschreibung erheben könnte: Auch in Deutschland dürfe die zu beweisende Tatsachenbehauptung nicht „abstrakt“ sein. Es bestehe eine Behauptungs- und Substantiierungslast, die nur durch die Beibringung konkreter Tatsachenbehauptungen überwunden werden könne.266 Das mag in der deutschen Dogmatik so beschrieben sein, nur ist zu fragen, was Konkretheit rechtsvergleichend bedeutet. Die von der anfänglichen Behauptungslast geforderte Tatsachenbeschreibung (diejenige, die nach §  331 II ZPO den Erlass eines Versäumnisurteils rechtfertigt267) kann ein hohes Grad an Abstraktion vertragen, bis hin zur bloßen Wiedergabe tatbestandlicher Rechtsbegriffe.268 Aber auch die Substantiierung, die nach Einlassung des Gegners greift269 und für einen Beweis­ antritt notwendig ist,270 ist mit der Bestimmtheit der issues, die das trial voraus-

or in part; (iv) staying further proceedings until the order is obeyed; (v) dismissing the action or proceeding in whole or in part; (vi) rendering a default judgment against the disobedient party; or (vii) treating as contempt of court the failure to obey any order except an order to submit to a physical or mental examination. Ähnliche Sanktionen drohen beim Verstoß gegen eine disclosure order, CPR 3.4(2)(c) (Nichtberücksichtigung des Vorbringens bei Nichtbefolgung einer gerichtlichen Anordnung), vgl. auch Sime, Civil Procedure (2015), Rn.  31.77; Cross/Tapper, On Evidence (2010), 278. 265 Vgl. Brehm, Die Bindung des Richters an den Parteivortrag (1982), 62 ff. 266  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018), §  116 Rn.  37, 40; Brose, MDR 2008, 1315, 1316. 267 Dazu Schilken, in: Zivilprozessrecht im Lichte der Maximen (2001), 36, 48. 268  Braun, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts (2014), 504 f. 269  Zu dieser Unterscheidung Frohn, JuS 1996, 243, 247. 270  Das Gesetz verlangt stets Angaben von Tatsachen bei Beweisantritt (§§  371 I, 373, 403, 424 Nr.  2 ZPO). Die Rechtsprechung verbindet diese Anforderungen mit §  138 ZPO: „Notwendiger Inhalt eines Beweisantrags ist die spezifizierte Bezeichnung der Tatsachen, welche bewiesen werden sollen; wie konkret die jeweiligen Tatsachenbehauptungen sein müssen, muss unter Berücksichtigung der Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht (§  138 I ZPO) anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Einlassung des Gegners, beurteilt werden“, BGH NJW-RR 2004, 1362, 1363; BGH NJW-RR 1994, 377, 378. Diese Anforderungen sind als Zulässigkeitsvoraussetzung des Beweisantrags zu verstehen, MüKoZPO/Prütting, §  284 Rn.  85.

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

setzt, keineswegs gleichzusetzen.271 Nach anerkannter Formel des BGH ist der Parteivortrag ausreichend substantiiert, wenn er „in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet ist, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen.“272 Die Anforderung an die Konkretisierung der Tatsachenbehauptungen richtet sich nach dem materiellen Recht,273 dessen Normen, wie im kontinentalen Recht üblich, meist eine abstrakte Einordnung zulassen.274 Eine Beweisaufnahme kann also schon bezüglich abstrakter Tatsachenbehauptungen veranlasst werden, solange das Gericht sie rechtlich einordnen kann.275 Das Kriterium der Subsumierbarkeit erfordert nur insofern eine Konkretisierung der Tatsachen, dass bei ihrer Beschreibung nicht lediglich eine Umschreibung des Subsumtionsergebnisses präsentiert werden darf, sondern eine davon unterscheidbare Tatsachenbehauptung, auf die sich der Subsumtionsvorgang beziehen kann.276 Die Substantiierung soll auch die Festlegung des Streitprogramms im Wechsel von Rede und Gegenrede nach §  138 ZPO ermöglichen.277 Die rechtliche Bedeutung des Vortrags muss für den Gegner erkennbar, die Behauptungen insofern einlassungsfähig sein.278 Daher ist der Tatsachenvortrag, wenn er infolge der Einlassung unklar wird, zu ergänzen.279 Das Bestreiten und Ergänzen soll die rechtliche Bedeutung der Behauptungen im Hinblick auf die Streitigkeit klären, nicht aber als Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts dienen; es muss vielmehr der Aufklärung vorausgehen.280 Das bezeugt der Grundsatz, dass die Erklärungslast 271 

Zum Unterschied zwischen „issues“ (als konkrete Streitpunkte) und „Parteivortrag“ (als schlüssiger Sachverhalt) auch schon Bruns, Zivilprozeßrecht (1979), 210. 272  BGH NJW 1962, 1394, 1395; NJW 1984, 2888, 2889; BeckRS 2019, 7939, Rz.  11; Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten (2010), 78. 273  Frohn, JuS 1996, 243, 247. 274  Vgl. oben unter C.II.2.a). 275  „Das Gericht muß nur in der Lage sein, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Anspruches vorliegen“, BGH WM 1979, 650, 651; NJW 1984, 2888, 2889; NJW 1991, 2707, 2709. Aus Sicht der Praxis hält Schneider, Die Klage im Zivilprozess (2007), Rn.  1926 ein weitergehendes, nach Einzelheiten trachtendes Substantiierungserfordernis für falsch, was auch der BGH BeckRS 2019, 7939, Rz.  11 kürlich wieder bestätig hat. Selbst wenn Arens, ZZP 96 (1983), 1, 2, von hohen Anforderungen spricht, bezieht er sich auf Subsumtionstauglichkeit: „Vortrag und Bestreiten müssen substantiiert erfolgen. Es genügen nicht allgemeine Behauptungen, sondern grundsätzlich müssen alle Tatsachen vorgetragen werden, die der Tatbestand der Rechtsnorm erfordert, aus der sich die Partei die Rechtsfolge herleiten will.“ 276  Gomille, Informationsproblem und Wahrheitspflicht (2016), 43 f., allerdings kritisch (45 f.). 277  Brehm, Die Bindung des Richters an den Parteivortrag (1982), 89; Peters, Ausforschungsbeweis im Zivilprozeß (1966), 63 ff. 278  Brose, MDR 2008, 1315, 1318 f. 279  BGH NJW 1962, 1394, 1395; NJW 1984, 2888, 2889; NJW 1991, 2707, 2709. 280  Brehm, Die Bindung des Richters an den Parteivortrag (1982), 64: „Da sie [die Parteien]

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des Gegners nach §  138 II ZPO nicht über die Substantiierung des Behauptungsbelasteten hinausreichen muss.281 Die materielle Prozessleitung nach §  139 I ZPO dient ebenfalls nicht der Aufklärung (im Sinne einer Wirklichkeitsrekonstruktion), sondern der Weichenstellung.282 Sie leitet den Austausch von Behauptungen zur Klärung der Rechtserheblichkeit und Streitigkeit des Vortrags. Dies gilt auch für die Maßnahmen nach §  273 II Nr.  1 und die Parteianhörung nach §§  273 Nr.  3, 141 ZPO. „Die Anhörung dient nämlich nicht der Aufklärung eines streitigen Sachverhalts, sondern dem besseren Verständnis dessen, was die Partei behaupten und beantragen will“.283 Nicht die Erschließung der Wirklichkeit, sondern die Verdeutlichung des Streitwillens der Parteien ist die traditionelle Funktion der §§  138, 139 I, 273 II ZPO.284 b) Grundsätzliche Verzichtbarkeit auf eine vorbereitende Aufklärung Die Detailkenntnis des Sachverhalts ist also nicht Voraussetzung, sondern Ziel der Beweisaufnahme. Umfassende Kenntnisse der Tatsachen seitens der Parteien und ihrer Anwälte sind für den Zugang zur Beweisaufnahme regelmäßig nicht notwendig. Genauere Informationen mögen den Parteien zwar aus anderen Gründen wünschenswert erscheinen – insbesondere für die bessere Vorhersehbarkeit des Prozessausgangs und Einschätzung des Kostenrisikos.285 Die Rechtsprechung sieht darin jedoch keinen ausreichenden Grund für einen Einblick in darüber zu bestimmen haben, was im Rechtsstreit thematisiert werden soll, muß vor einer Aufklärung in der Beweisaufnahme bei den Verhandlungen geklärt werden, was zwischen den Parteien streitig ist.“ Vgl. auch Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess (2015), Kap.  11 Rz.  15: „Sie [die Darlegung] dient nicht dazu, die Wahrheitsermittlung zu fördern oder den Prozess zu beschleunigen. Die Angaben müssen nur dem Beweis zugänglich sein.“ 281  „[E]s ist anerkannt, daß die Anforderungen an die Substantiierung des Bestreitens davon abhängen, wie substantiiert das Vorbringen des Darlegungspflichtigen selbst ist“, BGH GRUR 1982, 681, 683; NJW 1990, 45, 47; NJW 1993, 528, 529; NJW 1999, 1404, 1405. 282  Auch wenn die Norm oft missverständlich als Aufklärungspflicht bezeichnet wird, zielt sie auf die Ergänzung eines unklaren oder lückenhaften Parteivortrags ab und bezweckt keine allgemeine und umfassende Fragepflicht, Musielak/Voit/Stadler, §  139 Rn.  7; Becker-Eberhardt, in: Zivilprozessrecht im Lichte der Maximen (2001), 15, 29 f. 283  BGH NJW 2002, 2247, 2249; auch MüKoZPO/Fritsche, §  141 Rn.  1 f. Das Ergebnis der Parteianhörung darf im Rahmen der Beweiswürdigung (§  286 I ZPO) zwar berücksichtigt werden, allerdings nicht als Beweis, da sie keine Glaubwürdigkeitskontrolle vorsieht, Brehm, Die Bindung des Richters an den Parteivortrag (1982), 250 f. 284  So schon Wach, Vorträge über die Reichscivilprocessordnung (1896), 72 f. Konsequenterweise sah er deshalb die klare Trennung von Parteiwille (Vortrag) und Wahrheitsermittlung (Beweis) durch die Einführung einer Wahrheitspflicht bedroht, Wach, Grundfragen und Reform des Zivilprozesses (1914), 22 ff. 285  Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 261 ff., der zur Steigerung der Vorhersehbarkeit eine vorprozessuale kostensanktionierte Informationspflicht

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die fremde Kenntnissphäre im Vorfeld der Beweisaufnahme.286 Von einer grundsätzlichen Rechtsschutzsperre bei Informationsdefiziten kann jedenfalls nicht die Rede sein. Selbst eine dürftig informierte Partei kann in der Regel rechtserhebliche Behauptungen aufstellen und im Falle des Bestreitens auf die beweisförmige Aufklärung setzten.287 Die Frage ist eher, unter welchen Umständen eine Partei durch rechtserhebliches Behaupten eine Beweisaufnahme veranlassen darf. Das deutsche Zivilprozessrecht musste also zu den Grenzen der Rechtmäßigkeit des Behauptens als Verhalten Stellung nehmen, um Beweisaufnahmen auf der Grundlage von Lügen oder Spekulationen zu vermeiden. Standort dieser Regelung ist die Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht des §  138 I ZPO, dessen Auslegung die Frage nach der Funktion der Substantiierungslast aufgeworfen hat. Dass die Substantiierung, wie eben erläutert, in erster Linie die rechtliche Einordnung des Anliegens und Festlegung der streitigen Punkte bezweckt, wird nicht bezweifelt. Ob der Parteivortrag zudem noch plausibel sein muss, ist umstritten, zumal die Plausibilitätskontrolle eine Wahrscheinlichkeitsprüfung auf Vortragsebene nahelegt, die der BGH ausdrücklich ablehnt.288 In der Frühzeit der ZPO, als sie noch keine Wahrheitspflicht kannte, bedurfte die Parteibehauptung keinerlei Wirklichkeitsbezugs.289 Heute ist davon auszugehen, dass der Parteivortrag zum Zwecke der Missbrauchsabwehr einer Plausibilitätskontrolle unterzogen wird.290 Schon die Substantiierung soll als verkonzipiert (269 ff.); Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten (2010), 338; Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 27. 286  BGH GRUR 1978, 54, 55 (Ablehnung des Arguments, ein vorprozessualer Informationsanspruch sei für die Minderung des Prozessrisikos erforderlich); NJW 1990, 3151 (keine allgemeine Aufklärungspflicht). 287 Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018) §  110 Rn.  2: „Informationsquelle für den Anwalt sind […] grundsätzlich persönliches Wissen und persönliche Unterlagen seiner Partei. Soweit danach Lücken bleiben, steht es jeder Partei bzw. ihrem Anwalt frei, die notwendigen Behauptungen auch ohne konkretes Wissen aufzustellen“ (eigene Hervorhebung). 288  BGH NJW 1984, 2888, 2889; NJW-RR 1996, 1402; NJW 2003, 69, 70; NJW-RR 2019, 380, 381. 289  „Die Parteibehauptung – ich wiederhole es – ist Beweisthema, nicht Beweismittel; sie ist an und für sich schlechthin unglaubwürdig“, Wach, Grundfragen und Reform des Zivilprozesses (1914), 33. 290  Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 112 ff.; so offenbar auch Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 187. Selbst Brehm, der eine gerichtliche Plausibilitätskontrolle auf Vortragsebene ablehnt, muss doch eine gewisse Kon­ trolle zur Missbrauchsabwehr zugestehen, Brehm, Die Bindung des Richters an den Partei­ vortrag (1982), 136 („Nur wenn sich das Aufklärungsverlangen einer Partei als eindeutiger Rechtsmißbrauch darstellt, darf das Gericht von der weiteren Aufklärung absehen“). Ebenso negiert Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess (2015), Kap.  11 eine Plausibilitätskontrolle (Rz.  12), räumt aber eine Missbrauchskontrolle ein (Rz.  13), ohne klarzustellen, wie sich diese von einer Plausibilitätskontrolle unterscheidet.

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einzelnde Darlegung einer mutwilligen Prozessführung als Schranke dienen – wer Rechtsschutz begehrt soll tatbestandsausfüllende Tatsachen darlegen können.291 Der Vortrag muss aber neben Substantiiertheit auch Plausibilität vorweisen.292 So wird es trotz Ablehnung des Wahrscheinlichkeitserfordernisses in der Rechtsprechung gehandhabt.293 Dementsprechend ist die Wahrheitspflicht des §  138 I ZPO als Wahrhaftigkeitspflicht verstanden worden, die neben Lügen294 auch das Behaupten ins Wahllose verbietet. „Aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue“ getätigte Behauptungen verstoßen gegen die Wahrhaftigkeitspflicht und dürfen nicht berücksichtigt werden.295 Spekulierende Beweisanträge sind nicht zuzulassen.296 Davon sind aber vermutete Behauptungen abzugrenzen, die auf einer gewissen Wahrscheinlichkeit beruhen und daher für die Eröffnung der Beweisaufnahme geeignet sind. Solche Parteivermutungen sind erlaubt.297 Für den Rechtsvergleich liegt hier der entscheidende Punkt. Die deutsche Beweisaufnahme ist so beschaffen, dass sie auch aufgrund abstrakt gehaltener, aber eindeutig rechtserheblicher Behauptungen formgerecht vorangetrieben werden kann. Daher ist ihre Eröffnung aufgrund rechtserheblicher Parteivermutungen denkbar und, solange nicht ins Blaue getätigt, nach ständiger Rechtsprechung auch zulässig. Damit entfällt der Druck, zur Wahrung des effektiven Rechtsschutzes umfassende prozessuale Informationspflichten zu normieren. Informationsdefizite versperren den Zugang zur beweisförmigen Aufklärung grundsätzlich nicht.298 291 

Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 116 f. Wagner, JZ 2007, 706, 714; Meyke, NJW 2000, 2230, 2231 f. 293  Stürner, JZ 1985, 185. Ein neueres Beispiel bietet BGH BeckRS 2019, 7939, insb. Rz.  13. 294 MüKoZPO/Fritsche, §  138 Rn.  2 m. w. N. („Nach allgemeiner Auffassung verbietet die Wahrheitspflicht lediglich ein Vorbringen wider besseres Wissen.“); dies schließt eine Ermittlungspflicht aus, Becker-Eberhardt, in: Zivilprozessrecht im Lichte der Maximen (2001), 15, 23 f. 295  Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten (2010), 81 m. w. N. 296  Beispielsweise: BGH NJW 1968, 1233; NJW 1991, 2707; NJW 1995, 1160; NJW 1995, 2111. 297  „Bei der Annahme eines […] missbräuchlichen Verhaltens ist aber Zurückhaltung geboten; denn oftmals wird es einer Partei nicht erspart bleiben, in einem Zivilprozess Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genauen Kenntnisse haben kann, die sie nach Lage der Dinge aber für wahrscheinlich hält“, BGH NJW-RR 2003, 59, 70; NJW 1995, 2111, 2112; neulich wieder bestätigt in BGH NJW-RR 2019, 380, Rz.  11. Darin liegt keine unzulässige Ausforschung, BGH NJW 1995 1160, 1161. Das wird auch in der Lehre nicht in Frage gestellt, etwa MüKo­ ZPO/Prütting, §  284 Rn.  79 („Eine Partei darf sehr wohl vermutete Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen, soweit sie darüber kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann“). Ebenfalls Schilken, in: Zivilprozessrecht im Lichte der Maximen (2001), 36, 50 („weil die Tatsachen oft ungewiss und erst in einer Beweisaufnahme zu klären sind, muss es erlaubt sein, auch ungewisse Tatsachen zu behaupten“). 298  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018) §  110 Rn.  3 („In vielen Fällen 292 

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

Dies soll durch einen kurzen Blick auf die Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Parteivermutungen verdeutlicht werden: Eine vermutete Gesundheitsschädigung durch ein Holzschutzmittel kann durch einen Sachverständigenbeweis aufgedeckt werden;299 die Vermutung, dass die Gegenpartei von Betrug300 oder Abredewidrigkeit301 Kenntnis hatte, kann durch Zeugenbeweis bzw. Parteiver­ nehmung erhellt werden; und der vermutete Umfang des Gewinnausfalls eines Dienstleisters erschließt sich durch das Zeugnis seiner Auftraggeber.302 Das ist im anglo-amerikanischen Zivilprozess gerade anders. Dort müssten die Detailkenntnisse, die in Deutschland in der Beweisaufnahme erforscht werden, den Parteien schon vor dem trial vorliegen – in Form von Urkunden, Privatgutachten, depositions, schriftlichen Zeugenaussagen, affidavits etc. Nur auf dieser Grundlage kann eine konzentrierte, auf Vernehmung ausschlaggebender Zeugen reduzierte Beweisaufnahme überhaupt stattfinden, wenn sie nicht in Krise geraten will, wie im Zivilprozess der USA vor Einführung der discovery. Diese Ausgangsinformationen machen eben den erfolgsversprechenden prima facie Fall aus, der vor Eintritt ins trial vorzuweisen ist. Die Beweisaufnahme darf sich nur noch auf streitige Einzelaspekte beziehen, bei denen die Glaubwürdigkeit entscheidender Zeugenaussagen eine Rolle spielt und daher einer Aufklärung durch Haupt- und Gegenbefragung bedarf. Um die Übertragung der obigen Beispiele in das common law zu wagen: Im Fall der Gesundheitsschädigungen durch ein Holzschutzmittel würde es wohl nur bei unversöhnlichem Widerspruch zwischen schon im pre-trial ausgetauschten Gutachten der parteilichen Sachverständigen zum trial kommen. Nur dann wäre es sinnvoll, die sachverständigen Zeugen durch Gegenvernehmung auf ihre Sachkunde zu prüfen. Im zweitgenannten Beispiel hätte der Beklagte die Unkenntnis des Betrugs schon in den depositions oder durch schriftliche Zeugenaussagen, unter Darlegung aller Umstände, beteuern müssen. Die Befragung im trial würde sich auf die Glaubwürdigkeitsprüfung zu diesen Aussagen konzentrieren. Und schließlich wäre die Frage des Gewinnausfalls schon im pre-trial von beiden Parteien unter Heranziehung aller Unter­ lagen und Einschaltung von Experten erforscht worden. Bestünden dennoch Meinungsverschiedenheiten über seinen Umfang, würden man die Experten im trial zur Kontrolle ihrer Angaben, etwa über die hypothetische Auftragserteilung, in den Zeugenstand rufen.303 beantragt die Partei eine Beweisaufnahme durch Zeugen, Sachverständige oder Augenschein auf Verdacht“). 299  BGH, NJW 1995, 1160. 300  BGH NJW 1995, 2111. 301  BGH, NJW 1968, 1233. 302  BGH NJW 1991, 2707. 303  Zu diesen Fällen in den USA, Lloyd, (2007) 41 U. Rich. L. Rev., 379 ff.

III. Die vorbereitende Aufklärung im Rechtsvergleich

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Diese Beispiele erläutern, dass gerade die Beweisbarkeit vermuteter Tatsachen eine bezeichnende Eigenheit der deutschen (und überhaupt der kontinentalen) Sachverhaltsaufklärung bildet. An ihr wird deutlich, dass der Zugang zur beweisförmigen Aufklärung grundsätzlich nicht von der vorgefundenen Informationsverteilung zwischen den Parteien abhängig ist, sondern den Rechtsschutz auch bei Informationsasymmetrie ermöglicht.304 In diesem Sinn ist die Zulässigkeit der Aufstellung vermuteter Behauptungen das deutsche Äquivalent zu den anglo-amerikanischen Informationspflichten.305 Ein rechtserheblicher und plausibler Parteivortrag reicht aus, um, wenn bestritten, die beweisförmige Aufklärung auszulösen. Dies wird von der dogmatischen Literatur, die auf Grundlage des angloame­rikanischen Beispiels auf umfassende Aufklärungspflichten des Gegners drängt, meist nicht beachtet.306 304  Deutlich in BGH BeckRS 2019, 7939, insb. in Rz.  13. Der BGH lässt hier für den Zugang zum Beweis durch Parteivernehmung und Urkundenvorlage den Vortrag von Vermutungen, die auf einer geeigneten Indizienkette beruhen, ausreichen. 305  Eine ähnliche Äquivalenz wurde auch vom israelischen Professor Stephen Goldstein beim Vergleich des anglo-amerikanischen und israelischen Zivilprozesses kritisch beobachtet: „Israel requires detailed fact pleadings, but does not provide for pre-action access to informa­ tion. The problem has been ‚solved’ traditionally by a plaintiff who does not know the facts pleading every possible fact situation. This could be done since there was no obligation to verify the facts by affidavit and no penalty for pleading unnecessary facts. […] If affidavits were to be generally required in Israeli proceedings, we would have to adopt some form of pre-ac­tion disclosure.’ (Goldstein, Israeli Report to the XIIIth World Congress on Procedural Law in ­Salvador, Brazil, zitiert nach Andrews, in: Direito Processual Comparado (2007), 201, 226 f., Fn. 122). Dasselbe gilt, in abgeschwächter Form, für das Verhältnis zwischen den anglo-amerikanischen Informationspflichten und der Zulässigkeit von Vermutungen im deutschen Zivil­ prozess. 306  Sie geht nämlich nicht funktional im Hinblick auf die Frage des Zugangs zum Beweis vor, sondern bemüht sich darum, im Namen eines auf Wahrheitsprüfung abstellenden Rechtsschutzes direkt „Schutzlücken“ in Form von Informationsdefiziten nachzuweisen und die Unzulänglichkeit bestehender prozessualer Mittel zur Informationsbeschaffung darzulegen (so etwa bei Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten (2010), 163 ff; Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 177). Dabei wird die Zulässigkeit vermuteter Tatsachenbehauptung meistens nur als unbefriedigender Zustand fehlender Informationspflichten dargestellt und gar nicht, oder nur beiläufig, ihre Vor- und Nachteile als funktionales Äquivalent thematisiert. Den deutlichsten Ausdruck dieser dem Wahrheitsbezug verpflichteten Perspektive findet man bei v. Hippel, der in der Zulässigkeit von Vermutungen bei mangelnden Informationsrechten einen inakzeptablen Zwang zur Wahrheitsverletzung sieht: „Damit wird die jeweils angreifende Partei von Gesetzes wegen gezwungen, den Standpunkt des Allwissenden einzunehmen, wenn sie sich überhaupt Gehör verschaffen will. […] [O]hne Rücksicht darauf was der Vortragende weiß oder auch nur wissen kann. Denn wie sollte er sich gegenüber einer solchen Regelung anders helfen, um zu der ihm nun einmal unentbehrlichen Aufklärung erstmals zu gelangen?! Das Gesetz selbst nötigt ihn ja zur Wahrheitsverletzung, indem es ihn immer wieder in Aufklärungs- und Beweisnotstände versetzt.“ v. Hippel, Wahrheitspflicht und Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozess (1939), 226–228. Rosenberg/Schwab/Gott-

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

Die Partei des anglo-amerikanischen Zivilprozesses erlangt durch die Dar­ legung vernünftig vermuteter Einzelheiten gerade keinen Zugang zur beweisförmigen Aufklärung – sie muss Nachweise eines auf positives Wissen beruhenden Falls vorzeigen. Vorbereitende Aufklärungspflichten sind im common law zur Wahrung der Justizgewährung daher in jedem Einzelfall eine Notwendigkeit, im deutschen Zivilprozess dagegen nur eine Ausnahmeerscheinung. c) Die vorbereitende Aufklärung als Ausnahmeerscheinung Wenn schon eine vermutete Behauptung die beweisförmige Aufklärung auslösen kann, ist die vorbereitende Aufklärung von relativ geringer Bedeutung. Es verbleiben zwei Anwendungsbereiche: einerseits die Verschaffung eines substantiierten Vortrags bei besonderer Informationsnot, andererseits die Aufklärung über Erkenntnisquellen, deren Existenz oder nähere Beschaffenheit nur der nicht beweisbelasteten Partei bekannt sind.307 Nachhilfe ist also dort gerechtfertigt, wo die belastete Partei nachweisbar unfähig ist, substantiiert vorzutragen oder Beweismittel zu bezeichnen. Eine Missbrauchsabsicht ist hier unwahrscheinlich und die Nichtberücksichtigung des Vortrags bzw. die Hinnahme der Beweis­ fälligkeit würde unbillig erscheinen.308 Das ist besonders bei typischer Informationsasymmetrie der Fall, wenn der Gegner ohne viel Mühe Licht in die Sache bringen könnte. Hat nämlich die risikobelastete Partei die Tatsachen mit ihr nach den Umständen zumutbarer Konkretion dargelegt, würde viel eher die Berufung des Gegners auf eine ungenügende Substantiierung missbräuchlich anmuten, als der Mangel an Substantiierung selbst. Die Mittel des deutschen Zivilprozessrechts, auf diese Problemlage korrigierend zu reagieren, sind bekanntlich fragmentarisch geregelt.309 Sie werden nun in folgender Ordnung dargestellt: zuerst Auskunfts- (aa) und Offenbarungspflichten (bb), sodann Pflichten zur Vorlage von Beweismitteln (cc). Dabei handelt es sich wald, Zivilprozessrecht (2018) §  110 Rn.  2–4 gehen dagegen treffend von einer Äquivalenz von Zulässigkeit von Vermutungen und vorbereitende Informationsbeschaffung aus, unter Berücksichtigung des Problems fehlender Vorsehbarkeit des Beweisergebnisses. 307  Das Gesetz setzt die Individualisierung des Beweismittels voraus: §§  371 I („Bezeichnung des Gegenstandes“); §  373 („Benennung der Zeugen“); §  424 Nr.  1 („Bezeichnung der Urkunde“) ZPO. 308 Vgl. Gomille, Informationsproblem und Wahrheitspflicht (2016), 262–269, 275 f., der die Behauptungslast nach einfachem Bestreiten regelmäßig auf „erwartbare Belegtatsachen“ beschränken will, da somit schon der Verdacht einer subjektiv falschen Behauptung als ausgeräumt gelten kann („Denn an der Unterstellung, der Erklärende habe eine subjektiv unwahre Tatsache behauptet, kann nur dort festgehalten werden, wo er nach Lage der Dinge Details zum Kernbereich seiner Aussage kennen müsste, solche aber nicht mitteilt“, 265). 309  Schlosser, JZ 1991, 599, 603 ff. („Flickwerk“); Stürner, in: FS Vollkommer (2006), 201, 205 („einzelne Inseln richterrechtlichen Informationsinstrumentariums“).

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stets um Aufklärungsmittel, die unter Leitung und Kenntnisnahme des erkennenden Gerichts operieren. Es gibt aber auch eine deutsche Version privatbetriebener Prozessvorbereitung, deren Beschreibung daran angeschlossen wird (dd). aa) Auskunft durch substantiiertes Bestreiten Die Last, nach §  138 II ZPO zu bestreiten, dient, wie gesagt, nicht der Auskunft, sondern der Bestimmung der Streitigkeit als Voraussetzung der Beweisbedürftigkeit.310 Das Bestreiten muss daher nur so substantiiert sein, wie die bestrittene Behauptung. Für Fälle der Informationsasymmetrie zwischen den Parteien hat die Rechtsprechung die Erklärungslast nach §  138 II ZPO jedoch zu einer Auskunftspflicht umfunktioniert311 – zur „sekundären Behauptungslast“.312 Ihren Voraussetzungen nach ist sie Situationen vorbehalten, in denen es wahrscheinlich ist, dass das pauschale Behaupten der belasteten Partei nicht auf einer Missbrauchsabsicht beruht, sondern auf der typischen Informationsnot desjenigen, der außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind.313 Auf eine Plausibilitätskontrolle wird nicht völlig verzichtet, sie wird aber auf „Anhaltspunkte“ zurückgefahren.314 Die einschränkende Voraussetzung auf Gegnerseite – die Zumutbarkeit des Aufklärungsbeitrags – soll den Erklärungsgegner davor bewahren, mit ungerechtfertigtem Verteidigungsaufwand überzogen zu werden und Geheimhaltungsinteressen berücksichtigen.315 310  „Bestreiten

bedeutet somit letztlich das in der Form einer Wissenserklärung geäußerte Verlangen, dass die vom Gegner vorgebrachte klagebegründende Behauptung zum Gegenstand einer Beweisaufnahme gemacht werde.“ Schilken, Zivilprozessrecht (2014), Rn.  410; auch Stein/Jonas/Kern23, §  138 Rn.  12. 311  Zu ihrer dogmatischen Herleitung findet man in Rechtsprechung und Literatur keine einheitliche Antwort; herangezogen werden die §§  138 I und II, 275 ff., 282 I ZPO und §  242 BGB. Zu den Begründungsansätzen im Detail Papanikolaou, Die sekundäre Erklärungspflicht im Zivilprozess (2018), 65 ff. 312  Eigentlich: Behauptungspflicht, wenn man unter Last eine objektive Risikozuweisung versteht, bei deren Überwindung die Zumutbarkeit im Einzelfall keine Rolle spielt. Vgl. zum Begriff Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 74 ff., insbesondere 82 f. 313  Das ist die übliche Formulierung des Tatbestandes in der Rechtsprechung, z. B. BGH NJW 1996, 315, 317. Dabei sind etwa in der Art des „vorangegangenen Tuns“ des Erklärungsgegners oder in den „persönlichen Verhältnissen und Beziehungen“ zur belasteten Partei „Anknüpfungspunkte“ zu sehen, BGH NJW 1997, 128, 129. 314 Zöller/Greger, Vor §  284 Rn.  34; BGH NJW 2015, 947, 948, Rz.  21 („Anknüpfungstatsachen, die als schlüssige Indizien […] betrachtet werden können“); BGH BeckRS 2019, 7939. 315  Papanikolaou, Die sekundäre Erklärungspflicht im Zivilprozess (2018), 136. Beispielsweise in OLG Stuttgart BeckRS 2019, 17247, Rz 91 (Unzumutbarkeit der Offenlegung der

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

Die vorbereitende Funktion dieser Figur kommt dadurch zum Ausdruck, dass sie nicht schon die Feststellung des Sachverhalts, sondern den Zugang zur Beweisaufnahme, also die Gewinnung einer subsumtionstauglichen und plausiblen Tatsachenbehauptung zum Ziel hat. Es handelt sich gerade nicht um eine Veränderung der Beweislast und darf nicht so weit gehen, eine Beweisführung zu veranlassen.316 Die sekundäre Substantiierung zielt auf Wissenserklärungen zu einem streitigen Sachvortrag hin und ist daher im Umfang bescheiden.317 Sie gilt schon als erfüllt, wenn „der Anspruchsgegner in ihm zumutbarer Weise dazu beigetragen hat, daß der Anspruchsteller in die Lage versetzt wird, sich zur Sache zu erklären und den gegebenenfalls erforderlichen Beweis anzutreten“.318 bb) Offenbarung von Beweismitteln Ein Beweisantritt ohne Benennung einzelner Beweismittel ist nicht zulässig. Die sekundäre Behauptungslast verlangt jedoch nur Wissenserklärungen und verpflichtet daher, nach ausdrücklicher Klarstellung des BGH, nicht zur Urkundenvorlage.319 Darüber, ob sie auch eine Urkundenoffenbarungspflicht beinhaltet, findet sich keine klare Stellungnahme in der Rechtsprechung. Angesichts der „inflationären“ Ausweitung der sekundären Behauptungslast in den letzten Jahren320 würde es nicht wundern, wenn sie sich (zumindest in Teilbereichen) zu einer Offenbarungspflicht von Beweismitteln entwickeln würde. Dies wird teilweise von der Literatur befürwortet.321 Ansätze davon finden sich in der neueren Rechtsprechung zur Frachthaftung322 und zum „Filesharing“323. Sicher ist aber nur, dass nach Ansicht des BGH die sekundäre Behauptungslast nicht die Benen„gesamte[n] Kommunikation innerhalb des Unternehmens über einen jahrelangen Zeitraum“ zur sekundären Darlegung einer negativen Tatsache). 316 Zöller/Greger, Vor §  284 Rn.  34. 317  BGH NJW 2008, 982, 984 Rz.  17. 318  BGH NJW 1999, 2887, 2888. 319  BGH NJW 2007, 2989, 2991 – „Schrottimmobilien“. 320 Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast – Grundlagen (2018), Kap.  22, Rn.  6. 321  Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 136 (im Rahmen der allgemeinen Aufklärungspflicht); Lindacher, WRP 2000, 950, 952 („wertungskonsequenterweise“); einschränkend Papanikolaou, Die sekundäre Erklärungspflicht im Zivilprozess (2018), 111 („eine Frage des Einzelfalls“). 322  Bei der sekundären Behauptungslast des Frachtführers zum Verschulden für den Verlust des Transportgutes verlangte der BGH “Angaben zu den beteiligten Personen, zum Organisationsablauf des Transports, zu Schadensverhütungsmaßnahmen der Beklagten oder der von ihr eingesetzten Hilfspersonen sowie zu etwaigen Nachforschungen zum Verbleib der Sendung“, BGH VersR 2011, 1332, 1333. 323  Zur Darlegung der Täterschaft der Urheberrechtsverletzung durch den Inhaber eines Internetanschlusses wird folgendermaßen argumentiert: Wird der Anschluss von Familienmitgliedern mitgenutzt, muss der beklagte Inhaber im Rahmen seiner sekundären Behauptungslast

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nung von Zeugen umfasst.324 Damit ist eine Pflicht zur Zeugenoffenbarung aber nicht verneint, sondern nur eine (fragliche) dogmatische Abgrenzung vorgenommen worden. Die Pflicht der nicht beweisbelasteten Partei, Name und Anschrift eines Zeugen offenzulegen, bestehe zwar, sei rechtlich nur woanders angesiedelt, nämlich in der Beweiswürdigung bei Anwendung der Grundsätze der Beweisvereitelung,325 auf die der BGH in diesen Fällen auch verweist.326 Zudem wird in der Lehre eine Auflockerung des Bestimmtheitserfordernisses der nach §  142 ZPO vorzulegende Urkunde gefordert,327 was eine Vorlagepflicht zur Folge hätte, bei deren Ausführung unbekannte Urkunden zum Vorschein kämen (sie wäre also zugleich eine Offenbarungspflicht). Außerhalb dieser begrenzten Ansätze (Erweiterung der sekundär zu behauptenden Angaben, Pflicht zur Benennung von Zeugen und Anregung einer Vorlage vermuteter Urkunden nach §  142 ZPO) findet sich in Deutschland aber kein mit den disclosure-Pflichten vergleichbares Instrument, das eine Partei zur Offenbarung ungünstiger Beweismittel verpflichten würde. Im Gegensatz zur anglo-amerikanischen Partei, hat die deutsche Partei keine Möglichkeit, Auskunft über das Vorhandensein relevanter Erkenntnisquellen auf Gegnerseite zu erhalten. Am ehesten könnte sich die sekundäre Behauptungslast in diese Richtung entwickeln. Nach aktueller Handhabe kann sie zwar zu einer Beweismitteloffenbarung führen, wenn diese sich aus dem geschuldeten Vortrag ergibt; dies wäre aber nur ein Nebeneffekt der Anwendung eines Instituts, das nicht auf eine Beweismitteloffenbarung ausgerichtet ist.328 Hierin liegt vergleichend eine Beschränktheit der vorbereitenden Aufklärung im deutschen Zivilprozess, die sich nicht auf Unterschiede in der Struktur der Sachverhaltsaufklärung zurückführen lässt und dogmatisch zutreffend als Defizit aufgefasst werden kann.329 den Namen des Nutzers verraten, der die Verletzung begangen hat (BGH NJW 2014, 2360, 2361; NJW 2017, 78, 80 f; NJW 2018, 65, 66). 324  BGH NJW 2008, 982, 984 Rz.  18. 325  BGH NJW 1960, 821. 326  BGH NJW 2008, 982, 984 Rz.  18. 327  Krapfl/Mann, in: FS Schütze (2014), 279, 283; Wagner, JZ 2007, 706, 713 („Die bloß ungefähre Beschreibung der Urkunde und ihres Verbleibs reicht aus“). Musielak/Voit/Stadler, §  142 Rn.  4a.: „Bei Urkunden aus fremder Geschäftssphäre, zu denen die beweisführende Partei keinen Zugang hat, wäre es richtig, sich mit allgemeineren Umschreibungen und Inhalts­ angaben zu begnügen (ähnlich den reduzierten Anforderungen bei der ‚sekundären Behauptungslast’[…]).“ Ein Schritt in diese Richtung findet sich auch in BGH BeckRS 2019, 7939 Rz.  15 (Vorlage von Materialeinkaufslisten). 328 Vgl. Papanikolaou, Die sekundäre Erklärungspflicht im Zivilprozess (2018), 110 f. 329  Insofern zutreffend Musielak/Voit/Stadler, §  142 Rn.  4a.: „Wäre der Gesetzgeber insoweit ausländischen Vorbildern gefolgt, hätte es nahe gelegen, den Parteien prozessuale Auskunftspflichten über die in ihrem Besitz befindlichen streiterheblichen Urkunden aufzuerlegen“ (Hervorhebung im Original). Freilich müsste eine derartige Auskunftspflicht Grenzen haben,

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

cc) Prozessuale Vorlagepflichten Da schon bei einer plausiblen Parteivermutung Beweis angetreten werden kann, haben rein vorbereitende Vorlagepflichten des Gegners, also solche, die einen plausiblen Vortrag und damit den Beweisantritt erst ermöglichen sollen, nur nachrangige Bedeutung. Die Urkundenvorlegung nach §§  142, 422 und 423 ZPO und die Einnahme des Augenscheins nach §§  371, 144, 372 ZPO dienen nicht der Vorbereitung, sondern sind selbst schon Beweisaufnahme.330 Demnach wird dem Gegner aufgegeben, Urkunden und Gegenstände dem erkennenden Gericht zum Beweis einer substantiierten Tatsachenbehauptung vorzulegen. Das Beweisstück und seine Entscheidungserheblichkeit müssen schon vorher, bei Beweisantritt bzw. Beweiserhebung, bekannt sein. Diese Vorlagepflichten sind mit den dis­ covery requests oder den disclosure and inspection orders gerade nicht vergleichbar, die rein der Vorbereitung dienen und die Offenlegung an die Gegenpartei – nicht an das Gericht – aufzwingen. Diese Mittel sollen die Parteien in die Lage versetzten, die Erkenntnisquellen im Besitz des Gegners zu sichten und im Hinblick auf ihre Falldarstellung eine Auswahl zu treffen, die eine eventuelle Beweisführung im trial begünstigt. Im deutschen Zivilprozess hat eine vergleich­ bare – lediglich an den Gegner gerichtete – Vorlage zur Vorbereitung des Beweis­ antritts keinen Raum. Auch die Befürworter einer allgemeinen prozessualen Aufklärungspflicht konzipieren die Ausweitung gegnerischer Vorlagepflichten nicht als Vorbereitung, sondern direkt als Beweisführung, etwa nach §§  421 ff. ZPO.331 Die einzige Verpflichtung zur vorbereitenden Vorlegung – jedoch nicht ausschließlich an den Gegner sondern auch zugleich an das Gericht – folgt aus den Anordnungen nach §§  142, 144 ZPO, sofern sie nicht vom Gericht per Beschluss zu Beweiszwecken erlassen werden, sondern per Verfügung durch den Vorsitzenden i. V. m. §  273 II ZPO zur Vorbereitung getroffen werden. Wie bei der Pardie sich mit der Aufklärungsstruktur der ZPO vereinbaren lässt. Vgl. dazu Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 189 f., der eine „sekundären Informationslast“ über das Vorhandensein von Urkunden vorschlägt, soweit deren Existenz im konkreten Bezug zu einer Tatsachenbehauptung naheliegt. 330  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018), §  120 Rn.  51 bzw. §  119 Rn.  26. Vgl. oben unter C.II.2.c)bb)(1). 331 So Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 100 f., 144 ff., indem er in der Erweiterung der Vorlagepflichten im Rahmen seiner allgemeinen Aufklärungsflicht eine Weiterführung des Rechtsgedanken des §  423 ZPO sieht; auch Gottwald, Gutachten 61. DJT (1996), A1, A 19, der die Durchführung seiner in §  138 II ZPO eingefügten Editionspflicht im Beweisrecht verortet („zu streitigen Tatsachen alle relevanten Unterlagen vorzulegen“); ihm folgend Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten (2010), 405 f.; ebenfalls Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 357, der seine „sekundäre Vorlegungslast“ von einem Beweisantrag abhängig macht.

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teianhörung handelt sich hierbei aber nicht um Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts (als Wirklichkeitsrekonstruktion), sondern dienen der rechtlichen Einordung des Vortrags und Klärung des Streitwillens der Parteien.332 Daher ist §  142 ZPO als Aufklärungsmittel nur in seiner beweisrechtlichen Funktion bedeutsam.333 Vor diesem Hintergrund erstaunt es, dass die Erweiterung der amtswegigen Vorlageanordnung nach §  142 ZPO im Jahre 2001 Parallelen zur discovery hervorgerufen hat.334 Die Gemeinsamkeit zwischen §  142 ZPO und dem anglo-amerikanischen Informationsaustausch erschöpft sich im allgemeinen Zweck der Aufklärung zur Konfliktbewältigung und in der Dokumentenvorlegung als äußeren Vorgang. Sonst sind sie grundverschieden. §§  142, 144 ZPO bezwecken beweisrechtliche Aufklärung, nicht Prozessvorbereitung, und führen zu einer Einsichtnahme durch das erkennende Gericht mit dem Zweck der Tatsachenfeststellung, nicht einzig durch die Gegenpartei zur privaten Entscheidung über das weitere Vorgehen im Prozess. Die Gefahr einer voraussetzungslosen Erweiterung der amtswegigen Vorlagepflicht hätte zur Einführung des Untersuchungsgrundsatzes führen (weshalb die Sorge aus dogmatischer Sicht durchaus berechtigt ist), niemals aber „amerikanische Verhältnisse“335 parteilicher Ausforschung in den deutschen Zivilprozess transplantieren können. Die deutsche Zivilpartei hat keine prozessualen Mittel, eine von der richterlichen Vermittlung unabhängige Ausforschung zu betreiben, wie sie für den US-amerikanischen Zivilprozess charakteristisch ist. Dem deutschen Gericht fehlen seinerseits nicht nur die rechtlichen Befugnisse, sondern auch die Ressourcen, um regelmäßig massive Materialvorlegungen im Prozess zu verarbeiten, die im Umfang mit denen des anglo-­ amerikanischen pre-trial vergleichbar wären – hier werden die Informationen nämlich von den Anwaltskanzleien privat verarbeitet und reduziert, bevor sie Eingang in die Akte oder in eine Verhandlung finden. Prozessstrukturell konsequent ist dagegen Arens’ Widerspruch zur Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei, sofern er kritisiert, dass ihre Handhabe eine Erweiterung des richterlichen Ermessensspielraums mit sich führe und damit eine Bedrohung der freiheitswahrenden Verhandlungsmaxime bedeute.336 332 Zöller/Greger, §  273 Rn.  1; Stein/Jonas/Thole23, §  273 Rn.  3; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018), §  77 Rn.  44; beispielsweise die Anordnung der Vorlegung des kompletten Textes einer Vertragsurkunde zum besseren Verständnis der einschlägigen Klauseln, MüKoZPO/Fritsche, §  144 Rn.  1. 333  Wagner, JZ 2007, 706, 709. 334  Zu dieser Diskussion, Wagner, JZ 2007, 706, 708. Stadler, in: FS Beys (2003), 1625, 1627 spricht prägnant von einer „‚discovery‘-Phobie“ in der deutschen Diskussion zu den parteilichen Aufklärungspflichten. 335  So die Befürchtung bei Zekoll/Bolt, NJW 2002, 3129 ff. 336  Arens, ZZP 96 (1983), 1, 18–21, insb. 20 f.

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

dd) Privatbetriebene Aufklärung vor dem Prozess Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass im deutschen Zivilprozessrecht nur zwei Arten vorbereitender Aufklärungspflichten klar anerkannt sind: die sekundäre Behauptungslast und die Offenbarung von Zeugen unter Androhung von Prozessnachteilen. Sie sind in dem Sinn vorbereitend, dass sie den Beweisantritt des Gegners erst ermöglichen sollen. Sonstige Aufklärungsmittel sind entweder schon Beweisführung (§§  142, 144, 422, 423 etc. ZPO) oder nur vorbereitende Klärung des Streitwillens im Hinblick auf die rechtliche Einordnung (§§  139 I, 273 II, 141 ZPO). Anders als im common law ist in Deutschland jede Art prozessualer Vorbereitung – gerade auch die praktisch bedeutende sekundäre Behauptungslast – in die Vortragsebene eingebaut und als „Inhalt der Verhandlung“ somit schon Grundlage gerichtlicher Erkenntnis (§  286 I 1 ZPO). Ein Aufklärungsbeitrag an den Prozessgegner, der nicht zugleich auch dem Gericht zur Würdigung zugänglich gemacht würde, ist im deutschen Zivilprozessrecht nicht vorgesehen. Es gibt jedoch außerhalb des Prozessrechts einen Bereich vorbereitender Aufklärung, der dem discovery- und disclosure-Verfahren in Voraussetzung und Rechtsfolge nahekommt: die vorbereitenden Informationsansprüche des materiellen Rechts. Bedeutend sind bei feststehender Rechtsbeziehung die Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche aus §  242 BGB und der Besichtigungsanspruch aus §  809 1. Alt BGB. Wenn keine rechtliche Verbindung besteht, eine Person aber erfahren will, ob ihr ein Anspruch zusteht, bieten §  809 2. Alt. BGB und die zur Umsetzung europäischer Richtlinien in Spezial­ gesetzen eingeführten Informationsansprüche Abhilfe, etwa aus §  140c I PatG337 im Patentrecht oder aus §  33g I, II GWB338 im Kartellschadensersatzrecht. Diese letztgenannten Ansprüche sind von besonderem Interesse, weil sie, wie auch prozessuale Aufklärungsmittel, unabhängig von einer (unstreitigen oder nachgewiesenen) materiellrechtlichen Rechtsbeziehung der Parteien gewährt werden (ob eine solche besteht, ist gerade Gegenstand der erstrebten Aufklärung). Die Gewährung ist zwar, ähnlich wie bei der Substantiierung des Vortrags, von der Plausibilität des festzustellenden Hauptanspruchs abhängig,339 aber – und hierin wird die erste Ähnlichkeit zu den ergebnisoffenen Informationsersu337  Umsetzung

der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (im Folgenden: Enforcement-Richtlinie). 338  Umsetzung der Richtlinie 2014/104/EU zum Schadensersatz bei Verstößen gegen das Kartellrecht (im Folgenden: Kartellschadensersatzrichtlinie). 339  Vgl. Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 329; Winkler v. Mohrenfels, Abgeleitete Informationsleistungspflichten (1986), 53; Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch (2007), 225. Die Autoren entnehmen dieses Erfordernis der Rechtsprechung zu vorbereitenden Informationsansprüchen.

III. Die vorbereitende Aufklärung im Rechtsvergleich

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chen des pre-trial deutlich – nicht unbedingt streng subsumtionsgebunden.340 Ursprünglich war das tatbestandsbezogene Denken noch dominant. Es war davon auszugehen, dass zur Gewährung des Besichtigungsanspruchs nach §  809 2. Alt BGB sämtliche Tatbestandsmerkmale des Hauptanspruchs bewiesen sein müssen, außer dasjenige, das durch die Besichtigung gerade erforscht werden sollte.341 Dieses Schema hielt der BGH (zunächst nur bei Patentsachen) für zweifelhaft,342 zumal bei Ansprüchen aus einer Schutzrechtsverletzung fast sämtliche Tatbestandsmerkmale vom Besichtigungsergebnis abhängen können.343 An Stelle dieser realitätsfremden Fixierung auf Subsumierbarkeit musste ein flexibleres Eingrenzungskriterium treten, zumindest in Fällen, in denen erst die eingeklagte Aufklärung eine tatbestandsmäßige Einordnung des Konflikts ermöglichen kann. Der BGH verlangte nunmehr, dass ein Grad an Wahrscheinlichkeit des Hauptanspruches nachgewiesen wird,344 wobei nach einigem Schwanken345 die Formel „hinreichende Wahrscheinlichkeit“ wohl als gefestigt gelten kann.346 Damit sind konkrete Anhaltspunkte erforderlich, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen Hauptanspruch belegen.347 340 

Podszun/Kreifels, GWR 2017, 67, 69, sehen im §  33g I GWB eine „Art ‚pre-trial dis­ covery‘“; auch Hellmann/Steinbrück, NZKart 2017, 164 („Discovery Light“). 341  Dierschke, Die Vorlegung von Sachen zur Besichtigung (1901), 76 („Durch die Besichtigung soll sich Gewißheit ergeben, ob dem Begehrenden ein Anspruch zusteht oder nicht zusteht. Die Exhibition kann aber nicht gewährt werden, wenn die übrigen Voraussetzungen noch nicht bewiesen sind“). 342  BGH GRUR 1985, 512, 516 (auf die Stelle bei Dierschke verweisend). 343  „Denn regelmäßig entscheiden äußeres Erscheinungsbild und Funktionszusammenhänge einer Vorrichtung – das heißt dasjenige, wovon sich aufgrund einer Besichtigung Kenntnis erlangen läßt – ganz allein über die Frage, ob eine Schutzrechtsverletzung begangen worden ist, sieht man davon ab, daß der Kl. seine Rechtsinhaberschaft darzutun hat.“ BGH GRUR 1985, 512, 516. 344  So schon Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 329 f. 345  BGH GRUR 1985, 512, 516 („erheblicher Grad an Wahrscheinlichkeit“); GRUR 2002, 1046, 1048 („gewisser Grad an Wahrscheinlichkeit“), für den gesamten Bereich der Schutzrechtsstreitigkeiten bestätigend BGH GRUR 2006, 962, 967, Rz.  43 („gewisser Grad an Wahrscheinlichkeit“ – „nicht schon eine entfernte Möglichkeit“). 346  Mit dieser Formel hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BGH auf die spezialgesetzlichen Ansprüche zum geistigen Eigentum übertragen, etwa §  140c I PatG. Vgl. BT-Drs. 16/5048, 40. („Der gewählte Weg entspricht der neueren Rechtsprechung des BGH zu §  809 BGB“). Abweichend hat er allerdings in §  33g I GWB den Begriff der Glaubhaftmachung gewählt, wobei damit nicht die prozessuale Figur des §  294 I ZPO gemeint sein soll, sondern, wie bei §  140c I PatG, die Plausibilität des Hauptanspruchs als materiellrechtliche Voraussetzung des Informationsanspruchs, Klumpe/Thiede, NZKart 2017, 332, 336. 347 Allgemein zum Nachweis der Wahrscheinlichkeit bei vorbereitenden Informationsansprüchen, Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 329 ff., insb. 334 f. Für Beispiele von „Anknüpfungstatsachen“ einer Patentverletzung, Kühnen, Handbuch der Patentverletzung (2017), Rn.  27–31.

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

Auch im Hinblick auf die Rechtsfolge muten die Informationsansprüche angelsächsisch an. Sie sind auf einen privaten Informationszugang gerichtet. Sie sollen nicht einem Gericht, sondern dem Inhaber des Informationsrechts über das Bestehen eines Anspruchs „Gewissheit verschaffen“ (so der Wortlaut des §  809 2. Alt. BGB). Das Aufklärungsergebnis soll ausschließlich der Partei die Grundlage einer Entscheidung über die Rechtverfolgung verschaffen,348 ohne zugleich schon Gegenstand gerichtlicher Würdigung in der Hauptsache zu werden. Im Gegensatz zur vorbereitenden Aufklärung durch die sekundäre Behauptungslast erschöpft sich der Inhalt der Aufklärung daher nicht in der Ausfüllung eines Tatbestandsmerkmals, sondern orientiert sich an dem Interesse an einer ergebnis­ offenen Erkenntnis des Sachverhalts zur Rechtsdurchsetzung, also an einem Rechtsverfolgungsinteresse.349 Die Rechtsprechung des BGH deutet zuweilen darauf hin, dass die Informationen von der Art her eine abstrakte Eignung vorweisen müssen, um das Tatbestandsmerkmal des Hauptanspruchs auszufüllen, und zeigt dadurch, dass bei der Bestimmung des Umfangs des Informationsrechts kein einschränkender Vorgriff auf die rechtliche Einordnung vorgenommen werden dürfe.350 Jedenfalls löst sich hier die Aufklärung von den Bindungen der Subsumierbarkeit und erstreckt sich auf Inhalte, die dem Informationsgläubiger zur selbständigen Beurteilung der rechtlichen Relevanz und Subsumierbarkeit verhelfen sollen.351 Hieran ist die Parallele zur Aufklärung des pre-trial offensichtlich, die eine Einschätzung der Rechtslage durch die Parteien zur Vorbe348 

Mellulis, in: FS Tilmann, 843, 846 (zum §  809 2. Alt. BGB). Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch (2007), 229: „Der Inhalt eines vorbereitenden Informationsanspruch ergibt sich in erster Linie […] aus der Relevanz der begehrten Information für eine Verfolgung weiterer Rechte“; ähnlich auch Leppin, GRUR 1984, 695, 704, wenn er betont, „daß es im Rahmen des §  809 BGB […] nicht um Subsumtion unter das mutmaßlich verletzte Schutzrecht, sondern allein um die Feststellung der tatsächlichen Beschaffenheit einer konkreten Einzelsache geht, deren Ergebnis später außerhalb dieses Verfahrens Grundlage einer patentrechtlichen Bewertung, insbesondere im Verletzungsprozeß, sein wird“. Zu §  33g GWB als Instrument des Geschädigten zum Zwecke der Rechtsverfolgung, BT-Drs. 18/10207, 101. 350  Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch (2007), 231 nach BGH WM 1976, 1089, 1090 und weiteren Nachweisen. Sie stimmt dieser Rechtsprechung zu, da es dem Informationsgläubiger selbst zustehe, die rechtliche Einordnung der Information vorzunehmen. Sie kommt zum Schluss: „Der Auskunftsanspruch umfasst daher in diesem und in den vergleichbaren Fällen Angaben zu all denjenigen Tatsachen, die ihrer Art nach grundsätzlich für den Hauptanspruch relevant sein können.“ 351  Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 360 f. bringt das folgendermaßen auf den Punkt: „Wenn ein Anspruch […] an Geschäfte anknüpft, die durch bestimmte Merkmale charakterisiert sind, so ist ein beschränkter Auskunftsanspruch denkbar, der dem Informationspflichtigen die Subsumtion überläßt, oder ein weit gefaßter Informationsanspruch, der all in Frage kommenden Rechtsgeschäfte erfaßt und dem Berechtigten offenlegt. […] Insgesamt überwiegt [in der Rechtsprechung] die Tendenz, das Informationsthema auszu349 

III. Die vorbereitende Aufklärung im Rechtsvergleich

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reitung ihrer Falldarstellung erst ermöglichen soll. Der Informationsgläubiger (auch eventuelle Partei) kann über das materielle Recht Aufklärungsvorgänge erwirken, die der autonomen Entscheidung über die Rechtsverfolgung dienen; ohne Beteiligung und Leitung des erkennenden Gerichts und ohne streng an Tatbestandsmerkmale gebunden zu sein. Zudem sind Informationsansprüche, wie auch die Aufklärungsmaßnahmen des pre-trial, über die Zwangsvollstreckung notfalls mit Gewalt erzwingbar. Dass dieser privaten Informationserhebung der Beweiswert fehlt, wird in Deutschland teilweise als Negativaspekt einer vorbereitenden Aufklärung durch Informationsansprüche angesehen. Darin liege eine Verfahrensverdopplung,352 da man zunächst in einem Informationsprozess die Informationen beschafft, die dann im Hauptsacheverfahren erneut als Beweis eingeführt werden müssen. Verdeckt bleibt aber, dass es eben daher ein Autonomiegewinn für den Informationsgläubiger (und eventuelle Partei) bedeutet. Die Informationsübertragung soll ihm eine freie Entscheidung über das weitere Vorgehen mit seinem Konflikt ermög­ lichen – gerade auch, dass durch eine Einigung auf einen Prozess verzichtet wird353 – ohne schon den Aufwand eines vollumfänglichen Prozesses auf sich nehmen zu müssen.354 Auch die Erzeugnisse der discovery und disclosure sind nicht schon Beweisergebnis, sondern Material zur autonomen Entscheidung der Parteien über die Handhabe des Konflikts; einvernehmliche Lösungen und Verzicht auf eine Beweisaufnahme sollen damit gerade gefördert werden. Der anglo-­ amerikanische Zivilprozess nimmt das Risiko einer doppelten (einmal privaten, einmal hoheitlichen) Aufklärung als Preis einer erweiterten Entschlussfreiheit der Parteien im Umgang mit ihrem Konflikt gerne hin. Diese deutsche Version eines pre-trial ist freilich sehr kümmerlich. Die vorbereitenden Informationsansprüche sind auf bestimmte Konfliktlagen typischer Informationsasymmetrie beschränkt, insbesondere im Patent- Urheber- und Wettbewerbsrecht. Außerdem fehlen zwei wesentliche Bestandteile der anglo-amerikanischen Prozessvorbereitung. Zum einen fehlt die Gegenseitigkeit, die zum Ideal eines ungebundenen, daher beweislastunabhängigen Informationsaustausches dazugehört.355 §  809 2. Alt. BGB und seine spezialgesetzlichen Schwesdehnen und dem Informationspflichtigen die Möglichkeit eigener Vorauswahl zu nehmen. Diese Tendenz ist zu unterstützen“. 352  Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten (2010), 281 f.; Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 16. 353  Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch (2007), 89. Ähnlich aber auch Stürner/Stadler, JZ 1985, 1101, 1102. 354  Die Prozessvermeidung war auch ein Ziel bei der Einführung des Informationsanspruches nach §  33g GWB, BT-Drs. 18/10207, 62; Podszun/Kreifels, GWR 2017, 67, 69 f. 355  Hickman v. Taylor, 329 U.S.  495, 507 (1947): „Discovery concededly may work to the

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

tervorschriften gewähren nur dem vermeintlichen Verletzten einen Informationsanspruch; also nur demjenigen, der sich in typischer Informationsnot befindet. Eine bedeutende Ausnahme regelt der in 2017 eingeführte §  33g GWB im Bereich des Kartellschadensersatzrechts. Er gewährt den Informationsanspruch nicht nur dem potentiellen Inhaber des Schadensersatzanspruchs (Abs.  1), sondern auch dem vermeintlichen Schädiger und Beklagten im Hauptprozess, um seine Verteidigung vorzubereiten (Abs.  2). Voraussetzung ist, dass der potentiell Geschädigte seinerseits einen Informationsanspruch erhoben hat. Hier ist die vorbereitende Aufklärung auch nach deutschem Recht ausnahmsweise gegenseitig. Allerdings sollte keine konzeptionelle Wende vermutet werden. Auch hier hat der Gesetzgeber auf eine spezialrechtliche Besonderheit reagiert, nämlich die zunehmenden Bedeutung des „passing-on“ Einwands bei Streitigkeiten des Kartellschadensersatzrechts: 356 Um nachzuweisen, dass der Kläger den Schaden auf seine Abnehmer abgewälzt hat und ihm daher kein Schadensersatz zusteht, wird der Beklagte regelmäßig auf Beweismittel im Kontrollbereich seines Gegners angewiesen sein.357 Der Anspruch beschränkt sich zwar nicht auf diese Verteidigungssituation, sie ist aber der typische Anwendungsbereich.358 Ein weiterer Unterschied zur vorbereitenden Aufklärung im common law liegt darin, dass diese Ansprüche als isolierte Informationsansprüche konzipiert sind. Sie sind auf eine einmalige und endgültige Informationsweitergabe gerichtet. Sie unterscheiden sich dadurch von der anglo-amerikanischen Prozessvorbereitung, die sich, wie gesagt, in Phasen oder Wellen vollzieht und durch zunehmende Konkretisierung des Sachverhalts die wesentlichen Streitpunkte hervortreten lässt. Es fehlt auch an einer kontinuierlichen Aufsicht durch ein Gericht. Die Informationsweitergabe wird im Urteil ausgesprochen und der Zwangsvollstreckung überlassen. Eine zweite oder dritte Inanspruchnahme des Gegners bzw. Anrufung des Gerichts zur Erweiterung, Begrenzung oder Konkretisierung des Umfangs der Informationspflicht, wie sie im pre-trial zur Regel gehört, ist im deutschen Recht schwer vorstellbar. Aber auch hier ist es fraglich, ob es einer Erweiterung der vorbereitenden Informationsansprüche überhaupt bedarf. Es gibt zu denken, dass, während die Aufklärung des pre-trial stets ein zentraler Bestandteil des anglo-amerikanischen Zivilprozesses ist, der deutsche Spezialfall des kartellrechtlichen „pre-trial“ nach §  33g GWB in der Praxis bisher keinerlei Bedeutung hat.359 In Deutschland ist disadvantage as well as to the advantage of individual plaintiffs. Discovery, in other words, is not a one-way proposition“. 356  Weitbrecht, NZKart 2018, 106, 108. 357  Podszun/Kreifels, GWR 2017, 67, 68; Hellmann/Steinbrück, NZKart 2017, 164, 165. 358  Fritzsche/Klöppner/Schmidt, NZKart 2016, 412, 421. 359  Weitbrecht, NZKart 2019, 70, 74: “Auch mehr als 18 Monate nach Inkrafttreten dieser

III. Die vorbereitende Aufklärung im Rechtsvergleich

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der Zugang zum Rechtsschutz durch die Zulässigkeit vermuteter Tatsachenbehauptungen und die sekundäre Behauptungslast gesichert. Die Hauptmotivation der Erweiterung der Informationsansprüche im Bereich des geistigen Eigentums war nicht vordergründig, dass ohne die Information der Zugang zum Rechtsschutz verwehrt wäre, sondern die Schwierigkeiten, ohne vorherige Besichtigung einen vollstreckbaren Unterlassungsurteil zu erwirken. Die, meist trotz Informationsasymmetrie mögliche, beweisrechtliche Besichtigung kann nicht erzwungen, sondern bei Verweigerung nur (als Beweisvereitelung) negativ gewürdigt werden, woraus sich aber kein brauchbarer Unterlassungstenor gewinnen lässt.360 Ferner kann es auch wirtschaftlich sinnvoll sein, in einem kostengünstigeren Informationsprozess nähere Informationen zu erzwingen, die das Kostenrisiko in einem Hauptsacheverfahren kalkulierbar machen,361 was sich in den Bereichen typischer Informationsasymmetrie regelmäßig anbietet. In diesen Fällen ist es gerechtfertigt, die Aufklärung, deren Schwerpunkt im deutschen Zivilprozess normalerweise in der Beweisaufnahme liegt, in das Vorfeld des Prozesses zu verlagern, obwohl sie auch aufgrund plausibler Parteivermutungen oder nach Anwendung der sekundären Behauptungslast als Beweisaufnahme betrieben werden könnte. Die Beschränkung der vorbereitender Informationsrechte auf vereinzelte „pre-­ trial-Inseln“ wird in der Zivilprozessrechtsdogmatik oft als Defizit verbucht.362 Aus rechtsvergleichender Sicht zeigt sich aber eher, dass im deutschen ZivilproVorschrift ist kein Fall bekannt, in dem eine Offenlegung gemäß dieser Vorschrift angeordnet worden wäre. Vielmehr haben sich die Gerichte bisher erfolgreich der ungewohnten und schwierigen Aufgabe entzogen, unter Anwendung des Katalogs der Gesichtspunkte des §  33g Abs.  3–6 GWB abzuwägen, welche Beweismittel offenzulegen sind und welche nicht.“ 360 Als Leppin im Jahre 1984 aus Sicht der Praxis die Notwendigkeit eines eingeschränkten Besichtigungsanspruchs nach §  809 BGB zur Vorbereitung von Patentstreitigkeiten argumentierte, sah er das Problem nicht etwa in einer Informationsnot, die den Zugang zu Prozess oder Beweisaufnahme versperren würde, sondern in der Unmöglichkeit der Erzwingbarkeit einer beweisrechtlichen Augenscheineinnahme. Seine Hauptsorge war daher die Qualität des Tenors: „Dieser Weg [über den Beweis durch Augenschein] gibt jedoch keine Gewähr, daß im Verletzungsprozeß ein Urteil erstritten wird, welches die mutmaßliche Verletzungsform im Tenor zutreffend beschreibt. Die Anwendung des §  444 ZPO hat zur Folge, daß das Vorbringen des Klägers über das Aussehen der Verletzungsform als richtig angenommen und der Beklagte mit einer auf dieses Vorbringen abgestellten Tenorierung verurteilt wird. Weicht die Verletzungsform davon tatsächlich ab, so ist der Titel möglicherweise wertlos“, Leppin, GRUR 1984 552, 558. Vgl. allgemein zum Problem der Bestimmung des Klageziels Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch (2007), 90, 65 f. 361  Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 207; Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten (2010), 277. 362  Vgl. etwa Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten (2010), 68 f.; Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 145.

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C. Die Struktur der zivilprozessualen Aufklärung im Vergleich

zess der Bedarf nach privatbetriebener, vorbereitender Informationsbeschaffung nur begrenzten Situationen vorbehalten ist, weil die Aufklärung grundsätzlich in der Beweisaufnahme selbst stattfinden kann.

IV. Zusammenfassung Im anglo-amerikanischen Zivilprozess ist ein vorbereitender Informationsaustausch für den Zugang zum trial aus Gründen der Justizgewährung stets geboten, da dieses einen erfolgsversprechenden und daher bis ins Detail vorbereiteten Fall voraussetzt. Der Informationsaustausch wird als eine Aktivität verstanden, die den Parteien die selbstverantwortliche Gestaltung einer Falldarstellung ermöglicht und überhaupt eine Grundlage für autonome Entscheidungen zur Rechtsdurchsetzung bildet. Der Schwerpunkt der Aufklärung befindet sich also im pre-trial, wo dieser weitgehend formlose, rechtlich ungebundene, privatbetriebene Informationsaustausch unter Aufsicht eines Gerichts stattfindet. Er umfasst weitgehende Offenbarungs-, Vorlage- und Duldungspflichten. Das Gericht soll dabei eine Verhältnismäßigkeitskontrolle im Umgang mit Zeit und Ressourcen sicherstellen und bei Meinungsverschiedenheiten der Parteien Zwischenentschei­ dungen treffen, nicht aber die hoheitliche Erkenntnis des streitigen Sachverhalts anstreben. Die Aufklärungsbeiträge werden grundsätzlich nicht dem Gericht, sondern den Parteien zugeleitet, um ihnen private Entscheidungen über das weitere Vorgehen im Verfahren zu erleichtern. Da die Beweisaufnahme des deutschen Zivilprozesses dagegen als graduelle Ergründung eines abstrakt-rechtserheblichen Sachverhalts konzipiert ist, genügen grundsätzlich vermutete Behauptungen, um ihren Anforderungen gerecht zu werden. Normativ kommt dies durch die Beschränkung der Wahrheitspflicht auf ein Lügenverbot zum Ausdruck, das bei wahllosem Behaupten den Zugang zur Beweisaufnahme versperrt – nicht aber bei plausiblen Vermutungen. Ein umfassender Informationsaustausch ist für die Prozessvorbereitung in Deutschland grundsätzlich nicht erforderlich. Die Zulässigkeit von Parteivermutungen als Auslöser der Beweisaufnahme bedeutet, dass im deutschen Zivilprozess die beweisbelastete Partei weitgehend uninformiert prozessieren kann.363 Dass sie in Extremfällen nicht einmal in der Lage ist, verständige Vermutungen aufzustellen 363 

Diese Denkweise drückt sich deutlich bei Becker-Eberhardt aus: „Erst der Prozess und die in ihm bestehenden Möglichkeiten – etwa der Aussagezwang eines Zeugen – sollen weniger ihm selbst als vielmehr vor allem dem Gericht diese Gewissheit verschaffen. Und es ist durchaus Aufgabe eines Prozesses und daher ein legitimes Anliegen einer Partei, zu diesem Zwecke einen Prozess zu führen“, Becker-Eberhardt, in: Zivilprozessrecht im Lichte der ­Maxi­men (2001), 15, 24.

IV. Zusammenfassung

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oder keinerlei Kenntnis von den Beweismitteln hat, stellen zwei Ausnahme­ probleme eines Modells dar, das zum Funktionieren im Prinzip eben keiner umfassenden Informationsübertragung zwischen den Parteien bedarf. Während das Problem der Unkenntnis des Sachverhalts über die Grundsätze der sekundären Behauptungslast gelöst wird, bietet das deutsche Zivilprozessrecht keine klare Abhilfe bezüglich des Problems der Unkenntnis von Beweismitteln, mit Ausnahme der Pflicht zur Offenbarung von Zeugen. Im deutschen Zivilprozess findet die Aufklärung also grundsätzlich in der Beweisaufnahme statt, nach den Vorschriften des Beweisrechts; im Anwendungs­ bereich der sekundären Behauptungslast ausnahmsweise auf Vortragsebene. In beiden Fällen erfolgt der Aufklärungsbeitrag an das Gericht (über die Partei­ öffentlichkeit auch an die Partei) und wird Grundlage seiner hoheitlichen Erkenntnis (§  286 I 1 ZPO).

D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess Im Teil B. wurde das Problem der Informationskontrolle im Zivilprozess auf eine Einheitsformel gebracht und auf diese Weise dem Rechtsvergleich zugänglich gemacht. Es wurde festgestellt, dass aufgrund der Verfahrenstransparenz stets die Gefahr besteht, dass die zivilprozessuale Sachverhaltsaufklärung prozessfremde Wirkungen erzeugt: Einerseits besteht die Gefahr zweckfremder Verwendung der freigesetzten Informationen, andererseits die Möglichkeit, dass ihre Verbreitung anderen rechtlichen Wertungen widerspricht. Zivilprozessordnungen müssen also Wege finden, den Umgang mit den verfahrensrechtlich gesammelten und verbreiteten Informationen einer Kontrolle zu unterziehen. Im Teil C. wurden die strukturellen Unterschiede zwischen dem anglo-amerikanischen und deutschen Zivilprozess im Hinblick auf die Sachverhaltsaufklärung überprüft. Es hat sich herausgestellt, dass der Aufklärungsschwerpunkt an (normativ) unterschiedlichen prozessualen Orten angesiedelt ist: In England und den USA zielt die Aufklärung darauf ab, den Streitstoff auf eine Weise vorzubereiten, die den Anforderungen einer parteidominierten Hauptverhandlung entspricht – die Aufklärung geht der Beweisaufnahme somit weitgehend voraus und ist als private Aktivität konzipiert. Dagegen findet in Deutschland die Sachverhaltsaufklärung in erster Linie in der Beweisaufnahme selbst statt – nach formellem Beweisrecht und vor dem erkennenden Gericht. Hier werden nun beide Teile verbunden. Die nachfolgende Darstellung soll zeigen, wie die Instrumente der Informationskontrolle je nach prozessualem Umfeld auf unterschiedliche Weise zum Einsatz kommen und an den Widerstand gegenläufiger Interessen und Prinzipien stoßen und daran scheitern – oder diesen gegebenenfalls überwinden. Es werden also die vier Kontrollmaßnahmen aufgegriffen, die oben unter B.II. dargelegt wurden: der Ausschluss der Öffentlichkeit, der Ausschluss der Partei, die Auferlegung von Pflichten und die vorbeugende Vorenthaltung. Die Darstellung wird dieser Aufzählung folgen, allerdings nur in groben Zügen. Die Instrumente der Informationskontrolle können nämlich je nach Rechtsordnung und Verfahrenskontext in Kombination miteinander auftreten, sodass eine reine Behandlung gekünstelt erscheinen würde. Begonnen wird

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

mit der Kontrolle des Zugangs der Öffentlichkeit (I), einerseits durch den Ausschluss der Öffentlichkeit von der grundsätzlich öffentlichen Verhandlung (I.1), andererseits durch die Gewährung von Zugangsrechten an Dritte bezüglich nicht-öffentlicher Verfahrensabschnitte (I.2). Danach werden die Mittel untersucht, welche die Gefahren zweckwidriger Informationsverwendung durch eine Partei zu entschärfen suchen. Der umstrittenen Frage der Zulässigkeit des Ausschlusses der Partei von der Beweisaufnahme wird wegen ihrer Bedeutung ein eigenes Kapitel gewidmet (II). Darauf folgt die Untersuchung der Kontrolle des Parteiverhaltens während der Prozessvorbereitung (III). Zwar wird auch hier die Frage des Parteiausschlusses relevant, nur wird der Rechtsvergleich zeigen, dass in dieser Phase die Auferlegung von Pflichten und Zugangsbeschränkungen im Vordergrund steht. Abschließend wird die vorbeugende Informationsvorenthaltung genauer betrachtet, insbesondere die Gewährung von Weigerungsrechten an Parteien mit Geheimhaltungsinteressen (IV). In jedem Abschnitt wird der Blick abwechselnd zwischen der anglo-amerikanischen und deutschen Rechtslage schwanken und dabei die Eigenheiten aufgreifen, die die obige Gegenüberstellung von beweisförmiger und vorbereitender Aufklärung hervorgebracht hat. Nur auf diese Weise lassen sich m. E. die vielschichtigen Unterschiede in den Rechtsvergleich einbinden.

I. Kontrolle des Öffentlichkeitszugangs Die zivilprozessuale Sachverhaltsaufklärung bringt nicht nur zwischen Parteien und Gericht Informationen in Umlauf, sondern verbreitet diese gerade auch an die Allgemeinheit. Genauer besehen gibt es zwei Gründe, unbeteiligte Dritte in das Prozessgeschehen einzuweihen. Erstens sollen die Bürger in der Lage sein, den Entscheidungsvorgang des Gerichts zu überwachen; dazu müssen ihnen gewisse Inhalte des Prozesses zugänglich sein. Nach modernem Prozessverständnis setzt eine wirksame Überwachung seitens der Bürgerschaft (zumindest) die allgemeine Zugänglichkeit der Hauptverhandlung – Kern der hoheitlichen Tätigkeit der Gerichte – voraus. Es ist diese grundsätzliche Offenheit des prozessualen Geschehens, die, wie eingangs erwähnt, ein Potential prozessfremder Wirkung der Aufklärung mit sich bringt.1 Daher sind Gerichte befugt, in besonderen Fällen die Öffentlichkeit auszuschließen, um auf diese Weise außerprozessuale Folgen der prozessrecht­lichen Informationsfreisetzung zu kontrollieren. Dies wird im ersten Teil dieses Abschnitts vergleichend dargestellt. 1 

Vgl. oben unter B.I.1.b).

I. Kontrolle des Öffentlichkeitszugangs

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Zweitens kann auch bezüglich des nicht-öffentlichen Teils des Zivilprozesses ein besonderes Zugriffsinteresse Dritter bestehen, sei es privater oder allgemeiner Natur. Informationen, die nicht Teil des Verhandlungsgeschehens sind – namentlich die Prozessakte und vorbereitende Materialien – werden für die Wirksamkeit der öffentlichen Überwachung der Justiz in der Regel nicht für erforderlich gehalten, können aber aus anderen Gründen Gegenstand besonderer Interessen von Einzelpersonen oder Gruppen sein. Sie bleiben den Parteien und dem Gericht vorbehalten, solange keine andere Wertung ein Zugangsrecht Dritter begründet. Das Prozessrecht muss dazu also gesondert Stellung nehmen und eine Regelung treffen, ob und inwieweit Dritte auf die vom Öffentlichkeitsgrundsatz nicht erfassten Informationen zugreifen dürfen. Der zweite Teil befasst sich also mit dem Zugriff Dritter auf die Prozessakte und den vorbereitenden Materialien.

1. Ausschluss der Öffentlichkeit von Verhandlung und Beweis Da der Öffentlichkeitsgrundsatz den Zivilprozess überhaupt zur Informationsquelle macht, ist seine gezielte Einschränkung die wirksamste Maßnahme, bei bestimmten Gefahrenlagen den Informationsfluss ausschließlich der Rechts­ findung vorzubehalten. Dazu haben sich ausgewählte Ausschlusstatbestände ent­ wickelt, die sich in den untersuchten Ländern inhaltlich nicht grundlegend unterscheiden.2 Zunächst wird aufgezeigt, dass nicht jeder Ausschlusstatbestand der Informationskontrolle dient (a). Dann wird beobachtet, dass trotz ähnlicher Ausschlusstatbestände der Öffentlichkeitsgrundsatz im deutschen Zivilprozess einen geringen Stellenwert einnimmt, was vor allem in seinem vergleichbar engen An2  Zum

„nationalstaatlichen Kanon“ in Europa, Stürner in: FS Würtenberger (2013), 921, 929. In der EMRK anerkannt sind: Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit, die Interessen von Jugendlichen, der Schutz des Privatlebens und, unter besonderen Umständen, die Interessen der Rechtspflege (Art.  6 I EMRK). Im englischen Fallrecht bilden der Schutz von Kindern und psychisch Kranken sowie die Geheimhaltung von Unternehmensgeheimnissen die klassischen Ausschlussfälle, vgl. Scott v. Scott [1913] A.C. 417, 482; Al-Rawi v. Security Service, [2011] 3 WLR 388, 409, die auf weitere Tatbestände erweitert wurden (CPR 39.2(3)). Die Rechtsprechung der Federal Courts der USA vermeidet es, sich auf ein Katalog von Ausschlussgründen festzulegen und beschreibt entweder allgemeine Problemlagen: „The overriding interest can involve the content of the information at issue, the relationship of the parties, or the nature of the controversy“, Publicker Industries, Inc. v. Cohen, 733 F.2d 1059, 1073 (1984); oder führt konkrete Beispiele an, wobei auch hier Unternehmensgeheimnisse und Jugendschutz als typisch gelten: „The preservation of trade secrets, for example, might justify the exclusion of the public from at least some segments of a civil trial. And the sensibilities of a youthful prosecution witness, for example, might justify similar exclusion in a criminal trial for rape“, Richmond Newspapers, Inc. v. Virginia, 448 U.S.  555, 600 (1980), Fn. 5.

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

wendungsbereich zum Ausdruck kommt (b). Darin liegt eine vorbeugende Wertung zugunsten der Vermeidung prozessfremder Folgen der Aufklärung verborgen (c). a) Die Ausschlusstatbestände aus einem funktionalen Blickwinkel Die Entscheidung eines Gerichts, die Öffentlichkeit auszuschließen, ist funktional nicht immer gleichbedeutend. Nicht alle Ausschlussgründe dienen der Informa­ tionskontrolle im hier definierten Sinn, also der zweckmäßigen Sicherung der in den Prozess eingebrachten Informationen oder der Auflösung eines Wertungswiderspruches. Es ist bezeichnend, dass die Ausschlussgründe, die in Deutschland bis 1888 – also vor dem Hereinbrechen der Informationsgesellschaft – vorgesehen waren, nämlich Sittlichkeit und öffentliche Ordnung,3 gerade nicht der Informationskontrolle dienen. Wo der Ausschluss der Öffentlichkeit zum Schutz der Sittlichkeit oder Moral vorgesehen ist,4 soll lediglich auf die „innere Reaktion des Zuhörers“5 Rücksicht genommen werden;6 Risiken der Informationsverbreitung spielen keine Rolle. Ähnlich verhält es sich mit dem Schutz der öffentlichen Ordnung7 oder der Jugend.8 In diesen Fällen soll die Privatsitzung Störungen im Ablauf der Verhandlung vorbeugen9 bzw. die psychische Belastung kindlicher Zeugen durch öffentliche Zurschaustellung vermeiden.10 Unter Umständen kann der Eindruck eines prallgefüllten Gerichtssaals auch den Erkenntniswert der Parteiund Zeugenaussagen beeinträchtigen, vor allem bei Kindern,11 was diese Ausnahmetatbestände zusätzlich rechtfertigt. Eine Kontrolle des Informationsflusses ist mit der Anerkennung dieser Ausschlussgründe aber nicht beabsichtigt.12 Daher 3  Kissel/Mayer, §  172 Rn.  1. Der liberale Geist der Paulskirchenverfassung von 1849 ließ nur das Interesse der Sittlichkeit als Ausschlussgrund zu (§  178). Das GVG nahm die Gefährdung der öffentlichen Ordnung hinzu und wurde fortan restriktiver, dazu Bettermann, ZZP 91 (1978), 395, 369 f. 4  §  172 Nr.  1 3. Alt. GVG; Art.  6 I 1. Alt. EMRK. 5  Kissel/Mayer, §  172 Rn.  32. 6  Das „Scham- und Sittlichkeitsgefühl eines normalen Menschen in geschlechtlicher Beziehung“ soll vor Verletzungen bewahrt werden, vgl. MüKoZPO/Zimmermann, §  172 GVG Rn.  4 m. w. N. 7  §  172 Nr.  1 2. Alt. GVG; Art.  6 I EMRK. 8  §  172 Nr.  4 GVG; Art.  6 I EMRK; CPR 39.2(3)(d). 9  Kissel/Mayer, §  172 Rn.  23. 10  Kissel/Mayer, §  172 Rn.  51. 11  Kissel/Mayer, §  172 Rn.  25 bzw. 51. 12  Sie sind funktional eher mit der Vorschrift des §  175 I GVG verwandt. Danach kann Personen, die nicht in einer der Würde des Gerichts entsprechender Weise erscheinen, Zutritt verweigert werden, was das Ansehen des Gerichts schützen soll, MüKoZPO/Zimmermann, §  175 GVG Rn.  1.

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sind flankierende Geheimhaltungspflichten der Anwesenden nicht angebracht und im GVG nicht vorgesehen.13 Informationskontrolle ist aber erforderlich, wenn die Staatssicherheit, die Integrität oder Privatsphäre bestimmter Verfahrensbeteiligter oder die Vertraulichkeit gewisser Kommunikationen durch die Öffentlichkeit gefährdet sind. Nur hier ist die Abschirmung eine Antwort auf außerprozessuale Folgen der prozessual veranlassten Informationsverbreitung: die Vereitelung der Strafverfolgung durch die Offenlegung der Polizeiarbeit;14 die „Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit eines Zeugen“;15 die Verbreitung von Angaben zur Sexuali­ tät16 oder sonstigen Bereichen der Persönlichkeitssphäre eines Beteiligten;17 die Erschütterung der Vertraulichkeit von Kommunikationen, die nur unter Zusicherung dieser Vertraulichkeit zustande kommen können;18 und – zivilprozessual am bedeutendsten – die Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit durch die Preisgabe von Unternehmensgeheimnissen.19 Die Öffentlichkeit wird hier nicht aufgrund der Gefahr ihrer unmittelbaren Einwirkung auf Justiz und Verfahrens­ ablauf ausgeschlossen, sondern um Gefahren einer durch die Öffentlichkeit vermittelte Informationsfreisetzung vorzubeugen. Nur in dieser Funktion ist der Ausschluss der Öffentlichkeit ein Mittel zur Informationskontrolle. Nur in Fällen, in denen der Ausschluss der Öffentlichkeit der Informationskontrolle dient, ist eine flankierende Sicherung durch Verhaltenspflichten konsequent. Die Effektivität des Öffentlichkeitsausschlusses ist hier von einer Schweigepflicht der Anwesenden abhängig.20 Im common law laufen die Voraussetzungen des Ausschlusses der Öffentlichkeit mit denen der Verpflichtung der Parteien 13  §  174 III GVG beschränkt die Anordnung von Verschwiegenheitspflichten auf Tatbestände, die außerprozessuale Risiken der Informationsverbreitung vermeiden sollen. 14  Guardian News and Media Ltd v. Incedal, [2016] 1 WLR 1767. 15  §  172 Nr.  1a GVG. 16  Scott v. Scott, [1913] A.C. 417. 17  §  171b I GVG befugt zum Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Erörterung von „Umständen aus dem persönlichen Lebensbereich“. Dabei geht es um Umstände, „die geeignet sind, sich bei Bekanntwerden auf die Wertschätzung des Einzelnen im Urteil Dritter auszuwirken, oder die der Einzelne mitzuteilen oder zu offenbaren nicht bereit ist“, Kissel/Mayer, §  171b Rn.  3. 18  Nach angelsächsischem Sprachgebrauch „confidential information“ (CPR 39.2(3)(c)), Ausdruck, der nicht immer sauber durchgehalten wird und auch für die Bezeichnung schützenswerter Information im Allgemeinen gebraucht wird, vor allem auch für Unternehmensgeheimnisse (trade secrets). In Deutschland beschützt §  172 Nr.  3 GVG „private Geheimnisse“. Gemeint sind „anvertraute Geheimnisse“, die aber inhaltlich auf Aspekte der „persönlichen Lebensführung“ beschränkt sind, Kissel/Mayer, §  172 Rn.  44. 19  §  172 Nr.  2 GVG; CPR 39.2(3)(c). Zur Anerkennung als Ausschlussgrund in den USA Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 169. 20  Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 205.

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gleich,21 sodass mit der Ausschlussanordnung in Ausübung der inherent powers zugleich eine Beschränkung der Informationsverwendung durch die kenntnisnehmenden Personen erlassen wird, die über das contempt-Recht sanktioniert werden kann.22 Auch ein deutsches Gericht kann gem. §  174 III GVG nach seinem Ermessen23 eine begleitende, strafbewehrte (§  353d Nr.  2 StGB) Geheimhaltungspflicht beschließen, die den Inhalt der Verhandlung und die Sache betreffende amtliche Schriftstücke umfasst. Die Norm bereitet jedoch Probleme. Aus funktionaler Sicht wird zu Recht beanstandet, dass das Gericht bei Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit (§  172 1a GVG) zu einer Geheimhaltungsanordnung nicht befugt ist (dieser Ausschlussgrund findet in §  174 III GVG keine Erwähnung).24 Dabei richtet sich der Ausschluss der Öffentlichkeit auch hier auf ein außerprozessuales Risiko der Informationsverbreitung. Zudem beschränkt sich die Befugnis des §  174 III GVG auf Anwesende und nicht auf Personen, die auf anderen Wegen als die Anwesenheit in der Verhandlung die Information erlangen können, etwa die (in der Verhandlung abwesende) Partei über das Akteneinsichtsrecht nach §  299 I ZPO.25 Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot verbietet es, diese Schutzlücken durch Analogie zu schließen.26 Hieran zeigt sich, wie ein Problem, das im common law ohne viel Mühe durch flexible contempt-Befugnisse gehandhabt wird, in Deutschland einen Eingriff des Gesetzgebers erfordert; etwa nach der kürzlich eingeführten Befugnis des Gerichts bei Geschäftsgeheimnisstreitsachen schon ab Anhängigkeit den Verfahrensbeteiligten ein sanktionsbewehrtes Offenlegungsverbot anzuordnen (§§  16 i. V. m. 20 I, 17 GeschGehG).27 b) Geringer Stellenwert des Öffentlichkeitsgrundsatzes im deutschen Zivilprozess Wenn es darum geht, Risiken der Informationsverbreitung mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit entgegenzutreten, ist deutschen Richtern mehr Freiraum gewährt als ihren Kollegen im common law. Das liegt nicht an der Breite des Kata21 

Epstein, (1987), 13 Litig. 23. Epstein, (1987), 13 Litig. 23, 25; Vos et al., Civil Procedure – White Book (2019), para. 39.2.1 („related powers“). Die Verschwiegenheit muss jedoch ausdrücklich angeordnet werden, um unter das contempt-Recht zu fallen, AF Noonan Ltd v. Bournemouth, [2007] 1 WLR 2614. 23  Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, §  174 GVG Rn.  7. 24  Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, §  174 GVG Rn.  7 („Das ist wegen des Schutz­ zwecks schwer verständlich.“); Wieczorek/Schütze/K.Schreiber, §  174 GVG Rn.  10 („Dies ist angesichts des Schutzzwecks dieses Ausschlussgrundes […] sachwidrig“). 25  Stadler, in: FS Prütting (2018), 559, 566. 26  Sofern die Strafbarkeit erhalten bleiben soll, vgl. Stadler, in: FS Prütting (2018), 559, 571; McGuire, GRUR 2015, 424, 428; OLG München BeckRS 2010, 16771. 27  Umsetzung der Know-How-Richtlinie (EU) 2016/943 (im Folgenden: Know-How-Richtlinie). 22 

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logs anerkannter Ausschlussgründe, die wie gesehen weltweit ähnlich ausfallen, sondern einerseits an den Anforderungen, die im Einzelfall an die Ausschließung gestellt sind und andererseits an dem Umfang der vom Öffentlichkeitsgrundsatz erfassten Prozessaktivität. In diesen Punkten macht sich der höhere Stellenwert bemerkbar, den die Öffentlichkeit des trial bis heute genießt. aa) Verfassungsrang und Strukturbezug der Verfahrensöffentlichkeit In Deutschland ist der Öffentlichkeitsgrundsatz mit dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip verbunden28 und somit „verfassungsrechtlich verankert“,29 aber nach herrschender Meinung kein Verfassungsrechtsgrundsatz.30 Der Gesetzgeber darf ihn zwar nicht abschaffen – zumindest nicht ohne Ersatz für seine auf das Rechtsstaatsprinzip zurückgehende Kontrollfunktion31 –, hat bei seiner Ausgestaltung und Eingrenzung aber sonst freie Hand.32 Das hat wohl damit zu tun, dass sich die Öffentlichkeit „nicht aus dem Wesen des Gerichtsverfahrens [erklärt], sondern historisch als Forderung der Aufklärung und des Liberalismus und als Reaktion gegen die Geheim- und Kabinettsjustiz des Absolutismus“.33 Die Öffentlichkeit ist in Deutschland also – wie auch sonst im Kontinent – eine aus politischen Gründen an das Verfahren herangetragene Wertung, nicht eine innere Forderung seiner Struktur und Funktionsfähigkeit. Daher stammt wohl die Grundvorstellung, dass es nicht auf die effektive Kontrollmöglichkeit jedes einzelnen Verfahrens ankommt, sondern eine abstrakte, allgemein bestehende Möglichkeit der Kontrolle genügt.34 Hierin liegt ein klarer Unterschied zur com28 

„Der im Gerichtsverfassungsrecht enthaltene Grundsatz der Öffentlichkeit mündlicher Verhandlungen ist ein Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips. Auch entspricht er dem allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie“ (BVerfG NJW 2001, 1633, 1635). Zu dieser verzögerten Anerkennung, Stürner, JZ 2001, 699, 700. 29 Wieczorek/Schütze/K.Schreiber, §  169 GVG Rn.  6. 30  „Die Prinzipien der Mündlichkeit und der Öffentlichkeit der Verhandlung sind keine Verfassungsrechtsgrundsätze, sondern Prozeßrechtsmaximen, die bestimmte Verfahrensarten beherrschen.“ (BVerfG NJW 1963, 757, 758). Das gilt wohl bis heute, vgl. Arnold, in: FS Simotta (2012), 11; Wieczorek/Schütze/Ahrens, §  357 Rn.  2.; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (2007), Rn.  159. Anders etwa Altenhain, Gutachten zum 71. DJT (2016), C 81 („Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist ein Verfassungsgrundsatz“). 31  Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (2007), Rn.  159. 32  MüKoZPO/Zimmermann, §  169 GVG Rn.  4; Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (1987), 244. 33 KK-StPO/Diemer, §  169 GVG Rn.  1; Wieczorek/Schütze/Ahrens, §  357 Rn.  2. 34  „Kontrolle und Legitimation sind von mehr allgemeiner, abstrakter Bedeutung: Die Möglichkeit des Zutritts der Öffentlichkeit verbunden mit der Information durch die Medien übt in der Summierung durchaus eine Sicherungsfunktion aus“, Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (2007), Rn.  155. Vgl. auch Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (1987), 245 („schon die bloße Möglichkeit zur Kontrolle [erzeugt bereits] eine gewisse Vertrauens- und Schutzwirkung“); ähnlich Arnold, in: FS Simotta (2012), 11, 25 f.

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mon law Tradition. Das trial ist per definitionem ein öffentliches Ereignis.35 Das erklärt sich aus seinem geschichtlichen Ursprung als volksnahe Konfliktbewältigung durch eine Jury, die als Ausschnitt der relevanten Öffentlichkeit fungierte.36 Die Betonung der partizipativen Funktion der Rechtsfindung wirkt in den Ländern des common law bis heute fort37 und ihre Realisierung ist auf eine offene Justiz angewiesen.38 Eine weitere Erklärung des Wertungsunterschieds hängt direkt mit dem mündlichen Zeugenbeweis als Kern der Beweisaufnahme zusammen. Die Öffentlichkeit sollte die Zeugen zur wahrheitsgetreuen Aussage anhalten,39 eine Auffassung, die bis heute nachwirkt. In den Gesetzestexten trifft man die Öffentlichkeit als Bedingung des Zeugenbeweises an,40 was für einen Beobachter aus dem Kontinent, der den Öffentlichkeitsgrundsatz eher in der Gerichtsverfassung erwartet, ungewohnt erscheinen mag. Trotz ihrer hohen Stellung gilt die Öffentlichkeit nicht absolut. Den Gerichten ist die Befugnis zuerkannt, sie aufgrund ihrer inherent jurisdiction auszuschließen.41 Doch während ein deutsches Gericht über den Ausschluss nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat,42 wird die Einschränkung der Öffentlichkeit im common law ausdrück35  „[A] trial is by every definition a proceeding open to the press and to the public“, Richmond Newspapers, Inc. v. Virginia, 448 U.S.  555, 599 (1980) (per J. Stewart). J. Burger betont die Idee eines öffentlichen Raums: „a trial courtroom also is a public place where the people generally – and representatives of the media – have a right to be present, and where their presence historically has been thought to enhance the integrity and quality of what takes place“ (448 U.S.  555, 578). 36  Radin, (1932) 6 Temp. L.Q. 381, 388. 37  Vor allem in den USA, Wood v. Georgia, 370 U.S.  375, 391 (1962). Dazu vergleichend Stürner, RabelsZ 69 (2005), 201, 247; ders. in: FS Würtenberger (2013), 921, 932. 38  „It [eine freiheitliche Gesellschaftsordnung] also mandates a system of justice that demonstrates the fairness of the law to our citizens. One major function of the trial, hedged with procedural protections and conducted with conspicuous respect for the rule of law, is to make that demonstration. […] Secrecy is profoundly inimical to this demonstrative purpose of the trial process.“ Richmond Newspapers, Inc. v. Virginia, 448 U.S.  555, 594 f. (1980) (per J. Brennan, eigene Hervorhebung). 39  Langbein, (2012) 122 ‎Yale L.J., 522, 535. 40  FRCP 43(a): „At trial, the witnesses’ testimony must be taken in open court unless a federal statute, the Federal Rules of Evidence, these rules, or other rules adopted by the Supreme Court provide otherwise“; CPR 32.2 (1): „The general rule is that any fact which needs to be proved by the evidence of witnesses is to be proved – (a) at trial, by their oral evidence given in public; and (b) at any other hearing, by their evidence in writing“ (eigene Hervorhebungen). Zum historischen Zusammenhang der Öffentlichkeit des trial mit der viva voce Aussage unter Eid, Vos et al., Civil Procedure – White Book (2019), para. 32.2.1. 41  Scott v. Scott [1913] A.C. 417, 446; Jacob, The Inherent Jurisdiction of the Court, (1970) 23 C.L.P., 23, 39; Andrews, On Civil Processes (2013), 28.31. Für die USA etwa State ex rel. Ampco Metal, Inc. v. O’Neill, 273 Wis. 530, 536 (1956). 42  Kissel/Mayer, §  171b Rn.  12; §  172 Rn.  2; BGH NJW 1986, 200.

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lich nicht als Ermessensfrage angesehen.43 Es besteht eine „presumption of openness“,44 die nur bei zwingenden Gründen45 und nur im Rahmen des Erforderlichen zurücktreten darf.46 Die Ausschlussgründe werden restriktiv gehandhabt. Die Preisgabe von Unternehmensgeheimnissen wurde früh als Ausschlussgrund anerkannt, aber nur soweit ihr kommerzieller Wert durch die Offenlegung zerstört und die Anrufung des Gerichts dadurch sinnlos wäre.47 Die persönliche Geheimsphäre der Prozessbeteiligten wird nur in äußersten Sonderfällen berücksichtigt,48 während sie in Deutschland erst beim Nachweis eines überwiegenden „Interesse[s] an der öffentlichen Erörterung“ (§  171b I GVG) zurücktreten darf. Hier ist der Privatheit gegenüber der Öffentlichkeit also grundsätzlich Vorrang zu geben.49 Die Gerichte des common law wiederholen hingegen immer wieder, 43 

„The grant of derogations is not a question of discretion. It is a matter of obligation and the court is under a duty to either grant the derogation or refuse it when it has applied the relevant test“, Practice Guidance (HC: Interim Non-Disclosure Orders), [2012] 1 WLR 1003, 1004. 44  Publicker Industries, Inc. v. Cohen, 733 F.2d 1059, 1073 (1984); Epstein, (1987), 13 Litig. 23. 45  „Derogations from the general principle can only be justified in exceptional circumstances, when they are strictly necessary as measures to secure the proper administration of justice“, Practice Guidance (HC: Interim Non-Disclosure Orders), [2012] 1 WLR 1003, 1004. In den USA ist von „compelling circumstances“ die Rede, Valley Broad. Co. v. U.S. Dist. Court for Dist. of Nevada, 798 F.2d 1289, 1293 (9th Cir. 1986). 46  Für die USA: „The presumption of openness may be overcome only by an overriding interest […] narrowly tailored to serve that interest“, Press-Enter. Co. v. Superior Court of California, Riverside Cty., 464 U.S.  501, 510 (1984); Publicker Industries, Inc. v. Cohen, 733 F.2d 1059, 1073 (1984); Für England: „Derogations should, where justified, be no more than strictly necessary to achieve their purpose.“ Practice Guidance (HC: Interim Non-Disclosure Orders), [2012] 1 WLR 1003, 1004. 47  „To divulge that [das Unternehmensgeheimnis] to the world, under the excuse of a report of proceedings in a Court of law, would be to destroy that very protection which the subject seeks at the Court’s hands. It has long been undoubted that the right to have judicial proceedings in public does not extend to a violation of that secret which the Court may judicially determine to be of patrimonial value and to maintain.“ Scott v. Scott, [1913] A.C. 417, 483 (per Lord Shaw of Dunfermline). Ähnlich in den USA, vgl. hierzu die Ausführungen in Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 169 f. 48  „There is no general exception to open justice where privacy or confidentiality is in issue.“ Practice Guidance (HC: Interim Non-Disclosure Orders), [2012] 1 WLR 1003, 1004; V v. T, [2014] EWHC 3432 (Ch), Rz.  19. Der Umstand, dass eine Vernehmung Details über den Gesundheitszustand des Zeugen preisgibt, reicht für den Ausschluss der Öffentlichkeit nicht aus: „However reluctantly, Mr Quinn has consented to his medical condition being in evidence before the Court. No doubt he hoped for maintained confidentiality, but he could not be sure of it, and had to take the risks of publicity.“ Three Rivers DC v. Bank of England, [2005] C.P. Rep.  47, 716, 720. In Deutschland dagegen gelten Informationen über den Gesundheitszustand eines Prozessbeteiligten als Ausschlussgrund, Kissel/Mayer, §  171b Rn.  7. 49  Wagner, ZZP 108 (1995), 193, 209 („bei Abwägungsparität oder -zweifeln [wird] zu Lasten der Öffentlichkeit“ entschieden). Deutlich auch in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hart-

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dass die Beteiligten das Risiko, vor den Augen der Öffentlichkeit bloßgestellt zu werden, hinnehmen müssen.50 In den USA kommt zudem die hohe Achtung der Meinungsfreiheit ins Spiel. Im Gegensatz zum BVerfG hat der Supreme Court den Zugang zum Verhandlungsgeschehen mit der Meinungsfreiheit – als Recht zur Informationserlangung – verbunden.51 Die Medien und Mitglieder der Öffentlichkeit haben ein im 1. Zusatzartikel verbürgtes Zugangsrecht zum trial.52 Diese Leseart der Meinungsfreiheit entspringt einem politisch geladenen Verständnis des freien Informa­ tionsflusses: die ungehinderte Meinungsbildung wird als Bedingung der Kon­ trolle der Obrigkeit und effektiven Teilhabe am Gemeinwesen angesehen.53 Dies bedeutet eine funktionale Verschmelzung mit der ebenso auf partizipative Kon­ trolle abstellenden Öffentlichkeit des common law trial. Ihr Ausschluss wird somann, §  172 GVG Rn.  5 („Ein Ausschluß der Öffentlichkeit ist nicht nur im Ausnahmefall zulässig, sondern nach §  171b immer dann, wenn man durch die öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen des Einzelnen verletzen würde.“ (eigene Hervorhebung). Zudem ist der Ausschluss zwingend, wenn er von der betroffenen Person nach §  171b III 1 GVG beantragt wird, Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018), §  21 Rn.  24. 50  „It is not sufficient that a public hearing will create embarrassment for some or all of those concerned. It must be shown that a public hearing is likely to lead, directly or indirectly, to a denial of justice.“ R. v. Chief Registrar of Friendly Societies [1984] Q.B. 227, 235 (per Sir Donaldson M.R.). 51  „In a variety of contexts this Court has referred to a First Amendment right to ‚receive information and ideas.‘ […] What this means in the context of trials is that the First Amendment guarantees of speech and press, standing alone, prohibit government from summarily closing courtroom doors which had long been open to the public at the time that Amendment was adopted.“ Richmond Newspapers, Inc. v. Virginia, 448 U.S.  555, 576 (1980) (per Chief Justice Burger). Anders in Deutschland: BVerfG NJW 2001, 1633, 1634: „Über die Zugänglichkeit und die Art der Zugangseröffnung entscheidet, wer nach der Rechtsordnung über ein entsprechendes Bestimmungsrecht verfügt. Die Ausübung dieses Rechts ist für Dritte keine Beschränkung i. S. des Art.  5 II GG.“ 52  „[T]he First and Fourteenth Amendments clearly give the press and the public a right of access to trials themselves, civil as well as criminal“, Richmond Newspapers, Inc. v. Virginia, 448 U.S.  555, 599 (1980) (per Justice Stewart). Dieses Zugangsrecht gilt auch für civil trials, Publicker Industries, Inc. v. Cohen, 733 F.2d 1059, 1070 (1984); Westmoreland v. Columbia Broadcasting System, Inc., 752 F.2d 16, 23 (1984). 53  Diesen Zusammenahng hat der Supreme Court bei der Entscheidung zur Öffentlichkeit der Strafverhandlung ausdrücklich dargetan: „Underlying the First Amendment right of access to criminal trials is the common understanding that ‚a major purpose of that Amendment was to protect the free discussion of governmental affairs,‘ Mills v. Alabama, 384 U.S.  214, 218 (1966). By offering such protection, the First Amendment serves to ensure that the individual citizen can effectively participate in and contribute to our republican system of self-government.“ Globe Newspaper Co. v. Superior Court for Norfolk Cty., 457 U.S.  596, 604 (1982) (eigene Hervorhebungen); ähnlich schon Landmark Commc’ns, Inc. v. Virginia, 435 U.S.  829, 838 f. (1978).

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mit auch eine Frage der Einschränkbarkeit der Meinungsfreiheit, die nur vor höherrangigen Interessen und im Umfang strengster Verhältnismäßigkeit weichen darf.54 Ist eine Partei an einer Einschränkung interessiert, muss sie für jeden einzelnen Beweisvorgang die unbedingte Schutzbedürftigkeit darlegen.55 Damit herrscht in den USA ein besonders strenger Maßstab für die Einschränkung der Öffentlichkeit, der nicht nur über den der kontinentalen Rechtsordnungen, sondern auch anderer Länder des common law hinausgeht.56 bb) Verhältnismäßigkeit beim Ausschluss der Öffentlichkeit Den vorausgehenden Ausführungen könnte man entgegensetzten, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit auch in Deutschland die Verhältnismäßigkeit wahren muss und nur insoweit erfolgen darf, wie es für den Schutz der entgegenstehenden Interessen erforderlich und angemessen ist.57 Das Gesetz selbst sieht die Beschränkung auf einen Teilausschluss vor (§  172 2. Alt. GVG). Zumindest im Zivilprozess wird mit dem Ausschluss jedoch – in den seltenen Fällen, in denen er erforderlich erscheint – vergleichsweise undifferenziert umgegangen. Es genügt etwa schon, wenn mit der Erörterung eines Unternehmensgeheimnisses „zu rechnen ist“58 und die begründete Befürchtung einer Verletzung besteht.59 Bei der Abwägung sollte „kein allzu strenger Maßstab“ zugunsten der Öffentlichkeit angelegt werden.60 So wird die Öffentlichkeit von ganzen Verhandlungsterminen ausgeschlossen, wenn eine Erörterung eines Unternehmensgeheimnisses nur wahrscheinlich ist.61 In den Vereinigten Staaten sind die Gerichte dagegen zu einer sorgfältigeren Verhältnismäßigkeitskontrolle gezwungen, zumindest wenn die Medien am Prozess interessiert sind. Dies wurde erst kürzlich in einem Rechtstreit zwischen Googles Entwickler selbstfahrender Fahrzeuge Waymo und dem Transportvermittlungsunternehmen Uber deutlich. Waymo hatte zum Schutz von Unternehmensgeheimnissen die Räumung des Verhandlungssaals beantragt – freilich nur 54  Press-Enter. Co. v. Superior Court of California, Riverside Cty., 464 U.S.  501, 510 (1984); Publicker Industries, Inc. v. Cohen, 733 F.2d 1059, 1073 (1984). 55  Epstein, (1987) 13 Litig. 23, 24: „The movant must demonstrate on a witness-by-witness and exhibit-by-exhibit basis why secrecy is essential to protect other important values. Indeed, even if a witness gives some testimony in a closed session, other parts of the testimony may not require such strict protection.“ 56  So die Einschätzung von Spigelman, (2006) 29 U.N.S.W.L.J., 147, 159 f. 57 Vgl. Kissel/Mayer, §  172 Rn.  3. 58  BGH NJW-RR 2016, 606, 607 Rz.  10; Zöller/Lückemann, §  172 GVG Rn.  11. 59  Kissel/Mayer, §  172 Rn.  39. 60  Kissel/Mayer, §  172 Rn.  39. 61  So das LG München in BGH NJW-RR 2016, 606. Vgl. 607 Rz.  10.

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für Verhandlungsabschnitte, in denen die Geheimnisse erörtert werden sollten. Die Medien zeigten ein großes Interesse an den Rechtstreit und haben dem Antrag energisch widersprochen.62 Das Gericht hat die Räumung des Saales abgelehnt. Stattdessen sollten durch die Benutzung mehrerer, unterschiedlich ausgerichteter Bildschirme im Verhandlungssaal, je nach Schutzwürdigkeit, drei verschiedene Sichtbarkeitsstufen eingerichtet werden.63 An diesem Beispiel wird deutlich, wie penibel die Gerichte auf Verhältnismäßigkeit achten müssen, um dem Zugangsrecht der Medien zu entsprechen. Für jedes einzelne Risiko werden maßgeschneiderte Sicherungen entworfen, anstatt pauschal eine Saalräumung zu verfügen. Auch in England, wo der Öffentlichkeitsgrundsatz nicht mit der Meinungsfreiheit verknüpft ist, ist sein historisches Gewicht zu spüren. Dort ist ebenfalls strengste Verhältnismäßigkeit geboten64 und Einschränkungen sind nur bei Darlegung konkreter Risiken zugelassen.65 Der Ausschluss der Öffentlichkeit erstreckt sich nicht auf ganze Beweistermine, sondern auf einzelne Aufklärungsvorgänge, etwa auf eine cross-examination zu schutzwürdigen Dokumenten.66 Generell ist die Erörterung eines Unternehmensgeheimnisses kein Grund, eine Privatsitzung zu halten. Es müssen Wege gesucht werden, um bei öffentlicher 62  „We believe this trial is highly newsworthy. If you buy into the Silicon Valley hype, we’ll all be riding around in self-driving cars in a few years. Waymo and Uber expect the outcome of this case to determine which company will grow their nascent flock of robot cars into a multibillion dollar industry that revolutionizes transportation. Our reporters – and you – have a right to attend this trial.“ Gizmodo, 10.2.2017, https://gizmodo.com/why-were-fighting-to-keep-thecourtroom-open-during-the-1819013134 [zuletzt aufgerufen am 3.9.2019]. 63  „The screens in the courtroom for this trial can accommodate three different levels of visibility controlled by the Courtroom Deputy. First, evidence can be displayed to the witness on the stand. Second, evidence can be displayed to the jury. Third, evidence can be displayed to the gallery. These screens can also be used in combination, e.g., evidence can be displayed to both the witness and the jury but not to the gallery. In the Court’s view, these safeguards will suffice to protect most, if not all, of the truly sealable information that will be presented at trial without necessitating total closure of the courtroom.“ Waymo v. Uber, No. C 17-00939 WHA (N.D.Cal. 18.01.2018), 2. 64  „[D]erogations from the principle of open justice […] must be ordered only when it was necessary and proportionate to do so, with a view to protecting the rights which claimants and others were entitled to have protected by such means. When such orders were made, they had to be limited in scope to what was required in the particular circumstances of the case.“ G v. Wikimedia Foundation Inc, [2009] EWHC 3148 (QB), Rz.  17. (per Tugendhat J., eigene Hervorhebungen); ebenfalls Practice Guidance (HC: Interim Non-Disclosure Orders), [2012] 1 WLR 1003, 1004 („Derogations should, where justified, be no more than strictly necessary to achieve their purpose“). 65  V v. T, [2014] EWHC 3432 (Ch), Rz.  20 f. 66 Sachverhalt SmithKline Beecham plc v. Generics (UK) Ltd, [2004] 1 WLR 1479, 1483, Rz.  13.

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Sitzung den Zuhörern die einzelnen, schutzwürdigen Elemente des Verhandlungsgeschehens vorzuenthalten.67 cc) Verhältnis von Öffentlichkeit und Mündlichkeit Trotz des vergleichsweise weiten Spielraums deutscher Gerichte beim Ausschluss der Öffentlichkeit finden sich wenige Entscheidungen zu seiner Ausübung im Zivilprozess. In der Praxis spielt die Öffentlichkeit des Zivilprozesses eine untergeordnete Rolle.68 Das englische Beispiel kann dazu beitragen, die geringe praktische Bedeutung der Öffentlichkeit – und damit auch des Ausschlusses der Öffentlichkeit als Mittel der Informationskontrolle – im deutschen Zivilprozess zu verstehen. Denn in England zeigt sich der hohe Stellenwert des Öffentlichkeitsgrundsatzes im Bestreben der Gerichte, trotz der Teilverschriftlichung des trial seine Wirksamkeit zu bewahren. Vor der Reform wurde das gesamte Vorbringen der Parteien mündlich vorgetragen, die einschlägigen Dokumente mündlich verlesen und die Zeugenvernehmung vollständig mündlich durchgeführt.69 Aufmerksame Zuhörer konnten dem Geschehen also problemlos folgen und somit zur Überwachung der Justiz beitragen. Aus Wirtschaftlichkeitserwägungen hat der englische Zivilprozess einige Elemente des trial verschriftlicht: Folgenreich war zunächst die (grundsätzliche) Verschriftlichung der Hauptvernehmung der Zeugen. Wie bereits dargelegt,70 wird die Befragung der eigenen Zeugen schon in der Vorbereitungsphase erledigt, schriftlich festgehalten (witness statements) und dem Gegner übergeben. Die Zeugenbefragung während des pre-trial dient einerseits der vorbereitenden Aufklärung, ist andererseits aber auch ein Vorausgriff des trial, da ihr grundsätzlich der Wert der Hauptbefragung zukommt (CPR 32.5(2)).71 Wenn es also zu einem trial kommt, wird sogleich zur mündlichen Gegenbefragung durch den Beweisgegner übergegangen. Auch andere Aspekte der Hauptverhandlung sind zur schriftlichen Form erstarrt. Ein Großteil des Vor67  „Experience shows that cases involving secret processes can in fact be conducted without the trial being in private, provided that steps are taken to avoid particularly sensitive facts from being read out in open court“, Shuldham, Re, 2012 WL 1854427. 68  Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (2007), Rn.  155; nach MüKoZPO/Zimmermann, §  169 GVG Rn.  1 nur noch theoretisch eine Funktionsvorrausetzung für eine öffentliche Kon­ trolle. Es finden sich entsprechend auch wenige Entscheidung zu flankierenden Verschwiegenheitspflichten nach §  174 III GVG, dazu Lachmann, NJW 1987, 2206 f.; MüKoZPO/Zimmermann, §  174 GVG Rn.  14; Stein/Jonas/Jacobs23, §  174 GVG Rn.  9. 69  Zur ursprünglichen Reinform der Mündlichkeit im englischen trial, vgl. Schmidt, Der Abschied von der Mündlichkeit (1997), 28–33, insb. 30 f. 70  Unter C.III.1.b)cc). 71  „Where a witness is called to give oral evidence […] his witness statement shall stand as his evidence in chief unless the court orders otherwise.“

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trags zur Falldarstellung der Parteien wird übergangen, da dem Gericht, wie im vorhergehenden Kapitel erwähnt,72 vor Verhandlungsbeginn eine schriftliche Übersicht beidseitiger Argumente („skeleton arguments“) zu seiner persönlichen Vorbereitung zugesandt wird. Auch alle für das trial relevanten Unterlagen und Urkunden werden dem Gericht in Form einer Dokumentensammlung („trial bundles“) im Voraus zur Verfügung gestellt, sodass diese im trial nicht mehr öffentlich verlesen, sondern einfach durch Bezugnahme auf die Stelle im Konvolut erkenntlich gemacht werden. Auf diese Weise kann sich die mündliche Hauptverhandlung auf ihren legitimierenden Kern – die Gegenbefragung der Zeugen – konzentrieren. Diese Effizienzgewinne verzerren aber die klassische Funktionsweise des Öffentlichkeitsgrundsatzes als Saalöffentlichkeit. Der Zuschauer erfährt nur noch ein zusammenhangloses, meist unverständliches Fragment des traditionellen Verhandlungsinhalts. Das Problem wurde erkannt und als Spannungsfeld zwischen Verfahrenseffi­ zienz und Öffentlichkeitsgrundsatz bezeichnet.73 Zur Lösung dieser Spannung wird unterstellt, dass die Offenheit der Justiz ihren Überwachungszweck nur erfüllen kann, wenn ein interessierter Zuschauer den Verfahrensgegenstand zumindest in seinen Grundzügen verstehen könnte.74 Daher wird es inzwischen als Forderung des Öffentlichkeitsgrundsatzes angesehen, unbeteiligte Dritte informationell in die Position zu versetzen, die sie bei vollumfänglichem, saalöffentlichem trial genießen würden: „The principle of open justice requires seeking to place non-parties in an equivalent position to that which they would have been in had the trial been conducted orally, as trials used to be.“75

Die Elemente der Hauptverhandlung, die aus der Mündlichkeit herausgefallen sind, müssen der Öffentlichkeit also durch ergänzende Einsichtsrechte wieder zugeführt werden. Bei den witness statements wird die äquivalente Position dadurch gewährleistet, dass CPR 32.13(2) Dritten ein voraussetzungsloses Ein72 

Unter C.III.1.b)cc). „the tension between efficient justice and open justice“, Smithkline Beecham Biologicals SA v. Connaught Laboratories Inc., [1999] EWCA Civ 1781; Barings plc v. Coopers & Lybrand, [2000] 1 WLR 2353, Rz.  43; Cape Intermediate Holdings Ltd v. Dring, [2018] EWCA Civ 1795, Rz.  103. 74  „[T]he confidence of the public in the integrity of the judicial process as well as its ability to judge the performance of judges generally must depend on having an opportunity to understand the issues in individual cases of difficulty.“ GIO Personal Investment Services Ltd v. Liverpool & London Steamship [1999] 1 WLR 984, 996 (per Potter L.J., eigene Hervorhebung). Ebenfalls Smithkline Beecham Biologicals SA v. Connaught Laboratories Inc., [1999] EWCA Civ 1781 und jüngst auch ausdrücklich der Supreme Court (UK) in Cape Intermediate Holdings v. Dring, [2019] UKSC 38, Rz.  37, 43. 75  Cape Intermediate Holdings Ltd v. Dring, [2018] EWCA Civ 1795, Rz.  103. 73 

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sichtsrechts zuerkennt.76 Die in CPR 32.13(3) geregelten Ausnahmen orientieren sich konsequenterweise an den Tatbeständen eines Öffentlichkeitsausschlusses. Auch einleitende Schriftsätze (statements of claim) und Gerichtsentscheidungen sind nach Gesetzesvorschrift (CPR 5.4 C(1)) frei zugänglich, was als Ausdruck des Öffentlichkeitsgrundsatzes gesehen wird.77 Darüber hinaus können die Gerichte kraft inherent jurisdiction weitere Zugangsrechte anerkennen:78 Die skeleton arguments und schriftlich vorgelegten Eröffnungs- oder Schlussreden, die als „substitute for oral submissions“79 verwendet werden, sind grundsätzlich öffentlich.80 Zwar ist nicht der gesamte Inhalt des trial bundle zugänglich, wohl aber diejenigen Teile, die nach traditioneller Auffassung laut verlesen worden wären. So erstrecken die Gerichte das Zugangsrecht auf Dokumente, die von den Parteien durch Aufnahme in die „reading list“81 oder durch konkreten Hinweis dem Gericht ausdrücklich nahegelegt wurden82 – dies wird als eine der Verlesung äquivalente Hervorhebung angesehen.83 Damit überträgt sich die Gefahr prozessfremder Wirkungen der Informationsverbreitung auf die Ausübung dieser richterrechtlichen Einsichtsrechte. Hier lassen die Gerichte eine gewisse Flexibi76 

„A witness statement which stands as evidence in chief is open to inspection during the course of the trial unless the court otherwise directs.“ 77  Cape Intermediate Holdings Ltd v. Dring, [2018] EWCA Civ 1795, Rz.  103. 78  Die inherent jurisdiction zur Verwirklichung des Öffentlichkeitgrundsatzes (“principle of open justice“) im Zivilprozess wurde kürzlich von dem Supreme Court (UK) anerkannt, Cape Intermediate Holdings v. Dring, [2019] UKSC 38, Rz.  34, 41. 79  GIO Personal Investment Services Ltd v. Liverpool & London Steamship, [1999] 1 WLR 984, 995. 80  GIO Personal Investment Services Ltd v. Liverpool & London Steamship, [1999] 1 WLR 984, 996 f. (per Potter L.J), insb.: „I have no doubt that, on application from a member of the press or public in the course of the trial, it is within the inherent jurisdiction of the court to require that there be made available to such applicant a copy of the written opening or skeleton argument submitted to the judge.“ (996). Dem folgend Nestec SA v. Dualit Ltd., [2013] EWHC 2737 (Pat), Rz.  27: „Third parties are given access to documents like skeletons, witness statements and experts reports because the idea is that the trial is in public and a person could sit in court and hear what is said – they could write it down and they could quote and reproduce it. The modern paper-based approach to proceedings should not provide a fetter to that open ­justice.“ Vgl. auch Cape Intermediate Holdings Ltd v. Dring, [2018] EWCA Civ 1795, Rz.  92 (einschließlich des Rechts, Ablichtungen zu fertigen). 81  Cape Intermediate Holdings Ltd v. Dring, [2018] EWCA Civ 1795, Rz.  105. 82  Cape Intermediate Holdings Ltd v. Dring, [2018] EWCA Civ 1795, Rz.  104, 106, 108, nach Lilly ICOS Ltd v. Pfizer Ltd (No.  2), [2002] EWCA Civ 2, Rz.  8. 83  Voraussetzung der Gewährung dieser ergänzenden Einsichtsrechte ist stets, dass eine Verhandlung tatsächlich stattgefunden hat („effective hearing“), da sonst der Anwendungsbereich des Öffentlichkeitsgrundsatzes nicht eröffnet ist und Äquivalenzerwägungen fehl am Platz sind, Cape Intermediate Holdings Ltd v. Dring, [2018] EWCA Civ 1795, Rz.  104 f., 124 ff., nach Law Debenture Trust Corp (Channel Islands) Ltd v. Lexington Insurance Co, [2003] EWHC 2297 (Comm), Rz.  28.

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lität zu. Eine analoge Anwendung der restriktiven Ausschlusstatbestände, wie bei den witness statements, findet nicht statt. Stattdessen soll eine Ermessensentscheidung getroffen werden,84 wobei dem Öffentlichkeitsgrundsatz Vorrang eingeräumt wird.85 Bei Abgrenzungsfragen soll der Gedanke aushelfen, ob die geforderten Informationen notwendig sind, um einen verständigen Beobachter in die Lage zu versetzen, Falldarstellung, Streitpunkte und Beweisaufnahme zu verstehen.86 Schwenkt man den Blick nun zurück auf das deutsche Zivilprozessrecht, kommen die Praxis der Bezugnahme nach §  137 III 1 ZPO, das amtsgerichtliche Verfahren nach billigem Ermessen nach §  495a ZPO und die Ausschaltung der Mündlichkeit nach §  128 II 1 ZPO in den Sinn. Grundsätzlich sollte auch nach deutschem Zivilprozess der Parteivortrag während der Verhandlung „in freier Rede“ (§  137 II ZPO) gehalten werden.87 Das deutsche Verständnis der Mündlichkeit geht theoretisch sogar weiter als das englische, da bis auf die Ausnahme des §  137 III 2 ZPO keine Verlesung geduldet wird.88 Dafür ist die Möglichkeit einer Bezugnahme auf Dokumente – Schriftsätze, Urkunden, Gutachten usw.89 – vorgesehen (§  137 III 1 ZPO). Der Inhalt der in Bezug genommenen Schriftsätze steht dem mündlichen Vortrag gleich, bildet also den vom Gericht zu berücksichtigenden Streitstoff.90 Was hier normativ als Ausnahme vorgesehen ist, entspricht aber der vorherrschenden Praxis91 – die Ausnahme ist faktisch die Regel.92 Wie die Einschränkungen der Mündlichkeit im englischen Prozess, ist auch die Bezugnahme nach §  137 III 1 ZPO ökonomisch gerechtfertigt – die Verhandlung soll sich auf die diskussionsbedürftigen Punkte konzentrieren und auf zeitraubende, überflüssige Ausführungen verzichten.93 Auch im amtsgerichtlichen Verfahren nach billigem Ermessen ist die Mündlichkeit aus wirt84 

Cape Intermediate Holdings Ltd v. Dring, [2018] EWCA Civ 1795, Rz.  128. Dian AO v. Davis Frankel & Mead (A Firm), [2005] 1 WLR 2951, 2964; Cape Intermediate Holdings Ltd v. Dring, [2018] EWCA Civ 1795, Rz.  129. 86  „It [die Gewährung eines Einsichtsrechts] will be so necessary where it is not possible for a reasonable observer to understand the trial evidence, argument or issues without inspection of the document or documents in question.“ Cape Intermediate Holdings Ltd v. Dring, [2018] EWCA Civ 1795, Rz.  110. 87  Ursprünglich war die Bezugnahme unzulässig; sie wurde 1924 vollumfänglich eingeführt, Arens, Mündlichkeitsprinzip (1971), 16, 22. 88 Wieczorek/Schütze/Gerken, §  137 Rn.  11. 89 Stein/Jonas/Kern23, §  137 Rn.  10. 90 Stein/Jonas/Kern23, §  137 Rn.  10, 14. 91 Musielak/Voit/Stadler, §  137 Rn.  3; „Die Einschränkungen, dass keine Partei widersprechen darf und das Gericht die Bezugnahme für angemessen halten muss, spielen in der Praxis kaum eine Rolle.“ Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018), §  79 Rn.  31. 92 Wieczorek/Schütze/Gerken, §  137 Rn.  12. 93 MüKoZPO/Fritsche, §  137 Rn.  9; Stein/Jonas/Kern23, §  137 Rn.  10. 85 

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schaftlichem Kalkül entbehrlich94 soweit die Parteien nicht durch Antrag darauf bestehen (§  495a 2 ZPO). Ebenso ist die Möglichkeit, mit Zustimmung der Parteien nach §  128 II 1 ZPO schriftlich zu verhandeln, ein ökonomisch motivierter Bruch mit dem Grundsatz der mündlichen Verhandlung.95 Verknüpft man nun diese Ausnahmen der Mündlichkeit mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung nach §  169 1 GVG, könnte man dieselben Überlegungen anstellen, von denen die englischen Gerichte überzeugt sind: Indem die Bezugnahme nach §  137 ZPO (bzw. die Anwendung der §§  128 II, 495a ZPO) Teile der Verhandlung faktisch in die Schriftlichkeit verlagert, ist darin eine inhaltliche Einschränkung des als Saalöffentlichkeit ausgestalteten Öffentlichkeitsprinzips gem. §  169 1 GVG zu sehen. Denn sie erschwert das Verständnis der Verhandlung und entzieht sie damit der Kontrolle durch die Allgemeinheit. Dass diese Einschränkungen auf berechtigten Wirtschaftlichkeitserwägungen beruhen, bedeutet nicht, dass sie die Wirksamkeit des Öffentlichkeitsgrundsatzes aushöhlen dürfen. Deshalb sollte unbeteiligten Dritten – als Mitglieder der Öffentlichkeit – der Einblick in ausgewählten Bestandteilen der Prozessakte ge­ stattet sein, die zum Verständnis der Verhandlung, des Rechtstreits und der rich­ ter­lichen Tätigkeit notwendig sind. Dieses Recht sollte, wie der Zugang in den Verhandlungssaal, voraussetzungslos gewährt oder – um eine gewisse Missbrauchskontrolle zu ermöglichen – zumindest in das Ermessen des Gerichts gestellt werden. Jedenfalls sollte der Zugriff gerade nicht an das „rechtliche Interesse“ des allgemeinen Prozesseinsichtsrecht Dritter gebunden sein (§  299 II ZPO). Die Kontrolle zweckfremder Verwendung der durch die Einsichtnahme (und eventuellen Ablichtungen) erlangten Informationen sollte stattdessen parallel zu den für die Saalöffentlichkeit im GVG vorgesehenen Ausschlussgründen laufen. Soweit der äquivalente Gedankengang. Ob diese Argumente im Einzelnen gerechtfertigt sind, ist Sache der deutschen Dogmatik und muss beim Rechtsvergleich nicht geklärt werden. Rechtvergleichend aufschlussreich ist aber, dass, soweit ersichtlich, im deutschen Zivilprozessrecht kaum jemand solche Überlegungen anstellt.96 Die Wirkung des Rückgangs der Mündlichkeit auf den Öffent94 MüKoZPO/Deppenkemper,

§  495a Rn.  1; BT-Drs. 11/4155, 10 f. §  128 Rn.  34; Stein/Jonas/Kern23, §  128 Rn.  11. 96  Dem Scharfblick Peter Schlossers ist diese Entwicklung nicht entgangen, wenn er zum Erfordernis eines „rechtlichen Interesses“ nach §  299 II ZPO eher beiläufig bemerkt: „Das steht in merkwürdigem Gegensatz zum Prinzip der Öffentlichkeit der Verhandlung. Denn es ist schwer einzusehen, warum nicht Einsicht in das genommen werden kann, was Gegenstand der öffentlichen Verhandlung war. Die Einschränkungen, die das Prinzip der mündlichen Verhandlung im Zivilprozess erfahren hat, sind rein durch äußeren Praktikabilitätserwägungen motiviert und gewiss nicht darauf zurückzuführen, dass man die Kontrolle der Verfahren durch die Öffentlichkeit einschränken wollte.“ Schlosser, in: FS Vollkommer (2006), 217, 227. Ansonsten wird in Kissel/Mayer, §  169 Rn.  9 angemerkt, das Zivilgericht sollte bei der Ermessensaus95 MüKoZPO/Fritsche,

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lichkeitsgrundsatz wird freilich erkannt, trifft aber eher auf Resignation als auf Problembewusstsein. Man bedauert, dass durch die Praxis der Bezugnahme der Zuhörer von der Verhandlung meist wenig versteht,97 was jedoch nicht zur Korrektur anregt, sondern als Grund der geringen Bedeutung des Öffentlichkeitsgrundsatzes im Zivilverfahren angeführt wird. Es gilt als gegeben, dass nur die mündliche Verhandlung der Öffentlichkeit untersteht, und alles was aufgrund einfachgesetzlicher Regelung in die Schriftlichkeit hinüberwandert wird automatisch nicht-öffentlich.98 Es wird angenommen, dass alle schriftlichen Elemente im „Umkehrschluss“99 in den Anwendungsbereich des §  299 II ZPO fallen.100 Daneben wird die praktische Realisierbarkeit schriftlicher Öffentlichkeit in Frage gestellt,101 obwohl, wie die englische Praxis zeigt, in der Gewährung eines Einsichtsrechts an Dritte nichts Unüberwindbares liegt. Die deutsche Prozessrechtsdogmatik denkt in diesem Punkt in verfahrensrechtlichen Begriffen und stellt nicht, wie die englischen Gerichte, auf die Funktion des Öffentlichkeitsgrundsatzes ab, genauer: auf die Verständlichkeit des Verhandlungsgeschehens als Wirksamkeitsvorrausetzung seiner Kontrollfunktion. Der Grundsatz wird also formell durch die Abhängigkeit vom Medium „Mündlichkeit“ begrenzt: Öffentlich sind nur Inhalte, die im Einzelfall mündlich verhandelt worden sind.102 Inwieweit diese Inhalte durch Bezugnahme bis zur Unverständlichkeit beschnitten werden oder auf die mündliche Verhandlung überhaupt verzichtet wird, ist in Deutschland zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des Öffentlichkeitsgrundsatzes völlig gleichgültig.103 Dies ist soweit übung in Fällen der freigestellten mündlichen Verhandlung die Bedeutung der Öffentlichkeit für die Rechtspflege berücksichtigen. In Stein/Jonas/Kern23, §  128 heißt es, dass der Gesetz­ geber den Zweck der Öffentlichkeit nicht untergraben dürfe, indem er eine Entscheidung ohne vorhergehende mündliche Verhandlung gestattet (Rn.  6), ansonsten wird aber auf die Unbedenklichkeit der Einschränkung der Mündlichkeit (und damit auch der Öffentlichkeit) aufgrund Parteidisposition nach §  128 II ZPO (Rn.  7) hingewiesen. 97 MüKoZPO/Zimmermann, §  169 GVG Rn.  1; Kilian, AnwBl 2016, 899. 98  So der Gedankengang in Wieczorek/Schütze/K.Schreiber, §  169 GVG Rn.  10. 99 Wieczorek/Schütze/K.Schreiber, §  169 GVG Rn.  10. 100  „Dies [die auf die mündliche Verhandlung beschränkte Geltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes] ergibt sich zunächst mittelbar daraus, dass kein allgemeines Recht auf Akteneinsicht besteht (s. §§  299, 760 ZPO). Demzufolge erfährt der Grundsatz der Öffentlichkeit im Zivilverfahren insoweit Einschränkungen.“ MüKoZPO/Zimmermann, §  169 GVG Rn.  11. Dem folgend Wieczorek/Schütze/K.Schreiber, §  169 GVG Rn.  10. 101  Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (2007), Rn.  161; Wieczorek/Schütze/K.Schreiber, §  169 GVG Rn.  10. 102  Schilken, Gerichtsverfassungsrecht (2007), Rn.  161: Der Geltungsbereich des Öffentlich­ keitsgrundsatzes beschränke sich „auf mündliche Verhandlungen, soweit sie nach dem jeweils einschlägigen Verfahrensrecht notwendig oder zwar freigestellt sind, aber tatsächlich stattfinden.“ 103  Die auf den Mündlichkeitsaspekt beschränkte Sichtweise auch bei Kissel/Mayer, §  169

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konsequent, da dem Öffentlichkeitsgrundsatz kein Verfassungsrang zuerkannt wird, sodass einfachgesetzliche Verfahrensvorschriften die Wirksamkeit des Überwachungszwecks beliebig untergraben können.104 Dies ist wohl der deutlichste Beleg dafür, dass der Stellenwert der Öffentlichkeit des deutschen Zivilprozesses weit unter dem des common law liegt. In Deutschland gehorcht der Öffentlichkeitsgrundsatz der (einfachgesetzlich gestalteten) Mündlichkeit; in England hat das principle of open justice ein eigenes Standbein und umfasst sämtliche Elemente, die zur wirksamen Erfüllung des Überwachungszwecks erforderlich sind, ungeachtet davon, ob sie von Gesetz und Praxis in der Schriftlichkeit oder in der Mündlichkeit untergebracht sind. c) Fazit zur vergleichenden Betrachtung des Öffentlichkeitsgrundsatzes Abschließend soll die Verbindung zum Thema der Informationskontrolle verdeutlicht werden. Denn in der Haltung des deutschen Zivilprozessrechts zum Öffentlichkeitsgrundsatz liegt letztlich eine Stellungnahme zum untersuchten Grundproblem verborgen: Der Gefahr prozessfremder Wirkung der Aufklärung soll durch Geringhaltung der Reichweite der Öffentlichkeit vorgebeugt werden. Dies wird gelegentlich offen zum Ausdruck gebracht, etwa wenn man liest, dass bei Öffentlichkeit von Schriftstücken „dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet würde“105 oder eine öffentliche Schriftlichkeit wegen Gefährdung der Beteiligten für „untunlich“ gehalten wird.106 Dabei zeigt das englische Recht, dass eine flexible Zugangskontrolle möglich ist, sei es durch Anwendung der Ausschlussgründe, wie bei der englischen Vorschrift zur Einsichtnahme in die witness statements (CPR 32.13(3)), oder indem die Entscheidung über eine ausnahmsweise Verweigerung des Zugriffs dem Ermessen des Gerichts überlassen wird, wie bei den Einsichtsrechten kraft inherent jurisdiction. Indem stattdessen bei Schriftlichkeit das restriktive Einsichtsrecht nach §  299 II ZPO automatisch Anwendung findet, wird eine vorbeugende Informationsvorenthaltung der Wirksamkeit des Öffentlichkeitsgrundsatzes pauschal vorgezogen107 und man begnügt sich Rn.  8: „Die Öffentlichkeit gilt nur für ‚Verhandlungen’, also mündliche Verhandlungen, soweit sie nach dem jeweiligen Verfahrensrecht notwendig oder zulässig sind.“ 104  Arnold, in: FS Simotta (2012), 11, 26 f. 105  Wolf, Gerichtsverfassungsrecht (1987), 245. 106 Wieczorek/Schütze/K.Schreiber, §  169 GVG Rn.  10. 107  Ganz deutlich bei Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts (1974), der einen der Ansicht des common law gegenteiligen Satz aufstellt: „Niemand sollte grundsätzlich gezwungen sein, Rechtsschutz mit dem Bekanntwerden von Dingen bezahlen zu müssen, die er lieber geheimgehalten hätte“ und bezweifelt nicht, „daß die berechtigte Scheu vor der Öffentlichkeit sich negativ für einen effektiven Rechtsschutz auswirken kann“ (224), weswegen die Öffentlichkeit schon dann ausgeschlossen werden sollte, wenn dies ein (!) Verfahrensbeteiligter bean-

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damit, die mündlichen Fragmente der Verhandlung öffentlich zu erörtern, deren Unverständlichkeit als ein gegebenes Übel hingenommen wird.

2. Zugriff Dritter auf die Prozessakte und vorbereitende Materialien Unabhängig davon, ob der Anwendungsbereich des Öffentlichkeitsgrundsatzes, wie in England, aufgrund effektiver Verständlichkeit oder, wie in Deutschland, aufgrund einfachgesetzlicher Mündlichkeit umgrenzt wird, unterliegt die Frage des Zugriffs auf Informationen, die als nicht-öffentlich gelten, einem anderen Regelungsbereich. Die Kontrolle durch die Allgemeinheit ist nicht der einzige Grund, Dritten Zugriff auf Informationen zu gewähren, die aus Anlass der Rechtsdurchsetzung gesammelt und entwickelt wurden. Elemente, die nicht dem öffentlichen Verhandlungsgeschehen zugeordnet sind – Prozessakten und die durch vorbereitende Aufklärung gesammelten Materialien – können für Dritte zum Zwecke journalistischer Recherche, für Forschungsvorhaben oder zur Vorbereitung eines (anderen) Gerichtsverfahrens von Interesse sein. Das Zivilpro­ zess­recht muss dazu Stellung nehmen, ob und inwieweit das aus prozessualem Anlass gesammelte Wissen in den Dienst besonderer Einzel- oder Gruppeninte­ ressen unbeteiligter Dritter gestellt werden soll. Rechtsvergleichend ergibt sich dazu folgendes Bild. England und Deutschland gehen von einem gemeinsamen Grundprinzip aus: Die Prozessakte ist geheim, bei begründeten Interessen kann ein Dritter jedoch Zugriff erlangen (a). In den USA herrscht das gegenteilige Prinzip: Die Prozessakte ist grundsätzlich frei zugänglich, die Versiegelung ein Sonderfall; um Missbräuchen entgegenzuwirken hat sich in der Praxis jedoch auch in den USA ein differenziertes System der Zugangserteilung etabliert (b). a) Grundsätzliche Unzugänglichkeit der Prozessakte in England und Deutschland Nach englischem Zivilprozessrecht haben Dritte kein Zugangsrecht zur Prozess­ akte.108 Eine Ausnahme bilden, wie bereits erwähnt, einleitende Schriftsätze und Gerichtsentscheidungen, die aufgrund einer Verhandlung ergangen sind (CPR 5.4.C(1)), was aber noch als Ausfluss des funktional verstandenen Öffentlichtragt, denn „[d]er Schutz der Privatsphäre darf nicht davon abhängen, daß der Prozessgegner denselben Wunsch verspürt“ (225). 108  Dian AO v. Davis Frankel & Mead (A Firm), [2005] 1 WLR 2951, 2956 („[T]here is no right of access to the court files without permission“); Dobson v. Hastings, [1992] Ch. 394, 401 („[A] court file is not a publicly available register. It is a file maintained by the court for the proper conduct of proceedings. Access to that file is restricted“).

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keitsgrundsatzes aufzufassen ist. Auch in Deutschland ist die Prozessakte109 grundsätzlich nur Gericht und Parteien zugänglich (§  299 ZPO). Anders als in England sind die einleitenden Schriftsätze vom Öffentlichkeitsgrundsatz aber nicht erfasst, sondern gehören zur grundsätzlich unzugänglichen Akte. Gerichtsentscheidungen (genauer: ihr anonymisierter Inhalt) sind dagegen auch in Deutschland der Öffentlichkeit zugänglich,110 ohne dass die Darlegung eines Informationsinteresses gefordert wäre;111 die Rechtsprechung leitet dies aus dem Rechtsstaatsgebot, dem Demokratiegebot, dem Grundsatz der Gewaltenteilung, aber auch aus dem Öffentlichkeitsgrundsatz her.112 Ansonsten haben Dritte grundsätzlich keinen Zugang zum Akteninhalt. In beiden Rechtsordnungen kann diese Abschirmung aber aufgrund einer Ermessensentscheidung113 zugunsten Dritter, die ein besonderes Interesse darlegen, durchstoßen werden. In Deutschland entscheidet beim Vorliegen eines „rechtlichen Interesses“ der Gerichtsvorstand über die Einsichtsgewährung (§  299 II ZPO); in England stellt CPR 5.4C(2) den Zugang unter Vorbehalt einer richterliche Genehmigung („if the court gives permission“), was nach der aktuellen Practice Direction (5APD4.3) die Darlegung der beantragten Dokumente oder ihrer Art, sowie des Grundes des Zugangsinteresses voraussetzt.114 Bei der Handhabe dieser ausnahmsweise zuerkannten Einsicht sind zwischen dem englischen und deutschen Zivilprozessrecht leichte Unterschiede zu verzeichnen, die darauf zurückgehen, dass die englische Prozessakte („court record“) aus prozessstrukturellen Gründen eigentümlich komponiert ist: Die Unterscheidung pre-trial/trial spiegelt sich in ihrem Inhalt wider. Sie enthält zum großen Anteil Vorgänge des pre-trial. Da für das common law nur das trial und nicht seine Vorbereitung der öffentliche Schauplatz der Justiz ist, gilt der vorbe109 

Insgesamt sind Bestandteile der Akte des deutschen Zivilprozesses „die bei Gericht eingereichten Schriftsätze und deren Anlagen (§  133 Abs.  1), die gerichtlichen Protokolle (§§  159, 160), die Urschriften der Beschlüsse und Urteile, ebenso die Urschriften der Verfügungen, die Urkunden über die Zustellungen und amtlichen Schriftstücke.“ MüKoZPO/Prütting, §  299 Rn.  4. 110 „Der Inhalt der gerichtlichen Entscheidungen ist […] – wie das Verfahren generell (§§  169, 173 GVG) – öffentlich. Gerichtsentscheidungen unterliegen nicht der Geheimhaltung, soweit nicht ausnahmsweise unabweisbare höhere Interessen die Unterrichtung der Allgemeinheit oder einer einzelnen Person verbieten.“ BGH NJW 2017, 1819, Rz.  15; BVerfG NJW 2015, 3708, 3720, Rz.  20; NJW 1997, 2694; Zöller/Greger, §  299 Rn.  7. 111  Dölling, NJW 2017, 1820. Der Zugang zu den Gerichtsentscheidungen unterliegt gerade nicht den Voraussetzungen des §  299 II ZPO, BGH NJW 2017, 1819, Rz.  14. 112  BVerwG NJW 1997, 2694, 2695. 113  In beiden Rechtsordnungen wird betont, dass es sich dabei nicht um ein Recht handelt, MüKoZPO/Prütting, §  299 Rn.  23; Cape Intermediate Holdings v. Dring, [2019] UKSC 38, Rz.  45. 114  „[T]he application notice must identify the document or class of document in respect of which permission is sought and the grounds relied upon.“

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reitende Informationsaustausch traditionell als Privatsache.115 Das macht sich vor allem in Fällen bemerkbar, in denen das Verfahren durch Prozessvergleich schon im pre-trial ein Ende fand.116 Hier wurde das hoheitliche Entscheidungsverfahren (trial) gar nicht erst eingeleitet – die Erfolgsaussicht desselben sollte die Vorbereitung ja erst zeigen. Andererseits wird auch schon im pre-trial das Gericht zu wichtigen Entscheidungen bewegt, etwa die Anordnung einer Beweissicherungsmaßnahme oder Sicherheitsleistung, oder der Erlass eines summary judgment. Die Schriftsätze und Beweismittel (meist Urkunden und Wissenserklärungen), die im Zusammenhang mit solchen Verfahren eingereicht werden, sind Grundlage eines gerichtlichen Entscheidungsvorgangs (in der Sprache der englischen Gerichte: eines „decision making process“). Englische Gerichte sehen in diesen Fällen zwar nicht den großzügigen Zugang gerechtfertigt, den die Offenheit eines trial fordern würde,117 halten das open justice principle aber dennoch für berücksichtigenswert („engaged“), soweit die Information des pre-trial Gegenstand eines „effective hearing“ wurde.118 Hier sieht die Rechtsprechung also einen Zwischenbereich, in dem die Öffentlichkeit des trial zwar nicht auf dem Spiel steht, den Dritten aber dennoch der Zugang nicht übermäßig erschwert werden sollte. Die Rechtsprechung verlangt jedoch die Darlegung eines berechtigten Interesses („legitimate interest“).119 Als berechtigt wird angesehen: journalistische Recherche,120 die Führung eines parallel laufenden Gerichtsverfahrens121 oder die Beförderung eines allgemeinnützigen Forschungsinteresses (z. B. die Vorbeugung von Asbestschäden122). Anders als in England, spiegelt in Deutschland die Prozessakte von Anfang an die Entscheidungsgrundlage zur Hauptsache wider (§  286 I ZPO – im Gesichtspunkt der Verhandlungswürdigung). Dennoch soll sie den Augen der Öffentlichkeit zugunsten eines Vorrangs der Privatsphäre verhüllt bleiben. Das ist die Konsequenz der oben schon aufgezeigten, einzig auf das Medium (Mündlichkeit/ Schriftlichkeit) beruhenden Wertung zur öffentlichen Zugänglichkeit des deut115 

Jacob, The Fabric of English Civil Justice (1987), 23. So in Dian AO v. Davis Frankel & Mead (A Firm), [2005] 1 WLR 295. 117  „Where the purpose is not to monitor that justice was done, but the documents have nevertheless been read by the court as part of the decision making process, the court should lean in favour of disclosure“, Pfizer Health AB v. Schwarz Pharma AG, 2010 WL 5059054. 118  Ein Urteil ist nicht notwendig: „The principle of open justice is accordingly engaged as soon as there is an effective hearing. It may be more fully engaged if the hearing proceeds to a judgment, but it is still engaged.“ Cape Intermediate Holdings Ltd v. Dring [2018] EWCA Civ 1795, Rz.  136; Cape Intermediate Holdings v. Dring, [2019] UKSC 38, Rz.  31. 119  Cape Intermediate Holdings v. Dring, [2019] UKSC 38, Rz.  45 m. w. N. 120  NAB v. Serco Ltd, 2014 WL 1219642, Rz.  39. 121  Dian AO v. Davis Frankel & Mead (A Firm), [2005] 1 WLR 2951. 122  Cape Intermediate Holdings Ltd v. Dring, [2018] EWCA Civ 1795, Rz.  131 ff. 116 

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schen Zivilprozesses: Nur was mündlich verhandelt wird, ist grundsätzlich öffentlich; sonst ist dem Interesse der Parteien, „die schriftlichen Unterlagen über ihre privaten Angelegenheiten nicht gegenüber Dritten offenzulegen“ als „Teilstück des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung“ verfassungsrechtlicher Schutz zuzuerkennen.123 Da der deutsche Zivilprozess kein pre-trial kennt, enthält die Prozessakte also nur Elemente, die in das hoheitliche Entscheidungsverfahren einfließen (in kontinentaler Tradition ist die Akte geradezu als Instrument richterlicher Überzeugungsbildung gedacht). Als Entscheidungskriterium ist das mit dem englischen „berechtigten Interesse“ funktional vergleichbare „rechtliche Interesse“ (§  299 II ZPO) vorgesehen. „Rechtlich“ ist das Interesse, wenn es ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes, gegenwärtig bestehendes Verhältnis einer Person zu einer anderen oder zu einer Sache betrifft.124 Damit ist zunächst eine Abgrenzung zur Neugier und oder zu einem rein wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Interesse gezeichnet.125 Dies setzt die Schwelle etwas höher an als in England, wo ein wirtschaftliches Interesse ausreicht.126 Sonst haben sich auch in Deutschland die oben genannten Fallgruppen gebildet, soweit sie Rückführung auf eine verfassungsrechtliche Schutzposition erlauben: Einsicht zu Forschungszwecken ist „weithin unproblematisch“,127 zumal sich ein Forscher auf Art.  5 III GG berufen kann.128 Ein journalistisches Interesse lässt sich aufgrund Art.  5 I 2 GG rechtfertigen.129 Auch die Informationsbeschaffung für parallel laufende Prozesse erhält durch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes verfassungsrechtliches Gewicht,130 erfordert jedoch einen rechtlichen Bezug zum Gegenstand des Prozesses131 – Informationen zur Durchsetzung mit dem Streitstoff nicht zusammenhängender Ansprüche sind nicht gerechtfertigt.132 Auch dies scheint aber von der englischen Rechtslage nicht weit entfernt zu sein, wonach 123 Stein/Jonas/Leipold22,

§  299 Rn.  3; Wieczorek/Schütze/Assmann, §  299 Rn.  3. BGH NJW 1952, 579. 125 MüKoZPO/Prütting, §  299 Rn.  21 m. w. N. 126  „.[A]n entirely private or commercial interest in a document can qualify as a legitimate interest“, Cape Intermediate Holdings Ltd v. Dring, [2018] EWCA Civ 1795, Rz.  135. 127  Keller, NJW 2004, 413, 414: „Selten lehnt ein Gericht die Anfrage ab“ (bei juristischen Forschungsvorhaben). Vgl. auch MüKoZPO/Prütting, §  299 Rn.  22 m. w. N. 128 Zöller/Greger, §  299 Rn.  6a. 129  von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt (2005), 507. Das Recherche­ interesse muss jedoch spezifiziert werden (508). 130  Zuck, NJW 2010, 2913, 2915. 131  Verlangt wird ein Bezug „zwischen dem Streitgegenstand des Primärverfahrens und dem Streitgegenstand des Sekundärverfahrens“, Zuck, NJW 2010, 2913, 2914; beim OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Dezember 2016 – I-3 VA 5/16 –, juris heißt es „rechtlich begründetes wirtschaftliches Interesse“. 132 Stein/Jonas/Thole23, §  299 Rn.  2. 124 

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

auch ein „direct bearing on issues“ des anderen Gerichtsverfahrens gefordert wird.133 In beiden Rechtsordnungen ist das Gericht gehalten, die entgegenstehenden Interessen der Verfahrensbeteiligten abzuwägen.134 Dabei steht das Persönlichkeitsrecht im Vordergrund,135 es sind aber auch andere Interessen denkbar.136 Das berechtigte bzw. rechtliche Interesse eröffnet also das Feld der Abwägung, durch welche die eigentliche Informationskontrolle, mit Blick auf die Risiken der Informationsverbreitung, zu erfolgen hat.137 Da die Information zu bestimmten Zwecken freigegeben werden soll, liegt es nahe, Maßnahmen zu treffen, die eine entsprechende Zweckbindung sicherstellen. Das wird in England dadurch erreicht, dass nicht bezüglich der gesamten Akte Einsicht beantragt werden darf, sondern der Antragssteller das geforderte Schriftstück hinreichend bestimmen und das berechtigte Interesse gesondert rechtfertigen muss (5APD4.3). Damit ist eine Ausrichtung auf den Verwendungszweck des Antragstellers schon im Voraus gegeben. In Deutschland liegt der Umfang der Einsicht im Ermessen des Gerichts, das selbst eine Auswahl der zur Besichtigung herauszugebenden Schriftstücke zu treffen und, wenn es zum Schutz des Persönlichkeitsrechts oder sonstiger Geheimhaltungsinteressen geboten ist, Schwärzungen vorzunehmen hat.138 Eine weitere Möglichkeit, die Informationsfreigabe an das Interesse des Antragsstellers zu binden, ist ihn zur zweckgemäßen Nutzung zu verpflichten. In der englischen Praxis wird es dadurch erreicht, dass das Gericht die Herausgabe der Dokumente an die Abgabe einer Verpflichtungserklärung knüpft, in der sich der Antragsteller zur Wahrung bestimmter Nutzungsbedingungen verpflichtet.139 Eine ähnliche Handhabe hat Schlosser für Deutschland vorgeschlagen: Das Ge133 

Dian AO v. Davis Frankel & Mead (A Firm), [2005] 1 WLR 2951, 2964. „Eine Abwägung dieses Informationsinteresses mit dem Geheimhaltungsbedürfnis einer oder beider Parteien sieht die Vorschrift zwar nicht ausdrücklich, aber doch implizit vor“, Wagner, ZZP 108 (1995), 193, 207. „[T]he court has to carry out a fact-specific balancing exercise. On the one hand will be ‘the purpose of the open justice principle and the potential value of the information in question in advancing that purpose’. […] On the other hand will be ‚any risk of harm which its disclosure may cause to the maintenance of an effective judicial process or to the legitimate interests of others‘“, Cape Intermediate Holdings v. Dring, [2019] UKSC 38, Rz.  45 unter Bezugnahme auf A v. British Broadcasting Corpn, [2014] UKSC 25, Rz.  41. 135  BGH NJW 2017, 1819, Rz.  14: „Die Gewährung von Akteneinsicht stellt […] einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung derjenigen dar, deren personenbezogene Daten auf diese Weise zugänglich gemacht werden“, nach BVerfG NJW 2007, 1052 (zur Akteneinsicht im Strafprozess). 136  Etwa Maßnahmen zur Rechtsverfolgung, dazu Zuck, NJW 2010, 2913, 2915. 137  Es besteht eine „Pflicht der Akteneinsicht gewährenden Stelle, die schutzwürdigen Interessen dieser Personen gegen das Informationsinteresse abzuwägen und den Zugang zu den Daten gegebenenfalls angemessen zu beschränken“, BGH NJW 2017, 1819, Rz.  14. 138  Prütting, ZZP 106 (1993), 427, 457; Wieczorek/Schütze/Assmann, §  299 Rn.  39. 139 Vgl. NAB v. Serco Ltd, 2014 WL 1219642 (2014), Rz.  41, 43, wonach der Zeitung The 134 

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richt kann ankündigen, „von seiner Ermessensbefugnis nur Gebrauch zu machen, wenn der Antragssteller jene Prozesspartei, der das Weitertragen der Information Nachteile bringen könnte und die sich deshalb gegen sie wehrt, ein Angebot des Inhalts macht, dass er die Information nur zu dem Zweck verwendet, auf den er sein rechtliches Interesse stützt und sich verpflichtet, eine von der verletzten Partei in einem bestimmten Rahmen festzusetzende Vertragsstrafe zu bezahlen, wenn er diese Verpflichtung nicht respektiert“.140 b) Die freie Zugänglichkeit der Prozessakte in den USA Die Garantie des public trial erfasst nur die Hauptverhandlung141 und lässt die Frage des Zugangs Dritter zur Prozessakte und zu den discovery-Materialien offen.142 Ob sich aus der Meinungsfreiheit des I. Zusatzartikels der Verfassung ein Zugangsrecht ableiten lässt, ist unklar143 und letztlich irrelevant, da der Supreme Court ein eigenständiges, aus dem Richterrecht hergeleitetes Recht der Allgemeinheit anerkennt, in Prozessakten Einsicht zu nehmen und Ablichtungen zu fertigen („right of public access to court records“).144 Hinter diesem Recht steht zwar, wie auch beim Öffentlichkeitsgrundsatz, der Gedanke der Überwachung durch die Bürger, nicht aber im justizspezifischen Sinn, sondern als Ausdruck eines allgemeinen Gebots der Transparenz des Staatswesens. Dies wird daran sichtbar, dass sich der Supreme Court dieses Recht aus Präzedenzfällen zum Zugang zur behördlichen Aktenführung erarbeitet hat und auf jede staatliche Aktivität – eben auch die gerichtliche – für anwendbar hält.145 Im Gegensatz zur englischen und deutschen Rechtslage ist die freie Zugänglichkeit der Gerichts­ Guardian gegen eine Verpflichtung, die Anonymität zu wahren, Zugang zu einem Teil der Akte gewährt wurde, den sie zur Recherche zu einem Artikel beantragt hatte. 140  Schlosser, in: FS Vollkommer (2006), 217, 228. 141  Marcus, (1983) 69 Cornell L. Rev., 1, 29 ff., 40 f. Vgl. auch Seattle Times Co. v. Rhinehart, (1984) 104 S.Ct. 2199, 2207 f. („pretrial depositions and interrogatories are not public components of a civil trial“). 142  Da die Mündlichkeit des civil trial der USA noch weitgehend unberührt ist, hat sich die Frage einer Ausweitung des Öffentlichkeitsgrundsatzes auf schriftliche Elemente der Verhandlung, die für das englische Recht dargestellt wurde, nicht gestellt. 143  Ardia, (2017) U. Ill. L. Rev., 1385, 1406 f. 144  „It is clear that the courts of this country recognize a general right to inspect and copy public records and documents, including judicial records and documents.“ Nixon v. Warner Commc’ns, Inc., 435 U.S.  589, 597 (1978). 145  Dabei stellt er ausdrücklich den Unterschied zur englischen Praxis fest. Während diese den Zugang stets an ein besonderes Interesse knüpfe, sei für das US-amerikanische Verständnis schon „the citizen’s desire to keep a watchful eye on the workings of public agencies“ oder die „intention to publish information concerning the operation of government“ ausreichend, Nixon v. Warner Commc’ns, Inc., 435 U.S.  589, 598 (1978).

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akte auch während des pre-trial der Grundsatz, wobei Risiken zweckwidriger Verwendung Ausnahmen rechtfertigen.146 Die Parteien müssen also schon in der pre-trial-Phase mit der Informationsverbreitung rechnen, was als Preis des Rechtsschutzes angesehen wird.147 Von dieser Ausgangslage aus bildete sich eine Diskussion um die Frage, ob die Erzeugnisse der discovery zur frei zugänglichen Prozessakte zu rechnen seien. Um diese Frage der Zugänglichkeit der discovery-Materialen zu klären, sind die Gerichte zu einer differenzierenden Lösung gelangt, die sich auf folgende Kurzformel bringen lässt: Je höher der Grad hoheitlicher Auseinandersetzung mit der Information, desto schwieriger ist es, eine Zugriffsverweigerung zu rechtfertigen. Eine einheitliche Linie hat sich noch nicht entwickelt, die Lösung scheint sich aber auf drei Ebenen zu bewegen.148 aa) „Unfiled discovery“ Da sich das discovery-Verfahren in den siebziger Jahren als effektives Mittel zur Enthüllung von allgemeinen Missständen und Gefahren – vor allem in Diskriminierungsfällen und bei Gesundheits- und Umweltrisiken149 – ausgewiesen hatte, entstand eine Bewegung, die das Recht auf Zugang zur Prozessakte als ein Recht auf einen umfassenden Einblick in das pre-trial-Verfahren verstehen wollte. Ein „right to public access“ sollte sogar zu den über die discovery gewonnen Materialien Zugriff verschaffen.150 Durch das discovery-Verfahren würden allgemeine soziale Probleme ans Licht gelangen, die nicht durch Schutz- oder Versiegelungsanordnungen des Gerichts verdeckt werden dürfen.151 Dieser Auffassung hat zunächst der Supreme Court widersprochen.152 Die Reform der FRCP 5(d) 146 

„It is uncontested, however, that the right to inspect and copy judicial records is not absolute. Every court has supervisory power over its own records and files, and access has been denied where court files might have become a vehicle for improper purposes.“ Nixon v. Warner Commc’ns, Inc., 435 U.S.  589, 598 (1978) (eigene Hervorhebung). 147  Vassiliades v. Israely, 714 F.Supp.  604 (D.Conn. 1989), 604, 606. („Every lawsuit has the potential for creating some adverse or otherwise unwanted publicity for the parties involved. It is simply one of the costs attendant to the filing of an action“). 148 Nach Wright/Miller/Kane, Federal Practice & Procedure – Civil (2019), §  2042 bei Fn. 35–40. 149 Vgl. Miller, (1991) 105 Harv. L. Rev., 427, 432. 150  In re Halkin, 598 F.2d 176, 197 (D.C. Cir. 1979); dazu Marcus, (1983) 69 Cornell L. Rev., 1, 3 f. 151  Vgl. zu dieser Ansicht Miller, (1991) 105 Harv. L. Rev., 427, 477 ff. 152  In 1984 hat der Supreme Court das Missbrauchspotential und den grundsätzlich privaten Charakter der discovery-Erzeugnisse klargestellt: „[P]retrial depositions and interrogatories are not public components of a civil trial. Such proceedings were not open to the public at common law, and, in general, they are conducted in private as a matter of modern practice. Much of the

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hat sie weiter entkräftet. Die Neufassung dieser Vorschrift stellt nämlich klar, dass discovery-Materialien grundsätzlich nicht Teil der Prozessakten werden, bevor sie zur Unterstützung eines Gesuchs zum Einsatz kommen.153 Damit ist die „unfiled discovery“ aus dem Akteneinsichtsrecht Dritter ausgenommen.154 Die Erzeugnisse der discovery gelten als von der Hoheit des Staates unberührte Elemente des Zivilverfahrens, weshalb kein Grund bestehe, Dritten Zugang zu gewähren.155 Dasselbe gilt übrigens erst recht für die Dokumente, die im englischen disclosure-Verfahrens ausgetauscht werden; auch sie sind außerhalb der Reichweite Dritter solange sie nicht Gegenstand der Akte oder des trial wurden.156 Nach deutschem (und wohl generell nach kontinentalem) Zivilprozessrecht, dem der privat-prozessuale Informationsaustausch unbekannt ist und jede Vorlegung über Gericht und Prozessakte vermittelt ist, stellt sich diese Frage zum Zugang auf die „unfiled discovery“ gar nicht erst.157 bb) Einsichtsrecht nach Grad inhaltlicher Auseinandersetzung des Gerichts Damit ist klargestellt, dass nur die Elemente der discovery, die tatsächlich eingereicht und in die Prozessakte aufgenommen wurden, der Allgemeinheit zur Verfügung stehen, solange die Parteien keine Gründe darlegen, die eine Ausnahme in der Form einer gerichtlichen Versiegelungsmaßnahme („sealing order“158) information that surfaces during pretrial discovery may be unrelated, or only tangentially related, to the underlying cause of action.“ Seattle Times Co. v. Rhinehart, 104 S.Ct. 2199, 2208. Zur Zurückdrängung der Bewegung für den öffentlichen Zugang zur discovery, Marcus, (2006) 81 Chi.-Kent L. Rev., 331, 349 ff. 153  Dazu FRCP 5(d): „disclosures under Rule 26(a)(1) or (2) and the following discovery requests and responses must not be filed until they are used in the proceeding or the court orders filing: depositions, interrogatories, requests for documents or tangible things or to permit entry onto land, and requests for admission.“ (eigene Hervorhebung). 154  Wright/Miller/Kane, Federal Practice & Procedure – Civil (2019), §  2042 bei Fn. 5.50. 155  Bond v. Utreras, 585 F.3d 1061, 1066 (7th Cir. 2009): „[T]here is no constitutional or common-law right of public access to discovery materials ex-changed by the parties but not filed with the court. Unfiled discovery is private, not public.“ Dies gilt auch für die depositions: Amato v. City of Richmond, 157 F.R.D. 26, 27 (E.D. Va. 1994) und die Prozessvergleiche, auf die es die Presse oft abgesehen hat, vgl. Pansy v. Borough of Stroudsburg, 23 F.3d 772, 783 (3d Cir. 1994): „The Settlement Agreement is not a ‚judicial record‘, and the district court correctly concluded that the Newspapers cannot obtain access to that document under the right of access doctrine.“ 156  „The ‚records of the court‘ are essentially documents kept by the court office as a record of the proceedings, many of which will be of a formal nature. […] This will include a list of documents, but not the disclosed documents themselves.“ Cape Intermediate Holdings Ltd v. Dring, [2018] EWCA Civ 1795, Rz.  40 f. 157  Die Handakte des Gegners ist natürlich nicht vom Einsichtsrecht des §  299 I ZPO umfasst, Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess (2019), 472. 158  FRCP 5.2(d): „The court may order that a filing be made under seal“.

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

rechtfertigen. Dabei folgen die Gerichte nicht einem pauschalen Standard, sondern stellen darauf ab, inwieweit die geforderte Information bei einer Entscheidung in der Sache berücksichtigt wurde. Wenn sie lediglich einer Entscheidung bezüglich der Handhabung der discovery („non-dispositive motion“) diente – etwa einer Schutzanordnung (FRCP 26(c)) oder Vorlage- oder Duldungsanordnung (FRCP 37(a)) – besteht zwar ein grundsätzliches Zugriffsrecht, das aber schon aus dem für die protective order anwendbare „good cause“ eingeschränkt werden kann.159 Wenn das Gericht, wie im anglo-amerikanischen pre-trial, lediglich als Aufsichtsstelle auftritt, die den Parteien bei der Abwicklung eines privaten Informationsaustausches behilflich ist,160 kann hinsichtlich dieser Entscheidungen kein überragendes Interesse der Allgemeinheit an der Kontrolle staatlicher Machtausübung angenommen werden. Anders ist es, wenn sich das Gericht inhaltlich mit dem Fall auseinandersetzt („dispositive motions“).161 Das ist vor allem bei der Beantragung eines summary judgment der Fall, zumal hier das Gericht, wenn es das Fortschreiten zum trial nicht bewilligt, sogleich das Urteil ausspricht.162 In diesen Fällen kann nur aus zwingenden Gründen („compelling reasons“) eine Zugangssperre zur Prozessakte angeordnet werden.163 Wenn man bedenkt, dass die große Mehrheit der Fälle nicht zum trial gelangt, sondern sich im pre-trial, gerade im summary-judgment-Verfahren, entscheidet, ist eine Erstarkung des öffentlichen Zugangs bei höherer Intensität gerichtlicher Entscheidungsmacht konsequent.

159  „Applying the presumption of access in such a circumstance would undermine a district court’s power to fashion effective protective orders. In short, ‚good cause‘ suffices to warrant preserving the secrecy of sealed discovery material attached to nondispositive motions“, Foltz v. State Farm Mut. Auto. Ins. Co., 331 F.3d 1122, 1135 (9th Cir. 2003), auf Grundlage von Phillips ex rel. Estates of Byrd v. Gen. Motors Corp., 307 F.3d 1206, 1213 (9th Cir. 2002) („when a party attaches a sealed discovery document to a nondispositive motion, the usual presumption of the public’s right of access is rebutted“). 160  Vgl. oben unter C.III.1.c). 161 Vgl. Center for Auto Safety v. Chrysler Group, LLC, 809 F.3d 1092, 1098 f. (9th Cir. 2016). 162  „Because summary judgment adjudicates substantive rights and serves as a substitute for a trial, we fail to see the difference between a trial and the situation before us now.“ Rushford v. New Yorker Magazine, Inc., 846 F.2d 249, 252 (4th Cir. 1988). 163  „The common law right of access, however, is not absolute and can be overridden given sufficiently compelling reasons for doing so“, Foltz v. State Farm Mut. Auto. Ins. Co., 331 F.3d 1122, 1135 (9th Cir. 2003); „A party seeking to seal a judicial record then bears the burden of overcoming this strong presumption by meeting the ‚compelling reason‘ standard.“ Kamakana v. City & Cty. of Honolulu, 447 F.3d 1172, 1178 (9th Cir. 2006).

II. Der Ausschluss der Partei von der Beweisaufnahme

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c) Fazit zur vergleichenden Betrachtung des Aktenzugangs Die hohe Achtung der Öffentlichkeit des trial wirkt bis heute fort und lässt einen Gleichlauf in der Einschränkbarkeit der Öffentlichkeit im US-amerikanischen und englischen Zivilprozessrecht erkennen. Beim Zugang zur Prozessakte schlägt das US-amerikanische Recht aber durch die Anerkennung freier Zugänglichkeit einen Sonderweg ein, sodass hier das englische und deutsche Zivilprozessrecht im Grundsatz der Unzugänglichkeit der Prozessakte übereinstimmen und nur bei einem „berechtigten“ bzw. „rechtlichen Interesse“ Dritten Zugang gewährt. Trotz der Unterschiede im Grundsatz richten sich aber englische wie auch US-amerikanische Gerichte bei der Zugangsbewilligung bzw. -verweigerung nach dem Grad der gerichtlichen Auseinandersetzung mit den geforderten Inhalten der Akte (Vorliegen eines „effective hearing“ bzw. einer „(non) dispositive motion“); eine Gemeinsamkeit, die auf die Eigenheiten des pre-trial zurückzuführen ist.

II. Der Ausschluss der Partei von der Beweisaufnahme Risiken der Informationsverbreitung an die Allgemeinheit werden in der Hauptverhandlung also durch den Ausschluss der Öffentlichkeit gebannt. Sonst wird der Zugang Dritter zu Prozessinhalten im Einzelfall durch Einsichtsrechte reguliert. Wird die Allgemeinheit ausgeschlossen, ist der Prozess nur noch für den engen Kreis der Beteiligten eine direkte Informationsquelle, deren Kommunikationsverhalten durch begleitende Verschwiegenheitsanordnungen kontrolliert wird. Eine schädigende Verwendung oder unzulässige Verbreitung der beigebrachten Informationen ist danach meist unwahrscheinlich. In besonderen Situationen ist die Offenbarung an den Prozessgegner jedoch eine Gefahr für sich – unabhängig von den Risiken öffentlicher Verbreitung. Das besondere Risiko parteilicher Kenntnisnahme tritt meistens dort auf, wo sich im Prozess Konkurrenten gegenüberstehen und der Verhandlungsstoff Informationen umfasst, die für ihren ausschließlichen Besitzer einen Wettbewerbsvorteil bedeuten. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang daher der Schutz von Unternehmensgeheimnissen. Wie die nachfolgende Untersuchung aber zeigen wird, kommen durchaus auch andere Formen zweckwidriger Informationsverwendung durch eine Partei in Betracht. Hier bieten sich die Mittel prozessualer Zweckbindung an: Die Partei, von der das Risiko ausgeht, kann vom Prozessgeschehen ausgesperrt oder zur Unterlassung anderweitiger Informationsverwendung verpflichtet werden. Die effektivere Form ist freilich der Parteiausschluss. Er ist aber zugleich eine grobe Verletzung der Grundsätze der Verfahrensteilhabe

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

und daher höchst umstritten – gerade in der beweisförmigen Aufklärung. In diesem Abschnitt wird daher dem Problem des Ausschlusses der Partei von der Beweisaufnahme vergleichend nachgegangen. Es wird sich herausstellen, dass die untersuchten Zivilprozessrechte in diesem Punkt dieselbe Grundhaltung zeigen. Sowohl im trial des common law (2) wie auch in der deutschen Beweisaufnahme (3) ist ein beweisrechtliches Geheimverfahren unzulässig. Aus dieser Sicht verwundert es, dass von den deutschen Fürsprechern eines beweisrechtlichen Geheimverfahrens der anglo-amerikanische Zivilprozess regelmäßig als Vorbild einer Prozessauffassung angeführt wird, die einem in-camera-Verfahren offen gegenübersteht. Dieser wunderliche Umstand wird im Anschluss erörtert (4). Bevor aber mit dem Rechtsvergleich zum Parteiausschluss begonnen werden kann, muss eine grundlegende Unterscheidung eingeführt werden, die den Rest dieser Untersuchung durchziehen wird: Informationskontrolle soll nicht mit der Optimierung der Entscheidungsposition des Gerichts verwechselt werden (1).

1. Informationskontrolle und Entscheidungsoptimierung Trifft ein Informationsgesuch auf den Einwand, der Gegner könne zweckwidrigen Gebrauch von den geforderten Informationen machen, ist das Gericht zur Überprüfung und ggf. Abwägung des Informations- und Geheimhaltungsinteresses aufgerufen. Das Gericht hat zu bestimmen, ob die befürchtete Alternativverwendung rechtswidrig ist, welches Gewicht dem Risiko im Verhältnis zum Informationsinteresse beizumessen ist, und hat sodann – von diesen Erwägungen geleitet – eine Wahl zwischen den (prozessrechtlich) verfügbaren Mitteln der Informationskontrolle zu treffen, um das Risiko zu verringern oder zu beseitigen (Parteiausschluss, Schweigepflicht/Nutzungsverbot oder vorbeugende Befreiung von der Informationspflicht). Ganz unabhängig davon stellt sich dem Gericht ein zweites, vorgeschaltetes Problem, nämlich die Frage, auf welcher Grundlage es die Entscheidung über die Schutzwürdigkeit der Information und Eignung des Mittels zur Informationskontrolle treffen soll. Sobald die Information aufgrund angeblicher Geheimhaltungsinteressen verweigert wird, eröffnet sich dem Gericht das Problem der optimalen Entscheidungsposition. Der Entscheidungsvorgang hat zwei verschiedene Qualitätsstufen. Auf niedriger Stufe befindet sich die abstrakte, „blinde“ Abwägung aufgrund der äußeren Beschreibungen der Parteien zu den umstrittenen Erkenntnisquellen. Auf der zweiten, höherrangigen Stufe erfolgt die Entscheidung aufgrund unmittelbaren Einblicks in die umstrittene Information. Dieser muss, um sinnvoll zu sein, in-camera, also unter Ausschluss der nicht-informierten Partei durchgeführt werden. Ansonsten würde schon während des Zwischenverfahrens zur Prüfung der Informationsverweigerung dem Gegner die Information offen­

II. Der Ausschluss der Partei von der Beweisaufnahme

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gelegt werden; die Durchführung des Zwischenverfahrens würde dann faktisch die Entscheidung zur Freigabe der Information vorwegnehmen.164 Das Gericht hat also im Wesentlichen zwei Möglichkeiten die Entscheidungen zur Informationskontrolle zu treffen: entweder „blind“, aufgrund der Beschreibungen der informierten Partei oder im Wege eines in-camera-Einblicks in die angeblich schutzwürdigen Informationen.165 Es ist wichtig zu erkennen, dass der Parteiausschluss im Zwischenverfahren eine völlig andere Bedeutung hat, als der Parteiausschluss im Hauptsacheverfahren. Im Zwischenverfahren ist er eine Vorkehrung zur Optimierung der Entscheidung des mit der Frage der Informationskontrolle befassten Gerichts, im Hauptverfahren (etwa bei der Beweisaufnahme) ist er das Mittel zur Informationskontrolle selbst, er soll die prozessuale Verwertung der als schutzwürdig erkannten Information ermöglichen und zugleich ihre schädigende Verwendung durch die Partei verhindern. Wenn von einem Parteiausschluss die Rede ist, können also diese zwei unterschiedlichen Funktionen gemeint sein. Mit dieser Unterscheidung im Hinterkopf kann man nun zur vergleichenden Analyse des Ausschlusses der Partei von der Beweisaufnahme fortschreiten.

2. Kein Parteiausschluss im trial a) Kein Parteiausschluss im US-amerikanischen trial In den USA ist das Anwesenheitsrecht der Zivilpartei im trial so tief im Rechtsempfinden verankert, dass es meist nicht als eigenständiges Recht wahrgenommen wird; schon gar nicht als eines, das einer eindeutigen Herleitung bedürfte.166 In der Tradition des jury-trial ist die Anwesenheit der Partei Wesensbedingung einer parteigeführten Verhandlung und denknotwendig mit ihr verbunden. Ihre Ausschließung würde daher einer verfassungswidrigen Verweigerung des jury-trial gleichkommen.167 Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann sich das Recht auf ein jury-trial und das Parteirecht auf Anwesenheit in der Rechtsprechung gedanklich zu unterscheiden. Anlass war die Praxis der Gerichte, der 164 

Darauf wird am Schluss noch genauer eingegangen, unter E.II 3. Eine weitere Möglichkeit ist die Zuhilfenahme eines neutralen Dritten, dazu später unter D.III.1.b)aa). 166  „In the typical civil action, the right of a litigant to be present in the courtroom during trial is unquestioned. […] [W]e simply tend to assume that parties to an action will be present during trial proceedings. If we thought about the issue, we might even sense that litigants have a right to be present at trial. Few of us, however, would be able to articulate the nature of that right. Still less would we be able to think of circumstances in which parties might be excluded from their own trials.“ Grunes, (1988) 38 Cas. W. Res. L. Rev., 387 f. 167  So etwa ein Gericht in New York: „[T]he fundamental constitutional right of a person to have a jury trial in certain civil cases includes […] the ancillary right to be present at all stages of such a trial, except deliberations of the jury“. Carlisle v. Nassau Cty., 408 N.Y.S.2d 114, 116 (1978). 165 

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

jury nach Abschluss der Verhandlung und Rückzug in die Beratungskammer ergänzende Anweisungen zur Entscheidungsfindung zu geben.168 Im Jahre 1919 hat der Supreme Court die Unzulässigkeit dieses Vorgehens klargestellt, eben aus dem Grund, dass es in Abwesenheit der Parteien stattfindet, deren Anwesenheitsrecht sich auf jede Kommunikation mit der jury erstrecke; einschließlich der Beratungsphase, nach Ablauf des trial.169 In den Folgejahren ging die Rechtsprechung davon aus, dass sich dieses Anwesenheitsrecht nicht auf anwaltliche Vertretung beschränkt, sondern auf das persönliche Erscheinen der Partei bezieht.170 In den sechziger Jahren trat die Idee eines Anwesenheitsrechts erneut aus der Selbstverständlichkeit hervor und wurde Gegenstand einer Debatte, diesmal in einem ganz anderen Zusammenhang. Es ging um Klagen zum Ersatz von Personenschaden („personal injury“), bei denen die klagenden Parteien schwere Verletzungen, Entstellungen oder geistige Behinderungen (bis hin zum Komazustand) davongetragen hatten. Die Anwälte dieser Parteien sahen offenbar einen Vorteil darin, die klagenden Opfer – die oft nicht in der Lage waren, im Verfahren mitzuwirken oder es gar wahrzunehmen – für die jury gut sichtbar im Sitzungsraum zu platzieren. Unter Anführung der Gefahr unsachgemäßer Beeinflussung der jury („unfair jury prejudice“) hat sich daher eine Rechtsprechung gebildet, die Fälle, in welchen die Partei dem Verfahren nicht zu folgen vermag und deshalb dem Anwalt bei der Vernehmung auch keine unterstützenden Hinweise geben kann, vom Anwesenheitsrecht ausnimmt.171 Außerhalb dieser Fallgruppe und dem klassischen Extremfall einer Partei, die das Gericht in Anwendung seiner contempt-Befugnisse wegen ungebührlichen Verhaltens des Sitzungssaals verweist,172 wird der Ausschluss vom trial nicht einmal erwogen. Die Ausnahme der personal-injury-Rechtsprechung ist eng mit 168 

Erstmals in Stewart v. Wyoming Cattle Ranche Co., Ltd128 U.S.  383 (1888) zog man in Erwägung, ob trotz streckenweiser Abwesenheit der Parteien an ein gerechtes Urteil überhaupt zu denken sei (dazu Ippolito, (2004–2005) 23 Buff. Pub. Int. L.J., 89, 97). In diesem Fall hatte sich das Gericht nach Abschluss der Verhandlung und in Abwesenheit der Parteien und ihrer Anwälte mit der jury ausgetaucht. 169  Fillippon v. Albion Vein Slate Co., 250 U.S.  76 (1919), 81. Dem folgend Arrington v. Robertson, 114 F.2d 821 (3d Cir. 1940). Fillippon v. Albion Vein Slate Co. enthält keine Ausführungen zur verfassungsrechtlichen Herleitung des Anwesenheitsrechts. Bei Arrington v. Robertson 114 F.2d 821, 823 (3d Cir. 1940) wird es der due process clause des Fifth Amendment zugeordnet. Weitere Hinweise bei Grunes, (1988) 38 Cas. W. Res. L. Rev., 387, 393. 170  Ippolito, (2004–2005) 23 Buff. Pub. Int. L.J., 89. 171  Erfüllt muss dafür der in Helminski v. Ayerst Laboratories, 766F.2d 208 (6th Cir. 1985) entwickelte Helminski-Test sein, dessen Einzelheiten hier nicht von Belang sind. Zum Ganzen Ippolito, (2004–2005) 23 Buff. Pub. Int. L.J., 89, 109–111. Es gibt jedoch state courts, wie etwa der Supreme Court in Georgia, die selbst in diesen Fällen einen Parteiausschluss ablehnen, dazu Farber, (2014) 44 Rutgers L.J., 709. 172  Zu diesbezüglichen Abgrenzungsfragen Goldschmidt, (2008), 31 Hamline L. Rev., 1 ff.

II. Der Ausschluss der Partei von der Beweisaufnahme

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der Rolle des Geschworenengerichts verbunden: ihr Zweck ist es, die Entscheidungsfähigkeit der jury vor irreführenden Gefühlsregungen zu schützen. Sie ist funktional daher gerade nicht dem hier untersuchten Bereich der zweckbindenden Informationskontrolle zuzuordnen. Ein Parteiausschluss, der den zweckwidrigen Gebrauch des Verhandlungsstoffes unterbinden soll, ist im US-amerikanischen civil trial nicht vorgesehen. b) Kein Parteiausschluss im englischen trial In England kommt in Zivilsachen die jury kaum noch zur Anwendung,173 sodass eine Ausnahme wegen unbotmäßiger Beeinflussung von Laien entfällt. Daher ist der Grundsatz der Parteianwesenheit im trial nahezu absolut. In der bedeutenden Al-Rawi-Entscheidung hat der englische Supreme Court untersucht, ob das common law eine Grundlage für ein zivilprozessuales Geheimverfahren biete. Lord Dyson betonte, dass sich im case law keine Fälle fänden, in denen zum Schutz eines Geheimhaltungsinteresses eine Partei vom trial ausgeschlossen worden wäre.174 Eine derartige Einschränkung der Parteirechte im trial müsse mangels klarer Grundlage im common law oder Gesetz abgelehnt werden.175 Ein Jahr später hatte ein Richter des High Court zu entscheiden, ob die Beklagten von Teilen einer Beweisaufnahme ausgeschlossen werden könnten, die schutzwürdige Finanzinformationen des Klägers betrafen.176 Dieser befürchtete, die Gegner würden die Information nutzen, um ihm, etwa durch die Vereitelung bevorstehender Finanzgeschäfte, Schaden zuzufügen. Auch hier fand der Richter keine Grundlage für einen Parteiausschluss und selbst die Nachfrage bei seinen im Patentrecht spezialisierten Richterkollegen, die mit gewerblichem Geheimnisschutz ständig beschäftigt sind, konnte keinen Präzedenzfall liefern.177 Angesichts der Al-Rawi-Entscheidung kommt er zum Schluss, dass „at common law the court has no jurisdiction to deny a party access to the evidence at trial. But if the jurisdiction does exist, it is in my judgment so exceptional as to be of largely theoretical interest only.“178 173  Nur noch bei Klagen aus Beleidigung, Verleumdung, böswilliger Strafverfolgung, ungesetzlicher Haft und Betrug, Senior Court Act 1984 sec. 69 und County Court Act 1984 sec. 66. Vgl. Bunge, Zivilprozess und Zwangsvollstreckung in England (2005), 88; Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  22.1. 174  „I am not aware of a case in which a court has approved a trial of such a case proceeding in circumstances where one party was denied access to evidence which was being relied on at the trial by the other party.“ Al-Rawi v. Security Service, [2011] 3 WLR 388, 409. 175  Al-Rawi v. Security Service, [2011] 3 WLR 388. 176  Re Coroin Ltd, [2012] EWHC 1158 (Ch), per J. Richards. 177  „I asked the current specialist patent judges, Kitchin LJ, Floyd J and Arnold J, whether they had any experience, either at the bar or on the bench, of such a trial. None of them could remember any instance of it.“ Re Coroin Ltd, [2012] EWHC 1158 (Ch), Rz.  42. 178  Re Coroin Ltd, [2012] EWHC 1158 (Ch), Rz.  50.

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

Eine Hauptverhandlung, in der die Partei keine Gelegenheit hat, den Zeugenaussagen beizuwohnen, gegen sie vorgebrachte Dokumente zu untersuchen, die Beweisführung des Gegners auf die Probe zu stellen und stattdessen in eine einseitig unzugängliche Gerichtsentscheidung mündet,179 gilt als Missachtung der „naturrechtlichen“ Prinzipien des common law trial.180 Und wenn abzusehen ist, dass die Wahrung dieser Parteirechte im Einzelfall schwerwiegende Folgen haben könnte, z. B. die Gefährdung laufender Ermittlungen von Drogendelikten, dann wird nicht etwa von einem Grundsatz der Parteianwesenheit eine Ausnahme gemacht, sondern, unter Anwendung der inherent jurisdiction, die Möglichkeit eines trial überhaupt verneint181 und die Klage ausgestoßen („strike out“182). Im Extremfall ist gar keine Verhandlung einer „unfairen“ Verhandlung also vorzuziehen. Ein trial ohne umfassende Parteianwesenheit wird kaum als trial im eigentlichen Sinne – als die gebotene Form legitimen Rechtsschutzes – angesehen; das verfassungsmäßig zugesicherte Verfahren lässt sich in einem einseitigen „trial“ nicht wiedererkennen und verdient auch dessen Namen nicht (und wird daher „closed material proce­ dure“ genannt183). Erfordert der Einzelfall zum Schutz des allgemeinen Interesses 179 

Lord Dyson beschreibt dieses in Zivilsachen für unzulässig erklärte „close material procedure“ folgendermaßen: „The closed material procedure excludes a party from the closed part of the trial. He cannot see the witnesses who speak in that part of the trial; nor can he see closed documents; he cannot hear or read the closed evidence or the submissions made in the closed hearing; and finally he cannot see the judge delivering the closed judgment nor can he read it.“ Al-Rawi v. Security Service, [2011] 3 WLR 388, 402. 180  „[T]rials are conducted on the basis of the principle of natural justice. There are a number of strands to this. A party has a right to know the case against him and the evidence on which it is based. He is entitled to have the opportunity to respond to any such evidence and to any submissions made by the other side. The other side may not advance contentions or adduce evidence of which he is kept in ignorance. […]. Another aspect of the principle of natural justice is that the parties should be given an opportunity to call their own witnesses and to cross-examine the opposing witnesses“, Al-Rawi v. Security Service, [2011] 3 WLR 388, 397 (per Lord Dyson), dazu Andrews, On Civil Processes (2013), 338 f. 181  So wurde einem ehemaligen Polizeispitzel das Recht verweigert, die von der Polizei angeblich versprochene Entlohnung für seine Auskünfte einzuklagen. Der Grund war, dass bei Klageerhebung die Wahrung eines fair trial die Offenlegung strenggeheimer Ermittlungsmethoden zur Folge hätte, was die Zwecke der Strafverfolgung, die Ermittler und die Informanten gefährden würde, Carnduff v. Rock, [2001] 1 WLR 1786, 1798: „[T]he court’s investigation will inevitably cover sensitive areas which should, in the public interest, remain confidential to the police. In such circumstances, it would in my judgment be contrary to the public interest that a trial of the action should take place.“ (per Lord Parker). 182  Kritisch dazu Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  19. 23 zumal die Anwendung des strike out nach CPR 3.4 der Vermeidung missbräuchlicher Klagen dient, was in Carnduff v. Rock nicht der Fall war. 183  Al-Rawi v. Security Service, [2011] 3 WLR 388, passim. Seit dem Justice and Security Act 2013 gem. CPR 82 in äußersten Ausnahmen zum Schutz der nationalen Sicherheit anwendbar. Kritisch Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  19. 95 ff.

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eine absolute Kontrolle der prozessrelevanten Informationen, gilt er als „unverhandelbar“ („untriable“).184 Lieber wird der Rechtsschutz ganz verweigert, anstatt die Parteianwesenheit und damit die Grundstruktur des trial anzutasten.

3. Kein beweisrechtliches Geheimverfahren im deutschen Zivilprozess Das Recht der deutschen Zivilpartei, Kenntnis über den Prozessstoff zu erhalten, ist keineswegs eine verschwiegene Selbstverständlichkeit, sondern ausdrücklich normiert. Das Recht auf Einsicht in die Akten (§  299 I ZPO) und Anwesenheit bei Gerichtsterminen (§§  137 IV, 357 I ZPO) sind Ausformungen eines allgemeinen Grundsatzes der Parteiöffentlichkeit.185 Diese ermöglicht die Wahrnehmung grundlegender Parteirechte186 und gilt somit als Ausfluss des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art.  103 I GG).187 Nach der klassischen Formel dürfen „einer gerichtlichen Entscheidung regelmäßig nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen die Beteiligten Stellung nehmen konnten“.188 Die anerkannten Ausnahmen beschränken sich auf Fälle der Verhand184 Dazu

Lord Dyson: „As Carnduff v. Rock [2001] 1 WLR 1786 demonstrates, the court may be faced with the stark choice between depriving a defendant of the means to defend himself and striking out the claim on the grounds that it is untriable“, Al-Rawi v. Security Service, [2011] 3 WLR 388, 400. Kritisch dazu die Mindermeinung von Lord Mance, der für solche Fälle die Anordnung einer einvernehmlichen Geheimverhandlung im Rahmen der inherent power für möglich und vorzugswürdig hält. Dabei kommt die in der deutschen Diskussion beliebte Idee des Verzichts zum Tragen: „I myself see no reason why the court should not in such circumstances be able and prepared to offer the claimant the chance, if he or she wished, to pursue the claim by a closed material procedure, during which his or her interests would be represented by a special advocate“ (422, Rz.  116). 185  Musielak/Voit/Stadler, §  357 Rn.  1. In Verbindung mit §  137 IV ZPO erstreckt sich das Anwesenheitsrecht auf alle Stadien der Verhandlung, MüKoZPO/Zimmermann, §  169 GVG Rn.  71. 186  Namentlich die Fragerechte (§§  397, 402, 451 ZPO) und das Recht zur Stellungnahme zum Beweisergebnis (§  285 I ZPO). Zu diesem Zusammenhang Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts (1974), 437 f. 187  OLG München NJW-RR 1988, 1534 (1535); MüKoZPO/Heinrich, §  357 Rn.  1; Stein/ Jonas/Berger23, §  357 Rn.  1; Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess (2019), 513 f. 188  BVerfG NJW 1981, 1719, 1721; NJW 1960, 31; BGH NJW 1983, 822, 823. Diese Formel wird mit leichten Abweichungen ständig wiederholt. In BVerfG NJW 1995, 2095, 2096 wird etwa der Aspekt der Einflussnahme betont: „Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist eine Folgerung aus dem Rechtsstaatsgrundsatz für das gerichtliche Verfahren. Der einzelne soll vor einer Entscheidung, die seine Recht betrifft [sic], zu Wort kommen, um Einfluß auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können.“ Dieses Recht auf Äußerung ist zwar nicht die einzige, aber die „augenfälligste Ausprägung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs“, Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör (2000), Rn.  54. Das Äußerungsrecht setzt ein Recht auf Information voraus. Insgesamt sichert das Gehörsrecht „den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung ihres Vorbringens mit der Folge, dass sie ihr Verhalten im Prozess eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können.“ BVerfG NJW 2007, 224.

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lungsstörung189 oder den Schutz der Intimsphäre bei körperlichen Untersuchungen.190 Die Ausschließung einer Partei von Verfahrensabschnitten ist dem geschriebenen Zivilprozessrecht unbekannt. In der Lehre ist die Frage des Parteiausschlusses heftig umstritten. Das BVerfG hat zum in-camera-Verfahren im Verwaltungsprozess Stellung genommen und dabei zur Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Geheimnisschutz und effektivem Rechtsschutz aufgerufen,191 was den Meinungsstreit über die Einführung eines zivilprozessualen Geheimverfahrens allerdings nicht beseitigt, sondern nur weiter geschürt hat.192 Den Stellungnahmen des BGH ist zu entnehmen, dass er nach aktueller Rechtslage ein beweisrechtliches Geheimverfahren im deutschen Zivilprozess für unzulässig hält. Er hat dies Ende 2015 noch einmal unterstrichen: „Eine Art Geheimverfahren, um Betriebsgeheimnisse zu wahren, ist mit dem geltenden Zivilprozessrecht unvereinbar“.193 Auch der Gesetzgeber hat sich selbst angesichts seines dringendsten Anwendungsbereichs – die „Geschäftsgeheimnisstreit­sachen“ (§  16 I GeschGehG) – davor gescheut, ein solches einzuführen.194 Allerdings ist die Ablehnung einer in-camera-Beweisaufnahme nicht so deutlich wie im common law. In der Rechtsprechung der Instanzgerichte gab es nämlich durchaus Versuche, die Gutachtenvorbereitung unter Ausschluss einer Partei durchzuführen und auch der BGH ist in seiner Ablehnung dieses Vorgehens nicht immer eindeutig. Die Lehre ist, sofern sie sich nicht einem der festen Meinungspole anschließen will,195 ebenfalls unschlüssig, ob und in welcher Gestalt sie ein Geheimverfahren im Zivilprozess gutheißen will.196 Eine Auseinandersetzung 189 MüKoZPO/Heinrich,

§  357 Rn.  9. §  357 Rn.  27 f. („[D]er Ausschluß einer Partei von (Teilen) einer Beweisaufnahme [wird] nur höchst ausnahmsweise zugelassen, etwa bei einer körperlichen Untersuchung einer anderen Partei“). 191  Dazu sogleich unter D.II.3.b). 192 Vgl. McGuire, GRUR 2015, 424, 431 f. 193  BGH NJW-RR 2016, 606, 608 Rz.  18, unter Bezugnahme auf OLG Köln NJW-RR 1996, 1277. Sich hierauf berufend OLG Hamm BeckRS 2019, 11091, Rz.  3. 194  Nach §  19 I 3 GeschGehG ist zu geheimhaltungsbedürftig eingestuften Informationen „mindestens einer natürlichen Person jeder Partei“ Zugang zu gewähren und damit ein Geheimverfahren ausgeschlossen. Dies bedeutet, dass in Zivilstreitigkeiten, die nicht Geschäftsgeheimnisstreitsachen sind, der Parteiausschluss künftig eindeutig als unzulässig anzusehen ist. 195  Auf der einen Seite wohl Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 223 ff. (Parteiausschluss ganz ohne anwaltliche Vertretung) und Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 231 ff. (Parteiausschluss mit vom Gericht bestimmten Prozessvertreter); auf der anderen Seite etwa Baumgärtel, in: FS Habscheid (1989), 1, 8 (völlige Ablehnung, auch de lege ferenda), so auch Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör (2000), Rn.  51. 196  Bezeichnend ist Gregers „Unbehagen“ bei der Befürwortung eines Parteiausschlusses beim Sachverständigenbeweis, Zöller/Greger, §  404a Rn.  6. Auch Gottwald sieht in der „gene190 Wieczorek/Schütze/Ahrens,

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mit der deutschen Rechtsprechung und Lehre zu den Möglichkeiten, die Zivilpartei vom Prozessgeschehen auszuschließen, könnte rechtsvergleichende Einsichten beisteuern, weshalb sich das Eintauchen in die Debatte lohnt. Es werden zwei Wege nachgezeichnet, über die sich der Parteiausschluss als Mittel der Informationskontrolle in der Beweisaufnahme zu etablieren versuchte.197 Zuerst hat man versucht, schutzwürdige Tatsachen weder dem Gericht noch dem Gegner mitzuteilen, sondern einzig dem Sachverständigen zur Begutachtung offenzulegen, durch das sog. „black-box-Verfahren“198 (a). Der zweite Versuch betrifft das eigentliche beweisrechtliche Geheimverfahren, also die Offenlegung von schutzwürdigen Tatsachen an das Gericht, jedoch ohne Beisein einer Partei. Die Anregungen dazu kommen teils aus der Lehre, teils aus Entscheidungen des BVerfG und zeigen das Bestreben, auf Kosten der Gehörsgewährung praktische Konkordanz zwischen Geheimnisschutz (z. B. aus Art.  12 I GG) und effektivem Rechtsschutz (Art.  2 II i. V. m. Art.  20 III GG) herzustellen (b). a) Der Parteiausschluss im black-box-Verfahren Der Aufklärungsschwerpunkt des deutschen Zivilprozesses befindet sich, wie gesagt, in der Beweisphase, im Rahmen derer besonders die Vorbereitung des Sachverständigenbeweises zu discovery-äquivalenten Ermittlungen führen kann.199 Da wundert es nicht, dass das Risiko der Kenntnisnahme des Gegners – und das Bestreben, den Gegner von missbrauchsanfälligen Informationen fernzuhalten – bei den Besichtigungen des Sachverständigen zum Tragen kommt. Es bestand lange Unklarheit darüber, ob das Anwesenheitsrecht, das der Partei gem. §  357 I ZPO in der Beweisaufnahme zusteht, auf die vorbereitenden Ermittlungen des Sachverständigen vorwirkt. Die Frage stellte sich, da diese Vorbereitungen nicht Teil der Beweisaufnahme sind,200 sodass §  357 I ZPO zumindest nicht relle[n] analoge[n] Anwendung“ materiellrechtlicher Normen die Grundlage, um „unmittelbare Einsicht in Geschäftsgeheimnissen nur dem gerichtlichen Sachverständigen (und Anwälten)“ zu gewähren, wobei die genaue Ausgestaltung unklar bleibt. Jedenfalls soll es sich dabei nicht um ein „unzulässiges ‚Geheimverfahren’“ handeln, Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018) §  117 Rn.  44. Auch Prütting, zeigt sich offenbar kompromissbereit, wenn er fordert, dass alle Tatsachen und Beweismittel „wenigstens“ dem Gericht offenbart werden (MüKo­ ZPO/Prütting, §  285 Rn.  13) – also nicht unbedingt auch beiden Parteien? 197  Die Unterscheidung nach Bornkamm, in: FS Ullmann (2006), 893, 904 f. 198  Der Ausdruck wird hier in Abgrenzung zum in-camera-Verfahren verwendet, in dem das Gericht die Tatsachen unter Ausschluss einer Partei berücksichtigt. So auch bei McGuire, GRUR 2015, 424, 430. 199  Diese Äquivalenz betont Landwehr, Die Pretrial Discovery (2017), 119 f. 200 MüKoZPO/Heinrich, §  357 Rn.  8. Nur die Entgegennahme des schriftlichen Gutachtens oder die Befragung des Sachverständigen sind „Beweisaufnahme“, Wieczorek/Schütze/Ahrens, §  357 Rn.  20; OLG München BeckRS 2015, 10739 Rz.  16.

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unmittelbar Anwendung findet.201 Nach anfänglichem Zögern202 wurde ein Anwesenheitsrecht in Rechtsprechung und Lehre anerkannt, wobei die dogmatische Herleitung bis heute unklar ist (Kandidaten sind: Gehörsgewährung,203 Waffengleichheit,204 faires Verfahren,205 direkte206 oder analoge207 Anwendung des §  357 I ZPO, sowie Sachdienlichkeit des Zugriffs auf das Parteiwissen208). Wie auch immer die Rechtfertigung ausfallen mag, die Mitwirkung an den Ermittlungen des Sachverständigen verdient nicht die Hochachtung, die der Teilhabe an der Beweisaufnahme entgegengebracht wird. Ihre genaue Ausgestaltung untersteht nach §  404a IV ZPO zwar ausdrücklich der Bestimmung des Gerichts (und nicht des Sachverständigen209). Das Gericht hat aber – sofern es den Sachverständigen zur Aufklärung befugt – nach pflichtgemäßem Ermessen210 zu entscheiden, „inwieweit er mit den Parteien in Verbindung treten darf und wann er ihnen die Teilnahme an seinen Ermittlungen zu gestatten hat“ (§  404a IV ZPO). Ein Gutachten, das unter Ausschluss einer Partei zustande kommt, ist zwar „regelmäßig“ unverwertbar,211 nur bietet der Kontext seiner Vorbereitung im Vergleich zur Beweisaufnahme eine flexible Handhabe, durch die ausnahmsweise die Partei doch ausgeschlossen werden darf: etwa wenn die Anwesenheit einer Partei für überflüssig gehalten wird,212 oder befürchtet wird, dass eine Partei das

201  Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess (2015), Kap.  5 Rn.  22 (§  357 I gewährt kein Recht der Parteien, an der Tatsachenermittlung durch Hilfspersonen teilzunehmen). 202  Das Reichsgericht hat nur in Sonderfällen ein Anwesenheitsrecht der Partei bei den Ermittlungen des Sachverständigen befürwortet, vgl. Späth, Die Parteiöffentlichkeit des Zivilprozesses (1995), 140 f. Darauf folgte eine a contrario sensu-Anerkennung durch den BGH, BGH ZZP 67 (1954), 295, 297. 203  OLG München NJW 1984, 807; OLG Köln NJW-RR 1996, 1277. 204  OLG Karlsruhe DS 2011, 39. 205  OLG Dresden NJW-RR 1997, 1354. 206  Zur Sachverständigenermittlung als „integraler Bestandteil des richterlichen Erkenntnisvorgangs“, Schnapp, in: FS Menger (1985), 557, 566. So offenbar auch der Gesetzgeber bei der Einführung des §  404a ZPO: „Die Vorschrift über eine Teilnahme der Parteien an den Ermittlungen des Sachverständigen geht von dem Grundsatz der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme aus“, BT-Drs. 11/3621 40. 207  Nach Musielak/Voit/Stadler, §  357 Rn.  2 entspricht dies der überwiegenden Meinung, vertreten u. a. von Stein/Jonas/Berger23, §  357 Rn.  9. Nach MüKoZPO/Heinrich, §  357 Rn.  8 lässt sich ein grundsätzliches Teilnahmerecht aus dem allgemeinen Rechtsgedanken des §  357 ZPO herleiten. 208  Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess (2015), Kap.  47 Rn.  36–38; Schnapp, in: FS Menger (1985), 557, 565. 209  OLG Dresden NJW-RR 1997, 1354, 1355. 210 Wieczorek/Schütze/Ahrens, §  404a Rn.  32. 211  BVerwG NJW 2006, 2058 f. Rz.  6. 212  Schnapp, in: FS Menger (1985), 557, 567; MüKoZPO/Zimmermann, §  404a Rn.  11.

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Beweisergebnis zu ihrem Gunsten beeinflussen könnte.213 Bei ärztlichen Untersuchungen widersprechen sich das Persönlichkeitsrecht und das parteiliche Interesse an Teilhabe an der Begutachtung. Die Gerichte sehen hier einen Parteiausschluss für geboten, geben der Geheimhaltung also Vorrang gegenüber dem parteilichen Anwesenheitsrecht.214 Bei der Begutachtung tritt also eine „Schwachstelle“ des durchgehend strengen Grundsatzes der Parteiöffentlichkeit hervor. So lag es nahe, auch dem Risiko zweckwidriger Verwendung von Unternehmensinformationen auf dieser Ebene entgegenzutreten: Die Partei, von der ein Risiko ausgeht (Konkurrent) könnte von der Gutachtenvorbereitung (etwa der Sichtung geheimer Geschäftsunterlagen) ausgeschlossen werden. Schutzwürdige Tatsachen würden im Gutachten berücksichtigt, dort aber nicht offengelegt werden. Der Vorteil dieses Vorgehens: Die eigentliche Beweisaufnahme – die Vorlage des Sachverständigengutachtens – kann unter Einhaltung der Parteiöffentlichkeit nach §  357 I ZPO und zugleich ohne Gefährdung der Geheimnisse durchgeführt werden. Diese „Umgehung“ der beweisrechtlichen Parteiöffentlichkeit hat sich nicht durchgesetzt. Zunächst stellte der BGH klar, dass ein Parteiausschluss (durch Nichtbenachrichtigung einer Partei) bei der Gutachtenvorbereitung die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen begründe215 (§  406 I i. V. m. §  42 II ZPO) und das Gutachten daher unverwertbar werde. Dabei macht er deutlich, dass die Gefahr, der Konkurrent könne die Informationen zur Erlangung eines Wettbewerbsvorteils missbrauchen, kein gültiger Einwand gegen die Befangenheitsrüge sei.216 Wenn dem Sachverständigen selbst nicht gestattet ist, durch eine einseitige Begutachtung für Geheimnisschutz zu sorgen, ohne automatisch parteilich zu erscheinen, stellt sich die Frage, ob die Zweckbindung der begutachteten Information dadurch erreicht werden könnte, dass der Parteiausschluss mit Einvernehmen des Gerichts erfolgt. Das ist jedenfalls einmal gelungen. In einer urheberrechtlichen Streitigkeit billigte das OLG Nürnberg die verdeckte BegutachÜberflüssig ist sie etwa bei einer nach objektiven Methoden erfolgenden Raumluftmessung, OLG Dresden NJW-RR 1997, 1354, 1355. 213 Stein/Jonas/Berger23, §  404a Rn.  15; z. B. in OLG Hamm BeckRS 2015, 01014 Rz.  4. 214  Vgl. OLG München NJW-RR 1991, 896; OLG Köln DS 2010, 244; OLG München BeckRS 2015, 10739 Rz.  18; Schnapp, in: FS Menger (1985), 557, 567. Für eine Abwägung zwischen Privat-und Intimsphäre und dem rechtlichen Gehör vgl. OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2011, 05280. 215  BGH NJW 1975, 1363; OLG München NJW-RR 1998, 1687; OLG Karlsruhe DS 2011, 39 m. w. N. Generell zur Besorgnis der Befangenheit aufgrund einseitigem Parteikontakt, vgl. Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess (2015), Kap.  46 Rn.  27, 29. 216  Das Argument „die Anwesenheit der anderen Partei bei der Besichtigung im Betrieb sei aus Konkurrenzgründen nicht in Betracht gekommen“ lässt der BGH NJW 1975, 1363 nicht gelten.

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tung eines Computerprogramms zur Feststellung der vom Kläger nur pauschal behaupteten urheberrechtlichen Schutzfähigkeit. Dabei hatte der Sachverständige dem Beklagten sowie dem Gericht schutzwürdige Informationen zum Programm teilweise vorenthalten. Das OLG Nürnberg sah darin weder einen Verstoß gegen das Prozessrecht noch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und bemerkte, dass die ermittelten Tatsachen vom Sachverständigeneid gedeckt seien und der Sachverständige mit ihnen nach bestem Wissen und Gewissen zu ver­ fahren habe.217 Das Urteil war wegen des gering angesetzten Streitwerts nicht revisibel.218 Einige Jahre später hat das OLG Karlsruhe eine ähnliche Vorgehensweise akzeptiert; es ging um eine Klage auf Unterlassung und Schadensersatz wegen Verdrängungswettbewerb unter Inkaufnahme von Verlusten. Bei der Gutachtenvorbereitung hatte nur der Sachverständige Einsicht in entscheidungs­ erheblichen Kostenkalkulationsgrundlagen des Beklagten genommen, diese aber später weder dem Kläger noch dem Gericht offengelegt, weil sie seiner Ansicht nach Geschäftsgeheimnisse betrafen.219 Diesmal hatte der BGH Gelegenheit, dieses Vorgehen für unzulässig zu erklären („Amtsanzeiger“-Entscheidung).220 Er sah in der Verwertung des unter diesen Umständen zustande gekommenen Gutachtens einen Verstoß gegen die Grundsätze der Beweiswürdigung (§  286 ZPO). Die Erfüllung der Pflicht, das Gutachten sorgfältig und kritisch zu würdigen, setzte voraus, dass der Gutachter dem Gericht die wesentlichen tatsächlichen Grundlagen seines Gutachtens offenlegt.221 Der BGH sieht zwar auch einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör, ohne aber genau auszuführen, worin er besteht. Das BVerfG hat später die Meinung des BGH um diese Ausführungen ergänzt: Das Rechtsstaatprinzip gewährleiste den Parteien die Möglichkeit, an der dem Gericht obliegenden sorgfältigen Überprüfung der gutachtlichen Tatsachengrundlage mitzuwirken und diese zu erschüttern.222 Diesen Erwägungen hat die Lehre hinzugefügt, dass in diesen Fällen auch offensichtlich gegen den Grund217 

OLG Nürnberg GRUR 1984, 736. zum Verzicht höchstrichterlicher Überprüfung Lachmann, NJW 1987, 2206,

218  Kritisch

2208. 219  BGH NJW 1992, 1817, 1819. 220  BGH NJW 1992, 1817. 221  BGH NJW 1992, 1817, 1819. Daher sah schon Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 224, Fn. 76, dass die Einschaltung des Sachverständigen keinen Geheimhaltungseffekt haben kann. Ebenso Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 215. 222  BVerfG NJW 1995, 40 – „Mieterhöhungsprozess“, wobei Einschränkungen der Offen­ legung zum Schutz der Privat oder Intimsphäre unbeteiligter Dritter anerkannt werden (41). Vgl. auch Schilken, SAE 1993, 308 ff., der in den vom BAG anerkannten Fällen mittelbaren Beweises der Vertretung einer Gewerkschaft im Betrieb nicht einen Verstoß gegen die Parteiöffentlichkeit (310), wohl aber gegen das rechtliche Gehör (313) erblickt.

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satz der Unmittelbarkeit verstoßen würde, da das Gericht die Beantwortung der Beweisfrage an den Sachverständigen überträgt.223 Damit war dem black-box-Verfahren im Zivilprozess zunächst ein Ende gesetzt sowie dem Versuch, die zweckmäßige Sicherung der Informationen auf die Ebene der Gutachtenvorbereitung zu verlagern, um so dem strengen Erfordernis der beweisrechtlichen Parteiöffentlichkeit zu entgehen. In einem späteren Fall konnte sich das OLG Köln auf diese Rechtsprechung des BGH beziehen, als es den Antrag einer Partei ablehnte, die persönliche Mitwirkung des Gegners bei der Begutachtung ihrer Geschäftsunterlagen zu untersagen und diese auf einen schweigepflichtigen Wirtschaftsprüfer zu übertragen. Hierin sah das Gericht eine unzulässige Beschränkung des parteilichen Teilhaberechts:224 „Eine Art Geheimverfahren im Zivilprozeß, um Betriebsgeheimnisse zu wahren, ist mit dem geltenden Zivilprozeßrecht unvereinbar.“225 In dieser Rechtsprechung kann ein „Grundsatz uneingeschränkter Parteiöffentlichkeit“ erblickt werden.226 Trotz dieser Stellungnahmen scheint die Gutachtenvorbereitung als Einbruchstelle einseitiger Verfahrensweisen dennoch fortzubestehen, zumindest wenn eine Partei auf die Anwesenheit verzichtet. Denn der BGH hat im Jahre 2014 die Weigerung, einen Betriebsversuch zu dulden, als Beweisvereitelung angesehen („Umweltengel“-Entscheidung).227 Diesen Betriebsversuch hatte der Beweisführer durch den Verzicht auf persönliche Teilnahme – aber Einbindung eines schweigepflichtigen Interessensvertreters – dem Gegner zumutbar gemacht. Da dieser befürchtete, der Vertreter könnte trotz Verschwiegenheitsverpflichtung Betriebsgeheimnisse enthüllen, hat er sich dennoch geweigert – was der BGH als Beweisvereitelung ansah. Er hat hier zwar keine vollumfängliche in-camera-Beweisaufnahme anerkannt und sich auch nicht über die Zulässigkeit eines vorausgehenden (bindenden) Verzichts auf Parteianwesenheit ausgesprochen228 (die zu verdeckenden Betriebsgeheimnisse waren hier wohl auch nicht entscheidungserheblich229). 223 

Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 210 ff.; Kersting, Der Schutz des Wirtschaftsgeheimnisses im Zivilprozeß (1995), 279 f.; Wrede, Das Geheimverfahren im Zivilprozess (2014), 169; McGuire, GRUR 2015, 424, 430. 224  OLG Köln NJW-RR 1996, 1277 („weil damit er als Prozeßpartei von der ihm zustehenden Kenntnis aller für das Gutachten wichtigen Tatsachen ausgeschlossen würde“). 225  OLG Köln NJW-RR 1996, 1277. 226  OLG München NJW 2005, 1130, 1131. 227  BGH NJW 2014, 3033, 3034 f. Rz.  27. 228  Redeker/Pres/Gittinger, WRP 2015, 812, Fn. 140. 229  Der Kläger, ein Taschenhersteller, warf dem Beklagten (einem Konkurrenten) vor, dass seine Tragetaschen zu Unrecht mit dem Umweltengel versehen seien, da sie nicht, wie es die Vergabe des Zeichens vorschreibt, zu 80 % aus Kunststoffrezyklate bestünden (s. Sachverhalt zu BGH NJW 2014, 3033). Der Betriebsversuch sollte feststellen, ob der Beweisgegner in der Lage war, mit den angeblich verwendeten Rohmaterialien derartige Tragetaschen herzustellen

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Das Urteil bestätigt aber den flexiblen Spielraum, den die Regelung zu den sachverständigen Ermittlungen nach §  404a IV ZPO bietet: Hier wurde offenbar toleriert, dass die Ermittlungsmöglichkeiten des Sachverständigen durch den Verzicht persönlicher Teilnahme der beweisbelastete Partei erweitert werden. Ob und wie sich dieser Selbstausschluss auf die Beweisaufnahme ausgewirkt hätte, ist aber offen geblieben,230 weshalb hier m. E. keine eindeutige Stellungnahme zur Zulässigkeit eines Parteiausschlusses zu entnehmen ist. Der BGH hat jedenfalls auch nach der „Umweltengel“-Entscheidung daran festgehalten, dass nach geltendem Recht eine „Art Geheimverfahren“ abzulehnen ist.231 b) Das in-camera-Verfahren als Verwirklichung praktischer Konkordanz Die Unzulässigkeit eines black-box-Verfahrens bedeutet in erste Linie, dass begutachtete Erkenntnisquellen dem Gericht nicht vorenthalten werden dürfen, wenn das Gutachten verwertet werden soll. Daraus folgt nicht zwingend die Unzulässigkeit eines beweisrechtlichen Geheimverfahrens, d. h. einer Beweisaufnahme, die vor dem erkennenden Gericht abläuft, aber der Partei, von der ein Missbrauchsrisiko ausgeht, verschlossen bleibt. Die ZPO kennt keine Verfahrensvorschriften, in denen sich ein in-camera-Verfahren einbetten ließe. Das Zwischenverfahren des §  387 ZPO dient der Prüfung der Informationsverweigerung Dritter,232 nicht der Partei.233 Zudem soll gem. §  386 I ZPO der Weigerungsgrund substantiiert angegeben und glaubhaft gemacht werden.234 Die Weigerungsberechtigung soll gerade nicht durch gerichtliche Kenntnisnahme der umstrittenen Information überprüft werden. Die ZPO bietet also nicht einmal für ein in-camera-Zwischenverfahren einen Anknüpfungspunkt, von einer in-camera-­ Beweisaufnahme ganz zu schweigen. Dementsprechend wird in der Rechtsprechung der Zivilgerichte über den Ausschluss einer Partei im Hauptprozess kaum (BGH NJW 2014, 3033, 3034 Rz.  24.). Die Herstellungsweise – dessen Preisgabe der beklagte Beweisgegner befürchtete – war also nicht selbst Gegenstand der Aufklärung. Es sollte die Ja/ Nein Frage beantwortet werden, ob der Beklagte anforderungsgerechte Tragetaschen herstellen könne. 230  Also die Frage, ob und inwieweit die aus dem Betriebsversuch hervorgegangen schutz­ würdigen Informationen dem Gericht und/oder der ausgeschlossenen Partei im Gutachten und bei der Sachverständigenbefragung vorenthalten worden wären. 231  BGH NJW-RR 2016, 606, 608 Rz.  18. 232  Das gilt für Zeugen direkt und über §§  142 II 2, 144 II 2 ZPO für vorlegungs- und duldungspflichtige Dritte. 233  Wagner, JZ 2007, 706, 718 schlägt daher für die Prüfung der Weigerungsberechtigung einer nach §  142 ZPO vorlagepflichtigen Partei eine analoge Anwendung vor. Ihm darin folgend Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten (2010), 374. 234  „Der Zeuge, der das Zeugnis verweigert, hat […] die Tatsachen, auf die er die Weigerung gründet, anzugeben und glaubhaft zu machen.“

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diskutiert.235 In der Entscheidung „Anonymisierte Mitgliederliste“ wollte der klagende Verband den Nachweis seiner Prozessführungsbefugnis (die nach damaliger Rechtslage nur bei Mitgliedschaft einer erheblichen Zahl von Gewerbetreibenden bestand) durch die Vorlage einer anonymisierten (und daher unüberprüfbaren) Mitgliederliste führen. Die Instanzen hatten das akzeptiert und der Klage stattgegeben, der BGH hat dies hingegen auf Grundlage der eben besprochenen höchstrichterlichen Ablehnung eines black-box-Verfahrens abgewiesen.236 Das Besondere hieran war, dass der BGH die entfernte Möglichkeit einer in-camera-Prüfung doch erwogen, ihre Anwendbarkeit für den vorliegenden Fall jedoch abgelehnt237 und, soweit ersichtlich, seither auch sonst nirgends zugestanden hat. Es ist vielmehr dabei geblieben, dass eine „Art Geheimverfahren“ mit dem geltenden Zivilprozessrecht unvereinbar ist.238 Genauere Stellungnahmen zu den Möglichkeiten eines in-camera-Verfahrens findet man in der Rechtsprechung des BVerfG zu den Informationspflichten der Behörden im Verwaltungsprozess.239 Unabhängig davon, ob sie im Ergebnis auf das Zivilprozessrecht zu übertragen sind, gilt die vom BVerfG beschriebene Kollisionslage auch für den Zivilprozess:240 Steht das vom Recht auf effektiven Rechtsschutz erfasste Aufklärungsinteresse der beweisbelasteten Partei einem (verfassungsrechtlich anerkannten) Geheimhaltungsinteresse gegenüber, muss 235  Deshalb wird von den Gegnern eines Geheimverfahrens die oben besprochene „Amtsanzeiger“-Entscheidung (BGH NJW 1992, 1817) als Beleg angeführt, obwohl sie zwar den Ausschluss der Partei, aber vor allem die Vorenthaltung gegenüber dem Gericht betrifft (also das black-box-Verfahren) und gerade nicht den Ausschluss einer Partei von der gerichtlichen Erkenntnis (zu dieser Vermischung zutreffend Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 396 f.) 236  „Es ist ein das rechtsstaatliche Verfahren beherrschender Grundsatz, daß der Prozeß­ gegner die Möglichkeit haben muß, Kenntnis von allen entscheidungserheblichen Tatsachen zu nehmen und die Angaben der darlegungs und beweisbelasteten Partei selbst nachzuprüfen. Dieses Recht gründet sich auf Art.  2 I GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. ­BVerfG, NJW 1995, 40) und auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art.  103 I GG; BGHZ 116, 47 (58) = NJW 1992, 1817 = LM H. 5/1992 §  35 GWB Nr.  17 Amtsanzeiger)“, BGH NJW 1996, 391. 237  „Eine davon [Grundsatz der Unverwertbarkeit der Partei vorenthaltener Tatsachen] abweichende Beurteilung kann ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn die darlegungs und beweisbelastete Partei ein erhebliches rechtliches Interesse an der Geheimhaltung bestimmter innerbetrieblicher Informationen hat und dem Prozeßgegner aus der Verwertung der geheimgehaltenen Tatsachen keine unzumutbaren Nachteile erwachsen. Anhaltspunkte für eine solche Ausnahme sind bei der Beurteilung der Verbandsklagebefugnis […] regelmäßig nicht festzustellen“, BGH NJW 1996, 391 f. 238  BGH NJW-RR 2016, 606, 608 Rz.  18. 239  BVerfGE 101, 106 = NJW 2000, 1175 („Akteneinsicht“-Entscheidung); BVerfGE 115, 205 = NVwZ 2006, 1041 („Telekom“-Entscheidung). 240 Wieczorek/Schütze/Ahrens, Vor §  284 ZPO Rn.  49.

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sich das Verfahrensrecht um eine Lösung bemühen, die beide Rechtsgüter in praktische Konkordanz – die höchstmögliche Wirksamkeit der kollidierenden Rechtsgüter durch beidseitige Begrenzung241 – bringt. Ob das rechte Maß allseitiger Wirksamkeit durch eine in-camera-Beweisaufnahme verwirklicht werden kann, steht zur Debatte. Es wird davon abhängen, ob und inwieweit man bereit ist, für die Konkordanz zwischen Geheimnisschutz und effektivem Rechtsschutz den Grundsatz des rechtlichen Gehörs aufzuopfern. Es geht um einen Ausgleich in dreidimensionaler Konstellation: Das rechtliche Gehör (Art.  103 I GG) ist in einer Weise einzuschränken, die zugleich die höchstmögliche Schonung des Geheimhaltungsinteresses (bei Unternehmensgeheimnissen aufgrund des Art.  12 II GG) und die Vollständigkeit der Aufklärung (als Forderung des effektiven Rechtsschutzes, Art.  20 III GG) im Zivilprozess ermöglicht. Die deutsche Dogmatik hat hier drei Lösungen hervorgebracht, die sich folgendermaßen ordnen lassen. Eine Extremposition lässt keinerlei Einschränkung der Parteianwesenheit zu, nicht im Verfahren zur Hauptsache (Parteiausschluss als Mittel zur Informationskontrolle), aber auch nicht in einem Zwischenverfahren zur Bestimmung, ob die verweigerte Information überhaupt schutzwürdig ist (Parteiausschluss als Mittel zur Entscheidungsoptimierung).242 Folglich muss sie sich mit einer blinden Prüfung der Schutzwürdigkeit begnügen, die entweder in eine vollumfängliche Offenlegung oder in eine vorbeugende Vorenthaltung mündet. Eine zweite, eher gemäßigte Opposition zur Gehörseinschränkung will im Hauptverfahren ebenfalls keinen Parteiausschluss zulassen, fordert aber bei Bedarf die Möglichkeit einer Prüfung der Schutzwürdigkeit durch unmittelbare Kenntnisnahme des Gerichts – sie steht also einem in-camera-Zwischenverfahren offen gegenüber (diese beiden Meinungen werden sogleich unter aa) erörtert). Die Literatur zum Thema sammelt sich jedoch um das andere Extrem: die Ansicht, dass zur Herstellung praktischer Konkordanz die Anerkennung sowohl eines geheimen Zwischenverfahrens, wie auch eines in-camera-Hauptsacheverfahrens geboten ist (sogleich unter bb)). aa) Praktische Konkordanz durch ein effektives Zwischenverfahren Die beiden Ansichten, die beim Ausgleich der Interessen das Gehörsrecht schonen wollen, gehen davon aus, dass im Hauptsacheverfahren die Entscheidungsgrundlage stets beiden Parteien zugänglich sein muss – der entscheidungserheb241  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts (1995), Rn.  72 („[V]erfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter müssen in der Problemlösung einander so zugeordnet werden, daß jedes von ihnen Wirklichkeit gewinnt“). 242  Zu dieser Unterscheidung siehe oben unter D.II.1.

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liche Prozessstoff wird entweder beiden Parteien offengelegt oder überhaupt nicht berücksichtigt (pejorativ: Alles-oder-Nichts-Lösung im Hauptverfahren243). Es ist auch anzunehmen, dass das Minimalerfordernis der praktischen Konkordanz beiden Auffassungen einleuchtet: sie kann nur durch eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls geleistet werden;244 daher ist es auf jeden Fall unzulässig, etwa dem effektiven Rechtsschutz in abstracto Voroder Nachrang zu gewähren.245 Meinungsverschiedenheiten machen sich aber bemerkbar, wenn es um einen Parteiausschluss im Zwischenverfahren zur Entscheidung über die Offenlegung geht. Genauer: wenn die Frage aufkommt, ob ein qualitativer (praktische Konkordanz sichernder) Abwägungsvorgang nicht auch die Möglichkeit unmittelbarer Einsichtnahme des Gerichts und deshalb, zur Optimierung der Entscheidung, einen Parteiausschluss erfordert. Dies soll im Folgenden anhand der Überlegungen des BVerfG in der Entscheidung „Akteneinsicht“246 klargestellt werden. (1) „Blinde“ Abwägung im Zwischenverfahren Nach der Extremposition, die für eine ausnahmslose Geltung der Gehörsgewährung plädiert, lässt sich der Konflikt zwischen Informationsschutz und effektivem Rechtsschutz im Verfahren nur durch eine blinde Abwägung der kollidierenden Rechtsgüter entscheiden. Beruft sich die aufklärungspflichtige Partei auf ein Geheimhaltungsinteresse, bekommen weder Gericht noch Gegner Einblick in die angeblich schutzwürdigen Informationen. Die Zwischenentscheidung muss regelmäßig ohne Kenntnis des genauen Grades ihrer Schutzwürdigkeit zustande kommen; auch das Gewicht, das der Information zur Realisierung des effektiven Rechtsschutzes zufällt, bleibt im Dunkeln. Das Gericht muss aufgrund der äußeren Beschreibungen der informierten Partei und den spekulativen Einwänden der nicht-informierten Partei über die Offenlegung entscheiden. Das mag, wie die Praxis des pre-trial noch zeigen wird, bei geläufigen Informationskategorien (z. B. Kundenlisten) unproblematisch sein und sich nicht auf die Qualität der 243  Im

pejorativen Sinn benutzen den Ausdruck etwa Bornkamm, in: FS Ullmann (2006), 893, 907; Stadler, ZZP 123 (2010), 261, 272; Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 234; McGuire, GRUR 2015, 424, 432. 244  Dies ist der Schwerpunkt des Mehrheitsvotums der „Telekom“-Entscheidung des ­BVerfG, vgl. NVwZ 2006, 1041, 1043 Rz.  101 f., 114. 245  Vgl. BVerfG NVwZ 2006, 1041, 1044 ff., wonach das Vorgehen des BVerwG, Geheimnisschutz stets erst bei „nachhaltigen oder existenzbedrohenden Nachteilen“ der Offenlegung zu gewähren, unzulässig sei. Im Allgemeinen lehnt auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts (1995), Rn.  72 eine „abstrakte ‚Wertabwägung’ eines [Rechtsguts] auf Kosten eines anderen“ ab. 246  BVerfG NJW 2000, 1175.

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Abwägungsentscheidung auswirken.247 Oft wird die Abwägung jedoch einen unmittelbaren Einblick erfordern, der nach dieser Auffassung stets verwehrt sein müsste. Diese Haltung ist in den Vorschriften der ZPO vorausgesetzt. Sie liegt der Rechtmäßigkeitsprüfung der Aussage- und Vorlageverweigerung Dritter nach §§  387 i. V. m. 386 ZPO zugrunde.248 Ihr Vorzug ist die Einfachheit: Das rechtliche Gehör bleibt intakt und es ist keine besondere Verfahrensweise erforderlich. Es ist daher wohl ganz natürlich, dass sich die Praxis der deutschen Zivilgerichte dahin entwickelt hat, auch bei der (verfahrensrechtlich ungeregelten) Zumutbarkeitsprüfung parteilicher Aufklärungspflichten blinde Abwägungsentscheidungen zu treffen.249 Diese Überlegungen helfen, einen Punkt zu verdeutlichen, der nicht immer zum Vorschein tritt: Wer jegliche Art des Parteiausschlusses ablehnt,250 nimmt nicht nur gegen den Parteiausschluss als Mittel der Informationskontrolle Stellung, sondern befürwortet stillschweigend (wohl als das kleinere Übel), dass die Kollision von Geheimhaltungsinteresse und Aufklärungsinteresse stets einer blinden und daher qualitativ äußerst fragwürdigen Abwägungsentscheidung überlassen bleibt. (2) In-camera-Prüfung im Zwischenverfahren Das BVerfG hat diese Praxis der blinden Abwägung – zumindest für die Prüfung der Informationsverweigerung im Verwaltungsprozess – für unbrauchbar gehal247  Beispielsweise die Entscheidung des LG Karlsruhe zur parteilichen Vorlagepflicht nach §  142 ZPO. Da es sich bei den angeforderten Unterlagen unstreitig um Kommunikationen zwischen Anwalt und Mandant handelte, konnte das Gericht, ohne Einblick in die Informationen, einzig aufgrund der Art der Information und verfassungsrechtlicher Erwägungen über die Zumutbarkeit der Vorlegung entscheiden, LG Karlsruhe Beschl. v. 24.1.2005 – 4 O 67/04, BeckRS 2005, 02024. 248  §  386 I ZPO verlangt lediglich die äußere Beschreibung und Glaubhaftmachung der weigerungsbegründenden Tatsachen. „Würde die Angabe der Tatsachen in den Fällen des §  384 dazu führen, dass damit das Zeugnisverweigerungsrecht ausgehöhlt würde, weil mit der Angabe der Tatsachen schon das Geheimzuhaltende teilweise aufgedeckt würde, so ist die Angabepflicht entsprechend beschränkt.“ MüKoZPO/Damrau, §  386 Rn.  2. 249  So die Schlussfolgerung der umfassenden Bestandsaufnahme bei Wrede, Das Geheimverfahren im Zivilprozess (2014), 63 f. 250  Etwa Stein/Jonas/Leipold22, Vor §  128 Rn.  61: „Einem ‚Geheimprozeß’ unter auch nur partiellem Ausschluß einer Partei steht der Anspruch auf rechtliches Gehör zwingend entgegen“ (wobei die Kommentierung Kerns das „zwingend“ wohl angesichts der BVerfG-Rechtsprechung fallen lässt, Stein/Jonas/Kern23, Vor §  128 Rn.  71); oder Waldner, Der Anspruch auf rechtliches Gehör (2000), Rn.  51: „Es ist eine durch nichts belegte Behauptung, daß Beschränkungen des rechtlichen Gehörs leichter hinzunehmen seien als die Nichtberücksichtigung von Informationen, die berechtigterweise geheimzuhalten sind.“ Sonst Lachmann, NJW 1987, 2206; Baumgärtel, in: FS Habscheid (1989), 1, 8; Zeuner, in: FS Gaul (1997), 845, 854 f.; Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast – Grundlagen (2018), Kap.  7, Rn.  8 ff.

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ten. Die Auskunftsvorschriften der VwGO (a. F.) funktionierten ähnlich wie §§  386 I i. V. m. 387 ZPO: Die Behörde, die bezüglich ihrer Vorlage- und Auskunftspflicht (§  99 I 1 VwGO) Weigerungsgründe geltend macht (§  99 I 2 VwGO), hatte diese glaubhaft zu machen (§  99 II VwGO a. F.), ohne dass eine gerichtliche Einsichtnahme in die streitigen Unterlagen vorgesehen wäre. In „Akteneinsicht“ beanstandete das BVerfG die Qualität dieser Entscheidungssituation251 und hielt einen verhältnismäßigen Ausgleich der kollidierenden Rechtsgüter (Geheimnisschutz und effektiver Rechtsschutz) nur aufgrund direkter Nachprüfung der verweigerten Informationen für möglich.252 Daher trug es dem Gesetzgeber die Einführung einer in-camera-Prüfung der Informationsverweigerung auf, um dem Gericht eine Abwägung mit sehendem Auge zu ermöglichen (der heute geltende §  99 II VwGO).253 Unabhängig davon, ob dies ohne weiteres auf das Zivilprozessrecht übertragbar ist,254 lässt sich in dieser Entwicklung eine mittlere Auffassung erkennen, die in Bezug auf das rechtliche Gehör auf einen Kompromiss eingeht: Ein auf das Zwischenverfahren begrenzter Parteiausschluss soll dem Gericht eine hochwertigere Entscheidungsposition zur optimalen Gewichtung der kollidierenden Rechtsgüter verschaffen. Nur die Möglichkeit des unmittelbaren Einblicks in das umstrittene Material sichert eine gründ­ liche Einschätzung der Schutzwürdigkeit der Information, des Risikopotentials der Offenlegung und ihres Erkenntniswerts für die Hauptentscheidung. Im Hauptverfahren soll der Parteiausschluss jedoch nicht fortwirken. Die Berücksichtigung der schutzwürdigen Informationen erfolgt in der Hauptsache je nach Zwischenentscheidung entweder unter uneingeschränkter Teilnahme beider Parteien, oder überhaupt nicht. 251  BVerfG NJW 2000, 1175, 1177: „Ungeachtet der verschärften Begründungsanforderungen handelt es sich bei der Überprüfung der Glaubhaftmachung weiterhin um eine indirekte Kontrolle, die lediglich diejenigen Fälle erfassen kann, in denen die Aktenvorlage mit erkennbar unzureichender Begründung verweigert worden ist. In den übrigen Fällen bieten auch die verschärften Begründungsanforderungen keinen Ausgleich für den Wegfall der gerichtlichen Kontrolle. Im Allgemeinen werden sich diese Anforderungen so erfüllen lassen, dass Unstimmigkeiten zwischen den Tatbestandsmerkmalen von §  99 I 2 VwGO und den Weigerungsgründen des Einzelfalls nicht zu Tage treten“ (eigene Hervorhebung). 252  „Die Belange der Geheimhaltung […] können insbesondere dadurch besser in Einklang gebracht werden, dass die Akten dem Gericht vorgelegt werden, das – unter Verpflichtung zur Geheimhaltung – nachprüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Auskunftsverweigerung im konkreten Fall erfüllt sind. Den Geheimhaltungsbedürfnissen wäre dadurch Rechnung getragen, dass die Kenntnisnahme auf das Gericht beschränkt bliebe („in camera“Verfahren). […] Das rechtliche Gehör kann eingeschränkt werden, wenn dies durch sachliche Gründe hinreichend gerechtfertigt ist.“ BVerfG NJW 2000, 1175, 1178. 253  BVerfG NJW 2000, 1175, 1179. 254 Dagegen etwa Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast – Grundlagen (2018), Kap.  7, Rn.  12.

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Trotz der Beliebtheit versöhnlicher Mittelwege in der deutschen Dogmatik finden sich kaum Autoren, die im Zivilprozess eine in-camera-Prüfung der Rechtmäßigkeit der Informationsverweigerung gutheißen, sie für das Hauptsache­ verfahren jedoch verwerfen würden.255 Die Befürworter eines Parteiausschlusses steuern in der Regel sogleich auf die Rechtfertigung eines in-camera-Haupt­ sacheverfahrens zu.256 bb) Praktische Konkordanz durch ein in-camera-Hauptsacheverfahren Die Vernachlässigung der Mittellösung eines in-camera-Zwischenverfahrens hängt vielleicht damit zusammen, dass sich das andere Extrem – das beweisrechtliche Geheimverfahren in der Hauptsache – selbst gerne als gemäßigt-ausgleichend ausgibt.257 Dabei ist hier die Bereitschaft sehr hoch, eines der in Einklang zu bringenden Rechtsgüter (das Gehörsrecht) aufzuopfern. Nach dieser Meinung dient der Parteiausschluss nicht nur der Entscheidungsoptimierung, sondern der zweckbindenden Informationskontrolle – die Information soll bei der Rechtsfindung zur Hauptsache verdeckt verwertet werden, um sie dem Risiko zweckwidriger Verwendung zu entziehen. Ist die Partei, von der dieses Risiko ausgeht, selbst beweisbelastet und auf schutzwürdige Information des Gegners angewiesen, hat sie durch vorausgehenden Verzicht auf ihr Anwesenheitsrecht den Aufklärungsbeitrag zumutbar zu machen (eine Gehörseinschränkung im eigenen Aufklärungsinteresse).258 Ist die Partei, von der das Risiko ausgeht, nicht 255  Ausnahmen sind: Kraayvanger/Hilgard, NJ 2003, 572, 574 f., die sich de lege ferenda für eine in-camera-Überprüfung der Schutzwürdigkeit der Interessen der nach §  142 I ZPO vorlagepflichtigen Partei aussprechen, nicht aber für ein in-camera Hauptverfahren: „Auf diese Weise könnte ein effektiver Geheimnisschutz gewährleistet werden, ohne das Recht der Gegenpartei auf rechtliches Gehör nennenswert zu beschneiden.“ Ähnlich Musielak, in: FS Vollkommer (2006), 237, 244, der ein in-camera-Zwischenverfahren zur Überprüfung der Weigerung Dritter nach §  142 II 1 ZPO vorschlägt: „De lege ferenda erscheint es erwägenswert, dem Richter die Befugnis einzuräumen, in Urkunden Einsicht zu nehmen, um feststellen zu können, ob die vorgetragenen Gründe die Weigerung rechtfertigen.“ 256 So die Einschätzung in Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 403 f. Gut sichtbar bei Wagner, JZ 2007, 706, 717 der bei seinen Ausführungen zum in-camera-Zwischenverfahren sogleich ein in-camera-Hauptsacheverfahren in Aussicht stellt. Vgl. auch Bahner, Geheimnisschutz im Zivilprozess (2013), 250, dem die Beschränkung des in-camera-Verfahrens auf die Entscheidung über die Schutzwürdigkeit „nicht ganz verständlich“ erscheint. 257  Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten (2010), 378 („[d]er schonendste Ausgleich“); während das Beharren auf volle Parteianwesenheit im Hauptsacheverfahren nur „absoluten Schutz“ ermögliche, wird die Lösung über ein beweisrechtliches Geheimverfahren als „relativer Schutz“ beschrieben, Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 245. 258  Der vorhergehende Verzicht auf das Gehörsrecht ist generell unzulässig (Waldner, Der

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beweisbelastet, ist der Verzichtsgedanke untauglich, da ihr Ausschluss der risikofreien Beweisführung des Gegners dient und Informationen betrifft, deren Beibringung ihren eigenen Prozessverlust wahrscheinlicher machen (eine Gehörseinschränkung im fremden Aufklärungsinteresse).259 Auch hier soll der Parteiausschluss aber aufgrund der verfassungsimmanenten Schranken des Gehörsrechts gerechtfertigt sein.260 Die Erforderlichkeit dieses Vorgehens ist dabei schnell bestätigt und kein milderes Mittel erkannt.261 Eine Alternative durch die Auferlegung von Verhaltenspflichten (z. B. Weitergabe- und Nutzungsbeschränkungen) wird, wenn überhaupt erörtert,262 für unzureichend erklärt.263 Ein Mittelweg, der, wie §  99 II VwGO, das in-camera-Vorgehen auf das Zwischenverfahren beschränken würde, wird nicht beachtet264 oder als mangelhafter GeheimnisAnspruch auf rechtliches Gehör (2000), Rn.  109; Stein/Jonas/Kern23, Vor §  357 Rn.  103), doch hier soll er ausnahmsweise, und in begrenztem Umfang, wirksam sein (Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 224 ff.). Der Grundgedanke besteht darin, dass die Zumutbarkeitsschwelle des Aufklärungspflichtigen nicht abstrakt, sondern im Lichte der Möglichkeit des Ausschlusses der Gegenpartei zu werten ist. Daher ist der risikobelasteten Partei die Möglichkeit zu geben, durch den Verzicht auf Parteiöffentlichkeit und rechtliches Gehör einen unzumutbaren Aufklärungsbeitrag „zumutbar zu machen“ (225). Das Gebot umfassender Sachverhaltsaufklärung schwingt hier mit: effektiver Rechtsschutz ohne volles Gehör sei besser als ineffektiver Rechtsschutz mangels gegnerischen Aufklärungsbeitrags (226. f.). Im Wesentlichen diesen Gedankengang reproduzierend: Schlosser, Zivilprozeßrecht I (1991), Rn.  430; Ploch-Kumpf, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen (1996), 211 f.; Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten (2010), 377; Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 241; Wrede, Das Geheimverfahren im Zivilprozess (2014), 200 f.; Gomille, Informationsproblem und Wahrheitspflicht (2016), 329 ff.; Blome/Fritzsche, NZKart 2019, 247, 250. 259  Es sei denn der „Verzicht“ auf Kenntnisnahme zugunsten fremden Geheimnisschutzes wird dadurch erzwungen, dass das Bestehen auf Parteiöffentlichkeit schon als Beweisvereitelung gewürdigt wird, so Blome/Fritzsche, NZKart 2019, 247, 251. Dass diese Ansicht das Institut der Beweisvereitelung bis zur Unkenntlichkeit ausdehnt, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass hier das Bestehen auf ein Informationsrecht, auf dessen Grundlage eine Partei ihre Verteidigungsmöglichkeiten überhaupt überprüfen kann, schon als beweisvereitelnde Handlung angesehen werden soll. 260 Vgl. Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 239 ff. (durch Abwägung mit Rücksicht auf verfassungsimmanente Grenzen des Art.  103 I GG); im Ergebnis ähnlich Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 434 ff. 261  Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 246; Wrede, Das Geheimverfahren im Zivilprozess (2014), 314. 262  Die Möglichkeit von Nutzungsbeschränkungen wird übergangen etwa von Wrede, Das Geheimverfahren im Zivilprozess (2014), 314 ff.; Gomille, Informationsproblem und Wahrheitspflicht (2016), 327–334. 263  Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 222 f., 259; Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 190, 416. 264  Dies bemerkt Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 403 f.

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schutz auf halbem Wege angesehen.265 Die Verhältnismäßigkeit der grundrechts­ einschränkenden Maßnahme wird durch die Einschaltung eines gerichtlich bestellten266 oder vom Ausgeschlossenen selbst ausgewählten,267 zur Verschwiegenheit verpflichteten Anwalts gewahrt.268 Dieses Modell ist für die Fürsprecher einer lückenlosen Sachverhaltsaufklärung sehr attraktiv, weil es den bestmöglichen Ausgleich von Geheimnisschutz und effektivem Rechtsschutz bietet – die schutzwürdige Information kann bei nur geringem Missbrauchsrisiko zum effektiven Rechtsschutz voll beitragen. Diese Vorteile sind jedoch zu einem hohen Preis erkauft: Zum einen wird einer Partei das rechtliche Gehör zu entscheidungserheblichen Aspekten der Haupt­ sache verweigert (als Möglichkeit persönlicher Einflussnahme) – wesentliche Teile des Verfahrens und der Entscheidung über ihre Rechte bleiben ihr endgültig verschlossen. Im Urteil müssten Entscheidungsgründe, die schutzwürdige Informationen betreffen, entweder übergangen269 oder zwei Urteilsfassungen vorbereitet werden: eine redigierte Fassung für die ausgeschlossene Partei, eine voll­ umfängliche für den Gegner und ihren bezüglich der geschwärzten Stellen schweigepflichtigen Anwalt.270 Es entstehen Folgeprobleme bei der Einlegung von Rechtsmitteln: Der Partei müsste eine Absenkung der Anforderungen der Begründung der Rechtsmittel gestattet sein („blinde“ Rechtsmitteleinlegung)271 oder das Rechtsmittelstadium müsste gänzlich dem schweigepflichtigen Anwalt 265 Vgl.

Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 366. Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 247; Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 247; Ploch-Kumpf, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen (1996), 210 f. 267  Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 160 f., 423; Wrede, Das Geheimverfahren im Zivilprozess (2014), 325 ff. 268  Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 246 ff.: „die Beschränkung des rechtlichen Gehörs – das einzig effektive Mittel – ist minimal, wenn nur der Naturalpartei der Zugang zum fremden Tatsachenmaterial verwehrt ist“ (250); Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 224 befürwortet dagegen den Parteiausschluss ganz ohne Vertretung auszugestalten und das Gericht als „neutrale Stelle“ walten zu lassen (228). 269  Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 227 („schonende Fassung der Urteilsgründe“); wohl unter Beifügung der geheimen Erwägungen zur Einsichtnahme für die Zugangsberechtigten oder für die Rechtsmittelinstanz, vgl. Kohler, Prozeßrechtliche Forschungen (1889), 78, 84; Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 257; Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 366; Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten (2010), 382. 270  Wrede, Das Geheimverfahren im Zivilprozess (2014), 261. 271  Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 227; und damit hat die „unterliegende Partei ‚blind’ über die Einlegung von Rechtsmitteln zu entscheiden“, Lachmann, NJW 1987, 2206, 2210 (kritisch). 266 

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überlassen bleiben.272 Gegner des beweisrechtlichen Geheimverfahrens sind deswegen der Meinung, dass einem durch Gehörsrechtsverkürzung verstümmelten „effektiven“ Rechtsschutz nicht ein höherer Gerechtigkeitswert zukommen könne als dem „ineffektiven“ Rechtsschutz einer transparenten Beweislastentscheidung.273 cc) Fazit zum beweisrechtlichen Geheimverfahren in Deutschland Auch in Deutschland wird der Ausschluss der Partei von der Beweisaufnahme letztendlich abgelehnt. Von eindringlichen Appellen der Wissenschaft haben sich weder Gesetzgebung noch Rechtsprechung sonderlich beeindrucken lassen. Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung der Know-How-Richtlinie das beweisrechtliche Geheimverfahren eindeutig abgelehnt274 und bei der Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie die schon im Immaterialgüterrecht (etwa in §  140c III 2 PatG) verwendete Formel der „erforderlichen Maßnahmen“ zum Schutz vertraulicher Informationen eingesetzt (§  89b VII GWB). Mittels dieser „salomonischen Generalklausel“275 hat der Gesetzgeber es stets vermieden, klare Stellung zu nehmen und das Problem weiterhin den Gerichten überlassen.276 Die Rechtsprechung des BGH lehnt ein geheimes Beweisverfahren ab, sendet jedoch gemischte Signale. Die „Umweltengel“-Entscheidung scheint nämlich die Zulässigkeit eines freiwilligen Parteiausschlusses zur zweckgesicherten Ermittlung durch den Sachverständigen anzuerkennen,277 wobei nicht klar ist, wie 272 

Darauf läuft die Lösung von Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 477 f. hinaus. 273  Baumgärtel, in: FS Habscheid (1989), 1, 7: „Da das Urteil nicht transparent ist, kann auch nicht gesagt werden, daß eine so zustande gekommene Entscheidung materiell gerechter ist, als es eine Beweislastentscheidung wäre“; ähnlich PG/Laumen, §  285 Rn.  7; Osterloh-­ Konrad, in: Rechnungslegung und Wettbewerbsschutz (2009), 9, 40; Späth, Die Parteiöffentlichkeit (1995), 127–129. 274  Nach §  19 GeschGehG kann lediglich das Zugangs- und Anwesenheitsrecht personell beschränkt werden – auf mindestens eine natürliche Person jeder Partei. Hierin liegt eine eindeutige Entscheidung gegen das in-camera-Verfahren, Schregle, GRUR 2019, 912, 914; das Gesetz ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht daher „nicht revolutionär“, Ohly, GRUR 2019, 441, 450. 275  Stadler, in: FS Leipold (2009), 201, 218. 276  Sehr treffend Stadler, in: FS Leipold (2009), 201, 218: „Die eigentliche Problemlösung wird damit den Gerichten überlassen, die sich über die Reichweite der Ermächtigung die Köpfe zerbrechen müssen“, wobei weder bei der Umsetzung der Enforcement-Richtlinie noch bei der Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie die Gesetzesbegründung eindeutige Hinweise zur Zulässigkeit eines beweisrechtlichen Geheimverfahrens liefert (Stadler, in: FS Leipold (2009), 201, 218 zu BT-Drs. 16/5048, 41 bzw. BTDrs. 18/10207, 102) 277 BGH NJW 2014, 3033, vlg. oben unter D.II.3.a). Ähnlich die Praxis in Frankreich, ­Adloff, Vorlagepflichten und Beweisvereitelung (2007), 327 f.

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

sich dies mit der Rechtsprechung zur Unzulässigkeit einer „Art Geheimverfahren“278 vereinbaren oder verbinden lässt.

4. Unvergleichbarkeit von pre-trial und Beweisaufnahme Eine Gegenüberstellung der anglo-amerikanischen und deutschen Rechtslage zum Parteiausschluss in der Beweisaufnahme hat hervorgebracht, dass er in beiden Rechtsordnungen als unzulässiges Mittel der Informationskontrolle gilt. Es ist daher erstaunlich, dass deutsche Befürworter eines beweisrechtlichen Geheimverfahrens als Vorbild auf die Zivilprozesse des common law aufmerksam machen, in denen – so erscheint es – der Ausschluss der Parteien von der Beweisaufnahme Gang und Gebe sei. Vor allem der US-amerikanische Zivilprozess wird immer wieder als Beleg dafür angeführt, dass das Anwesenheitsrecht der Parteien bei Bedarf eingeschränkt werden könne.279 Das common law wird in mehreren Monographien280 und Aufsätzen281 zur Aufklärung und Geheimhaltung im Zivilprozess als Positivbeispiel einer dem Parteiausschluss zugänglichen Prozessauffassung hervorgehoben, gerade um der Forderung nach einem beweisrechtlichen Geheimverfahren Nachdruck zu verleihen. Die Erhebung des common law zum Vorbild beweisrechtlicher Geheimhaltung ist keinesfalls nur von anekdotischer Bedeutung. Im Zuge der Umsetzung der Know-How-Richtlinie wurde (erfolglos) auf die Einführung eines beweisrechtlichen Geheimverfahrens gedrängt und dabei auf das anglo-amerikanische Vorbild verwiesen.282 278 

BGH NJW-RR 2016, 606; OLG Köln NJW-RR 1996, 1277. Stadler, NJW 1989, 1202, 1205: „Ein Vergleich mit dem US-amerikanischen Verfahrensrecht vor den Bundesgerichten […] zeigt, daß die vorgenommene Abwägung [zugunsten eines in-camera Verfahrens] durchaus mit einem ‚fair trial’ vereinbar ist“. 280  Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 251 f.; Karger, Beweisermittlung (1996), 134, 337; Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten (2010), 379; Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 224 f., der in der Rechtslage in den USA und in England „[p]rozessuale Vorbilder“ für die Gestaltung eines Geheimverfahrens in Deutschland zu sehen glaubt; Brandt, Das englische Disclosure-Verfahren (2015), 66, 141 ff., 304 ff.; Gomille, Informationsproblem und Wahrheitspflicht (2016), 140, 327 unter Hinweis auf die protective orders des US-dis­covery; Kuta, Die Besichtigungsanordnung nach dem „Düsseldorfer Modell“ (2017), 194. 281  Enchelmaier, GRURInt 2012, 503, 513; Redeker/Pres/Gittinger, WRP 2015, 812, 816 f. 282  In der Sitzung des Fachausschusses für Wettbewerbs- und Markenrecht zum Richtlinien­ vorschlag über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen wurde zugunsten der Einführung eines Geheimverfahrens das Beispiel des „im anglo-amerikanischen Raum übliche[n] Instrument[s] der protective order“ angeführt, Hufnagel in Kalbfus/Harte-Bavendamm, GRUR 2014, 453, 456. Auch Redeker/Pres/Gittinger, WRP 2015, 812, 816 f. (Rn.  23) meinen: „In anderen Rechtsordnungen hat sich das In-camera-Verfahren bereits durchgesetzt und wird dort ohne Bedenken praktiziert, um zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen gerichtliche Verfahren auch 279 Beispielsweise

II. Der Ausschluss der Partei von der Beweisaufnahme

133

Völlig falsch sind diese Hinweise freilich nicht. Wie im nächsten Abschnitt eingehend behandelt wird, beschließen anglo-amerikanische Zivilgerichte regelmäßig „attorneys-eyes-only“-Offenlegungen und „confidentiality clubs“ können die Einsichtnahme in schutzwürdige Dokumente auf ausgewählte Mitarbeiter der Partei beschränken. Diese Schlagwörter trügen aber, wenn man den prozessstrukturellen Kontext ignoriert. Der Parteiausschluss im anglo-amerikanischen Zivilprozess findet stets in der vorbereitenden Aufklärung des pre-trial statt. Er verschließt gerade nicht den Einblick in die hoheitliche Tatsachenerkenntnis und ist mit einer verdeckten Beweisaufnahme im deutschen Zivilprozess daher nicht vergleichbar. Die Ausführungen im Teil C. dieser Studie haben gezeigt, dass die prozessuale Verortung zentral für die Einschätzung des jeweiligen Aufklärungsvorgangs ist. Im pre-trial geht es um die Weitergabe der Information an Partei und Anwalt zur Vorbereitung eines prima-facie Falls und zur Förderung autonomer Parteientscheidungen über das weitere Vorgehen in der Sache. Die Vorenthaltung einer Erkenntnisquelle gegenüber Partei oder Anwalt kann die Vorbereitung und damit die Rechtsverfolgung erschweren,283 nicht aber eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (als Möglichkeit der Einflussnahme auf die gerichtliche Entscheidungsbildung) bedeuten, weil die geforderte Information (noch) nicht hoheitlich verwertetet werden soll. Die rechtsvergleichenden Hinweise der zitierten Autoren machen dies nicht sichtbar, sondern verallgemeinern die im pre-­ trial herrschenden Verhältnisse, um daraus Rückschlüsse für die Beweisaufnahme im deutschen Zivilprozess zu ziehen. Das ist m. E. falsch. In der deutschen Beweisaufnahme würde die Partei von der Entscheidungsgrundlage ausgeschossen werden, im pre-trial wird ihr lediglich der Umgang mit der Information bei der Prozessvorbereitung erschwert. Beim beweisrechtlichen Parteiausschluss ist die Herabwürdigung der Partei zum Objekt einer gerichtlichen Entscheidung284 und eine Beschneidung der eigenverantwortlichen Einflussnahme auf das Zivilurteil285 im Spiel; der Parteiausschluss im pre-trial ist dagegen lediglich eine (wie sogleich gezeigt wird, meist vorrübergehende) Beschneidung der Entscheidungsfähigkeit der Partei bei der Prozessvorbereitung. Daher könnten nur Fallbeispiele, die eine in-camera-Beweisaufnahme im trial bekunden, Rückschlüsse auf ein beweisrechtliches Geheimverfahren im deutschen Zivilprozess überhaupt erwägenswert machen. Und gerade bei der Suche nach solchen Belegen greifen deutsche Prozessrechtsvergleicher ins Leere. unter weitgehendem Ausschluss der Parteien durchzuführen“ und berufen sich dabei auf das US-amerikanische (817 Rn.  23), schweizerische (Rn.  24) und englische (Rn.  25) Zivilprozessrecht. 283  Dazu sogleich im nächsten Abschnitt, insbesondere unter D.III.1.b)aa). 284  Lachmann, NJW 1987, 2206, 2210. 285  Osterloh-Konrad, in: Rechnungslegung und Wettbewerbsschutz (2009), 9, 40.

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

­Karger findet keine Hinweise, sondern beschränkt sich auf die Behauptung, dass die Frage des Parteiausschlusses von Teilen der Hauptverhandlung „bislang offen“ sei286 und dass „[w]egweisende Entscheidungen zu dieser Problematik […], soweit ersichtlich, bislang noch nicht ergangen“ seien.287 Kersting dagegen glaubt fälschlicherweise in Segal Lock & Hardware Co. v. Federal Trade Commission,288 einem Fall aus den vierziger Jahren, die Anerkennung des Parteiausschlusses im trial entdeckt zu haben.289 Andere nehmen ihm beim Wort und fordern zum Know-How-Schutz ein Geheimverfahren für die deutsche Hauptverhandlung – nach amerikanischem Vorbild (!).290 Davon kann aber nicht die Rede sein. In Segal Lock ging es um die Unwahrheit der Werbebehauptung, ein Schloss sei „knacksicher“ („pick-proof“), in dem Sinn, dass es sich – ohne es zu beschädigen – einzig mit dem Schlüssel öffnen lasse. Entscheidungserheblich war der Umstand, ob das Schloss ohne Beschädigung geknackt werden könne. Im trial hatten sich einige sachverständige Schlosser an Schlossexemplaren versucht. Da ihre Aufsperrtechnik als Betriebsgeheimnis galt, wurden die Parteien von der Vorführung soweit ferngehalten, dass sie zwar den Umstand des Aufschließens wahrnehmen konnten, nicht aber die dazu verwendeten Mittel und Methoden.291 Mehreren Schlossern gelang die Öffnung, womit die Unwahrheit der Behauptung festgestellt war. Bei der Gegenvernehmung der Sachverständigen wollte der Anwalt des beklagten Schlossherstellers die genaue Vorgehensweise erfahren. Die Frage wurde für unzulässig befunden, zum einen, weil sie ein Geheimnis des Sachverständigen betreffe, vor allem aber – und das ist der ausschlaggebende Punkt – weil nur das Ob und nicht das Wie des Aufschließens entscheidungs­ erheblich sei.292 Dies ist folglich kein Fall eines Ausschlusses der Partei von entscheidungsrelevanten Vorgängen und ganz sicher kein genügender Beleg für die verallgemeinernde Aussage, dass im US-trial der Parteiausschluss anerkannt sei. 286 

Karger, Beweisermittlung (1996), 312. Karger, Beweisermittlung (1996), 315. 288  143 F.2d 935 (2d Cir. 1944). 289  Kersting, Der Schutz des Wirtschaftsgeheimnisses im Zivilprozeß (1995), 266 ff., insb. 271 f. 290  Unter Bezugnahme auf die ebenzitierte Stelle bei Kersting betonen Redeker/Pres/Gittinger, WRP 2015, 812, 817, dass „nicht nur entsprechende protective orders zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen während der pretrial discovery unter Rule 26 (c) (1) der Federal Rules of Civil Procedure ergehen können, sondern dass die Parteien im Laufe des Hauptverfahrens auch ausgeschlossen werden dürfen, wenn dies erforderlich ist.“ 291  Segal Lock & Hardware Co. v. Federal Trade Commission, 143 F.2d 935, 937 (2d Cir. 1944). 292  Segal Lock & Hardware Co. v. Federal Trade Commission, 143 F.2d 935, 937 (2d Cir. 1944). Das wird von Kersting, Der Schutz des Wirtschaftsgeheimnisses im Zivilprozeß (1995), 273 auch erkannt, aber scheinbar ohne zu bemerken, dass es daher eben keinen Parteiausschluss im Hauptprozess darstellt. 287 

II. Der Ausschluss der Partei von der Beweisaufnahme

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Am stärksten spricht sich Stadler für die Möglichkeit eines Parteiausschlusses in der Beweisaufnahme des deutschen Zivilprozesses aus.293 In ihrer Dissertation beruft sie sich auf die Praxis des Parteiausschlusses nach US-amerikanischem Zivilprozessrecht, indem sie Fallbeispiele aus dem pre-trial anführt, also der vorbereitenden Aufklärung.294 Aber gerade für die äquivalente Beweisaufnahme im trial findet sie keine Hinweise auf einen Parteiausschluss und muss zugeben, dass Entscheidungen, in denen eine oder beide Parteien im trial ausgeschlossen werden „[z]ahlenmäßig noch geringer sind“,295 gibt aber keinen aktuellen Nachweis an.296 Der Grund dafür ist m. E. auch richtig erkannt, nämlich dass sich „oft nach Offenlegung des Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses im discovery-Verfahren herausstellt, Detailinformationen seien für die Hauptverhandlung nicht notwendig“,297 was auf das oben Dargelegte zurückzuführen ist: Im Zivilprozess des common law ist der Aufklärungsschwerpunkt in das Vorfeld des Prozesses ausgelagert, sodass das trial nur die Bestätigung eines von den Parteien privat-aufgeklärten Sachverhalts zum Gegenstand hat. Aber Stadler merkt noch an: „Überdies sind U.S.-Gerichte für das trial grundsätzlich weniger geneigt, die Privatinteressen der Parteien gegenüber der Öffentlichkeit oder dem Gegner zu schützen. Im pretrial- Stadium wird großzügiger verfahren.“298

Und das ist der springende Punkt. Warum sollten die USA als Vorbild eines beweisrechtlichen Geheimverfahrens für den deutschen Zivilprozess dienen, wenn es dort nicht zugelassen ist? Warum sollten deutsche Gerichte in der Beweisaufnahme, Kernbereich hoheitlicher Sachverhaltsaufklärung, „großzügiger verfahren“ als es die US-Gerichte tun, die diese Großzügigkeit auf die vorbereitende Aufklärung im pre-trial beschränken? Stadler meint, der Grund dieser Zurückhaltung im trial seien die „sehr viel strengeren Beweis- und ‚relevancy‘ Regeln für das trial“.299 Wie oben dargelegt, ist der Grund aber im hohen Stellenwert der Teilhabe an das Prozessgeschehen zu finden, die auch die deutsche Gegnerschaft des Parteiausschlusses geltend macht. Vorgänge, die sich im Rahmen der auf privaten Informationszugang abzielenden Vorbereitung nach US-amerikanischen Prozessrecht abspielen, können also 293  Stadler, NJW 1989, 1202 ff.; dies., Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989); dies. ZZP 123 (2010), 261 ff. 294  Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 223–226; 227–231. 295  Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 226. 296  Ihre Angaben beziehen sich auf Fälle vor Inkrafttreten der FRCP, in dem etwa zur Bestimmung der Zulässigkeit einer „bill for want of equity“ das Gericht in Geheimrezepte Einsicht genommen hatte (Wiggins Chem. Co. v. Berry, 46 F.2d 622 (7th Cir. 1931)). 297  Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 226 f. 298  Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 227. 299  Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 227.

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

nicht auf die hoheitliche, beweisförmige Aufklärung des deutschen Zivilprozesses bezogen werden. Dort erschwert der Parteiausschluss private Entscheidungen zur Prozessvorbereitung, hier die Mitwirkung an die hoheitliche Entscheidungsfindung. Die für den Rechtsvergleich unentbehrliche funktionale Äquivalenz ist also nicht gegeben und sofern die deutsche Dogmatik diese Bezüge herstellt, vergleicht sie Unvergleichbares. Dass es sich um zwei prozessual unterschiedliche Welten handelt, wird durch die nachfolgende Beschreibung der Kontrolle des Parteiverhaltens während der vorbereitenden Aufklärung deutlicher werden.

III. Kontrolle des Parteiverhaltens während der Prozessvorbereitung 1. Kontrolle der Informationsnutzung durch die Partei im pre-trial Der schimmernde Formenreichtum des pre-trial verleitet deutsche Autoren wohl dazu, ihre Forderung nach einem Geheimverfahren mit dem Hinweis auf den anglo-amerikanischen Zivilprozess zu bekräftigen. Das dortige Verfahrensklima lässt tatsächlich ein flexibles System einzelfallbezogener Kontrollmaßnahmen gedeihen, die bis zum Ausschluss der Partei reichen können. Diese Vielfalt ist darauf zurückzuführen, dass im Umfeld des pre-trial die Gewährleistung der Parteirechte einem Standard unterliegt, der sich von dem der Mitwirkungsrechte im trial grundlegend unterscheidet. Wie bereits dargestellt,300 verbürgen sie im Ernstfall des trial die unbedingte Kontrolle über Verhandlung und Beweisführung, die vor allem im Recht auf Gegenvernehmung – Legitimitätsvoraussetzung sowie Richtigkeitsgewähr der richterlichen Erkenntnis – verkörpert ist. Das pre-trial verfolgt ein anderes Ziel: die Vorbereitung eines prima-facie Falls mit Erfolgsaussicht. Dies ändert auch das Verständnis der Parteirolle. Das Prozessrecht soll hier den Parteien zum Zwecke einer angemessenen Vorbereitung lediglich eine ausgeglichene Ausschöpfung der Aufklärungsrechte sicherstellen. Das Regelungsziel ist: auf beiden Seiten die Bedingungen für eine autonome Rechtsverfolgung zu schaffen, ohne gegenläufige Interessen zu überstrapazieren. Wenn übermäßiger Aufwand oder außerprozessuale Risiken gegen eine Aufklärungsmaßnahme sprechen, ist hier eine Abwägung möglich und geboten. Dabei wird die Bedeutung der geforderten Information für eine angemessene Prozessvorbereitung in die Waagschale gelegt. Für eine schonende Ausübung der Aufklärungsrechte müssen Art und Weise der Informationsweitergabe Anpassungen zugänglich sein, um das Vorbereitungsbedürfnis und die eventuellen Geheim­ haltungsinteressen ins Gleichgewicht zu bringen. 300 

Unter C.II.1.c).

III. Kontrolle des Parteiverhaltens während der Prozessvorbereitung

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Diese Flexibilität ist Ausdruck eines Systems privatautonomer Prozessvorbereitung unter gerichtlicher Überwachung, das sich als solches von einem hoheitlichen Erkenntnisverfahren gerade unterscheidet, welches durch Formenstrenge und rigide Parteirechte gekennzeichnet sein muss. Anders als im trial und auch anders als im Erkenntnisverfahren der ZPO lassen sich Einschränkungen in der Kenntnisnahme der Parteien ohne größeren Widerstand rechtfertigen, solange ihre Handlungsmöglichkeiten dadurch nicht übermäßig beschnitten werden. Ziel ist eine ausgeglichene Gestaltung der Verfahrensvorbereitung und (noch) nicht die Überzeugungsbildung des erkennenden Gerichts. Diese Eigenart des pre-trial wird bei der folgenden Darstellung der Kontrolle des Parteiverhaltens im Umgang mit Informationen immer wieder zum Vorschein treten. Um die mannigfaltigen Maßnahmen zum Informationsschutz zu erfassen, ist an dieser Stelle an die Unterscheidung zu erinnern, die oben zwischen Mitteln zur Informationskontrolle und Vorkehrungen zur Entscheidungsoptimierung getroffen wurde.301 Denn die nachstehende Beschreibung folgt dieser Unterscheidung: Zuerst werden die verfügbaren Mittel untersucht, die Information zweckgebunden freizugeben (a), dann die Maßnahmen, durch welche sich die Gerichte situationsangemessene Entscheidungsbedingungen verschaffen (b). a) Mittel zur Informationskontrolle im pre-trial Bevor die einzelnen Maßnahmen untersucht werden, ist die Ausgangsregelung im Umgang mit der kraft Prozessrechts freigegebenen Informationen zu betrachten, zumal sie in den untersuchten common law Ländern Unterschiede aufweist (aa). Danach werden die einzelfallabhängigen Maßnahmen zur Informations­ kontrolle beleuchtet, die in England und den Vereinigten Staaten sehr ähnlich ausfallen und daher gemeinsam behandelt werden. Die Standardmaßnahme ist die Offenlegung unter Auflage von Verwendungsbeschränkungen (bb). Nur wenn diese keine ausreichende Sicherheit erwarten lassen, wird (zusätzlich) der Kreis der kenntnisnehmenden Personen eingeschränkt – im Extremfall sogar die Partei ausgeschlossen (cc). Angesichts dieser Optionen bleibt die vorbeugende Vorenthaltung missbrauchsanfälliger Informationen ein äußerster Ausnahmefall (dd). aa) Ausgangsregelung (1) Grundsätzliche Verwendungsbeschränkung im englischen pre-trial Die oben definierte Aufgabe der Informationskontrolle, die zweckfremde Nutzung der prozessual freigesetzten Informationen zu unterbinden, findet sich nirgends deutlicher in Rechtsform gegossen wie in den Regelungen zur vorberei301 

Unter D.II.1.

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

tenden Aufklärung im englischen Recht. CPR 31.22(1) und 32.12(1) verbieten einfach ganz allgemein die zweckfremde Verwendung der offengelegten Dokumente bzw. schriftlichen Zeugenaussagen: „A party to whom a document has been disclosed may use the document only for the purpose of the proceedings in which it is disclosed“302

Diese Norm ist keineswegs ein Einfall der englischen Legislative, sondern, wie viele der Regelungen der CPR, Resultat einer langjährigen Entwicklung prozessualen Richterrechts.303 Die Rechtsprechung hatte seit langem eine konkludente Verpflichtung („implied undertaking“) zur zweckgerechten Informationsnutzung angenommen,304 die mit der Reform von 1999 zur gesetzlichen Pflicht erhoben wurde.305 Lord Denning sah in diesem Grundsatz eine Grenze staatlicher Macht­ ausübung: Da prozessuale Aufklärungspflichten auf staatlichem Zwang beruhen, dürfe den Informationsberechtigten keine ihrem Zweck abweichende Nutzung gestattet sein.306 Außerprozessuale Risiken des Informationsaustausches werden somit durch eine pauschale Einschränkung der Handlungsfreiheit der Beteiligten gebannt, ohne dass besondere Gefährdungslagen diskutiert werden müssten. Sie endet sobald die Dokumente – sei es durch Verlesung oder Verweisung – Gegenstand einer öffentlichen Verhandlung werden (CPR 31.22(1)(a)). Dahinter steht folgender Gedanke: Wenn die prozessuale Aufklärung aufhört, dem vorbereitenden Privataustausch der Parteien zu dienen und Grundlage einer hoheitlichen Entscheidung wird, wandelt der Schauplatz der Aufklärung zum open court.307 Eine Beschränkung im Umgang mit dem Verhandlungsinhalt lässt sich pauschal nicht mehr rechtfertigen. Will man das allgemeine Verbot zweckfremder Nutzung trotz öffentlicher Verhandlung aufrechterhalten, muss eine Vermutung zu302  bzw.

„Except as provided by this rule, a witness statement may be used only for the purpose of the proceedings in which it is served“ 303 Schon Bray, The Principles and Practice of Discovery (1885), 238: „A party who has obtained access to his adversary’s documents under an order for production has no right to make their contents public or communicate them to any stranger to the suit.“ Eine ähnliche Formulierung findet sich in Williams v. Prince of Wales Life etc. Co., (1857) 23 Beav. 338, 340. 304  „[I]t seems to me that in general the practice is to regard as a sufficient protection the implied obligation to make no improper use of disclosed documents under which each party is.“ Alterskye v. Scott, [1948] All ER 469, 470 per Jenkins J.; ebenso Riddick v. Thames Board Mills, [1977] Q.B. 881, 896. 305  Vos et al., Civil Procedure – White Book (2019), para. 31.22.1. 306  Riddick v. Thames Board Mills, [1977] Q.B. 881, 896, per Lord Denning. In der Rechtsprechung spielen aber auch andere Rechtfertigungsansätze eine Rolle, insbesondere der Anreiz zu vollständiger und wahrheitsgetreuer Offenlegung und der Schutz der Vertraulichkeit des pre-trial, Gibbons, Subsequent Use of Documents (2002), 84 ff. 307  „In principle, all the material which has or may have affected the decision-making process should be open to public scrutiny.“ Chodiev v. Stein, [2016] EWHC 1210 (Comm), Rz.  19.

III. Kontrolle des Parteiverhaltens während der Prozessvorbereitung

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gunsten der freien Verwendung überwunden werden.308 Solange die Dokumente aber nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidungsfindung sind, sondern nur Material zur Vorbereitung, d. h. zu privaten Entscheidungen der Parteien beim Vorantreiben des Prozesses, ist ihre anderweitige Verwendung verboten.309 Eine Zuwiderhandlung kann über das contempt-Recht geahndet werden.310 Diese Ausgangslage bedeutet, dass die Gerichte diese pauschale Verpflichtung zur Kontrolle der Informationsverbreitung grundsätzlich ausreichen lassen.311 Will eine Partei einen darüber hinausgehenden Schutz – eine spezifische Verpflichtungserklärung oder die Begründung eines „confidentiality clubs“,312 muss sie ein besonderes Risiko darlegen.313 (2) Grundsätzliche Verwendungsfreiheit im US-pre-trial In den Vereinigten Staaten sind die Parteien aufgrund der im I. Zusatzartikel der Verfassung verankerten Meinungsfreiheit grundsätzlich dazu berechtigt, die im discovery-Verfahren freigesetzten Informationen nach Belieben zu verwenden.314 Der Grundsatz verhält sich insofern spiegelbildlich zur englischen Rechtslage.315 Nicht die Verbreitung der Information, sondern Eingrenzung ihrer Verwendung bedarf der Rechtfertigung („good cause“) nach den allgemeinen Voraussetzungen einer gerichtlichen Schutzanordnung nach FRCP 26(c)(1).316 In den siebziger Jahren hatten einige Gerichte die Zulässigkeit einer Schutzanordnung zur Beschneidung der Verwendungsfreiheit an die zusätzlichen, strengeren Voraussetzungen für die Einschränkung der Meinungsfreiheit binden wollen.317 308 

Lilly ICOS Ltd v. Pfizer Ltd (No.  2), [2002] EWCA Civ 2, Rz.  25; Chodiev v. Stein, [2016] EWHC 1210 (Comm), Rn.  21. 309 Allerdings kann das Gericht ausnahmsweise die Freigabe genehmigen, etwa zur Verwendung in anderen Gerichtsverfahren, dazu Beispiele in Vos et al., Civil Procedure – White Book (2019), para. 31.22.1. 310  Alterskye v. Scott, [1948] All ER 469, 471; Wilden Pump Engineering Co v. Fusfeld, [1985] F.S.R. 581. 311 Vgl. Alterskye v. Scott, [1948] All ER 469, 470. 312  Dazu sogleich unter D.III.1.a)cc). 313  Warner-Lambert Co. v. Glaxo Laboratories Ltd., [1975] R.P.C. 354, 362. 314  Jepson, Inc. v. Makita Elec. Works Ltd., 30 F.3d 854, 858 (7th Cir. 1994) („Absent a protective order, parties to a law suit may disseminate materials obtained during discovery as they see fit“); Oklahoma Hosp. Ass’n v. Oklahoma Pub. Co., 748 F.2d 1421, 1424 (10th Cir. 1984) („[P]arties to litigation have a constitutionally protected right to disseminate information obtained by them through the discovery process absent a valid protective order“). 315  Gibbons, Subsequent Use of Documents (2002), 268 („a mirror opposite procedure“). 316  FRCP 26(c)(1): „The court may, for good cause, issue an order to protect a party or person from annoyance, embarrassment, oppression, or undue burden or expense“. 317  Am deutlichsten In re Halkin, 598 F.2d 176, 191 (D.C. Cir. 1979): „The court must then evaluate such a restriction on three criteria: the harm posed by dissemination must be substan-

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

Dieser Ansicht hat der Supreme Court ausdrücklich widersprochen und den flexiblen „good cause“-Standard der FRCP 26(c)(1) für ausreichend erklärt:318 Wenn das Verfahrensrecht durch umfassende discovery-Pflichten den Zugang zu Informationen überhaupt eröffnet, müsse dem Gericht auch die effektive Kontrolle ihrer Verwendung möglich sein, ohne dass dies gleich als Begrenzung der Meinungsfreiheit zu betrachten wäre.319 Seitdem haben sich die Verbreitungsverbote in der Praxis ausgeweitet, teils in der Form von „Schutzschirmanordnungen“ („umbrella orders“) zu Beginn des Verfahrens, die eine anderweitige Verwendung von discovery-Materialien untersagen.320 Beispielsweise: „All information produced or exchanged in the course of this civil action or any appeal arising therefrom (the ‚litigation‘) shall be used solely for the purpose of this case.“321

Damit sollen der aufklärungspflichtigen Partei die Mühen und Kosten einer vereinzelten Überprüfung der Unterlagen erspart bleiben, was in komplexen Fällen mit umfangreicher Dokumentation sinnvoll ist. Eine allgemeine, aber redliche („in good faith“) Berufung auf die Schutzwürdigkeit der geforderten Information soll dann genügen, um eine vorläufige Schutzschirmanordnung zu erwirken – der Gegner soll diesen Schutz dann im Einzelnen beanstanden, wobei aber die Beweislast der „good cause“ beim Aufklärungspflichtigen verbleibt.322 Meistens vereinbaren die Parteien eine Schutzschirmanordnung zugunsten beider Seiten tial and serious; the restraining order must be narrowly drawn and precise; and there must be no alternative means of protecting the public interest which intrudes less directly on expression.“ Dazu Marcus, (1983) 69 Cornell L. Rev., 1, 2 ff. 318  Seattle Times Co. v. Rhinehart, 104 S.Ct. 2199, 2209 f. („We therefore hold that where, as in this case, a protective order is entered on a showing of good cause as required by Rule 26(c), is limited to the context of pretrial civil discovery, and does not restrict the dissemination of the information if gained from other sources, it does not offend the First Amendment“). 319  „As in all civil litigation, petitioners gained the information they wish to disseminate only by virtue of the trial court’s discovery processes. […] A litigant has no First Amendment right of access to information made available only for purposes of trying his suit. […].Thus, continued court control over the discovered information does not raise the same specter of government censorship that such control might suggest in other situations.“ Seattle Times Co. v. Rhinehart, 104 S.Ct. 2199, 2207 (eigene Hervorhebung). Daraus folgt in Cipollone v. Liggett Group, Inc., 785 F.2d 1108, 1119 (3d Cir. 1986): „Seattle Times prohibits a court considering a protective order from concerning itself with first amendment considerations“. 320  Cipollone v. Liggett Group, Inc., 785 F.2d 1108 (3d Cir. 1986). 321  Aus dem Sachverhalt von Cipollone v. Liggett Group, Inc., 785 F.2d 1108, 1112 Fn. 4 (3d Cir. 1986). Ein weiteres Beispiel aus In re Dual-Deck Video Cassette Recorder Antitrust Litigation, 10 F.3d 693, 694 (1993): „All information produced in discovery, including, but not limited to, ‚Confidential Information‘ shall be used solely in the preparation for trial and/or trial of this action, shall not be used at any time for any other purpose whatsoever and shall not be disclosed to or made accessible to any person who is not a party to this action and/or a ‚Qualified Person‘.“ 322  Cipollone v. Liggett Group, Inc., 785 F.2d 1108, 1122 (3d Cir. 1986).

III. Kontrolle des Parteiverhaltens während der Prozessvorbereitung

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und lassen sich diese vom Gericht bestätigen, um auf diese Weise den gesamten Informationsaustausch vertraulich zu halten.323 Damit hat sich die Praxis in den USA dem englischen Grundsatz eines Verbots zweckfremder Verwendung angenähert. bb) Verwendungsbeschränkungen als Standard der Informationskontrolle Soweit das allgemeine Verwendungsverbot der CPR oder eine pauschale Schutzschirmanordnung nach US-amerikanischer Praxis zur Beseitigung der Missbrauchsrisiken nicht ausreichen sind spezifische Verpflichtungen das bevorzugte Mittel der Informationskontrolle. Wie alle anderen Aspekte der Prozessvorbereitung des pre-trial ist es in erster Linie Sache der Parteien, eigenständig Vertraulichkeitsvereinbarungen zu beschließen, die ihren Bedürfnissen entsprechen.324 Nach allgemeiner Praxis lassen sich die Parteien die getroffenen Vereinbarungen vom Gericht bestätigen, um ihnen den Rang einer Anordnung zu geben. Die Parteien holen gewissermaßen nur die Unterschrift des Richters ein, um die Vereinbarung auf diese Weise in eine gerichtliche Anordnung zu verwandeln und ihr damit den Rückhalt der contempt-Sanktionen zu verleihen.325 Bei Meinungsverschiedenheiten wird das Gericht zu einer Entscheidung zum angemessenen Schutz angerufen. In England beschließt es dann die Anordnung der umstrittenen Offenlegung unter die Bedingung der Abgabe einer angemessenen Verpflichtungserklärung („undertaking“).326 In den USA werden Nutzungsbeschränkungen auf Antrag als Schutzanordnung auferlegt (FRCP 26(c)(1)(G)327). 323  Dazu die Ausführungen in In re Alexander Grant & Co. Litig., 820 F.2d 352, 356 f. (11th Cir. 1987). Ferner Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure (2011), 414 („In practice, secrecy orders and agreements are rarely challenged. Parties regularly agree to broad protective orders in sensitive cases, either because both parties prefer privacy or because the party seeking discovery is willing to waive public disclosure in order to encourage the opposing party to provide discovery freely“). 324  Der Nachweis redlicher Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung ist Zulässigkeitsvoraussetzung jeder Schutzanordnung, auch einer confidentiality order, vgl. FRCP 26(c) (1). 325  Dazu die Beschreibungen in City of Hartford v. Chase, 942 F.2d 130, 137 f. (2d Cir.1991). Die Vereinbarung wird mit dem Zusatz „So Ordered“ versehen, vgl. Gardiner v. A. H. Robins Co., 747 F.2d 1180, 1190 (8th Cir. 1984). Ohne diese gerichtliche Bestätigung bliebe bei Verstoß nur der mühsame Weg eines Vertragsanspruches, Pansy v. Borough of Stroudsburg, 23 F.3d 772, 788 f. (3d Cir. 1994). Zu England, vgl. die Ausführungen zu den undertakings in Schlosser, RIW 2001, 81, 85. 326  Schlosser, RIW 2001, 81, 83. 327  „The court may, for good cause, issue an order […] requiring that a trade secret or other confidential research, development, or commercial information not be revealed or be revealed only in a specified way“ (eigene Hervorhebung).

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

Ein Verstoß kann neben prozessualen und vermögensrechtlichen Konsequenzen die Bestrafung im contempt-Verfahren zur Folge haben.328 Der Inhalt dieser Verpflichtungen ist auf den Einzelfall zugeschnitten. Stets verpflichtet sich der Informationsempfänger zur Verschwiegenheit und zur Unterlassung zweckfremder Nutzung.329 Die Anordnung kann auch begleitende Maßnahmen einschließen, beispielsweise die sichere Verwahrung der offengelegten Dokumente,330 das Verbot Besichtigungsergebnisse festzuhalten oder zu vervielfältigen und die Duldung einer Überwachung durch den Gegner.331 In US-amerikanischen Schutzanordnungen begegnet man der Pflicht zur Rückgabe oder Zerstörung der erlangten Unterlagen nach Prozessende.332 Bei bestimmten Risiken ist sogar eine Meldepflicht angebracht, für den Fall, dass geheimzu­haltende Informationen absichtlich oder versehentlich in Umlauf gebracht werden.333 Auch die vermögensrechtlichen Folgen einer Zuwiderhandlung können geregelt sein – etwa die Zahlung eines vom Gericht bestimmten Schadenser­satzes.334 Da in England der Bedarf einer Zweckbindung vor allem im disclosure-Verfahren relevant ist, erörtert die Rechtsprechung meist den Umgang mit offengelegten Dokumenten. In den USA gehen, darüber hinaus, von den depositions besondere Gefahren zweckwidriger Verwendung aus. Wird etwa eine prominente oder kontroverse Persönlichkeit vernommen und gefilmt, wie es bei depositions zulässig und üblich ist („video-deposition“),335 kann – als konkrete Schutzmaßnahme – die wirtschaftliche Verwertung der Videovernehmung zum unzu328 Beispielsweise in Biovail Laboratories, Inc. v. Anchen Pharmaceuticals, Inc., 463 F.Supp.2d 1073, 1077 (C.D. Cal. 2006) wird wegen Verletzung einer Schutzanordnung ein contempt-Verfahren angestrengt. 329  Zu England, beispielsweise der Sachverhalt in Format Communications MFG Ltd v. ITT Ltd, [1983] F.S.R. 473, 481 („There would be an undertaking by the defendants and Mr. Wallis that they would keep any information gained by the inspection as confidential and not use it save for the purposes of these proceedings“); zu den USA, beispielsweise der Sachverhalt in On Command Video Corp. v. LodgeNet Entertainment Corp., 976 F.Supp.  917, 920 (1997) („Any information designated as Confidential Information shall not be used by the other party for any purpose other than in connection with preparation of the partie’s analysis of issues presented in this litigation“). 330  Atari Inc v. Philips Electronics and Associated Industries Ltd [1988] F.S.R. 416, 421; Format Communications MFG Ltd v. ITT Ltd, [1983] F.S.R. 473, 481. 331  Centri-Spray Corp v. Cera International Ltd, [1979] F.S.R. 175, 181; Format Communications MFG Ltd v. ITT Ltd, [1983] F.S.R. 473, 481. 332  Fireman’s Fund Ins. Co. v. ECM Motor Co., 132 F.R.D. 39, 42 (1990); Biovail Laboratories, Inc. v. Anchen Pharmaceuticals, Inc., 463 F.Supp.2d 1073, 1077 (2006). 333  Fireman’s Fund Ins. Co. v. ECM Motor Co., 132 F.R.D. 39, 42 (1990). 334  Roussel Uclaf v. ICI (No.  3), [1990] R.P.C. 45, 58. 335  „Unless the court orders otherwise, testimony may be recorded by audio, audiovisual, or stenographic means.“ FRCP 30(b)(3)(A).

III. Kontrolle des Parteiverhaltens während der Prozessvorbereitung

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lässigen Fremdzweck erklärt und untersagt336 oder die Aufnahme unter sichernden Bedingungen angeordnet werden.337 Ein besonderes Risiko zweckfremder Verwendung durch die Partei ist auch die aktive Versorgung der Medien mit discovery-Materialien. Die Medien haben als Dritte, wie oben dargestellt,338 kein Zugangsrecht zur „unfiled discovery“. In manchen Fällen ist aber eine Partei daran interessiert, sich (mithilfe medienwirksamer Anwälte) vor der öffentlichen Meinung in ein vorteilhaftes Licht zu stellen oder den Gegner unter Druck zu stetzen, und beliefert die Medien mit entsprechenden Materialien aus dem discovery-Verfahren.339 Das ist weitgehend erlaubt. Die Meinungsfreiheit schützt die US-amerikanische Partei grundsätzlich vor einem Verbot wirksamer Pressearbeit. Ganz ausnahmsweise kommt eine Knebelanordnung („gag-order“) in Betracht.340 Das Gericht muss dann entscheiden, ob die Meinungsfreiheit der Partei und ihrer Anwälte eingeschränkt werden darf, was nur zulässig ist, wenn eine bedeutende Wahrscheinlichkeit („substan­ tial-like­ lihood“-standard) besteht, dass ihre außerprozessualen Kommentare zum Fall („extrajudicial commentary“) ein faires Verfahren unmöglich machen würden und dies nicht mit milderen Mitteln zu vermeiden ist.341 336 

So bei einer Videovernehmung des Sängers Prince: „[I]t is readily apparent that the defendants intend to use any videotape for purposes entirely unrelated to the litigation as well as for the lawsuit itself. […] videotapes are a means of presenting deposition testimony to juries that is superior to readings from cold, printed records. It was not intended to be a vehicle for generating content for broadcast and other media. […] courts must be vigilant to ensure that their processes are not used improperly for purposes unrelated to their role.“ Paisley Park Enterprises, Inc. v. Uptown Prods., 54 F. Supp.  2d 347, 349 (S.D.N.Y. 1999). Eine uneigenützige Veröffentlichung der Vernehmung einer Person, die im öffentlichen Interesse steht (etwa eines Bürgermeisters), ist dagegen zulässig – als öffentliche Person muss der Beklagte die öffentliche Blamage und Bloßstellung hinnehmen, vgl. Flaherty v. Seroussi, 209 F.R.D. 295, 300 (2001). 337 Beispielsweise die Untersagung von Kopien und Verwahrung der orignalen Video­ kassette bei einem neutralen Dritten, Paisley Park Enterprises, Inc. v. Uptown Prods., 54 F. Supp.  2d 347, 350 (S.D.N.Y. 1999); dem folgend Drake v. Benedek Broad. Corp., 2000 WL 156825 (D. Kan. 2000). 338  Unter D.I.2.b). 339  Flaherty v. Seroussi, 209 F.R.D. 295 (5th Cir. 2001) (Weiterleitung einer video-deposition an die Presse); Marceaux v. Lafayette City-Parish Consol. Government, 731 F.3d 488 (5th Cir. 2013) (Verbreitung rufschädigender Informationen über eine Webseite). 340  Der Begriff stammt aus dem Strafprozess und beschreibt eine Anordnung die, beispielsweise „… prohibits attorneys, parties, or witnesses from discussing with ‚any public communications media‘ anything about the case ‚which could interfere with a fair trial,‘ including statements ‚intended to influence public opinion regarding the merits of this case,‘ with exceptions for matters of public record and matters such as assertions of innocence“, U.S. v. Brown, 218 F.3d 415, 418 (5th Cir. 2000). 341  U.S. v. Brown, 218 F.3d 415, 425 ff. (5th Cir. 2000); Marceaux v. Lafayette City-Parish Consol. Government, 731 F.3d 488, 495 (5th Cir. 2013).

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

cc) Personell eingeschränkte Offenlegung Bei größeren Risiken nachteiliger Informationsverbreitung durch den Gegner verstärken die Gerichte den Schutz der Verhaltenspflichten, indem sie den Kreis der informationsberechtigten Einzelpersonen reduzieren.342 Diese zusätzliche Sicherung bietet sich an, wenn die Effektivität der Verwendungsbeschränkungen konkret in Frage steht. Drei Gründe können diese ergänzende Schutzgewährung rechtfertigen. Zum einen geht die Gefahr anderweitiger Informationsverwendung meist nicht von einer einzelnen natürlichen Person aus, sondern von einem Unternehmen, das Informationen innerhalb einer Organisation mit reicher Personalausstattung verarbeitet, wodurch die Wahrscheinlichkeit des Durchsickerns erhöht ist.343 Zweitens können besondere Beweis- und Durchsetzungsschwierigkeiten eines Nutzungsverbots den Ausschluss bestimmter Personen aus dem Kreis der Informationsempfänger rechtfertigen, z. B. im Ausland wohnhafte Unternehmensangehörige.344 Drittens kann es bei Streitigkeiten zwischen Konkurrenten zu Konstellationen kommen, die die Wirksamkeit der Nutzungsverbote in Frage stellen: Bei Führungspersonen, die dafür verantwortlich sind, dass sich das Unternehmen im Wettbewerb bewährt, ist mit einer erhöhten Gefahr der Verwertung von Geschäftsgeheimnissen der Konkurrenz zu rechnen. Dies ist auch dann der Fall, wenn ihre Redlichkeit außer Frage steht, denn es wird bezweifelt, ob sich „im Geist eine Mauer errichten lässt“,345 die zulässige und verbotene Ver342  In England ist die „controlled measure of disclosure to select individuals“ die Richtschnur zum Schutz von Unternehmensgeheimnissen, vgl. Vos et al., Civil Procedure – White Book (2019), para. 31.3.37 („so that the other party may have full free disclosure as is consistent with adequate protection of the trade secrets concerned“). In den USA ist diese Art von Schutz in FRCP 26(c)(1)(E) ausdrücklich vorgesehen: „The court may, for good cause, issue an order […] designating the persons who may be present while the discovery is conducted“. 343  „Clearly, the fewer persons who have access to the defendants’ confidential information, the less likely that there could be a leak.“ Roussel Uclaf v. ICI (No.  3), [1990] R.P.C. 45, 51 (per Aldous J). 344  So die Sorge in Warner-Lambert Co. v. Glaxo Laboratories Ltd., [1975] R.P.C. 354, 360 und Roussel Uclaf v. ICI (No.  3), [1990] R.P.C. 45, 51. 345  „Plaintiff asserts that it is not possible for Defendants’ employees, […] to erect a wall within their own minds such that they can use certain pieces of Plaintiff’s confidential information while evaluating the merits of this action, but not use the information to improve their competitive position“ (eigene Hervorhebung), so das vom Gericht übernommene Argument des Klägers in Chilly Dil Consulting, Inc. v. Jetpay ISO Servs., LLC, 2015 WL 13118078, bei *2 (N.D. Tex. 2015); vgl. auch F.T.C. v. Exxon Corp., 636 F.2d 1336, 1350 (D.C. Cir. 1980): „[I]t is very difficult for the human mind to compartmentalize and selectively suppress information once learned, no matter how well-intentioned the effort may be to do so.“ Dem folgend In re Deutsche Bank Tr. Co. Americas, 605 F.3d 1373, 1378 (Fed. Cir. 2010); Koninklijke Philips N.V. v. iGuzzini Lighting USA, Ltd., 311 F.R.D. 80, 83 (S.D.N.Y. 2015). Englische Richter sehen das Hauptproblem ebenfalls in der unbewussten Nutzung: „I also assume that there is an

III. Kontrolle des Parteiverhaltens während der Prozessvorbereitung

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wertung des erlangten Wissens zu trennen vermag. Es sind also Zweifel hinsichtlich der psychologischen Zumutbarkeit der Befolgung eines Nutzungsverbots und der damit verbundenen Gefahren der unbeabsichtigten Verwendung oder Weitergabe („inadvertent use“ bzw. „inadvertent disclosure“346), die den Ausschluss dieser Personen notwendig erscheinen lassen. Für Streitigkeiten im Bereich des geistigen Eigentums sind die drei ebengenannten Risikofaktoren charakteristisch: Es stehen sich Großunternehmen gegenüber, die in unterschiedlichen Ländern aktiv sind und sich in scharfer Konkurrenz zueinander befinden. Daher hat sich die Schutzeinrichtung des Vertraulichkeitskreises (nach englischem Sprachgebrauch: „confidentiality club“ oder „confidentiality ring“) vor allem in dieser Konstellation entwickelt, was nicht bedeutet, dass er nicht auch in anderen, nicht-marktwettbewerblichen Gefährdungslagen zum Einsatz käme.347 Der Rechtsprechung lassen sich im Wesentlichen zwei Schutzniveaus entnehmen, auf die der Kreis der Kenntnisnehmenden je nach Intensität des Risikos verringert werden kann. Die erste Eingrenzung erfolgt dadurch, dass die Offenlegung auf ausgewählte Mitglieder des Führungspersonals und/oder der Angestellten der Partei beschränkt wird (1). Diese Variante ist noch relativ unproblematisch. Ist das Risiko besonders hoch, muss der Kreis enger gezogen und auf einer zweiten Stufe die Offenlegung einzig an den Prozessanwalt und bei Bedarf an externe Berater der Partei zugelassen werden (2). Auf der ersten Stufe wird also die unternehmensinterne Kenntnisnahme eingeschränkt; das Gericht versucht in diesen Fällen den Gefahren des Informationsflusses innerhalb der Unternehmensstruktur Rechnung zu tragen. Auf der zweiten Stufe wird die Partei als Organisation gänzlich ausgeschlossen und die Information lediglich ihren externen Beratern anvertraut. Im selben Verfahren können auf jeder Stufe mehrere inevitable risk to Dyson, not a risk caused by the likelihood of deliberate misappropriation and use of financial information, but because such financial information, some of which may be highly material to the market in which both Dyson and Hoover operate, may be absorbed into the minds of those to whom it is disclosed“, Dyson Ltd. v. Hoover Ltd.(No.  3) [2002] R.P.C. 42, Rz.  32 (eigene Hervorhebung); ähnlich IPCom GmbH & Co KG v. HTC Europe Co Ltd, [2013] EWHC 2880 (Ch) = 2013 WL 5328684 („The confidential information, once given […] cannot be unlearned“). 346  Z. B. Carpenter Technology Corp. v. Armco, Inc., 132 F.R.D. 24, 28 (E.D. Pa. 1990) oder Brown Bag Software v. Symantec Corp., 960 F.2d 1465, 1470 (9th Cir. 1992). 347  In den USA ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der FRCP 26(c)(1)(G), dass der Schutz nicht auf Unternehmensgeheimnisse beschränkt ist, Gelb v. American Tel. & Tel. Co., 813 F. Supp.  1022, 1034 f. (S.D. N.Y. 1993); Wright/Miller/Kane, Federal Practice & Procedure – Civil (2019), §  2043 bei Fn. 6. Auch in England ist die richterliche Informationskontrolle nicht auf kommerzielle Risiken beschränkt, z.B Libyan Investment Authority v. Societe Generale SA, 2015 EWHC 550 (QB) = 2015 WL 685568 (confidentiality club bei Gefährdung von Leben und Leib).

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

Kreise in unterschiedlicher Besetzung eingerichtet werden, soweit ein differenziertes Schutzbedürfnis besteht.348 Letztlich ist ein confidentiality club nichts anderes als eine Liste konkret benannter Individuen, die zum Zugang zu besonders schutzwürdigen Informationen berechtigt sind. Wie alle Schutzeinrichtungen des pre-trial sind confidentiality clubs wandelbar. Je nach Entwicklung der Vorbereitung und ihrer Informationsbedürfnisse kann eine Modifizierung des Vertraulichkeitsregimes angeordnet werden. (1) Offenlegung an ausgewählte Mitglieder des Unternehmens Wenn anzunehmen ist, dass der freie Informationsfluss innerhalb der Organisation das Risiko zweckwidriger Verwendung auf bedeutende Weise erhöht, können die Gerichte den Zugang auf bestimmte Mitglieder des Unternehmens beschränken. Wird die Verwertung gegnerischer Unternehmensgeheimnisse – und damit die unzulässige Übervorteilung im Wettbewerb – befürchtet, richten US-amerikanische Gerichte die Wahl der zugangsberechtigten Personen ausdrücklich nach dem Grad der Beteiligung an wettbewerbsbezogenen Entscheidungen („competitive decision-making“349). Dabei kommt es nicht auf die formale Stellung an, sondern auf die tatsächliche Tätigkeit im Unternehmen.350 So ist ein Unternehmensjurist („in-house-counsel“) vom Zugang zu Geschäftsgeheimnissen des Gegners auszuschließen, wenn seine Tätigkeit mit der Unternehmensführung dermaßen verflochten ist, dass die Befolgung eines Nutzungsverbots nicht zu erwarten ist351 (z. B. Sitz im Vorstand, Mitglied der Geschäftsführung, regelmäßige Mitwirkung an Vertragsverhandlungen352 oder an Marketingentscheidun348  Sachverhalt in Dyson Ltd. v. Hoover Ltd.(No.  3), [2002] R.P.C. 42, Rz.  5. Dort hatten die Parteien je nach Risikostufe zwei Vertraulichkeitskreise eingerichtet. Ebenso in In re Anonymous Online Speakers, 661 F.3d 1168, 1177 (9th Cir. 2011): „[W]e note that the parties have a protective order in place that provides different levels of disclosure for different categories of documents to various recipients, such as disclosure for ‚Attorneys’ Eyes Only‘“. 349  U.S. Steel Corp. v. United States, 730 F.2d 1465, 1468 (Fed. Cir. 1984); Carpenter Technology Corp. v. Armco, Inc., 132 F.R.D. 24, 27 (E.D. Pa. 1990); Brown Bag Software v. Symantec Corp., 960 F.2d 1465, 1470 f. (9th Cir. 1992); Methode Elecs., Inc. v. Delphi Auto. Sys. L.L.C., No. CIV.A. 09-13078, 2009 WL 3875980, bei *3 (E.D. Mich. 2009); Chilly Dil Consulting, Inc. v. Jetpay ISO Servs., LLC, 2015 WL 13118078, bei *2 (N.D. Tex. 2015); Koninklijke Philips N.V. v. iGuzzini Lighting USA, Ltd., 311 F.R.D. 80, 83 (S.D.N.Y. 2015). 350  U.S. Steel Corp. v. United States, 730 F.2d 1465, 1469 (Fed. Cir. 1984). 351  Die Offenlegung an einen Unternehmensjurist ist nicht zumutbar, wenn „a counsel’s activities, association, and relationship with a client that are such as to involve counsel’s advice and participation in any or all of the client’s decisions (pricing, product design, etc.) made in light of similar or corresponding information about a competitor.“ U.S. Steel Corp. v. United States, 730 F.2d 1465, 1468 Fn. 3 (Fed. Cir. 1984); Montrose Ford, Inc. v. Starn, 147 Ohio App.3d 256, 261 f. (9th Dist. 2002). 352  Carpenter Technology Corp. v. Armco, Inc., 132 F.R.D. 24, 27 f. (E.D. Pa. 1990).

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gen353). Wenn er aber nicht in der Führung mitwirkt, sondern eher im technischen Bereich eine Expertise entwickelt hat, so können seine Kenntnisse für die Vorbereitung des Falles unerlässlich sein und seine Aufnahme in den Vertraulichkeitszirkel geboten.354 Überhaupt sollte den Mitarbeitern mit Fachkenntnissen der Zugang nicht verweigert werden, wenn diese für die Vorbereitung des Falles notwendig sind355 und die Übertragung des Fachwissens an einen externen Berater einen unzumutbaren Aufwand bedeuten würde.356 Sind Betriebsgeheimnisse bedroht, kann die Bewilligung des Zugangs davon abhängen, dass der Mitarbeiter nicht in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung tätig ist oder mit dieser in engem Kontakt steht.357 Diese Beispiele zeigen, dass die Funktionsweise eines confidentiality clubs größere Organisationen mit arbeitsteiligen Entscheidungsprozessen voraussetzt – für einen kleineren Familienbetrieb wurden sie als unbrauchbar angesehen.358 Confidentiality clubs können auch zur Bannung nicht-wirtschaftlicher Risiken eingesetzt werden, etwa die Gefahr der Misshandlung durch Religionsfanatiker,359 Anti-Todesstrafe-Aktivisten360 oder libysche Milizen.361 Sie kommen auch für den Schutz der Vertraulichkeit in Frage, die nicht durch ein Privileg gedeckt ist – etwa die Sichtung von Personalakten Dritter bei Klagen wegen Diskriminierung.362 Ungeachtet des zu kontrollierenden Risikos, ist die Funk­ 353 

Brown Bag Software v. Symantec Corp., 960 F.2d 1465, 1471 (9th Cir. 1992). Carpenter Technology Corp. v. Armco, Inc., 132 F.R.D. 24, 27 f. (E.D. Pa. 1990). 355  Beispiel aus den USA: L-3 Communications Corp. v. Jaxon Engineering & Maintenance, Inc., 863 F. Supp.  2d 1066, 1092 (D. Colo. 2012) (Zugang eines sachkundigen Mitarbeiters des Klägers zu Unternehmensgeheimnisssen des Beklagten); Beispiel aus England: Atari Inc v. Philips Electronics and Associated Industries Ltd, [1988] F.S.R. 416, 421 (Offenlegung eines Quellcodes an einen sachkundigen Mitarbeiter des beklagten Unternehmens). 356  Centri-Spray Corp v. Cera International Ltd, [1979] F.S.R. 175, 180. 357  Roussel Uclaf v. ICI (No.  3), [1990] R.P.C. 45, 52: „He is not directly concerned with the manufacturing and research departments of the plaintiffs […]. Thus the plaintiffs believe that, if the disclosure is to him, then the risk that the defendants’ secret process will be leaked so as to be used by them or by others is minimal.“ 358  Croft House Care Ltd v. Durham CC, [2011] P.T.S.R. 363, 376. 359  Church of Scientology of California v. Department of Health, [1979] 1 WLR 723. 360  In re Ohio Execution Protocol Litig., 845 F.3d 231, 237 (6th Cir. 2016). 361 In Libyan Investment Authority v. Société Générale SA, 2015 WL 685568 (2015) kamen bei der Dokumentenvorlage Identitäten angeblicher Anhänger des gestürzten libyschen Staatsoberhaupts Gaddafi zum Vorschein. Der Kläger war ein libysches Staatsunternehmen, dessen Führung vermeintlich in engem Kontakt mit Gaddafi-feindlichen Militanten stand, die gegen dessen Anhänger regelmäßig gewaltsame Rache übten. Auf Beklagtenseite befürchtete man Repressalien gegen die in den Dokumenten identifizierten Personen und ihre in Libyen ansässigen Familien. Daher wurden die Informationen nicht dem gesamten Unternehmen zugänglich gemacht, sondern, neben seinen Anwälten, nur einem in London wohnhaften internen Berater. 362  Science Research Council v. Nassé, [1979] Q.B. 144, 173, per Lord Denning. 354 

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tionsweise des Vertraulichkeitszirkels stets dieselbe: Es werden Listen von konkreten Mitgliedern des informationsberechtigten Unternehmens erstellt, denen ein Zugangsrecht zu Kategorien besonders schutzwürdiger Informationen eingeräumt wird; die Weitergabe und anderweitige Verwendung wird den Eingeweihten freilich verboten. Auf diese Weise bemühen sich die Gerichte um einen Ausgleich zwischen einer autonomiewahrenden Prozessvorbereitung und der Kontrolle der Risiken der Informationsweitergabe. (2) Offenlegung an externe Anwälte und Experten Die Gerichte gehen davon aus, dass zur Wahrung einer autonomen Prozessvorbereitung mindestens ein entscheidungsbefugtes Organmitglied in den Vertraulichkeitskreis aufgenommen werden sollte.363 Unter „bestimmten Umständen“ („litmited circumstances“364) kann jedoch die Offenlegung ausschließlich an den Prozessanwalt und gegebenenfalls an einen externen technischen Berater beschlossen werden. Dies ist der eigentliche und einzige Parteiausschluss, den der anglo-amerikanische Zivilprozess zu bieten hat: die „attorney’s-eyes-only“-Offenlegung,365 in England allgemeiner „external-eyes-only“ genannt,366 da oft auch anwaltliche Gehilfen367 oder technische Berater hinzugezogen werden. Diese Schutzvariante ist bei Unternehmensgeheimnissen geläufig.368 In der Unge363 

„The plaintiff in the present case, being a corporate body, can only acquire knowledge and make decisions by living agents. Its legal and expert advisers are for the relevant purpose its agents to acquire knowledge but they are not authorised to make any major decisions on the company’s behalf such as, for instance, a decision whether to continue or abandon the action. Such a decision should be made by the company, not by its legal advisers, and still less by its scientific advisers. It must be made by a duly authorised officer or agent or body of agents such as a managing director or the board of directors of the company.“ Warner-Lambert Co. v. Glaxo Laboratories Ltd. [1975] R.P.C. 354, 360 f. 364  Theidon v. Harvard Univ., 314 F.R.D. 333, 336 (D. Mass. 2016). 365  Brown Bag Software v. Symantec Corp., 960 F.2d 1465 (9th Cir. 1992). 366  Beispielsweise in TQ Delta LLC v. Zyxel Communications UK Ltd and another, [2018] EWHC 1515 (Ch), Rz.  4. („If the disclosing party designates any information or document produced on disclosure as being Highly Confidential its disclosure is limited to ‚external eyes only‘ i. e. to external solicitors, counsel and independent experts“); vgl. auch IPCom GmbH & Co KG v. HTC Europe Co Ltd, [2013] EWHC 2880 (Ch) = 2013 WL 5328684. 367  Multi–Core, Inc. v. Southern Water Treatment Co., 139 F.R.D. 262, 264 (D. Mass. 1991). Donald v. Rast, 927 F.2d 379 (8th Cir. 1991); Poliner v. Texas Health Systems, 201 F.R.D. 437, 439 (N.D. Tex. 2001) (vertrauliche Begutachtung in einem ärztlichen Diziplinarverfahren); U.S. ex rel. Purcell v. MWI Corp., 209 F.R.D. 21, 28 (D.D.C. 2002) (Schutz von Finanzinformationen und Unternehmensgeheimnissen). 368  „The disclosure of confidential information on an ‚attorneys’ eyes only‘ basis is a routine feature of civil litigation involving trade secrets“. In re The City of New York, 607 F.3d 923, 935 (2d Cir. 2010). Auch in England sind externe Vertraulichkeitskreise nach Lord Dyson geläufige

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bundenheit des Anwalts gegenüber dem Unternehmen wird eine erhöhte Garantie der Geheimhaltung gesehen. Er ist weder in einem Abhängigkeitsverhältnis noch an der Geschäftsführung beteiligt; eine Verletzung der Schweigepflicht wird daher für unwahrscheinlich gehalten.369 Der Rechtsanwalt ist zudem ein „officer of the court“, dem bei rechtswidriger Offenlegung die karrierebeendende Sanktion des „professional disbarment“ droht.370 Die Gefahr der Verbreitung von Unternehmensgeheimnissen rechtfertigt für sich alleine noch nicht eine dermaßen intensive Beschränkung der Vorbereitungstätigkeit.371 Untersucht man die „bestimmten Umstände“, die den Einsatz externer Vertraulichkeitskreise rechtfertigen, finden sich m. E. drei Ansätze. Der erste hängt mit der Funktionsweise des pre-trial zusammen. Die Informationsbeschaffung erfolgt in wiederholten Wellen und bewegt sich vom Allgemeinen zum Konkreten bis, je nach Aufklärungsergebnis, konkrete Streitpunkte verhandlungsreif werden oder sich eine Vergleichsgrundlage anbietet. Die Relevanz der einzelnen Erkenntnisquellen ist nicht sofort absehbar, sondern kommt eher Schritt für Schritt zum Vorschein. So ist es sachgemäß, in den ersten Phasen der Aufklärung die anfängliche Sichtung („review“) höchst missbrauchsanfälliger Informationen auf Anwälte und externe Experten auszulagern.372 Bevor sich herausgestellt hat, ob sie für die Vorbereitung eines eventuellen trial überhaupt von Belang sind, erscheint ihre Weiterleitung ins Innere des Konkurrenzunternehmens als ein unverhältnismäßiges Risiko.373 Unverhältnismäßig ist die OffenlePraxis: „It is commonplace to deal with the issue of disclosure by establishing ‚confidentiality rings‘ of persons who may see certain confidential material which is withheld from one or more of the parties to the litigation at least in its initial stages.“ Al-Rawi v. Security Service, [2011] 3 WLR 388, 409. 369  D & L Supply Co. v. United States, 693 F. Supp.  1179, 1182 (Ct. Int’l Trade 1988) („The attorneys are not in-house counsel who might be susceptible to demands of their corporate employers to violate a protective order“). 370  D & L Supply Co. v. United States, 693 F. Supp.  1179, 1182 (Ct. Int’l Trade 1988); IPCom GmbH & Co KG v. HTC Europe Co Ltd, [2013] EWHC 2880 (Ch) = 2013 WL 5328684. 371  „The mere presence of ‚trade secrets‘ does not automatically entitle the producing party to an AEO [„attorney’s eyes only“] protective order. The burden remains on the producing party to show that AEO protection is warranted.“ Penn, LLC v. Prosper Bus. Dev. Corp., No.  2:10-CV-0993, 2012 WL 5948363 bei *4 (S.D. Ohio 2012). 372 In Brown Bag Software v. Symantec Corp., 960 F.2d 1465, 1470 (9th Cir. 1992) wird durch die Begründung eines externen Vertraulichkeitszirkels „a party’s opportunity to develop its case through alternative discovery procedures“ ermöglicht. 373  Dieser Faktor war in der Entscheidung IPCom GmbH & Co KG v. HTC Europe Co Ltd, 2013 WL 128129 ausschlaggebend: „The case is still at the interim stage. It is still not clear what part if any the documents will play in the case. There is no guarantee it will go to trial, as the negotiations between IPCom and Nokia show. To allow inspection by the key commercial people within IPCom could inflict wholly unnecessary harm on HTC, Nokia and the interested parties.“

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gung an die Partei auch, wenn ihr relevanter Inhalt den Mandanten auch ohne Preisgabe von Geheimnissen nahegebracht werden kann.374 Je nach Stand der Vorbereitung können schutzwürdige Informationen, deren Relevanz sich herausgestellt hat, aus dem externen Vertraulichkeitskreis herausgenommen und einem (internen) Mitglied der Partei zugänglich gemacht werden;375 dies wird spätestens kurz vor dem trial erforderlich sein, wenn klar ist, dass die vorenthaltene Information für die Beweisführung notwendig ist.376 Der zweite Grund, den Informationszugang auf externe Berater zu beschränken, ist der technische Charakter. Bei Unterlagen, deren unmittelbarer Inhalt nur hochspezialisierten Fachleuten verständlich ist (etwa ein Quellcode377) und dem entscheidungsbefugten Organmitglied bezüglich des Fachwissens daher ohnehin kein selbständiger Entscheidungsspielraum zukommt, kann sich die Offenlegung an die Partei erübrigen.378 Der Autonomiegewinn eines direkten Einblicks der Partei scheint hier sehr gering zu sein, das Risiko bei Verbreitung für den Informationspflichtigen dagegen groß, sodass sich die Auslagerung der Kenntnisnahme rechtfertigt. Die Partei kann sich hier für das Vorantrieben der Rechtsverfolgung mit dem Ergebnis der Expertenmeinung zufriedengeben. Drittens kann der Parteiausschluss gerechtfertigt sein, wenn die Beurteilungen der Information keine weitgehende Wertung erfordert, sondern sich mit Ja/Nein 374  Davon geht das Gericht in McAirlaids, Inc. v. Kimberly-Clark Corp., 299 F.R.D. 498, 501 (W.D. Va. 2014) aus („McAirlaids must assess the merits of the litigation and develop strategy using litigation counsel and outside experts to review information marked confidential or attorney eyes only, and present it in a non-confidential manner to the client for decision-­ making purposes“). 375  In Global Material Technologies, Inc. v. Dazheng Metal Fibre Co., Ltd., 133 F. Supp.  3d 1079 (N.D. Ill. 2015) wurde ein anfängliches attorney’s-eyes-only-Regime später bezüglich gewisser Dokumentengruppen aufgehoben, da sie sich als minder schutzwürdig erwiesen hatten. 376  Einen klaren Beleg dafür findet man in Haemonetics Corp. v. Baxter Healthcare Corp., 593 F. Supp.  2d 298, 302 (D. Mass. 2009) („[T]here is good cause to re-designate TPG’s documents as ‘confidential’ rather than FOCO [For Outside Counsel Eyes Only]. Re-designation is warranted to permit Haemonetics’ in-house counsel and expert witnesses to have access to documents which are arguably crucial to Haemonetics’ case in chief. Haemonetics explains that it needs access to the documents to prove damages“); auch Roussel Uclaf v. ICI (No.  3), [1990] R.P.C. 45, 49. 377  Brown Bag Software v. Symantec Corp., 960 F.2d 1465, 1470 (9th Cir. 1992). 378  IPCom GmbH & Co KG v. HTC Europe Co Ltd, 2013 WL 128129 („the degree to which the party might be able to understand the document is a factor in setting the scope of inspec­ tion“). In diese Richtung auch die Überlegungen von Buckley LJ in Warner-Lambert Co. v. Glaxo Laboratories Ltd. [1975] R.P.C. 354, 360: „If […] the case were one of so esoterically technical a character that even with the help of his expert advisers the party himself could really form no view of his own upon the matter in question but would be bound to act merely upon advice on the technical aspects, disclosure to him of the facts underlying the advice might serve little or no useful purpose.“

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beurteilen lässt379 oder es um das Ergebnis, nicht das Detail geht; etwa bei der Offenlegung von Zulieferer- und Kundenlisten zur Vorbereitung von Marken­ streitigkeiten,380 deren Einsichtnahme US-Gerichten regelmäßig auf die Anwälte beschränken.381 Wie diese drei Rechtfertigungsansätze zeigen, liegt die Grenze dieser Vor­ gehensweise in der Autonomie der Prozessvorbereitung. Die externen Berater handeln als Informationsmittler der informationsberechtigten Partei. Der Parteiausschluss ist gerechtfertigt solange kein unzumutbarer Autonomieverlust zu befürchten ist.382 Ein Streit um den external-eyes-only-Status kommt dann vor Gericht, wenn sich der Fall in eine Richtung entwickelt hat, in der die ausgeschlossene Partei ohne Einblick keine sinnvolle Prozessvorbereitung mehr betreiben kann und daher die Aufnahme eines entscheidungsbefugten Mitarbeiters in den Zirkel verlangt. Es wird dann argumentiert, dass ohne Zugang die sinnvolle Zusammenarbeit mit den Anwälten unmöglich sei383 und diesen keine brauchbaren Anweisungen gegeben werden könnten.384 Ein externer Vertraulichkeits379  Stout v. Remetronix, Inc., 298 F.R.D. 531, 534 (S.D. Ohio 2014) (Einblick in Geschäftsunterlagen zur Feststellung, ob eine Überstunden-Höchstgrenze vorgesehen ist). 380  „[D]efendants may produce the information or documents which contain the identities of defendants’ suppliers of products manufactured by plaintiffs in a form which shall be viewed by plaintiffs’ outside counsel’s eyes only and may only be used for purposes of the instant litigation“, Drexel Heritage Furnishings, Inc. v. Furniture USA, Inc., 200 F.R.D. 255, 263 (M.D.N.C. 2001); ebenso Moore U.S.A., Inc. v. Standard Register Comp, 2000 WL 876884 bei *2 (W.D.N.Y. 2000). 381  „Many cases involving claims of trademark infringement require the production of customer and supplier lists and such lists are customarily produced subject to an ‚attorney’s eyes only‘ order. The attorneys for plaintiffs commonly manage to conduct discovery and litigation strategy without revealing such information to their clients.“ Nutratech, Inc. v. Syntech (SSPF) Int’l, Inc., 242 F.R.D. 552, 556 (C.D. Cal. 2007). 382  „[I]t [attorneys’ eyes only disclosure] is a drastic remedy given its impact on the party entitled to the information. For one thing, it limits the ability of the receiving party to view the relevant evidence, fully discuss it with counsel, and make intelligent litigation decisions.“ Ragland v. Blue Cross Blue Shield of N. Dakota, No.  1:12-CV-080, 2013 WL 3776495 bei *1 (D.N.D 2013) (eigene Hervorhebung). Dem folgend Theidon v. Harvard Univ., 314 F.R.D. 333, 336 (D. Mass. 2016): „[I]t hinders the plaintiff’s ability to aid counsel in the review of the evidence and to determine her litigation strategy in light of it.“ (eigene Hervorhebung). 383  Diesem Argument folgt Theidon v. Harvard Univ., 314 F.R.D. 333, 337 (D. Mass. 2016): „in this case, Theidon, like many clients, serves as both her counsel’s guide to understanding the facts and expert consultant. To deny her the identities of the witnesses, in this particular case, unduly hampers her ability to assist counsel“ (eigene Hervorhebung). 384  IPCom GmbH & Co KG v. HTC Europe Co Ltd, 2013 WL 128129 (2013): „He [der einsichtsberechtigte Anwalt des ausgeschlossenen Klägers] considers that he will be placed in difficulty in complying with his duty to his client under the Solicitors’ Code of Conduct if his client cannot give him ‚fully informed instructions on all the information in the case.‘“ (Hervorhebung im Original); ebenso in Dyson Ltd. v. Hoover Ltd.(No.  3), [2002] R.P.C. 42, Rz.  12 ff.

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zirkel wird sich also spätestens dann auflösen müssen, wenn die darin bewahrte Information Gegenstand des trial werden muss, das eine vollumfängliche Kenntnis des Falles seitens der Parteien voraussetzt.385 dd) Vorbeugende Vorenthaltung Angesichts dieser Gestaltungsmöglichkeiten einvernehmlicher oder angeordneter Zweckbindung, ist ein vorbeugendes Zurückhalten der Information dem äußersten Sonderfall vorbehalten. Die Grundhaltung ist, dass jede Partei im Rahmen des Rechtstreits zur vollumfänglichen Aufklärung berechtigt und verpflichtet ist. Daher werden in der Rechtsprechung stets die Bedingungen, und nicht das Ob einer Offenlegung erörtert.386 Die Offenlegung an einen zum Schweigen verpflichteten Prozessanwalt wird als Extremmaßnahme für ausreichend gehalten, jegliche Bedenken zweckfremder Ausnutzung auszuräumen.387 Es scheint zwar geläufig zu sein, teilweise geschwärzte Dokumente vorzulegen.388 Stellt die informationsberechtigte Partei die angebliche Irrelevanz der geschwärzten Passagen aber in Frage, wird das Gericht die ungeschwärzte Vorlage anordnen.389 Steht die Relevanz fest und erscheint nach dem Stand der Vorbereitungen die Offenlegung als notwendig, lassen die Gerichte die Fallvorbereitung praktisch nie an Geheimhaltungsinteressen scheitern: 385 

Roussel Uclaf v. ICI (No.  3), [1990] R.P.C. 45, 49: „[W]hat disclosure is necessary entails not only practical matters arising in the conduct of a case but also the general position that a party should know the case he has to meet, should hear matters given in evidence and understand the reasons for the judgment.“ 386  Wright/Miller/Kane, Federal Practice & Procedure – Civil (2019), §  2043 bei Fn. 20, nach allgemeiner Einschätzung des Supreme Court: „Actually, orders forbidding any disclosure of trade secrets or confidential commercial information are rare. More commonly, the trial court will enter a protective order restricting disclosure to counsel or to the parties.“ Federal Open Market Committee of Federal Reserve System v. Merrill, 443 U.S.  340, 362 n.  24 (1979). 387  „[…] release of the data under protective order to counsel, as officers of the court, is generally considered sufficient to address the foregoing concerns“, Chevron U.S.A., Inc. v. United States, 11 C.I.T. 76, 79 (Ct. Int’l Trade 1987). 388  „[T]he parties can often agree that all that is necessary to preserve the confidential information is that certain parts of the documents are blanked out.“ Roussel Uclaf v. ICI (No.  3), [1990] R.P.C. 45, 48; ferner GE Capital Corporate Finance Group v. Bankers Trust Co, [1995] 1 WLR 172 (Zulässigkeit der Schwärzung irrelevanter Passagen eines Dokuments). Vgl. für die USA Poliner v. Texas Health Sys., 201 F.R.D. 437, 439 (N.D. Tex. 2001) (Schwärzung von Patientennamen). 389  „The practice of redacting for nonresponsiveness or irrelevance finds no explicit support in the Federal Rules of Civil Procedure, and the only bases for prohibiting a party from seeing a portion of a document in the Rules are claims of privilege or work-product protection.“ Burris v. Versa Prod., Inc., 2013 WL 608742 bei *3 (D. Minn. 2013). Dem folgend IDC Financial Publishing, Inc. v. BondDesk Group, LLC, 2017 WL 4863202 (E.D. Wis. 2017).

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„discovery is virtually always ordered once the movant has established that the secret information is relevant and necessary.“390

ee) Vorläufigkeit der Schutzmaßnahmen Wie schon angedeutet ist die Informationskontrolle im pre-trial von Vorläufigkeit gezeichnet. Das erklärt sich aus dem Tiefgang und der rechtlichen Ungebundenheit der Aufklärung: Zu Beginn ist die Bedeutung der einzelnen Erkenntnisquellen für die Prozessvorbereitung und das trial noch nicht fassbar und auch die Risiken der Informationsverbreitung nicht völlig klar. Erst wenn die Parteien ihre jeweiligen „cases“ und die wesentlichen Streitpunkte herausbilden und einen Prozessvergleich bzw. ein trial ansteuern können, wird deutlich, inwieweit sie auf die Materialien angewiesen sind und welche konkreten Risiken aus der Offenlegung erwachsen. Diese Wandelbarkeit der Konfliktlage wird an der Sprache der Gerichte sichtbar. Sie heben immer wieder die Vorläufigkeit ihrer Beschlüsse hervor und legen nahe, dass sie bei Änderung der Prozesslage erneut angepasst werden müssen.391 b) Vorkehrungen zur Optimierung der Entscheidungsposition des Gerichts Nachdem eben geklärt wurde, was das Gericht beschließen kann, um bei der Informationskontrolle den bestmöglichen Interessensausgleich zu erzielen, wird als nächstes die Frage aufgegriffen, wie – nach welchem Vorgang und auf welcher Grundlage – es sich für die passende Maßnahme entscheidet. Es wird daher zunächst der Entscheidungsvorgang näher erläutert (aa), um dann zu den Vorkehrungen zu gelangen, die das Gericht treffen kann, um eine optimale Entscheidungsposition zu erreichen (bb). aa) Die Entscheidung zur Informationskontrolle Der Richter des pre-trial ist bei der Aufklärung ein Außenstehender. Wird er mit einem Interessenskonflikt konfrontiert, ist ihm über den Stand der Vorbereitung 390 

Coca-Cola Bottling Co. of Shreveport, Inc. v. Coca-Cola Co., 107 F.R.D. 288, 293 (D. Del. 1985). 391  Beispiele aus England: Warner-Lambert Co. v. Glaxo Laboratories Ltd., [1975] R.P.C. 354, 358: „Nor, I think, does any of them indicate that the court might not in appropriate circumstances, at a later stage in the action, have directed disclosure to a wider class of persons or on different terms“; ähnlich Centri-Spray Corp v. Cera International Ltd, [1979] F.S.R. 175, 180. Die Schutzanordnungen der FRCP sind ohnehin vorläufig und gelten solange und soweit die „good cause“ sie rechtfertigt, vgl. Wright/Miller/Kane, Federal Practice & Procedure – Civil (2019), §  2044.1. Das gilt auch für Vertraulichkeitsanordnungen, Pub. Citizen v. Liggett Grp., Inc., 858 F.2d 775, 790 (1st Cir. 1988): „[T]he point of this protective order was to promote a fair trial, not to guarantee Liggett perpetual secrecy“.

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und das Wissen der Parteien wenig bekannt. Anders als sein Kollege auf dem Kontinent kann er den Wissenstand der Parteien nicht der Gerichtsakte entnehmen, die über die „unfiled“ discovery oder disclosure nichts aussagt. Um eine Entscheidung zur Informationskontrolle zu treffen, ist er weitgehend auf das Vorbringen der Parteien angewiesen. Er taucht sozusagen punktuell in die Auf­ klärungstätigkeit ein, um einen Konflikt zum Informationsaustausch zu lösen. Deshalb hat die Rechtsprechung eine klare Lastenverteilung festgelegt, um das erwartete Vorbringen für die Parteien vorhersehbar zu machen. Da die vollumfängliche Offenlegung der Grundsatz ist, hat die schutzsuchende Partei zunächst ein konkretes Geheimhaltungsinteresse geltend zu machen (1). Der Gegner muss daraufhin die Relevanz der verweigerten Information bestätigen und ihre Erforderlichkeit für die Prozessvorbereitung darlegen (2). Kommen beide Seiten ihrer Beweislast nach, hat das Gericht aufgrund dieser Beiträge, unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls, die Entscheidung über die angemessene Schutzmaßnahme zu treffen (3). (1) Nachweis eines konkreten Geheimhaltungsinteresses Eine Partei, die rechtmäßig angeforderte Informationen aus Geheimhaltungsbedenken verweigert, muss eine besondere Schutzwürdigkeit der zurückgehaltenen Informationen darlegen.392 Werden tatbestandlich festgelegte Schutzpositionen geltend gemacht, etwa das Vorliegen eines Unternehmensgeheimnisses („trade secret“), so ist sowohl das Vorliegen des Geheimnisses nachzuweisen, wie der konkrete Nachteil, der sich aus der Offenlegung ergeben könnte.393 In den USA 392  In re Remington Arms Co., Inc., 952 F.2d 1029, 1032 (8th Cir. 1991): „First, the party opposing discovery must show that the information is a ‚trade secret or other confidential re­ search, development, or commercial information,‘ under Rule 26(c)(7) and that its disclosure would be harmful to the party’s interest in the property“. 393  „To resist discovery […] a person must first establish that the information sought is a trade secret and then demonstrate that its disclosure might be harmful.“ Centurion Indus., Inc. v. Warren Steurer & Assocs., 665 F.2d 323, 325 (10th Cir. 1981); Coca-Cola Bottling Co. of Shreveport v. Coca-Cola Co., 107 F.R.D. 288, 292 (D. Del. 1985). Zu anderen kommerziellen Risiken vgl. Cipollone v. Liggett Grp., Inc., 785 F.2d 1108, 1121 (3d Cir. 1986) („to succeed, a business will have to show with some specificity that the embarrassment resulting from dissemination of the information would cause a significant harm to its competitive and financial position“); Smith v. BIC Corp., 869 F.2d 194, 201 (3d Cir. 1989) („[h]arm to a company’s competitive position can flow from both publicity, the focus on information already public, and from the release of confidential information“). Zum Erfordernis der Darlegung einer konkreten Risikolage in England, Dyson Ltd. v. Hoover Ltd.(No.  3), [2002] R.P.C. 42, Rz.  35: „[I]t is on the party trying to restrict disclosure to justify it and to show why, in all the circumstances, notwithstanding onerous undertakings as to confidentiality and the like, nevertheless documents should not be shown to the litigant on the other side.“ Ähnlich Roussel Uclaf v. ICI

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ist das Geheimhaltungsinteresse eine Ausformung der nach FRCP 26(c) für jede Schutzanordnungen vorausgesetzten „good cause“.394 In England werden auf richterrechtlicher Grundlage ähnliche Begriffe herangezogen.395 Dort ist zudem der Nachweis erforderlich, dass der Schutz der allgemeinen Verwendungsbeschränkung nach CPR 31.22 nicht ausreicht.396 Jedenfalls reicht die Äußerung allgemeiner Bedenken, die keinen konkreten Bezug zu den geforderten Informationen aufzeigen, nicht aus.397 (2) Nachweis eines besonderen Informationsinteresses Gelingt dem Informationspflichtigen der Nachweis des Risikos, muss der Gegner nachweisen, dass er auf die Information angewiesen ist. US-Gerichte bedienen sich des Begriffspaars relevant und erforderlich („relevant and necessary“), um das überwiegende Interesse an der geforderten Information zu beurteilen.398 Mit dem Relevanznachweis ist eine Konkretisierung des allgemeinen Rele­vanz­ erfordernisses im Bezug zur als schützenswert erkannten Erkenntnisquelle gefordert – sie muss also mit den Ansprüchen oder Einwänden in Zusammenhang und Verhältnis stehen.399 Die Erforderlichkeit verlangt dagegen den Nachweis, dass es keine Möglichkeit gibt, ohne die verweigerte Information die Vorberei(No.  3), [1990] R.P.C. 45, 48; Church of Scientology of California v. Department of Health, [1979] 1 WLR 723, 743 („real risk“). 394  Multi-Core, Inc. v. Southern Water Treatment Co., 139 F.R.D. 262, 263 (1991); Publicker Indus., Inc. v. Cohen, 733 F.2d 1059, 1071 (3d Cir.1984): „Good cause is established on a show­ing that disclosure will work a clearly defined and serious injury to the party seeking closure. The injury must be shown with specificity“. 395  Etwa „good reason“ in Dyson Ltd. v. Hoover Ltd.(No.  3), [2002] R.P.C. 42, Rz.  39; oder „strong case“ in Church of Scientology of California v. Department of Health and Social Security, 40 [1979] I WLR 723, 746 und Roussel Uclaf v. ICI (No.  3), [1990] R.P.C. 45, 48 f. 396  Warner-Lambert Co. v. Glaxo Laboratories Ltd., [1975] R.P.C. 354, 362 (gelungener Nachweis eines besonderen Schutzbedürfnisses). 397  US-Gerichte lassen „[b]road allegations of harm, unsubstantiated by specific examples or articulated reasoning“ nicht genügen, Cipollone v. Liggett Group, Inc., 785 F.2d 1108, 1121 (3d Cir.1986). Auch vor englischen Gerichten sind Geheimhaltungsinteressen unbeachtlich, wenn „[i]t is not suggested in the evidence that there is some specific item or series of items of confidential information which need protection“, Centri-Spray Corp v. Cera International Ltd, [1979] F.S.R. 175, 180. Ähnlich Format Communications MFG Ltd v. ITT Ltd, [1983] F.S.R. 473, 486. 398  Centurion Indus., Inc. v. Warren Steurer & Assocs., 665 F.2d 323, 325 (10th Cir. 1981); In re Remington Arms Co., Inc., 952 F.2d 1029, 1032 (8th Cir. 1991): „The burden then [nach der Darlegung eines Geheimhaltungsinteresses] shifts to the party seeking discovery to show that the information is relevant to the subject matter of the lawsuit and is necessary to prepare the case for trial.“ 399  „When disclosure of trade secrets is sought during discovery, the governing relevance standard that the movant must satisfy is the broad relevance standard applicable to pre-trial

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tung sinnvoll voranzutreiben. Die Information muss für die Vorbereitung des eigenen Falles nicht nur nützlich, sondern unerlässlich sein, und zwar entweder für den eventuellen Beweis der eigenen Falldarstellung oder zur Entkräftung der gegnerischen.400 Zwischen Relevanz und Notwendigkeit wird nicht fein unterschieden. Insgesamt ist die Bedeutung der Information für den erwarteten Fortgang der Prozessvorbereitung entscheidend. Die Gerichte berück­sichtigen die hypothetischen Verwendungsmöglichkeiten der Information im weiteren Verlauf der Aufklärung und im trial, um ihren Stellenwert für die Verfahrensvorbereitung auszuloten.401 Die Gerichte sind darauf bedacht, dass die Vorenthaltung oder Beschränkung des Informationszugangs keine übermäßige Beschneidung der Handlungsmöglichkeiten der aufklärungsberechtigten Partei zur Folge haben. Das gilt nicht nur, wie oben schon entwickelt, für die Extrem­lösung des Parteiausschlusses, sondern ist ein allgemeiner Bewertungsmaßstab des besonderen Informationsinteresses. Dies zeigt schon die Sprache der Gerichte, die bei der Bewertung des Informationsbedürfnisses weniger, wie es die kontinentale Sichtweise nahelegen würde, auf Wahrheitsermittlung oder objektiven Erkenntniswert abstellen, sondern auf parteiliche Handlungsmöglichkeiten: „disposing fairly of the proceedings“,402 „to determine her litigation strategy“,403 „to be able to discovery“, Coca-Cola Bottling Co. of Shreveport v. Coca-Cola Co., 107 F.R.D. 288, 293 (D. Del. 1985). Zur Relevanz vgl. oben C.III.1.b)dd). 400  „The level of necessity that must be shown is that the information must be necessary for the movant to prepare its case for trial, which includes proving its theories and rebutting its opponent’s theories“, Coca-Cola Bottling Co. of Shreveport v. Coca-Cola Co., 107 F.R.D. 288, 293 (D. Del. 1985). 401  Ein plastisches Beispiel dafür liefert der Gedankengang von J. Schwartz im Streit um die Offenlegung des geheimen Coca-Cola Rezepts: „Plaintiffs could use the secret formulae to prove one of several product identity theories. An analysis of the secret ingredients in diet Coke and old Coke might show that diet Coke was designed to taste as much like old Coke as a low calorie cola could, and that any differences in secret ingredients reflect defendant’s attempts to achieve taste identity. […] These examples, based only on speculation as to what plaintiffs might learn through discovery, illustrate that the complete formulae for diet Coke, old Coca-Cola, and new Coca-Cola are relevant to one of the primary issues in this litigation – product identity.“ Coca-Cola Bottling Co. of Shreveport v. Coca-Cola Co., 107 F.R.D. 288, 296 (D. Del. 1985). Ein jüngeres Beispiel hypothetischer Vorausschau zur Bestimmung der Notwendigkeit der geforderten Information bei M-I LLC v. Stelly, 733 F.Supp.2d 759, 802 (2010) (S.D. Tex. 2010): „Not being able to argue that certain tool diameters were identical, or that WES adopted the same unique material as M–I in the construction of its tools, would be fatal to M–I’s claims.“ In Centri-Spray Corp v. Cera International Ltd, [1979] F.S.R. 175, 179 f. wurde das Informationsbedürfnis auf die Fähigkeit bezogen, in einem eventuellen trial die cross-examination zu führen. 402  Science Research Council v. Nasse, [1980] A.C. 1028, 1040; Croft House Care Ltd v. Durham CC, [2011] P.T.S.R. 363, 372 f. (2010). 403  Theidon v. Harvard Univ., 314 F.R.D. 333, 336 (D. Mass. 2016).

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form a personal judgment on how to deal with the action“,404 „[not to be deprived of] the proper and necessary means to prepare and prove its case“,405 „appreciate the strengths and weaknesses of the case“,406 „ability […] to present Plaintiff’s case“,407 „ability to make a reasoned offer of settlement“,408 „ability to collect the evidence necessary for prosecution of his case“.409 Da sich eine Falldarstellung letztlich dadurch als aussichtsreich erweist, dass sie einen gegnerischen Antrag auf summary judgment überstehen kann,410 begegnet man auch dem Einwand, die Informationsverweigerung würde zu einer „inability to oppose summary judgment“ führen.411 Die Aufzählung dieser Formulierungen soll zeigen, dass mit Informationsinteresse hier stets das Interesse an autonomer Rechtsverfolgung gemeint ist: Ausschlaggebend ist, inwieweit das Entscheidungs- und Handlungsvermögen der Parteien bei Vorbereitung des Falles beschränkt werden darf. Ein auf tatbestandliche Rechtserheblichkeit und Beweisrisiko bezogenes Aufklärungsinteresse steht hier noch nicht direkt zur Debatte (nur im Rahmen der Prognosen zum weiteren Verlauf der Vorbereitung). Das Gericht könnte als Außenstehender das Beweisrisiko auch nicht beurteilen. Es ist die Verantwortung jeder Partei zu entscheiden, wie sie ihre Falldarstellung konstruiert und welche Präzedenzfälle und Beweismittel sie hinzuzieht – Parteientscheidungen, die durch die vorbereitende Aufklärung gerade ermöglicht werden sollen. (3) Einzelfallabwägung Steht fest, dass die Information relevant und erforderlich ist, wird das Gericht das Informationsbedürfnis gegen die konkreten Gefahren der Offenlegung abwägen,412 wobei sich Gerichte um eine Lösung bemühen, die der deutschen Idee der praktischen Konkordanz entspricht.413 Eine abstrakte Werteabwägung lehnen, 404 

Warner-Lambert Co. v. Glaxo Laboratories Ltd., [1975] R.P.C. 354, 359. Cities Serv. Oil Co. v. Celanese Corp., of Am., 10 F.R.D. 458, 460 (D. Del. 1950). 406  Roussel Uclaf v. ICI (No.  3), [1990] R.P.C. 45, 51. 407  Skillington v. Activant Sols., Inc., 2009 WL 3852804 bei *7 (E.D. Mo. 2009). 408  Dyson Ltd. v. Hoover Ltd. (No.  3), [2002] R.P.C. 42, Rz.  32. 409  Knoll v. Am. Tel. & Tel. Co., 176 F.3d 359, 365 (6th Cir. 1999). 410  Vgl. oben C.III.1.a). 411  Brown Bag Software v. Symantec Corp., 960 F.2d 1465, 1470 (9th Cir. 1992). 412  In re Remington Arms Co., Inc., 952 F.2d 1029, 1032 (8th Cir. 1991): „If the party seeking discovery shows both relevance and need, the court must weigh the injury that disclosure might cause to the property against the moving party’s need for the information.“ 413  Deutlich in Warner-Lambert Co. v. Glaxo Laboratories Ltd., [1975] R.P.C. 354, 358: „In my judgment, the court must in each case decide what measure of disclosure should be made, and to whom, and upon what terms, having regard to the particular circumstances of the case, bearing in mind that, if a case for disclosure is made out, the applicant should have as full a 405 

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ähnlich wie das BVerfG, auch anglo-amerikanische Gerichte ab.414 Wie eben dargestellt, sind auf Seiten des Informationsbedürfnisses die besonderen Schwierigkeiten zu beachten, die aus der Vorenthaltung oder beschränkten Offenlegung für die Vorbereitung des prima-facie Falls erwachsen könnten.415 Auf Seiten des Geheimhaltungsinteresses ist nicht das Risiko der Verbreitung als solches, sondern unter Einsatz eines oder mehrerer der oben dargelegten Mittel zur Zweckbindung zu berücksichtigen.416 Die Gerichte haben also einen weiten Ermessensspielraum zur Wahl der angemessenen Maßnahme zur Zweckbindung.417 bb) Maßnahmen zur Optimierung der Entscheidungsposition Auch die Schaffung einer geeigneten Position zur Prüfung der Schutzwürdigkeit – und ggf. Vornahme der Abwägung – liegt im Ermessen des Gerichts. Es hat selbst für die Optimierung des Entscheidungsvorgangs zu sorgen.418 Lassen sich die verweigerten Informationen geläufigen Kategorien zuordnen, ist die Abwägung auch ohne Kenntnis ihres Inhalts möglich (1), sonst muss sich das Gericht direkten Einblick verschaffen, sei es persönlich (2) oder durch einen neutralen Dritten (3).

degree of appropriate disclosure as will be consistent with adequate protection of any trade secret of the respondent.“ (per Buckley L. J., zustimmend Russell L. J., 362). Dem folgend Roussel Uclaf v. ICI (No.  3), [1990] R.P.C. 45, 49; für die USA ferner Wright/Miller/Kane, Federal Practice & Procedure – Civil (2019), §  2043 bei Fn. 15 („consideration of all pertinent circumstances“). 414  Warner-Lambert Co. v. Glaxo Laboratories Ltd. [1975] R.P.C. 354, 362: „[T]here is, so to speak, no universal or even general formula to be followed in this branch of procedure“ (per Russell L. J.). 415  „risk of impaired prosecution of the claim“ (Brown Bag Software v. Symantec Corp., 960 F.2d 1465, 1470 (9th Cir. 1992)). 416  Coca-Cola Bottling Co. of Shreveport v. Coca-Cola Co., 107 F.R.D. 288, 293 (D. Del. 1985). 417  Wright/Miller/Kane, Federal Practice & Procedure – Civil (2019), §  2043 („very wide discretion“); Ball Mem’l Hosp., Inc. v. Mut. Hosp. Ins., Inc., 784 F.2d 1325, 1346 (7th Cir. 1986) („the district court has substantial discretion to decide which information should be protected and to frame the order“); ebenfalls in England, vgl. Roussel Uclaf v. ICI (No.  3), [1990] R.P.C. 45, 57. 418  In CPR 31.19 ist die Befugnis des Gerichts, Maßnahmen für eine angemessene Entscheidungsfindung zu treffen, ausdrücklich anerkannt: „(6) For the purpose of deciding an application under paragraph (1) (application to withhold disclosure) or paragraph (3) (claim to withhold inspection) the court may –(a) require the person seeking to withhold disclosure or inspection of a document to produce that document to the court; and (b) invite any person, whether or not a party, to make representations.“

III. Kontrolle des Parteiverhaltens während der Prozessvorbereitung

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(1) Entscheidung aufgrund von Informationskategorien In den meisten Fällen lässt sich die umstrittene Information einer bestimmten Kategorie zuordnen,419 deren grundsätzliche Schutzwürdigkeit unstreitig ist (Zulieferer- und Kundenlisten, Geheimrezepturen,420 Quellcodes von Softwareprogrammen,421 Vergleichslizenzen und interne Richtlinien zur Lizenzvergabe422 etc.). Um festzustellen, dass ihre Offenlegung mit Risiken verbunden ist, sind Einzelheiten über den Inhalt der zurückgehaltenen Informationen oft weniger von Belang als die Eigentümlichkeiten der vom Gegner ausgehenden Bedrohung. Dann spielt beispielsweise die Nähe des Konkurrenzverhältnisses zwischen den Parteien eine Rolle423 oder das vergangene Verhalten einer Partei424, was sich meist ohne Zugriff auf die umstrittene Information nachweisen lässt. Richterliche Kenntnis des Inhalts der Unterlagen ist für eine treffsichere Entscheidung zum Schutz der Information also regelmäßig nicht notwendig. Das Gericht kann auf Grundlage der Argumente, Beschreibungen und Nachweise der Parteien zu den Gefahren der Offenlegung bzw. den nachteiligen Folgen der Informationsverweigerung eine Abwägung vornehmen,425 zumal die Behauptungen der Parteien regelmäßig durch Eid (affidavits) abgesichert sind.426 Eine Optimierungsmaßnahme wird dann nicht für notwendig gehalten.

419 

Daniel, (1995) 30 Tort & Ins. L.J., 1033, 1039. Daniel, (1995) 30 Tort & Ins. L.J., 1033, 1039. 421  Z. B. in Atari Inc v. Philips Electronics and Associated Industries Ltd., [1988] F.S.R. 416, 419. 422  IPCom GmbH & Co KG v. HTC Europe Co Ltd., 2013 WL 128129. In solchen Fällen Bedarf die Frage der Schutzwürdigkeit keinen Einblick des Gerichts: „There is no real dispute that the parties to licence agreements of this nature treat them as highly confidential. The same applies to internal licensing guidance of the kind which Nokia has been obliged to disclose.“ 423  So die Analyse des Gerichts in InterDigital Technology Corp v. Nokia Corp, 2008 WL 1968892, Rz.  18 („A number of factors come into that balancing exercise. First of all, these are not parties who are in head to head competition. The business of InterDigital emerging through the evidence in this case is not that of a head to head competitor of Nokia“). 424  So in Church of Scientology of California v. Department of Health, [1979] 1 WLR 723. 425  Z. B. in Dyson Ltd. v. Hoover Ltd. (No.  3), [2002] R.P.C. 42, Rz.  32 bzw. 36; Format Communications MFG Ltd v. ITT Ltd, [1983] F.S.R. 473, 486. Ebenfalls deutlich in Glob. Material Techs., Inc. v. Dazheng Metal Fibre Co., 133 F. Supp.  3d 1079, 1085 ff. (N.D. Ill. 2015), neben vielen anderen. 426  Als in einer Vertragsstreitigkeit die Offenlegung des Coca-Cola Rezepts gefordert wurde, hat das Gericht die Risiken der Offenlegung auf Grundlage eines affidavits des leitenden Vizepräsidenten der Coca-Cola Company beurteilt, Coca-Cola Bottling Co. of Shreveport, Inc. v. Coca-Cola Co., 107 F.R.D. 288, 294 ff. (1985). Auch in Format Communications MFG Ltd v. ITT Ltd, [1983] F.S.R. 473, 486 erfolgt die Abwägung auf Grundlage der affidavits der Parteien. 420 

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(2) In-camera-Einsichtnahme in die umstrittenen Informationen Ausnahmsweise sind Schutzwürdigkeit und/oder Relevanz der Information von außen nicht ersichtlich. In den USA hat der Supreme Court daher die Notwendigkeit einer in-camera-Prüfung als Instrument der Entscheidungsoptimierung bestätigt, wenn es darum geht, Geheimhaltungsinteressen aufklärungspflichtiger Behörden gegen das Rechtsverfolgungsinteresse der Partei abzuwägen.427 Andere Gerichte haben hervorgehoben, ein in-camera-Einblick könne eine angemessene Entscheidungsgrundlage („adequate factual basis for decision“) verschaffen.428 Auch die Schutzwürdigkeit angeblicher Unternehmensgeheimnisse429 oder die Relevanz der Personalakten Dritter430 wird bei Bedarf in-camera geprüft, was als anerkannte Praxis gilt.431 Sie ist vor allem dann geboten, wenn die Beschreibungen der informierten Partei keine eindeutige Zuordnung der Information zulassen und die Fehleranfälligkeit einer blinden Würdigung nicht hinzunehmen ist.432 Auch in England hat das House of Lords den Gerichten ein Ermessen eingeräumt, umstrittene Unterlagen in-camera zu sichten,433 wobei sie aber 427 

„[A]n In camera review of the documents is a relatively costless and eminently worth­ while method to insure that the balance between petitioners’ claims of irrelevance and privilege and plaintiffs’ asserted need for the documents is correctly struck“, Kerr v. U. Dist. Court for N. Dist. of California, 426 U.S.  394, 405 f. (1976). 428  Weatherhead v. United States, 157 F.3d 735, 739 (9th Cir. 1998); Nat’l Wildlife Fed’n v. U.S. Forest Serv., 861 F.2d 1114, 1116 (9th Cir. 1988). 429  Daniel, (1995) 30 Tort & Ins. L.J., 1033, 1039 f.; Soule v. RSC Equip. Rental, Inc., 2012 WL 425166, 3 (E.D. La. 2012) („At the oral hearing, and after the Court asked defendant – in order to meet its burden – what specific documents it was withholding and on what grounds, counsel produced the documents to the Court for in camera review“ (eigene Hervorhebung)). 430 In Donald v. Rast, 927 F.2d 379, 381 (1991) wurde ein Vorgehen gebilligt, nach dem der Richter dem Anwalt der informationssuchenden Partei nur die (seiner Meinung nach) relevanten Auszüge der Personalakten Dritter vorgelesen hat. 431  Wright/Miller/Kane, Federal Practice & Procedure – Civil (2019), §  2035 Fn. 40: „In an appropriate case the court may examine material in camera in order to determine whether a protective order should be granted.“ 432  Deutlich in United States v. Davis, 131 F.R.D. 391, 397 (S.D.N.Y. 1990): „due to the very sketchy, and indeed somewhat conflicting descriptions of the documents by the Government […] we have no way of discerning what these documents may show. Thus, we cannot now say whether General Dynamics has a substantial need for the documents, for which no substantial equivalent is available. Accordingly, the Government is ordered to produce the documents for in camera inspection so that we can make such a determination.“ 433  Science Research Council v. Nassé, [1980] A.C. 1028, 1065 f. per Lord Wilberforce, wonach das Urteil des Court of Appeal bestätigt wurde, der entschieden hatte: „[T]he chairman of the tribunal or the judge in the county court should exercise the discretion conferred by the tribunal’s rules of procedure and the County Court Rules by himself inspecting each particular document in each specific case to satisfy himself whether it was essential, in order to do justice between the parties, that the confidence should be overriden“, Science Research Council v.

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aus Gründen der Waffengleichheit zurückhaltend vorgehen.434 Englische Gerichte ziehen es vor, genauere eidliche Erklärungen zur Schutzwürdigkeit der Information und den angeblichen Risiken der Offenlegung einzufordern und nur als ultima ratio zur in-camera-Einsichtnahme zu greifen.435 Jedenfalls ist den Gerichten das Problem bewusst: Hier geht es nicht um die Kontrollmaßnahme selbst, sondern darum, dass die Qualität der Entscheidung über die passende Kontrollmaßnahme zuweilen durch unmittelbaren Einblick in die Information gesichert werden muss. (3) Zuhilfenahme eines neutralen Dritten In den USA übertragen Gerichte die Prüfung gelegentlich einem neutralen Gehilfen. FRCP 53(a) regelt die Übertragung bestimmter Aufgaben an einem „special master“, der dem Gericht im pre-trial zur treffenden Erfassung der zu entscheidenden Sachlage verhelfen soll436 (durch die Abgabe von Empfehlungen an das Gericht). Obwohl sein Anwendungsbereich sehr vielfältig ist, kommt er eher selten zum Einsatz.437 Wenn die Rechtmäßigkeit der Berufung auf Privilegien oder auf anderen vertraulichen Informationen streitig ist, greifen Gerichte gelegentlich zum special master als Informationsmittler. Ihm wird dann aufgetragen, aus den geforderten Informationen Privilegiertes, vorrangig Schutzwürdiges und offensichtlich Irrelevantes herauszufiltern, das Unbedenkliche an den Gegner weiterzuleiten und auf diese Weise das Vorbereitungsbedürfnis des Informationsberechtigten und die vom Privileg gebotene Geheimhaltung in Einklang zu brinNassé, [1979] Q.B. 144, 145 (eigene Hervorhebung). Dem folgend Wallace Smith Trust (in liquidation) v. Deloitte Haskins and Sells, [1997] 1 WLR 257, 266 f., 272. 434  „Unless both parties consent to inspection by the court, problems may therefore arise in the parties not having equal access to the court, which gives rise to article 6 [EMRK] problems as well as under CPR r 1.1(2)(a) (ensuring that the parties are on an equal footing) and thus makes the exercise less attractive to the court“, Atos Consulting Ltd v. Avis Plc, [2008] Bus. L.R. D20, 24, dort angeführt als Zitat aus Documentary Evidence, 9th ed. (2006) para. 8–40 bis 8–42, von Charles Hollander. 435 Dazu Atos Consulting Ltd v. Avis Plc, [2008] Bus. L.R. D20, 24: „I accept and adopt the principle that looking at the documents should be a matter of last resort. […] If sufficient grounds are shown for challenging the correctness of the asserted right then the court may order further evidence to be produced on oath or, if there is no other appropriate method of properly deciding whether the right to withhold inspection should be upheld, it may decide to inspect the documents.“ (eigene Hervorhebung). 436  FRCP 53(a)(1): „Scope. Unless a statute provides otherwise, a court may appoint a master only to: […] (C) address pretrial and posttrial matters that cannot be effectively and timely addressed by an available district judge or magistrate judge of the district.“ Er geht auf Kosten der Parteien (FRCP 53(a)(3)). Dazu Wright/Miller/Kane, Federal Practice & Procedure – Civil (2019), §  2601. 437  Wright/Miller/Kane, Federal Practice & Procedure – Civil (2019), §  2601, dort bei Fn. 3.

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gen.438 Die Parteien haben gegen die Empfehlungen des special master ein Widerspruchsrecht, durch das sie eine gerichtliche Überprüfung seiner Entscheidungen veranlassen können.439 Dieses Recht wird in der Praxis allerdings kaum wahrgenommen440 und es kann auch darauf verzichtet werden441 (zur Vermeidung von zeitraubenden Nebenstreitigkeiten), sodass die Filterentscheidungen des Informationsmittlers meist als endgültig anzusehen sind. Diese Lösung bietet sich an, wenn riesige Mengen an elektronischen Unterlagen einer Überprüfung bedürfen, deren persönliche Vornahme durch das Gericht eine unannehmbare Ressourcenverschwendung bedeuten würde, sodass die Entscheidungsbefugnis teilweise einem filternden special master übertragen wird.442 Dies verlangt freilich, dass Aufgabe und Entscheidungskriterien im Voraus klar definiert sind.443 c) Zusammenfassung Nicht der Parteiausschluss, sondern zweckbindende Verwendungspflichten sind das bevorzugte Mittel der Informationskontrolle im anglo-amerikanischen Zivilprozess, wobei die personell beschränkte Zugänglichkeit – die verbreiteten „confidentiality clubs“ – als eine besondere Art parteilicher Verwendungsbeschränkung zu verstehen ist. Ein Parteiausschluss (experts- oder attorney’s-eyes-only-Anordnung) ist nur für Extremfälle vorgesehen und dauert nur so lange an, bis die Relevanz der vorenthaltenen Information für die Vorbereitung einer Falldarstellung geklärt ist. Da der Informationsaustausch im pre-trial nicht die hoheitliche Entscheidungsgrundlage formt, sondern den Parteien die autonome Entscheidung zur Rechtsverfolgung ermöglichen soll, finden die Mittel der Informationskontrolle die Grenzen nicht in der Parteiöffentlichkeit und dem Gehörsrecht, sondern in der Gewähr­leistung der autonomen Entscheidungsfähigkeit über das weitere Vorgehen in der Sache. Diese ist stets einer Abwägung zugänglich und kann zugunsten entgegenstehender Interessen teilweise oder vorläufig zurücktreten. 438  Beispiel einer entsprechenden Anordnung: „The Order Appointing Special Master states that the assigned task is as follows: ‚[T]o conduct an in camera review of the documents that are the subject of Lee’s September 19, 2005 Motion to Compel. Pursuant to his appointment, the Special Master is authorized to review claims of privilege, attorney work product and to make findings and recommendations… .“ Aus dem Sachverhalt in: Lee v. State Farm Mut. Auto. Ins. Co., 249 F.R.D. 662, 672 (D. Colo. 2008) (eigene Hervorhebung). Andere Fälle zur Kon­ trolle privilegierter Information durch einen special master in Scheindlin/Redgrave, (2008) 30 Cardozo L. Rev., 347, 377–379. 439  FRCP 53(f)(2). 440  Cohen, (2014) 40 Litig. 32, 36, l. Sp. 441  FRCP 53(f)(3)(B). 442  Scheindlin/Redgrave, (2008) 30 Cardozo L. Rev., 347, 378 f. 443  Scheindlin/Redgrave, (2008) 30 Cardozo L. Rev., 347, 383.

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2. Kontrolle der Informationsnutzung durch die Partei in der deutschen Prozessvorbereitung a) Ausschluss einer Partei vom gegnerischen Vortrag Wie im Kapitel zur Sachverhaltsaufklärung verdeutlicht, findet die zivilprozessuale Vorbereitung in Deutschland ausschließlich auf der als Wechselrede ein­ gerichteten Vortragsebene statt. Dort wird der Streitwille geklärt und, soweit vermutete Behauptungen entschuldbar nicht aufgestellt werden können, weitergehende (vorbereitende) Aufklärung betrieben, um einen Beweisantritt zu ermöglichen (durch Anwendung der sekundären Behauptungslast). Schon der Umstand, dass dies auf der Vortragsebene – bei der Erfüllung der Erklärungspflicht nach §  138 II ZPO – stattfindet, setzt der Möglichkeit eines Parteiausschlusses Grenzen. Denn der Parteivortrag ist über die Verhandlungswürdigung in den Entscheidungsvorgang einbezogen (§  286 I 1 ZPO), sodass schon der Ausschluss einer Partei vom gegnerischen Vortrag ein Gehörsverstoß wäre, der, wie auch beim beweisrechtlichen Geheimverfahren, nur mit großem Aufwand auf verfassungsrechtlicher Ebene zu rechtfertigen wäre. Dies zeigt sich sehr anschaulich am Versuch des LG München, auf Vortragsebene eine – um sich des US-amerikanischen Begriffs zu bedienen – attorney’s-eyes-only-Anordnung zu erlassen. Der Kläger hatte einem Schriftsatz ein Anlagenkonvolut beigefügt, das Geschäftsgeheimnisse umfasste, und daher das Gericht darum gebeten, auf geeignete Weise sicherzustellen, dass der Beklagte die übergebenen Unterlagen nicht „zweckfremd“ nutzen kann.444 Das Gericht hatte hierauf beschlossen, dem Beklagten die schutzwürdigen Unterlagen entgegen §  270 1 ZPO nicht übermitteln zu lassen und das Einsichtsrecht des §  299 I ZPO auf den Prozessbevollmächtigten zu beschränken. Das OLG München hat diese Vorgehensweise für unzulässig erklärt. Stillschweigende Voraussetzung seiner Ablehnung war offensichtlich, dass im deutschen Zivilprozess die Vorbereitung auf Vortragsebene die gericht­ liche Entscheidungsgrundlage mitbildet. Da nach anerkannter Formel der Anspruch auf rechtliches Gehör den Parteien das Recht zuspricht, von allem, was dem Gericht zur Entscheidung unterbreitet wird, Kenntnis zu erlangen, kann das OLG München mit einer gewissen Selbstverständlichkeit anführen, dass nach Art.  103 I GG der Partei auch auf Vortragsebene alle Angriffs- und Verteidigungsmittel des Gegners vollständig zugänglich gemacht werden müssen.445 Das Gehörsrecht hat beim Vortragswechsel dieselbe absolute Wirkung wie in der Beweisaufnahme und lässt sich auch von Geheimhaltungsbelangen nicht verdrängen. So kann das OLG München an einen „Grundsatz uneingeschränkter Partei444  445 

Sachverhalt OLG München NJW 2005, 1130, 1131. OLG München NJW 2005, 1130.

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öffentlichkeit […] für das Beweisverfahren“446 anknüpfen, der sich aus der Rechtsprechung des BGH ergebe, und erklärt: „Nichts anderes kann für den (dem Beweisverfahren vorgelagerten) Tatsachenvortrag einer Partei gelten“.447 Somit sei mit der Beschränkung des Zugangs auf den Anwalt gegen das Gehörsrecht und seinen einfachgesetzlichen Ausformungen (§§  270, 299 ZPO) verstoßen worden.448 Was sich die Klägerin mit der Einschränkung des Einsichtsrechts des Gegners erhofft hatte, ist unklar, denn spätestens in der Beweisaufnahme hätten die Urkunden vollumfänglich aufgezeigt werden sollen. Vielleicht sollte der Einblick des gegnerischen Anwalts dazu beitragen, den Beklagten zu einem Anerkenntnis oder Prozessvergleich zu bewegen, ohne ihm gegenüber sogleich die Geheimnisse preiszugeben. Die Förderung solcher privatautonomen Entscheidungen über die Handhabe des Rechtsstreits ist gerade der Grund, der im common law die Einrichtung der attorney’s-eyes-only-Anordnungen und confidentiality rings rechtfertigt. Doch da im deutschen Zivilprozess die Vorbereitung stets unter den Augen des erkennenden Gerichts stattfindet, ist bei jeder Einschränkung der parteilichen Kenntnisnahme das Gehörsrecht kompromittiert. Der behauptungsbelastete Kläger hat nur die Wahl vollumfänglich offenzulegen oder die Information überhaupt nicht beizubringen. Im Fall vor dem OLG München hatte sich der Kläger auf die prozessleitenden Befugnisse des Gerichts berufen, um die Risiken zweckfremder Nutzung zu kontrollieren.449 Darin ist eine funktionale Äquivalenz von §§  139, 136 III ZPO zu FRCP 26(c) (zweckbindende Schutzanordnungen) bzw. CPR 31.22 (Verbot anderweitiger Verwendung) angedeutet. Nur zeigt der besprochene Fall, dass dem deutschen Gericht keine vergleichbaren Kontrollmaßnahmen zur Verfügung stehen. Neben den Schranken ausnahmsloser Parteiöffentlichkeit fehlt auf Vortragsebene auch die Möglichkeit, strafbewehrte Nutzungsbeschränkungen und Schweigepflichten anzuordnen, etwa schon bei Zustellung des Schriftsatzes.450 Eine Verpflichtungsanordnung gem. §  174 III GVG ist hier nicht möglich, weil sie den Ausschluss der Öffentlichkeit voraussetzt, der nur für die mündliche Verhandlung, nicht aber für den vorbereitenden Schriftsatzwechsel vorgesehen 446  Das

OLG München nimmt auf die „Amtsanzeiger“-Entscheidung (BGH NJW 1992, 1817) Bezug, in der eine sachverständige Begutachtung unter Ausschluss von Partei und Gericht vorgenommen wurde, dazu oben unter D.II.3.a). 447  OLG München NJW 2005, 1130, 1131. 448  OLG München NJW 2005, 1130, 1131: „Denn entgegen dieser Vorschrift [§  299 I ZPO] wird zum einen nur dem Prozessbevollmächtigten und nicht der Partei selbst die Einsicht in Anlagen K 21a bis K 21m gestattet, und zum anderen wird darüber hinaus auch die in §  299 I ZPO ausdrücklich vorgesehene Erteilung von (vollständigen) Ausfertigungen, Auszügen und Abschriften verwehrt.“ 449  OLG München NJW 2005, 1130 bei II.1.b. 450  Rojahn, in: FS Loewenheim (2009), 251, 254 f.

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ist.451 Eine weitere Möglichkeit der Informationskontrolle wäre die Einsichtnahme der Partei an Bedingungen zu knüpfen, etwa sich vertraglich zur Verschwiegenheit oder zweckgemäßen Nutzung zu verpflichten,452 aber auch dies verstieße gegen das einschränkungslose453 Einsichtsrecht des §  299 I ZPO. Nach jetziger Rechtslage haben deutsche Gerichte also kein Mittel, von den Parteien ausgehende Risiken der Informationsverbreitung schon auf der vorbereitenden Vortrags­ ebene zu kontrollieren.454 Was als Mittel der Informationskontrolle bleibt, ist, wie auf der Beweisebene, auch hier die vorbeugende Zumutbarkeitssperre, wie sie zur Begrenzung der sekundären Behauptungslast angewendet wird. Macht die sekundär behauptungsbelastete Partei einen Weigerungsgrund geltend, wird der geschuldete Parteivortrag entweder vollumfänglich zur weiteren Vorbereitung der Beweisaufnahme freigegeben oder für unzumutbar gehalten und ganz vorenthalten.455 Dabei wird, wie bei der Informationsverweigerung in der Be­ weisaufnahme, der Qualität der Entscheidungsposition keine Beachtung geschenkt. Die Frage der Zumutbarkeit des sekundär einzubringenden Vortrags muss immer durch blinde Abwägung entschieden werden456 – eine in-camera-­ Prüfung ist auch hier nicht vorgesehen. Ob die Praxis der (blinden) Zumutbarkeitsprüfung im Rahmen der sekundären Behauptungslast zu übertriebenem Schutz oder zur Vernachlässigung von Unternehmensgeheimnissen geführt hat, bleibt dabei unklar.457 451 

McGuire/Joachim/Künzel/Weber, GRUR Int. 2010, 829, 834; Stadler, in: FS Prütting (2018), 559, 566. Deutlich zur Unzulässigkeit und Unverbindlichkeit einer Geheimhaltungsverpflichtung nach §  174 III GVG vor der mündlichen Verhandlung, OLG Köln BeckRS 2019, 18085, Rz.  9; siehe auch OLG Hamm BeckRS 2019, 11091. 452 Vgl. Schlosser, in: FS Vollkommer (2006), 217, 228 f. 453 MüKoZPO/Prütting, §  299 Rn.  31. 454  Dies hat sich zum 26.04.2019 geändert, allerdings nur für Know-How-Rechtsstreitigkeiten: Nach aktueller Rechtslage kann das Gericht auf Antrag der Partei Informationen als geheimhaltungsbedürftig einstufen (§  16 I GeschGehG), und zwar schon ab Anhängigkeit (§  20 I GeschGehG). Die Verfahrensbeteiligten müssen „als geheimhaltungsbedürftig eingestufte Informationen vertraulich behandeln und dürfen diese außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens nicht nutzen oder offenlegen, es sei denn, dass sie von diesen außerhalb des Verfahrens Kenntnis erlangt haben“ (§  16 II GeschGehG). Zudem zeichnet sich in der jüngeren Rechtsprechung zu FRAND-Fällen eine Entwicklung ab, die Anforderungen der Behauptungslast und das Einsichtsrecht nach §  299 I ZPO von zumutbaren Sicherungsvereinbarungen abhängig zu machen, OLG Düsseldorf BeckRS 2018, 7036, Rz.  9 ff., vgl. dazu weitere Nachweise unten bei E.II.2. 455  Mit ausführlichen Nachweisen, Wrede, Das Geheimverfahren im Zivilprozess (2014), 31–42. 456  Wrede, Das Geheimverfahren im Zivilprozess (2014), 63. 457  Wrede, Das Geheimverfahren im Zivilprozess (2014), 63 ist der Meinung: „Im Rahmen der sekundären Darlegungslast geht die Tendenz der Rechtsprechung mit der überwiegenden Literatur von einer Unzumutbarkeit der Offenlegung von Unternehmensgeheimnissen aus.“ Zum gegenteiligen Schluss kommt aber Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheim-

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b) Informationskontrolle im vorbereitenden Informationsprozess Ein anderes Bild bietet die Informationskontrolle bei der Aufklärung mittels ­vorbereitender Informationsansprüche. Dass sie als ungebundene und auf private Informationsgabe gerichtete Aufklärungsmittel den Methoden des pre-trial nahekommt, wurde oben dargelegt.458 Die private Informationsübertragung, auf welche sowohl die Aufklärung des pre-trial wie auch materiellrechtliche Infor­ mationsansprüche abzielen, untersteht nicht den Prozessgrundsätzen, die Qualität und Gerechtigkeit der gerichtlichen Überzeugungsbildung gewährleisten sollen (Unmittelbarkeit und Parteiöffentlichkeit). Daher verwundert es nicht, dass sich in Deutschland gerade hier Bastionen der Informationskontrolle errichten konnten, die mit der Starrheit des Hauptsacheverfahrens kontrastieren.459 Gemeint sind die Figuren des „Wirtschaftsprüfervorbehalts“ und des „Düsseldorfer Verfahrens“. Zum Einsatz kommt die erste beim Informationsanspruch aus §  242 BGB, die zweite beim Besichtigungsanspruch aus §  809 2. Alt BGB und bei den neueren Informationsansprüchen, die diesem nachgebildet sind und in Spezialgesetzen ihren Niederschlag gefunden haben – allen voran §  140c I PatG.460 Die erweiterten Möglichkeiten der Informationskontrolle bei der materiellrechtlichen Informationsbeschaffung ergeben sich insbesondere daraus, dass ihr der Granitblock des Gehörsrechts nicht im Wege steht, welches im Hauptprozess von Klagerhebung bis Urteil uneingeschränkte Kenntnisnahme der Parteien einfordert. Im vorbereitenden Informationsprozess soll nicht dem Gericht die Erkenntnis, sondern dem Anspruchsinhaber die Vorbereitung der Rechtsverfolgung erleichtert werden. Die Übertragung von Informationen ist Rechtsfolge, nicht Beweisverfahren nissen (2014), 237: „Mit der sekundären Darlegungslast gelingt es der Rechtsprechung, Informationsdefizite der primär belasteten Partei zu beseitigen. Das Geheimhaltungsinteresse des sekundär Darlegungsbelasteten berücksichtigt sie nur sporadisch.“ 458  Unter C.III.2.c)dd). 459  Stürner JZ 1985, 453, 459 sieht einen „Widerspruch, daß vor dem Verfahren mehr Information möglich sein soll als im Verfahren.“ Doch gerade der Umstand, dass vor dem Verfahren Privaterkenntnis, im Verfahren dagegen hoheitliche Erkenntnis Ziel der Aufklärung ist, zeigt, dass hier nicht ein Widerspruch, sondern die Verschiedenheit des normativen Umfelds zum Ausdruck kommt. 460  „Wer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entgegen den §§  9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Rechtsinhaber oder einem anderen Berechtigten auf Vorlage einer Urkunde oder Besichtigung einer Sache, die sich in seiner Verfügungsgewalt befindet, oder eines Verfahrens, das Gegenstand des Patents ist, in Anspruch genommen werden, wenn dies zur Begründung von dessen Ansprüchen erforderlich ist. […] Soweit der vermeintliche Verletzer geltend macht, dass es sich um vertrauliche Informationen handelt, trifft das Gericht die erforderlichen Maßnahmen, um den im Einzelfall gebotenen Schutz zu gewährleisten.“ Im Wesentlichen gleichlautend: §§  19a MarkenG, 24c GebrMG, 37c SortSchG, 46a GeschmMG, 101a UrhG.

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oder sonstige Prozessaufklärung.461 Als solche untersteht die Informationsübertragung dem materiellen Recht, nicht dem Prozessrecht. Die Beschränkung der Kenntnisnahme des Informationsgläubigers ist nicht eine unzulässige Einschränkung des Gehörs, sondern lediglich eine nach §  242 BGB zulässige Anpassung des Anspruchsinhalts an gegenläufigen Interessen des Schuldners – etwa den Schutz von Unternehmensgeheimnissen.462 Eine derartige – materiellrechtlich fundierte – Einschränkung der Informationsübertragung kann zwar, wie die Rechtsprechung zur Informationskontrolle im pre-trial zeigt, dem prozessualen Vorbereitungsbedürfnis des Informationsgläubigers entgegenstehen und den Zugang zum Hauptprozess (und damit die Justizgewährung) behindern.463 Das Gehörsrecht bleibt davon aber unberührt.464 Es eröffnen sich also Freiräume, die die materiellrechtliche Informationsbeschaffung in die Nachbarschaft des pre-trial rücken und deutsche Gerichte, wenn auch sparsam, genutzt haben. Im Folgenden soll dargestellt werden, wie deutsche Zivilgerichte das Problem prozessfremder Alternativverwendung regulieren, wenn es darum geht, Informationen aufgrund vorbereitender Informationsansprüche zu übertragen. Ermittelt werden also die funktionalen Äquivalente zum englischen Gebot zweckentsprechender Nutzung nach CPR 31.22(1), zu den zweckbindenden Verpflichtungs­ erklärungen, sowie zu den Schutzanordnungen der US-amerikanischen Gerichte nach FRCP 26(c). Auch hier muss zwischen den Mitteln der Informa­tionskontrolle einerseits (aa) und den Maßnahmen zur Optimierung der Entscheidungsposition andererseits (bb) unterschieden werden. aa) Mittel zur Informationskontrolle bei der materiellrechtlichen Informationsbeschaffung Auch in Deutschland sind die über vorbereitende Informationsansprüche erlangten Informationen – in den Grenzen des materiellen Rechts – frei verwendbar. 461  Daher

kann eine Informationslücke dort, „wo gerade die Kenntnisgewähr Streitgegenstand ist“, nicht im Rahmen der Beweiswürdigung überwunden werden, BVerfG NJW 2000 1175, 1177. 462  Zu Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüchen: BGH, GRUR 1980, 227, 232 – „Monumenta Germanae Historica“; GRUR 1981, 535 – „Wirtschaftsprüfervorbehalt“. Zu §  809 BGB: Schon RGZ 69, 401, 406 – „Nietzschebriefe“; Leppin, GRUR 1984 552, 557 f.; Stürner/ Stadler, JZ 1985, 1101; Palandt/Sprau, §  809 Rn.  11. 463  Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 155. 464  Zutreffend Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 155 („Art.  103 Abs.  1 GG [gilt] nur ‚vor Gericht‘“). Entsprechend sieht der BGH in GRUR 1999, 1025, 1031 bei der Informationsübertragung an einen schweigepflichtigen Dritten anstatt an den Gläubiger „Gefahren für die Durchsetzung seiner Ansprüche deren Hinnahme von ihm nur bei einem deutlich höhergewichtigen Interesse des Auskunftspflichtigen erwartet werden kann“, nicht aber einen Verstoß gegen das Gehörsrecht.

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

Eine allgemeine Verhaltenspflicht, die mit CPR 31.22(1) verglichen werden könnte, ist nicht vorgesehen. Insofern ist die Ausgangslage wie die der US-amerikanischen Prozessvorbereitung. (1) Beschränkung der Informationskontrolle auf vorbeugende Vorenthaltung Während US-amerikanische Gerichte durch die Anordnung von Verhaltenspflichten in diese Verwendungsfreiheit kontrollierend eingreifen, fehlt dem deutschen Gericht auch hier die Möglichkeit, bei besonderen Gefährdungslagen die Offenlegung der Informationen an die Bedingung zweckgemäßer Nutzung zu knüpfen. Die Informationskontrolle der materiellrechtlichen Informationsbeschaf­ fung ist, ähnlich wie bei der prozessualen Aufklärung, grundsätzlich auf die Alternative vorbeugende Vorenthaltung/verwendungsfreie Überlassung beschränkt. Dies bedeutet nicht, dass deutsche Gerichte die Risiken zweckfremder Nutzung nicht sehen würden. Der BGH hat die Notwendigkeit der Zweckbindung bei der vorbereitenden Informationsbeschaffung ausdrücklich betont.465 Ohne den Einsatz von Verpflichtungsanordnungen stehen ihnen aber kaum Mittel zur Verfügung, nach Übertragung der Information eine Zweckbindung sicherzustellen. Deshalb müssen die Risiken der Verbreitung bereits vorher, bei der Festlegung des Umfangs der Informationsgabe, berücksichtigt werden. Dabei kann die Schwärzung von Unterlagen als eine besondere, mildere Form der Informationsvorenthaltung zum Einsatz kommen;466 sei es bei der Vorlegung von Urkunden467 oder Besichtigungsergebnissen.468 (2) Einschaltung eines Informationsmittlers (Wirtschaftsprüfervorbehalt) Soweit ersichtlich findet sich in Deutschland nur eine Fallgruppe, in der die Übergabe der Information, wenn nicht Nutzungsbeschränkungen, so doch bestimmten Zugangsbedingungen unterworfen wird. Bei Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüchen können Gerichte den Anspruchsinhalt nach §  242 BGB dahingehend modifizieren, dass der Schuldner die geforderten Informationen – meist Geschäftsunterlagen des Schuldners – an einen zur Verschwiegenheit verpflichtet Dritten (einen Wirtschaftsprüfer) übergibt, anstatt sie direkt dem Gläu465 

„Generell ist dafür Sorge zu tragen, dass die aus der Besichtigung gewonnenen Erkenntnisse nur zu dem vorgesehenen Zweck eingesetzt werden“, BGH NJW-RR 2002, 1617, 1620. 466  Als Mittel des Geheimnisschutzes höchstrichterlich anerkannt in BGH NJW-RR 2007, 106, 107. 467 Vgl. Wrede, Das Geheimverfahren im Zivilprozess (2014), 106; BGH NJW 1983, 328, 330 (Freigabe der teilweise geschwärzten Krankenakte an die informationsberechtigten Pa­tien­ ten). 468  Deichfuß, GRUR 2015, 436, 440.

III. Kontrolle des Parteiverhaltens während der Prozessvorbereitung

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biger auszuliefern.469 Das Urteil wird unter dem entsprechenden Vorbehalt ausgesprochen (daher „Wirtschaftsprüfervorbehalt“, nach §  242 BGB i. V. m. §  87c IV HGB).470 Dieser Dritte erfüllt eine Filterfunktion,471 die es ermöglicht, die Informationen vom Gläubiger verdeckt zu halten und damit vor zweckwidriger Nutzung zu sichern, sie ihm aber dennoch zur Vorbereitung der Rechtsver­folgung zur Verfügung zu stellen.472 Der Gläubiger kann auf diese Weise die für die Schadensersatzklage notwendige Bezifferungs- oder Schätzungsgrundlage (§  287 ZPO) erbringen,473 ohne die schutzwürdige Information zu Gesicht zu bekommen. Je nach Berechnungsart werden Informationen zum belieferten Kundenkreis, zum Vertrieb, zu den Verkaufspreisen und/oder zu den Umsätzen und Kosten des Verletzers gefordert sein.474 Den mittelbaren Zugang zur Information erhält der Gläubiger aufgrund einer Ermächtigung, durch welche der Schuldner den Dritten zur Beantwortung von Fragen zu den verdeckten Unterlagen befugt.475 Der Gläubiger kann damit durch Fragen an den Wirtschaftsprüfer die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben des Verletzers kontrollieren (etwa ob einzelne Lieferungen, die dem Verletzten bekannt sind, in der vorgelegten Rechnung berücksichtigt werden)476 oder sein Rechenergebnis, etwa hinsichtlich des Verletzergewinns, mit den eigenen Informationen vergleichen.477 Dieses Vorgehen entspricht einer Fallgruppe des pre-trial, in der die US-Praxis mit einer attorney’s-eyesonly-­­Anordnung eine äquivalente Zweckbindung erreicht.478 Erwogen wird ge469  BGH GRUR 1957, 336; GRUR 1980, 227, 232; GRUR 1981, 535. Da es sich um eine auf Verhältnismäßigkeit begründete Modifizierung der Art der Auskunftserteilung handelt, ist kein Antrag erforderlich, vgl. Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 151 f. 470  BGH GRUR 1962, 354, 357. 471  Dreier, Kompensation und Prävention (2002), 585; ähnlich Bork NJW 1997, 1665, 1670 („menschliche[r] Filter“). 472  Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch (2007), 255 f. 473  BGH GRUR 1980, 227, 232; GRUR 1981, 535. Wobei die Bezifferung des Schadens regelmäßig genauere und detailliertere Angaben über die Berechnungsgrundlagen voraussetzt als die Schadensschätzung, Teplitzky/Löffler, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren (2016), Kap.  38 Rn.  12. 474  Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 200 f.; Teplitzky/Löffler, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren (2016), Kap.  38 Rn.  13 ff. 475  Grundlage ist ein Vertrag zwischen dem Dritten und dem Schuldner (§  675 I, §§  611 ff. BGB), Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 149. Diesem Vertrag ist als Nebenpflicht die Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Informationsgläubiger zu entnehmen (154). 476  Ann/Hauck/Maute, Auskunftsanspruch und Geheimnisschutz (2011), Rn.  126 f.; Melullis, in: FS Tilmann (2003), 843, 855. 477  Ploch-Kumpf, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Zivilprozeß (1996), 93. 478  Oben unter D.III.1.a)cc)(2).

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

legentlich die Möglichkeit, dem Wirtschaftsprüfer die Berechnung des Schadens ganz zu überlassen.479 Soweit in diesem Zusammenhang Bedenken im Hinblick auf den Anspruch auf rechtliches Gehör geäußert werden,480 wird übersehen, dass er hier nicht zur Anwendung kommt. Es handelt sich um die Vermittlung des privaten Zugangs zur Information, nicht Vorenthaltung von Teilen der gericht­ lichen Entscheidungsgrundlage.481 Hier ist nicht das Gehörsrecht betroffen, sondern die Autonomie bei der Rechtsverfolgung gefährdet, wie es die anglo-amerikanischen Gerichte bei der Erwägung einer external-eyes-only-Anordnung immer wieder betonen. Aus deutscher Sicht erkennt es Osterloh-Konrad: Der Auskunftsanspruch soll sicherstellen, „dass gerade der Berechtigte selbst die Auskunft überprüfen und sodann nach seinen eigenen Maßstäben eine privat­ autonome Entscheidung über weitere Schritte treffen kann.“482 bb) Vorkehrung zur Optimierung der Entscheidungsposition des Gerichts Mit Ausnahme des Wirtschaftsprüfervorbehalts stehen deutsche Gerichte vor der Alternative: entweder Verurteilung zur vollständigen/teilweisen/geschwärzten Offenlegung oder Ablehnung des Informationsverlangens. Um diese Entscheidung zu treffen, müssen die Risiken prozessfremder Verwendung gewürdigt werden. Auch hier drängt sich die Frage nach der Qualität der Entscheidungsgrundlage auf, d. h. den Erkenntnismitteln, auf welche das Gericht bei dieser Entscheidung zugreifen darf. (1) Entscheidung nach Informationskategorien Wie oben erwähnt, bestimmen sich Umfang und Art der Erfüllung der Informationsansprüche nach einer Interessensabwägung gem. §  242 BGB. Die anglo-amerikanische Rechtsprechung und der Wirtschaftsprüfervorbehalt zeigen, dass es Situationen gibt, in denen die Abwägung aufgrund abstrakter Kategorien durchaus treffend vorgenommen werden kann. Bei Informationsansprüchen zur Schadensberechnung stehen meist gewöhnliche Geschäftsunterlagen mit standardmäßigem Inhalt zur Diskussion (Unterlagen zu Lieferungen, Abnehmern, Kosten und Umsätzen etc.), deren Relevanz und Schutzwürdigkeit im Voraus 479 

Ann/Hauck/Maute, Auskunftsanspruch und Geheimnisschutz (2011), Rn.  133. Ann/Hauck/Maute, Auskunftsanspruch und Geheimnisschutz (2011), Rn.  134 ff. 481  Treffend dazu das OLG München GRUR NJW 2005, 1130, 1131: „[E]r [der Wirtschaftsprüfervorbehalt] betrifft nicht eine Einschränkung der Parteiöffentlichkeit im Erkenntnisverfahren, sondern lediglich die Art und Weise der Erfüllung einer vom Gericht unter Wahrung der Parteiöffentlichkeit – ausgeurteilten Verpflichtung“; zustimmend Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess (2015), Kap.  7 Rz.  76, obwohl er missverständlich von einem „Beweismittler“ spricht. 482  Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch (2007), 256. 480 Vgl.

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und blind erkennbar sind.483 Zudem hätte wohl auch ein deutsches Gericht weder Zeit noch Muße, diese Dokumente im Einzelnen zu überprüfen. Hier kann aufgrund abstrakter Informationskategorien eine qualitative Entscheidung getroffen werden. In anderen Fällen ist die Würdigung des konkreten Inhalts der Erkenntnisquellen notwendig. Sich mit einer blinden Abwägung zu begnügen kann nämlich bedeuten, ein Fehlerpotential hinzunehmen, das, wie gesehen, anglo-amerikanische Gerichte vermeiden. Wegen ihrer Fehleranfälligkeit steht die blinde Abwägung auch bei der materiellrechtlichen Informationsbeschaffung einer Lösung im Wege, die den Anforderungen der praktischen Konkordanz genügen könnte:484 Eine dem Einzelfall angemessene Entscheidung verlangt nach einer Abwägung mit sehendem Auge. Auch ein nach §  242 BGB angemessener Interessensausgleich bei der Durchsetzung eines Informationsanspruches kann ggf. unmittel­ baren Einblick des Gerichts in die eingeklagten Informationen erfordern. Im Informationsprozess kann eine in-camera-Prüfung also schon materiellrechtlich angezeigt sein. Dies wird kaum beachtet. Die (Un-)Zulässigkeit eines in-camera-­ Hauptsacheverfahrens wird gleichermaßen für den Informationsprozess angenommen – ohne dass man sich fragt, ob sich hier das Problem des Parteiausschlusses nicht auf eine andere Weise stellt. Das Resultat dieser Gleichstellung ist, dass auch in Informationsprozessen die Überlassung der eingeklagten Informationen aufgrund blinder Abwägung entschieden werden muss, unter Hinnahme des Fehlerpotentials. Im Anschluss wird gezeigt, wie sich die deutsche Praxis mit dem „Düsseldorfer-Verfahren“ dennoch eine in-camera-Prüfung im (meist patentrechtlichen) Informationsprozess erkämpfen konnte. (2) In-camera-Prüfung im „Düsseldorfer Verfahren“ Ein durch blinde Abwägung zu entscheidender Informationsanspruch ist für die Vorbereitung von Ansprüchen aus dem Recht des geistigen Eigentums unbrauchbar. Vermutet ein Schutzrechtsinhaber eine Verletzung, ist er regelmäßig auf eine ergebnisoffene Ermittlung angewiesen.485 Werden der Besichtigungsanspruch aus §  809 2. Alt. BGB486 oder die spezialgesetzlichen Informationsansprüche dafür eingesetzt, ist die geforderte Information nach Art und Inhalt ungewiss und 483 

Ann/Hauck/Maute, Auskunftsanspruch und Geheimnisschutz (2011), Rn.  134 („[H]ier [steht] von Anfang an fest, dass die Namen der Abnehmer geheimhaltungsbedürftige Geschäftsgeheimnisse des Verletzers sind…“). 484  Vgl. oben D.II.3.b)bb). 485  Zum besonderen Informationsbedürfnis des Rechtsinhabers an einem immateriellen Gut vgl. Dreier, Kompensation und Prävention (2002), 558 f. 486  In BGH GRUR 1985, 512, 514 – „Druckbalken“ wurde die Anwendbarkeit des §  809 BGB auf die Besichtigung schutzrechstverletzender Objekte anerkannt.

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

nur bedingt vorhersehbar. Diese Ungewissheit gilt für die rechtliche Relevanz der zu besichtigenden Aspekte, sowie für die Schutzwürdigkeit der am Besichtigungsobjekt oder in seinem Umfeld auftauchenden Betriebsinterna.487 Die Frage, ob die Besichtigungsergebnisse oder Unternehmensunterlagen relevant oder schutzwürdig sind, bedarf einer rechtlichen Wertung, die nicht aufgrund abstrakter Informationskategorien geleistet werden kann. Da die Parteien dieser Informationsprozesse zueinander stets in Konkurrenz stehen und daher bei jeder Besichtigung die Gefahr der Preisgabe von Unternehmensgeheimnissen besteht, müsste eine abstrakte Interessensabwägung immer zur vollständigen Ablehnung des Anspruchs führen. Eine qualitative Entscheidung zur Informationsweitergabe kann hier nur unter Würdigung der konkreten Information getroffen werden. Eine vorausgehende gerichtliche Prüfung der geforderten Information ist aber nicht ohne besondere verfahrensrechtliche Gestaltung möglich. Eigentlich ist der Besichtigungsanspruch des §  809 2. Alt. BGB so gedacht, dass das Gericht die Duldung der Besichtigung im Urteil ausspricht,488 ohne das konkrete Besichtigungsergebnis selbst würdigen oder kennen zu müssen. Als die Gerichte diesen kaum genutzten Anspruch von seinem „Dornröschendasein“489 entließen und als Berechtigung zur Ermittlung von Schutzrechtsverletzungen anerkannten,490 nahm er – ähnlich wie die discovery-Maßnahmen – eine ergebnisoffene Aus­ richtung an. Es musste ein Weg gefunden werden, dem Gericht schon vor der Entscheidung das angeblich geschuldete Besichtigungsergebnis konkret vor Augen zu führen. Das erforderte eine besondere Verfahrensgestaltung, nach der ein Dritter schon während des Verfahrens die Besichtigung vornimmt, das Ergebnis sichert und dieses dem Gericht zur Würdigung weiterleitet. Grundlage bot die Ansicht, dass die Anpassung des Anspruchsinhalts nach §  242 BGB nicht nur, wie beim Wirtschaftsprüfervorbehalt, zu einer Beschränkungen auf der Ebene der im Tenor ausgesprochenen Rechtsfolge berechtigt, sondern – vorgreifend und weitergehend – zum Eingriff in das Verfahren selbst ermächtigt, im Rahmen 487  Es können bei der Besichtigung im Betriebsgelände „Umwelttatsachen“, also vom Besichtigungszweck unabhängige Betriebsinterna zutage treten, vgl. Wrede, Das Geheimverfahren im Zivilprozess (2014), 101. 488  Es ergibt sich ein nach §  890 I bzw. §  883 ZPO vollstreckbarer Titel auf Duldung der Besichtigung oder Herausgabe zur Besichtigung, vgl. Saß, Die Beschaffung von Informationen (2002), 183; Schilken, Jura 1988, 525, 531. 489  Stauder, GRUR 1985, 518. 490  BGH GRUR 1985, 512, 514 – „Druckbalken“ (§  809 BGB ist auch dann anwendbar, „wenn zwischen dem Anspruch und der Sache eine sonstige rechtliche Beziehung besteht, das heißt, wenn das Bestehen des Anspruchs in irgendeiner Weise von der Existenz oder der Beschaffenheit der Sache abhängt“); BGH GRUR 2002, 1046, 1049 – „Faxkarte“ (Erweiterung des Besichtigungsbegriffs auf „Substanzeingriffe“ an der Sache und damit prinzipielle Zulässigkeit weitgehender Ermittlungen, z. B. Ausbau oder Entnahme einer Probe).

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dessen Bestehen und Umfang des Informationsanspruchs erst noch erkannt werden sollen.491 (a) Funktionsweise Wird also ein Besichtigungsanspruch erhoben und die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung dargelegt,492 beauftragt das Gericht einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen493 die (angeblich) geschuldete Besichtigung vorzunehmen, und zwar unter Ausschluss des präsumtiven Informationsgläubigers. Der Sachverständige hält das Besichtigungsergebnis in einem Bericht fest, den er dem Gericht übermittelt. Materiellrechtlich ist dies folgendermaßen zu verstehen: Die persönliche Besichtigung des Gläubigers, zu der er gem. §  809 BGB berechtigt ist, wird aufgrund §  242 BGB reduziert und zu einem Informationsfreigabeanspruch umgestaltet.494 Sein Inhalt reduziert sich zunächst also auf den Besichtigungsbericht, der die Augenscheinnahme und Ermittlung eines neutralen Dritten bekundet. Diese Reduktion dient nicht unmittelbar dem Geheimnisschutz.495 Sie ist kein Mittel der Informationskontrolle, sondern der Optimierung der Entscheidungsposition des Gerichts bei der Bewertung eventueller Geheimhaltungsinteressen und Entscheidung über Freigabe oder Vorenthaltung.496 Denn nur durch diese Ausgestaltung des Anspruchsinhalts kann die geforderte Information einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ge491  Dies wird an der Charakterisierung deutlich, die Leppin, GRUR 1984 552, 557 f. zum (nach §  242 BGB) beschränkten Besichtigungsanspruchs der Düsseldorfer Praxis vornimmt: „§  809 BGB schließt nicht aus, daß die Besichtigung von einem Dritten als Wissensmittler im Auftrag des Anspruchstellers vorgenommen wird, wobei der Dritte gegebenenfalls auch Hilfspersonen hinzuziehen kann. Er schließt auch nicht aus, daß das Ergebnis der Besichtigung zunächst schriftlich niedergelegt und verwahrt wird. Es handelt sich bei diesen Maßnahmen um Stationen, die gemäß §  242 BGB in den von §  809 BGB gewährleisteten Kognitionsvorgang eingeschaltet werden, um die Wahrung eventueller Betriebsgeheimnisse von vornherein sicherzustellen“ (eigene Hervorhebung). 492  Kühnen, Handbuch der Patentverletzung (2017), Rn.  32. Zudem muss der Gläubiger durch die Darlegung vergeblicher Bemühungen anderweitiger Ermittlung die Erforderlichkeit der Besichtigung vorzeigen (Rn.  42). 493  Der Dritte ist entweder ein privater Sachverständiger (ein Patentanwalt) (OLG Düsseldorf GRUR 1983, 745, 746 f.) oder ein gerichtlich bestellter Sachverständiger. In beiden Fällen untersteht er einer strafbewährten Schweigepflicht gegenüber Dritten (§  203 I Nr.  3 StGB), vgl. Müller-Stoy, Nachweis und Besichtigung des Verletzungsgegenstandes (2008), Rn.  178. 494  Leppin, GRUR 1984 552, 557. 495  So aber Saß, Die Beschaffung von Informationen (2002), 70. 496  Insofern treffend BeckOK PatR/Pitz §  140c Rn.  34 („Dieses zwei Schritte umfassende Verfahren muss angewandt werden, da ohne das Vorliegen der Beweisergebnisse nicht überprüft werden kann, ob deren Aushändigung Betriebsgeheimnisse oder geheimes Know-how des Beklagten gefährden würde“).

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macht werden, bevor sie durch (eventuelle) Verurteilung an den Gläubiger freigegeben wird. Daher ist der Ausschluss des Gläubigers von der Besichtigung auch kein Gehörsverzicht. Sie ist nicht eine Beweiserhebung zum Nachweis des Informationsanspruchs, sondern ein Vorgriff auf die Rechtsfolge.497 Wenn empfunden wird, dass der Gläubiger dennoch durch einen (schweigepflichtigen) Prozessvertreter Gelegenheit zur Einflussnahme in die Besichtigung haben sollte, muss dies als Forderung der Waffengleichheit,498 nicht aber des Gehörsrechts verstanden werden. Zuerst wird der Bericht dem Informationsschuldner übersandt, um ihm Gelegenheit zur Geltendmachung konkreter Geheimhaltungsinteressen zu geben.499 Bringt er keine substantiierten Geheimhaltungsinteressen vor, wird der Bericht ohne weitergehende Prüfung an den Gläubiger weitergeleitet.500 Besteht aber die Gefahr, dass der Schuldner durch die Preisgabe von Betriebsinterna einen Nachteil erleidet, ist eine Interessensabwägung erforderlich. Das Gericht wägt auf Grundlage des Besichtigungsberichts Geheimhaltungsinteresse und Informationsinteresse gegeneinander ab und entscheidet sodann über den Umfang der Freigabe. Der Informationsgläubiger wird von diesem Verfahrensabschnitt ausgeschlossen, die Gerichte gewähren lediglich seinem (auch gegenüber ihm als Mandanten501) schweigepflichtigen Prozessvertreter Einblick in den Bericht und Gelegenheit zur Stellungnahme.502 Bei diesem Verfahrensabschnitt handelt es sich tatsächlich um eine in-camera-Prüfung und Gehörseinschränkung. Da eine angemessene Interessensabwägung bei der vorbereitenden Aufklärung von Schutzrechtsverletzungen anders nicht möglich ist, wird ein Parteiausschluss von der Praxis als notwendiges Übel hingenommen und gilt auch als höchst­ richterlich anerkannt.503 Diese aus Praxisdruck gewachsene Vorgehensweise ist, 497  Kuta, Die Besichtigungsanordnung nach dem „Düsseldorfer Modell“ (2017), 193 ff. vermischt Beweisaufnahme und materiellrechtliche Rechtsfolge, wenn er beim Ausschluss des Gläubigers von der Besichtigung mit der Einschränkbarkeit des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Parteiöffentlichkeit argumentiert. 498  So zutreffend Kühnen, GRUR 2005, 185, 191 und Müller-Stoy, Nachweis und Besichtigung des Verletzungsgegenstandes (2008), Rn.  182. 499  Kühnen, GRUR 2005, 185, 191 f.; Kuta, Die Besichtigungsanordnung nach dem „Düsseldorfer Modell“ (2017), 242 ff. 500  Deichfuß, GRUR 2015, 436, 440; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung (2017), Rn.  139. 501  Die Zulässigkeit einer Verschwiegenheitsverpflichtung des Anwalts gegenüber seinem Mandanten hat der BGH GRUR 2010, 318, Rz.  32 ff. klargestellt. 502  Der Bericht wird also zunächst dem Anwalt des Informationsgläubigers zugeleitet, um ihm die Möglichkeit zu geben, auf Überlassung des Berichts an den Gläubiger anzutragen, Deichfuß, GRUR 2015, 436, 440. 503  BGH GRUR 2002, 1046 – „Faxkarte“.

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soweit ersichtlich, die einzige als zulässig anerkannte Form des in-camera-Verfahrens im deutschen Zivilprozess.504 Die bei der Freigabeentscheidung konkret abzuwägenden Interessen gleichen denen des pre-trial. Das Informationsinteresse bezieht sich auf die Vorbereitung eines eventuellen Prozesses – das geforderte Wissen soll dem Informationsgläubiger den Entschluss über das weitere Vorgehen erleichtern. Es ist daher treffend, wenn in der Rechtsprechung, anstatt von einem „Aufklärungsinteresse“ zuweilen von einem „Rechts­ verfolgungsinteresse“ des Informationsgläubigers die Rede ist505 – worin wiederum die Äquivalenz zum pre-trial sichtbar wird, deren Gerichte auf die Bedeutung des Informationsbegehrens für die Fallvorbereitung abstellen. Auch in der deutschen Rechtsprechung trifft man hier auf Prognosen bezüglich des Hauptsachverfahrens. Ergibt sich aus dem Bericht eine hohe Wahrscheinlichkeit der Rechtsverletzung, die sich im eventuellen Verletzungsprozess zur Überzeugung erhärten könnte, muss der Geheimnisschutz zurücktreten und die Information freigegeben werden.506 Bei geringer Wahrscheinlichkeit werden die Geheimhaltungsbelange des Schuldners um so höher gewertet, sodass die Freigabe verneint wird, oder nur zum Teil bzw. mit Schwärzungen bewilligt werden darf.507 Es läuft also auch hier auf Offenlegung oder Vorenthaltung hinaus, ohne dass eine zweckgebundene Freigabe des Gutachtens (etwa 504 Seit Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle besteht im Kartellschadensersatzprozess eine weitere – allerdings im Anwendungsbereich sehr beschränkte – Ausnahme. Nach §§  33g IV 3, 89b VIII GWB kann das Gericht in einem in-camera-Zwischenverfahren die im §  33g IV 1 GWB vorgesehene Berechtigung überprüfen, die Herausgabe von Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen zu verweigern, dazu Helmdach, Kronzeugeninformationen im kartellrechtlichen Schadensersatzprozess (2019), 175 f. Das Gericht prüft die „allein zum Zweck der Prüfung vorgelegten Beweismittel darauf, ob sie Kronzeugenerklärungen oder Vergleichsausführungen, die nicht zurückgezogen wurden, enthalten“ (§  89b VIII 1 GWB). 505  LG Düsseldorf, Beschluss vom 09. März 2006 – 4b O 550/05, juris, Rz.  5 („die Geheimhaltungsbelange der Antragsgegnerin [haben] gegenüber dem Rechtsverfolgungsinteresse der Antragstellerin zu weichen“). 506  Kühnen, Handbuch der Patentverletzung (2017), Rn.  140. Haedicke, in: FS Schricker (2005), 19, 22 sieht in der vorbereitenden Informationsbeschaffung einen Anwendungsfall des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: „Je eindeutiger eine Schutzrechtsverletzung feststeht, desto eher ist es dem potentiellen Informationsschuldner bei Abwägung der widerstreitenden Interessen […] zumutbar, dem Rechtsinhaber die für die Verfolgung notwendigen Informationen zukommen zu lassen.“ 507  Zu dieser Dynamik Kühnen, Handbuch der Patentverletzung (2017), Rn.  140.: „Je eindeutiger die Nichtverletzung im Aushändigungsverfahren festzustellen ist, umso weiträumiger ist der Geheimnisschutz zu ziehen, so dass bei klarer Nichtverletzungslage auch solche Passagen unkenntlich zu machen sind, die nur möglicherweise Rückschlüsse auf geheimhaltungsbedürftige Einzelheiten […] zulassen können.“ Eine endgültige Überzeugung über die Verletzung steht dem Gericht hier jedoch nicht zu, sondern erst im eventuell nachfolgenden Verletzungsprozess, vgl. Müller-Stoy, Mitt. 2010, 267, 272, Fn.  38.

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durch Verwendungs- oder Zugangsbeschränkungen) vorgesehen wäre.508 Im Gegensatz zu den Entscheidungen zur Zumutbarkeit der sekundären Behauptungslast oder beweisrechtlicher Vorlagepflichten, kann hier die Entscheidung aber aufgrund eines unmittelbaren Einblicks in die umstrittene Information erfolgen. (b) Verfahrensrechtliche Form Die prozessuale Form der eben beschriebenen Vorgehensweise kann variieren. Im Prinzip kann die Besichtigung im Wege der Hauptklage geltend gemacht werden.509 Dem steht die lange Verfahrensdauer entgegen.510 Die effektive Ermittlung einer Schutzrechtsverletzung bedarf schneller und überraschender Maßnahmen, die Verschleierungshandlungen des vermeintlichen Verletzers zuvorkommen.511 Daher erfolgt die Durchsetzung in der Praxis meist durch ein Verfahren, das m. E. mit dem Ausdruck summarischer Informationsprozess treffend bezeichnet ist. Denn durch Kombinierung der Vorschriften des einstweiligen Rechtsschutzes und des selbständigen Beweisverfahrens haben die Gerichte ein Verfahren konstruiert, das in eine Freigabeentscheidung mündet, ohne einen vollumfänglichen Informationsprozess durchschreiten zu müssen. Das Gericht verpflichtet auf Antrag des Gläubigers den Informationsschuldner einstweilig zur Duldung der Besichtigung. Grundlage ist der materiellrechtliche Besichtigungsanspruch.512 Die erforderliche Dringlichkeit gilt entweder als gesetzlich fingiert (§  140c III PatG)513 oder wird wegen der immerwährenden Manipulationsgefahr regelmäßig bejaht.514 Diese rechtfertigt auch stets den Erlass der Anordnung ohne vorausgehende Anhörung des Antragsgegners (§  937 II ZPO).515 Der Schuldner wird also überrascht,516 die Besichtigung kann selbst gegen seinen Widerstand (§§  890, 892 ZPO) durchgeführt werden, sodann wird

508  Kritisch daher Stadler, ZZP 123 (2010), 261, 272, die aber den Umstand bedauert, dass das in-camera-Verfahren im Verletzungsprozess nicht aufrechterhalten wird. 509  Hier wird dem Schuldner durch ein Teilurteil über den Anspruchsgrund (§  301 I 1 2. Alt. ZPO) die Duldung der Besichtigung durch den Dritten auferlegt, vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 08.03.2007 – 4b O 230/04 –, juris, Rz.  39. 510  Tilmann/Schreibauer, in: FS Erdmann (2002), 901, 925 f. 511  Kühnen, Handbuch der Patentverletzung (2017), Rn.  85. 512  Bork, NJW 1997, 1665, 1671; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung (2017), Rn.  107. 513  Kühnen, Handbuch der Patentverletzung (2017), Rn.  108; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2011, 289, 290. 514  Tilmann/Schreibauer, in: FS Erdmann (2002), 901, 924. 515  Kuta, Die Besichtigungsanordnung nach dem „Düsseldorfer Modell“ (2017), 129 f. 516  Ihm wird nach Zustellung jedoch eine zweistündige Wartefrist gegeben, um noch vor der Besichtigung seine Anwälte hinzuzuziehen, Kuta, Die Besichtigungsanordnung nach dem „Düsseldorfer Modell“ (2017), 157 f., 234.

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der Bericht erstellt und dem Gericht übermittelt.517 Darauf wird, wie gesagt in-camera, über die Freigabe entschieden518 und wenn das Informationsinteresse überwiegt, der Bericht nach Beendigung des Verfügungsverfahrens an den Antragsteller (=Besichtigungsgläubiger) übergeben; falls angemessen mit Schwärzungen. Das Gericht kann sich auf diese Weise eine optimale Informationssicherung und Entscheidungssituation verschaffen und verfügt zudem über die Gewalt, den Widerstand des Schuldners – etwa die Verwehrung des Zutritts in das Betriebsgelände – durch Zwang zu brechen. Leistet der Schuldner Widerstand gegen die zu duldenden (§  890 ZPO) Ermittlungshandlungen, kann auf Wunsch des Gläubigers der Gerichtsvollzieher hinzugezogen werden (§  892 ZPO), der befugt ist, den Widerstand mithilfe von Polizeigewalt zu beseitigen (§  758 III ZPO)519 und Ordnungsmittel zu verhängen (§  890 ZPO), was dieser Praxis eine Wirksamkeit verleiht, die der Androhung eines contempt-Verfahrens nahekommt.520 Nach einer Auffassung521 verstößt solch ein summarisches Erkenntnisverfahren, das bei Obsiegen des Antragstellers die endgültige Befriedigung des Anspruchs zur Folge hat, gegen einem grundsätzlichen Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache.522 Die Freigabe des Berichts dürfte erst aufgrund eines Informations-Hauptsacheverfahrens erfolgen,523 innerhalb dessen die „hinreichende Wahrscheinlichkeit“ der Verdächtigungen nicht nur durch eidesstattliche Versicherung nachgewiesen werden, sondern eine vollumfängliche Beweisaufnahme bestehen müsste.524 Durchgesetzt hat sich stattdessen die summarische Befriedigung des vorbereitenden Informationsbegehrens. Zuerst galt dies als TRIPS-konforme Auslegung des §  809 BGB (insbesondere als eine Forderung des Art.  50 517 

Kuta, Die Besichtigungsanordnung nach dem „Düsseldorfer Modell“ (2017), 236 f. Durch Beschluss oder mündliche Verhandlung, Kuta, Die Besichtigungsanordnung nach dem „Düsseldorfer Modell“ (2017), 265 m. w. N. 519 Dazu Grabinsk, in: FS Mes (2009), 129, 136 f. 520  So heißt es z. B. im von Kühnen, Handbuch der Patentverletzung (2017), Rn.  11, empfohlenen Formulierungsbeispiel: „Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das unter 3. bezeichnete Verbot [Veränderung an der zu begutachtenden Sache vorzunehmen] werden der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu vollstrecken ist“ (bei III. Nr.  4). 521  Haedicke, in: FS Schricker (2005), 19, 27; Gniadek, Die Beweisermittlung (2011), 116. 522 MüKoZPO/Drescher, §  938 Rn.  8; Zöller/G.Vollkommer, §  938 Rn.  3 m. w. N. A.a. Gaul/ Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht (2010), §  76 Rn.  10 („Das vielfach behauptete ‚grundsätzliche Verbot‘ befriedigender einstweiliger Verfügungen existiert nicht“). 523  Bork, NJW 1997, 1665, 1617. 524  Franz, ZUM 2005, 802, 805. Ansonsten würden „haltlose Denunziationen für entlassene Angestellte zur Routine werden.“ 518 

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

TRIPS, schnelle und wirksame Maßnahmen zur Verfügung zu stellen)525 und wurde dann bei der Umsetzung der Enforcement-Richtlinie vom Gesetzgeber ausdrücklich bestätigt.526 Sein Anwendungsfeld scheint aber weiterzugehen, zumal auch im Lauterkeitsrecht, ein weiterer Rechtsbereich typischer Informations­ not, diese summarische Informationsbeschaffung praktiziert wird.527 (c) Erhebung des Gutachtens zum Beweis In einem Punkt geht das Düsseldorfer Verfahren weiter als die Informationserhebungen des pre-trial. Grundsätzlich haben die Erkenntnisquellen, die über vorbereitende Informationsansprüche freigegeben werden, keinen Beweiswert. Das Besichtigungsergebnis ist dem Privatgebrauch zugedacht und kann im eventuellen Verletzungsprozess nur als Parteivortrag eingeführt werden.528 Erst durch die Zeugenvernehmung des Sachverständigen, der die Besichtigung vorgenommen hat, kann das Besichtigte als Beweis in die Entscheidungsgrundlage einfließen.529 Dies ist wie oben erwähnt530 nicht ein Problem oder Nachteil, sondern die natürliche Folge davon, dass Informationsansprüche privatbetriebene Prozessvorbereitung sind. Sie sollen eine private Risikoeinschätzung und eigenverantwortliche Entscheidungen im Umgang mit dem Konflikt ermöglichen, nicht schon die hoheitliche Erkenntnis des Sachverhalts erbringen, welche mit größerem Aufwand und Einschränkungen verbunden ist. Daher haben auch die Erzeugnisse des pre-trial keinen unmittelbaren Beweiswert und ihre Zugänglichkeit ist entsprechend nicht durch die beweisrechtliche Zulässigkeit beschränkt.531 Die Partei entscheidet, welche der im pre-trial gesammelten Materialen sie im trial einsetzen will, und muss sie dann als Beweismittel (Zeuge bzw. exhibit) einführen. Diese grundsätzliche Trennung zwischen privaten und hoheitlichen Aufklärungsbeiträgen wird aus ökonomischen Gründen aber zuweilen durchbrochen. Ein Musterbeispiel sind die englischen witness statements. Sie werden vor der Beweisaufnahme eingeholt und dienen in erster Linie der privatbetriebenen Vorbereitung, erlangen aber in einem eventuellen trial zugleich als Hauptvernehmung vollen Beweiswert.532 525 

Tilmann/Schreibauer, GRUR 2002, 1015, 1017 f. Hartz, ZUM 2005, 376, 379; Müller-Stoy, Nachweis und Besichtigung des Verletzungsgegenstandes (2008), Rn.  251; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2011, 289, 290. 527  LG Nürnberg MMR 2004, 627, 268. Dazu Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 134, Fn. 535. 528  Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 180. 529  Stürner/Stadler, JZ 1985, 1101, 1102; BGH GRUR 1985, 512, 517. 530  Unter C.III.2.c)dd). 531  Oben unter C.III.1.b)dd). 532  Dazu schon oben unter C.III.1.b)cc). 526 

III. Kontrolle des Parteiverhaltens während der Prozessvorbereitung

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Das Düsseldorfer Verfahrens ist auch ein solcher „Zwitter“533: Der einstweilig hervorgebrachte Sachverständigenbericht – eigentlich ein Privatgutachten534 – wird durch die parallele Anordnung eines selbstständigen Beweisverfahrens zum vollwertigen Beweis geadelt (§  493 I ZPO). Der Informationsgläubiger kann das freigegebene Gutachten im eventuellen Verletzungsprozess als Beweismittel nutzen.535 Der Weg über den einstweiligen Rechtsschutz ist weiterhin unentbehrlich, weil das selbständige Beweisverfahren keine vollstreckbaren Duldungsanordnungen vorsieht.536 Die Begutachtung erfolgt nach den Regeln des Sachverständigenbeweises,537 mit der Abweichung, dass anstatt das Gutachten sogleich beiden Parteien zugänglich zu machen, das Freigabeverfahren (in-camera) vorangestellt wird.538 Eine derartige Verbindung von Privataufklärung und Beweisaufnahme zur Effizienzgewinnung ist auch aus der Perspektive der anglo-amerikanischen Sachverhaltsaufklärung ein seltener Ausnahmefall. cc) Zusammenfassung Grundsätzlich läuft die Informationskontrolle auch bei der materiellrechtlichen Informationsbeschaffung entweder auf bedingungslose Überlassung oder vorbeugende Vorenthaltung hinaus. Da sie aber, wie auch die Aufklärung des pre-trial, auf private Informationsübergabe abzielt, die in Form und Umfang gegenläufigen Interessen im Einzelfall angepasst werden kann, sind zwei Lockerungen zu beobachten, die der prozessualen Aufklärung angesichts der strengen Anforderungen des Gehörsrecht verwehrt bleiben. Zum einen kann die Information einem Informationsmittler zugeleitet werden, der durch seine Filterfunktion ihren zweckgerechten Einsatz sicherstellt. Zum anderen hat der praktische Bedarf nach einer effektiven Ermittlung von Schutzrechtsverletzungen den klassischen Besichtigungsanspruch an die Anforderungen der Praxis angepasst. Der vermeintliche Verletzte klagt nicht die persönliche Besichtigung ein, sondern den Einblick in ein zuvor von einem neu­tralen Dritten einzuholendes Besichtigungsgutachten – über dessen Freigabe in-camera entschieden wird. Anders wäre die gerichtliche Prüfung einer ergebnisoffenen Besichtigung von Gegenständen im fremden Kontrollbereich wohl nicht möglich. Dieses vorbereitende Informationsfreigabeverfahren ist das einzige in-camera-Verfahren des deutschen Zivil533 

Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess (2015), Kap.  7 Rz.  74. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung (2017), Rn.  86. 535  Kühnen, GRUR 2005, 185, 191. 536  Kuta, Die Besichtigungsanordnung nach dem „Düsseldorfer Modell“ (2017), 118. 537  Der Sachverständige wird also gerichtlich bestellt und unterliegt strafbewehrten Verschwiegenheitspflichten (§  203 I Nr.  3 StGB), vgl. Kühnen, GRUR 2005, 185, 191. 538  Kuta, Die Besichtigungsanordnung nach dem „Düsseldorfer Modell“ (2017), 255  f. Ähnlich in Frankreich, Adloff, Vorlagepflichten und Beweisvereitelung (2007), 445. 534 

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

prozesses. Hierbei handelt es sich aber nicht um ein Mittel der Informationskontrolle, sondern um die Verschaffung einer angemessenen Entscheidungsposition – die Freigabe des Gutachtens erfolgt entweder bedingungslos (ggf. geschwärzt) oder überhaupt nicht.

3. Fazit zur Informationskontrolle bei der vorbereitenden Aufklärung Während der Prozessvorbereitung zeigen sich bedeutende Unterschiede bezüglich der Kontrolle von Risiken, die vom Parteiverhalten ausgehen. Im deutschen Recht sind die Kontrollinstrumente dürftig entwickelt. Schutzwürdige Information wird wegen Unzumutbarkeit der Offenlegung vorbeugend vorenthalten, sofern eine Abwägung dies rechtfertigt. Da das Gericht keine Möglichkeit hat, in die umstrittene Information selbst Einblick zu nehmen (mit Ausnahme des Düsseldorfer Verfahrens), befindet es sich stets in einer fehleranfälligen Entscheidungsposition. Das anglo-amerikanische pre-trial bietet hingegen durch zweckbindende Pflichten und Zugangsbeschränkungen bis hin zum Parteiausschluss vielfältige Möglichkeiten, den Risiken der Informationsverbreitung entgegenzutreten. Die Maßnahmen können, wenn nötig, nach einem in-camera-Einblick in die umstrittene Information beschlossen werden. Für diesen Unterschied gibt es zwei Erklärungsansätze: Zum einen die Tatsache, dass in Deutschland die prozessuale Vorbereitung auf Vortragsebene und damit vor dem erkennenden Gericht stattfindet und die Entscheidungsgrundlage bildet. Somit steht das Gehörsrecht einem Parteiausschluss oder einem bedingten Parteizugang zum Prozessinhalt stets im Wege. Zum anderen ist es dem deutschen Recht fremd, eine Offenlegung unter Verbot anderweitiger Nutzung anzuordnen; dies gilt für die prozessuale Sachverhaltsaufklärung, aber auch für die Vorbereitung durch materiellrechtliche Informationsansprüche, bei der sich, mit Ausnahme des Wirtschaftsprüfervorbehalts, keine Praxis zweckgebundener Informationsweitergabe entwickeln konnte. Maßgebend sind wohl die beschränkten Möglichkeiten einer effektiven Aufsicht der Verwendungsbeschränkungen durch das Gericht. Dieser Mangel scheint einer präventiven Grundhaltung Vorschub zu leisten. Im anglo-amerikanischen Zivilprozessrecht, welches die vorbereitende Aufklärung als private Tätigkeit normiert, sind die Aufklärungsvorgänge nicht sogleich Entscheidungsgrundlage des Gerichts, sodass sich Zugangsbeschränkungen bis zum Parteiausschluss rechtfertigen lassen, jedoch nur solange die Autonomie der Prozessvorbereitung nicht übermäßig beeinträchtigt wird. Zudem hat die Zweckbindung der prozessualen Aufklärung durch Verhaltenspflichten lange Tradition. Die Gerichte können diese aufgrund der inherent jurisdiction auch effektiv durchsetzen, was die Entwicklung einer Vielfalt von Kontrollinstrumenten gefördert hat.

IV. Informationsvorenthaltung als Mittel der Informationskontrolle

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IV. Informationsvorenthaltung als Mittel der Informationskontrolle Abschließend soll die vorbeugende Informationsvorenthaltung genauer betrachtet werden. Wie eben erwähnt, stellt sie die typische Lösung deutscher Gerichte dar, die bei überwiegendem Geheimhaltungsinteresse die Offenlegung der geforderten Informationen für unzumutbar erklären. Allerdings kann auch diese Lösung je nach Kontext unterschiedliche Bedeutungen haben. Dies soll zur Abrundung des Rechtsvergleichs verdeutlicht werden. Denn wenn es um die Kontrolle zweckfremder Verwendung geht, ist die Vorenthaltung der Information, wie sich eben zeigte, nur eine Verlegenheitslösung mangels Alternativen (1), während sie zur Erhaltung der Vertraulichkeits- oder Persönlichkeitssphäre ein sachgerechtes Mittel darstellt (2).

1. Verlegenheitslösung bei Risiken zweckfremder Informationsverwendung Bei Gefahren zweckfremder Verwendung der Erzeugnisse prozessualer Aufklärung ist dem Prozessrechtssystem die Aufgabe der Zweckbindung gestellt. Es geht darum, durch gezielte Maßnahmen die zweckwidrige Verwendung der Information unwahrscheinlich zu machen. Wie in den letzten Abschnitten dargestellt, geschieht dies durch den Ausschluss der Öffentlichkeit und indem die Parteien zum zweckgerechten Gebrauch der Informationen verpflichtet werden. Weiter kann der Empfang der Information auf einige Mitglieder oder Berater der Partei beschränkt, im Extremfall die Partei von ihr ausgeschlossen werden. Die „Lösung“ durch Vorenthaltung der Information rechtfertigt sich, wie die anglo-amerikanischen Gerichte betonen, nur in den seltensten Fällen als allerletzte Abhilfe. Wenn das Gewicht des Geheimhaltungsinteresses nämlich vor dem Hintergrund vielfältiger Möglichkeiten zweckgesicherter Offenlegung beurteilt wird, ist die völlige Vorenthaltung rechtserheblicher Informationen ein eher theoretisches Szenario.539 Ein Zivilprozessrecht, das, wie das deutsche, bei Risiken zweckfremder Nutzung mangels Alternativen stets auf die Vorenthaltung als Standardreaktion zurückfällt, zeugt von mangelnder Anpassung an wachsenden Anforderungen an die prozessuale Informationsverarbeitung oder von einer Grundwertung zugunsten einer undifferenziert präventiven Handhabung der Gefahren zunehmender Informationsbelastung des Zivilprozesses.

539 

Vgl. oben unter D.III.1.a)dd).

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

2. Sachgerechtes Instrument zum Schutz der Vertraulichkeit und Privatheit Ganz anders ist die Informationsvorenthaltung zu betrachten, wenn es um das Problem des Wertungswiderspruchs geht, d. h. die Gefahr, dass die prozessuale Sachverhaltsaufklärung mit Geheimhaltungszusicherungen des materiellen Vertraulichkeits- oder Persönlichkeitsschutzes in Widerspruch gerät.540 Dieses Problem kann auf zwei Stufen gelöst werden. a) Vorenthaltung als Instrument starken Vertraulichkeitsund Persönlichkeitsschutzes In Bereichen, in denen eine Rechtsordnung beim Schutz der Vertraulichkeit (aa) oder Persönlichkeit (bb) die Geheimhaltung kompromisslos zusichert, ist die Informationsvorenthaltung durch Zuweisung von Weigerungsrechten keineswegs eine Verlegenheitslösung, sondern die einzig sinnvolle Schutzmaßnahme. aa) Informationsvorenthaltung zum Schutz der Vertraulichkeit In bestimmten Konstellationen räumt die Rechtsordnung vertraulichen Informationen einen absoluten Vorrang vor prozessualen Wertungen ein. Ihr Schutz gilt dann als mit jeder Art prozessualer Informationsverbreitung unvereinbar: Schon die Einführung in den Prozess wird – ungeachtet ihrer weiteren Verbreitung – als Affront gegen die zugesicherte Vertraulichkeit gesehen. Zur Deutlichkeit soll der Unterschied zum Problem der Zweckbindung unterstrichen werden: Vertrauliche Kommunikationen werden nicht erst aufgrund der Befürchtung ihrer zweckfremden Verwendung dem Prozess vorenthalten. Schon die Verbreitung zum zweckmäßigen Gebrauch, also zu ihrer Verwertung im Prozess, kann als unannehmbare Beeinträchtigung des Vertraulichkeitsschutzes angesehen werden. Die Vorenthaltung anvertrauter Informationen erscheint daher als die einzig sinnvolle Kontrollmaßnahme. Sie genießen in diesem Sinn absoluten Schutz. Andere Mittel der Informationskontrolle, etwa der Ausschluss der Öffentlichkeit, Auferlegung von Verschwiegenheitspflichten oder ein Geheimverfahren, würden das Vertrauen in die vertraulich geglaubte Kommunikation kaum weniger erschüttern als die volle Offenlegung.541

540 

Vgl. oben unter B.I.2.b). Stürner, JZ 1985, 453, 460 zum absoluten Schutz von Berufsgeheimnissen nach §  383 I Nr.  6: „Da die Vertrauenswürdigkeit dieser Berufe von großer sozialer Bedeutung und jeder Argwohn deshalb zu vermeiden ist, erschiene auch ein ‚Geheimverfahren‘ verfehlt, das nur das Gericht und den eigenen Anwalt zu Mitwissern macht.“ 541 Vgl.

IV. Informationsvorenthaltung als Mittel der Informationskontrolle

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Im deutschen Zivilprozessrecht zieht §  383 I ZPO542 den Kreis der durch Vorenthaltung zu schützenden Vertraulichkeit. Die Kommunikation in der Familie (und damit der Schutz des Familienzusammenhalts543) geht der prozessualen Sachverhaltsaufklärung absolut vor, sodass Familienangehörige einer Partei die Aussage verweigern dürfen (§  383 I Nr.  1–3 ZPO). Auch Informationen, die im Rahmen der geistlichen Seelsorge (§  383 I Nr.  4), journalistischen Tätigkeit (Nr.  5) und bestimmter Berufe (Nr.  6) vertraulich empfangen wurden, dürfen Zeugen verweigern. Bei der Bestimmung der Schutzwürdigkeit der Berufsgeheimnisse wird u. a. die Strafbarkeit ihrer Offenbarung (insb. nach dem Katalog in §  203 I StGB) als Indikator herangezogen544 (Arzt, Psychologe, Anwalt, Notar, Wirtschaftsprüfer usw.). Auch in Fällen, in denen nicht wie im Gesetz vorgesehen ein Zeuge, sondern die Partei ein von einem Dritten anvertrautes Geheimnis enthüllen müsste, wird ein Informationsverweigerungsrecht bejaht.545 Verlangt die prozessuale Aufklärung dagegen die Preisgabe von Informationen, die eine Partei nicht vertraulich empfangen, sondern selbst anvertraut hat (ihrem Arzt, Anwalt, Bankier, Steuerberater etc.) ist in der ZPO kein Vertraulichkeitsschutz vorgesehen. Ihre (eigenen) anvertrauten Geheimnisse muss sie einbringen.546 Will sie nicht eine negative Würdigung ihres Verhaltens riskieren, hat sie sogar ihre Vertrauensperson von der Schweigepflicht zu entbinden (gem. §  385 II ZPO), um das Geheimnis für die Sachverhaltsaufklärung nutzbar zu machen.547 Dieser Wertungsunterschied zwischen Empfänger und Inhaber des Geheimnisses 542  Diese Vorschrift gilt direkt für den Zeugenbeweis und über §§  142 II 1, 144 II 1 ZPO ebenfalls für die Vorlage von Urkunden und Augenscheinsgegenständen durch Dritte. 543 MüKoZPO/Damrau, §  383 Rn.  1; Musielak/Voit/Huber, §  383 Rn.  1. 544 MüKoZPO/Damrau, §  383 Rn.  37. 545  Stürner, JZ 1985, 453, 460. Bei dem der Partei anvertrauten Unternehmensgeheimnis Dritter ist eine Argumentation über den Vertraulichkeitsschutz nicht nötig, denn nach der Wertung des §  384 Nr.  3 ZPO dürfen Geheimnisse Dritter ohnehin nur mit deren Einverständnis in den fremden Prozess eingebracht werden (Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 124), unabhängig davon, ob sie Teil eines schutzwürdigen Vertrauensverhältnisses wurden. 546  Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 204. Diese Rechtslage wird in Deutschland bezüglich des Anwaltsprivilegs zunehmend kritisiert. Mit rechtsvergleichender und dogmatischer Begründung wird nach einem absoluten Weigerungsrecht des Mandanten bezüglich der Kommunikation mit seinem Anwalt verlangt; das Gericht sollte die Urkundevorlage nach §  142 ZPO in diesen Fällen für unzumutbar erklären (Magnus, Das Anwaltsprivileg (2010), 267). Sein Ermessen sei hier auf Null reduziert (Rühl, ZZP 125 (2012), 25, 38 ff.). Vgl. auch Becker, MDR 2006, 1309, 1314, der zur Begrenzung der Urkundenvorlage nach §  142 ZPO die analoge Anwendung des §  383 I Nr.  6 ZPO auf die Partei vorschlägt. Der LG Karlsruhe Beschl. v. 24.1.2005 – 4 O 67/04, BeckRS 2005, 02024 hat eine Vorlagepflicht der Partei nach §  142 ZPO von Unterlagen, die die Kommunikationen mit ihrem Anwalt betrafen, aufgrund verfassungsrechtlicher Erwägungen für unzumutbar gehalten. 547  BGH NJW 1967, 2012; WM 1983, 653, 655.

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

beruht auf das deutsche Verständnis des Vertraulichkeitsschutzes: Dieser beschränkt sich auf die Bewahrung der Verfügungsgewalt über die eigene Geheim­ sphäre.548 Demnach ist die ausschließliche Kontrolle über das Geheimnis nur in Gefahr, wenn der Geheimnishüter zur Entscheidung zwischen materiellem Pflichtverstoß (Geheimnisverrat) und prozessualem Pflichtverstoß genötigt wird, nicht aber, wenn der Betroffene selbst vor die Wahl zwischen Offenlegung seines Geheimnisses und prozessualem Pflichtverstoß gestellt wird – hier ist seine Entscheidungsbefugnis nicht vergeben, der Betroffene bewahrt die Qual der Wahl. Die anvertraute Information könnte ggf. zwar dennoch unter Berufung auf die Intimsphäre verweigert werden549 (dazu sogleich), was aber bedeutet, dass die Vertraulichkeit (oder genauer: die Eigenschaft des Anvertrautseins) der Information als Weigerungsgrund gerade nicht relevant ist.550 Nun ist es an der Zeit, die in dieser Arbeit bisher nur überflogene Figur des beweisrechtlichen Privilegs des common law schärfer in den Blick zu nehmen. Zuerst sieht man Parallelen zur deutschen Rechtslage. Auch Privilegien beziehen sich auf Kommunikationsinhalte, die im Rahmen bestimmter, als wertvoll angesehener Vertrauensbeziehungen entstehen und sich entwickeln. Als uneingeschränkte Weigerungsrechte gewähren auch sie absoluten Vorrang des Vertrauensschutzes gegenüber der prozessualen Aufklärung.551 Ist es unstreitig oder nachgewiesen, dass relevante Informationen privilegiert sind, kann ihre Beibringung sanktionslos552 verweigert werden; sie werden dem Prozess vorenthalten, ohne dass eine anderweitige Sicherung, etwa durch eine Verschwiegenheitsverpflichtung der Beteiligten, in Betracht käme553 – denn wie im Falle des §  383 I ZPO wird die prozessuale Einbringung selbst als schädigend angesehen. Die Einbuße beim effektiven Rechtsschutz wird als notwendiges Übel bewusst hingenommen;554 eine Abwä548 Vgl.

Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 204. Vgl. auch Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Kargl, §  203 Rn.  4 („informationelle Dispositionsbefugnis“ als geschütztes Rechtsgut des §  203 StGB, wobei die Gegenmeinung mit dem Allgemeininteresse an der Vertraulichkeit argumentiert, Rn.  2). 549  Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 205. 550  Wenn für ein auf Recht – nicht nur des Anwalts – sondern auch des Mandanten plädiert wird, vom anwaltlichen Berufsgeheimnis umfasste Information zu verweigern, liegt auch hierin eine Kritik eines auf die Vermeidung des Verrats beschränktes Verständnis des Vertraulichkeitsschutzes, was sich in der von Magnus, Das Anwaltsprivileg (2010), 265 f. betonten Orientierung des Aussageverweigerungsrechts des Anwalts an seiner beruflichen Schweigepflicht ausdrückt. 551  Andrews, On Civil Processes (2013), Rn.  12.02; Gomille, Informationsproblem und Wahrheitspflicht (2016), 137. 552  Die Weigerung darf keine negative Würdigung zur Folge haben, Wentworth v. Lloyd (1864) 10 H.L. Cas. 589, 590; Cross/Tapper, On Evidence (2010), 416. 553  Cross/Tapper, On Evidence (2010), 465. 554  „…for they [privileges] are in derogation of the search for truth.“ United States v. Nixon, 418 U.S.  683, 710 (1974).

IV. Informationsvorenthaltung als Mittel der Informationskontrolle

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gung zugunsten des Aufklärungsinteresses ist unzulässig,555 denn schon die Möglichkeit einer Abwägung würde der Effektivität des Vertraulichkeitsschutzes zuwiderlaufen.556 Wesen und Funktionsweise der anglo-amerikanischen Privilegien – als ein dem Vertraulichkeitsschutz dienendes, abwägungsfestes Weigerungsrecht – sind also stets gleich. Welchen Vertrauensverhältnissen nun die allgemeine Bedeutung zukommt, die den absoluten Schutz des Privilegs rechtfertigt, ist dagegen eine politische Frage, die je nach Rechtsordnung des common law eine unterschiedliche Antwort findet; auch in England und den USA unterscheiden sich die Fallgruppen. Die FRE 501 verweist auf das common law und das Recht der Staaten. Auch die CPR stellen keinen Katalog auf, sondern setzen das Richterrecht voraus. In beiden Rechtsordnungen haben das Anwaltsprivileg557 und der Schutz der zur Vorbereitung der Prozessführung entwickelten Materialien – darunter vor allem auch die Kommunikation mit Dritten558 – herausragende Bedeutung. Andere Berufsgeheimnisse genießen in England nicht den Schutz eines Privilegs.559 Hingegen ist in den USA die Kommunikation zwischen Arzt-Patient, Psychotherapeut-­ Patient, Priester-Pönitent und zwischen Eheleuten privilegiert.560 Beide Prozessordnungen haben zudem dem Inhalt von Vergleichsverhandlungen privilegierten Schutz zuerkannt („without prejudice communications“).561 555  Keane/McKeown, The Modern Law of Evidence (2012), 594 ( „[W]here a person satisfies the conditions for claiming privilege, he is entitled to refuse to answer the question or dis­ close the document in issue – there is no question of the judge balancing the particular weight of the claim to privilege against the value of the evidence at trial“); für die USA, Jaffee v. ­Redmond, 518 U.S.  1, 17 (1996) („We reject the balancing component of the privilege“). 556  So die klare Aussage der US-Supreme Court zum Schutz der Vertraulichkeit der Psychotherapie: „Making the promise of confidentiality contingent upon a trial judge’s later evaluation of the relative importance of the patient’s interest in privacy and the evidentiary need for dis­ closure would eviscerate the effectiveness of the privilege.“ Jaffee v. Redmond, 518 U.S.  1, 17 (1996), per J. Stevens. 557  „legal advice privilege“ in England; „client-attorney privilege“ in den USA. 558  „litigation privilege“ in England (vgl. Magnus, Das Anwaltsprivileg (2010), 174 ff.); „work-product privilege“ in den USA (FRCP 26(b)(3),(4)), wobei hier der Schutz stark, nicht aber absolut ist, da überwiegende Interessen die Offenlegung rechtfertigen können, etwa wenn „the party shows that it has substantial need for the materials to prepare its case and cannot, without undue hardship, obtain their substantial equivalent by other means“, FRCP 26(b)(3)(A) (ii); vgl. Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure (2011), 343 ff. 559  Cross/Tapper, On Evidence (2010), 464. 560  Hazard/Leubsdorf/Bassett, Civil Procedure (2011), 340; Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 129 f. In England gelten diese Kommunikationen zwar als vertraulich und schutzwürdig, genießen aber nicht den absoluten Schutz eines Privilegs, vgl. Andrews, On Civil Processes (2013), Rn.  12.02. 561  In England durch das Richterrecht (s. Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  17.1 ff.), in den USA gem. FRE 408(a).

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

Bei den Privilegien geht es stets darum, das Zustandekommen einer qualitativen Kommunikation innerhalb von Beziehungen zu fördern, die ein allgemeines Interesse erfüllen. Das Anwaltsprivileg, der „Prototyp“ aller Privilegien,562 soll offene Unterredungen zwischen Anwalt und Mandanten ermöglichen und damit den effektiven Rechtsbeistand sicherstellen,563 was wiederum die Funktions­ fähigkeit der Rechtspflege gewährleistet.564 Analoges gilt für die Vertraulichkeit der ärztlichen und psychotherapeutischen Behandlung. Auch beim „without-prejudice“-Privileg, das eine prozessuale Verwendung des Inhalts vorausgegan­ gener Vergleichsverhandlung untersagt, ist das Allgemeininteresse im Spiel. Der unbekümmerte Austausch soll die einvernehmliche Streitbeilegung fördern und Prozesse vermeiden.565 Beide Seiten des Vertrauensverhältnisses können sich auf das Privileg berufen,566 Inhaber des Privilegs ist aber der sich Anvertrauende, der auch als einziger auf dieses verzichten kann.567 Es wird davon ausgegangen, dass die Vertraulichkeit nicht nur bei Verrat durch den Geheimnishüter erschüttert ist, sondern gerade auch wenn derjenige, der das Geheimnis anvertraut hat, zu seiner Einbringung 562 

Jaffee v. Redmond, 518 U.S.  1, 20 (1996), per J Scalia. Nach dem Anwaltsprivileg werden andere, auf Vertraulichkeit basierende Privilegien modelliert, Cross/Tapper, On Evidence (2010), 467 („privilege of the lawyer-client-type“). 563  Zu England Magnus, Das Anwaltsprivileg (2010), 173. 564  „[A] fundamental condition on which the administration of justice as a whole rests.“ R. v. Derby Magistrates’ Court Ex p. B, [1996] A.C. 487, 507. Vgl. auch Wagner, ZEuP 2001, 441, 478. Beim Schutz der Erzeugnisse anwaltlicher Arbeit und vorbereitender Kommunikationen mit Dritten ist die Funktion im Einzelnen umstritten (Magnus, Das Anwaltsprivileg (2010), 174 ff). Insgesamt soll sichergestellt werden, dass sich die Partei den Arbeitsaufwand der Prozessvorbereitung auch zu nutze machen kann, Wagner, ZEuP 2001, 441, 479; zu den USA vgl. Flaherty v. Seroussi, 209 F.R.D. 300, 306 (N.D.N.Y. 2002) („The paramount concern underlying the work product doctrine, particularly when invoked to protect attorney work product, is the preservation of an attorney’s litigation strategies“). 565  „That the rule rests, at least in part, upon public policy is clear from many authorities, and the convenient starting point of the inquiry is the nature of the underlying policy. It is that parties should be encouraged so far as possible to settle their disputes without resort to litigation and should not be discouraged by the knowledge that anything that is said in the course of such negotiations (and that includes, of course, as much the failure to reply to an offer as an actual reply) may be used to their prejudice in the course of the proceedings“, Cutts v. Head, [1984] Ch. 290, 306 (eigene Hervorhebung). Die Abstriche auf Seiten des effektiven Rechtsschutzes halten sich wegen des regelmäßig geringen Beweiswerts der Verhandlungsinhalte in Grenzen, Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  17.12. 566  So etwa im Sachverhalt zu Jaffee v. Redmond, 518 U.S.  1, 5 (1996), in dem sowohl Patient wie Psychotherapeut bei der discovery die Mitwirkung verweigerten. 567  Zum Anwaltsprivileg in den USA: „The privilege is that of the client, not the lawyer. It may be invoked by either the client or by a lawyer on behalf of the client.“ Hazard/Leubsdorf/ Bassett, Civil Procedure (2011), 341; zu England vgl. Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  16.39, 16.114 ff.

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in den Prozess verpflichtet wird. An diesem Punkt macht sich ein Kontrast zum deutschen Verständnis des Vertraulichkeitsschutzes bemerkbar. Nach §  383 I Nr.  6 ZPO steht nur der Vertrauensperson ein Informationsverweigerungsrecht zu (soweit von der Verpflichtung nicht gem. §  385 II ZPO entbunden) – nicht dem sich Anvertrauenden. Privilegien schaffen dagegen eine völlig abgeschirmte Kommunikationssphäre – man spricht von Immunität vom Aufklärungszwang.568 Hier geht es nicht um die Wahrung der Entscheidungsbefugnis bei der Preisgabe eigener Geheimnisse. Ob die Information vom Aufklärungspflichtigen passiv empfangen oder aktiv anvertraut wurde, ist unbeachtlich; die Sichtweise ist objektiv: Jede Kommunikation, die innerhalb eines Vertrauensverhältnisses ausgetauscht wird, ist privilegiert569 und beide Seiten, Mandant und Anwalt, Patient und Arzt etc. können sich auf das Privileg berufen soweit nicht verzichtet wurde. Nach dieser Auffassung erschüttert nicht nur der prozessual erzwungene Geheimnisverrat das Vertrauensverhältnis, sondern jede Enttäuschung der zugesicherten Vertraulichkeit. Hinter dieser Denkweise steckt letztendlich ein Anreiz­ argument. Es wird erkannt, dass nicht nur die Möglichkeit des prozessual veranlassten Geheimnisverrats den Mandanten oder Patienten vom offenen Gespräch mit dem Dienstleister abschrecken kann, sondern auch die Gefahr, selbst zur Offenlegung vertraulicher Inhalte verpflichtet zu werden.570 Die Entstehung qualitativer Kommunikation soll daher durch die komplette Abschirmung der Informationen, die dem Vertrauensverhältnis zugeführt oder in seinem Inneren ent­ wickelt wurden, gefördert werden. Dies bedeutet, dass sich die Partei auch zur Verweigerung eigener Geheimnisse auf ein Privileg berufen kann. bb) Informationsvorenthaltung zum Schutz der Privatsphäre Im Gegensatz zur Partei des anglo-amerikanischen Zivilprozesses darf die deutsche Zivilpartei Informationen aus ihrer Privatsphäre also nicht mit der Begründung verweigern, dass sie anlässlich eines Vertrauensverhältnisses mitgeteilt 568  Andrews, On Civil Processes (2013), Rn.  12.01 („‚evidential privileges‘ in English law confer upon the privilege holder immunity against legal compulsion to supply information, whether at trial or some other stage of the legal process“). 569  „…the communications must originate in a confidence that they will not be disclosed“, Cross/Tapper, On Evidence (2010), 467, nach Wigmore. 570 In Jaffee v. Redmond, 518 U.S.  1, 22 (1996) analysiert J Scalia das Therapeut-Patient-­ Privileg auf der Grundlage folgender Fragen: „How likely is it that a person will be deterred from seeking psychological counseling, or from being completely truthful in the course of such counseling, because of fear of later disclosure in litigation? And even more pertinent to today’s decision, to what extent will the evidentiary privilege reduce that deterrent?“ Der Anreizgedanke findet sich auch bei Zuckerman, On Civil Procedure (2013), Rn.  16.31 (zum englischen Anwaltsprivileg). Siehe auch Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess (2019), 92 („utilitaristische Argumentationsweise“).

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

wurden. Sie genießt aber einen Persönlichkeitsschutz, der ihr eine absolute Schutzposition zusichern kann. Denn der unantastbare, innere Kernbereich der Privatsphäre darf für die prozessuale Sachverhaltsaufklärung in keinem Fall nutzbar gemacht; Tagebücher und Briefe intimen Inhalts müssen nicht offengelegt werden.571 Auch hier besteht nicht eine Gefahr der zweckfremden Nutzung, sondern der Widerspruch zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht, der in diesem Bereich absoluten Vorrang hat. Die Intimsphäre wäre auch dann verletzt, wenn die Information ausschließlich zur Rechtsfindung eingesetzt werden würde – Mittel zur Eindämmung der Verbreitung wären auch hier, selbst bei höchster Effektivität, fehl am Platz. Dasselbe gilt, wenn die prozessuale Sachverhaltsaufklärung in den Intimbereich Dritter eingreift.572 Es besteht zwar ein Zwischen­ bereich von Intimsphäre und äußerer Geheimsphäre, in dem erst die Abwägung aller Umstände erkennen lässt, inwieweit die prozessuale Verwendung der Information das Persönlichkeitsrecht verletzen könnte.573 Der intime Kernbereich gilt aber stets als abwägungsfest.574 Im common law ist für den Schutz der Privatsphäre als solche dagegen kein Privileg vorgesehen, nicht einmal für die Intimsphäre – auch Tagebücher und private Social Media Inhalte müssen unter Umständen offengelegt werden.575 b) Schwacher Schutz der Vertraulichkeit und Privatsphäre im Zivilprozess Nicht alle vertraulichen Inhalte werden von den Rechtsordnungen aber als absolut schutzwürdig eingestuft. Der Wertungswiderspruch zwischen materieller Geheimhaltung und prozessualer Sachverhaltsaufklärung kann auf einer zweiten Stufe prozessrechtsfreundlich, durch relativen Schutz aufgelöst werden: Man sieht die Vertraulichkeit bzw. die Privatsphäre nicht schon dann als erschüttert, wenn die vertrauliche oder persönliche Information in den Prozess eingeführt wird, sondern erst bei weiterer Verbreitung an die Öffentlichkeit – die materielle 571 Staudinger/Marburger,

Vor §§  809–811 Rn.  6; Saß, Die Beschaffung von Informationen (2002), 62 ff.; Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 197 f. 572  Posdziech, US-amerikanische Discovery und deutsches Datenschutzrecht (2017), 27. 573  Zum Besichtigungsanspruch nach §  809, BGB Saß, Die Beschaffung von Informationen (2002), 65 f.; zur Ermessensentscheidung nach §§  142, 144 ZPO, vgl. Kapoor, Die neuen Vorlagepflichten (2009), 251, 288. 574  Saß, Die Beschaffung von Informationen (2002), 62 ff.; Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, 202. 575  „[P]arties can be compelled to produce their private diaries; confidences, except between lawyer and client, may have to be broken however intimate they may be“, Science Research Council v. Nasse, [1980] A.C. 1028, 1067, per Lord Wilberforce. Zur Offenlegung von privaten Social Media Inhalten im US-discovery, Rosenthal, (2014) 25 Fordham Intell. Prop. Media & Ent. L.J., 227, 231, insb. 232 f. (Analogie zur grundsätzlichen Pflicht zur Vorlage von Tagebüchern).

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Wertung verträgt sich also mit der Nutzbarmachung für die Zwecke der Rechtsdurchsetzung, nicht aber mit ihrer prozessualen Öffentlichmachung. Das deutsche Recht verwirklicht diesen relativen Schutz in den Vorschriften zum Ausschluss der Öffentlichkeit (§  171b GVG – zum Schutz der Privatsphäre, §  172 Nr.  3 GVG – zum Schutz privater Geheimnisse), samt flankierender Schweigeverpflichtung nach §  174 III 1 GVG. Im common law werden Informationen, die zwar schutzwürdig, nicht aber privilegiert sind, undifferenziert „non-privileged confidential information“ genannt576 und sind grundsätzlich offenzulegen. Dabei werden als „confidential“ pauschal auch Informationen bezeichnet, deren Schutzwürdigkeit nicht in ihrer Vertraulichkeit liegt, sondern in ihrer Missbrauchsanfälligkeit (also in ihrer zweckwidrigen Einsetzbarkeit) – wie etwa Unternehmensgeheimnisse.577 Beim relativen Schutz ist das common law tendenziell weniger rücksichtsvoll als das deutsche Recht. Die Gerichte schließen, wie oben dargestellt,578 sehr ungerne die Öffentlichkeit aus. Es besteht also ein hohes Schutzgefälle zwischen Privileg und nicht privilegierter Schutzwürdigkeit, weshalb der Zwischenstreit um das Bestehen eines angeblichen Privilegs in der Rechtsprechung und Literatur des common law große Bedeutung hat.579

3. Als Schlusspunkt ein Sonderfall: Das Privileg gegen Selbstbezichtigung Ein Sonderfall ist das Privileg gegen Selbstbezichtigung. Es dient nämlich nicht, wie die anderen Privilegien, dem Vertraulichkeitsschutz, sondern stellt einen eigentümlichen Fall der Vermeidung zweckfremder Verwendung dar. Bei der Offenlegung von Tatsachen, die zugleich eine Straftat begründen, besteht die Gefahr, dass der Aufklärungsbeitrag nicht ausschließlich für die Rechtsfindung eingesetzt wird, sondern – als zweckfremde, außerprozessuale Folge – den Aufklärungspflichtigen einer erhöhten Wahrscheinlichkeit der Strafverfolgung aussetzt.580 Warum aber würde eine Rechtsordnung die Strafverfolgung – ein förder576 

Andrews, On Civil Processes (2013), Rn.  11.32. Beispiele in Andrews, On Civil Processes (2013), Rn.  11.34 f. Wenn gelegentlich sogar von einem „trade secret privilege“ die Rede ist, wird technisch unsauber gesprochen, zumal damit kein absoluter Schutz gemeint ist. Vgl. die Klarstellung bei Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 130 f. 578  Vgl. D.I.1.c). 579  Zur Bedeutung des Anwaltsprivilegs in der englischen Literatur, Magnus, Das Anwaltsprivileg (2010), 158. 580  Blunt v. Park Lane Hotel Ltd., [1942] 2 K.B. 253, 257: „[T]he rule is that no one is bound to answer any question if the answer thereto would, in the opinion of the judge, have a tendency to expose the deponent to any criminal charge, penalty, or forfeiture which the judge regards as reasonably likely to be preferred or sued for“, per Goddard L.J. (eigene Hervorhebung). 577 

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D. Vergleichende Betrachtung der Informationskontrolle im Zivilprozess

liches Anliegen – als unzulässige Fremdanwendung ansehen, die den Auf­ klärungspflichtigen zur Verweigerung berechtigt? Der Grund ist die innere Zwangs­lage, in die sich der Aufklärungspflichtige bei der Förderung der eigenen Strafverfolgung versetzt sieht. Moderne Rechtsordnungen halten sie, in Anerkennung des Selbsterhaltungsbedürfnisses, für unzumutbar. Die Reichweite dieser Anerkennung wird im common law und Deutschland aber unterschiedlich bewertet. Im anglo-amerikanischen Recht wird dem Aufklärungspflichtigen traditionell ein absolutes Weigerungsrecht zuerkannt („privilege against self-incrimination“). Sowohl in den USA wie in England ist das Privileg nicht nur im Strafprozess, sondern in sämtlichen Verfahren gleichermaßen anerkannt.581 Allerdings wurde in England der absolute Schutz inzwischen eingeschränkt, und im Bereich des geistigen Eigentums als absolutes Weigerungsrecht abgeschafft.582 Verfahrensbeteiligte müssen demnach ihrer Aufklärungspflicht nachkommen, im Gegenzug wird durch ein Verwertungsverbot im eventuellen Strafverfahren Zweckgebundenheit zugesichert.583 Auch bei Streitigkeiten zu Eigentum und Vermögensstand („proceedings relating to property“) ist die englische Zivilpartei selbst dann zur Aufklärung verpflichtet, wenn sie sich dabei selbst des Betruges („fraud“) bezichtigen würde.584 Auch hier darf die Information im Strafverfahren nicht verwertet werden.585 In Deutschland wird der Zwang zur Selbstüberführung als menschenunwürdige Freiheitsbeschränkung angesehen,586 zumal er im Widerstreit zum natürlichen Selbsterhaltungstrieb des Menschen steht.587 Die ZPO gewährt dem Zeugen daher ein entsprechendes Aussageverweigerungsrecht (§  384 Nr.  2 ZPO). Für die Partei gilt aber, dass eine Straftat nicht als Mittel gelten kann, sich der zivilrechtlichen Verantwortung zu entziehen.588 Die Anerkennung eines Weigerungsrechts der Partei würde nicht nur die Strafverfolgung erschweren, sondern zugleich von 581  „The privilege reflects a complex of our fundamental values and aspirations and marks an important advance in the development of our liberty. It can be asserted in any proceeding, civil or criminal, administrative or judicial, investigatory or adjudicatory.“ Kastigar v. United States, 406 U.S.  441, 444 (1972). Vgl. auch Lefkowitz v. Cunningham, 431 U.S.  801, 805 (1977) („the privilege is available to a witness in a civil proceeding, as well as to a defendant in a criminal prosecution“). In England ist es im Evidence Act 1968, sec. 4, für alle Verfahren grundsätzlich anerkannt. 582  Senior Court Act 1981, sec. 72(1), (2). 583  Senior Court Act 1981, sec. 72(3). 584  Fraud Act 2006, sec. 13(1). 585  Fraud Act 2006, sec. 13(2). 586  Stürner, NJW 1981, 1757, 1758. 587  Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 184; Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 216 m. w. N. 588  Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 184; Wagner, JZ 2007, 706, 716.

IV. Informationsvorenthaltung als Mittel der Informationskontrolle

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berechtigter Inanspruchnahme durch Dritte abschirmen und einem anderen Bürger sein Recht verweigern.589 Als Modell für den Zivilprozess wird die Lösung des Insolvenzrechts (§  97 I 2, 3 InsO) befürwortet,590 die in groben Zügen der englischen Entwicklung entspricht: Selbstbezichtigung begründet zwar kein Weigerungsrecht, der Aufklärungsbeitrag wird aber mit dem Verbot verknüpft, die Information ohne Einverständnis des Aufklärungspflichtigen für die Strafverfolgung zu verwenden.591 Diese Lösung geht auf eine Wertung des BVerfG zur Informationskontrolle zurück: Anstatt sich mit dem absoluten Schutz durch Vorenthaltung abzufinden, soll die Zusicherung eines Verwertungsverbots eine zweckgebundene Nutzbarmachung der unter Zwang geschuldeten Aufklärung ermöglichen und dadurch die Zwangslage auf das Zumutbare abmildern.592

589 

Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 185 (der Schutz vor Selbstbelastung wäre „durch neu hinzukommendes zivilrechtliches Unrecht erkauft“). 590  Wagner, JZ 2007, 706, 717; Stürner, NJW 1981, 1757, 1760 (strafrechtliches Verwertungsverbot nur bei erzwingbaren Aufklärungspflichten); Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 219 (Stürner folgend, auf erzwingbare Aufklärungspflichten beschränkt). 591  Weitergehend als ein „Verwertungs“verbot, versperrt ein Verwendungsverbot die Möglichkeit, die Information als Grundlage für weitere Ermittlungen zu nutzen (Fernwirkung), Uhlenbruck/Zipperer, InsO §  97 Rn.  10; Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 220. 592  BVerfG NJW 1981, 1431, 1432 („Dies [das Verwertungsverbot] wird aus verfassungsrechtlichen Gründen vor allem im Bereich des Wirtschaftsverwaltungsrechts für geboten erachtet und daher eine Gewähr dafür gefordert, daß die erzwungenen Auskünfte nur für die nach dem jeweiligen Gesetz zulässigen Zwecke verwertet und Unbefugten nicht offenbart werden dürften“).

E. Schluss I. Ergebnisse 1. Jede moderne Prozessordnung steht vor dem Problem, dass die durch Normen zur Sachverhaltsaufklärung und Verfahrenstransparenz veranlasste Informations­ freisetzung prozessfremde Wirkungen erzeugen kann. Dies erscheint einerseits in Form des Risikos zweckfremder Informationsverwendung, andererseits als Gefahr einer Informationsverbreitung, die anderen rechtlichen Wertungen zuwiderläuft. Jedes moderne Zivilprozessrecht enthält Regelungen, die dieses gemeinsame Problem zum Gegenstand haben und rechtsvergleichend gegenüber gestellt werden können. Diese Regelungen werden hier als Recht der zivilprozessualen Informationskontrolle (kurz: Informationskontrolle) bezeichnet. 2. Mittel der Informationskontrolle sind: (i) der Ausschluss Dritter; (ii) der Ausschluss einer Partei; (iii) die Auferlegung von informationsbezogenen Verhaltenspflichten; (iv) die vorbeugende Vorenthaltung grundsätzlich einzubringender Informationen. 3. Die Verfügbarkeit dieser einzelnen Kontrollmaßnahmen ist von der Prozess­ struktur abhängig. Ein Vergleich der Informationskontrolle muss daher die strukturelle Einbettung der zivilprozessualen Aufklärung mitberücksichtigen. 4. Bei der prozessstrukturellen Einteilung ist zunächst zu unterscheiden, ob die Aufklärung unmittelbar auf die Verschaffung der hoheitlichen Überzeugung des Gerichts gerichtet ist oder diese lediglich vorbereiten soll. Die Struktur der zivilprozessualen Sachverhaltsaufklärung lässt sich daher rechtsvergleichend in vorbereitende und beweisförmige Aufklärung einteilen. Diese Trennlinie wird am Standard des Zugangs zum Beweis rechtsvergleichend anschaulich: Im common law setzt die Beweisaufnahme eine Falldarstellung mit nachweisbarer Erfolgsaussicht voraus, in Deutschland lediglich eine rechtserhebliche und plausible (streitige) Tatsachenbehauptung – selbst eine vermutete Behauptung kann dabei grundsätzlich die Beweisaufnahme veranlassen. 5. Diese Zugangshürden zum Beweis bestimmen die Anforderungen an die vorbereitende Aufklärung und somit auch ihre rechtliche Ausgestaltung. Im common law kann die Erfolgsaussicht nur gewürdigt und nachgewiesen werden, wenn den Parteien sämtliche potentiell rechtserhebliche Informationen zur Ver-

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fügung stehen. Ein umfassender Informationsaustausch zwischen den Parteien ist daher die Regel. Die Normierung von beweislastunabhängigen, vorbereitenden Aufklärungspflichten oder von Ermittlungsbefugnissen ist hier eine unerlässliche Forderung der Justizgewährung. Dieser gegenseitige Informationsaustausch erfolgt im US-amerikanischen Zivilprozess über das discovery-Verfahren und im englischen Zivilprozess über das Verfahren zur Dokumentenvorlage (dis­ closure) sowie den Austausch von Zeugenaussagen (exchange of witness state­ ments). Anders verhält es sich im deutschen Zivilprozessrecht. Genügt nämlich bereits eine plausible Vermutung, um die beweisförmige Aufklärung zu aktivieren (in deren Rahmen der Gegner in der Regel nach Gesetzesvorschrift oder den Grundsätzen der Beweisvereitelung zur Mitwirkung verpflichtet ist), sind vorbereitende Aufklärungspflichten nur in zwei Ausnahmefällen erforderlich: (i) wenn die Partei in derartiger Informationsnot ist, dass sie keine plausiblen Behauptungen aufstellen kann oder (ii) wenn die Partei keine Kenntnis über die verfügbaren Beweismittel hat. Den ersten Fall löst das deutsche Zivilprozessrecht durch die sekundäre Behauptungslast. Für den zweiten Fall ist keine klare Lösung vorgesehen, außer der vom BGH anerkannten Pflicht zur Offenbarung von Zeugen. Dem deutschen Zivilprozess fehlen Instrumente zur Beweismitteloffenbarung, wie sie durch die disclosure-Pflichten des common law gewährleistet werden. Hierin zeigt sich eine Beschränktheit der Sachverhaltsaufklärung der ZPO, die sich nicht durch Unterschiede in der Prozessstruktur rechtsvergleichend erklären lässt, sondern dogmatisch als Defizit aufzufassen ist, soweit man die vorherrschenden Anforderungen an den effektiven Rechtsschutz als Maßstab anlegt. 6. Ferner verdeutlicht der Vergleich der Prozessstruktur: (i) In der Beweisaufnahme des anglo-amerikanischen Zivilprozesses ist die Parteikontrolle nicht auf den Tatsachenvortrag beschränkt, sondern erstreckt sich auf die beweisrecht­ lichen Aufklärungsvorgänge selbst – namentlich die Zeugenvernehmung. (ii) In Deutschland ist die Beweisaktivität zwar an den Parteivortrag gebunden, sonst aber weitgehend in Richterhand. (iii) Die vorbereitende Aufklärung des anglo-­ amerikanischen Zivilprozesses ist Privatsache in dem Sinn, dass die Erkenntnisquellen nicht an das Gericht, sondern an den Gegner weitergegeben werden. Sie soll den Parteien autonome Entscheidungen zum weiteren Vorgehen im Verfahren ermöglichen und nicht schon zur richterlichen Erkenntnis beitragen. Die Rolle des Gerichts beschränkt sich auf die Aufsicht eines privaten Informationsaustausches, an dem es grundsätzlich nicht beteiligt ist. Es greift nur ein, um Verstöße gegen die Informationspflichten oder ihre missbräuchliche Geltendmachung zu sanktionieren, Risiken der Informationsverbreitung zu kontrollieren, Anreize zur ökonomischen Straffung der Parteiaktivität zu geben und Fragen des Verfahrensfortgangs zu klären (insbesondere des Zugangs zum trial). (iv) In den Ausnahmefällen, in denen das deutsche Zivilprozessrecht die Parteien zu vorberei-

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tenden (d. h. hier: den Zugang zum Beweis ermöglichenden) Aufklärungsbei­ trägen verpflichtet (über die sekundäre Behauptungslast), geschieht dies auf Vortragsebene, vor dem erkennenden Gericht. Vorbereitende Aufklärung, die auf private Informationsfreigabe gerichtet und mit dem pre-trial des anglo-amerikanischen Zivilprozesses vergleichbar ist, findet sich nur in der Form vorbereitender Informationsansprüche im Vorfeld des Zivilverfahrens, insbesondere nach §  809 2. Alt. BGB und ähnlichen spezialgesetzlichen Ansprüchen zur Gewissheitsverschaffung. Hier erfolgt der Aufklärungsbeitrag an den Informations­ gläubiger (die künftige Partei), nicht an das Gericht. Diese Informationsprozesse ähneln auch insofern der Aufklärung im pre-trial, dass sie darauf gerichtet sind, die Entscheidungsfähigkeit der (potentiellen) Parteien zu steigern (insbesondere zur Einschätzung der Kosten), nicht schon einem Gericht die Erkenntnis zu verschaffen. 7. Die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung genießt im common law höchste Anerkennung und ragt weit über das hinaus, was in Deutschland als offene Justiz verstanden wird. Die Risiken der Informationsverbreitung an die Allgemeinheit lassen sich während des trial daher nur innerhalb enger Grenzen kontrollieren: Erstens ist eine Einschränkung der Öffentlichkeit nur unter Wahrung strengster Verhältnismäßigkeit möglich. Zweitens hat der Öffentlichkeitsgrundsatz einen breiteren Anwendungsbereich als im deutschen Zivilprozess. Das englische Recht zeigt, dass er sich nicht wie in Deutschland auf Inhalte beschränken lässt, die aufgrund einfachgesetzlicher Vorschriften faktisch Gegenstand der mündlichen Verhandlung werden. Er umfasst auch schriftliche Elemente, deren Kenntnis zum Verständnis der öffentlichen Verhandlung und damit zur Überwachung der Justiz notwendig ist. 8. Soweit es sich um nicht-öffentliche Bestandteile der Akte handelt, also um Schriftstücke, die nicht als verschriftlichter Teil der Hauptverhandlung gelten, geht das englische Recht vom Grundsatz aus, dass Dritten kein Zugang zu den Akten zusteht, was dem Grundsatz entspricht, den §  299 II ZPO für das deutsche Recht aufstellt. Ausnahmsweise wird bei einem berechtigten (England) oder rechtlichen (Deutschland) Interesse einem Dritten ein Akteneinsichtsrecht zuerkannt. Im US-amerikanischen Zivilprozessrecht herrscht dagegen Aktenöffentlichkeit. Informationskontrolle findet in Form einer ausnahmsweisen Schwärzung oder Versiegelung von schutzwürdigen Teilen der Akte statt, was im Ermessen der Gerichte liegt. 9. Besonders bei Rechtsstreitigkeiten unter Konkurrenten besteht ein Risiko zweckfremder Verwendung durch den Gegner und somit ein Bedarf, die einzubringenden Informationen an den Zweck des Verfahrens zu binden. Um dieses Problem zu erfassen, muss zwischen (i) Mitteln zur Kontrolle der Informationsverbreitung (z. B. ein in-camera-Hauptsacheverfahren) und (ii) Vorkehrungen

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zur Optimierung der Entscheidung des Gerichts zur Relevanz und Schutzwürdigkeit der streitigen Information (insbesondere ein in-camera-Zwischenverfahren) unterschieden werden. 10. Wird dieses Risiko in der Hauptverhandlung relevant, bietet sich der Ausschluss der Partei an, von der das Risiko ausgeht. Sowohl im common law wie im deutschen Zivilprozess ist ein solches in-camera-Hauptsacheverfahren aber unzulässig. Eine derartige Beschränkung des rechtlichen Gehörs wird in keiner der untersuchten Rechtsordnungen akzeptiert, obwohl sich in der deutschen Rechtsprechung Lockerungen im Bereich der sachverständigen Ermittlungen andeuten, deren Einordnung noch nicht möglich ist. Zur deutschen Debatte über die Einführung eines beweisrechtlichen Geheimverfahrens ist hervorzuheben, dass sich seine Befürworter eines falschen Vorbilds bedienen soweit sie auf das anglo-­ amerikanische Zivilprozessrecht hinweisen. Ein vorübergehender Ausschluss der Partei ist zwar im privat-betriebenen pre-trial ausnahmsweise möglich, nicht aber in der Hauptverhandlung vor dem Gericht. 11. Bedeutende Unterschiede machen sich in der vorbereitenden Aufklärung bemerkbar, wo die prozessstrukturelle Verschiedenheit am deutlichsten hervortritt. Bestimmend ist der Umstand, dass der Informationsaustausch im pre-trial weitgehend formlos und auf private Informationsübergabe gerichtet, aber durch eine effektive Aufsicht durch das Gericht gesichert ist, sodass mehrere Spielarten der Informationskontrolle in Frage kommen. 12. In England gibt es eine allgemeine Pflicht jeder Partei, die offengelegten Informationen ausschließlich zum Zweck des Verfahrens zu nutzen, in dem sie empfangen wurden. Die US-amerikanische Zivilpartei kann die durch discovery gewonnene Information aufgrund der Meinungsfreiheit hingegen frei verbreiten. In der Praxis werden aber auf Wunsch der Parteien oft pauschale Vertraulichkeitsanordnungen erlassen, die ähnlich wie in England beiden Parteien eine anderweitige Nutzung der Informationen verbieten. 13. Das bevorzugte Instrument anglo-amerikanischer Informationskontrolle ist die Auferlegung von Pflichten zum Umgang mit schutzwürdigen Informationen. In erster Linie sind die Parteien dafür verantwortlich, sich um Vertraulichkeitsvereinbarungen zu bemühen, die ihren Bedürfnissen entsprechen. Das Gericht übernimmt sie dann kraft Anordnung (und verleiht ihnen damit seine Sanktionsmacht). Im Übrigen kommen folgende Maßnahmen in Frage: (i) die Offenlegung unter Auflage besonderer Verwendungsbeschränkungen, (ii) die beschränkte Offenlegung zugunsten bestimmter Personen (Mitarbeiter der informationsberechtigten Partei, sogenannte confidentiality clubs), (iii) die beschränkte Offenlegung zugunsten des Prozessanwalts oder anderer Außenstehender (attorney’s-eyes-only/external-eyes-only) – d. h. ein Ausschluss der Partei. Dieser ist ohne viel Rechtfertigungsaufwand möglich, weil er lediglich die Fähigkeit

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autonomer Rechtsverfolgung einschränkt, nicht aber das Gehörsrecht, da die Informationen im pre-trial zur Vorlage an den Gegner bestimmt sind, nicht an das erkennende Gericht. Daher darf der Parteiausschluss auch nicht bis zum trial fortwirken. (iv) Schließlich besteht bei äußersten Risiken schädigender Alternativverwendung als ultima ratio zumindest theoretisch die Möglichkeit, relevante Informationen vorzuenthalten. In der Praxis kommt es kaum vor, es werden höchstens Schwärzungen nicht erheblicher Textpassagen geduldet. 14. Die Entscheidung über die passende Maßnahme trifft das Gericht des pre-trial aufgrund einer Abwägung des Rechtsverfolgungsinteresses der informationssuchenden Partei mit dem Geheimhaltungsinteresse der informationsverweigernden Partei. Bei Bedarf kann dieser Entscheidung ein in-camera-Einblick in die umstrittenen Informationen vorausgehen. 15. Sofern die vorbereitende Aufklärung im deutschen Zivilprozess auf Vortragsebene stattfindet, ist sie Teil der gerichtlichen Erkenntnis (§  286 I 1 ZPO). Damit ist ein Ausschluss der Partei von Teilen des gegnerischen Vortrags als Verstoß gegen Parteiöffentlichkeit und Gehörsrecht unzulässig. Dem Gericht fehlt auch die gesetzliche Befugnis, die Partei schon beim Schriftsatzwechsel zur Verschwiegenheit zu verpflichten (mit Ausnahme der „Geschäftsgeheimnisstreitsachen“ nach §§  16, 20 I GeschGehG). Zudem fehlt die gesetzliche Grundlage, den Parteizugang zu den Akten von einer vertraglichen Verschwiegenheitsverpflichtung abhängig zu machen (§  299 I ZPO berechtigt die Parteien voraussetzungslos zur Akteneinsicht). Bei bestehender Rechtslage bleibt deutschen Gerichten kaum etwas anderes übrig, als bei überwiegendem Geheimhaltungsinteresse die geschuldete Offenlegung für unzumutbar zu erklären – also vorbeugend die Vorenthaltung der Information zuzulassen, was entweder voll zulasten des effektiven Rechtsschutzes oder des Geheimhaltungsinteresses geht. Dies gilt auch für die beweisrechtlichen Mitwirkungspflichten. 16. Ansätze einer wirksamen Informationskontrolle machen sich dagegen in den begrenzten Bereichen vorbereitender Informationsansprüche bemerkbar. Da hier wie im pre-trial die Informationsfreigabe an die Partei erfolgt und nicht zugleich die gerichtliche Entscheidungsgrundlage bildet, konnten sich isolierte Bastionen flexibler Informationskontrolle bilden. Im Grundsatz üben die Gerichte allerdings auch hier die Kontrolle durch Zumutbarkeitsschwellen aus – zweckbindende Verhaltenspflichten sind hier ebenfalls nicht vorgesehen. Ausnahmsweise wird mit dem „Wirtschaftsprüfervorbehalt“ die Informationsfreigabe unter einem „external-eyes-only“-Vorbehalt gestellt, indem die geschuldeten Auskünfte zur Schadensberechnung ausschließlich einem neutralen Dritten zugeleitet werden. Auf diese Weise wird das Risiko ihrer zweckfremden Verwendung durch den Informationsgläubiger beseitigt. Außerdem nehmen Gerichte bei Schutzrechtsstreitigkeiten in-camera-Einsicht in das einstweilig angeordnete Besichti-

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gungsgutachten, um die Schutzwürdigkeit seines Inhalts zu prüfen. Dieser Parteiausschluss ist aber nicht als Mittel zur Zweckbindung zu werten, sondern als Maßnahme, dem Gericht die Entscheidung über Freigabe oder Vorenthaltung der geschuldeten Informationen zu ermöglichen – sie dient ebenso der Optimierung der Entscheidungsposition (und nicht der Informationskontrolle) wie die in-camera-Prüfung, die anglo-amerikanische Gerichte zur Prüfung der Informationsverweigerung vornehmen – etwa aufgrund von Privilegien. 17. Abschließend ist festzustellen, dass die Anerkennung eines Rechts, in bestimmten Fällen grundsätzlich beizubringende Informationen vorzuenthalten, unterschiedliche Bedeutung haben kann. Als Antwort auf Risiken zweckfremder Informationsverwendung durch den Gegner ist sie eine Verlegenheitslösung eines Systems, das keine zweckbindenden Maßnahmen vorsieht. Dies ist der Fall im deutschen Recht, soweit bei der sekundären Behauptungslast oder beweisrechtlichen Mitwirkung Zumutbarkeitsschranken vorgesehen sind, um diesen Risiken entgegenzutreten (etwa beim Schutz von Unternehmensgeheimnissen). Wenn es aber nicht um die Gefahr zweckfremder Nutzung, sondern den Schutz der Vertraulichkeit oder Privatsphäre geht, ist die Vorenthaltung der Information ein sachgerechtes Mittel, sofern die Rechtsordnung ihnen absoluten Vorrang zuerkennt. Die Privilegien des common law gehören zu dieser zweiten Form der Informationsvorenthaltung. Ihre ratio liegt nicht in der Gefahr zweckfremder Nutzung, sondern im Schutz einer Vertrauensbeziehung, die als besonders wertvoll eingestuft wird und das Interesse am effektiven Rechtsschutz völlig verdrängt. Diese Schutzvariante geht davon aus, dass schon die Einbringung dieser Information in den Prozess – ungeachtet des Ausmaßes ihrer Verbreitung – die Vertraulichkeit erschüttert, weshalb Parteien und Dritten absolute Immunität zu gewähren ist. Das deutsche Zivilprozessrecht kennt dagegen keinen absoluten Vertraulichkeitsschutz zugunsten der Partei als Geheimnisinhaber. Sind ihre anvertrauten Geheimnisse von einer Aufklärungspflicht umfasst, müssen sie nach deutschem Recht offengelegt werden. Im Gegenzug genießen Parteien in Deutschland einen absolut vorrangigen Schutz des Kernbereichs der Privat­ sphäre, den das common law nicht anerkennt.

II. Drei Anregungen für die deutsche Prozessrechtsdogmatik

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II. Drei Anregungen für die deutsche Prozessrechtsdogmatik Zum Abschluss sollen der deutschen Dogmatik des Zivilprozessrechts drei An­ regungen angetragen werden, die sich nach dem Rechtsvergleich aufdrängen.

1. Aufgabe des Wunsches nach einem beweisrechtlichen Geheimverfahren Von einer Beweisaufnahme, deren Vollzug und Ergebnis der persönlichen Kenntnis einer Partei verschlossen bleiben, ist abzuraten. Wie man sich im common law ein einseitiges trial nicht zu denken wagt, sollte auch die Beweisaufnahme des deutschen Zivilprozesses stets als transparente Einrichtung gedacht werden. Dafür spricht nicht nur der Aspekt des Gehörsrechts, dessen Einschränkung stets die Gefahr der Herabwürdigung eines Verfahrensbeteiligten zum Objekt hoheitlicher Rechtsfindung birgt, sondern auch die besondere Bedeutung der Partei­ öffentlichkeit als Garant der Teilhabe am Zivilprozess. Das Zivilverfahrensrecht must stets so beschaffen sein, dass im Zivilurteil nicht nur ein hoheitlicher Machtspruch, sondern zugleich ein Resultat autonomer Rechtsausübung erblickt werden kann.1 Dies ist m. E. nicht gegeben, wenn die Zivilpartei eine für sie unverständliche Entscheidung gegen sich gelten lassen muss. Diesen Aspekt übersehen die Geheimnisschutzenthusiasten bei der dogmatischen Herleitung des in-camera-Hauptsacheverfahrens. Im bisher ambitioniertesten Rechtfertigungsversuch bemüht sich Götz das beweisrechtliche Geheimverfahren unter Einsatz eines rechtsmethodischen Großmanövers als de lege lata anwendbar darzustellen. Zur Begründung bietet er eine „Gesamtanalogie zu den Regelungen in den anderen [deutschen] Verfahrensordnungen“ an, kann aber für das in-camera-­ Hauptsacheverfahren mit §  138 II TKG nur eine Regelung aus dem Gerichtsverfahren des Telekomunikationsgesetzes anführen.2 Dass es sich dabei um ein Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz handelt, scheint ihn nicht weiter zu stören – es gebe ja auch in diesen Verfahren Beteiligtenöffentlichkeit (wie im Zivilprozess Parteiöffentlichkeit), die Verfahrensordnungen seien also vergleichbar; nur müsse im Zivilprozess ein Anwalt an die Stelle der Partei treten.3 Er geht davon aus, 1 

Zum „Prozeß als Verfahren zur Rechtsausübung“ vgl. Henckel, Prozessrecht und materielles Recht (1970), 61. ff 2  Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 405. Diese Vorschrift sieht zum Schutz von vorlagepflichtigen Unterlagen der BNetzA den Ausschluss der Beteiligten vom Hauptsacheverfahren vor. 3  Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014) argumentiert folgendermaßen: Auch Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz kennen die Parteiöffentlichkeit (240 f.); das Zivilprozessrecht geht davon aus, dass zur Wahrung der Parteiöffentlichkeit die Kenntnis-

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dass bei der „subjektiven“ Parteiöffentlichkeit lediglich der effektive Rechtsschutz der Partei auf dem Spiel stehe,4 sodass der Parteiausschluss unbedenklich sei, soweit der ausgeschlossenen Partei „größtmöglicher Raum bei der Ausgestaltung der anwaltlichen Vertretung“ (mehrere Rechtsanwälte, ein clean team, eine gesamte Sozietät, etc.), eingeräumt werde, der „ihr Interesse an effektivem Rechtsschutz absicher[e]“.5 Dabei übersieht er, dass der Parteiöffentlichkeit im Zivilprozess eine besondere Bedeutung zukommt. Sie ist Bedingung einer autonomiewahrenden Ausübung des Verhandlungsgrundsatzes.6 Ein Zivilverfahren, das, dem Götz’schen Modell entsprechend der Partei die Möglichkeit persön­ licher Kenntnisnahme entscheidungserheblicher Umstände endgültig nimmt und zum Schutz von Unternehmensgeheimnissen die Prozessführung einem „zur Verschwiegenheit verpflichteten anwaltlichen Beistand“ überantwortet, kann trotz der beachtlichen (aber ergebnisorientiert anmutenden) Mühen des Autors, dies an allen Enden rechtsmethodisch abzusichern,7 m. E. nicht als autonome Rechtsausübung wiedererkannt werden.8 Was bleibt an Eigenverantwortlichkeit nahme durch den Anwalt ausreicht (subjektive Ausrichtung) und dass sich der Sachverhalt auch alleine durch den Anwalt zufriedenstellend rekonstruieren lassen kann (objektive Ausrichtung) (433); daher sind in-camera-Verfahren – wie in den (analog herangezogenen) Prozessen mit Untersuchungsgrundsatz – auch im Zivilprozess mit der Parteiöffentlichkeit zu vereinbaren, solange der schweigepflichtige Prozessvertreter zugegen ist (434). 4  „Insofern dient der Grundsatz [der Parteiöffentlichkeit] der effektiven Durchsetzung des materiellen Rechts und fügt sich ein in die dienende Funktion des Prozessrechts“, Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 223. 5  Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 423. 6  Zum Verhandlungsgrundsatz als Ausdruck der Privatautonomie Henckel, Prozessrecht und materielles Recht (1970), 144: „Die Verhandlungsmaxime gilt als die angemessene Verfahrensgestaltung für die prozessuale Ausübung subjektiver Privatrechte und als prozessuale Konsequenz der im subjektiven Privatrecht verbürgten Freiheit.“ Zur Parteiöffentlichkeit als Voraussetzung der effektiven Ausübung des Verhandlungsgrundsatzes Heinze, in: FS Wannagat (1981), 155, 161 f.: da nur bei „weitgehende[r] Kenntnis aller Tatsachenumstände“ die Verfahrensbeteiligten “die Möglichkeit zur weiteren Ausgestaltung des Verfahrens, zur Beibringung weiteren Tatsachenstoffes und zur Stellungnahme bezüglich der Tatsachen im einzelnen besitzen“. 7  Insbesondere durch die eben erwähnte, aus nicht-zivilprozessualen Regelungen zusammengesetzte Gesamtanalogie (Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 405–425). Ferner durch die Reduzierung der Bedeutung zivilprozessualer Parteiöffentlichkeit auf die Verfügbarkeit effektiven Rechtsbeistands (433 – „Der Anwalt kann die Rechte der Partei am effektivsten verwirklichen“) und Verkleinerung der Gehörsrechtsgewährung auf das Recht, „sich durch einen frei ausgewählten Anwalt vertreten zu lassen“ (434–447, Zitat auf Seite 447). 8  Insofern treffend Osterloh-Konrad, in: Rechnungslegung und Wettbewerbsschutz (2009), 9, 40: „Effektiver Rechtsschutz bedeutet nicht nur, dass das Gericht den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend prüft, sondern auch, dass dem Rechtsschutzsuchenden die Möglichkeit gegeben wird, seine Rechte eigenverantwortlich zu verfolgen, was voraussetzt, dass er sich zu den relevanten Tatsachen erklären kann.“

II. Drei Anregungen für die deutsche Prozessrechtsdogmatik

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übrig, wenn einer Partei (unter Androhung des Prozessverlustes) aufgezwungen wird, ihrem Rechtanwalt den vorbereitenden Informationsprozess und einleitenden Schriftsatz,9 Vortragswechsel und Beweisaufnahme10 bis hin zur Rechts­ mittelphase11 zu übertragen, ohne sich an grundlegenden Entscheidungen zum Schicksal ihres Rechts beteiligen zu dürfen? Die Rechtsprechung zur Informa­ tionskontrolle im pre-trial zeigt gerade, dass die Gerichte und Parteien des common law bei der Gestaltung der Mittel zur Zweckbindung stets auf die Erhaltung der Autonomie der Parteien bei der Rechtsverfolgung bedacht sind – und das obwohl das erkennende Gericht noch gar nicht beteiligt ist. Dies muss für die autonome Mitwirkung an der Entscheidungsgrundlage eines deutschen Zivil­ urteils erst recht gelten. Außerdem hat der Gesetzgeber mit dem kürzlich eingeführten GeschGehG das Götz’sche Konstrukt zu Fall gebracht, sowie überhaupt jede dogmatische Lösung, die für eine de lege lata Anerkennung eines zivilprozessualen Geheimverfahrens argumentiert. In diesem Gesetz offenbart sich eine klare Entscheidung gegen den Parteiausschluss als Mittel der Informationskontrolle. Selbst in Know-How-Streitigkeiten hat der Gesetzgeber lediglich eine Beschränkung der Parteiöffentlichkeit auf mindestens eine natürliche Person gebilligt (§  19 I 3 ­GeschGehG). Es besteht nun kein Zweifel mehr, dass für alle anderen Zivilverfahren die Anordnung des Parteiausschlusses nun über einen Erst-Recht-Schluss als unzulässig angesehen werden muss. 9  Geht der Prozesseinleitung eine vorbereitende Besichtigung zu schutzwürdigen Informationen voraus, ist das Besichtigungsgutachten „nicht dem [Informations-]Gläubiger persönlich zu übermitteln, sondern seinem ihm gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten Anwalt. […] Der Rechtsanwalt kann bei voller Kenntnis der Informationen […] den verfahrensein­ leitenden Schriftsatz verfassen“, Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 189. 10 “Der Rechtsanwalt kann in Kenntnis des Vorbringens des Gegners für seinen Mandanten etwa neue Tatsachen einbringen (vgl. §  138 Abs.  1 ZPO) oder den Vortrag des Gegners bestreiten (vgl. §  138 Abs.  2 und 3 ZPO), zum Ergebnis einer Beweisaufnahme Stellung nehmen (vgl. §  285 ZPO), Fragen (vgl. §  397 [in Verbindung mit §§  402, 451], §  411 Abs.  4 ZPO) und Beweisanträge sowie Gegenbeweisanträge stellen. Im Anschluss an das oben Gesagte ist es auch denkbar, dass der Kläger über den eigenen Vortrag in der Klageschrift oder eine Partei über den eigenen Vortrag im Laufe des Prozesses oder die eigenen Beweisführung uninformiert bleibt.“ Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 422 f. (Hervorhebung und eckige Klammer im Original). 11  „Der Anwalt, der die Entscheidung vollumfänglich kennt, kann die Rechtsmittelschrift verfassen und die Verhandlung in der Rechtsmittelinstanz führen. […] Die Lage ist hier nicht anders als vor dem erstinstanzlichen Verfahren, wenn der Anfertigung der Klageschrift die Geltendmachung eines Informationsanspruchs vorausgegangen war und die erhaltenen Informationen alleine dem Anwalt übermittelt worden waren.“ Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 477 f.

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E. Schluss

Eleganter und auf Autonomie bedacht ist Stürners Lösung, das Geheimverfahren aufgrund eines begrenzten Verzichts persönlicher Kenntnisnahme zu konstruieren. Doch auch hier ist die Freiwilligkeit nur scheinbar. Die Prozesssituation lässt dem Beweisbelasteten keine andere Wahl als sich selbst auszuschließen, um der Alternative des Prozessverlustes zu entgehen12 (da sonst der entscheidende gegnerische Aufklärungsbeitrag als unzumutbar vorenthalten wird). Würde der Zivilprozess wie im common law die Möglichkeit vorsehen, dass die beweisbelastete Partei – statt durch Selbstentfernung und Teilhabeverlust – die Aufklärung des Gegners durch die Abgabe einer Verschwiegenheitserklärung oder die Zu­ sicherung bestimmter Nutzungsbedingungen zumutbar macht, würde es bald als Unrecht und Zumutung erscheinen, den Erfolg der Beweisführung von einem „freiwilligen“ Parteiausschluss abhängig zu machen.

2. Informationskontrolle durch zweckbindende Verhaltenspflichten Wer mit der Alles-oder-Nichts Wahl zwischen Offenlegung und vorbeugender Vorenthaltung geforderter Informationen nicht zufrieden ist, sollte – anstatt ein systemerschütterndes Geheimverfahren herbeizubeschwören – sich für die Erweiterung zweckbindender Verpflichtungen im deutschen Zivilprozessrecht einsetzen. Sie sind der Grundpfeiler der Informationskontrolle im anglo-amerikanischen Zivilprozess, werden in Deutschland jedoch kaum als Option wahrgenommen. In der deutschen Rechtsprechung hatte diese Idee schon das Reichsgericht in Erwägung gezogen, als es über die Vorlegung der Nietzschebriefe nach §  422 ZPO i. V. m. §  809 BGB zu entscheiden hatte. Im Streit war das Urheberrecht der Klägerin (Nietzsches Schwester) und damit das Bestehen eines Anspruchs auf Unterlassung der Veröffentlichung. Das Reichsgericht hat hierbei zunächst den Bedarf an Zweckbindung der Information sehr klar hervorgehoben: „Es würde […] gegen Treu und Glauben verstoßen, das Recht auf Vorlegung zu benutzen, um selbst die Briefe zu veröffentlichen und die Rechtsposition der Besitzer, vermöge deren sie die Veröffentlichung durch die Klägerin verhindern können, zu beeinträchtigen. Es lässt sich auch nicht verkennen, daß die Vorlegung diese Rechtsposition der Besitzer gefährden würde.“13

Die Nutzung der vorgelegten Briefe musste also an den Zweck des Nachweises des Urheberrechts gebunden werden.

12 Auf

diese falsche Freiwilligkeit weisen Schlosser, Zivilprozeßrecht I (1991), Rn.  430 (dennoch befürwortend) und Lachmann, NJW 1987, 2206, 2210 (ablehnend) hin. 13  RGZ 69, 401, 406.

II. Drei Anregungen für die deutsche Prozessrechtsdogmatik

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„Daraus folgt, daß der Anspruch auf Vorlegung in diesem Falle nur unter gehörigen Kautelen – z. B. Sicherheitsleistung –, deren Bestimmung dem richterlichen Ermessen unterliegt, verfolgt werden kann (vgl. auch §  811 Abs.  2 B.G.B)“14

Das Reichsgericht erwägt hier eine Verwendungsbeschränkung im Umgang mit der freizugebenden Information, die den zweckbindenden Schutzanordnungen bzw. Verpflichtungserklärungen des common law gleichsteht,15 wobei die Sicherheitsleistung als Kompensation fehlender Sanktionsbefugnisse nach Art des contempt-Rechts anzusehen ist. Dieser Ansatz wurde in der Literatur nicht weiterentwickelt. Stürner hält ihn für unbefriedigend, weil die Dauer der Verpflichtung unbestimmt, die angemessene Höhe der Sicherheit ungewiss und eine missbräuchliche Ausnutzung der Information schwer zu beweisen sei.16 Dieser ablehnenden Ansicht haben sich, mit Ausnahmen,17 die anderen Fürsprecher eines prozessualen Geheimnisschutzes angeschlossen.18 Mit der Ablehnung einer Kontrolle durch zweckbindende Pflichten entfällt auch die Möglichkeit des Vertraulichkeitszirkels, der auf Geheimhaltungsplichten und Nutzungsverboten basiert. Die Informationskontrolle durch Verhaltenspflichten hat den großen Vorteil, dass sie nach außen wirkt, nicht in das Verfahren eingreift und daher ohne Abstriche an grundsätzlichen Verfahrensgrundsätzen Schutz zu gewähren vermag. Ihre Wirksamkeit im common law hängt sicher mit den drohenden contempt-Strafen bei Verstoß zusammen. Dennoch sollte das Fehlen eines contempt-Rechts die Möglichkeit zweckbindender Verpflichtungen nicht automatisch ausschließen. Anregungen zur Einführung von Verwendungsbeschränkungen im deutschen Zivilprozess kamen im Jahre 2006 von Peter Schlosser, der sich vom englischen Zivilprozess inspirieren ließ. Als Ersatz der contempt-Sanktionen könnten in Deutschland Vereinbarungen treten, mit denen die Parteien Verwendungsbeschränkungen der erlangten Informa14 

RGZ 69, 401, 406. Diese Parallele sieht auch Rojahn, in: FS Loewenheim (2009), 251, 265, Fn. 69. 16  Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses (1976), 222 f.; ders., JZ 1985, 453, 458. 17  Rojahn, in: FS Loewenheim (2009), 251, 265, Fn. 69, die scheinbar die Einführung einer protective order für den Know-How Schutz im deutschen Zivilprozess für notwendig hält. Für eine Freigabe unter Auflagen ist auch Müller-Stoy, Mitt. 2010, 267, 272, r. Sp. und Blome/ Fritzsche, NZKart 2019, 247, 250 f. 18  Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses (1989), 221 f., die zugleich auch §  811 II 2 BGB als Rechtsgrundlage in Frage stellt. Ferner Kersting, Der Schutz des Wirtschaftsgeheimnisses im Zivilprozeß (1995), 292; Karger, Beweisermittlung (1996), 127 f.; Ploch-Kumpf, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Zivilprozeß (1996), 165 f.; Saß, Die Beschaffung von Informationen (2002), 69 f.; Spindler/Weber, MMR 2006, 711, 712; Wrede, Das Geheimverfahren im Zivilprozess (2014), 151 („… bietet […] nur einen äußerst geringen Schutz vor einer unzulässigen Verwertung geheimer Informationen. Diese kann sie gar nicht verhindern“); Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014), 190 f. 15 

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E. Schluss

tionsquellen beschließen,19 in denen für den Verstoß Vertragsstrafen vorgesehen sind.20 Darauf lässt sich, so Schlosser, ein Grundmodell aufbauen, in dem das Gericht seine Ermessensentscheidungen zur Informationsfreigabe von verwendungseinschränkenden Prozessvereinbarungen abhängig macht.21 Dies kann, wie oben erwähnt,22 bei der Gewährung der Akteneinsicht Dritter nach §  299 II ZPO, aber auch für die Pflicht einer Partei oder eines Dritten zur Urkundenvorlegung nach §  142 ZPO sowie zum Schutz des Tatsachenvortrags angewendet werden.23 Weitergehend ist zu überlegen, ob und inwieweit den Parteien die Möglichkeit zugebilligt werden soll, das Gericht zu ermächtigen – wie die Gerichte des pre-trial – den Inhalt der Vereinbarungen nach Umständen des Einzelfalls bindend anzupassen.24 Hieran sollte die dogmatische Entwicklung der Informationskontrolle im deutschen Zivilprozess anknüpfen: Die Zumutbarkeit des eigenen oder gegnerischen Informationsbeitrags sollte stets im Lichte der Möglichkeit von Weitergabe- und Verwendungseinschränkungen des Informationsempfängers beurteilt werden können – und genau diese Überlegungen fehlen in den neueren Monographien zum Geheimnisschutz.25 Diese Arbeiten sind auf die Herleitung eines beweisrechtlichen Geheimverfahrens fixiert und wenn sie überhaupt zur Frage zweckbindender Verhaltenspflichten kommen wird stets nur Stürners Diktum wiederholt, dass (durch Sicherheitsleistung gedeckte) Verhaltenspflichten keinen angemessenen Geheimnisschutz bieten könnten, da die angemessene Sanktion nicht absehbar und die Zuwiderhandlung nicht beweisbar sei.26 19 

Schlosser, in: FS Vollkommer (2006), 217, 225. Schlosser, in: FS Vollkommer (2006), 217, 227; kürzlich auch Blome/Fritzsche, NZKart 2019, 247, 250. 21  Schlosser, in: FS Vollkommer (2006), 217, 228, wobei er aber, offenbar bedeutungsgleich, von „verwertungsbeschränkenden Prozessvereinbarungen“ spricht. 22  Siehe D.I.2.a). 23  Schlosser, in: FS Vollkommer (2006), 217, 228 f. 24  Schlosser, in: FS Vollkommer (2006), 217, 230 f., wobei in Deutschland das Hindernis entgegensteht, dass ein staatliches Gericht nicht durch Prozessvereinbarung zu Handlungen ermächtigt werden kann, die im Gesetz nicht vorgesehen sind, Wagner, Prozeßverträge (1998), 598, wovon hier eine Ausnahme gerechtfertigt ist, soweit die knappen Justizressourcen nicht überstrapaziert werden, Schlosser, in: FS Vollkommer (2006), 217, 230. 25  Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (2014) behandelt auf über 500 Seiten voller rechtsdogmatischen Gedankenreichtums den Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Zivilprozess und investiert riesige Textmengen in die Rechtfertigung des Ausschlusses der Partei vom Verfahren, verwirft aber den Schutz durch das „finanziell sanktionsbewehrte Missbrauchsverbot“ auf weniger als fünf Seiten (190 f.; 414–416). Nahezu automatische Ablehnung erfährt die Idee auch bei Wrede, Das Geheimverfahren im Zivilprozess (2014), 151 f. In Koch, Mitwirkungsverantwortung im Zivilprozess (2013), 221–253 ist dieser Gedanke abwesend. Keiner dieser Autoren beachtet die Studie Schlossers. 26  Vgl. Nachweise oben in Fn.  16. 20 

II. Drei Anregungen für die deutsche Prozessrechtsdogmatik

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Dieser Einwand mangelnder Effektivität kontrastiert nicht nur mit der Praxis des anglo-amerikanischen Zivilprozesses, sondern auch mit der des deutschen Vertragsrechts, in der man beim Informationsaustausch auf Vertraulichkeitsvereinbarungen angewiesen ist. Die Schwierigkeit der Nachweisbarkeit einer Informationsweitergabe wird dadurch vermindert, dass das gebotene Verhalten im Umgang mit der bestimmten Informationen genau umschrieben wird – insbesondere bezüglich der geschuldeten Sicherheitsmaßnahmen (Wegschließen schrift­ licher Unterlagen, Verschlüsselung elektronischer Unterlagen, Verbot der Erstellung von Abschriften oder Einspeicherung in Datensysteme etc.),27 wie sie aus den anglo-amerikanischen Schutzanordnungen bekannt sind. Auch die Regelung der Weitergabe an Unternehmensmitarbeiter und Dritte – also die Begründung von confidentiality clubs für die Durchführung gemeinsamer Projekte – ist in der Vertragspraxis verbreitet.28 Effektivität erlangen Vertraulichkeitsvereinbarungen indem sich der Informationsempfänger zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet, die als Mindestschadensersatz unter Vorbehalt zusätzlicher oder weitergehenderer Schadensersatzansprüche zu verstehen ist.29 In Extremfällen kann die Deponierung einer Sicherheitssumme bei einem Treuhänder vereinbart werden,30 was mit der Idee des Reichsgerichts korrespondiert. Es ist nicht ersichtlich, warum diese Vorkehrungen, die sich im Umgang mit Informationen in der deutschen Vertragspraxis offenbar bewähren, für die Informationskontrolle im deutschen Zivilprozess gänzlich unbrauchbar sein sollten. Den naheliegenden Einwand, dass die Vertragspraxis auf Vertrauen, der Prozess aber auf Konflikt beruht und die Gefahr eines Verstoßes gegen die Vertraulichkeitsvereinbarung deshalb höher anzusetzen ist, scheint die englische Entwicklung zu widerlegen – zumindest als schlagendes Argument. Hier entwickelte sich das Recht der zivilprozessualen Informationskontrolle auf Grundlage des Vertragsrechts („undertakings“).31 Die deutsche Praxis der letzten Jahre musste, wie zuvor mit dem „Düsseldorfer Verfahren“, auch in Sachen prozessualer Verwendungsbeschränkungen der Lehre vorauseilen. Die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf in FRAND-Strei27 

Kurz, Vertraulichkeitsvereinbarungen (2013), Rn.  207–210; 572–582. Vgl. auch OLG Düsseldorf BeckRS 2018, 7036, Rz.  18. 28  Kurz, Vertraulichkeitsvereinbarungen (2013), Rn.  211–233, etwa die Beispiele bei Rn.  218 oder 224. 29  Kurz, Vertraulichkeitsvereinbarungen (2013), Rn.  300–306. 30  Kurz, Vertraulichkeitsvereinbarungen (2013), Rn.  582. 31  Daher die Diskussion vor Einführung der CPR, ob sich die konkludente Verpflichtung zur zweckgerechten Nutzung der discovery-Ergebnisse („implied undertakings“) nicht vom materiellen Recht gelöst hatte und nach rein prozessualen Prinzipien zu beurteilen war. Nach Einführung der CPR 31.22 steht ihre Natur als eigenständige prozessrechtliche Figur wohl nicht mehr in Frage. Vgl. hierzu Toulson/Phipps, Confidentiality (2006), Rn.  20-016 ff.

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E. Schluss

tigkeiten hat die prozessuale Funktion von Vertraulichkeitsvereinbarungen englischen Stils eindeutig anerkannt. An den Grundsatz eines bedingungslosen Aktenzugangsrechts nach §  299 I ZPO wird festgehalten,32 dabei aber klargestellt, dass jede Partei dafür Vorsorge treffen muss, „dass mit dem einsichtsberechtigten Prozessgegner eine ihrem Vertraulichkeitsinteresse genügende Geheimhaltungsvereinbarung zustande gekommen ist.“33 Damit hat die Idee des anglo-amerikanischen undertaking in den deutschen Zivilprozess Eingang gefunden – unter der Benennung „Unterlassungsvertrag“.34 Gegen Zuwiderhandlungen ist, wie schon Schlosser vorgeschlagen, mit „Rücksicht auf die Beweisschwierigkeiten“ eine “empfindliche Vertragsstrafe“ angebracht.35 Ausschlaggebend ist zudem, dass diese Rechtsprechung, in englischer Art, die unbegründete Verweigerung einer Verwendungsbeschränkung mit einer prozessualen Sanktion verbindet: Wenn der Geheimnisträger wegen Geheimnisschutz­ bedenken seiner Darlegungslast nur selektiv – und im Prinzip unvollständig – nachkommt, ist das Bestreiten des Gegners „als unbeachtlich zu behandeln, wenn letzterer sich weigert, eine zum Geheimnisschutz notwendige und zumutbare Sicherungsvereinbarung mit dem Prozessgegner zu treffen.“36 Der Partei, die eine Verpflichtung zur Unterlassung anderweitiger Nutzung des schutzwürdigen Vorbringens des Gegners verweigert, wird das Einsichtsrecht nach §  299 I ZPO also nicht direkt eingeschränkt, dafür aber die Anforderungen an die Behauptungslast des Geheimnisträgers reduziert. Beim (später beitretenden) Streithelfer, der ebenfalls nach §  299 I ZPO einsichtsberechtigt ist, wird der uneingeschränkte Zugang unmittelbar von einer Vertraulichkeitsvereinbarung abhängig gemacht.37 Dies ist 32  OLG Düsseldorf BeckRS 2018, 7036, Rz.  6 ff. Schon 2016, in Anknüpfung an die „Umweltengel“-Entscheidung (oben D.II.3.a)), hatte das OLG Düsseldorf BeckRS 2016, 114380, Rz.  5 angemerkt: „Im Interesse eines Geheimnisschutzes kommt nach den Regeln der BGH-Entscheidung ‚Umweltengel für Tragetasche’(GRUR 2014, 578) in Betracht, dass sich die Beklagten und ihre Streithelferin angemessen strafbewehrt verpflichten müssen, die ihnen von der Klägerin zugänglich gemachten vertraulichen Informationen ausschließlich zu Pro­ zesszwecken und nicht außerhalb des Rechtsstreits zu verwenden und gegenüber jedwedem Dritten geheim zu halten“. 33  OLG Düsseldorf BeckRS 2018, 7036, Rz.  7. Vgl. auch Rz.  8. 34  Vgl. OLG Düsseldorf BeckRS 2017, 156523, das dort den Parteien eine konkrete Vertraulichkeitsvereinbarung vorschlägt, die, wie CPR 31.22, die zweckgebundene Verwendung der vertraulichen Unterlagen anordnet („ausschließlich zu Prozesszwecken im vorliegenden Rechtsstreit zu verwenden und ansonsten gegenüber jedermann Stillschweigen zu bewahren“) und einen confidentiality ring erstellt. 35  OLG Düsseldorf BeckRS 2016, 114380, Rz.  5. Die in OLG Düsseldorf BeckRS 2017, 156523 vorgeschlagene Vertraulichkeitsvereinbarung verpflichtet bei Verstoß zu einer Vertrags­ strafe von 1 Million €. 36  OLG Düsseldorf BeckRS 2018, 7036, Rz.  9. 37  OLG Düsseldorf BeckRS 2018, 7036, Rz.  13, auf Grundlage des §  67 ZPO.

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m. E. ein bedeutender Schritt in die Richtung einer modernen Informationskontrolle im Zivilprozess: fort von der Idee des Parteiausschlusses, hin zur Pflicht zweckgemäßer Nutzung schutzwürdiger Informationen. Das OLG Düsseldorf scheint hierin allerdings noch nicht von einem allgemeinen Prinzip auszugehen, sondern einer prozessualen Besonderheit zugunsten des Verletzungsklägers in FRAND-­ Fällen.38 Eine erst kürzlich ergangene Entscheidung des LG München39 sowie neuere Stimmen in der Literatur40 zeigen jedoch eine Tendenz zur Verallgemeinerung dieser Grundsätze. Ob sie sich letztlich gegen die vorherrschende Ansicht eines bedingungslosen Einsichtsrechts der Partei durchsetzen41 und neuere dogmatische Hindernisse überwinden42 kann, steht zu diesem Zeitpunkt noch offen.

3. In-camera-Prüfung der Schutzwürdigkeit Eine in-camera-Prüfung der Schutzwürdigkeit und der Relevanz der verweigerten Information sollte (wohl de lege ferenda) allgemein anerkannt werden, sowohl im Rahmen eines vorbereitenden Informationsprozesses – wie im „Düsseldorfer Verfahren“ – als auch als Zwischenverfahren zur Hauptsache, wie es in §  99 II VwGO und §  89b VIII 1 GWB 43 vorgesehen ist (die verfahrensrechtliche Form ist für die Rechtfertigung seiner Zulässigkeit unbeachtlich). Wichtig ist es zu erkennen, dass der Parteiausschluss hier stets eine andere Bedeutung hat als in einem in-camera-Hauptsacheverfahren. Ein in-camera-Zwischenverfahren ermöglicht einen gerichtlichen Einblick in die Information, um eine angemessene Güterabwägung vorzunehmen, der die voreilige Einbindung der nicht-informierten Partei vorausgreifen würde. Es wird zwar auch hier die Partei von Informationen bezüglich einer gericht­ lichen Entscheidung ausgeschlossen, die sich auf das Urteil auswirken wird. Nur 38 

OLG Düsseldorf BeckRS 2018, 7036, Rz.  9 („In FRAND-Fällen“). LG München BeckRS 2019, 18148, Rz.  6 f., unter Bezugnahme auf OLG Düsseldorf BeckRS 2018, 7036. 40  Blome/Fritzsche, NZKart 2019, 247, 250 ff. 41  Vgl. oben unter D.III.2.a). 42  Insbesondere steht sie in Widerspruch mit der Entscheidung des Gesetzgebers, sanktionsbewehrte Verwendungsbeschränkung der Parteien und confidentiality clubs auf Geschäfts­ geheimnisstreitigkeiten zu beschränken (§  16 I GeschGehG), was eine entsprechende Anwendung auf andere Fälle ausschließt, Musielak/Voit/Stadler, §  357 Rn.  4. Dieser Widerspruch ließe sich etwa mit dem Argument auflösen, dass die Regelungen des GeschGehG den Sonderfall zwangsbewehrter (§  17 GeschGehG) Verwendungsbeschränkungen regelt, aber die Frage offen lässt, ob die Zumutbarkeit der Informationseinbringung oder das gegnerische Einsichtsrecht von einer an Vertragsstrafen gebundenen Vertrauensvereinbarung abhängen darf. 43 In-camera-Prüfung der Frage, ob die Beweismittel im Kartellschadensersatzprozess Kronzeugenerklärungen oder Vergleichsausführungen enthalten. 39 

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E. Schluss

müsste bei vollumfassender Gehörsgewährung die Entscheidung zur Informa­ tionsgabe immer blind erfolgen. Denn eine unmittelbare gerichtliche Prüfung der Information würde ins Unsinnige entarten, wenn die nicht-informierte Partei durch die Parteiöffentlichkeit Kenntnis über Umstände erlangen würde, deren Kenntnisnahme gerade Gegenstand der Entscheidung ist.44 Im Grunde stehen in Informationsprozessen (also Verfahren, in denen über die Gewährung von Informationen verhandelt und entschieden wird) zwei Wertungen im Widerspruch – seien sie als isolierte Prozesse oder Zwischenverfahren konzipiert. Einerseits fordert der Anspruch auf rechtliches Gehör und die Parteiöffentlichkeit, dass die Grundlage der gerichtlichen Entscheidung beiden Parteien zugänglich gemacht wird. Andererseits fordert das Rechtssystem auch, dass der Staat einer Rechtsfolge erst dann endgültig zur Wirksamkeit verhelfen darf, wenn eine gerichtliche Prüfung ihrer Voraussetzungen vorausgegangen ist45 – und nicht nur wirkungslos nachgetragen wird. Genau dies wäre aber der Fall, wenn die nicht-informierte Partei schon bei der Verhandlung über die Informationsfreigabe Zugang zu den geforderten Informationen erhielte.46 Hierin liegt der Unterschied zum beweisrechtlichen Geheimverfahren. Die Gehörsrechtseinschränkung soll den Richter bei der Informationsfreigabe in eine Position versetzen, in der er durch unmittelbaren Einblick in die streitige Information eine qualitative Zwischenentscheidung zu treffen vermag. Im beweisrechtlichen Geheimverfahren wird die Partei dagegen ausgeschlossen, um die Information ohne Risiko in der Hauptsache verwerten zu können – also um Zweckbindung zu gewährleisten. Zur Herstellung praktischer Konkordanz ist in erster Linie nicht das in-camera-Hauptsacheverfahren notwendig, dessen Zweck, die anderweitige Verwendung der Informationen zu unterbinden, auch mit Verwendungsbeschränkungen zu handhaben ist, sondern ein in-camera-Zwischenverfahren zur Wahl der bestgeeigneten Maßnahmen zur Zweckbindung (Offenlegung unter Verschwiegenheitszusagen, Schwärzungen, Vorenthaltung etc.). Der Ausschluss einer Partei von der hoheitlichen Entscheidungsfindung sollte als Maßnahme gerade nicht in Frage kommen. 44  Aus

analogem Grund gibt §  174 I 1 GVG die Möglichkeit, den Ausschluss der Öffentlichkeit in nicht-öffentlicher Sitzung zu verhandeln – damit die Umstände, die den Ausschluss der Öffentlichkeit rechtfertigen, nicht schon bei der Verhandlung über den Ausschluss an die Öffentlichkeit treten, MüKoZPO/Zimmermann, §  174 GVG Rn.  1. 45  Zu dieser Wertung in Bezug zum ordentlichen Zivilprozess in Deutschland, Schilken, Die Befriedigungsverfügung (1976), 101–103. 46 Auf diese Spannung zwischen Gehörsrecht und vorzeitiger Befriedigung hat etwa das Berliner Kammergericht hingewiesen, als es als Forderung des Vorwegnahmeverbots ansah, „dass der Besichtigende zunächst dem Antragsteller die gefundenen Ergebnisse vorenthält. Denn ansonsten wird, wie im vorliegenden Fall, der Anspruch nach §  809 BGB erfüllt, bevor überhaupt geklärt ist, ob der Anspruch gegeben ist.“ KG NJW 2001, 233, 234.

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Sachregister Adversary system  20 f., 25 f. Affidavit  43, 54, 64 f., 159 Anhörung (§  141 ZPO)  61, 70 f., 72 Aufklärung – beweisrechtliche  19 ff. – vorbereitende  42 ff. – doppelte 75 Aussageverweigerung s. Informationsvorent­ haltung Ausschluss – von Personen  13, 15, 193 – einer Partei s. in-camera-Verfahren – der Öffentlichkeit  83 ff., 195 – schutzwürdiger Informationen s. Informa­tionsvorenthaltung Ausforschung des Gegners  55, 62 f., 71 Autonomie der Partei s. Parteiverantwortung Behauptungen „ins Blaue hinein“  63, 70, 78 f. Behauptungslast  59 ff., 66, 206 Behauptungslast, sekundäre  67 ff., 77, 79, 165, 194 f. Beibringungsgrundsatz s. Verhandlungsgrundsatz Bestimmtheit – des Beweismittels  59, 68 f., 79 – der Behauptung s. Substantiierung Beweisaufnahme – rechtsvergleichend  20 ff. – in-camera s. in-camera-Hauptverfahren Beweislast  5 f., 68, 153 ff. Beweislastentscheidung 131 Beweismitteloffenbarung  45 ff., 68 ff., 194 Beweissicherung  46, 51, 102, 179 Beweisvereitelung  37, 69, 77, 121 f., 129, 194 Beweiswürdigung  29, 40 f., 69, 120 Black-box-Verfahren  117 ff.

Case law s. Fallrecht Case management  50, 52, 56 ff. Confidentiality club/ring  133, 139, 144 ff., 162, 164, 196 f., 205 ff. Contempt of court  58, 85 f., 139, 141 f., 177, 203 f. Cross-examination s. Kreuzverhör Darlegungslast s. Behauptungslast Deposition s. discovery Disclosure (englisches Recht) – standard disclosure  51 f., 54 f. – specific disclosure  55 – disclosure order  56 f. – Sanktionen 57 f. Disclosure (US-amerikanisches Recht) s. discovery Discovery – initial disclosure 47 – Mittel der discovery  47 ff. – Umfang 53 f. – Sanktionen 57 f. Dispositionsgrundsatz 18 Duldungspflicht  45 f., 78, 142, 172, 176, 179 „Düsseldorfer Verfahren“  171 ff., 207 f. Enforcement-Richtlinie  72 f., 131, 177 f. Entbindung des Zeugen von der Schweigepflicht  183 f. Evidence Law  26 ff. Exchange of witness statements s. witness statements Fallrecht  21 ff., 113 Fishing expeditions  54, 71 Funktionale Methode der Rechtsvergleichung s. Methode der Prozessrechtvergleichung

222

Sachregister

Gegenseitigkeit der Sachverhaltsaufklärung  46, 57, 75 f. Geheimhaltungsinteresse  12, 123 ff., 153 ff., 160 f., 174 f. Geheimhaltungspflicht s. Verhaltenspflichten, zweckbindende Geheimverfahren s. in-camera-Verfahren Geschäftsgeheimnis s. Unternehmens­ geheimnis Glaubwürdigkeit  28 ff., 39 ff., 64 Hauptverhandlung s. trial Hearsay rule  28 ff. Hinweispflicht (§  139 ZPO) s. materielle Prozessleitung Hörensagen  28 ff., 40 f. In-camera-Verfahren – in-camera-Hauptverfahren  111 ff., 128 ff., 148 ff., 163 ff., 195 f., 199 ff. – in-camera-Zwischenverfahren 110 f., 126 f., 160 f., 171 ff., 195 f., 197, 207 f. Informationelle Selbstbestimmung s. Privatsphäre Informationsanspruch  19, 72 ff., 166 ff., 180, 195, 197 f. Informationskontrolle – Begriff  8 ff., 193 – Rechtsvergleich  81 ff. Informationskategorien  125 f., 159, 170 ff. Informationsprozess  166 ff., 176, 195, 207 f. Informationsvorenthaltung  13 f., 99, 152 f., 168, 179 f., 181 ff., 197 f. Initial disclosure s. discovery Inspection (englisches Recht)  51, 56 f., 70 Interrogatories s. discovery Jackson-Reform 55 Jury  20 f., 23, 28 f., 88, 111 ff. Kartellschadensersatz  72 ff., 131, 174 f., 207 f. Know-How s. Unternehmensgeheimnis Konzentration  23 f., 33, 53, 64 Kosten  51 f., 61 f., 77, 195. Kreuzverhör  26 ff., 29, 36, 53, 93 f.

Master, special  161 f. Materielle Prozessleitung (§  139 ZPO)  22, 31 f., 35, 38, 41, 61 Meinungsfreiheit  8, 90 f., 105 f., 139 ff., 196 Methode der Prozessrechtvergleichung  4, 19 Mündlichkeit – im trial  23 ff. – im Verhältnis zur Öffentlichkeit  93 ff., 102 f. Nemo tenetur contra se edere  37 Neutralität, richterliche  21 ff. Öffentlichkeit der Prozessakte s. Prozessakte Öffentlichkeitsausschluss s. Ausschluss Öffentlichkeitsgrundsatz  6 f., 86 ff. Parteiausschluss s. in-camera-Verfahren Parteiherrschaft  18, 20 f., 23 ff., 34 ff., 194 Parteiöffentlichkeit s. rechtliches Gehör Parteiverantwortung  14, 18, 26, 45, 74 f., 78, 133, 136 f., 150 f., 155 ff., 162, 170, 178 f., 194, 196 f., 199 ff. Parteivermutung s. Tatsachenvermutung Parteivernehmung  36 f. Passivität, richterliche  21 ff., 34 f. Patentstreitigkeiten  73, 77, 166, 171 ff. Persönlichkeitsschutz s. Privatsphäre Plausibilität der Behauptung  54, 62 f., 67, 72 f. Pleading  44 f., 53 f., 65 f. Praktische Konkordanz  116 f., 122 ff., 157 f., 171, 208 Pre-trial  42 ff., 78, 136 ff., 162, 166 f., 175, 178, 180, 196 f., 201 Principles of Transnational Civil Proce­ dure 5 Privatsphäre  11, 85, 89 f., 102 ff., 104, 119, 187 ff., 198 Privilegien  46, 161 f., 185 ff., 189 ff., 190, 198 Protective order  56, 108, 139 ff., 153, 154 f., 164, 203 Prozessakte  100 ff., 197, 204 Prozessökonomie  50 ff., 56 f., 93, 96 f., 140, 178 f., 194

Sachregister Prozessrechtsvergleichung s. Methode der Prozessrechtsvergleichung Prozessstruktur  14 f., 17 ff., 194 f. Prozessvergleich  44, 50, 149, 153, 164, 175, 185 f. Prozessvorbereitung s. Aufklärung, vorbereitende Rechtliches Gehör  6 f., 39, 115 f., 119 f., 122 ff., 162, 163 f., 166 f., 170, 174, 180, 196 f., 199 ff., 207 f. Rechtsschutz – effektiver  5 f., 11 f., 37, 61 ff., 76 f., 103, 123 ff., 194, 197 f. – einstweiliger  176 ff. Richtermacht  23 ff., 31 ff. Right of confrontation  27 f. Sachverständige – Ermittlungen (§  404a ZPO)  36, 38, 117 ff., 121 f. – Besichtigung im Rahmen des „Düssel­ dorfer Verfahren“  173 f., 176 f. Schlüssigkeit  59 ff. Schriftliche Zeugenaussagen s. witness statement Schutzanordnung s. protective order Schweigepflicht s. Verhaltenspflichten, zweckbindende Selbstbezichtigung  10, 189 ff. Selbstständiges Beweisverfahren  179 Statement of truth s. affidavit Strike out  58, 114 Substantiierung  59 ff. Summary Judgement  43 f., 49, 108, 157 Tatsachenvermutung  63 ff., 78 f., 193 Trial  20 ff., 42 ff., 48, 53, 59 f., 64, 87 f., 90, 93 ff., 109, 111 ff., 133 ff., 194 f., 199 Undertaking  138, 141, 205 f. Unmittelbarkeit  120 f., 166 Unternehmensgeheimnis  9 f., 85, 89, 91 f., 109, 124, 144 ff., 148 f., 154, 160, 165, 172, 198, 200 Untersuchungsgrundsatz  17 f., 71, 199 f.

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Urkundenvorlage (§  142 ZPO)  3, 14, 36 f., 57, 69, 70 f., 128, 204 Verfahrensschutz 58 Vergleich s. Prozessvergleich Verhaltenspflichten, zweckbindende  13, 141 ff., 202 ff. Verhältnismäßigkeit – der Informationsbeschaffung  49, 54, 56 f., 78 – der Informationskontrolle s. praktische Konkordanz – der Öffentlichkeitseinschränkung  91 ff. Verhandlungsgrundsatz  34 f., 71, 200 ff. Versäumnisurteil 59 Vertraulichkeit, Schutz der  11 f., 85, 147, 182 ff. Vertraulichkeitspflicht s. Verhaltenspflichten, zweckbindende Vertraulichkeitszirkel s. confidentiality club Verwendungsverbot, strafprozessuales  190 f. Vorlagepflichten  45 f., 47 f., 51 f., 70 ff. Vorprozessuale Aufklärung s. Aufklärung, vorbereitende Vorwegnahme der Hauptsache  110 f., 177 f., 207 f. Waffengleichheit  6 f., 118, 160 f., 174 Wahrheitspflicht (§  138 I ZPO)  62 f., 78 f. Wahrscheinlichkeit – der Tatsachenbehauptung  62 f. – eines Hauptanspruches  73, 173 ff. Wirtschaftsprüfervorbehalt  168 ff. Witness statement  52 f., 64, 94 f., 99, 138, 178 f., 194, 198 Woolf-Reform  25, 51 f. Work product rule s. Privilegien Zeugenbefragung (deutsches Recht)  36, 39 ff. Zweckbindung als Mittel der Informationskontrolle  12 f., 109 f., 157 f., 162, 180, 202 ff., 208 Zwischenverfahren (zur Prüfung der Schutz­würdigkeit von Informationen)  110 f., 122 ff., 195 f., 207 f.