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German Pages 62 [63] Year 1976
RUPERT SCHOLZ
Audiovisuelle Medien und bundes· staatliche Gesetzgebungskorn petenz
Berliner Abhandlungen zum Presserecht herausgegeben von Karl August Bettermann, Ernst
E. Hirsch und Peter Lerche
Heft 22
Audiovisuelle Medien und bundesstaatliche Gesetzgebungskompetenz Verfassungsfragen zur rechtlichen Einordnung und gesetzgeherischen Regelung der Bildträger
Von
Prof. Dr. Rupert Scholz
DUNCKER& HUMBLOT/ BERLIN
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Scbolz, Rupert Audiovisuelle Medien und bundesstaatliche Gesetzgebungskompetenz: Verfassungsfragen zur rechtl. Einordnung u. gesetzgeberischen Regelung d. Bildträger. - 1. Aufl. - Berlin: Duncker und Humblot, 1976. (Berliner Abhandlungen zum Presserecht; H. 22) ISBN 3-428-03638-7
Alle Rechte vorbehalten
@ 1976 Duncker & Humblot, Berlln 41
Gedruckt 1976 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlln 61 Printed in Germany . ISBN 3 428 00638 7
Vorwort Das System der Kommunikationsmedien hat sich mit den neuen . Entwicklungen der audio-visuellen Medientechnik eine bedeutende neue Dimension erschlossen. Die rechtlichen Folgeprobleme dieser neuen Entwicklungen sind evident. Aus verfassungsrechtlicher Sicht stellt sich heute zunächst und vor allem die Frage nach der rechtsbegrifflichen und kompetenzrechtlichen Einordnung der audio-visuellen Medien. Die grundgesetzliche Kommunikationsverfassung kennt allein die Kommunikationsmedien von Presse, Film und Rundfunk. Die begriffliche, freiheitsrechtliche und kompetenzrechtliche Systematik dieser Kommunikationsmedien muß sich heute jedoch auch den neuen Entwicklungen der audio-visuellen Medien stellen und diese verfassungsrechtlich aufnehmen. Die vorliegende Untersuchung wurde als Rechtsgutachten im Auftrage des Bundesministers des Innern angefertigt. Ihr Ziel ist es, die Position der audio-visuellen Medien im System der bundesstaatliehen Gesetzgebungskompetenzen zu bestimmen. Berlin, im März 1976
Rupert Scholz
Inhalt A. I. Problemstellung
9
II. Audio-visuelle Medien und Mediensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Zum empirischen Grundbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
2. Die Bezüge der audio-visuellen Medien zu den Mediensystemen von Film, Rundfunk und Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3. Rechtliche Ordnungsansätze in der neueren Mediengesetzgebung 15 111. Audio-visuelle Medien -
Mediensystem eigener Art? . . . . . . . . . . . .
22
B. IV. Verfassungsrechtliche Grundpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
1. Kompetenzrechtliche Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
2. Materiell-rechtliche Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
3. Interpretative Strukturen der grundgesetzliehen Kommunikationsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 V. Audio-visuelle Medien und Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
1. Dimensionen des Rundfunkbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
2. Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
VI. Audio-visuelle Medien und Film . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
1. Verfassungsrechtlicher Filmbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
2. Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
VII. Audio-visuelle Medien und Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
1. Verfassungsrechtlicher Pressebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Unterverfassungsrechtlicher Pressebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
3. Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
8
Inhalt
c. VIII. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Materiell-rechtliche Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Kompetenzrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
IX. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. I. Problemstellung Das bestehende Mediensystem und seine rechtliche Organisation stehen vor evidenten Neuerungen. Mit dem Aufkommen der audiovisuellen Medien öffnet sich medienmäßig eine Dimension, die die bestehende Medienverfassung einmal vor wesentlich neue Möglichkeiten und Folgeprobleme stellt und die zum anderen noch vielfach rechtlicher Organisation bedarf. Diese rechtliche Organisation steht vor zwei grundsätzlichen Aufgaben: Sie muß einmal dem empirischen Grundbegriff gerecht werden; sie muß zum anderen die Ordnung der audio-visuellen Medien mit den Strukturen des gegebenen Mediensystems und seiner juristischen Verfassung in sach- und sinngerechter Weise vereinbaren. Die erste Aufgabe fordert den empirisch einigermaßen gesicherten Befund. Seine Erreichung stößt jedoch auf einige gewichtige Hindernisse. Denn angesichts der technisch rapiden Entwicklung gerade des audiovisuellen Bereichs ist ein empirisch absolut gesicherter Grundbefund vorerst wohl kaum abzustecken. Die zweite - juristische - Aufgabe steht wiederum vor zwei Problemkomplexen: einmal vor den verfassungsrechtlich gesicherten Grundstrukturen der Medien- oder Kommunikationsverfassung1 namentlich in Art. 5 GG, und zum anderen vor der bundesstaatliehen Kompetenzproblematik. Hiernach sind Bund und Länder in unterschiedlicher Kompetenzqualität zur gesetzlichen Organisation der Mediensysteme berufen; dem Bund steht namentlich nur die Rahmengesetzgebungskompetenz aus Art. 75 Nr. 2 GG für "die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse und des Films" zu. Alle anderen Bundeskompetenzen sind, wie im einzelnen zu zeigen sein wird, mehr akzidentieller oder akzessorischer denn ordnungspolitisch zentraler Natur. Dieses komplizierte Kompetenzgefüge verfaßt das bestehende Mediensystem und ist auch für die audio-visuellen Medien prinzipiell zuständig. Darüber freilich, ob diese vielleicht Revisionen gegebener Kompetenzstrukturen fordern oder nahelegen, ist damit nichts gesagt. Fixiert t Zum letzteren Begriff und zu seiner Funktion im grundgesetzliehen Verfassungsgefüge vgl. allgemein bereits R. Scholz, Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 283 ff.
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li. Audio-visuelle Medien und Mediensystem
sind lediglich die kompetenziellen Ausgangspunkte und die verfassungsrechtliche Grundlage der folgenden Untersuchungen. In letzterer Hinsicht wird sich zeigen, daß die gegebene Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern grundsätzlich auch dem System der audio-visuellen Medien (noch) gerecht zu werden vermag. II. Audio-visuelle Medien und Mediensystem 1. Zum empirischen Grundbefund a) Als audio-visuelle Medien gelten prinzipiell alle Verfahren, die Bild und Ton bzw. Bild- und Tonfolgen aufzeichnen, speichern und mittels unterschiedlicher technischer Vermittlungssysteme auf einem Fernsehbildschirm oder einer Leinwand wiedergeben2 • Als speichernde Träger können Filmspulen, Magnetbänder, Kunststoffelien usw. zum Einsatz gelangen. Das Verfahren audio-visueller Aufzeichnung und Wiedergabe von Filmen in Kinos und im Fernsehen bildet dabei zunächst nichts grundsätzlich Neues. Denn derartige Verfahren sind seit Jahrzehnten bekannt und in Übung. Die moderne audio-visuelle Technik erschließt das Medium der Audio-Vision jedoch - und dies ist grundsätzlich neu - auch dem privaten Gebrauch bzw. der individual gesteuerten Kommunikation. Die wichtigsten Techniken der audio-visuellen Medien bilden die folgenden Verfahren: aa) Das sog. "Kassettenfernsehen": Hier werden auf den oben bezeichneten Speicherträgern Bild- und Tonfolgen aufgezeichnet, in Kassetten verpackt und in dieser Form veräußert. Die aufgezeichneten Programme können auf Fernsehbildschirmen und/oder Leinwänden wiedergegeben (projiziert) werden. bb) Die Film-, Bild oder Video-Platte: Hier werden Bild- und Tonfolgen sendetechnisch umgewandelt und- ähnlich wie bei der Schallplatte- auf der Platte im Wege der Druckspeichertechnik aufgezeichnet. Mittels entsprechender Zusatzgeräte kann die Bildplatte auf dem Fernsehschirm abgespielt werden. Die Bildplatte äh.nelt danlit grundsätzlich dem "Kassettenfernsehen". · cc) Die wichtigsten Produktionsverfahren der audio-visuellen Medien liegen im
z Vgl. näher und zum Folgenden besonders Brugger, Die neuen audiovisuellen Systeme, 1970, S; 9 ff.; ders., UFITA 1970, 1 ff.; Roeber, Film. und Recht 1973, 311 ff.
1. Zum empirischen Grundbefund
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(1) Broadcast-Electronic-Video-Recording-Verfahren (BEVR), einem elektronisch-optischen Aufzeichnungsverfahren für spezielle EVRFilme (EVR = Wiedergabeverfahren unter Benutzung eines speziellen, dem Tonbandgerät ähnelnden Wiedergabegeräts, dem Teleplayer); (2) Selectavision-Verfahren, einem Verfahren, das Bild- und Tonfolgen auf Venylbändern speichert und statt mit elektronischen Strahlen mit Laserstrahlen operiert; (3) der Video-Recorder, ein Verfahren magnetischer Filmaufzeichnung, das auch Fernsehsendungen mitzuschneiden und wiederzugeben erlaubt; (4) das Spectra-Colorvision-Verfahren, mittels dessen 8 mm-Farbfilme elektronisch abgetastet und auf den Fernsehbildschirm übertragen werden; (5) die Videoplatte zum Selbstaufnehmen. b) Als Technik der Aufzeichnung, Speicherung und des individuellen Abrufs erweitern die audio-visuellen Medien zunächst die Nutzungsmöglichkeiten der bestehenden Medien namentlich von Film, Funk und Fernsehen. Die audio-visuelle Technik wirkt insoweit als Technik der Individualisierung, Reproduzierung und Dialogisierung von vorgegebenen Kommunikationssystemen und ihrer Programmeinrichtungen. Mit diesen Funktionen übernimmt die audio-visuelle Technik kommunikationstheoretisch jedoch nicht nur instrumentale Funktionen innerhalb der bestehenden Mediensysteme. Die audio-visuellen Medien eröffnen vielmehr neue Möglichkeiten der Produktion, Distribution und Konsumtion von Kommunikationsprogrammen; sie erschließen überdies und vor allem Möglichkeiten der individualen ("privaten") Kommunikation oder kommunikativen Programmgestaltung sowie (individualen) Programmspeicherung. Die Reichweite und funktionelle Bedeutung dieser neueren Mediendimension ist am offenkundigsten bisher wohl im Bereich der zu Lehrzwecken eingesetzten oder hierzu vorgesehenen audio-visuellen: Medien geworden3• · a Vgl. zu den Fragen eines Fernstudiums im Medienverbund · etc. näher bes. Dohmen, Fernstudium im Medienverbund. Entlastung und Reformanstoß für die Hochschulen, 1970; Dohmeri- Peters, HochschulunterriCht im Medienverbund, Teil 1, 1971; Ramm, Das juristische Studium im Medienverbund, 1971; Thieme, WissR 1968, . 121 ff,; Riemenschneider, WissR 1969, 210 ff,; Heilthoff u. a., Rechtsfragen des Studiums im Medienverbund, 1911, HübnerUlmer, Fernstudium im Medienverbund - hochschulrechtliche und urheberrechtliche Probleme, 1972; Rau, Die neue Fernuniversität, 1974; Krüger, WissR 1975, 167 ff.; R. Scholz (unter Mitarbeit von R. Pitschas), Rechtsgutachtliche Problemstudie über die Rechts- und Organisationsformen einer. Kooperation und Integration von Einrichtungen des Fernstudiums und Fern•
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II. Audio-visuelle Medien und Mediensystem
In der Konsequenz ermöglichen die audio-visuellen Verfahren ebenso die Herstellung eigener (individualer) Programmbeiträge wie die Aufzeichnung von Fernsehprogrammen und die Wiedergabe fremder (aufgezeichneter, gekaufter oder geliehener) Programmbeiträge. Speicherträger sind Film, Band oder Platte bzw. "Kassette". c) Besondere Bedeutung erlangen die audio-visuellen Verfahren schließlich im Verbund mit den Verfahren und Möglichkeiten der Breitbandkommunikation. Die Breitbandkommunikation ermöglicht nicht nur den Kabelfunk und das Kabelfernsehen4•
Sie eröffnet darüber hinaus Kommunikationsformen gerade individualer und dialogischer ("interaktiver") Bildkommunikation. Diese umfaßt das Aufnehmen, Übermitteln und Abrufen von statischen wie dynamischen Bildfolgen, namentlich auf den Gebieten von Nachrichtendiensten, Fernunterrichten, lokalen Fernsehprogrammen und individuell abgerufenen audio-visuellen Programmen bis hin zu Leistungen der Faksimile-Telegraphie (Telefoto und Telefax). Im Rahmen der letzteren Kommunikationssysteme besteht vor allem die Möglichkeit der "Bildschirmzeitung"5. Sie ist sowohl im Verfahren des sog. "Videofax", d. h. als echte Bildschirmzeitung, wie im Verfahren des "Homefax", d. h. in Gestalt der beim Empfänger, in Verbindung mit dem Fernsehgerät als Faksimile ausgedruckten Zeitung realisierbar. Als konkret realisierte Modelle der Bildschirm- oder Fernsehzeitung bestehen vor allem die englischen Systeme von "Ceefax" und "Oracle" (bzw. "Teletext"). Während die (eigentliche) Fernsehzeitung sich in Gestalt des - freilich individuell gesteuerten und abrufbaren - Bildempfangs auf dem Bildschirm unterrichts, Berlin 1975 (Institut für regionale Bildungsplanung - Arbeitsgruppe Standortforschung - GmbH Hannover). 4 Zum Wesen von Kabelfunk und Kabelfernsehen sowie zum Folgenden vgl. bes. Telekommunikationsbericht der Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems - KtK -, 1976, S. 106 ff.; Stammler, Verfassungs- und organisationsrechtliche Probleme des Kabelrundfunks, 1974, S. 3 ff.; Lenk, UFITA 1975, 135 ff.; Demme, Das Kabel-Fernsehen (closedcircuit-television) in rechtlicher Sicht, 1969, S. 5 ff.; Ratzke, Netzwerk der Macht, 1975, S. 52 ff.; Fuhr, Media-Perspektiven 1974, 197 ff.; Institut für Rundfunktechnik, Drahtgebundene Verteilung von Ton und Bild. Vortragsund Diskussionstagung vom 11. 11. 1970; Erstes Symposium der japanischen Stiftung für die Entwicklung audio-visueller Kommunikationssysteme für den Alltagsbedarf (21. - 22. 5. 1973), Aspekte der Breitbandkommunikation in Japan unter besonderer Berücksichtigung des audio-visuellen Pilotsystems Higashi-Ikoma, Entwicklungslinien der technischen Kommunikation 3, 1974; Merke!- E. Scholz, Anmerkungen zum Rundfunkwesen III. Eine Auswahl 1970 bis 1974, 1975, bes. S. 50 ff., 58 ff., 67 ff., 80 ff., 99 ff., 101 ff., 121 ff., 144 ff., 161 ff., 162 ff. 6 Vgl. dazu sowie zum Folgenden bes. Telekommunikationsbericht, S. 100 f.; Merke! - E. Scholz, Anmerkungen zum Rundfunkwesen III, S. 101 ff., 144 ff., 149 ff., 156 ff., 165 ff.; Ehmke, Media-Perspektiven 1973, 433 ff.; ders., Die Zeit vom 22. 3. 1974, S. 61; Ratzke, Netzwerk der .Macht, S. 33 ff.
2. Bezüge der audio-visuellen Medien
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vollzieht, wird die Faksimile-Zeitung mit elektronischen Mitteln beim Konsumenten selbst hergestellt (faksimilemäßig "ausgedruckt"). Sie eröffnet damit eine prinzipiell bedeutsame neue Dimension auch für das Pressewesen. d) Diese medialen Erscheinungs- und kommunikativen Wirkungsformen der audio-visuellen Medien sehen sich heute allerdings noch längst nicht voll ausgeschöpft. Vor allem die Möglichkeiten audiovisueller Nutzung der Breitbandkommunikation stecken mangels "Verkabelung" noch in den ersten Anfängen. Die technischen und medialen Perspektiven lassen sich jedoch schon heute in etwa abschätzen. Dementsprechend sehen sich auch die rechtspolitischen Fragestellungen der audio-visuellen Medien im wesentlichen vorgezeichnet. 2. Die Bezüge der audio-visuellen Medien zu den Mediensystemen von Film, Rundfunk und Presse
a) Die audio-visuellen Medien sind den Mediensystemen von Film, Rundfunk und Presse vielfältig verbunden. Sie nehmen teilweise entsprechende Funktionen wahr, wirken teilweise als Techniken oder Instrumentarien der bestehenden Mediensysteme und lassen sich demgemäß auch real von diesen nicht völlig trennen. Dies löst wiederum Rückwirkungen für die rechtliche Einordnung der audio-visuellen Medien aus. b) Instrumentell bedienen sich vor allem die Rundfunk- und Fernsehanstalten der Mittel der audio-visuellen Medien. Schon technisch erweisen sich Fernseh- und audio-visuelle Programme als ("audiovisuelle") Fixierung und Wiedergabe von Bild- und Tonfolgen entsprechender Eigenart. Diese Eigenart führt jedoch nicht zu dem Schluß, daß Rundfunk (Fernsehen) und audio-visuelle Medien identisch wären. Beide bedienen sich vielmehr einer vergleichbaren bzw. partiell identischen Technik: nämlich der Filmtechnik6 • :B'ür den Empfänger von Rundfunk- und Fernsehsendungen eröffnen die audio-visuellen Medien neue Empfangsmöglichkeiten durch Aufzeichnung, Speicherung und individuelle Wiedergabe von öffentlichen ProgrammE:'n. Darüber hinaus können die öffentlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten eigene Programmleistungen künftig auch in konservierter Form zum privat-individuellen Verbrauch anbieten. Ob die öffentlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten zu derartiger (gewerblicher) Nutzung der audio-visuellen Medien (Herstellung und eventuell sogar monopolisierter- Vertrieb von Programmen für Kassetten, Bildplatten usw.) freilich berechtigt sind, ist recht fraglich. Die e Vgl. dazu weiter unten sub d).
14
li. Audio-visuelle Medien und Mediensystem
zu dieser Fragestellung auftretenden Rechtsprobleme können im vorliegenden Zusammenhang jedoch unerörtert bleiben7 • Wichtig ist allein die Frage, ob die audio-visuellen Medien tatbestandlieh unter den Rechtsbegriff des "Rundfunks" fallen können8 • c) Berührungen von audio-visuellen Medien und Presse ergeben sich vor allem im Bereich der Bildschirm- und der Faksimile-Zeitung im Rahmen der Breitbandkommunikation. Funktionell übernehmen beide Formen der Fernsehzeitung pressemäßige Aufgaben. Technisch basieren sie zwar auf der Kombination von Fernsehen und Audiovision. Vor allem die Faksimile-Zeitung reicht aber auch technisch in den Bereich der Presse hinein. Auf seiten der Presse wird dies auch an anderen technischen Entwicklungen deutlich, mit deren Hilfe (pressemäßige) Druckerzeugnisse auf weitgehend elektronischem Wege produziert werden bzw. produziert werden können. d) Enger Konnex besteht zwischen den audio-visuellen Medien und dem Kommunikationsmittel des Films. Denn als "Film" gelten alle gespeicherten Bildfolgen, die sich aus mehreren, in kurzer Zeitfolge ablaufenden Lichtbildern zusammensetzen9 • Unter diese Definition fallen sämtliche Fälle des "Kassettenfernsehens"; denn die kassettenmäßig aufbewahrten und vertriebenen audio-visuellen Träger verkörpern gerade Bildfolgen bzw. Bild- und Tonfolgen im vorbezeichneten Sinne10 • Ähnliches gilt für die Bildplatte. Auch sie stellt im Grunde nichts anderes als eine "Filmplatte" dar11 • "Kassette" und "Platte" sind mit anderen Worten technische Hilfsmittel im Dienste der aufgezeichneten Bildfolge. Der Begriff des Films knüpft freilich zunächst und gleichfalls an ein bestimmtes technisches Hilfsmittel an, nämlich an den "Film" als bestimmte lichtempfindliche Sc.lJ.icht. Mit der Einführung des Zelluloidbandes erfuhren Schicht und Schichtträger die gemeinsame Bezeichnung "Film" 12 • 7 Vgl. stattdessen näher M. Rehbinder, Rundfunkanstalten und Kassettenmarkt, 1972; Seeger, DÖV 72, 253 ff., Herrmann, UFITA 1975, 85 (100 ff.); ders., in: Zum Thema Kassettenfernsehen, 1971, S. 12 (13 ff.); Maunz, DVBl 74, lff.; vgl. auch BGH, UFITA 1975, 324 (328). 8 Vgl. hierzu unten V. 9 Vgl. Roeber- Jacoby, Handbuch der filmwirtschaftliehen Medienbereiche, 1973, S. 51 f.; Brugger, UFITA 1970, 6; ders., Film und Recht 1966, 91; 1971, 373; ders., Die neuen audio-visuellen Systeme, S. 14 ff., 29 ff. to Vgl. Brugger, UFITA 1970, 6; ders., Film und Recht 1966, 91; 1971, 373; ders., Die neuen audio-visuellen Systeme, S. 14 ff., 29 ff. u Vgl. Brugger, wie N.lO; vgl. als audio-visuelles Verfahren besonders deutlich hier das Verfahren des Battelle-Instituts: Träger der Bildplatte ist ein fotografischer Film, der mit Laserstrahlen abgetastet wird (vgl. näher bei Merke!- E. Scholz, Anmerkungen zum Rundfunkwesen III, S. 161). 12 Vgl. näher Roeber- Jacoby, Handbuch, S. 51.
3. Rechtliche Ordnungsansätze inderneueren Mediengesetzgebung
15
Von diesem technischen Begriff ausgehend wurde der Begriff "Film" oder "Filmwerk" später auch zum Funktionsbegriff für die filmmäßig aufgezeichnete, inhaltliche Bildfolge13• Für den "Kassettenfilm" und die "Bildplatte" ("Filmplatte") gilt demgemäß zwar keine technisch volle Identität mit dem technischen Kommunikationsmittel Film. Funktionell besteht jedoch zwischen beiden Medien eine hohe Affinität. Andererseits hätte das gleiche für das Fernsehen zu gelten, das sich gleichfalls der Technik des Films und der Filmprojektion bedient. Auch die Fernsehsendung erfolgt als Fixierung und Wiedergabe von Bildund Tonfolgen14. Dennoch lassen sich Fernsehen und Film nicht miteinander identifizieren. Zwischen Film und audio-visuellen Medien besteht dagegen funktionell wie auch rechtlich, wie im übrigen noch weiter zu verdeutlichen sein wird, ein ungleich engerer Zusammenhang als zwischen Fernsehen und Film. e) Die audio-visuellen Medien verfügen demgemäß über vielfältige Bezugspunkte und Verwandtschaften mit den gegebenen Mediensystemen von Rundfunk, Presse und Film. Andererseits reichen sie über diese hinaus, indem sie z. T. neue Kommunikationsmöglichkeiten eröffnen. Auch selbst bieten die audio-visuellen Medien im übrigen kein voll geschlossenes oder kommunikationstheoretisch voll autonomes Systembild; auch ihre eigenen Strukturen sind different und vielfach nicht ohne Technik- wie Funktionsbezug zu den bestehenden Mediensystemen zu sehen oder zu erklären. 3. Rechtliche Ordnungsansätze in der neueren Mediengesetzgebung
Die ersten gesetzgeberischen Ordnungsansätze zu den audio-visuellen Medien finden sich im Straf-, Presse- und Urheberrecht. Alle diese Gesetzgebungen sind thematisch jedoch, dem Regelungsziel der betreffenden Rechtsmaterie entsprechend, begrenzt. Eine allgemeinere oder thematisch geschlossene Regelung der audio-visuellen Medien steht bisher noch aus. a) Im Strafrecht sehen sich die audio-visuellen Medien - terminologisch als "Bildträger" umschrieben- erstmals durch das 4. Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 23. 11. 197315 in das StGB eingefügt. Diese Novelle zum StGB beruht auf einem Gesetzentwurf der SPD/FDP18 , 13 14
1s 16
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Roeber- Jacoby, Handbuch, S. 51. Brugger, Die neuen audio-visuellen Systeme, S. 15. BGBI I S. 1725. BT-Drucks. 7/80.
16
II. Audio-visuelle Medien und Mediensystem
der auf der Grundlage eines in der vorangegangenen Wahlperiode nicht mehr verabschiedeten Gesetzesentwurfs eingebracht wurde. Hierbei war zunächst lediglich für § 184 a StGB die Einfügung des Begriffs "Bildträger" vorgesehen. Im Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform17 erschienen dann aber auch eine Reihe anderer Vorschriften, in die ebenfalls das Wort "Bildträger" eingefügt wurde. Hierzu gehörten die Regelungen der §§ 41 StGB a. F., 80 ff., 166, 186, 187 und 200 StGB. Begründungsmäßig wurde hierzu lediglich ausgeführt: "Den ,Schriften' stehen Ton- und Bildträger, Abbildungen und Darstellungen gleich." Zu § 41 StGB a. F. wurde ausgeführt, es erscheine notwendig, § 41 entsprechend zu ergänzen. Hinsichtlich der Staatsschutzdelikte hieß es: "Es erscheine zweckmäßig, auch in den hier aufgeführten Vorschriften die Bildträger den Tonträgern gleichzustellen18." Durch Art. 17 Nr. 5 lit. b EGStGB wurde der Begriff "TonBildträger" in § 11 III StGB eingefügt. Zur Begründung führte Bundesregierung aus, daß der Entwurf unter Berücksichtigung neueren technischen Entwicklung den Begriff "Tonträger" durch Begriff "Ton- und Bildträger" ersetze19•
und die der den
Der Sonderausschuß für die Strafrechtsreform ging in seinem Bericht zu diesem Entwurf20 auf diese Veränderung im Rahmen des Art. 17 Nr. 5 EGStGB indessen überhaupt nicht ein. Lediglich in bezug auf Art.18 Nr. 2 EGStGB, der sich mit der Änderung des § 80 a StGB befaßt, wurde festgestellt, daß die Bildträger den Tonträgern durch das 4. Strafrechtsreformgesetz gleichgestellt worden seien21 • Aus der Entstehungsgeschichte der neuen strafrechtlichen Vorschriften ist demgemäß kaum näherer Aufschluß darüber zu entnehmen, welche Vorstellungen zu den audio-visuellen Medien den Gesetzgeber definitiv geleitet haben. Lediglich ergebnismäßig ist nunmehr festzuhalten, daß § 11 III StGB die "Bildträger" für die Zwecke des Strafrechts dahingehend definiert, daß diese - ebenso wie die Tonträger, Abbildungen und anderen Darstellungen- dem Begriff der "Schriften" kraftgesetzlicher Gleichstellung zugeordnet werden. Kompetenziell hat der Bundesgesetzgeber mit dieser Gesetzgebung von seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit aus Art. 74 Nr. 1 GG für das "Strafrecht" und nicht etwa von einer medienrechtlichen Kompetenz (Art. 75 Nr. 2 GG) Gebrauch gemacht: Die Bildträger 17
Vgl. BT-Drucks. 7/514.
ts Vgl. BT-Drucks. 7/514, S. 3.
19
2o 21
Vgl. BT-Drucks. 7/550, S. 211. Vgl. BT-Drucks. 7/1261. Vgl. BT-Drucks. 7/1261, S. 10.
3. Rechtliche Ordnungsansätze in der neueren Mediengesetzgebung
17
werden allein in ihren für den Rechtsgüterschutz des materiellen Strafrechts relevanten Wirkungsmöglichkeiten erfaßt. Das StGB ist in diesem Sinne auch gegenüber den audio-visuellen Medien nicht sonderrechtlich definierende, sondern "allgemein-rechtliche" Regelung22 ; das StGB regelt die audio-visuellen Medien nicht im thematischen Schwerpunkt bzw. nicht mit thematischer Unmittelbarkeit. Das StGB setzt die Existenz der audio-visuellen Medien vielmehr voraus, deren rechtliche Organisation und Definition also und prinzipiell eingeschlossen23 • b) Mit thematisch intensiverem Bezug sind die presserechtliehen Regelungen der audio-visuellen Medien ausgestattet: Einige landesrechtliche Presserechtsgesetzgebungen haben die "Bildträger" ausdrücklich erfaßt und definitorisch dem Pressewesen zugeordnet, obwohl als Anlaß dieser Gesetzgebungen nur die vorstehend geschilderten strafrechtlichen Änderungsgesetzgebungen vorgestellt wurden. In diesem Sinne wurde der Begriff der "Bildträger" in § 7 I BadWüLPG durch Art. 15 Nr. 2 des Gesetzes zur Anpassung des Landesrechts an das 2. Gesetz zur Reform des Strafrechts und das EGStGB vom 14. 11. 1974 eingefügt24 • In § 7 I BremLPG wurde der Begriff "Bildträger" durch Art. 69 Nr. 2 des Gesetzes zur Anpassung des Landesrechts an das EGStGB und andere bundesrechtliche Vorschriften vom 18. 12. 1974 eingefügt25 • In § 7 I NrwLPG wurde der Begriff "Bildträger" durch Art. XXI Nr. 2 des 2. Gesetzes zur Anpassung landesrechtlicher Straf- und Bußgeldvorschriften an das Bundesrecht vom 3. 12. 1974 eingefügt26 • In § 7 I SaarLPG wurde der Begriff "Bildträger" durch Art. 27 Nr. 2 des Gesetzes Nr. 1012 (Zweites Gesetz zur Änderung und Bereinigung von Straf- und Bußgeldvorschriften des Saarlandes) vom 13. 11. 1974 eingefügt27 • § 7 I LPG lautet in Baden-Württemberg, Bremen und NordrheinWestfalen nunmehr einheitlich wie folgt: "Druckwerke im Sinne des Gesetzes sind alle mittels der Buchdruckerpresse oder eines sonstigen zur Massenherstellung geeigneten Vervielfältigungsverfahrens hergestellten und zur Verbreitung bestimmten Schriften, besprochenen Tonträger, bildliehen Darstellungen mit 22 Zum Begriff der "allgemein-rechtlichen" Regelung in diesem Sinne vgl. bereits R. Scholz, Das Wesen und die Entwicklung der gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen, 1967, S. 140 ff.; ders., ZHR 132, 97 (122 ff.); Pestalozza, DÖV 72, 181 (182 ff.); Püttner, NJW 75, 813 (814 f.). 23 Vgl. dazu weiter noch unten VIII 1, 2. 24 Vgl. BadWüGBl S. 508. 2s Vgl. BremGBl S. 351. 26 Vgl. NRWGVBl S. 1504. 21 Vgl. SaarAmtsBl. S. 1011.
2 Schol2
18
II. Audio-visuelle Medien und Mediensystem und ohne Schrift, Bildträger und Musikalien mit Text oder Erläuterungen."
Im Saarland lautet § 7 I LPG jetzt: "Druckwerke . . . sind alle besprochenen Tonträger . .. "
bestimmten Schriften, Bildträger,
Mit diesen Gesetzgebungen werden die audio-visuellen Medien ausdrücklich der Presse zugeordnet. In dem der Öffentlichkeit zugänglich gewordenen28 Vor- oder Referentenentwurf eines Presserechtsrahmengesetzes (Stand vom 25. 7.1974) findet sich dagegen keine derartige Zuordnung. § 2 I dieses Gesetzesentwurfs nennt als "Druckwerke", im Einklang mit der bisherigen Presserechtsgesetzgebung, nur die "besprochenen Tonträger", nicht aber auch die Bildträger. Die entgegengesetzten Landespresserechtsgesetzgebungen werfen damit die Frage auf, ob die von ihnen vorgenommene Zuordnung der Bildträger zur Presse sach- und kompetenzgerecht ist. Jedenfalls haben diese Presserechtsgesetzgebungen zur partiellen Sprengung der Rechtseinheit auf dem Gebiet des Presserechts geführt. Ob diese Gesetzgebungen inhaltlich einwandfrei sind, beurteilt sich nach der thematischen Reichweite der (landesrechtlichen) Presserechtsgesetzgebungskompetenz29. Inhaltlich stimmen die genannten Presserechtsgesetzgebungen mit der Regelung des § 11 III StGB überein, indem sie die audio-visuellen Medien, wie diese, den Druckschriften zuordnen. Diese Qualifikation hat definitorischen Rechtsgehalt, ohne die audio-visuellen Medien als wirklich selbständigen Schwerpunkt zu regeln. Denn auch die presserechtliche Regelung der audio-visuellen Medien hat zunächst mehr akzessorischen Charakter: Akzessorietät in der legislatorischen Abgrenzung des Begriffs "Presse" gegenüber dem neuen Kommunikationsmittel Bildträger bzw. entsprechend abgrenzende Klarstellung, daß der Begriff "Presse", ebenso wie die Tonträger, auch die Bildträger mit zu umfassen vermag. Dieser zunächst nur akzessorisch zu begreifende Regelungszweck der genannten Presserechtsgesetzgebung ergibt sich auch aus ihrem entstehungsgeschichtlichen Grund, der Anpassung des Landesrechts an die bundesrechtliche Reform des Strafrechts. Das Landespresserecht hat zwar nicht die Funktion entsprechend erforderlicher oder gar von Bundes wegen aufgegebener Ausführungsgesetze zum (Bundes-)Strafrecht. Der sinnmäßige Zusammenhang mit der bundesrechtlichen Regelung der Bildträger im StGB ist jedoch evident: Nachdem der Bundesgesetz2s Vgl. abgedruckt z. B. in RdA 74, 303 ff. 29 Vgl. dazu näher noch unten VIII.
3. Rechtliche Ordnungsansätze in der neueren Mediengesetzgebung
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geber die Bildträger für den Regelungsbereich des Strafrechts den Druckschriften gleichgestellt hat, folgten die Länder (teilweise) dieser Gleichstellung für den Regelungsbereich ihres Landespresserechts. Ob diese presserechtliche Qualifikation oder Zuordnung der Bildträger über deren akzessorischen Charakter hinaus auch thematisch eigenständige (schwerpunktmäßige) Bedeutung erlangen kann, ist damit noc..~ offen. Dies wäre möglich, sofern über den konkreten Gesetzeszweck hinaus eine Zuordnung der Bildträger zur Presse auch kommunikationsrechtlich geboten oder zulässig wäre. Eine solche Feststellung setzte jedoch den Nachweis voraus, daß die genannten Rege· lungen des Landespresserechts inhaltlich auch den Anspruch der thematisch eigenständigen Regelung bzw. den Anspruch der thematisch eigenständigen Einordnung der audio-visuellen Medien (Zuordnung zur Presse) erfüllten. Ob ihnen dies gelingt, beurteilt sich wiederum nach der Abgrenzung von Presse und audio-visuellen Medien insgesamt30 • c) Das Urheberrechtsgesetz (UrhG) i. d. F. vom 10. 11. 197231 regelt die audio-visuellen Medien bzw. "Bildträger" ebenso begrifflich wie funktionell (als Form der Verwertung von Urheberrechten). Nach § 16 II UrhG gilt als Vervielfältigung "auch die Übertragung des (geschützten) Werkes auf Vorrichtungen zur wiederholbaren Wiedergabe von Bild- oder Tonfolgen (Bild- oder Tonträger), gleichviel, ob es sich um die Aufnahme einer Wiedergabe des Werkes auf einen Bildoder Tonträger oder um die Übertragung des Werkes von einem Bildoder Tonträger auf einen anderen handelt". In den Regelungen der §§ 15, 21, 47, 56, 95 UrhG wird diese Definition der Bildträger zugrunde gelegt und anwendungsmäßig fortgeführt. Mit dieser Definition setzt sich das UrhG einmal in einen Gegensatz zu den genannten Regelungen des StGB und des Landespresserechts und zum anderen auch in einen Gegensatz zum früheren LUG32 und zum geltenden VerlagsG33• Nach dem LUG und dem VerlagsG beschränkten sich die definitorischen Regelungen der Tonträger nämlich auf "Vorrichtungen für Instrumente, die der mechanischen Wiedergabe für das Gehör dienen" (LUG) bzw. auf den "Zweck der mechanischen Wiedergabe für das Gehör" (VerlagsG). Das UrhG stellt statt dessen jetzt- für Ton- und Bildträger - auf "die Eigenschaft der Vorrichtung" ab, "Bild- oder Tonfolgen wiederholt wiedergeben zu können, gleichviel, ob dies mit 30 31
32 33
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
dazu unten VII. 3, 4. BGBl I S. 2081. hier §§ 2 li, 12 li Nr. 5. hier § 2 li Nr. 4.
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li. Audio-visuelle Medien und Mediensystem
Mitteln der Mechanik im engeren Sinne oder mit Hilfe etwa elektromagnetischer Vorgänge geschieht"34 • Mit dieser Definition der Bild- und Tonträger ist indessen gegenüber der vorhergehenden Regelung (für die Tonträger) keine inhaltlich wirklich relevante Umdefinition vorgenommen worden. Es handelt sich vielmehr um eine der technischen Entwicklung angemessene und um eine der gesetzesimmanenten Abgrenzung von Vorführungsrecht (§ 19 IV UrhG) und Wiedergaberecht (§ 21 UrhG) gerechtere Umschreibung. Bild- und Tonträger gelten dem UrhG als Instrumente der Vervielfältigung, wobei es nicht darauf ankommt, ob eine oder mehrere Festlegung(en) hergestellt wird (werden), sofern diese nur geeignet ist (sind), das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise wiederholt unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen35 . Der Bildträger gilt dem UrhG als wesentlich filmtechnische Einrichtung, deren rechtliche Nutzung sich von der des Films allerdings unterscheidet. Den Film selbst definiert das UrhG zwar nicht unmittelbar; es definiert ihn aber mittelbar als "Bildfolge" oder als "Bild- und Tonfolge". Dies ergibt sich aus der Differenzierung von "Filmwerken einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden" (§ 2 I Nr. 6 UrhG), sowie "Bildfolgen und Bild- und Tonfolgen, die nicht als Filmwerke geschützt sind" (§ 95 UrhG) 36. Demgemäß ist die Verfilmung eines Werkes stets ebenso (vervielfältigende) Übertragung wie dessen Übertragung auf Bild- und Tonträger37. Das UrhG differenziert zwar in § 19 IV und § 21 zwischen dem Vorführungsrecht von Filmwerken und dem Recht zur Wiedergabe durch Bild- und Tonträger. Abgesehen davon jedoch, daß diese Unterscheidung in sich wenig einleuchtend ist und interpretatorische Schwierigkeiten aufgeben dürfte38, ergibt sich über §§ 95, 88 I Nr. 3 UrhG immerhin und letztlich kein praktischer Unterschied39 • Für das Verhältnis von Film und Bildträger folgt daraus erneut die Feststellung hoher Affinität, die der früher getroffenen Feststellung 34 Begründung zum Entwurf des UrhG, Anm. zu § 16, in: Dokumentation zur deutschen Urheberrechtsform, S. 262. 35 Vgl. Fromm- Nordemann, Urheberrecht, 3. Aufl. 1973, § 16 Anm. 1; BGHZ 17, 266 (270). 36 Vgl. Roeber, Film und Recht 1973, 311 (312); vgl. auch Samson, Urheberrecht, 1973, S. 207; Fromm- Nordemann, Urheberrecht, Anm. 1 vor § 88. 37 Vgl. Hubmann, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl. 1974, S. 134. 38 Vgl. näher Fromm- Nordemann, Urheberrecht, § 21 Anm. 2. so Vgl. Fromm- Nordemann.
3. Rechtliche Ordnungsansätze in der neueren Mediengesetzgebung
faktisch weitgehender Identität (Film entspricht.
Kassettenfilm -
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Bildplatte)
Wo das UrhG zwischen beiden differenziert, geschieht dies allein aus Gründen der gegebenenfalls unterschiedlichen Verwertungsformen von Urheberrechten (z. B. Filmaufnahme - Filmvorführung - Zweitverwertung mittels Bildträgers gemäß § 21 UrhG). Das Urheberrecht versteht unter "Film" als Oberbegriff nicht das technische Material (Filmstreifen etc.), sondern die Bild- und Tonfolge; als Filmwerk versteht das Urheberrecht die Wiedergabe der Bild- und Tonfolge, wobei das technische Wiedergabeverfahren nur sekundäre Bedeutung besitzt4°. Das Filmmaterial (Filmstreifen) stellt m. a. W. im Verhältnis zum Film gleichfalls einen Bild- und Tonträger dar41 • Film wie audio-visuelle Medien (Kassettenfilme, Bildplatte) sind kommunikationsmäßig an das (Verwertungs-)Verfahren der "Vorführung" gebunden42 • Begreift man den Film und das Filmwesen als Oberbegriff, so sind die audio-visuellen Medien folgerichtig als Sonderform filmischer Konmunikation und filmischen Medienwesens zu erkennen. Mit dieser Qualifikation der audio-visuellen Medien weicht das Urheberrecht von den geschilderten Regelungen des Presserechts insofern ab, als diese die Bildträger den Druckschriften zuweisen. Dieser Gegensatz hat indessen nur relative Bedeutung; und dieser Gegensatz ist im übrigen auch nicht neu. Denn das Urheberrecht regelt seit jeher auch andere Kommunikationsverfahren und Kommunikationsmittel, die das Presserecht dem eigenen Bereich zuweist (Tonträger!). Hierin liegt deshalb kein rechtlicher Widerspruch, weil das Regelungsanliegen und damit auch die Blickrichtung beider Rechtskreise verschieden sind. Das Presserecht befaßt sich mit dem verkörperten Kommunikationsmittel Druckschrift; das Presserecht geht insoweit von einem bestimmten "Kommunikationszustand" aus. Das Urheberrecht befaßt sich dagegen - seinem Ziel, dem Schutz von Urheberrechten, gemäß - mit kommunikativen Äußerungen und Verwertungsvorgängen; sein Blick gilt m. a. W. mehr dem "Kommunikationsverfahren"und dies allein so weit, wie dies zum Schutze und zur Ordnung von urheberischen Rechtspositionen erforderlich ist. Dieser Ordnungszweck setzt jedoch in vielen Fällen voraus, den tatsächlichen Verwertungsvorgang auch rechtlich auf das genaueste bzw. hergangsmäßig zu verfolgen. Aus diesem Grunde ist das Urheberrecht auch gezwungen, die 40 41 42
Vgl. z. B. Samson, S. 207 f. Vgl. Fromm- Nordemann, Anm. 1 vor § 88. Vgl. Roeber- Jacoby, Handbuch, S. 50.
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III. Audio-visuelle Medien - Mediensystem eigener Art?
typisch filmischen Verfahren und Techniken der audio-visuellen Medien als solche aufzugreifen und definitorisch festzuhalten. Ob das konkrete audio-visuelle Produkt, Kommunikationsmittel oder Kommunikationsverfahren darüber hinaus den Tatbestand des "Kommunikationszustandes" Druckschrift oder Presse erfüllt, interessiert das Urheberrecht nicht. Dies müßte das Urheberrecht nur dann interessieren, wenn seine (filmrechtliche) Qualifikation des Kommunikationsverfahrens Audio-Vision in deren presserechtliche Qualifikation einoder übergriffe. Dies wäre wiederum nur dann der Fall, wenn der Begriff "Presse" auch rechtlich auf bestimmte bzw. nicht-filmische Kommunikationstechniken festgelegt wäre. Dies ist jedoch, wie bei der Betrachtung des Begriffs "Presse" noch deutlicher werden wird43 , nicht bzw. keinesfalls mit entsprechender Ausschließlichkeit der Fall. Demgemäß stellen sich auch noch keine kompetenzrechtlichen Probleme44. Die Kompetenz des Bundes zum Erlaß des UrhG folgt aus Art. 73 Nr. 9 GG; und im Rahmen dieser Kompetenz durfte der Bundesgesetzgeber jedenfalls auch das Verfahren der Audio-Vision regeln, soweit sie Mittel zur Verwertung von Urheberrechten ist und deshalb auch der urheberrechtliehen Sachregelung bedurfte. Die filmrechtliche Qualifikation der audio-visuellen Medien sieht sich damit gleichzeitig eingeschränkt: Wenn andere, gegebenenfalls vorrangige Gesetzgebungskompetenzen (Presserecht!) eine andere Qualifikation gestatten oder gar geböten, so wäre diese gegebenenfalls vorrangig hinsichtlich der aLlgemeinen rechtlichen Einordnung der audio-visuellen Medien. Für die speziellen Belange des UrhG bleibt es jedoch bei dessen (filmrechtlicher) Qualifikation; denn diese ist ebenso empirisch wie kompetenziell (Art. 73 Nr. 9 GG) gesichert.
111. Audio-visuelle Medien- Mediensystem eigener Art? a) Der empirische Befund weist die audio-visuellen Medien als weitgehend filmisches Phänomen aus. Daneben bestehen aber auch intensive Bezüge zum Presse- und partielle Bezüge zum Rundfunkwesen. Die filmische Orientierung der audio-visuellen Medien findet ihren qualifikationsrechtlichen Niederschlag im Urheberrecht. Daneben verfügen aber auch die pressemäßigen Bezüge der audio-visuellen Medien in einigen landesrechtliehen Pressegesetzgebungen sowie im StGB über qualifikationsrechtliche Bestätigungen. Lediglich die rundfunk'mäßigen Bezüge der audio-visuellen Medien sehen sich gesetzlich bisher noch nicht verfestigt oder weiter ausgeführt. Eine weitere 43 Vgl. unten VII. 44 Vgl. dazu näher noch unten VIII.
III. Audio-visuelle Medien- Mediensystem eigener Art?
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Qualifikationsalternative könnte schließlich zu dem Ergebnis gelangen, daß die audio-visuellen Medien ein Medium absolut neuer und damit auch rechtlich eigener Art darstellten. Dies ist gelegentlich, wie z. B. für die audio-visuelle Bildschirmzeitung, angenommen worden45 • Angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Bezüge der audiovisuellen Medien zu den bestehenden Mediensystemen ist eine solche Qualifikation jedoch auszuschließen46 • Die audio-visuellen Medien erweitern zwar viele der bestehenden Formen medialer Nutzung und Verbreitung; sie verfügen über mannigfaltige Bezüge zu allen bestehenden (bisherigen) Mediensystemen; sie bilden damit aber kein selbständiges bzw. wirklich neuartiges Mediensystem eigener Art. b) Die audio-visuellen Medien funktionieren tatsächlich bzw. allenfalls als intermediales Phänomen. Diese Feststellung enthebt jedoch nicht der Pflicht, rechtlich zu differenzieren. Falls die audio-visuellen Medien nicht schwerpunktmäßig einem der bestehenden Mediensysteme zufallen sollten, bedürfte es der entsprechend differenzierenden (Rechts-)Qualifikation. Ob in diesem Sinne zugunsten einer differenzierenden Qualifikation oder ob umgekehrt im Sinne einer Schwerpunktqualifikation zu verfahren ist, läßt sich nicht anhand der bisherigen Gesetzgebungen beantworten. Denn deren Regelungsrahmen und deren kompetenzielle Legitimation sind hierfür zu eng: Fielen die audio-visuellen Medien schwerpunktmäßig dem Mediensystem Film zu, so könnte der Bund diese Qualifikation nicht im Rahmen einer Gesetzgebung nach Art. 73 Nr. 9 GG ("Urheberrecht" etc.) vornehmen. Denn thematisch wäre insoweit der Kompetenzschwerpunkt "Allgemeine Rechtsverhältnisse des Films" angesprochen, für den der Bundesgesetzgeber gemäß Art. 75 Nr. 2 GG nur die Rahmengesetzgebungskompetenz besitzt. Außerhalb dieser Kompetenz darf der Bund nur Einzelfragen des Filmrechts im Rahmen anderer Kompetenzschwerpunkte als deren Akzessorium regeln47 • Als Akzessorium in diesem Sinne besteht die Regelung der audiovisuellen Medien im UrhG. Als Akzessorium in diesem Sinne besteht auch die Regelung der audio-visuellen Medien im StGB gemäß Art. 74 45 Vgl. hier Ehmke, Media-Perspektiven 1973, 433 (442); ders., Die Zeit 1974/Nr. 13 vom 22. 3. 1974, S. 61. 46 Vgl. konkret zur Bildschirmzeitung auch noch unten VII 3 c. 47 Vgl. BVerfGE 33, 52 (63 f.): Verfassungsmäßigkeit des Verbringungsgesetzes gemäß Art. 73 Nr. 5 GG; BVerwGE 45, 1 (2 ff.): Verfassungsmäßigkeit des Filmförderungsgesetzes; vgl. näher im Zusammenhang schließlich unten sub VIII.
24
III. Audio-visuelle Medien- Mediensystem eigener Art?
Nr. 1 GG. Eine allgemeingültige Qualifikation tragen diese Gesetzgebungen demgemäß nicht. Eine presserechtliche Qualifikation der audio-visuellen Medien könnte der Bundesgesetzgeber gleichfalls nur innerhalb seiner Rahmengesetzgebungskompetenz gemäß Art. 75 Nr. 2 GG vornehmen. Die Länder wären hierzu kraft ihrer presserechtliehen Vollgesetzgebungskompetenz48 befähigt. Insoweit bedarf es jedoch der Klärung, ob jene Landespressegesetze, die die audio-visuellen Medien der Presse zuweisen, den kompetenzrechtlich vorgegebenen Begriff der "Presse" richtig interpretiert oder konkretisiert haben. Die Entscheidung über die rechtliche Zuordnung der audio-visuellen Medien obliegt damit nicht dem einfachen Gesetzesrecht mit seinen partiellen und teilweise widersprüchlichen Regelungen, sondern dem Verfassungsrecht. Nur die verfassungsrechtlichen Regelungen über die Kommunikationsmedien und deren kompetenzielle Zuordnung entscheiden auch über die positive Einordnung der audio-visuellen Medien. Aus den einfach-gesetzlichen Regelungen der audio-visuellen Medien folgt lediglich negativ, daß die audio-visuellen Medien jedenfalls nicht als eigenständiges Mediensystem zu erkennen sind. Insoweit sind der empirische Befund und seine einfach-gesetzlichen Bewertungen eindeutig und derzeit nicht widerlegbar.
48
Zu dieser vgl. nur BVerfGE 36, 193 (201 f.); vgl. weiterhin unten sub VIII.
B. IV. Verfassungsrechtliche Grundpositionen 1. Kompetenzrechtliche Positionen
Die Gesetzgebungskompetenzen auf dem Gebiet der Mediensysteme liegen schwergewichtig bei den Ländern. a) Im Rundfunkrecht verfügen die Länder materiell über die uneingeschränkte (kulturrechtliche) Gesetzgebungskompetenz. Der Bund ist lediglich im Bereich der sendetechnischen Kompetenzen des Fernmelderechts (Art. 73 Nr. 7 GG) gesetzgebungskompetent1• b) Im Presserecht verfügen die Länder gemäß Art. 70 I GG über die Vollgesetzgebungskompetenz2 • Dem Bundesgesetzgeber steht lediglich die Rahmengesetzgebungskompetenz gemäß Art. 75 Nr. 2 GG für "die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse" zu. Diese Rahmengesetzgebungskompetenz erlaubt zwar in Einzelfragen auch die Vollregelung zu einer Gesetzgebungsmaterie, sofern diese "im Zusammenhang eines Gesetzeswerks steht, das - als ganzes gesehen - dem Landesgesetzgeber noch Spielraum läßt und darauf angelegt ist, von ihm aufgrund eigener Entschließung ausgefüllt zu werden" 3 • Da die Definition oder rechtliche Qualifikation bestimmter Tatbestände bezüglich einer Regelungsmaterie in diesem Sinne eine legitime Vollregelung ist\ könnte auch der Bund- unter den vorstehenden Voraussetzungen- das Verhältnis von Presse und audio-visuellen Medien innerhalb seines (noch nicht erlassenen) Presserechtsrahmengesetzes (definitorisch) regeln. Bund und Länder wären insoweit in 1 Vgl. grundlegend BVerfGE 12, 205 (225 ff.); 31, 314 (329); Stern, in: Rundfunkrecht und Rundfunkpolitik, 1969, S. 26 (27 ff.); Ossenbühl, Rundfunkfreiheit und die Finanzautonomie des Deutschlandfunks, 1969, S. 3 ff.; Lerche, Fernsehabgabe und Bundeskompetenz, 1974, S. 32 ff.; Rudolf, Über die Zu-" lässigkeit privaten Rundfunks, 1971, S. 32 ff.; zu rundfunkrechtlichen Randkompetenzen des Bundes, die urheberrechtliche Kompetenz aus Art. 73 Nr. 9 eingeschlossen, vgl. BVerfGE 12, 240 ff. 2 Vgl. BVerfGE 36, 201; R. Groß, DVBl 66, 66; H. Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen einer gesetzlichen Regelung des Pressewesens, 1971, S. 41. 3 BVerfGE 36, 202; vgl. auch BVerfGE 7, 29 (41 f.). 4 Vgl. näher noch unten VIII 2.
26
IV. Verfassungsrechtliche Grundpositionen
vergleichbarer Weise kompetent, wobei nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts5 jedoch keine "Doppelzuständigkeit" von Bund und Ländern anzuerkennen wäre6 • c) Für das Filmrecht gilt das gleiche wie für das Presserecht. Die Länder sind grundsätzlich Inhaber der Vollgesetzgebungskompetenz, während der Bund Träger der Rahmengesetzgebungskompetenz aus Art. 75 Nr. 2 GG ist. Entsprechend der Kompetenzrechtslage im Presserecht wäre der Bundesgesetzgeber aber auch hier befugt, für eine (gegebenenfalls filmrechtliche) Qualifikation der audio-visuellen Medien die Vollregelung zu treffen. 2. Materiell-rechtliche Positionen
Die kompetenzrechtlichen Bestimmungen der Art. 70, 75 Nr. 2 GG definieren die Regelungsmaterien von Rundfunk, Presse und Film nicht selbst. Ihr Regelungsrahmen ist daher aus dem materiellen Verfassungsrecht zu bestimmen. Maßgebende Norm ist insoweit die Grundrechtsgarantie von Rundfunk-, Presse- und Filmfreiheit in Art. 5 I GG 7 • a) Für die Rundfunkfreiheit ist dies bisher nicht bestritten worden. Das Bundesverfassungsgericht geht in seiner zentralen Entscheidung zur rundfunkrechtlichen Kompetenzordnung, dem Fernseh-Urteil8 , eindeutig davon aus, daß der Rundfunkbegriff des Art. 5 I GG auch kompetenziell maßgebend sei, ohne daß deshalb Art. 5 I GG selbst Kompetenzrechtsnorm wäre9 • Daß Art. 5 I GG aber für den verfassungsrechtlichen und auch für den kompetenzrechtlichen Rundfunkbegriff maßgebend ist, hat das Bundesverfassungsgericht zweifelsfrei ausgesprochen. Dies offenbart sich namentlich an seinen Abgrenzungen zum sendetechnischen Kompetenzbereich aus Art. 73 Nr. 7 GG1o. b) Entstehungsgeschichtlich finden sich zu Art. 75 Nr. 2 GG keine Aussagen, die auf ein eigenständiges Begriffsverständnis dieser Kompetenznorm hinwiesen11 • Vgl. BVerfGE 36, 202 f. Vgl. andererseits jedoch Pestalozza, DÖV 72, 187 ff.; Lerche, JZ 72, 468 (471 ff.). 7 Zu den Grenzen solchen indirekten Grundrechtsschutzes im Bund-Länder-Verhältnis vgl. aber auch Bethge, Staat 71, 481 (489 ff.). s BVerfGE 12, 205 ff. 9 Vgl. BVerfGE 12, 249. to Vgl. BVerfGE 12, 225 ff., 243 ff., 249; vgl. im Ergebnis auch Pestalozza, DÖV 72, 181, 185 N. 57; Fröhler, Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für ein Verbot des Werbefernsehens durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, 1965, S. 4 ff. 11 Vgl. näher die Nachw. in JöR n. F. 1, 557 ff. 5
&
3. Interpretative Strukturen
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Offenkundig ist lediglich der sinngemäße Bezug zur Regelung des Art. 7 WRV, die dem Reich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Pressewesen (Ziff. 6) und für das Theater- sowie Lichtspielwesen (Ziff. 20) zuwies. Dieser Bezug steht im weiteren Kontext mit der Regelung des Art. 4 Nr. 16 Reichsverfassung von 1871, aus der das ReichsPreßG vom 7. 5. 187412 erwuchs. Das Begriffsverständnis des ReichsPreßG ist damit wiederum und mittelbar zur inhaltlichen Richtschnur auch des Art. 75 Nr. 2 GG geworden13 ; maßgebend dirigiert bzw. verfassungsgesetzlich umgesetzt allerdings über Art. 5 I GG: Soweit Art. 5 I GG diesen historisch vorgegebenen Pressebegriff rezipiert hat, bestimmt dieser auch den Inhalt des Art. 75 Nr. 2 GG. Insgesamt ist also von der inneren Einheit des Pressebegriffs in Art. 5 I GG und in Art. 75 Nr. 2 GG auszugehen14 • c) Das gleiche wie im Falle des Begriffs der "Presse" gilt für den Begriff des "Films" in Art. 5 I GG und Art. 75 Nr. 2 GG. Auch hier gelten das begriffliche Verständnis der materiell-rechtlichen Norm des Art. 5 I GG und ihrer kulturrechtlichen Orientierung des Filmbegriffs für den kompetenzrechtlichen Filmbegriff in Art. 75 Nr. 2 GG als richtunggebend15. d) Die verfassungs- und kompetenzrechtliche Einordnung der audiovisuellen Medien beurteilt sich damit zunächst und maßgebend nach den materiell-rechtlichen Grundsätzen des Art. 5 I GG und seiner Garantien für die freiheitliche Kommunikationsverfassung. Mit dieser Feststellung sieht sich zugleich der weitere Untersuchungsgang vorgezeichnet: Vor Beantwortung der kompetenzrechtlichen Einordnungsfrage sind Position, Stellenwert und Funktion der audio-visuellen Medien im kommunikationsrechtlichen Ordnungssystem des Art. 5 I GG zu bestimmen. 3. Interpretative Strukturen der grundgesetzliehen Kommunikationsverfassung
a) Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit stehen nach Art. 5 I GG im Kontext mit der Meinungs- und der Informationsfreiheit16 • 12
RGBl I S. 65.
1s Vgl. R. Groß, Grundzüge des deutschen Presserechts, 1969, S. 18.
14 Vgl. z. B. Lerche, AfP 72, 242 f.; Maunz- Dürig- Herzog, GG, Art. 75 Rdnr. 29; Weides, Bundeskompetenz und Filmförderung, 1971, 8.17 f.; Pestalozza, DÖV 72, 185 N. 57; BadWüVGH, DVBl 75, 261 (262 f.); vgl. offenkundig auch BVerfGE 7, 39; 36, 202 ff. 15 Vgl. Maunz- Dürig- Herzog, GG, Art. 75 Rdnr. 29; Weides, Bundeskompetenz, S. 17 f.; Füchsl, Die Rahmenkompetenz des Bundes für die allgemeinen Rechtsverhältnisse des Films, Diss. jur. 1968, S. 38 f. 16 Vgl. auch BVerfGE 12, 205 (228) und bes. deutlich für diesen unstreitigen - Tatbestand etwa Ossenbühl, Rundfunkfreiheit und die Finanz-
28
IV. Verfassungsrechtliche Grundpositionen
Freie Meinungsbildung und freie Meinungsäußerung bilden die zentralen Schutzgüter und grundrechtsgestaltenden Funktionen des Art. 5 I GG. Art. 5 I GG garantiert die freiheitliche Meinungskommunikation und konstituiert damit das Zentrum der grundrechtliehen Kommunikationsverfassung17 • Meinungs-, Informations-, Presse- und Rundfunkfreiheit sind von "schlechthin konstituierender" Bedeutung für die freiheitlich-demokratische Ordnung18• Die Freiheiten des Art. 5 I GG erstrecken sich auf sämtliche Bereiche intraindividueller und gesellschaftlicher - "privater" wie "öffentlicher"- Kommunikation19• Kommunikation begreift sich in diesem Sinne als Prozeß offener und öffentlicher Auseinandersetzung bzw. als insgesamt offenes und dauerndes Verfahren20 • Dementsprechend sind die Gewährleistungen des Art. 5 I GG funk-· tionell offen und funktionsplural angelegt21 • Hieraus folgt wiederum, daß die Kommunikationsrechte des Art. 5 I GG vorrangig funktional zu interpretieren sind22 • Das bedeutet, daß der aktual verbindliche Gewährleistungsgehalt (auch) des Art. 5 I GG maßgebend aus der funktionalen Analyse von Normzweck und realer Normwirkung (aktuale Normfunktion kraft realer Grundrechtsausübung) und deren typologischer Verdichtung zu autonomie des Deutschlandfunks, 1969, S. 12, der die Rundfunkprogrammfreiheit treffend als "Komplementärgarantie der Bürger-Meinungsfreiheit" bezeichnet. 17 Vgl. näher bereits R. Scholz, Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 291 ff. ts Vgl. z. B. BVerfGE 7, 198 (208); 10, 118 (121); 12, 113 (125); P. Schneider, Pressefreiheit und Staatssicherheit, 1968, S. 23 ff., 43 ff.; Arndt, in: Löffler, Die öffentliche Meinung, 1962, S. 1 (3 ff.); H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 437 ff. 19 Vgl. z. B. BVerfG, DVBl 69, 497; Scheuner, VVDStRL 22, 1 (68 f.); P. Schneider, Pressefreiheit, S. 23 ff.; Lerche, Werbung und Verfassung, 1967, S. 77 ff., 82 f.; Czajka, Pressefreiheit und "öffentliche Aufgabe" der Presse, 1968, 8.142 ff.; R. Scholz, Die Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 212 f. 2o Vgl. R. Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 295 ff.; P. Schneider, Pressefreiheit, S. 77 ff. 21 Vgl. R. Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 213; Lerche, Werbung, S. 76 ff.; ders., Rechtsprobleme des Werbefernsehens, 1965, S. 11 ff. 22 Vgl. bes. Luhmann, Grundrechte als Institution, 1965, S. 54 ff.; Scheuner, VVDStRL 22, 17 ff., 27 ff., 33 ff., 60 ff.; Czajka, Pressefreiheit, S. 154; Lerche, Werbung, S. 76 ff.; Scholler, Person und Öffentlichkeit, 1967, S. 349 ff.; Wobland, Informationsfreiheit und politische Filmkontrolle, 1968, S. 29 ff.; R. Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 102 f.; vgl. auch BVerfGE 12, 225; 24, 278 (285 f.).
3. Interpretative Strukturen
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erfahren ist (aktual-typische Normfunktion als Dimension grundrecht-
licher Schutzgewährleistung)23.
b) Diese interpretativen Strukturen der Grundrechtsgarantie des Art. 5 I GG verbinden die Gewährleistungen der Meinungs-, Informations-, Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit zunächst zu einer in Schutzzweck und Schutzwirkung prinzipiell einheitlichen ("kommunikationsrechtlichen") Gewährleistung. Diese schützt die Freiheit indivi-
dualer Meinungsbildung, die Freiheiten kommunikativer Meinungsbildungsp?·ozesse und die Freiheiten medialer KommunikationsveTmittlung.
Inhaltlich sind diese Freiheiten, wie gezeigt, wesentlich funktionsbestimmt und entwicklungsmäßig - der hohen Komplexität gerade kommunikativer Prozesse entsprechend weitgehend offen. Aus diesem Grunde sind auch die Garantien der medialen Kommunikationsvermittlung grundsätzlich geeignet, auch die (technische) Medienneuerung aufzunehmen. Dies zumindest insoweit, wie die konkrete Neuerung oder Entwicklung funktional in den normativen Gewährleistungs- und Zweckbereich des Art. 5 I GG und seiner spezifisch kommunikationsrechtlichen Einzelgarantien fällt. Das gleiche kann für Entwicklungen gelten, die die soziale Kommunikationsrelevanz einzelner (interdependenter) Medien zugunsten oder zu Lasten anderer Medien verändern24. Soweit funktional äquivalente Kommunikationsverfahren bereitstehen, können auch derartige inter- oder auch intramedialen Veränderungen verfassungsrechtlich statthaft sein bzw. unter den Gewährleistungstatbestand des Art. 5 I GG fallen2 5 • Bei der normativen Öffnung und Anpassung der funktionellen Garantien des Art. 5 GG an neuere oder veränderte Entwicklungen in der sozialen oder technischen Kommunikationsrealität fällt dem (unterverfassungsrechtlichen) Gesetzgeber die zentrale Rolle zu. Seine prinzipielle Kompetenz zur "grundrechtsprägenden", "grundrechtsgestaltenden" oder "grundrechtsausführenden" Gesetzgebung26 beruft ihn 23 Vgl. näher R. Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 96 ff. m. w. Nachw. zur entsprechend funktionalen Grundrechtsinterpretation. 24 Zu solchen Überschneidungen und Interdependenzen vgl. zuletzt etwa den Bericht der Bundesregierung über die Lage von Presse und Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland 1974, BT-Drucks. 7/2104, S. 72 ff.; vgl. weiterhin bes. den Bericht der sog. Michel-Kommission zur Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fernsehen und Film, BTDrucks. V/2120, S. 135 ff. 25 Vgl. dazu auch etwa Kaiser, Presseplanung, 1972, S. 27. 26 Grundlegend zu diesem, heute kaum noch in Frage stehenden Befund vgl. vor allem Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961, S. 98 f., 106 ff., 117 ff., 125 ff.
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V. Audio-visuelle Medien und Rundfunk
auch im Bereich des Art. 5 I GG zur aktiven Gestaltung, womit natürlich nicht gesagt sein will, daß die Grundrechtsgarantien des Art. 5 I GG inhaltlich zur Disposition des einfachen Gesetzgebers stünden. Ein solcher Schluß verletzte das verfassungsrechtlich als solches vorgegebene Verhältnis von grundrechtlicher Garantie und gesetzlicher Grundrechtsprägung. Die legitime Grundrechtsprägung durch den Gesetzgeber ist, dem Gewährleistungsgrad des vorgegebenen Grundrechts entsprechend, zonenmäßig gestuft. In der Zone des (funktionell am weitesten geöffneten) Grundrechtsvorhofs bietet sich dem Gesetzgeber ein breiter Gestaltungsraum; im Bereich des absolut geschützten (normativ geschlossenen) Wesensgehalts im Sinne des Art. 19 II GG bieten sich ihm dagegen kaum Gestaltungsmöglichkeiten. Dazwischen liegt die Zone des (normativ konzentrierten, funktionell also weniger geöffneten) Grundrechtskerns, auf den sich gestaltende Maßnahmen des Gesetzgebers nur in sehr minderem Maße beziehen dürfen27 • c) Verfolgt man die Garantien des Art. 5 I GG anband dieser interpretationstheoretischen Grundsätze, so offenbart sich ein Bild inhaltlich entsprechenden Wechsels von normativer Konzentration (Geschlossenheit) und funktionaler Offenheit. Gewährleistungsbegriffe, wie die von "Presse" und "Rundfunk", bauen einmal auf bestimmten Strukturelementen auf, die der Verfassungsgeber bereits als solche - in entsprechend typologischer Verfestigung - vorfand und demgemäß in die konzentrierte Narrnativität kernmäßiger Grundrechtsgewährleistung einfaßte. Kernbestimmte Garantiebegriffe, wie die von "Presse" und "Rundfunk", sind folglich nicht als solche disponibel; sie sind andererseits aber doch soweit offen und damit gestaltbar, wie dies funktionell, etwa durch technische Neuerungen oder andere soziale Entwicklungen, bedingt ist. Auf diesem Hintergrund ist auch das Verhältnis der audio-visuellen Medien zu den speziellen Kommunikationsrechtsgarantien des Art. 5 I GG zu sehen. V. Audio-visuelle Medien und Rundfunk 1. Dimensionen des Rundfunkbegriffs
a) Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff zerfällt in zwei Dimensionen: einmal in den fernmelderechtlichen Rundfunkbegriff (Rundfunk als Sendebetrieb) und zum anderen in den kulturrechtlichen Rundfunkbegriff (Rundfunk als Programmbetrieb)28 • 27 Vgl. näher bereits R. Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, 1971, S. 138 ff.
1. Dimensionen des Rundfunkbegriffs
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Die Garantie der Rundfunkfreiheit in Art. 5 I 2 GG umfaßt nur den zweiten Aspekt, in ihn darf demgemäß keine senderechtliche Zuständigkeit eingreifen29. Dabei umfaßt Art. 5 I 2 GG den gesamten Programmbetrieb - von Rundfunk und Fernsehen30 - und schließt dabei als dessen notwendigen Bestandteil auch den Bereich der Studiotechnik mit ein31 • Insgesamt verdichtet sich die Garantie von rundfunkmäßiger Fragrammfreiheit und rundfunkmäßigem Programmbetrieb zur institutionellen Garantie 32 , teilweise auch als objektiv-rechtliche Einheit von formeller und materieller Rundfunkfreiheit gedeutet33 • b) Sind damit die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Rundfunkbegriffs umschrieben, so hat dessen aktuell-gültige Definition das einfache Gesetzesrecht übernommen (Landesrundfunkrecht), und hier als letztmaßgebliche Fassung der Staatsvertrag über die Regelung des Rundfunkgebührenwesens vom 5. 12. 1974 3 ~. Nach Art. 1 dieses Vertrages gilt als "Rundfunk" die "für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und im Bild unter Benutzung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters". Diese Definition des Rundfunkbegriffs entspricht zwar wesentlich der Entwicklung des Rundfunk- und Fersehwesens, hat aber dennoch einige Kritik erfahren Kritik vor allem deshalb, weil dieser Rundfunkbegriff angeblich zu weit angelegt sei35• Aktueller Kritikanlaß sind einmal der Kabelfunk, den diese Definition dem Rundfunkbegriff mit unterstellt, und zum anderen auch die audio28 Vgl. näher Lerche, Rundfunkmonopol, 1970, S. 25 ff. ; ders., Rechtsprobleme des Werbefernsehens, S. 4 ff.; R. Scholz, JuS 74, 299 (300). 29 Vgl. BVerfGE 12, 225 ff., 249; Wufka, Die verfassungsrechtlich-dogmatischen Grundlagen der Rundfunkfreiheit, 1971, S. 34 ff.; Ossenbühl, Rundfunk zwischen Staat und Gesellschaft, 1975, S. 32. so Vgl. BVerfGE 12, 226 ff., 243 ff., 259 ff.; 31, 315 ff.; Maunz- DürigHerzog, GG, Art. 5 Rdnr. 197; R. Scholz, JuS 74, 299. 31 Vgl. BVerfGE 12, 227 ; Stern, in: Rundfunkrecht und Rundfunkpolitik, 1969, s. 26 (28). 32 Vgl. BVerfGE 12, 259 ff.; 31, 314 (326); BVerwGE 39, 159 (163); Ossenbühl, RuF 73, 31 (36); ders., Rundfunkfreiheit und die Finanzautonomie des Deutschlandfunks, S. 8 ff.; Rudolf, Über die Zulässigkeit privaten Rundfunks, S. 24 ff.; Stern, Funktionsgerechte Finanzierung der Rundfunkanstalten durch den Staat, 1968, S. 22 ff.; Wufka, Grundlagen, S. 36 ff., 48 ff.; R. Scholz, JuS 74, 301 ff. 33 Vgl. Lerche, Werbefernsehen, S. 4 ff., 15 ff.; Ossenbühl, Rundfunkfreiheit und die Finanzautonomie des Deutschlandfunks, S. 8. 34 Vgl. z. B. Drucks. des Bayerischen Landtags 8/47. 35 Vgl. z. B . Gscheidle, TV-Courier vom 15. 3. 75, S. 1 (5) ; Stellungnahme des BDZV, FAZ vom 19. 3. 1975; Ratzke, Netzwerk der Macht, S. 220 ff.
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V. Audio-visuelle Medien und Rundfunk
visuellen Medien, die im Sog dieser Definition gleichfalls - zumindest teilweise - in den Bannbereich des Rundfunkbegriffs rücken können. Für den Kabelfunk (Kabelfernsehen) ist jedoch zu Recht festgehalten worden, daß dieser prinzipiell unter den Begriff des Rundfunks fällt36 • Aufseiten des kulturrechtlichen Rundfunkbegriffs kommt es konkret auf den Sinngehalt der Formel von der "für die Allgemeinheit bestimmten Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen" an. Denn die Formel vom Allgemeinheitsbezug des Rundfunk ist, wie das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat37 , grundsätzlich auch für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff maßgebend. Der Bedeutungsgehalt dieser Formel entscheidet somit auch über eine eventuelle rundfunkrechtliche Qualifikation der audio-visuellen Medien. 2. Anwendung
a) Die Auslegung der Begriffsmerkmale "Allgemeinheit" und "Darbietung" hat einigen Streit ausgelöst. In der Praxis haben sich die Rundfunkreferenten der Länder in ihrem "Bericht zur Frage der Veranstaltung privater Rundfunksendungen und des Rundfunkbegriffs" vom 29. 4. 197538 auf folgende Grundsätze und Folgerungen geeinigt: (1) Eine Sendung sei nur dann nicht im rundfunkrechtlichen Sinne an die Allgemeinheit gerichtet, wenn sich der Adressatenkreis vorher in der Weise bestimmen ließe, daß es sich hierbei ausschließlich um Personen handele, die durch gegenseitige Beziehungen oder durch Beziehungen zum Veranstalter untereinander verbunden seien. (2) Eine Verbreitung im rundfunkrechtlichen Sinne liege nicht vor. wenn es sich bloß um eine überblickbare räumliche Einheit handele oder wenn die Übermittlung der im Einzelfall vom Besteller jeweils konkret gewünschten Darbietung erst auf dessen Abruf an ihn allein erfolge. (3) Eine Darbietung im rundfunkrechtlichen Sinne liege schließlich nicht vor, wenn sie zur öffentlichen Meinungsbildung weder bestimmt noch geeignet sei. 36 Vgl. Lerche, Rundfunkmonopol, S. 14 ff.; Stammler, AfP 1975, 742 (745 ff.); ders., Verfassungs- und organisationsrechtliche Probleme des Kabelrundfunks, 1974, S. 8 ff.; Ossenbühl, DÖV 72, 293 (299); Maunz- DürigHerzog, GG, Art. 5 Rdnr. 195; Schwandt, DÖV 72, 692 (693 ff.); Fette, Film und Recht 1969, 282 (290); von Schoeler, Über die Zulassung lokalen Fernsehens, Diss. jur. Berlin 1975, S. 56 f . - a. A. allerdings Demme, Das KabelFernsehen, S. 27 ff.; W. Weber, Forsthoff-Festschrift, 1972, S. 467 (477 f.); Küchenhoff, BB 69, 1320. 37 Vgl. BVerfGE 31, 327 ("Rundfunk als ,Sache der Allgemeinheit'"). 38 Teilweise abgedruckt bei Stammler, AfP 75, 744 f.; Ratzke, Netzwerk der Macht, S. 222 ff.
2. Anwendung
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Für die audio-visuellen Medien ziehen die Rundfunkreferenten hiernach folgende Konsequenzen: (1) Keine "Allgemeinheit" sei bei Darbietungen im Familienkreis o. ä. gegeben. Sie sei dagegen gegeben bei Wiedergaben von auf Tonband oder Video-Recorder aufgenommenen Sendungen öffentlicher Rundfunkanstalten mittels einer drahtlosen Sendeanlage, bei Musikund Werbeprogrammen in Kaufhäusern, Krankenhäusern etc. (2) Keine "Verbreitung" sei gegeben im Falle des Kabelrundfunkprogramms mittels individuell nutzbarer Wählscheibe, im Falle der Verwendung eines Video-Recorders in einem Raume etwa einer Diskothek, im Falle des "Pay-TV" und im Falle der FaksimileZeitung; im letzteren Falle sei dabei maßgebend, daß die elektrischen Schwingungen in ein anderes Medium, nämlich in ein Druckwerk, umgesetzt würden. b) Diesen Grundsätzen ist zunächst insoweit beizupflichten, als sie nicht aus der Nutzung von Fernsehgeräten als Wiedergabegeräten auf die Zugehörigkeit der audio-visuellen Medien zum Rundfunk schließen. Die Beziehung von audio-visuellem Medium und Rundfunk ist in diesem Sinne allein instrumental und nicht funktional-zweckbezogen. Die audio-visuelle Aufzeichnung und spätere Wiedergabe einer Sendung bildet eine besondere Form individueller Verwertung, also nicht Bestandteil des rundfunkmäßigen Verbreitungs- und Empfangsvorgangs selbst39 • Die Rundfunkreferenten der Länder greifen weiterhin mit Recht nicht den - von Länderseite mitunter betonten40 - Aspekt auf, daß die Herstellung und der Vertrieb von Kassettenfilmen und Bildplatten in die Zuständigkeit der Rundfunk- und Fernsehanstalten fallen solle. Für den Gesichtspunkt angeblich höheren Programmniveaus spricht in diesem Zusammenhang ohnehin wenig41 ; und selbst der Gesichtspunkt der institutionellen Rundfunkfreiheit (Schutz des Rundfunks als Programmbetrieb) reicht nicht so weit, um den Rundfunk- und Fernsehanstalten diese Form des "Programmvertriebs" vorzubehalten. Denn hierbei geht es in Wirklichkeit nicht um Programmbetrieb, sondern t;m die wirtschaftliche Nebennutzung bzw. fiskalische Nebenver w ertung programmäßiger Darbietungen42 • Die audio-visuellen Medien fallen weiterhin nicht deshalb unter den Rundfunkbegriff, weil sie ein häufig genutztes Mittel der (komVgl. Stammler, AfP 75, 750. Vgl. Kühn, in: Rundfunkneuordnung und bundesstaatliche Struktur, 1972, s. 11 (24 f .). 41 a. A. insoweit aber Kühn, in: Rundfunkneuordnung, S. 24 f. · 42 Zur hier nicht weiterzuverfolgenden Frage der rechtlichen Statthaftigkeit einer solchen (akzidentiellen) Wirtschaftsbetätigung der Rundfunk- und Fernsehanstalten vgl. bereits die Nachw, oben Teil A N. 7. 89 40
3 Scholz
34
V. Audio-visuelle Medien und Rundfunk
petenziell rundfunkrechtlichen) Studiotechnik darstellen. Denn auch dieser Bezug von audio-visuellen Medien und rundfunkmäßigem Programmbetrieb ist faktischer bzw. schlicht instrumenteller oder technischer Art, mithin ungeeignet, die audio-visuellen Medien rechtlich dem Rundfunkbegriff zuzuweisen. Wie sich an den Beispielen von Kaufhaus-, Krankenhaus-Funk mit Video-Recorder oder Kassettenprogramm sowie am Beispiel des "PayTV" zeigt, treten zwischen audio-visuellen Medien und Rundfunk dort Schnittflächen auf, wo vor beschränktem Publikum und kraft individueller Programmbestimmung (individueller Abruf, individuelle Speicherung, individuelle Wiedergabe) Programme gesendet oder empfangen werden. Hier bedarf es strikter Abgrenzung in zweifacher Beziehung: einmal in der Differenzierung zwischen rundfunkmäßiger Sendetätigkeit und audio-visueller Programmbestimmung und zum anderen hinsichtlich der programmäßig angesprochenen "Allgemeinheit'' !m rundfunkrechtlichen Sinne. Die oben wiedergegebene Definition der "Allgemeinheit" durch die Rundfunkreferenten der Länder erscheint noch nicht hinreichend bestimmt und damit auch noch nicht hinlänglich befähigt, sämtliche Mißdeutungen des Rundfunkbegriffs auszuschließen43 • Mit P . Lerche sollte im Ergebnis "Allgemeinheit" als "beliebige Öffentlichkeit"44 verstanden werden45 • Diese Form "beliebiger Öffentlichkeit" ist beim privaten Einsatz von audio-visuellen Medien in aller Regel nicht gegeben; denn hier geht es regelmäßig um bestimmbare und individuell erfaßte (nicht-öffentliche) sowie nicht um beliebig-anonyme Empfängerkreise. Wenn Programmdarbietungen über audio-visuelle Medien erfolgen, so ist die Ausstrahlung über Fernsehgeräte, wie gezeigt, ohne rechtlichen Qualifikationsbelag. Die begriffliche Brücke zum Rundfunk schlägt erst das Ausstrahlungsverfahren (drahtloser Funk oder Kabelfunk). Daß dies gegebenenfalls mit audio-visuell gespeicherten Programmen 43 Zum Auslegungsstreit über den Tatbestand der rundfunkrechtlichen "Allgemeinheit" vgl. näher bes. Lerche, Rundfunkmonopol, S. 22 ff.; Stammler, Verfassungs- und organisationsrechtliche Probleme des Kabelrundfunks, S. 9 ff.; ders., AfP 75, 744 ff.; Lieb, Kabelfernsehen und Rundfunkgesetze, 1974, S. 53 ff.; Fette, Film und Recht 1969, 282 (284 ff.); Schwandt, DÖV 72, 694 ff.; Maunz- Dürig- Herzog, GG, Art. 5 Rdnr. 195; BGHZ 36, 171 (176); VG Düsseldorf, Media-Perspektiven 1974, 437 (441 ff.); zum Begriff der "Allgemeinheit" generell vgl. R. Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 298 ff. 44 Vgl. Rundfunkmonopol, S. 26 ff. 45 Vgl. entsprechend auch Schwandt, DÖV 72, 699; Stammler, Probleme, S. 9 ff.; ders., AfP 75, 744 ff.; Lieb, Kabelfernsehen, S. 127, 169 f.; VG Düsseldorf, Media-Perspektiven 1974, S. 448.
3. Ergebnis
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versorgt wird, hat für jene als bloße Verwertungsform keine eigenständige Bedeutung. Es handelt sich von vornherein und ohne Rücksicht darauf um Rundfunk, gleichgültig, ob audio-visuelle Medien zum programmäßigen Einsatz gelangen oder nicht. Für die Zukunft läßt sich zwar leicht abschätzen, daß der Ausbau der Breithand-Kommunikation zu einem außerordentlich hohen Einsatz und zu Vielfältigster Verwertung audio-visueller Medien führen wird; an deren begrifflicher und rechtlicher Selbständigkeit gegenüber dem Rundfunk im rechtlichen Sinne ändert dies jedoch nichts46 • Dieses Ergebnis sieht sich schließlich durch ein letztes Entscheidungsmerkmal bestätigt: die fernmeldetechnische (sendemäßige) Flüchtigkeit rundfunkmäßiger Programme und die (gespeicherte) Verfestigung sowie materiale Verkörperung der audio-visuellen Programme (Band, Platte, Kassettenfilm) 47 • In diesem Sinne ist auch der Definition der Rundfunkreferenten der Länder zuzustimmen, wenn sie das Vorliegen begrifflichen Rundfunks dort und deshalb verneinen, wo das elektronische Signal nicht unmittelbar, sondern erst vermittelt durch einen weiteren Medienvorgang empfangen wird. Demgemäß fällt die Faksimile-Zeitung nicht unter den Tatbestand des Rundfunks, obwohl mit der rundfunkmäßigen Verbreitungsform die Grenzen zum Druckwerk ins Schwimmen geraten48. Aus der bloßen Instrumentalität der rundfunkmäßigen Verbreitung und der bloß vermittelten Darbietung folgt jedoch der Ausschluß jeder rundfunkrechtlichen Qualifikation49 • Anders steht es dagegen mit der Bildschirmzeitung (Ceefax etc.). Hier tritt keine material verfestigte Vermittlung kraft Druckvorgangs zum elektronischen Signal hinzu. Der Empfang ist unmittelbar und "flüchtig", weil bildschirmgebunden. Daß der Empfänger den Empfang nach Dauer und Form inhaltlich gestalten kann, ändert an der Runclfunkqualität dieses Verfahrens nichts50 • 3. Ergebnis
Zusammenfassend ist demnach festzustellen, daß die audio-visuellen Medien nicht unter Begriff und Tatbestand des Rundfunks im Rechtssinne fallen. 46 Vgl. im Ergebnis auch Roeber, Film und Recht 1973, 311 ff.; Herrmann, in: Zum Thema Kassettenfernsehen, S. 14. 47 Vgl. Herrmann, wie N. 46; Stammler, AfP 75, 750. 48 Vgl. Fuhr, Media-Perspektiven 1974, 197 (205). 49 Vgl. auch Scharf, Kabelfernsehen und Rundfunkbegriff, in: Bausch, Königsteiner Gespräche 1975, S. 33 (38 f.); Ehmke, Media-Perspektiven 1973, 442; Stammler, AfP 75, 750; auch Ratzke, Netzwerk der Macht, S. 221 f., 225. so Vgl. ebenso Scharf, Kabelfernsehen, S. 38 f.
36
VI. Audio-visuelle Medien und Film
VI. Audio-visuelle Medien und Film 1. Verfassungsrechtlieber Filmbegriff
a) Der Begriff des "Films" in Art. 5 I 2 GG und in Art. 75 Nr. 2 GG51 erfaßt den Film, vergleichbar mit Presse und Rundfunk, in seiner spezifischen Funktion als Massenkommunikationsmittel. Eine unterverfassungsrechtliche (gesetzliche) Begriffspräzisierung hat bisher jedoch nicht stattgefunden; insofern unterscheidet sich der Film von Presse und Rundfunk. Eine bundesrechtliche Rahmen- oder landesrechtliche Vollgesetzgebung zum Filmrecht bestehen vorerst nicht. Das UrhG regelt den Film nur als bestimmte Verwertungsform von Urheberrechten, und das Filmförderungsgesetz vom 22. 12. 196752 befaßt sich primär mit der Filmwirtschaft, setzt Begriff und Funktion des Films also voraus. Das Filmförderungsgesetz befaßt sich mit der wirtschaftlichen Förderung des Kinofilms und stellt an diesen bestimmte Anforderungen. Diese sind aber allein auf den Förderungszweck bezogen und schließen aus dem Begriff des Films allgemein nicht etwa andere Filmarten aus. Abgesehen davon, daß diese aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht verfassungsgemäß wäre (Kulturhoheit der Länder im Bereich des Filmrechts), überschritte ein solches Vorgehen des Gesetzgebers auch die Grenzen einer gegenüber Art. 5 I 2 GG legitimen Grundrechtsprägung53 • Der Begriff des Films erweist sich damit als noch in besonderer Weise offen. Für die Auslegung des verfassungsrechtlichen Filmbegriffs bedarf es folglich verstärkt des Rückgriffs auf den empirischen Befund. b) Dieser empirische Tatbestand wurde bereits oben wiedergegeben. Im Einklang mit ihm wird der Begriff des "Films" i. S. v. Art. 5 I 2 GG bzw. Art. 75 Nr. 2 GG im verfassungsrechtlichen Schrifttum als primär durch zur Projektierung bestimmte, fixierte Bilderreihen verstanden, wobei es als prinzipiell gleichgültig gilt, "ob diese Fixierung auf Zelluloid oder einer ähnlichen Masse erfolgt"54 • Der Begriff des Films im technischen Sinne umfaßt dabei nicht nur den Filmstreifen, sondern auch das den visuellen Teil akustisch ergänzende Tonband55• In seiner gerade funktionalen Ausrichtung als Kommunikationsmittel beschränkt sich der Tatbestand des Films im verfassungsrechtlichen s1 Zur begrifflichen Identität vgl. zuletzt BVerwGE 45, 1 (3). s2 BGBl I S. 1352.
53 Zur vor allem kompetenzrechtlich lange strittigen Verfassungsmäßigkeit des Filmförderungsgesetzes vgl. BVerwGE 45, 1 ff.; Weides, Bundeskompetenz und Filmförderung, 1971 ; Finkelnburg, UFITA 1969, 111 ff. 54 Maunz- Dürig- Herzog, GG, Art. 5 Rdnr. 198. 55 Maunz- Dürig- Herzog, GG, Art. 5 Rdnr. 198.
1. Verfassungsrechtlicher Filmbegriff
37
Sinne jedoch nicht auf diese technisch-gegenständlichen Elemente. Mit maßgebendes Begriffsmerkmal ist vielmehr die visuelle und akustische Projektion. Der Vorgang der Projektion vermittelt den kommunikativen Sinngehalt des Films und ist deshalb für dessen Begriffsbildung entscheidend56. Unter "Film" ist demgemäß die zur Projektion bestimmte, materialmäßig verkörperlichte Bild- und Tonfolge zu verstehen. Hierin liegt zugleich der wesentliche Unterschied von Film und Fernsehen (Rundfunk): Das Fernsehen projiziert ("filmische") Bildund Tonfolgen in spezifischer Weise; der Projektionsvorgang ist institutionell an die sendetechnische Ausstrahlung gebunden. Der Film ist dies dagegen nicht. Der Filmstreifen ist als solcher und in beliebiger Weise verfügbar, weil der Projektionsvorgang sowohl öffentlich57 wie privat erfolgen kann. Die mediale Funktion des Films ist m. a. W. variabel. Diese Variabilität wird durch die Offenheit der Projektionsverfahren und die damit verbundene Offenheit (Beliebigkeit) der Projektionsträger verbürgt. Funktional dominiert im Filmwesen naturgemäß der Kinofilm bzw. der Film als "Massenkommunikationsmittel" 58 • Art. 5 I 2 GG beschränkt den Filmbegriff jedoch nicht auf diese Formen filmmäßiger Massenkommunikation59 • Auch der privat hergestellte und/oder privat zur Vorführung gelangende Film (Schmalfilm etc.) genießt den prinzipiellen Schutz des Art. 5 I 2 GG. Die Kommunikationsrechte des Art. 5 I GG sehen sich zwar durch einen besonderen Bezug zur kommunikativen Öffentlichkeit gekennzeichnetso. Dieser Öffentlichkeitsbezug besteht jedoch nicht ausschließlich. Art. 5 I GG schützt nicht nur die "öffentliche Meinungsfreiheit"61 ; Art. 5 I 2 GG 56 Vgl. allgemein auch Roeber- Jacoby, Handbuch der filmwirtschaftliehen Medienbereiche, S. 50 f. 57 Zum entsprechenden Tatbestand des Urheberrechts vgl. bes. BGH, UFITA 1975, 286 (287 ff.); im Vergleich zum Rundfunkbegriff s. auch Stammler, AfP 75, 747; Lieb, Kabelfernsehen, S. 115 ff. ss Ausdruck in BVerfGE 7, 198 (228). 59 In diesem Sinne läßt sich auch BVerfGE 7, 228 nicht verstehen. ao Vgl. näher z. B. F. Schneider, Presse- und Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz, 1962, S. 118 ff.; Scheuner, VVDStRL 22, 1 (30, 68 f., 75 f.); Scholler, Person, S. 125 ff.; P. Schneider, Pressefreiheit, S. 67, 83 ff.; Löffler, Der Verfassungsauftrag der Presse, 1963, S. 1 ff.; BVerfGE 12, 113 (128) ; 20, 162 (175); zu Begriff und Abgrenzung der "kommunikativen Öffentlichkeit" vgl. m. w. Nachw. auch bereits R. Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 198. at Etwa im Ridderschen Sinne (vgl. Grundrechte II, 1954, S. 243 [249 ff.]).
38
VI. Audio-visuelle Medien und Film
schützt vielmehr die "öffentliche" wie die "private" Meinungsfreiheit bzw. Kommunikationsfreiheit62 • Damit gewährleistet Art. 5 I 2 GG auch die privaten Kommunikationsmittel und individualen Kommunikationsverfahren, sofern und soweit diese in den tatbestandliehen Begriffsbereich der Mediensysteme von Presse, Rundfunk und Film fallen. 2. Anwendung
Wendet man diese Begriffskriterien auf die audio-visuellen Medien an, so bestätigt sich die bereits im empirischen Teil der Untersuchung festgestellte, hohe Affinität zwischen Film und audio-visuellen Medien. Der Kassettenfilm entspricht mit Sicherheit dem Filmbegriff, da er technisch wie projektionsmäßig als "Film" beschaffen und kommunikationsmäßig angelegt ist. Daß die Projektion über ein Fernsehgerät erfolgt (erfolgen kann), ist ohne Belang. Denn es handelt sich trotzdem um keine fernsehtechnische Ausstrahlung, vielmehr um eine individuale Nebennutzung der fernsehtechnischen Empfangsapparatur zur Filmprojektion. Der Projektionsvorgang selbst unterscheidet sich von dem der üblichen Filmprojektion nicht63• Aus diesem Grunde fällt der Kassettenfilm unter den verfassungsrechtlichen Filmbegriff gemäß Art. 5 I 2, 75 Nr. 2 GG. Werden im audio-visuellen Verfahren (Video-Recorder) Fernsehprogramme aufgezeichnet, so ändert sich an dieser Qualifikation gleichfalls nichts. Denn insoweit handelt es sich folgerichtig um die Herstellung von Filmen. Die gleiche Qualifikation bietet sich für die Herstellung und Verwertung der Bildplatte bzw. entsprechender audio-visueller Verfahren an. Die Bildplatte entspricht verfahrensmäßig zwar mehr der Schallplatte. Ihr Verfahren der mechanischen Aufzeichnung von Schallschwingungen ist auch zur Grundlage der Bildplatte geworden, ohne daß technisch jedoch völlige Identität gegeben wäre64 . 62 Vgl. näher bes. Schnur, VVDStRL 22, 101 (111 ff.); Czajka, Pressefreiheit, S.129 ff.; Scholler, Person, S. 337 ff.; Lerche, Werbung und Verfassung, S. 82; Maunz- Dürig- Herzog, GG, Art. 5 Rdnr. 119 f., 127 f.; R. Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 211 ff., 233 f., 242 ff. ea Vgl. auch den Hinweis Roebers, Film und Recht 1973, 311, darauf, daß es auch Kassettensysteme gibt, die sich eines Projektors im filmisch engeren Sinne bedienen (Super-8-Film). 64 Vgl. z. B. Jacoby, Film und Recht 1971, 387 (389). In die Richtung weiterer auch technischer Annäherung beider audio-visueller Systeme weist das neue Bildplattensystem "Disco-Vision", das auch die Filmaufzeichnung mittels "Plattenspielers" erlaubt (vgl. näher Film und Recht 1974, 254 f.).
3. Ergebnis
39
Funktionell gleicht die Bildplatte jedoch dem Kassettenfilm. Beide sind in ihrer Funktion als Kommunikationsmittel identisch. Aus diesem Grunde vermag der allein technische Verfahrensunterschied noch keine notwendige rechtliche Differenzierung zu erzwingen65 , zumal der verfassungsrechtliche Filmbegriff auf den Filmstreifen als gegenständliche Filmmaterie nicht absolut fixiert ist66 • Das System der Bildplatte läßt sich aus diesen Gründen gleichfalls noch unter den Tatbestand des verfassungsrechtlichen Filmbegriffs subsumieren. Nicht mehr unter den Filmbegriff fallen jedoch audio-visuelle Verfahren, wie die Faksimile-Zeitung. Denn sie ist in keiner Weise "Film", sondern - in spezifischer Weise hergestelltes - Druckwerk. 3. Ergebnis
Die audio-visuellen Medien fallen in Gestalt des Kassettenfilms ohne weiteres unter den Tatbestand des verfassungsrechtlichen Filmbegriffs. Für die Bildplatte darf aus funktionellen Gründen das gleiche gelten. Nicht unter den Filmbegriff fallen Verfahren wie die FaksimileZeitung.
VII. Audio-visuelle Medien und Presse 1. Verfassungsrechtlicher Pressebegriff
a) Der verfassungsrechtliche Pressebegriff unterscheidet zwischen einem Begriffsbereich im engeren und einem Begriffsbereich im weiteren Sinne67 • Der engere Begriffsbereich befaßt sich - verkürzt ausgedrückt - mit dem Druckwerk "Presse"; der weitere Begriffsbereich befaßt sich wiederum verkürzt gefaßt - mit dem (gesamten) Pressewesen. Die grundrechtliche Garantie der Pressefreiheit in Art. 5 I 2 GG gilt prinzipiell dem weiteren Pressebegriff. Die zumeist im institutionellrechtlichen Gewährleistungssinn interpretierte Garantie der PresseVgl. zum Urheberrecht entsprechend Roeber, Film und Recht 1973, 314 f. Vgl. Maunz- Dürig- Herzog, GG, Art. 5 Rdnr. 198, und vorstehend sub b. 67 Zum Pressebegriff und seiner Entwicklung vgl. allgemein bes. sowie m. w. Nachw. F. Schneider, Presse- und Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz, 1962, S. 58 ff.; Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 17 ff.; I. Groß, Die Institution Presse, 1971, S. 76 ff.; Löffler, Presserecht I, 2. Aufi. 1969, S. 25 ff.; Presserecht II, 2. Aufi. 1969, § 1 LPG Rdnr. 33 ff. 65 66
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VII. Audio-visuelle Medien und Presse
freiheit68 soll nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Freiheit und Eigenständigkeit des Instituts oder Lebenssachverhalts Presse "von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen" schützen69 • Der Pressebegriff wird damit über einen engeren Begriff des Presseprodukts hinaus auf das gesamte Pressewesen - bis hin zum Anzeigenwesen70 - erstreckt. Denn: "Der Begriff ,Presse' sei weit und formal auszulegen71 ." Im einzelnen sucht das Bundesverfassungsgericht dabei in offenkundig funktionaler Auslegung nach den für Lebensbild und Wirkungsfeld der freien Presse "typischen Aufgaben" abzugrenzen72 • Der Freiheitlichkeit des Pressewesens gemäß betont das Bundesverfassungsgericht zugleich die Offenheit der Ziele, Mittel und publizistischen Methoden der freien Presse73 • b) Der engere Pressebegriff bezieht sich auf das Presseprodukt, d. h. auf das pressemäßige Druckwerk. Dessen Definition hat allerdings, seit jeher, das einfache Gesetzesrecht übernommen. Eine schon von Verfassungs wegen definierende Begriffsabgrenzung kannte auch die Weimarer Verfassung nicht. Die - anschließend noch zu verdeutlichenden - Auslegungsstreitigkeiten bewegten sich stets um die Frage, ob als Presseprodukt nur das periodische Druckwerk "Zeitung" bzw. "Zeitschrift" oder ob darüber hinaus auch andere Kommunikationsmittel mit vom Pressebegriff (im engeren Sinne) umfaßt würden. Das Bundesverfassungsgericht hat zu dieser Frage bisher nicht ausdrücklich Stellung genommen. In seiner Rechtsprechung finden sich nur einige Randbemerkungen, aus denen sich jedoch kein definitorisch allgemeingültiger Schluß ziehen läßt. Im Zentrum von Pressefreiheit und Pressebegriff erkennt das Bundesverfassungsgericht zwar und offensichtlich die Zeitung und die Zeitschrift, d. h. also Erzeugnisse der periodischen Druckpresse74 • 68 Vgl. hier bes. BVerfGE 20, 162 (175); 36, 193 (204); Dagtoglou, Wesen und Grenzen der Pressefreiheit, 1963, S.l2 ff.; Stammler, Presse, S.178 ff.; Scheuner, VVDStRL 22, 62 ff.; I. Groß, Institution, S. 84 ff.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufi. 1975 S. 162; Maunz, Deutsches Staatsrecht, 20. Aufl. 1975, S. 127; zur Kritik und Einschränkung dieser institutionellen Interpretation der Pressefreiheit vgl. bes. Schnur, VVDStRL 22, 116 ff.; Czajka, Pressefreiheit, S. 90 ff., 95 ff., 142 ff.; Forsthoff, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, 1969, S. 12 ff.; R. Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 236 ff., 240. 69 Vgl. BVerfGE 10, 118 (121); 12, 205 (260); 20, 176; 21, 271 (279). 70 Vgl. BVerfGE 21, 278 ff. 71 BVerfGE 34, 269 (283). 72 Vgl. BVerfGE 21, 279. 73 Vgl. BVerfGE 20, 212.
1. Verfassungsrechtlicher Pressebegriff
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Diese Äußerungen sind jedoch, wie unschwer auszumachen ist, sämtlich aus dem konkreten Sachbezug der jeweils entschiedenen Fälle zu verstehen, Fälle, in denen es nur oder vor allem um die Zeitungspresse ging7a. c) Nur im Schallplatten-UrteiF6 offenbart sich eine gewisse Differenzierung zwischen der Schallplatte einerseits und Buch, Zeitung und Zeitschrift andererseits77. Hierbei bezieht das Bundesverfassungsgericht aber bereits das Buch als ja regelmäßig nicht periodisches Druckwerk in den Pressebegriff mit ein78. Die Schallplatte unterstellt das Bundesverfassungsgericht primär dem Schutze des Art. 5 III GG, "da ein erheblicher Teil der Schallplattenproduktion ihrem Inhalte nach dem Bereich der Kunst zuzurechnen sei" und da "die Ausstrahlungswirkung" des Art. 5 III GG sich auch auf das Kommunikationsmittel als "die unentbehrliche Mittlerfunktion zwischen Künstler und Publikum" erstrecke79 . Sekundär zieht das Bundesverfassungsgericht aber auch den Art. 5 I GG heran (ohne dabei allerdings zwischen Meinungs-, Presse-, Rundfunk-, Film- und Informationsfreiheit im einzelnen zu differenzieren); es erklärt: "Soweit die Schallplatte nicht in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG fällt, kommt Art. 5 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab in Betracht80 ." Diese Äußerung des Bundesverfassungsgerichts scheint zunächst der früheren Rechtsprechung des Gerichts zu widersprechen, derzufolge zwischen Art. 5 III GG und Art. 5 I GG ein volles Spezialitätsverhältnis bestehen soll81 • Andererseits wird die grundsätzliche Position des Bundesverfassungsgerichts in dieser Frage erst im Schallplattenurteil vollends deutlich. Das Gericht erkennt Art. 5 III GG offenkundig nur insoweit als Spezialnorm gegenüber Art. 5 I GG, als es um den Schutz künstlerischer Inhalte und deren kommunikative Vermittlung geht. Soweit es dagegen 74 Vgl. bes. BVerfGE 12, 260f.; 20, 174, 200ff.; 21, 278ff.; 34, 283; 36, 321 (331 ff.). 75 Vgl. BVerfGE 12, 205 ff.: Abgrenzung von Rundfunk und Zeitungspresse (Fernseh-Urteil); BVerfGE 20, 174 ff.: Spiegel-Fall; BVerfGE 21, 278 ff.: Schutz des Anzeigenwesens; BVerfGE 34, 269 ff.: Schutz des Persönlichkeitsrechts. 76 BVerfGE 36, 321 ff. 77 Vgl. BVer!GE 36, 338 ff. 78 Vgl. BVerfGE 36, 338 ff. 79 BVerfGE 36, 331. so BVerfGE 36, 333. st Vgl. BVerfGE 30, 173 (191 f., 200).
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VII. Audio-visuelle Medien und Presse
um den Schutz nicht-künstlerischer Inhalte bzw. deren kommunikative Vermittlung geht, soll offensichtlich Art. 5 I GG maßgebend sein. Die Geltung des Art. 5 I GG erfaßt allerdings bzw. nur meinungs- und informationsmäßig relevante Inhalte sowie deren Vermittlung; folgerichtig kann die Schallplatte auch nur insoweit unter den Schutz des Art. 5 I GG fallen. Dies hindert umgekehrt und z. B. nicht ihre Einordnung unter den verfassungsrechtlichen Pressebegriff. Denn auch die Pressefreiheit fungiert der Kunstfreiheit gegenüber nicht im Verhältnis von Ausschließlichkeit oder (voller) Spezialität. Wenn ein pressemäßig publizierter Beitrag, etwa ein Fortsetzungsroman, Gedicht o. ä. als Kunst anzuerkennen ist, so ist zunächst Art. 5 III GG und nicht Art. 5 I GG maßgebendsz. Die mediale Funktion der Presse tritt also gegenüber der inhaltlichen Funktion (Kunstwerk) und deren "ausstrahlendem" Medienschutz zurück. Diese "Ausstrahlungswirkung" ist jedoch, im Zeichen effektiver Grundrechtsausübung, nur mittelbarer Art. Der begrifflich unmittelbare Bezug eines solchen Romans o. ä. zur Presse und ihrer medialen Funktion bleibt folglich unberührt. Grundrechtlich wird dies beispielsweise dort relevant, wo es um den Schutz des Romanautors einerseits (hier ist Art. 5 III GG maßgebend) und den Schutz des Zeitungsverlegers andererseits (hier ist Art. 5 I 2 GG maßgebend) geht. In diesem Falle treten die Gewährleistungen des Art. 5 III GG und des Art. 5 I 2 GG in das Verhältnis echter ("idealer") Konkurrenz. Das Verhältnis von Art. 5 III GG und Art. 5 I 2 GG erweist sich damit als differenziert bzw. ungleich differenzierter als vom Bundesverfassungsgericht zunächst im Mephisto-Urteil angenommen. Da Kunstfreiheit und künstlerische Betätigung der medialen Artikulation oder kommunikativen Umsetzung bedürfen, enthält Art. 5 III GG auch die Garantie der entsprechend medialen oder kommunikativen Artikulations- und Vermittlungsformen83. Die mediale Vermittlungsform bzw. das konkrete Kommunikationsmittel stehen in diesem Gewährleistungssinne dem kommunikativen oder medial vermittelten Inhalt akzessorisch gegenüber. Als kommunikative Inhalte schützt die Verfassung in Art. 5 III GG die Kunst und in Art. 5 I GG die Information und Meinung. Über die kommunikativen Äußerungsformen oder Medien sagt Art. 5 III GG nichts aus; die Kunstfreiheit ist m. a. W. - gegenstandsgerecht medienmäßig offen; die mediale Form und ihr Schutz folgen der Art, dem Inhalt und dem Schutz des Kunstwerks bzw. der künstlerischen 82 Vgl. für den Buchroman unmittelbar BVerfGE 30, 191 f., 200 ("Mephisto" von K. Mann). 83 Zur kommunikationsrechtlichen Struktur der Kunstfreiheit vgl. näher schon R. Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 113 f.
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Verfassungsrechtlicher Pressebegriff
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Intention. Für die Meinungs- und Informationsfreiheit gilt prinzipiell das gleiche; nur für die Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit gilt ein anderes. Diese Freiheiten sind gegenüber der allgemeinen Meinungsund Informationsfreiheit speziell, weil sie im Verbund mit diesen Freiheiten zugleich bestimmte Kommunikationsmittel oder Mediensysteme in ihrer konkreten Funktionstypik (mit-)gewährleisten. In dieser Eigenschaft überlagern Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit zugleich die Kunstfreiheit84 sowie andere Mediensysteme85 • Im ersten Fall gilt das gewährleistungsspezialisierende Verhältnis von (kommunikativem) Inhalt und kommunikativer Form bzw. kommunikativem Medium. Im zweiten Fall gelten dagegen andere Grundsätze. Hier ist danach zu fragen, welches Mediensystem oder welches Kommunikationsmittel für den betreffenden Kommunikationsprozeß wesensbestimmend ist bzw. ihm sein grundsätzliches Gepräge gibt. Von Verfassungs wegen könnten hierbei bestimmte Mediensysteme oder Kommunikationsmittel, ihre Begrifflichkeiten und ihre Garantien untereinander konkurrieren. Auch für diesen Fall nennt das Bundesverfassungsgericht im Schallplatten-Urteil den wesentlichen Lösungsansatz, wenn es bei der Prüfung der Gleichbehandlung der Medien Buch, Zeitschrift, Rundfunk und Schallplatte auf das Kriterium der "stärksten relativen Gleichheit" abstellt86. Dieses Kriterium wird ebenso der entwicklungsmäßigen Offenheit wie der instrumentellen Pluralität kommunikativer Artikulationsformen und publizistischer Methoden gerecht; und aus diesem Grunde kann beispielsweise auch das Medium Schallplatte, seiner potentiellen Funktionspluralität entsprechend, auch kommunikationsrechtlich unterschiedlich zu behandeln sein - je nachdem, inwieweit in der jeweiligen Vergleichsrelation stärkste (stärkere) Gleichheiten oder Ungleichheiten zu einem anderen Mediensystem bestehen oder nicht bestehen. Nach diesen Maßstäben entscheidet sich auch, welchem Mediensystem innerhalb des Art. 5 I GG die Schallplatte gegebenenfalls, d. h. außerhalb des Art. 5 III GG, zuzuordnen ist. d) Der verfassungsrechtliche Pressebegriff sieht sich damit in seinen rechtlichen Grundstrukturen bzw. begrifflichen Grundvoraussetzungen präzisiert: Art. 5 I 2 GG schützt das gesamte ("institutionelle") Pressewesen. Im Zentrum dieser Garantie steht das periodische Druckwerk; Art. 5 I 2 GG beschränkt sich jedoch nicht auf dessen Gewährleistung87 • Vgl. als Beispiel nur etwa den künstlerischen Film. Vgl. als Beispiel nur die im Rundfunk verwandte Schallplatte usw. 86 Vgl. BVerfGE 36, 338. 87 Vgl. im Ergebnis entsprechend Scheuner, VVDStRL 22, 67 f.; R. Groß, Grundzüge des deutschen Presserechts, 1969, S. 18, 45; ders., DVBl 66, 67; 84
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Die Garantie des Art. 5 I 2 GG fixiert die publizistischen Methoden der Presse nicht abschließend, hält deren Kanon vielmehr und entwicklungsgerecht offen. Begriffsrechtlich bedeutet dies, daß der Tatbestand des Art. 5 I 2 GG nicht auf den engen Pressebegriff festgelegt werden kann. Auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt, wie gezeigt, nichts Gegenteiliges88• Das Bundesverfassungsgericht bekennt sich gerade zu jener begrifflichen Offenheit des Pressebegriffs, betont in dessen Rahmen nur die Kernfunktion des periodischen Druckwerks. Diese Funktion füllt grundrechtsdogmatisch den Grundrechtskern des Art. 5 I 2 GG; der um diesen Kern herumliegende Begriffshof des Art. 5 I 2 GG ist jedoch offen (flexibel); er umschließt den Schutz des gesamten Pressewesens, dessen Wandlungen, Fortentwicklungen und funktionellen wie instrumentellen Verschränkungen eingeschlossen. Presse und Pressefreiheit sind demgemäß stets in ihrer aktuellen gesellschaftlichen Funktion zu sehen und zu bewerten. Eine zentrale Rolle spielen dabei auch die Entwicklungen der Kommunikationstechnologien und ihre Einflüsse auf das Pressewesen89 • Das Institut "Presse" ist faktisch keineswegs auf seinem Entwicklungsstand etwa im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes "eingefroren" oder als Status-quo-Garantie auf den Entwicklungsstand des damaligen Zeitpunktes hin verfestigt. Zu derartigen Ansichten oder entwicklungsreduzierenden Wertungen neigen zwar gerade institutionelle Grundrechtsinterpretationen sehr häufig und leicht90 , die des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 5 I 2 GG jedoch ausgenommen. Denn ihr "Institutions"verständnis verfügt zumindest im Falle der Pressefreiheit - dem zunächst sozialwissenschaftliehen Institutionsbegriff und seiner weitgehend offenen Funktionalität durchaus gemäß91 - über hinreichende Offenheit oder funktionale Flexibilität gegenüber der sozialen, rechtlichen und technischen Entwicklung. Das Bundesverfassungsgericht fordert, die Pressefreiheit formal und weit auszulegen92 • Maunz- Dürig- Herzog, GG, Art. 5 Rdnr. 125 ff., 131; P. Schneider, Pressefreiheit, S. 31, 65 ff.; Kaiser, Presseplanung, S. 17, 27; Löffler, Presserecht I, S. 25 ff.; Presserecht li, § 1 LPG Rdnr. 33 ff. 88 Vgl. auch Löffler, Presserecht li, § 1 LPG Rdnr. 35; Lerche, Verfassungsrechtliche Aspekte der "inneren Pressefreiheit", 1974, S. 31 f. - a. A., aber nicht zutreffend, Forsthoff, DÖV 63, 633 f.; I. Groß, Institution, S. 81. 89 Vgl. richtig bes. Kaiser, Presseplanung, S. 27. 90 Zur Pressefreiheit vgl. speziell und kritisch Forsthoff, Verfassungsschutz der Zeitungspresse, S. 25 ff.; Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, 1971, S. 22 f.; allgemein hierzu vgl. m. w. Nachw. und Kritik auch bereits R. Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 237 ff. 91 Vgl. hierzu bereits R. Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, s. 224 ff. 92 BVerfGE 34, 283.
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Dieses Bestreben darf jedoch nicht in dem Sinne mißverstanden werden, daß die "Presse" etwa als von vornherein konturloser und völlig frei gestaltbarer oder gar manipulierbarer Tatbestand zu deuten wäre. Das "institutionelle" Verständnis der Pressefreiheit durch das Bundesverfassungsgericht fordert vielmehr - verdeutlicht im Funktionalkriterium von den "typischen Aufgaben der Presse" 93 - die typgerechte Interpretation sowie kontinuitätsgerechte FortentwickLung der Pressefreiheit. Das typbestimmende Wesen der (tradierten) Institution "Presse", deren identitätsbestimmenden Strukturen müssen auf jeden Fall bewahrt und garantiert bleiben94 • Grundrechtsdogmatisch findet sich dieser verfassungskräftig "verbürgte Typus" Presse95 im Begriffskern und letztlich im Wesensgehalt der Pressefreiheit (Art. 19 II GG) verkörpert bzw. inhaltlich konzentriert. Der Begriffshof der Pressefreiheit ist dagegen - bis an den Rand der typustangierenden Regelung heran - offen und gestaltungsfähig. In dieser Abstufung96 erweist sich also der weite Pressebegriff für die Auslegung und Anwendung des Art. 5 I 2 GG als maßgebend. Die gelegentlich unternommenen Versuche einer gegenteiligen (begriffsverengenden) Interpretation des Art. 5 I 2 GG97 sind nicht begründet und lassen sich auch mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbaren. e) Die Unterscheidung zwischen Begriffskern und Begriffshof führt zum Recht des Gesetzgebers und seiner (unterverfassungsrechtlichen) Ausgestaltungs- oder Prägungskompetenz (auch) gegenüber dem Grundrecht aus Art. 5 I 2 GG. Der Gesetzgeber ist prinzipiell berufen und berechtigt, auch die Pressefreiheit- namentlich in ihrem entwicklungsoffenen Begriffshof - funktionsgerecht auszugestalten. Diese gesetzgeberische Befugnis verteilt sich wiederum nach Maßgabe der bundesstaatlichen Kompetenzordnung auf Bund und Länder (vgl. Art. 70 I, 75 Nr. 2 GG). Konkret haben bisher nur die Länder, in Nachfolge der ReichsPreßGesetzgebung von dieser Befugnis Gebrauch gemacht (Landespresserechtsgesetzgebung). Diese Gesetzgebung und ihr Entwicklungsgang sind materiell für die Auslegung des Art. 5 I 2 GG demnach mit maßgebend. Der aktuell gültige Inhalt des verfassungsrechtlichen Vgl. BVerfGE 21, 279. Vgl. Lerche, Verfassungsrechtliche Aspekte der "inneren Pressefreiheit", s. 35 ff., 41 ff. 95 Lerche, Verfassungsrechtliche Aspekte, S. 35. 9& Von einem abgestuften Begriffsverständnis der Pressefreiheit geht auch I. Groß, Institution, S. 93 ff., aus ("gestufte Institution"). 97 Vgl. bes. v. Mangoldt- Klein, GG, 1957, Art. 5 Anm. VI 3; F. Schneider, Presse- und Meinungsfreiheit, S. 58 ff., 64; M. Rehbinder, Presserecht, 1967, S. 13 f.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, S. 162; zweifelnd auch Maunz, Deutsches Strafrecht, S. 127. 93 94
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VII. Audio-visuelle Medien und Presse
Pressebegriffs läßt sich nicht ohne Bezug zum einfach-gesetzlichen Presserecht und zu seiner begriffsprägenden Entwicklung erfahren98 • 2. Unterverfassungsrechtlicher Pressebegriff
a) Die Strukturen des unterverfassungsrechtlichen Pressebegriffs sind für den verfassungsrechtlichen Pressebegriff in mehrfacher Weise relevant: Sie sind zunächst geeignet, den (im verfassungsrechtlichen Begriffskern) verbürgten Typus des "Instituts Presse" zu verdeutlichen; sie nennen des weiteren und maßgebend die funktionalen Entwicklungsdaten, die die reale Fortentwicklung des Pressewesens geleitet haben und so entweder in den Begriffsbereich des Pressewesens, bei entsprechend gesetzlich-normativer Vermittlung, "hineingewachsen" sind oder diesen entsprechend modifiziert haben. Maßgebende Kriterien für die verfassungsbegriffliche Gegenkontrolle sind die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hervorgehobenen Kriterien von der (partiellen) Offenheit des (weiten und formalen) Pressebegriffs, von den typischen Aufgaben der Presse bzw. deren typ-und identitätsgerechter Entwicklung sowie von der "stärksten relativen Gleichheit" einzelner Kommunikationsmittel. b) Die Grundlage des unterverfassungsrechtlichen Pressebegriffs findet sich in der Definition der Presse in § 2 ReichsPreßG vom 7. 5. 187499 • Hiernach galten als Presse "alle Erzeugnisse der Buchdruckerpresse sowie . . . alle anderen, durch mechanische oder chemische Mittel bewirkten, zur Verbreitung bestimmten Vervielfältigungen von Schriften und bildliehen Darstellungen mit oder ohne Schrift, und von Musikalien mit Text oder Erläuterungen". Dieser Pressebegriff ist bereits sehr weit angelegt und wurde auch entsprechend weit interpretiert. Man unterschied zwischen Druckschriften im engeren und Druckschriften im weiteren Sinne, wobei als Druckschrift im engeren Sinne die Erzeugnisse der Buchdruckerkunst (nicht beschränkt aber auf periodische Publikationen) und als Druckschrift im weiteren Sinne alle übrigen geistigen (gedanklichen) Aussageinhalte in der Gestalt mechanisch oder chemisch vervielfältigter Verkörperung verstanden wurden100 • 98 Vgl. im Ergebnis auch Maunz- Dürig- Herzog, GG, Art. 5 Rdnr. 125 ff.; F. Schneider, Presse- und Meinungsfreiheit, S. 58 ff.; Löffler, Presserecht II, § 1 LPG Rdnr. 35. 99 Vgl. RGBl Nr. 16 S. 65. 1oo Vgl. Häntzschel, Das deutsche Preßrecht, 1928, S.1; ders., ReichspreßG, 1927, § 2 Anm. 1, 2.
2. Unterverfassungsrechtlicher Pressebegriff
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Diese weite Interpretation des Pressebegriffs wurde damit begründet, daß auch anderen als im engeren Sinne druckmäßigen Vervielfältigungen die pressespezifische Eignung zur geistigen Massenwirkung zukomme und daß damit auch rechtlich die gleiche Behandlung geboten seP 01 • Im Zeichen heutiger Interpretationstheorie wäre diese Anlage und Praktizierung des Pressebegriffs bereits als funktionale Auslegung im modernen Sinne zu erkennen gewesen; und hieraus folgt zugleich, daß ein kontinuitäts- und typengerechtes Verständnis auch des heutigen Pressebegriffs notwendig funktional im bereits erörterten Sinne sein muß. Die weite, funktionale Fassung des Pressebegriffs galt zugleich als allgemein maßgebend; sie sollte prinzipiell überall dort verbindlich sein, wo in der Gesetzesordnung überhaupt von "Presse" die Rede war102 • Demgemäß wurde beispielsweise der Begriff der "Schrift" im § 184 StGB a. F. entsprechend weit interpretiert103• c) Die Frage nach den Grenzen dieses Pressebegriffs wurde mit der Frage nach der Einordnung der Schallplatte akut. Die überwiegende Meinung bekannte sich zu der Auffassung, daß auch die besprochene oder besungene Schallplatte als Druckwerk i. S. d. (weiten) Pressebegriffs zu gelten habe. Denn diesem genüge es, wenn eine verkörperte Gedankenerklärung vorläge, die vermöge ihres Inhalts geistige Vorstellungen irgendwelcher Art beim Leser, Hörer oder Beschauer auszulösen vermöge104 • Als wesentlich gelten danach der (kommunikativ-geistige) Inhalt der Schallplatte, dessen gegenständliche Verkörperung, wobei auch die Rillen und Zeichnungen auf der Schallplatte als druckschriftfähige Zeichen gelten105 , und die Verbreitung der Schallplatte. Fällt die Schallplatte damit unter den Pressebegriff, so wurde das gleiche für die Rundfunksendung folgerichtig verneint, da sie weder über eine stoffliche Verkörperung noch über die technische Vervielfältigung verfügt. Sie gleiche vielmehr dem mündlichen Vortrag, der als einmalige, von m ehreren gleichzeitig und mit eigenen Mitteln wahrgenommene (flüchtige) Verlautbarung erscheine1os. Vgl. Häntzschel, ReichspreßG, § 2 Anm. 1. Vgl. Häntzschel, Deutsches Preßrecht, S. 1. 1oa Vgl. RGSt 47, 223 (224 f.); 47, 404 (405 ff.). 104 Vgl. Häntzschel, ReichspreßG, § 2 Anm. 2 c, e; zu § 184 StGB a. F. vgl. RGSt 47, 224 f.; 47, 407; einschränkend dagegen Kitzinger, ReichspreßG, 1920, § 2 Anm. IV 3 a, der lediglich die analoge Anwendung des ReichspreßG auf die Schallplatte befürwortete. 1os Vgl. Häntzschel, ReichspreßG, 42 Anm. 2 c, e; RGSt 47, 224 f.; 47, 407; a. A. allerdings Kitzinger, ReichspreßG, 42 Anm. IV 3 a. 101
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VII. Audio-visuelle Medien und Presse
Im Gegensatz zum Rundfunk wurde teilweise aber auch der Film dem rechtlichen Pressebegriff zugerechnet107. Denn dieser bestehe aus einer Mehrheit aneinandergereihter Fotografien108 und besitze im Unterschied zur Rundfunksendung ein körperliches Substrat109. Lediglich die Filmvorführung wurde - mit Recht - nicht als Verbreitung im presserechtliehen Sinne anerkannt; denn die verkörperlichte Gedankenerklärung wird bei der Filmvorführung dem Empfänger nicht substanzmäßig zugänglich gemacht110. Im Ergebnis war für die Rechtslage nach dem ReichspreßG damit von einem weiten Pressebegriff auszugehen, der jedenfalls die Schallplatte einschloß, die Rundfunksendung ausschloß und zum Film immerhin enge tatbestandliehe Affinitäten anerkannte. d) Dieser Pressebegriff galt mit dem ReichspreßG auch unter der Weimarer Reichsverfassung fort. Die Weimarer Verfassung baute offenkundig auf ihm und seiner Entwicklung auf. Das gleiche gilt für die geltende Landespressegesetzgebung. Nach den wesentlich übereinstimmenden Pressegesetzen der Länder gelten als "Druckwerke" "alle mittels der Buchdruckerpresse oder eines sonstigen zur Massenherstellung geeigneten Vervielfältigungsverfahrens hergestellten und zur Verbreitung bestimmten Schriften, besprochenen Tonträger, bildliehen Darstellungen mit und ohne Schrift und Musikalien mit Text oder Erläuterungen" 111 . Die Landespresserechtsgesetzgebung hat damit am weiten Pressebegriff festgehalten112• Die Presse im Rechtssinne erfaßt nicht nur die periodischen Druckwerke im Sinne des engeren Pressebegriffs113 , Die Landespressegesetze bauen unmittelbar auf dem ReichspreßG auf und erweitern dessen Definition der Druckschrift auch ausdrücklich auf diejenigen Institute, die wie der besprochene Tonträger ent106 Vgl. Häntzschel, ReichspreßG, § 2 Anm. 2 f ~; ders., Deutsches Preßrecht, S. 5. 101 a. A. allerdings Häntzschel, Deutsches Preßrecht, S. 5. 1os Vgl. Kitzinger, ReichspreßG, § 2 Anm. IV 3 b. 109 Vgl. Mannheim, Preßrecht, 1927, § 2 III 2. 11o Vgl. Mannheim, Preßrecht, § 2 F; Kitzinger, ReichspreßG, § 2 Anm. IV 3 b, § 3 Anm. III 2; Häntzschel, Deutsches Preßrecht, S. 5. 111 Vgl. § 7 I LPG; entsprechend auch § 2 I des Referentenentwurfs eines Bundespresserechtsrahmengesetzes in der Fassung vom 25. 7. 1974 (abgedruckt in RdA 74, 303). 112 Vgl. Löffler, Presserecht I, S. 103 Rdnr. 86, S. 157 Rdnr. 7; Presserecht li, § 1 LPG Rdnr. 33 ff., 36, § 7 Rdnr. 12 ff.; Scheer, Deutsches Presserecht, 1966, § 1 Erl. AI. 113 Vgl. näher und mit weiteren Nachweisen bes. Löffler, wie N. 112.
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wicklungsmäßig in den Pressebegriff hineingewachsen sind oder in diesen rechtliche Aufnahme gefunden haben. So fällt die besprochene oder besungene Schallplatte ebenso wie das besprochene oder besungene Tonband unter den Pressebegriff. Beide sind Tonträger im Sinne der Legaldefinition114, Andererseits soll der Film endgültig und folgerichtig nicht als Druckwerk gelten115. Das gleiche gilt im Einklang mit der bisherigen Rechtslage für die Rundfunksendungue. Unter der Verbreitung eines Druckwerks wird nach h. M. diejenige Tätigkeit verstanden, mittels deren das Druckwerk den Kreis seiner Hersteller verläßt und in seiner körperlichen Substanz einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht wird111. Bei akustischen Übertragungen · durch Schallplatte und Tonband sind diese Voraussetzungen nicht in Gestalt des Abspielens, sondern - und dies ist wichtig - nur in Gestalt der Übergabe der Substanz "Schallplatte" oder "Tonband" gegeben11B. Ebenso wie die Projektion von Filmen erfolgt das Abspielen von Schallplatten und Tonbändern "unkörperlich". Optische und akustische Projektion genügen m. a. W. dem rechtlichen Pressebegriff nicht119. Vergleicht man dies jedoch mit dem Vorlesen eines Buches o. ä. 120 , so wird die Folgerichtigkeit auch dieser Abgrenzung offenkundig. Teilweise hat man gegen die positiv-rechtliche Einbeziehung der Tonträger in den Pressbegriff freilich Einwände erhoben. So erklärt etwa U. Scheuner121, daß diese Entwicklung der Erhaltung der Grundtypik des Presserechts nicht dienlich sei; im gleichen Zusammenhang muß jedoch auch Scheuner zugeben, daß der Bereich der besprochenen Tonträger eine neue und schutzwürdige Form der Massenkommunikation darstelle122. 114 Vgl. Löffler, Presserecht I, S. 25, S. 83 Rdnr. 29, S. 87 Rdnr. 40, S. 103 Rdnr. 86, S. 156 Rdnr. 3; Presserecht II, Einl. Rdnr. 22, § 1 LPG Rdnr. 34, § 2 Rdnr. 27, § 7 Rdnr.12, 17 f., 33, § 12 Rdnr. 25; Scheer, Presserecht, § 7 Erl. A II 2; Rehmann- Ott- Storz, Das .baden-württembergische Gesetz über die Presse, 1964, § 7 Rdnr. 3. 115 Vgl. Scheer, Presserecht, 47 Erl. A II 3 e; Löffler, Presserecht II, § 7 LPG Rdnr. 24 (vgl. aber auch § 14 LPG Rdnr. 33). 116Vgl. Löffler, Presserecht II, § 7 LPG Rdnr. 24. 117 Vgl. Löffler, Presserecht I, S. 164 Rdnr. 29. 118 Vgl. Löffler, Presserecht II, § 7 LPG Rdnr. 24. 119 Vgl. Löffler, Presserecht I, S. 164 Rdnr. 29. 12o Auch hier liegt keine Verbreitung vor; vgl. Löffler, Presserecht I, S. 164 Rdnr. 29. . . 121 Vgl. VVDStRL 22, 67. 122 Vgl. VVDStRL 22, 67. 4 Scholz
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VII. Audio-visuelle Medien und Presse
Unabhängig von dieser- richtigen- Einsicht übersieht ein solcher Einwand noch den Umstand, daß die gesetzliche Aufnahme der Tonträger in den Pressebegriff keine neue Entwicklung einleitete und auch keinen Kontinuitätsbruch auslöste. Im Gegenteil, diese gesetzliche Regelung entsprach gerade der entwicklungsmäßig vorgegebenen Kontinuität; sie war folglich system- und typgerecht. e) Der weite Pressebegriff liegt zudem nicht nur dem Landespresserecht zugrunde. Er hat auch in alle anderen Gesetzgebungen Eingang gefunden, sofern diese nicht ausdrücklich Einschränkungen im Sinne eines engeren Pressebegriffs vornehmen123 • Am deutlichsten und zugleich wieder kontinuitätsgerecht offenbart sich dies am Strafrecht124 • Aus dem aufgezeigten Zusammenhang von verfassungsrechtlichem und unterverfassungsrechtlichem Pressebegriff folgt weiterhin, daß der weite Pressebegriff des Landespresserechts auch für die Verfassung, d. h. für Art. 5 I 2 GG und Art. 75 Nr. 2 GG maßgebend ist125. Denn der Verfassungsgeber hat in keiner Weise zu erkennen gegeben, daß er diesen, von ihm im Zeitpunkt der Verfassungsgebung vorgefundenen Pressebegriff einschränken oder modifizieren wollte. Im Gegenteil, die obigen Feststellungen sehen sich im Ergebnis vollends bestätigt. Der verfassungsrechtliche Pressebegriff erfaßt damit auch die besprochenen Tonträger. Denn nach dem Reichspresserecht fielen diese, wie gezeigt, bereits in den tatbestandliehen Bereich des Pressebegriffs. Die positiv-rechtliche Aufnahme der Tonträger in den Tatbestand des § 7 I LPG war kontinuitäts- und typgerecht. Ihr kam angesichts der vorangegangenen Entwicklung im Grunde mehr deklaratorischer als wirklich konstitutiver Bedeutungsgehalt zu. 3. Anwendung
a) Der verfassungs- wie unterverfassungsrechtlich maßgebende weite Pressebegriff ist nunmehr den audio-visuellen Medien und den von Vgl. Löffler, Presserecht I, S. 103 Rdnr. 86, S. 157 Rdnr. 7. Vgl. z. B. § 184 StGB; siehe näher zum ganzen, zugleich m. w. Nachw., Löffler, Presserecht I, S. 223 ff., 370 ff.; vgl. weiterhin entsprechend zu § 118 I 1 Nr. 2 BetrVerfG Dietz- Richardi, BetrVerfG, 5. Aufl. 1973, § 118 Rdnr. 41 f.; Birk, JZ 73, 753 (755 f.); ArbG Frankfurt am Main, NJW 75, 1533 (1534 f.). 12s Vgl. außer den Nachweisen oben zu 1 weiterhin Löffler, Presserecht I, S. 103 Rdnr. 86, S. 157 Rdnr. 7; Presserecht II, § 1 LPG Rdnr. 36, § 7 LPG Rdnr. 12 ff.; R. Groß, Grundzüge des deutschen Presserechts, S. 18 f. Nicht zutreffend ist die Begründung zum Referentenentwurf eines Bundespressegesetzes vom März 1952 (abgedruckt bei Lüders, Presse- und Rundfunkrecht, 1952, S. 266 [286 sub 5]). 123
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3. Anwendung
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ihnen bewirkten Wandlungen der Kommunikationsverfassung gegenüberzustellen. Die oben126 referierten, neueren Landespressegesetzgebungen haben die audio-visuellen Medien (teilweise) unter dem Begriff der "Bildträger" dem Pressebegriff zugeordnet. Ist diese Zuweisung kontinuitäts- und typgerecht, so würde ihr auch der verfassungsrechtliche Pressebegriff kraft seiner funktionalen Offenheit folgen. b) Von ihren typischen Aufgaben her stehen die audio-visuellen Medien der Presse nahe. Denn ihre kommunikative Medienfunktion unterscheidet sich nicht von der des Druckwerks im Sinne des weiten Pressebegriffs. Am deutlichsten wird dies am Vergleich mit den besprochenen Tonträgern Schallplatte und Tonband. Auch mechanisch bestehen zwischen Tonträgern im presserechtliehen Sinne und Bildträgern im audio-visuellen Sinne enge Verbindungen. Dies gilt namentlich oder jedenfalls für die Bildplatte. Denn ihre Wesensmerkmale - Aufzeichnung und Speicherung von Bild- und Tonsignalen auf Kunststoffplatten und mechanische (oder elektronische) Signalabtastung - gleichen denen der Schallplatte und ihrer Speicherung sowie Abtastung von Tonsignalen127• Anders verhält es sich dagegen mit dem Kassettenfilm. Er steht in seiner typischen Technik und Substanz dem Mediensystem Film ungleich näher als dem Mediensystem Presse. Andererseits gleicht die kommunikative Funktionstypik auch des Kassettenfilms der der Presse. Die gleiche Feststellung läßt sich jedoch für das Mediensystem des Films allgemein treffen. Deshalb kann allein von der Aufgabentypik her nicht auf die Gleichstellung von Presse und Kassettenfilm geschlossen werden. Soweit die audio-visuellen Medien die private (individuale) Programmaufzeichnung und -Speicherung durch Video-Recorder ermöglichen, steht dies einer Zuordnung der audio-visuellen Medien zum Pressebegriff nicht entgegen. Denn die Aufzeichnung und Speicherung erfolgt auf Band oder Film, d. h. über die üblichen "körperlichen" Kommunikationsmittel der audio-visuellen Medien, die ihrerseits wiederum als solche verbreitungsfähig sind. Wenn solche Programme vom Fernsehen übernommen werden, so besteht inhaltlich zwar ein unmittelbarer Bezug zum Rundfunk. Dieser schließt jedoch weder die Zuordnung zur Presse noch die zum Film aus. Denn beide Mediensysteme sind insoweit formal. Sie qualifizieren nicht nach dem materiellen Programminhalt und seiner kommunikationsmäßigen Herkunft; sie fragen vielmehr und allein, ob eine gedanklich-geistige Verlautbarung (Programmdarbietung) als solche vorliegt, gleichgültig, welchen Vgl. unter II 3. Vgl. näher (zum TED-Bildplattensystem) z. B. Summary 9th International Television Symposium, Montreux 1975, S. 112 f. 126
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VII. Audio-visuelle Medien und Presse
Inhalts diese im konkreten Falle ist und gleichgültig von welchem anderen Medienträger diese gegebenenfalls übernommen ist. Kammunikationsmäßig liegt die Besonderheit audio-visueller Aufzeichnungs- und Speicherungsmöglichkeiten überdies gerade darin, daß die Gelegenheiten individualer Kommunikations-, Programm- und Informationswahl vermehrt werden; und derartige Wahlmöglichkeiten individualer Entscheidung bilden ein typisches Wesensmerkmal gerade pressemäßiger Information und pressemäßiger Kommunikation. Funktionell entstehen durch individuales Aufzeichnen, Speichern und Abspielen von ("offiziellen") Fernsehsendungen zwar Formen einer integrierten Medienverfassung. Auch dies ist jedoch nichts grundlegend Neues. Denn für das Verhältnis von Tonträger und Rundfunk galt sChon bisher Entsprechendes. Wenn der einzelne bestimmte Rundfunksendungen mittels Tonbandes mitschneidet, so bleibt der benutzte Tonträger rechtlich doch Bestandteil des Mediensystems Presse. Nichts anderes kann im Grundsatz für den Bildträger gelten. Seine Differenz zur Presse liegt nicht im Verhältnis zum Fernsehen, sondern in seiner Affinität zum Begriffsfeld des Films begründet. c) Zur Presse ist auch die Faksimile-Zeitung zu rechnen. Denn sie erfüllt sämtliche Merkmale der Druckschrift im Sinne des Presserechts128. Daß die Herstellung der Faksimile-Zeitung mittels des Fernsehens erfolgt, spielt dabei - anders als bei der Bildschirmzeitung - keine Rolle. Man mag in beiden Fällen wieder von einer integrierten Medienverfassung bzw. von einer Komplementarität von Rundfunk und Presse sprechen129, rechtlich ist jedoch zu differenzieren. Und dies bedeutet, daß die Faksimile-Zeitung als verkörperlichtes Druckwerk der Presse und die Bildschirmzeitung als "flüchtiges", lediglich projiziertes Werk dem Rundfunk zufällt. Die Methoden und Herstellungsverfahren der Presse sind offen und entwicklungsfähig. Die Zukunft mag vollends - namentlich kraft Breitbandkommunikation - den elektronischen "Buchdruck" und die elektronische oder audio-visuelle Vermittlung von Druckwerken bewirken130, an der rechtlichen Zuordnung solcher Produkte zur Presse ändert sich nichts. Denn diese ist instrumentell ja nicht etwa auf die Mittel und Methoden der klassischen Buchdruckerkunst festgelegt. Auch die elektronische Zeitung usw. entspricht noch voll den Identitäts12s Vgl. Stammler, AfP 1975, 750 f.; Scharf, Kabelfernsehen, in: Bausch, Königsteiner Gespräche, S. 38 f.; vgl. wohl auch Hauff, Bulletin der Bundesregierung 1975, 485 (488). 129 Im letzteren Sinne vgl. Fuhr, Media-Perspektiven 1974, 197 (205). 130 Zu diesen Perspektiven vgl. z. B. Lenk, UFITA 1975, 142 f.; Fuhr, MediaPerspektiven 1974, 197 ff.
4. Ergebnis
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merkmalen des rechtlichen Pressebegriffs bzw. seiner funktionell maßgebenden Begriffstypik. Aus den gleichen Gründen kann die Faksimile-Zeitung nicht als Medium sui generis angesehen werden131 • Denn ihre funktionellen wie rechtlichen Verwandtschaften mit der Presse im überkommenen Sinne sind absolut dominant. Die Gegenauffassung verkennt die funktionale Offenheit des Pressebegriffs. 4. Ergebnis
Zusammenfassend ist demnach festzustellen, daß die audio-visuellen Medien ebenso wie zum Film, so auch zur Presse ressortieren können. Von Bildträger zu Bildträger variiert das Ergebnis. Wo die Bildplatte stärker zur Presse tendiert, dort neigt der Kassettenfilm stärker zum Film.
1s1 a. A. allerdings Ehmke, Media-Perspektiven 1973, 433 (442); ders., Die Zeit 1974/Nr. 13 (22. 3. 1974), s. 61.
c. VIII. Folgerungen 1. Materiell-rechtliche Bilanz
a) In der einfachen Gesetzgebung spiegelt sich diese medienspezifische Zuordnungsdivergenz im Gegensatz von UrhG einerseits und den neueren Pressegesetzen sowie dem StGB andererseits wider. Wo das Urheberrrecht die audio-visuellen Medien mehr dem Mediensystem Film zuordnet, dort weisen die bezeichneten Pressegesetze und das StGB die Bildträger dem Mediensystem Presse zu. Nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Abgrenzungskriterien wäre diejenige Zuordnung maßgebend, die die stärkste relative Gleichheit in typgerechter Weise herausarbeitete1• Hiernach ergibt sich indessen gleichfalls kein zwingendes Ergebnis. Denn die Bildträger verfügen in beiden Richtungen über intensive und gleich kräftige Gleichheitsbezüge. Beiden Mediensystemen fügen sich die Bildträger in typ- und identitäts- sowie auch kontinuitätsgerechter Weise ein. Ein stärkerer Bezug zum Film ergibt sich für den Betrachter, der auf das Verfahren der optischen Projektion als notwendigem Vermittlungsbestandteil der audio-visuellen Medien als primär abstellen wollte. Ein stärkerer Bezug zur Presse ergibt sich für den Betrachter, der mehr auf die körperliche Verfestigung und die in dieser Form verbreitungsfähige Natur von Kassettenfilm und Bildplatte abstellen wollte. Beide Betrachtungsansätze sind gleichermaßen legitim, weil sach- und funktionsgerecht. Film und Presse verfügen seit jeher über recht fließende Grenzkonturen, wie der schon zu Zeiten des ReichspreßG akute Streit um eine eventuelle Einordnung des Films unter den Begriff des presserechtliehen Druckwerks belegt. b) Der vorstehende Befund einer partiellen Offenheit in der Zuordnung der audiovisuellen Medien gilt für die unterverfassungsrechtlichen Begriffssysteme von Presse und Film ebenso wie für deren verfas1
Vgl. näher oben IV, V.
1. Materiell-rechtliche Bilanz
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sungsrechtliche Begriffssysteme. Denn da beide Begriffesebenen auf den gleichen Begriffsinhalten aufbauen, müssen sich auch die Folgerungen beider entsprechen. Bleibt die positive Zuordnung der audio-visuellen Medien damit noch partiell unbestimmt, so steht ihre negative Abgrenzung jedoch in zweierlei Richtung fest: Die audio-visuellen Medien gehören nicht zum Rundfunk und bilden weiterhin auch kein Mediensystem eigener Art. Denn ihre Affinität zu Film und Presse ist so stark, daß jede medienpolitische Drittzuweisung als systemwidrig auszuscheiden hat. In diesem negativen Abgrenzungssinne sind die Gesetzgebungen von UrhG, StGB und neueren Landespressegesetzen zunächst sach- und systemgerecht. Im positiven Abgrenzungssinne sind sie sach- und systemgerecht, weil sie die film- oder presserechtliehen Bezüge der audiovisuellen Medien aufnehmen oder definitorisch verfestigen. Eine Systemwidrigkeit könnte sich demgemäß nur insoweit ergeben, als diese Gesetzgebungen untereinander divergieren. Diese gegenseitige Divergenz ist indessen weder rechts- noch verfassungswidrig. Wenn die genannten Landesgesetzgeber die Bildträger der Presse zugeordnet haben, so waren sie hierzu aufgrund ihrer presserechtlichen Gesetzgebungskompetenz befugt. Im Einklang hiermit steht die Strafrechtsgesetzgebung des Bundes. Wenn diese die Bildträger als Druckschriften behandelt, so liegt dies - vom strafrechtlichen Regelungsthema (Kompetenzmaterie) her - im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Nr.l GG2. In besonderer Weise systemgerecht ist diese Gesetzgebung deshalb, weil sie mit der landesrechtliehen Presserechtsgesetzgebung inhaltlich übereinstimmt und gemeinsam mit dieser den medienpolitischen Ordnungszusammenhang wahrt. Daß jene Landespressegesetzgebungen ihrerseits erst der bundesrechtlichen Strafgesetzgebung gefolgt sind, spielt hierbei keine Rolle. Aus diesem Rahmen tritt äußerlich das Urheberrecht heraus, wenn es die Bildträger filmrechtlich qualifiziert. Andererseits hat sich diese Qualifikation als immanent vertretbar (Bild- und Tonträger als Instrumente der Vervielfältigung im urheber-, nicht presserechtliehen Sinne) und vom Rechtsgüterschutz des Urheberrechts her auch als sachgerechte Lösung erwiesen3 • Das UrhG unternimmt nicht den Versuch, die Bild- und Tonträger als solche bzw. als eigenständiges Kompetenzthema zu ordnen oder zu qualifizieren. Die filmrechtliche Qualifikation der Bildträger ist mehr 2 Vgl. schon oben li 3. s Vgl. bereits oben li 3.
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VIII. Folgerungen
akzessorischer Art. Rechtspolitisch würde sich eine Rechtsbereinigung zwar empfehlen; (verfassungs-)rechtlich zwingend ist diese jedoch nicht geboten, da die Rechtsfolgen von Presse- und Strafrecht einerseits sowie Urheberrecht andererseits sich nicht wechselseitig widersprechen oder gegenseitig relativieren. Alle drei Rechtskreise bestehen nebeneinander und funktionieren in gegenseitiger Unabhängigkeit dem jeweiligen Regelungsauftrag entsprechend. c) Der Bundesgesetzgeber ist zur Filmgesetzgebung zwar nur nach Maßgabe des Art. 75 Nr. 2 GG befugt. Kraft Sachzusammenhangs kann der Bundesgesetzgeber einzelne Aspekte aus dem thematischen Kompetenzbereich der Kommunikationsmittel aber auch im Rahmen des Urheberrechts gemäß Art. 73 Nr. 9 GG mitregeln. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits für das Verhältnis von Rundfunkprogramm und Urheberrecht anerkannt4 ; für das Verhältnis von Film und Urheberrecht kann nichts anderes gelten. Die Einordnung von Bildund auch Tonträgern durch das UrhG ist deshalb verfassungsgemäß. Sie wäre dies jedoch nicht, wenn die Einordnung und Qualifikation der Bildträger primärer und unmittelbarer Gesetzeszweck des UrhG wäre5 bzw. -und richtiger -wenn diese Einordnung und Qualifikation der Bildträger die primäre Funktion des UrhG wiedergäbe6 • Dies ist jedoch, wie gezeigt, nicht der Fall. Denn die filmrechtliche Einordnung und Qualifikation der Bildträger durch das UrhG ist lediglich akzessorischer Natur. Aus Gründen der Verfassungskonformität des UrhG hat es hiermit aber auch sein Bewenden. Die Gesetzgebungskompetenz des Art. 73 Nr. 9 GG trägt thematisch keine unmittelbare oder funktional-primäre Zuweisung der Bildträger zum Film mit entsprechendem Allgemeingültigkeitsanspruch. Die gleichen Grundsätze gelten für die Einordnungs- und Qualifikationsregelungen des Strafrechts. Auch die Kompetenzbestimmung des Art. 74 Nr. 1 GG ("Strafrecht") trägt keine unmittelbare oder primärfunktionale Regelung eines Kommunikationsmittels wie der Presse (Druckschrift) oder des Films7 • Verfolgten die fraglichen Vorschriften des StGB dennoch eine solche Regelung, so wären sie verfassungswidrig; oder positiv ausgedrückt: Vgl. BVerfGE 12, 205 (241). Vgl. BVerfGE 8, 143 (150). o Zu diesem Kriterium der Kompetenzabgrenzung vgl. Pestalozza, DÖV 72, 181 (183 ff.); Lerche, JZ 72, 471 ff.; ders., Fernsehabgabe und Bundeskompetenz, S. 35 f. 7 Zur Abgrenzung der Kompetenzen zum Presse- und Strafverfahrensrecht vgl. BVerfGE 7, 29 (39)- Verjährung von Pressedelikten- und BVerfGE 36, 193 (201 ff.) - Zeugnisverweigerungsrecht von Presseangehörigen -; zu diesem umstrittenen Problemkomplex vgl. zuletzt u. a. und weiterhin Schoene, NJW 75, 1544 ff. 4
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1. Materiell-rechtliche Bilanz
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Die betreffenden Vorschriften des StGB sind nur dann verfassungskonform, wenn sie sich, wie gesetzesinterpretativ bereits festgestellt, auf die mittelbare oder thematisch bloß akzessorische Qualifikation der Bildträger als "Schriften" beschränken. Konkret stellt sich weder im Falle des Urheberrechts noch im Falle des Strafrechts ein solcher Verfassungskonfl.ikt. Denn beide Gesetzgebungen beschränken ihren thematischen Regelungszweck in verfassungskonformer Weise. Die Überlegung eines solchen hypothetischen Verfassungskonflikts verdeutlicht jedoch die materiell-rechtlich abschließend zu ziehende Verfassungskonsequenz: Von Bundes wegen kann eine funktional-primäre Regelung der audio-visuellen Medien nur über die Rahmengesetzgebungskompetenz aus Art. 75 Nr. 2 GG erfolgen. Gesetzgebungen, die sich wie das UrhG und das StGB auf andere Gesetzgebungskompetenzen stützen, sind von Verfassungs wegen nicht geeignet, den medienrechtlichen Standort der audio-visuellen Medien verbindlich festzulegen 8 • Geeignet und imstande sind hierzu dagegen die Landespressegesetze. Denn die Länder sind im Rahmen ihrer presserechtliehen Vollgesetzgebungskompetenz auch zur thematisch abschließenden bzw. allgemeingültig-unmittelbaren (funktional-primären) Regelung, Qualifikation oder Definition auch der Bildträger - ebenso wie der Tonträger befugt9 • d) Als materiell-rechtliche Bilanz ist somit festzuhalten, daß die audio-visuellen Medien in jenen Bundesländern, die die Bildträger der Presse zugeordnet haben, verbindlich zur Presse gehören. In jenen Bundesländern, die bisher keine solche Regelung in Abänderung des jeweiligen § 7 I LPG erlassen haben, ist der materiell-rechtliche Standort der audio-visuellen Medien dagegen - mangels auch bundesrechtlicher Regelungen - noch offen.
B Zu diesem Verhältnis von Art. 75 Nr. 2 GG einerseits und den (thematisch insoweit beschränkten) Kompetenzkatalogen aus Art. 73, 74 GG vgl. BVerfGE 33, 52 (61); BVerwGE 45, 1 (3); BadWüVGH, DVBl 75, 261 (263 f.) m. Anm. von Pestalozza; Pestalozza, DÖV 72, 183 f. ; R. Groß, DVBl 66, 68; ders., DVBI 75, 236 ff.; Lerche, JZ 72, 469 ff.; Püttner, NJW 75, 813 (814 f.); H. Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen einer gesetzlichen Regelung des Pressewesens, S. 22 ff.; Bachof, in: Armbruster u. a., Pressefreiheit. Entwurf eines Gesetzes zum Schutze freier Meinungsbildung und Dokumentation des Arbeitskreises Pressefreiheit, 1970, S. 11 ff.; Roellecke, in: Armbruster u. a., s. 20 ff. 9 Zur Definitionskompetenz im Rahmen der Vollgesetzgebungskompetenz vgl. z. B. BVerfGE 22, 180 (203); vgl. auch z. B. BVerfGE 11, 105 (111 ff.); 29, 221 (233).
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VIII. Folgerungen 2. Kompetenzrechtliche Konsequenzen
a) Der medienrechtliche Standort der Bildträger ist demnach bisher nur teilweise und, soweit geschehen, nur landesrechtlich definiert (Zuordnung zum Presserecht durch Teile der Landespresserechtsgesetzgebung). Eine bundeseinheitliche Standortzuweisung der audio-visuellen Medien kann sowohl zum Presse- als auch zum Filmrecht erfolgen. Denn zu beiden Medienbereichen bestehen entsprechend enge Beziehungen bzw. entsprechend stark ausgebildete relative Gleichheiten. Da diese Sachbezüge der audio-visuellen Medien zu Presse und Film gleich intensiv sind, liegt die Entscheidung über die verbindliche Zuweisung beim zuständigen Gesetzgeber. Ihm steht es prinzipiell frei, die audiovisuellen Medien entweder dem einen oder dem anderen Bereich zuzuweisen. Wegen der damit zu konstatierenden Zwischenposition der audio-visuellen Medien (Position zwischen Presse und Film mit jeweils gleich starken Bezügen zu beiden Bereichen} wäre gesetzgeberisch auch an die Möglichkeit einer Anerkennung als Medium eigener Art zu denken. Sachlich spricht für diese Möglichkeit jedoch wenig. Denn eine tatsächliche Eigenständigkeit der audio-visuellen Medien gegenüber Presse und Film ist in keineswegs ausreichender Weise gegeben. Die funktionalen wie rechtlich-systematischen Affinitäten der audiovisuellen Medien zu Presse und Film überwiegen eindeutig die Differenzen zwischen audio-visuellen Medien einerseits und Presse bzw. Film andererseits. Deshalb sollte eine medienpolitisch selbständige Regelung der audio-visuellen Medien prinzipiell außer Betracht bleiben (auch rechtlich kein Mediensystem eigener Art). Eine solche Regelung würde überdies den presse- und/oder filmrechtlichen Kontext zum Landespresse-, Straf- und Urheberrecht sprengen. Die Rechtseinheit der gegebenen Medienrechte würde in sinnwidriger Weise aufgegeben. Unter dem Aspekt der gegebenenfalls maßgebenden Gesetzgebungskompetenz ist indessen auch diese Regelungsvariante im Auge zu behalten. b) Die medienrechtliche Standortbestimmung der Audio-Visionsträger ist kompetenzrechtlich als Kulturangelegenheit qualifiziert. Das bedeutet, daß die Landesgesetzgeber ebenso für eine presse- wie für eine filmrechtliche als auch für eine eigenständige Regelung der audiovisuellen Medien zuständig wären (Art. 70 I GG)10. c) Dem Bundesgesetzgeber steht eine vergleichbare Regelungszuständigkeit nach Maßgabe seiner Rahmengesetzgebungskompetenz aus 1o Zur Iandesgesetzgeberischen 10, 20 (36 f.); 12, 205 (229).
Kulturhoheit vgl. z. B. BVerfGE 6, 309 (354);
2. Kompetenzrechtliche Konsequenzen
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Art. 75 Nr. 2 GG zu. Hiernach kann der Bundesgesetzgeber "die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse und des Films" durch Rahmengesetz regeln. Die Rahmengesetzgebung unterscheidet sich von der Vollgesetzgebung freilich dadurch, daß sie den Ländern noch Raum für eine substantiell eigenständige Regelung belassen muß11 • Dieser Vorbehalt schließt andererseits "für einzelne Teile der Gesetzgebungsmaterie" eine "Vollregelung" dann nicht aus, wenn "sie im Zusammenhang eines Gesetzeswerks steht, das - als ganzes gesehen dem Landesgesetzgeber noch Spielraum läßt und darauf angelegt ist, von ihm aufgrund eigener Entschließung ausgefüllt zu werden" 12• Eine statthafte Vollregelung in diesem Sinne, die zu den "allgemeinen Rechtsverhältnissen" im Sinne des Art. 75 Nr. 2 GG13 gehört, bildet auch die begriffsmäßige Gegenstandsdefinition14 • Denn sie bildet eine der tatbestandsmäßigen Grundvoraussetzungen jeder gesetzlichen Grundordnung und jeden gesetzlichen Ordnungsanliegens; und sie beläßt zugleich den Ländern genügend Raum zur eigenständigen Ausführungsgesetzgebung. Oder anders ausgedrückt: Gerade die begriffliche Abgrenzung und Themendefinition bildet eine der maßgebenden Grundlagen für eine substantiell relevante Ausführungsgesetzgebung. Hieraus folgt, daß der Bundesgesetzgeber kraft eigener Kompetenz auch die definitorische Zuordnung und Standortbestimmung der audiovisuellen Medien zur Presse oder zum Film vornehmen darf. Eine Zuordnung der audio-visuellen Medien zur Presse könnte der Bundesgesetzgeber im beabsichtigten Presserechtsrahmengesetz vornehmen. Eine Zuordnung der audio-visuellen Medien zum Film könnte entweder in einem besonderen Filmrechtsrahmengesetz oder auch mittelbar im Presserechtsrahmengesetz mittels negativer Abgrenzung von Presse und Film erfolgen ("nicht als Druckschrift, sondern als Film gelten die Bildträger" o. ä.). Umgekehrt könnte auch in einem Filmrechts-'rahmengesetz mittels negativer Abgrenzung gegenüber der Presse 11 Vgl. BVerfGE 4, 115 (127 ff.); 7, 29 (41 f.); 7, 155 (161); 8, 186 (193); 25, 142 (151 f.); 36, 193 (202); vgl. weiterhin auch z. B. H. Schneider, Verfassungsrechtliche Grenzen einer gesetzlichen Regelung des Pressewesens, s. 20, 40. 12 BVerfGE 36, 202. 1s Zu diesem Tatbestandsmerkmal des Art. 75 Nr. 2 GG vgl. u. a. Löffler, Presserecht I, S. 63 ff.; Füchsl, Die Rahmenkompetenz des Bundes für die allgemeinen Rechtsverhältnisse des Films, S. 107 ff. ; R. Groß, DVBl 75, 241. 14 Vgl. für die presserechtliche Definitionskompetenz auch z. B. Löffler, Presserecht I, S. 64 Rdnr. 12 (betrifft Gegenstände gemäß § 7 I LPG); von Hase, Pressekompetenz und Kompetenzkonkurrenz, Diss. jur. Berlin 1973, s. 31.
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VIII. Folgerungen
verfahren werden. Sachgerechter wäre jedoch die positive Zuweisung der audio-visuellen Medien, sei es in einem Presserechtsrahmengesetz oder in einem Filmrechtsrahmengesetz. Dagegen fehlte dem Bundesgesetzgeber eine ausdrückliche Gesetzgebungskompetenz für den Fall, daß er die audio-visuellen Medien --sinn- und systemwidrig-als Mediensystem eigener Art zu qualifizieren beabsichtigte. Denn Art. 75 Nr. 2 GG eröffnet dem Bund keine allgemeine Rahmengesetzgebungskompetenz für alle Mediensysteme bzw. für die Medienverfassung insgesamt. Wegen der Nähe der audiovisuellen Medien zu Presse und Film wäre der Bundesgesetzgeber in diesem Falle aber noch kraft Sachzusammenhangs berechtigt, die audiovisuellen Medien im Presserechtsrahmengesetz oder auch in einem Filmrechtsrahmengesetz mit zu regeln. Denn die tatbestandliehe Nähe und gegebenenfalls systemwidrige Zernierung von audio-visuellen Medien einerseits und Presse oder Film andererseits formulieren einen tatbestandlieh so engen Konnex, daß der Ausnahmefall einer Bundesgesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs15 anzuerkennen wäre16• Eine solche Gesetzgebung hätte jedoch nicht nur aus bundesstaatliehen Gründen Ausnahme zu bleiben. Sie wäre vor allem aus materiellinhaltlichen Gründen nicht sach- und systemgerecht. Sach- und systemgerecht ist allein eine presse- oder filmrechtliche Regelung in unmittelbarer Wahrnehmung der einschlägigen Rahmengesetzgebungskompetenz aus Art. 75 Nr. 2 GG (positive Zuweisung der audio-visuellen Medien zu Presse oder Film). Entschiede sich der Bundesgesetzgeber für eine presserechtliche Zuweisung der audio-visuellen Medien, so wäre der inhaltliche Zusammenhang mit dem StGB und denjenigen Landespressegesetzen gewahrt, die die Bildträger bereits der Presse zugeordnet haben. Die anderen Bundesländer müßten dann im Wege der ausführenden Landespresserechtsgesetzgebung dieser Zuweisung folgen. Entschiede sich der Bundesgesetzgeber dagegen für eine filmrechtliche Qualifikation der audiovisuellen Medien, so träten jene Landespresserechtsgesetzgebungen außer Kraft, soweit sie die Bildträger bereits der Presse zugewiesen haben (Art. 31 GG). Im übrigen hätten auch hier entsprechende Ausführungsgesetze durch die bzw. jetzt sämtliche Länder zu folgen. 15 Zu deren Voraussetzungen vgl. bes. BVerfGE 3, 407 (421); 12, 237 ff.; 15, 1 (20); 26, 246 (256) ; 26, 281 (300); allgemein zum Problem der Gesetzgebungskompetenzkraft Sachzusammenhangs etc. vgl. bes. Bullinger, AöR 96, 237 ff.; Achterberg, AöR 86, 63 ff. 16 Vgl. in ähnlicher Fragestellung zum Rundfunkrecht auch BVerfGE 12, 241.
IX. Ergebnisse
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IX. Ergebnisse
I. 1. Die audio-visuellen Medien berühren sich in ihrem empirischen Grundbefund mit den kommunikativen Erscheinungs- und Wirkungsformen der Mediensysteme von Film, Presse und Rundfunk (Fernsehen). Die audio-visuellen Medien bilden rechtlich jedoch kein Mediensystem eigener Art. 2. Rechtlich relevante Affinitäten bestehen zwischen audio-visuellen Medien einerseits und Film sowie Presse andererseits. Keine rechtlich relevante Affinität besteht zwischen den audio-visuellen Medien und dem Rundfunk (Fernsehen). 3. Die bestehenden Gesetzesgrundlagen der audio-visuellen Medien ordnen diese als "Bildträger" entweder dem filmrechtlichen Medienbereich (so das UrhG) oder dem presserechtliehen Medienbereich (so einige Landespressegesetze und das StGB) zu. Sachlich sind diese Definitionen auch in ihrer äußeren Gegensätzlichkeit nicht illegitim oder systemwidrig. Denn der empirisch-tatsächliche Bezug und der medienpolitische Zusammenhang von audio-visuellen Medien und Film sowie von audio-visuellen Medien und Presse ist gleichermaßen gegeben (gleichrangiger Bezug der audio-visuellen Medien zum Filmwesen einerseits und zum Pressewesen andererseits). 4. Den bisherigen Gesetzgebungen zu den audio-visuellen Medien kommt kein definitorisch oder medienpolitisch abschließender Ordnungsgehalt zu: Im Falle des UrhG und des StGB fehlt es an der kompetenziell wie thematisch hinreichenden Grundlage. Im Falle der Landespresserechtsgesetzgebung handelt es sich um nur partielle Gesetzgebungen. Il.
5. Kompetenzrechtlich und medienpolitisch maßgebender Standort der audiovisuellen Medien sind die verfassungsrechtlichen Bestimmungen der Art. 5 I 2, 70 I und 75 Nr. 2 GG. 6. Maßgebende Begriffsgrundlage zur Einordnung und kompetenzgerechten Regelung der audio-visuellen Medien ist der verfassungsrechtliche "Presse"- und der verfassungsrechtliche "Film"begriff in Art. 5 I GG (Begriffsidentität mit Art. 75 Nr. 2 GG). 7. Der verfassungsrechtliche "Presse"- und der verfassungsrechtliche "Film"begriff i. S. d. Art. 5 I 2 GG sind teilweise historisch vorgeformt,
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IX. Ergebnisse
teilweise unterverfassungsrechtlich konkretisiert. Entscheidend ist jedoch das der grundgesetzliehen Kommunikationsverfassung insgesamt eigentümliche Prinzip der funktionalen Offenheit gegenüber der sozialen und technischen Medienentwicklung. 8. Hiernach ist der verfassungsrechtliche "Film"begriff ebenso wie der verfassungsrechtliche "Presse"begriff geeignet, den Tatbestand der audio-visuellen Medien rechtlich aufzunehmen (audio-visuelle Medien entweder als filmrechtliche Bild- und Tonfolge oder als "Druckschrift" im presserechtliehen Sinne, vergleichbar den Tonträgern). III. 9. Der zuständige Gesetzgeber kann die audio-visuellen Medien sowohl dem Bereich "Film" als auch dem Bereich "Presse" zuordnen. Beide Qualifikationen wären systemgerecht, weil beide der Regel von der relativ stärksten Tatbestandsgleichheit genügten. 10. Die Bundesländer sind gesetzgeberisch zur Regelung und medienpolitischen Einordnung der audio-visuellen Medien im Rahmen ihrer kulturrechtlichen Gesetzgebungskompetenz berechtigt (Landespresseund/oder Landesfilmgesetzgebung gemäß Art. 70 I GG). 11. Der Bundesgesetzgeber ist zur Regelung und medienpolitischen Einordnung der audio-visuellen Medien nach Maßgabe seiner Rahmengesetzgebungskompetenz aus Art. 75 Nr. 2 GG berechtigt (Bundespresserechtsrahmengesetz oder Bundesfilmrechtsrahmengesetz). 12. Landes- und Bundesgesetzgebungskompetenz entsprechen sich inhaltlich, soweit es um die Befugnis zur medienpolitischen Qualifikation und medienrechtlichen Definition der audio-visuellen Medien geht (Zuweisung entweder zum Bereich Presse oder zum Bereich Film). Auch die Rahmengesetzgebungskompetenz aus Art. 75 Nr. 2 GG gestattet dem Bundesgesetzgeber eine derartige (partielle) Vollrechtsregelung.