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German Pages 225 Year 2017
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 340
Arbeitnehmersolidarkassen im Betrieb Von
Dirk Selzer
Duncker & Humblot · Berlin
DIRK SELZER
Arbeitnehmersolidarkassen im Betrieb
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Matthias Jacobs, Hamburg Prof. Dr. Rüdiger Krause, Göttingen Prof. Dr. Sebastian Krebber, Freiburg Prof. Dr. Thomas Lobinger, Heidelberg Prof. Dr. Markus Stoffels, Heidelberg Prof. Dr. Raimund Waltermann, Bonn
Band 340
Arbeitnehmersolidarkassen im Betrieb
Von
Dirk Selzer
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2016 als Dissertation angenommen.
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Für meinen Vater
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2015/2016 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis Ende 2016 berücksichtigt. Besonders danke ich meinem Lehrer und Doktorvater Herrn Professor Dr. Richard Giesen für die hervorragende Betreuung der Arbeit und seine wissenschaftliche und persönliche Unterstützung während meiner Tätigkeit als Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl. Er hat mich stets umfassend gefördert. Für seine Anregungen und Ratschläge bin ich sehr dankbar. Für die Erstellung des Zweitgutachtens danke ich Herrn Professor Dr. Volker Rieble. Meinen lieben Kollegen im Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht, Herrn Dr. Thomas Rothballer und Herrn Dr. Reimo Richarz, danke ich für ihre Freundschaft und den fachlichen Austausch. Bedanken möchte ich mich bei meinem früheren Arbeitskollegen Herrn Prof. Dr. Sebastian Kolbe für seine unermüdliche Gesprächsbereitschaft während der Erstellung der Arbeit und seine wertvollen Anregungen. Besonders danke ich meinem Vater, Helmut Selzer, der mich stets nach Kräften unterstützt und meine akademische Ausbildung ermöglicht und gefördert hat. Ihm widme ich diese Arbeit. Aus tiefstem Herzen danke ich meiner Frau Katharina für ihre Liebe, ihre Unterstützung und ihren Zuspruch. Ohne sie wäre mein Leben ein anderes. München, im Januar 2017
Dirk Selzer
Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht
§ 1 Arbeitnehmersolidarität im Betrieb und soziale Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 A. Struktur der Solidarkasse von Arbeitnehmern im Betrieb .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Solidarkasse und sozialer Zweck im Betriebskontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Grundstruktur und Begriff „Solidarkasse“ . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 III. Sterbekasse als „Leitmodell“ der Untersuchung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Sonstige Kassenmodelle . ............................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 C. Solidarkassen und ihre bisherige rechtliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG . ........................ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 II. § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG . ..................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 III. § 2 ArbGG . ....................................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 IV. „Selbsthilfeeinrichtungen“ in weiteren Vorschriften .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 D. Der Begriff Arbeitnehmersolidarkasse als Gegenstand der Untersuchung .. . . . . . 39 § 2 Einordnung der Arbeitnehmersolidarkassen in das Betriebsverfassungsrecht . 43 A. Einführung: Arbeitgebersozialleistung versus autonome Arbeitnehmersolidarität. . .................................................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 B. Arbeitnehmersolidarkassen als Sozialeinrichtungenim Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG . ........................................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Zum Begriff der Sozialeinrichtung nach Rechtsprechung und Literatur .. 46 II. Sozialer Zweck und begünstigte Personen . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 III. Die Arbeitnehmersolidarkasse als Sozialeinrichtung nach Rechtsprechung und Literatur . ......................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 IV. Untaugliche Kriterien für das Bestehen einer Sozialeinrichtung . . . . . . . . . . 68 V. Taugliche Kriterien für das Bestehen einer Sozialeinrichtung . . . . . . . . . . . . . 108 C. Fallgruppenbildung zur Sterbekasse im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 I. Sterbekasse als autonome Arbeitnehmersolidarkasse .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 II. Freiwillige Mitbestimmung bei nicht in Geld bestehenden Leistungen des Arbeitgebers .................................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 III. Geldzahlungen an eine bestehende Arbeitnehmersolidarkasse . . . . . . . . . . . . 146 IV. Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG bei Gründung der Sterbekasse durch den Arbeitgeber . ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 V. Mitbestimmungsrechtliche Einordnung von Sterbekassen bei gemeinschaftlichem Handeln von Arbeitgeber, Arbeitnehmern oder Betriebsrat 149 VI. Auswirkungen veränderter Verteilungsnotwendigkeit der Mittel einer Sterbekasse . ...................................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 D. Zur Handlungs- und Regelungskompetenz des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. Grundsatz: Bestehende Regelungskompetenz der Betriebspartner .. . . . . . . 151 II. Ausgewählte Regelungen im Einzelnen . ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
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Inhaltsübersicht
§ 3 Einordnung in das Recht der betrieblichen Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 A. Zusage der betrieblichen Altersversorgung gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG .. . . 161 I. Nur unmittelbare Versorgungszusage relevant .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 II. Finanzierung der Versorgungsleistung ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 III. Aus Anlass des Arbeitsverhältnisses ... ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 IV. Biologisches Ereignis . ................... ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 V. Versorgung ................................ ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 VI. Haftung des Arbeitgebers gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG analog? . . . . . . 167 B. Ergebnis ................................................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 § 4 Versicherungsaufsichtsrechtliche Einordnung ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A. Zu versicherndes Risiko ....................... ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 B. Betrieb von Versicherungsgeschäften durch ein Unternehmen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 § 5 Einordnung in das Bürgerliche Recht ......... ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 A. Rechtsform der Arbeitnehmersolidarkasse .. ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 I. Verein und BGB-Gesellschaft . ......... ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 II. Besonderheiten durch die Beteiligung von Arbeitgeber oder Betriebsrat? 173 B. Einzelfragen am Beispiel der Sterbekasse ............ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 I. Ausschluss des Anspruchs auf Sterbegeldzahlung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 II. Gestaltung einer entdeckten Arbeitnehmersolidarkasse durch Betriebsvereinbarung? ............................ ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 § 6 Einordnung in das Steuer- und Sozialversicherungsrecht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 A. Körperschaftsteuer .. ........................... ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 I. Steuerpflicht . ...................................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II. Steuerbefreiung .......................... ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 B. Einkommensteuer und sozialversicherungsrechtliche Verbeitragung .. . . . . . . . . . . 188 I. Allgemeine Fragen . ............................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 II. Sonderfrage: Die Zahlung des Sterbegeldes als steuerbarer und zu verbeitragender Zufluss beim Arbeitnehmer? ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 C. Umsatz- und Versicherungsteuer ............. ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 I. Arbeitnehmer als Leistender gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG? . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Die Sterbekasse als Leistender gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG? . . . . . . . . . . . . 200 III. Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 10a UStG ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 IV. Die Beitragszahlung an Arbeitnehmersolidarkassen als Versicherungsentgelt im Sinne des VersStG? . . ........ ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 § 7 Ergebnisse .......................................... ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Literaturverzeichnis ................................... ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Sachwortregister . ............................................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
§ 1 Arbeitnehmersolidarität im Betrieb und soziale Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 A. Struktur der Solidarkasse von Arbeitnehmern im Betrieb .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Solidarkasse und sozialer Zweck im Betriebskontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Grundstruktur und Begriff „Solidarkasse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 III. Sterbekasse als „Leitmodell“ der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. Arbeitgebersozialkasse und Arbeitnehmersolidarkasse .. . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Struktur der Sterbekasse als Arbeitnehmersolidarkasse . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 B. Sonstige Kassenmodelle .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 C. Solidarkassen und ihre bisherige rechtliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 II. § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 III. § 2 ArbGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 IV. „Selbsthilfeeinrichtungen“ in weiteren Vorschriften .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Sozial- und Selbsthilfeeinrichtungen im Privatisierungsrecht der Deutschen Bahn und der Deutschen Post . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 15 Abs. 2 BEZNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 26 Abs. 6 BAPostG plus Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) §§ 125 ff. SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 100 Abs. 1 Nr. 4 BBG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 13 Abs. 1 StBerG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Selbsthilfe im Sozialrecht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gesetzlich nicht geregelte Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Der Begriff Arbeitnehmersolidarkasse als Gegenstand der Untersuchung .. . . . . . . . .
33 33 35 35 37 37 38 38 38 39
§ 2 Einordnung der Arbeitnehmersolidarkassen in das Betriebsverfassungsrecht . 43 A. Einführung: Arbeitgebersozialleistung versus autonome Arbeitnehmersolidarität .. 43 B. Arbeitnehmersolidarkassen als Sozialeinrichtungenim Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Zum Begriff der Sozialeinrichtung nach Rechtsprechung und Literatur . . . . . 46 1. Zweckgebundenes Sondervermögen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Verhältnis zu § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3. „Organisation“ als Merkmal der Sozialeinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
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Inhaltsverzeichnis II. Sozialer Zweck und begünstigte Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Sozialer Zweck als gemeinsames Merkmal von Arbeitnehmersolidarkasse und Sozialeinrichtung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebsbezug der Sozialleistung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachlich .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Persönlich .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Arbeitnehmersolidarkasse als Sozialeinrichtung nach Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49 50 50 51 52
1. Einführung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Der vom Arbeitgeber herbeigeführte Sozialvorteil in der Rechtsprechung des BAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Gründe für das Bestehen einer Sozialeinrichtung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 aa) Überlassen von Mobiliar und Räumlichkeiten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 bb) Abstellen von Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 cc) Anforderungen an die Organisation und Verwaltung der Kantine. 55 b) Vergleich mit dem Modell „Sterbekasse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 aa) Selbständige Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 bb) Abstellen von Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 cc) Finanzielle Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 dd) Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (1) Sterbekassen gleich Sozialeinrichtungen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (2) Zur Einordnung der Arbeitgeberleistung als Unterstützung einer Arbeitnehmersolidarkasse .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (3) Zum Umfang der Arbeitgeberleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3. Weitere Rechtsprechung der Arbeitsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4. Der „richtungsweisende Einfluss“ der Dienststelle nach der Rechtsprechung des BVerwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Bezug zu einem Handeln des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Abgestufter Umfang der Verwaltung durch die Dienststelle . . . . . . . . . . 59 c) Vergleich mit der Kantinenentscheidung des BAG übertragen auf das Modell Sterbekasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 d) Alleinverwaltung durch Personalrat? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 5. Das Maß der Einflussnahme in der Literatur zum BetrVG . . . . . . . . . . . . . . 64 a) Rechtliche Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 b) Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 6. Rückbesinnung auf Sinn und Zweck der Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Schutz und Teilhabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Verteilungsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 IV. Untaugliche Kriterien für das Bestehen einer Sozialeinrichtung . . . . . . . . . . . . . 68 1. Vorschlag und Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Inhaltsverzeichnis
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2. Bestehen einer Betriebsvereinbarung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 b) § 88 Nr. 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 c) Fehlerhafter Schluss vom Bestehen einer Betriebsvereinbarung auf die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 d) Keine Regelungsbefugnis zur Gestaltung autonomer Arbeitnehmersoli darkassen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 e) Ergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Mitgliedschaft der Arbeitnehmer durch Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Unzulässigkeit heteronomer Mitgliedschaften .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 aa) Der Schluss von der Mitgliedschaft auf die Existenz einer Sozialeinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 bb) Unzulässige Lohnverwendungsabrede bei Pflicht zur Zahlung eines Mitgliedsbeitrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (1) § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 (2) § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (3) Verstoß gegen Binnenschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (a) Materielle Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (b) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (d) Kontrollüberlegung: Opting-Out-Klauseln bei der betrieblichen Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (e) Hilfsweise: Günstigkeit und Tarifvorbehalt . . . . . . . . . . . . . 87 b) Ergebnis: Zulässigkeit autonomer Mitgliedschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 4. Finanzierung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) Notwendigkeit von Sozialmitteln des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Finanzierungskriterium nur zur Einordnung von Arbeitnehmersolidar kassen? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 aa) Mittelneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (1) Beispiel Sterbekasse als Sozialeinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (2) Beispiel Betriebskantine .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (3) Anwendung der Grundsätze auf die Sterbekasse . . . . . . . . . . . . . 96 bb) Mittelumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 c) Ergebnis: Sozialeinrichtung unabhängig von einer Arbeitgeberfinanzierung möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 5. Arbeitgeberwille und Errichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Zum Begriff der Errichtung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Errichtung als Indiz für das Bestehen einer Sozialeinrichtung? . . . . . . . 101 aa) Errichtung und Unterstützung: Das Problem der Abgrenzung im Tatsächlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 bb) Zwischenergebnis: Kongruenz von Errichtung und Unterstützung. 104
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Inhaltsverzeichnis cc) Zusammenhang von Errichtung und Einfluss des Arbeitgebers auf die Mittelverteilung eigener Sozialleistungen . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Taugliche Kriterien für das Bestehen einer Sozialeinrichtung . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Arbeitgebersozialleistungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Arbeitnehmer verteilen eigene Gelder untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Arbeitgebersozialleistungen, die nicht in Geld bestehen . . . . . . . . . . . . . . 108 c) Arbeitnehmer finanzieren, ohne selbst zu verteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 aa) Einfluss der Arbeitgeberleistung auf die Sterbegeldzahlung . . . . 111 bb) Übertragung der Grundsätze auf Beispiele zur Sterbekasse . . . . . 112 cc) Verhalten des Arbeitgebers „innerhalb“ einer bereits errichteten rechtsfähigen Arbeitnehmersolidarkasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 d) Arbeitgebersozialleistung auch bei durch Arbeitnehmer gegründeten Solidarkassen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 e) Zum Vermögenswert des Vorteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Verselbständigte und auf Dauer angelegte Gesamtheit von Sozialmitteln . 120 a) Spontansammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b) Auf Dauer angelegte Solidarkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 aa) Zivilrechtliche Rechtssubjektivität unbeachtlich . . . . . . . . . . . . . . . . 121 bb) Anforderungen an die betriebsverfassungsrechtlich relevante Verselbständigung von Sozialmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Verteilungsmacht des Arbeitgebers .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Ausganspunkt: Die privatautonome Arbeitgeberentscheidung . . . . . . . . 123 b) Die These vom Fehlen einer Sozialeinrichtung bei Alleinbestimmung der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Unterscheide: Mitbestimmungsgegenstand und Mitbestimmungs ausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 bb) Beispiel einer Sterbekasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 cc) Maßgeblicher Zeitpunkt der Errichtung einer Sozialeinrichtung . 126 dd) Irrelevant: Das Maß der Einflussnahme des Arbeitgebers in einer bestehenden Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 c) Gegenthese: Die Forderung nach einem richtungsweisenden Einfluss auf die Einrichtung am Beispiel der Rechtsprechung des BVerwG .. . . 130 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 e) Bezugspunkt der Verteilungsmacht: Die Arbeitgebersozialleistung . . . 132 aa) Zum Hauptanwendungsfall in der Praxis: Die Sterbekasse . . . . . . 133 bb) Verteilungsmacht bei Leistung eigener Sozialmittel des Arbeitgebers .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (1) Bei noch nicht bestehender Arbeitnehmersolidarkasse . . . . . . . 135 (2) Bei schon bestehender Arbeitnehmersolidarkasse . . . . . . . . . . . . 136 (a) Maßgeblich: Verteilungsentscheidung des Arbeitgebers . 136
Inhaltsverzeichnis (b) Abgrenzung von § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG .. (c) Grenze der Mitbestimmung: Arbeitnehmerautonomie .. cc) Verteilungsmacht bei Finanzierung durch Arbeitnehmer .. . . . . . . (1) Arbeitgeberbestimmte Verteilungsordnung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kontrollüberlegung: Betriebliche Altersversorgung . . . . . . . . . . (3) Folgen für das Beispiel der Sterbekasse .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Verteilungsnotwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Fallgruppenbildung zur Sterbekasse im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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136 139 141 141 142 143 144 144
I. Sterbekasse als autonome Arbeitnehmersolidarkasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 II. Freiwillige Mitbestimmung bei nicht in Geld bestehenden Leistungen des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 III. Geldzahlungen an eine bestehende Arbeitnehmersolidarkasse .. . . . . . . . . . . . . . 146 1. Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG bei Geldzahlungen an die Kasse .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei Geldzahlungen aus laufendem Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 IV. Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG bei Gründung der Sterbekasse durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 V. Mitbestimmungsrechtliche Einordnung von Sterbekassen bei gemeinschaftlichem Handeln von Arbeitgeber, Arbeitnehmern oder Betriebsrat . . . . . . . . . . 149 VI. Auswirkungen veränderter Verteilungsnotwendigkeit der Mittel einer Sterbekasse .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 D. Zur Handlungs- und Regelungskompetenz des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. Grundsatz: Bestehende Regelungskompetenz der Betriebspartner . . . . . . . . . . . 151 II. Ausgewählte Regelungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. 2. 3. 4.
Heteronome Mitgliedschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsetzungsnotwendigkeit bei der Gestaltung von Sozialeinrichtungen . Personelle Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Verwaltung der Arbeitnehmersolidarkasse durch den Betriebsrat . . . a) Grundsätze zur Rechts- und Vermögensfähigkeit des Betriebsrats . . . . b) Handeln außerhalb des übertragenen Wirkungskreises .. . . . . . . . . . . . . . . aa) Wirksames Handeln wegen einer sittlichen Pflicht . . . . . . . . . . . . . . bb) Problem: Handeln als Betriebsratsmitglied oder als natürliche Person ohne Betriebsratsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Problem: Eigenmächtige Gründung einer Sterbekasse durch den Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Handeln innerhalb des übertragenen Wirkungskreises . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 3 Einordnung in das Recht der betrieblichen Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 A. Zusage der betrieblichen Altersversorgung gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG . . . . . . . 161 I. Nur unmittelbare Versorgungszusage relevant .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
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Inhaltsverzeichnis II. Finanzierung der Versorgungsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 III. Aus Anlass des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 IV. Biologisches Ereignis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 V. Versorgung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 VI. Haftung des Arbeitgebers gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG analog? . . . . . . . . . 167
B. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 § 4 Versicherungsaufsichtsrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A. Zu versicherndes Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 B. Betrieb von Versicherungsgeschäften durch ein Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 § 5 Einordnung in das Bürgerliche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 A. Rechtsform der Arbeitnehmersolidarkasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 I. Verein und BGB-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Spontansammlungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Auf Dauer angelegte Solidarkassen: Beispiel Sterbekasse . . . . . . . . . . . . . . . 172 II. Besonderheiten durch die Beteiligung von Arbeitgeber oder Betriebsrat? . . . 173 B. Einzelfragen am Beispiel der Sterbekasse .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 I. Ausschluss des Anspruchs auf Sterbegeldzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Sterbekasse als autonome Arbeitnehmersolidarkasse .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslegung des ausdrücklichen Anspruchsausschlusses . . . . . . . . . . . . . . . b) Auslegung bei fehlendem Anspruchsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Praktischer Hinweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sterbekasse als Sozialeinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gestaltung einer entdeckten Arbeitnehmersolidarkasse durch Betriebsverein barung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 6 Einordnung in das Steuer- und Sozialversicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 A. Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 I. Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Arbeitnehmersolidarkassen als Vereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arbeitnehmersolidarkassen als Zweckvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beispiel: Die vom Betriebsrat zu Gunsten der Arbeitnehmer betriebene Kantine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 5 Abs. 1 Nr. 4 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Direkte Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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b) Analoge Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 B. Einkommensteuer und sozialversicherungsrechtliche Verbeitragung .. . . . . . . . . . . . . . 188 I. Allgemeine Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Einführung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Leistungen des Arbeitgebers als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG 189 3. Sozialleistungen im Zusammenhang mit Arbeitnehmersolidarkassen als Einkünfte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG, § 19 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 4. Sozialleistungen im Zusammenhang mit Arbeitnehmersolidarkassen als Arbeitsentgelt gemäß § 14 SGB IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 5. Arbeitnehmerbeiträge an Solidarkassen als Werbungskosten gemäß § 9 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 6. Arbeitnehmerbeiträge an Solidarkassen als Sonderausgaben gemäß §§ 10ff. EStG .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 II. Sonderfrage: Die Zahlung des Sterbegeldes als steuerbarer und zu verbeitragender Zufluss beim Arbeitnehmer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Einzahlungsphase .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 a) Zahlungen des Arbeitgebers aus dem Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer. 192 b) Zahlungen des Arbeitgebers aus eigenem Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Auszahlungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Arbeitnehmerfinanziert .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 aa) Hinterbliebene des Arbeitnehmers und Betriebsrentner als Begünstigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (1) § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (2) § 14 SGB IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (3) § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (4) § 22 EStG .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (5) § 18a SGB IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 bb) Arbeitnehmer als Begünstigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 b) Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 aa) Ermittlung der steuerbaren und zu verbeitragenden Einnahmen . 197 bb) Durchführung des Lohnsteuerabzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 cc) Versorgungsfreibetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 C. Umsatz- und Versicherungsteuer .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 I. Arbeitnehmer als Leistender gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG? . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Die Sterbekasse als Leistender gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG? . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Treuhandmodell .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Vereinsmodell .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 III. Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 10a UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 IV. Die Beitragszahlung an Arbeitnehmersolidarkassen als Versicherungsentgelt im Sinne des VersStG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Steuerpflicht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
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Inhaltsverzeichnis 2. Steuerbefreiung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3. Steuerschuldner und Steuerentrichtungsschuldner .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
§ 7 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Sachwortregister .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
§ 1 Arbeitnehmersolidarität im Betrieb und soziale Kassen Es ist nicht neu, dass sich Arbeitnehmer in einem Betrieb zusammentun, um einander in Notfällen zu unterstützen. Gut überliefert ist dieses Phänomen seit der Industrialisierung. Bereits ab Mitte des 18. Jahrhunderts gründeten Arbeitnehmer in ihren Betrieben soziale Kassen.1 Ihre Motivation ergab sich aus einem Willen zur Selbsthilfe.2 Krankheit, Behinderung oder Tod waren oft als Konsequenz der harten Arbeitsbedingungen zu beobachten, die die Industrialisierung mit sich brachte. Zur Abmilderung der Folgen entstanden sowohl auf betrieblicher als auch auf überbetrieblicher Ebene vielfältige Solidargemeinschaften.3 Besonders häufig wurden „Sterbekassen“, „Invalidenkassen“, „Unfallkassen“, „Witwenkassen“ und „Waisenkassen“ gegründet.4 In vielen Fällen sind sie Vorläufer von heutigen Sterbekassen, Lebens- und Sterbegeldversicherungen sowie Betriebskrankenkassen.5 Viele Einrichtungen werden daher längst in anerkannten Rechtsformen betrieben. Die Sterbekassen beispielsweise sind überwiegend als Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit gegründet oder in diese Rechtsform überführt worden.6 Sofern kein Zwang zur Wahl einer bestimmen Rechtsform – wie etwa nach dem Versi1 Teuteberg, Geschichte der industriellen Mitbestimmung in Deutschland, S. 153 ff.; Willoweit, JuS 1977, S. 573, S. 576 f.; Kaelble, Berliner Unternehmer während der frühen Industrialisierung, S. 180 ff.; Matis, Von der frühen Industrialisierung zum Computerzeitalter, S. 21 ff.; Banken, Die Industrialisierung der Saarregion 1815 – 1914, S. 110 ff., insbesondere Fn. 324; Keup, Resilienzentwicklung durch Selbsthilfe, S. 13. 2 Reichold, Betriebsverfassung als Sozialprivatrecht, S. 25; Keup, Resilienzentwicklung durch Selbsthilfe, S. 13; Riemer, Staatengemeinschaftliche Solidarität in der Völkerrechtsordnung, S. 7 ff. 3 Teuteberg, Geschichte der industriellen Mitbestimmung in Deutschland, S. 153 ff.; Lahr, Die Mittelrheingemeinden Heinbach, Weis und Gladbach zwischen Grundherrschaft und Industrialisierung 1680 – 1880, S. 441 ff.; Ebel, Quellennachweis und Bibliographie zur Geschichte des Versicherungsrechts in Deutschland; Matis, Von der frühen Industrialisierung zum Computerzeitalter, S. 21 ff.; Riemer, Staatengemeinschaftliche Solidarität in der Völkerrechtsordnung, S. 7 ff.; Keup, Resilienzentwicklung durch Selbsthilfe, S. 13. 4 Teuteberg, Geschichte der industriellen Mitbestimmung in Deutschland, S. 153 ff. 5 Als Beispiel siehe Bayer Beistandskasse unter http://www.bayerbeistandskasse.de/de/ wir-ueber-uns/geschichte.html, zuletzt abgerufen am 15. 12. 2016. Am 16. Mai 1923 gründeten 126 Angestellte als Vorläufer der heutigen Bayer Beistandskasse, die als kleiner Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit geführt wird, die „Sterbehilfskasse der Angestellten“. 6 „Liste der Sterbekassen mit Geschäftstätigkeit“ der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unter http://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Liste/Unternehmensdatenbank/dl_li_vu_sterbekassen_mit_gesch.html, zuletzt abgerufen am 15. 12. 2016.
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§ 1 Arbeitnehmersolidarität im Betrieb und soziale Kassen
cherungsaufsichtsgesetz (VAG) – besteht, lässt sich eine soziale Kasse rechtlich unterschiedlich gestalten. Doch bestehen und entstehen in Betrieben nach wie vor soziale Kassen, die rechtlich noch nicht hinreichend gewürdigt wurden. Dies beginnt damit, dass unerklärt ist, wem in der Kasse angehäuftes Vermögen rechtlich zuzuordnen ist, natürlichen Personen, Personengemeinschaften oder juristischen Personen. Es ist fraglich, in welcher Rechtsform diese sozialen Kassen betrieben werden. Da sie regelmäßig nicht in Handels- oder Vereinsregister eingetragen sind, lässt auch ein Blick in diese Register keine Rückschlüsse darauf zu, welche Rechtsform besteht. Außerdem benennen die Kassengründer die gewünschte Rechtssubjektivität nicht ausdrücklich. Gründung sowie Existenz werden mehr oder weniger als selbstverständlich hingenommen. Neben bekannten und anerkannten Formen sozialer Leistungen und Einrichtungen im Betrieb führen sie in rechtlicher Hinsicht ein Schattendasein. Bevor einzelne diesbezügliche rechtliche Probleme besprochen werden können, ist das Phänomen „soziale Kasse“ im Betrieb näher zu beschreiben, um eine rechtstatsächliche Grundlage der weiteren Untersuchung festzulegen. Insbesondere ist zu zeigen, welche sozialen Kassen Gegenstand der folgenden rechtswissenschaftlichen Betrachtung sind.
A. Struktur der Solidarkasse von Arbeitnehmern im Betrieb I. Solidarkasse und sozialer Zweck im Betriebskontext In der Praxis finden sich vielfältige Erscheinungsformen und Bezeichnungen von sozialen Kassen im Betrieb. Versteht man unter „sozialer Kasse“ zunächst einmal, dass finanzielle Mittel aufgebracht und gesammelt werden, um einen sozialen Zweck zu fördern, sind eine Menge sozialer Kassen denkbar.7 Das beginnt bereits mit der inhaltlichen Weite des Begriffs „sozial“. Die Arbeitsrechtsdogmatik erkennt heutzutage in den Begriffen „Entgelt“ und „Sozialbzw. Fürsorgeleistung“ keinen Gegensatz mehr.8 Einer finanziellen Leistung ist damit nicht automatisch deswegen der soziale Charakter genommen, weil sie auch oder zugleich Entgeltcharakter hat. Eine Geldzahlung dient nur dann keinem sozialen Zweck, wenn sie im Synallagma zur Arbeitsleistung steht oder lediglich vom Arbeitnehmer gemachte Aufwendungen oder erlittene Schäden ausgleichen soll.9 Neben der Geldleistung können soziale Zwecke ebenfalls durch Verwendung von 7 Zur Vielfalt betrieblicher Sozialleistungen Jahnke, ZfA 1980, S. 863 ff. m. w. N.; auch Eypeltauer, DRdA 1986, S. 102 ff. 8 Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie im Recht der Arbeitsbedingungen, S. 14 ff.; Richardi, in: In Memoriam Sir Otto Kahn-Freund, S. 247, S. 254. 9 Beispiele m. w. N. Kania, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 87 BetrVG, Rn. 96 ff. Ausführlich zum Entgeltbegriff Moll, Die Mitbestimmung des Betriebsrats beim Entgelt, S. 85 ff., S. 136 ff.; Jahnke, ZfA 1980, S. 863, S. 870 ff.
A. Struktur der Solidarkasse von Arbeitnehmern im Betrieb
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Personal- und Sachmitteln sowie Dienstleistungen gefördert werden. Mit Blick auf ihr Ziel, einen sozialen Zweck zu verwirklichen, sind sie als Sozialmittel zu bezeichnen. Weiterhin bestehen soziale Kassen im Betrieb, die von Arbeitgeberseite oder Arbeitnehmerseite sowie von beiden gemeinsam gegründet oder betrieben werden. Soziale Kassen im Betrieb können unter Mitwirkung des Betriebsrats (vgl. §§ 87 Abs. 1 Nr. 8, 88 Nr. 2 BetrVG) oder durch Vereinbarung der Tarifvertragsparteien (vgl. § 4 Abs. 2 TVG) entstehen. Eine Differenzierung ergibt sich zudem daraus, ob und wenn ja in welcher Art und Weise die Kasse in eine rechtlich selbständige Organisation integriert ist. So lassen sich soziale Kassen denken, bei denen der Arbeitgeber zur Förderung eines sozialen Zwecks ein Konto eröffnet, auf diesem Vermögen anspart und nach bestimmten Regelungen an Arbeitnehmer auszahlt. Genauso gut können Vereine, Stiftungen, Gesellschaften u.s.w. Rechtsträger der Kasse sein. Hinter diesen Befunden steckt zunächst nichts Neues. In vielen Bereichen bestehen gesicherte Rechtserkenntnisse. Das gilt vor allem dann, wenn soziale Leistungen allein von Arbeitgeberseite erbracht werden. Je nach dem Grad der organisatorischen Verselbständigung der Sozialmittel können Sozialeinrichtungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG gegeben sein oder Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG entstehen. Besteht der soziale Zweck einer Kasse darin, Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG zu gewähren und liegt eine diesbezügliche Versorgungszusage des Arbeitgebers vor, kommt eine betriebliche Altersversorgung in Betracht. Der Arbeitgeber kann bei der unmittelbaren Versorgungszusage selbst Inhaber der Kasse sein oder sich bei der mittelbaren betrieblichen Altersversorgung eines der Durchführungswege in § 1b Abs. 2 bis 4 BetrAVG bedienen. Auch bei der betrieblichen Altersversorgung ist in Teilen die erzwingbare Mitbestimmung des Betriebsrats zu beachten.10 Stets können sich in Fällen, in denen der Arbeitgeber zur Förderung eines sozialen Zwecks Mittel zur Verfügung stellt, arbeitsrechtliche Probleme ergeben, angefangen vom Verpflichtungsgrund, über die Änderung zugesagter Leistungen, die Haftung bis hin zur Auszahlung und Abwicklung. Besonders interessant ist die Einordnung einer Sozialleistung in den tarifrechtlichen, den betriebsverfassungsrechtlichen sowie den betriebsrentenrechtlichen Kontext.11 In aller Regel sind 10 Kemper/Kisters-Kölkes, in: Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber, § 1 BetrAVG, Rn. 375 ff. 11 Auf die kaum zu überschauende Vielzahl der arbeitgeberseitigen Sozialleistungen weist zum Beispiel Kolb, in: Gaugler/Oechsler/Weber, S. 1741 ff. hin; dort auch zum Begriff und zu den Möglichkeiten der Systematisierung von Sozialleistungen. Eine – nicht abschließende – Übersicht verschiedener Sozialleistungen in Abgrenzung zur betrieblichen Altersversorgung findet sich zum Beispiel bei Andresen/Cisch, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 140, Rn. 109. Mit rechtlich selbständigen Sozialeinrichtungen der Arbeitgeberseite setzt sich Estelmann, Rechtlich selbständige Sozialeinrichtungen, S. 1 ff. auseinan-
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§ 1 Arbeitnehmersolidarität im Betrieb und soziale Kassen
die Vermögenszuordnung sowie die Rechtssubjektivität des Vermögensträgers bekannt. Leistet der Arbeitgeber die Sozialleistung unmittelbar, ohne einen selbständigen Rechtsträger zu gründen, der die sozialen Leistungen erbringt, ist er selbst als Rechtsträger Zuordnungssubjekt des bereitgestellten Vermögens. Besteht dagegen ein selbständiger Rechtsträger, ist diesem das Vermögen zugeordnet. Doch was gilt, wenn die Arbeitnehmer selbst eine soziale Kasse im Betrieb gründen und finanzieren, insbesondere, wenn dabei Arbeitgeber und/oder Betriebsrat mitwirken? In dieser Arbeit soll dieses Phänomen sozialer Kassen aufgezeigt und rechtlich bewertet werden. Die nachfolgenden Beschreibungen sozialer Kassen sind unter Berücksichtigung von Informationen von Unternehmen und Betriebsräten entstanden. Ihnen wurde Vertraulichkeit zugesichert, weshalb hier keine Auflistung einzelner sozialer Kassen mit Zuordnung zu einzelnen Betrieben und detaillierter Beschreibung möglich ist. Getragen von Rechtsunsicherheit reagierten Befragte überwiegend sehr zurückhaltend. Oft wurden Anfragen nicht beantwortet oder Angefragte waren zu einem Gespräch nicht bereit. Daher lassen sich keine repräsentativen Statistiken über Bestand, Häufigkeit und inhaltliche Ausgestaltung sozialer Kassen von Arbeitnehmern im Betrieb aufstellen. Für die im Rahmen dieser Arbeit vorgenommene normative Untersuchung ist dies auch nicht notwendig. Das Phänomen sozialer Arbeitnehmerkassen im Betrieb ist – jedenfalls in der Praxis – bekannt. Eine rechtswissenschaftliche, insbesondere arbeitsrechtliche Untersuchung dieses Phänomens fehlt bislang. Im Folgenden soll zunächst eine Grundstruktur solcher sozialen Kassen aufgezeigt werden, die durch Arbeitnehmer und/oder Betriebsräte betrieben werden. Dabei wird nicht jede in der Praxis anzutreffende oder sonst denkbare Variation aufgearbeitet. Unterschiedliche oder denkbare Gestaltungen sozialer Kassen sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie die Rechtsuntersuchung maßgeblich beeinflussen. In diesem Fall wird die jeweilige Gestaltung an der Stelle dargestellt, an der die rechtliche Untersuchung von ihr abhängt.
II. Grundstruktur und Begriff „Solidarkasse“ Abstrahiert vom Einzelfall hat die soziale Arbeitnehmerkasse im Betrieb folgende Struktur: Die Initiative zur Gründung einer betrieblichen Solidarkasse geht von der Belegschaft, einzelnen oder mehreren Arbeitnehmern, dem Betriebsrat oder einzelnen Betriebsratsmitgliedern aus. Motiviert ist die Gründung durch den Gedanken der Solidarität. Insbesondere möchten sich Arbeitnehmer in Situationen finanzieller Not oder erhöhtem finanziellen Bedarf beistehen. Jedoch sind es nicht nur Notfälle, in denen sie solidarisch sind. Auch Jubiläen, Geburtstage, Hochzeiten, Geburten, soziale und kulturelle Ereignisse sowie einige freudige Ereignisse der. Zum Problem des Betriebsübergangs bei bestehenden Sozialleistungen beim Betriebsveräußerer Fuchs, Betriebliche Sozialleistungen beim Betriebsübergang, S. 1 ff.
A. Struktur der Solidarkasse von Arbeitnehmern im Betrieb
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mehr bieten Anlass, Geld zu sammeln. Die Geldmittel können ausschließlich von den Arbeitnehmern aufgebracht sein. Es finden sich aber genauso Modelle, bei denen der Arbeitgeber einen finanziellen Zuschuss und/oder sonstige personelle und sächliche Unterstützung gewährt. Die Verwaltung der Kasse wird von Arbeitnehmern oder Betriebsratsmitgliedern übernommen. Die Einrichtungen können für eine längere Dauer oder nur für kurze Zeit gegründet sein. Es kommt vor, dass die Arbeitnehmer ihren finanziellen Beitrag direkt aus ihrem Arbeitsentgelt leisten, indem der Arbeitgeber den Beitrag vom Nettobetrag des Arbeitsentgelts einbehält und auf ein Kassenkonto überweist. Der Begriff „Sozialkasse“ grenzt von einer wirtschaftlichen Zwecksetzung der Kasse ab. Um weiterhin hervorzuheben, dass die Kasse von mehreren Arbeitnehmern, mit oder ohne Zuschuss durch den Arbeitgeber, solidarisch finanziert wird, soll sie als „Solidarkasse“ bezeichnet werden. Die Untersuchung erfasst nicht den Fall, in welchem ein einzelner Betriebsangehöriger Vermögen zu Gunsten eines Betriebes zur Verfügung stellt. Solidarkassen im Betrieb entstehen durch eine kollektiv ausgeübte Solidarität mehrerer Arbeitnehmer. Gerade hier stellen sich betriebsverfassungsrechtlich relevante Fragen der Abgrenzung zur Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, die eine Sozialleistung des Arbeitgebers voraussetzt. Der Begriff „Kasse“ wird sowohl für Bargeldkassen als auch für Kassenkonten benutzt.
III. Sterbekasse als „Leitmodell“ der Untersuchung 1. Arbeitgebersozialkasse und Arbeitnehmersolidarkasse Als „Leitmodell“ der Untersuchung soll die Sterbekasse im Betrieb gelten.12 Allgemein liegt eine solche Sterbekasse vor, wenn im Falle des Todes eines Arbeitnehmers des Betriebs Leistungen, insbesondere finanzielle, an dessen Hinterbliebene erbracht werden sollen. Doch welche Varianten von Sterbekassen im Betrieb gibt es und welche ist Gegenstand der folgenden Ausführungen? Es ist nicht strittig, dass Tarifvertragsparteien über das Modell der in § 4 Abs. 2 TVG erfassten gemeinsamen Einrichtung betriebliche (meist Haustarifvertrag) oder überbetriebliche (meist Flächentarifvertrag) Kassen gestalten könnten, die Hilfe in Sterbefällen für die Arbeitnehmer des in den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Betriebes bereitstellen. Auch bekannt ist der Fall, dass der Arbeitgeber selbst eine Kasse errichtet und finanziert, um Sterbegelder zahlen zu können. Neben zivilrechtlichen Einordnungen müssen in diesem Falle die Beteiligungsrechte des Betriebsrats, allen voran 12 Unabhängig von Sterbekassen, die in Betrieben gegründet werden, gibt es Unterstützungen im Todesfall/Sterbegeldzahlungen, welche von Gewerkschaften an ihre Mitglieder gezahlt werden; beispielsweise § 30 Satzung IG Metall, Stand 2012 (einsehbar unter http:// www.igmetall.de, zuletzt abgerufen am 15. 12. 2016). Diese sind nicht Gegenstand der Arbeit.
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§ 1 Arbeitnehmersolidarität im Betrieb und soziale Kassen
diejenigen aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG erörtert werden. Insoweit betritt man kein rechtliches Neuland. In Abgrenzung zu Solidarkassen von Arbeitnehmern für Arbeitnehmer sind dies soziale Kassen vom Arbeitgeber für Arbeitnehmer. Sie entstehen nicht notwendigerweise aus der Solidarität der Arbeitnehmer heraus, müssen also nicht Mittel zur Selbsthilfe, sondern können aus Sicht der Arbeitnehmer eine Fremdhilfe sein. Im Grundsatz lässt sich daher formulieren: Eine Arbeitgebersozialkasse erbringt Leistungen des Arbeitgebers, eine Arbeitnehmersolidarkasse solche, die durch die Solidarität der Arbeitnehmer ermöglicht wird. Freilich wird sich zeigen, dass die rechtlich schwierigen Fälle diejenigen sind, bei denen „Mischtatbestände“ vorliegen und sich daher darüber streiten lässt, ob und in welchen Fällen nicht doch zumindest auch Sozialleistungen des Arbeitgebers festzustellen sind mit den sich daraus ergebenden zivilrechtlichen und vor allem betriebsverfassungsrechtlichen Konsequenzen. Ausgehend von diesen Überlegungen soll zunächst im Wege deskriptiver Darstellung die Struktur derjenigen Sterbekasse im Betrieb gezeigt werden, die das Phänomen der Arbeitnehmersolidarkasse kenntlich macht. 2. Struktur der Sterbekasse als Arbeitnehmersolidarkasse Auf Initiative von Arbeitnehmern und/oder des Betriebsrats entstanden und entstehen Sterbekassen, die eine etwaige finanzielle Notlage durch erhöhte Lasten der Hinterbliebenen bei Todesfällen abmildern sollen. In vielen Fällen lässt sich in der Praxis nur feststellen, dass eine solche Sterbekasse in einem Betrieb besteht, ohne dass sie in gesicherter Rechtsform gegründet oder in eine solche überführt worden ist. Mitunter bestehen Sterbekassen schon jahrzehntelang. Das Verfahren ihrer Entstehung ist in den Betrieben ebenfalls nicht immer bekannt. In Betrieben, in denen ein Betriebsrat gewählt worden ist, wird die Sterbekasse häufig von diesem verwaltet. Das gilt sowohl für bereits gegründete als auch für neu entstehende Sterbekassen. Mitglieder der Sterbekasse können die Arbeitnehmer des Betriebs einschließlich der Auszubildenden sowie die Betriebsrentner sein. Die finanzielle Ausstattung der Sterbekasse besorgen allein oder überwiegend die Mitglieder. In Bezug auf Sterbekassen finden sich in der Praxis regelmäßig Beispiele, in denen – meistens mit dem Argument der Verwaltungsvereinfachung – der Arbeitgeber den Kassenbeitrag vom Nettoarbeitsentgelt einbehält und auf das Kassenkonto überweist. Die meisten Sterbekassen sehen nicht nur eine Zahlung vor, wenn das Kassenmitglied stirbt, sondern auch im Falle des Todes eines nahen Angehörigen, zumeist des Ehepartners oder eines Kindes. In den meisten Fällen ist die Sterbekasse auf Dauer angelegt. In der Praxis sind dabei vor allem zwei Gestaltungen zu unterscheiden:
A. Struktur der Solidarkasse von Arbeitnehmern im Betrieb
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Erstens gibt es Sterbekassen, die eine regelmäßige Beitragszahlung der Mitglieder an die Kasse vorsehen. Die Zahlungsverpflichtung besteht üblicherweise monatlich. Die Beiträge betragen in der Höhe etwa zwischen 0,30 und 3 Euro pro Monat, wobei Auszubildende weniger – oftmals nur die Hälfte – zahlen. Im Todesfall wird dann ein bereits vorher festgelegter Betrag an den Begünstigten ausbezahlt. Beim Tod eines Betriebsangehörigen oder eines Betriebsrentners sind Auszahlungsbeträge in Höhe von etwa 1000 bis 2000 Euro die Regel. Stirbt ein naher Angehöriger des Arbeitnehmers (meist Ehepartner/eingetragener Lebenspartner, Kind) wird oftmals ein niedrigerer Betrag gewährt, zum Beispiel die Hälfte. In der Praxis finden sich kaum Regelungen, die das Verhältnis von Einzahlungs- und Auszahlungsbetrag genauer ausgestalten. Oft wird lediglich ausgedrückt, dass der Kassenbeitrag nach den tatsächlich angefallenen Auszahlungen ermittelt wird. Zweitens finden sich Sterbekassen, die zwar auf Dauer angelegt, für die aber keine regelmäßigen Zahlungen festgesetzt sind. Arbeitnehmer, Auszubildende, Rentner erklären den Beitritt zur Kasse und verpflichten sich, im Todesfalle eine Spende zu erbringen. Die Höhe der Spende wird grundsätzlich ins Ermessen des Mitglieds gestellt. Mitunter wird jedoch dem Mitglied – erneut aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung – ein Mindestbetrag vom Gehalt einbehalten. Auch hier liegen die Mindestbeträge regelmäßig ebenfalls zwischen 0,30 und 3 Euro pro Monat. In beiden Modellen ist es möglich, dass der Arbeitgeber bei Eintritt eines Todesfalls die Sterbegeldzahlung aus dem einbehaltenen Geld an den Begünstigten erbringt. In der Praxis finden sich die maßgeblichen Regelungen, welche die Sterbekassen ausgestalten, häufig in als „Satzung“ bezeichneten Schriftstücken. Auch gibt es bei arbeitnehmerfinanzierten Sterbekassen unterschiedlich weit reichende Betriebs- sowie Gesamtbetriebsvereinbarungen. Mitunter wird die Sterbekasse hierin inhaltlich vollständig ausgestaltet. Weiterhin kommt es vor, dass Betriebs- und Gesamtbetriebsvereinbarungen neben Regelungen aus von Arbeitnehmern niedergelegten „Satzungen“ treten. Das gilt insbesondere dann, wenn ein Zuschuss des Arbeitgebers zum Auszahlungsbetrag gewährt werden soll. Die Zusage des Arbeitgebers ist dann häufig Gegenstand von Betriebs- oder Gesamtbetriebsvereinbarungen. Unabhängig davon, ob durch „Satzung“ und/oder Betriebs- sowie Gesamtbetriebsvereinbarung geregelt, sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer an der finanziellen Ausstattung der Sterbekassen unterschiedlich beteiligt. Entweder zahlt der Arbeitgeber keinen Zuschuss. Die Sterbekasse wird dann ausschließlich von der Solidarität der Arbeitnehmer getragen. Oder der Arbeitgeber beteiligt sich finanziell. Dennoch wird er selbst kein Mitglied der Sterbekasse. Häufig gewährt er erst bei Eintritt eines Todesfalles einen Zuschuss zum Auszahlungsbetrag. Teilweise liegt die Höhe im Ermessen des Arbeitgebers, teilweise ist eine Höhe oder ein prozentualer Anteil am festgelegten Auszahlungsbetrag bestimmt. Insoweit finden
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§ 1 Arbeitnehmersolidarität im Betrieb und soziale Kassen
sich Beispiele über eine Beteiligung in Höhe eines Drittels oder der Hälfte des Auszahlungsbetrags. Neben der rechtlichen Gestaltung „Betriebsvereinbarung“ verpflichtet sich der Arbeitgeber mitunter auch individualrechtlich, vor allem durch Gesamtzusage, zur Zahlung eines Zuschusses. Weiterhin ist in der Praxis unterschiedlich geregelt, in welcher Art und Weise neue Arbeitnehmer der Sterbekasse beitreten können. Weit verbreitet ist die Regelung in einer „Satzung“ oder in einer Betriebsvereinbarung, wonach neue Arbeitnehmer mit „Betriebseintritt automatisch“ Mitglieder der Sterbekasse werden, sofern sie nicht widersprechen oder auf die Mitgliedschaft verzichten. Der Widerspruch oder Verzicht muss meistens schriftlich erfolgen. Ebenso gibt es Gestaltungen, bei denen die Mitgliedschaft in einer Sterbekasse mit Abschluss des Arbeitsvertrages vorgesehen ist, ohne dass die Arbeitnehmer ein Austritts- oder Widerspruchsrecht haben. Ist keine „automatische Mitgliedschaft“ vorgesehen, treten Arbeitnehmer gemäß einer Regelung im Arbeitsvertrag oder einem gesonderten Schriftstück bei. Bei „automatischen Mitgliedschaften“ kommt es vor, dass neue Arbeitnehmer nur mündlich auf ihre Beteiligung an einer Sterbekasse hingewiesen werden oder dass eine ausdrückliche Information über ihre Mitgliedschaft sogar unterbleibt. Stattdessen kann der Arbeitnehmer von der Sterbekasse nur über Aushang oder sonst aus Schriftstücken und vom Betrieb/Unternehmen zur Verfügung gestellten Informationsquellen, wie zum Beispiel das Intranet, erfahren. Teilweise informieren Arbeitskollegen neue Arbeitnehmer über bestehende Sterbekassen, nachdem diese verwundert den Abzug von ihrem Entgelt festgestellt haben. Mitunter ist in der „Satzung“ oder der Betriebsvereinbarung geregelt, dass rechtsverbindliche Ansprüche der Mitglieder gegen die Sterbekasse nicht begründet werden sollen. Sofern die Ansprüche nicht ausgeschlossen sind, gibt es teilweise Ausschlussfristen von zumeist drei bis sechs Monaten. Neben den zuvor beschriebenen Modellen, bei denen die Sterbekasse auf Dauer gegründet wird, kommt es vor, dass erst nach Eintritt eines Todesfalles spontan für Hinterbliebene gesammelt wird. Arbeitnehmersolidarität anlässlich des Todes vor allem eines Mitglieds des Betriebs findet sich nicht nur in als „Sterbekassen“ bezeichneten Modellen. Beispielsweise werden diese auch als „Notgemeinschaften“ gegründet oder sind Bestandteil einer Kasse, die darüber hinaus noch anderen sozialen Zwecken dient. So gibt es „Freud und Leid Kassen“, die nicht nur finanzielle Unterstützungen in Fällen der Not (zum Beispiel Tod, Unfall und/oder Krankheit) gewähren, sondern ebenfalls anlässlich freudiger Ereignisse (zum Beispiel Geburtstage, Betriebsjubiläen) Geldzahlungen oder Sachleistungen erbringen.
C. Solidarkassen und ihre bisherige rechtliche Betrachtung
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B. Sonstige Kassenmodelle Neben dem Hauptbeispiel der Sterbekasse gibt es in Betrieben zahlreiche von der Solidarität der Arbeitnehmer getragene Kassen: Kameradschaftskassen, Freud und Leid Kassen, Jubiläumskassen, Feierkassen, Reisekassen, Darlehenskassen, Sportkassen, Geburtstagskassen, Spendenkassen, Kaffeekassen, Chor- und Theaterkassen oder einfach nur Betriebs- oder Sozialkassen, Kassen zur Finanzierung einer Erzieherin im Betrieb oder eines Shuttlebusses u.s.w. Der Zuschnitt der Kasse kann sehr weitgehend sein, wie bei der Freud und Leid Kasse oder einer Belegschaftskasse, die verschiedene soziale Zwecke abdecken soll, oder speziell nur auf einzelne soziale Zwecke ausgerichtet sein. Neben dem sozialen Zweck der Abmilderung der finanziellen Folgen eines Sterbe- und Krankheitsfalles oder eines sonstigen Unglücksfalles eines Arbeitnehmers begründen Betriebsjubiläen, Hochzeiten, Geburten und Geburtstage wohl am häufigsten die Motivation zur Gründung einer Kasse. Darüber hinaus lassen sich viele Beispiele anführen: So können sich Arbeitnehmer organisieren, um Gelder für sportliche Aktivitäten – beispielsweise eines betriebseigenen Fitnessstudios –, für Reisen, für weitere Erholungsmaßnahmen oder für sonstige gemeinsame Veranstaltungen zu sammeln. Ebenso werden finanzielle Leistungen erbracht, um für Betriebsmitglieder Theater-, Chor- und sonstige Musikergruppen einzurichten. Weiterhin gibt es Geldsammlungen, um vor allem bei Not- und Unglücksfällen in der Region des Betriebs eine Hilfe für die Betroffenen zur Verfügung zu stellen. Nach der Betriebsnähe können betriebsinterne und betriebsexterne Anlässe unterschieden werden. Überwiegend durch Arbeitnehmer finanziell getragene Kassen weisen sogar häufig einen betriebsexternen Anlass auf. So liegt es bei Geburtstagen, aber auch regelmäßig bei den abgesicherten Sterbefällen, wenn die Sterbekassen nicht darauf beschränkt sind, finanzielle Hilfe nur bei Sterbefällen im Betrieb zu gewähren. Sämtliche Kassen können sowohl auf Dauer angelegt sein als auch spontan erst anlässlich des sozialen Zwecks entstehen (zum Beispiel bei einer Sammlung für ein Geburtstagspräsent).
C. Solidarkassen und ihre bisherige rechtliche Betrachtung Zuvor13 beschriebene Kassen werden in der Praxis ganz selbstverständlich gegründet und betrieben. Das Schrifttum beschäftigt sich nahezu ausschließlich mit Sozialeinrichtungen/Sozialleistungen des Arbeitgebers im Betrieb. In Literatur und Rechtsprechung tauchen soziale Kassen der Arbeitnehmer unter dem Begriff der „Selbsthilfeeinrichtung“ auf. Im Zentrum stehen dabei vor allem die Mitbestimmungstatbestände nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG, aber auch die Rechtswegzuweisung des § 2 ArbGG. Bei Anwendung dieser Vor13
A. und B.
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schriften wird regelmäßig darauf abgestellt, ob und inwieweit der Arbeitgeber bzw. Dienstherr auf die Einrichtungen Einfluss hat sowie ob und inwieweit er einen wirtschaftlichen Beitrag leistet. Im Einzelnen wird dabei allerdings immer wieder unterschiedlich entschieden.14
I. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG Bei Anwendung des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG grenzt die Literatur Selbsthilfeeinrichtungen kurz zum Begriff der Sozialeinrichtung ab. Liege eine „Selbsthilfeeinrichtung der Arbeitnehmer“ vor, bestehe kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.15 Dabei wird – im rechtsdogmatischen Ansatz bereits bedenklich – mit dem Begriff Selbsthilfeeinrichtung zu einem inhaltlich definierten Begriff der Sozialeinrichtung abgegrenzt, ohne zu sagen, was überhaupt eine Selbsthilfeeinrichtung der Arbeitnehmer sein soll. Damit bleibt von Beginn an unklar, welche Konstellationen im Einzelnen unter den Begriff der Selbsthilfeeinrichtung zu subsumieren sind. Es werden auch kaum Kriterien genannt, anhand derer eine Selbsthilfeeinrichtung von einer Sozialeinrichtung abgegrenzt werden soll. Mitunter wird nur in einem Satz festgestellt, dass die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung nicht erfüllt sind, wenn eine Selbsthilfeeinrichtung der Arbeitnehmer besteht.16 Sofern Kriterien zur Abgrenzung genannt werden, wird unterschiedlich beurteilt, welche letztlich die entscheidenden sind. Röder nimmt an, eine Selbsthilfeeinrichtung liege vor, wenn die Arbeitnehmer allein über Form, Ausgestaltung und Verwaltung der Einrichtung bestimmen könnten.17 Nach Wiese besteht keine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, wenn der Arbeitgeber keine Sozialleistungen für die Kasse erbringt und ihm keine Befugnisse an dieser zustehen.18 Allerdings werde die Eigenschaft der Einrichtung als Selbsthilfeeinrichtung der Arbeitnehmer nicht geändert, wenn der Arbeitgeber diese finanziell unterstütze.19 Bis wann jedoch eine bloße finanzielle Unterstützung anzuerkennen ist und ab wann eine Finanzierung der Kasse durch den Arbeitgeber angenommen werden muss und welche Folgen dies hat, wird nicht näher untersucht. Estelmann grenzt die Sozialeinrichtung des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG von der Selbsthilfeeinrichtung allein danach ab, ob der Arbeitgeber recht14
Dazu im Folgenden. Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 703; Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 618; Estelmann, Rechtlich selbständige Sozialeinrichtungen, S. 43 f.; Hanau, ZGR 1985, Sonderheft 5, S. 111, S. 119; Röder, NZA 1987, S. 799, S. 804; Matthes, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 249, Rn. 9; Kreitner, in: Küttner, Personalbuch, Sozialeinrichtungen, Begriff, Rn. 5. 16 Matthes, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 249, Rn. 9; Kreitner, in: Küttner, Personalbuch, Sozialeinrichtungen, Begriff, Rn. 5. 17 Röder, NZA 1987, S. 799, S. 804. 18 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 703. 19 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 703. 15
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lich in der Lage ist, die Einrichtung zu beeinflussen.20 Eine „feste Mindestgröße“ müsse die Möglichkeit zur Einflussnahme nicht haben.21 Solange der Arbeitgeber einen „rechtlich abgesicherten Einfluss“ auf Ausgestaltung und Verwaltung der Einrichtung erhalte, sei es unerheblich, ob er materielle Leistungen erbringe.22 Hanau stimmt zwar im Ergebnis darin überein, dass es sich um eine Selbsthilfeeinrichtung der Arbeitnehmer handelt, wenn der Arbeitgeber die Kasse in keinerlei Weise beeinflussen kann.23 Eine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG könne jedoch nur bestehen, wenn der Arbeitgeber die Kasse zumindest teilweise finanziere.24 Die Annahme einer Selbsthilfeeinrichtung steht und fällt auch nach dieser Ansicht damit, ob der Arbeitgeber Einfluss auf die Kasse hat.25 In welchem Maß die Möglichkeit zur Einflussnahme bestehen muss, wird hier allerdings nicht bestimmt. Verlangt Estelmann keine rechtliche Mindestgröße,26 meint Löwisch, bei Sozialeinrichtungen könne der Arbeitgeber die Verwaltung „rechtlich richtungsweisend beeinflussen“.27 Die Ansicht von Hanau führt sogar zu einer „dritten Kategorie“ neben der Selbsthilfeeinrichtung und der Sozialeinrichtung. Besteht eine Kasse, auf die der Arbeitgeber entweder keinen oder nicht genügend Einfluss nehmen kann, ist nach ihm eine Selbsthilfeeinrichtung gegeben. Besteht das geforderte Maß der Einflussnahme dagegen, sodass es sich nicht mehr um eine Selbsthilfeeinrichtung handelt, kann die Kasse nach dieser Ansicht nur dann eine Sozialeinrichtung sein, wenn der Arbeitgeber zumindest teilweise finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. Tut er das nicht, ist weder eine Sozialeinrichtung noch eine Selbsthilfeeinrichtung gegeben. Krause28, Waas29 und Röller30 verlangen zur Anerkennung einer Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG wohl kumulativ, dass der Arbeitgeber die Einrichtung mindestens teilweise finanziert und Einfluss auf sie hat. Richardi lehnt im Falle von Selbsthilfeeinrichtungen ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ab, weil die Einrichtungen keine Leistungen des Arbeitgebers erbrächten.31 Ob und inwieweit an dieser Stelle Einflussmöglichkeiten des Arbeitgebers von Bedeutung sind, wird nicht erörtert. Estelmann, Rechtlich selbständige Sozialeinrichtungen, S. 43 f. Estelmann, Rechtlich selbständige Sozialeinrichtungen, S. 43. 22 Estelmann, Rechtlich selbständige Sozialeinrichtungen, S. 42 f. 23 Hanau, ZGR 1985, Sonderheft 5, S. 111, S. 119. 24 Hanau, ZGR 1985, Sonderheft 5, S. 111, S. 119. 25 Auch Kreitner, in: Küttner, Personalbuch, Sozialeinrichtungen, Begriff, Rn. 5 fordert zur Annahme einer Sozialeinrichtung, dass der Arbeitgeber die Einrichtung veranlasst hat. 26 Estelmann, Rechtlich selbständige Sozialeinrichtungen, S. 43. 27 Kaiser, in: Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 177. 28 In: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 61, Rn. 8. 29 BB-Special, Nr. 1. 2009, S. 27. 30 In: Küttner, Personalbuch, Mitarbeiterbeteiligung, Mitbestimmungsrechte, Rn. 13. 31 Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 618. 20 21
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II. § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG Parallel zu der Mitbestimmung im Betrieb finden sich Ausführungen zur Abgrenzung von „Sozialeinrichtung“ und „Selbsthilfeeinrichtung“ bei der Mitbestimmung in einer Dienststelle gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG. Hervorzuheben ist die Rechtsprechung des BVerwG. So heißt es bereits 1971 in einem Beschluss, durch den das Gericht das Bundesbahn-Sozialwerk als Wohlfahrtseinrichtung32 anerkannte, Sozialeinrichtungen seien von der Dienststelle geführte Einrichtungen, Selbsthilfeeinrichtungen dagegen von den Bediensteten betrieben.33 Der Annahme einer Sozialeinrichtung stehe eine Finanzierung durch die Bediensteten, der Annahme einer Selbsthilfeeinrichtung nicht die Förderung durch die Dienststelle entgegen.34 Das Merkmal, anhand dessen eine Einrichtung als Sozialeinrichtung eingeordnet werden könne, bestehe darin, „daß die Verwaltung durch Bereitstellung finanzieller und sachlicher Mittel (Zuschüsse, Bereitstellung von Räumen, Mobiliar, Bediensteten usw.) und durch die Durchführung der Verwaltung oder eine nicht unerhebliche Mitwirkung an dieser Verwaltung den Bediensteten Vorteile verschafft“.35 Zunächst präzisierte das BVerwG nicht, welches Maß an Verwaltung bestehen muss, um erheblich zu sein. Es stellte fest, die Geschäftsordnung des Bundesbahn-Sozialwerks ergebe, es werde von der Deutschen Bahn betrieben unter Mitwirkung der Personalvertretungen und der Bediensteten. Damit könne keine Selbsthilfeeinrichtung gegeben sein, die ausschließlich von den Bediensteten betrieben und ohne Einfluss der Dienststelle bestehen würde.36 In der Folge verfeinerte das BVerwG die Merkmale zur Abgrenzung von Sozialeinrichtung und Selbsthilfeeinrichtung. Maßgeblich sei der Einfluss der Dienststelle auf die Einrichtung, wobei ein „rechtlich abgesicherter, richtungsweisender Einfluss“ verlangt wurde.37 Das BVerwG hat dies mit Blick auf das Merkmal der Verwaltung wie folgt ausgedrückt: „In jedem Fall müssen der rechtlich gesicherte Einfluß der Dienststelle auf die Sozialeinrichtung und ihr Recht, an deren Verwaltung mitzuwirken, aber so stark sein, daß von der Sozialeinrichtung als einer ,Veranstaltung der Verwaltung‘ … gesprochen werden kann. Das setzt voraus, daß die Dienststelle an der Führung der Geschäfte der Sozialeinrichtung in einem ins Gewicht fallenden sachlichen Umfang beteiligt, vor allem aber rechtlich in der Lage ist, richtungsweisenden Einfluß auf die Verwirklichung der Zwecke dieser Einrichtung zu nehmen, d. h. auf die Festlegung der Art und Weise, in der die Einrichtung die ihr gesteckten Aufgaben erfüllen soll, und auf die der Erreichung 32 Der Begriff „Wohlfahrtseinrichtung“ ist der Vorgänger des heutzutage verwendeten Synonyms „Sozialeinrichtung“. 33 BVerwG v. 5. 2. 1971, VII P 12.70, AP Nr. 7 zu § 67 PersVG. 34 BVerwG v. 5. 2. 1971, VII P 12.70, AP Nr. 7 zu § 67 PersVG. 35 BVerwG v. 5. 2. 1971, VII P 12.70, AP Nr. 7 zu § 67 PersVG. 36 BVerwG v. 5. 2. 1971, VII P 12.70, AP Nr. 7 zu § 67 PersVG. 37 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28 unter Verweis auf BVerwG v. 5. 2. 1971, VII P 12.70, AP Nr. 7 zu § 67 PersVG.
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dieses Zieles dienende Arbeit der Einrichtung einzuwirken.“38 Mit dem in dieser Weise inhaltlich bestimmten Kriterium des „richtungsweisenden Einflusses“ grenzt das BVerwG mittlerweile in ständiger Rechtsprechung die Sozialeinrichtung von der Selbsthilfeeinrichtung ab.39 Die Literatur stimmt dem Ansatz der Rechtsprechung zu.40 Entscheidend ist dabei nicht der tatsächliche Einfluss, sondern der rechtliche. Nach dem BVerwG wandelt sich eine bestehende Sozialeinrichtung der Dienststelle nicht in eine Selbsthilfeeinrichtung der Beschäftigten um, wenn die Dienststelle die zuvor gewährte finanzielle Unterstützung einstellt. Das gelte selbst dann, wenn die Sozialeinrichtung nicht mehr die ursprünglich gewünschten Ziele verfolgen könne.41 Die im konkreten Fall zur Annahme einer Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG allein maßgebliche rechtliche Einflussnahmemöglichkeit der Dienststelle sei dadurch gegeben, dass Vertreter der Dienststelle hälftig den Vorstand der Sozialeinrichtung bilden würden.42 Sofern ein solcher rechtlicher Einfluss nicht bestehe, verändere sich der Charakter einer Selbsthilfeeinrichtung nicht, nur weil die Dienststelle finanzielle Zuwendungen und/oder materielle sowie persönliche Hilfeleistungen gewähre, selbst wenn diese erheblich seien.43 Der weitere Verlauf dieser Arbeit wird sich auf privatrechtliche Arbeitsverhältnisse beschränken. Gleichwohl können und müssen diese Überlegungen zur Sozialeinrichtung im Sinne der Personalvertretungsgesetze in Abgrenzung zur Selbsthilfeeinrichtung berücksichtigt werden. „Sozialeinrichtung“ im Personalvertretungsrecht gilt als gleichbedeutend mit „Sozialeinrichtung“ im Sinne des Betriebsverfassungsrechts.44 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28. BVerwG v. 5. 9. 1986, 6 P 10.84, PersV 1987, S. 333 f. (zu § 72 Abs. 3 Nr. 6 PersVG NW vom 3. 12. 1974); BVerwG v. 28. 06. 2000, 6 P 1/00, NZA 2000, S. 1123 ff. 40 Berg, in: Altvater/Baden/Berg/Kröll/Noll/Seulen, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 157; Rehak, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 142; Kaiser, in: Richardi/Döner/Weber, Personalvertretungsrecht, § 75 BPersVG, Rn. 326; Sommer, in: Ibertz/Widmaier/Sommer, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 119. 41 BVerwG v. 5. 9. 1986, 6 P 10.84, PersV 1987, S. 333 f. (zu § 72 Abs. 3 Nr. 6 PersVG NW vom 3. 12. 1974). 42 BVerwG v. 5. 9. 1986, 6 P 10.84, PersV 1987, S. 333 f. (zu § 72 Abs. 3 Nr. 6 PersVG NW vom 3. 12. 1974). 43 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28; BVerwG v. 5. 9. 1986, 6 P 10.84, PersV 1987, S. 334 (zu § 72 Abs. 3 Nr. 6 PersVG NW vom 3. 12. 1974); OVG Koblenz v. 15. 5. 1961, 4 A 2/61, PersV 1961, S. 274. Aus der Literatur: Fischer/Goeres, Personalvertretungsrecht, § 75 BPersVG, Rn. 89; Berg, in: Altvater/Baden/Berg/Kröll/Noll/Seulen, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 157; Sommer, in: Ilbertz/Widmaier/ Sommer, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 119. 44 Sommer, in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 118 ff., Rn. 138 ff.; Berg, in: Altvater/Baden/Berg/Kröll/Noll/Seulen, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 156. 38 39
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III. § 2 ArbGG Die arbeitsrechtliche Rechtsprechung hat sich bislang – soweit ersichtlich – im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG noch nicht mit einer Abgrenzung von Selbsthilfeeinrichtungen und Sozialeinrichtungen beschäftigen müssen. Das Problem tauchte aber wenige Male bei Prüfung der Rechtswegzuständigkeit gemäß § 2 ArbGG auf. In einer Entscheidung vom 3. 2. 1956 stellte das BAG45 fest, dass die beklagte Pensionskasse, rechtlich organisiert als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, eine „Wohlfahrtseinrichtung“ – heutzutage gilt der gleichbedeutende Begriff der Sozialeinrichtung – gemäß § 2 Abs. 4 S. 2 ArbGG a.F.46 ist. Aus der Kasse wurde Hinterbliebenen Rente gewährt. Die finanziellen Mittel brachten unter anderem die Mitglieder auf. Das BAG begründete die Annahme der Wohlfahrtseinrichtung damit, dass es der satzungsmäßige Zweck der Einrichtung sei, die sozialen Lebensverhältnisse von Arbeitnehmern und ihren Hinterbliebenen zu verbessern. Dabei sei unerheblich, ob die Beiträge von Arbeitnehmern erbracht werden. „Nur eine ausgesprochene Selbsthilfeeinrichtung der Arbeitnehmer“ wäre keine Wohlfahrts einrichtung.47 Sowohl in diesem Urteil des BAG als auch in der Entscheidung des RG48, auf die das BAG verweist, finden sich allerdings keine Kriterien, die eine „ausgesprochene Selbsthilfeeinrichtung der Arbeitnehmer“ kennzeichnen könnten. Etwas ausführlicher musste das LAG Hamm in einem Beschluss vom 5. 8. 200549 Stellung beziehen. Es stellte sich die Frage, ob Ansprüche eines Arbeitnehmers gegen eine Belegschaftskasse durch die Arbeitsgerichte zu prüfen sind. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4b ArbGG musste die Belegschaftskasse zunächst eine Sozialeinrichtung sein. Die im Sachverhalt des Beschlusses mitgeteilten Daten der Belegschaftskasse waren: Die Gründung der Kasse erfolgte durch Betriebsvereinbarung. Zweck der Kasse war es, zu Anlässen wie Silberhochzeit, 25-jähriger oder längerer Beschäftigungszeit sowie beim Tod eines Mitgliedes Einmalzahlungen zu leisten. Mit Abschluss des Arbeitsvertrages sollten die Arbeitnehmer zugleich Mitglied der Kasse werden. Der Mitgliedsbeitrag in Höhe von 4 DM pro Monat wurde bei der monatlichen Gehaltsabrechnung durch den Arbeitgeber einbehalten. „Geführt“ werden sollte die Kasse durch die Personalabteilung. Entstehende Fehlbeträge der Kasse wollte der Arbeitgeber ausgleichen. Das Gericht argumentierte in folgender Weise: Es bestehe eine Sozialeinrichtung, weil die sozialen Lebensbedingungen der Arbeitnehmer und ihrer Hinterbliebenen verbessert werden sollen. Die Einrichtung sei „keine ausschließlich freiwillige Selbsthilfeeinrichtung der Belegschaft, denn ihre Einrichtung erfolgte auf 45
1 AZR 463/54, AP Nr. 17 zu § 2 ArbGG. Arbeitsgerichtsgesetz v. 3. 9. 1953, BGBl. I S. 1267, S. 1268. 47 BAG v. 3. 2. 1956, 1 AZR 463/54, AP Nr. 17 zu § 2 ArbGG. 48 v. 24. 10. 1911, VII 55/11, Deutsche Juristen Zeitung 1912, Spalte 161. 49 2 Ta 43/05, BeckRS 2005, 43590. 46
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Grund einer Betriebsvereinbarung…“.50 Daran ändere nichts, dass die Kasse aus Mitgliedsbeiträgen finanziert werde. Der Arbeitgeber komme für Fehlbeträge auf. Arbeitnehmer würden automatisch Kassenmitglieder,51 die Verwaltung obliege der Personalabteilung und die Geschäftsführung prüfe gemeinsam mit dem Betriebsrat Kassenführung sowie Kassenberichte und legten die Mitgliedsbeiträge fest. Daher könne eine vom Unternehmen „völlig losgelöste“ Selbsthilfeeinrichtung nicht bestehen.
IV. „Selbsthilfeeinrichtungen“ in weiteren Vorschriften An einigen Stellen gesetzlicher Regelungen verwendet der Gesetzgeber den Begriff „Selbsthilfeeinrichtung“. Insofern stellt sich die Frage, ob deren Auslegung zu rechtlich relevanten Erkenntnissen darüber führt, was Selbsthilfeeinrichtungen von Sozialeinrichtungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG oder des § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG unterscheidet. 1. Sozial- und Selbsthilfeeinrichtungen im Privatisierungsrecht der Deutschen Bahn und der Deutschen Post Der Begriff der Selbsthilfeeinrichtung taucht insbesondere bei Durchführung der Privatisierung der Deutschen Bahn und der Deutschen Post auf. Interessant daran ist, dass er dort neben demjenigen der Sozialeinrichtung verwendet wird. a) § 15 Abs. 2 BEZNG In § 15 Abs. 2 Bundeseisenbahnneugliederungsgesetz (BEZNG)52 findet sich die Regelung, dass die in der Anlage zum Gesetz aufgeführten betrieblichen Sozialeinrichtungen und die anerkannten Selbsthilfeeinrichtungen der bisherigen Bundeseisenbahnen für den Bereich des Bundeseisenbahnvermögens aufrechterhalten und nach den bisherigen Grundsätzen weitergeführt werden. In der Anlage zu § 15 Abs. 2 BEZNG sind die betrieblichen Sozialeinrichtungen unter A., die Selbsthilfeeinrichtungen unter B. aufgezählt. Kriterien, die inhaltlich einen Unterschied in der Terminologie von „Sozialeinrichtung“ und „Selbsthilfeeinrichtung“ verdeutlichen könnten, sind nicht genannt. Selbst bei empirischer Betrachtung der in der Anlage zu § 15 Abs. 2 BEZNG genannten Sozial- und Selbsthilfeeinrichtungen lässt sich aus dieser begrifflichen Vorgabe keine rechtliche Trennung im Sinne der 50 LAG Hamm v. 5. 8. 2005, 2 Ta 43/05, BeckRS 2005, 43590. Zu dem damit einhergehenden Zirkelschluss des Gerichts ausführlich unten unter § 2: B. IV. 2. c) und d). 51 Zu den Fragen, ob Mitgliedschaften in dieser Weise begründet werden können und ob daraus ein Argument für das Bestehen einer Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG folgt, unten unter § 2: B. IV. 3. 52 v. 27. 12. 1993 (BGBl. I S. 2378; 1994 I S. 2439, beschlossen als Art. 1 des Eisenbahnneuordnungsgesetzes (ENeuOG) v. 27. 12. 1993 (BGBl. I 2378)), zuletzt geändert durch Art. 16 Abs. 14 des Gesetzes vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3836).
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Unterscheidung von Sozialeinrichtungen und Selbsthilfeeinrichtungen der Arbeitnehmer folgern. Zum Beispiel bezeichnen sich die aufgezählten Selbsthilfeeinrichtungen „Bahn-Landwirtschaft“, „Eisenbahner-Sportvereine“ sowie der „Verband Deutscher Eisenbahner-Sportvereine“ selbst als anerkannte betriebliche Sozialeinrichtungen der Deutschen Bahn AG sowie des Bundeseisenbahnvermögens.53 Die Aufzählung im Anhang des § 15 Abs. 2 BEZNG drückt lediglich einen historischen Unterschied in der Entstehung der Einrichtungen aus. Die als Selbsthilfeeinrichtungen bezeichneten Einrichtungen entstanden von Eisenbahnern für Eisenbahner, getragen vom Willen zu Selbsthilfe.54 Sie haben sich zu Versicherungsvereinen, Genossenschaftsbanken und Wohnungsbaugenossenschaften etc. entwickelt. Teilweise – zum Beispiel die DEVK Versicherungen und die Sparda-Banken – bieten sie ihre Leistungen auch bahnfremden Kunden an. Der Wirkungsbereich solcher Einrichtungen ist damit mitunter nicht mehr auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt. Abgrenzungsfragen zwischen Sozialeinrichtungen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG oder § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG und Arbeitnehmersolidarkassen stellen sich nicht bei überkonzernlich betriebenen Einrichtungen. Abgesehen von dem Merkmal der arbeitnehmerseitigen Gründung, welches einen tatsächlichen Unterschied zu den arbeitgeberseitig gegründeten betrieblichen Sozialeinrichtungen kennzeichnet, lässt sich in rechtlicher Hinsicht aus § 15 Abs. 2 BEZNG nichts weitergehendes für eine nähere Einordnung von Einrichtungen als Sozialeinrichtungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG oder § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG entnehmen. Das zeigt eine Entscheidung des BVerwG55 zu den Eisenbahnwohnungsgesellschaften, die in der Anlage zu § 15 Abs. 2 BEZNG unter A. als betriebliche Sozialeinrichtungen genannt sind. Hier ging es um die Frage, ob die in der Rechtsform der GmbH betriebenen Eisenbahnwohnungsgesellschaften, deren Gesellschaftsanteile fast ausschließlich vom Bundeseisenbahnvermögen gehalten wurden, auch nach Übertragung der Gesellschaftsanteile auf private Unternehmen betriebliche Sozialeinrichtungen des Bundeseisenbahnvermögens sein können, die somit dem Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG unterliegen. Das BVerwG bestätigte seine ständige Rechtsprechung56 und prüfte ausführlich, ob im Rahmen der Privatisierung schuld- und gesellschaftsrechtlich sichergestellt worden war, dass das Bundeseisenbahnvermögen nach Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf private Unternehmen immer noch einen „bestimmenden und lenkenden 53 http://www.vdes.org, zuletzt abgerufen am 15. 12. 2016; http://www.blw-aktuell.de, zuletzt abgerufen am 15. 12. 2016. 54 Zum Beispiel die am 1. April 1886 von Eisenbahnern unter dem Namen „Sterbekasse der Beamten und Arbeiter im Bezirke der Königlichen Eisenbahndirektion zu Breslau“ gegründete Selbsthilfeeinrichtung, die Vorläufer des heutigen „Der Deutsche Eisenbahn Versicherung Lebensversicherungsverein a. G.“ ist; http://www.bahn.devk.de/unternehmen/ geschichte/index.jsp, zuletzt abgerufen am 15. 12. 2016. 55 v. 28. 6. 2000, 6 P 1.00, BVerwGE 111, S. 259 ff. 56 Oben unter II.
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Einfluss“ auf die Geschäftstätigkeit der Eisenbahnwohnungsgesellschaften nehmen kann.57 Auf diesem Wege erkannte das BVerwG die Eisenbahnwohnungsgesellschaften als betriebliche Sozialeinrichtungen an. Es war generell der Auffassung, dass die in der Anlage zu § 15 Abs. 2 BEZNG genannten Einrichtungen die Begriffsmerkmale einer Sozialeinrichtung gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG erfüllen.58 Zu Selbsthilfeeinrichtungen grenzte das BVerwG damit auch in dieser Entscheidung nach dem Maß der Einflussnahme ab. Es hat allerdings nicht darüber befunden, ob die in Anlage zu § 15 Abs. 2 BEZNG unter B. aufgeführten Einrichtungen zum Teil nicht auch Sozialeinrichtungen sind oder wurden. Darauf braucht nicht weiter eingegangen zu werden, da sich folgendes feststellen lässt: § 15 Abs. 2 BEZNG ändert rechtlich nichts an der durch das BVerwG geprägten Abgrenzung von Sozialeinrichtung und Selbsthilfeeinrichtung, die über das Maß der Einflussnahme vorgenommen wird. In tatsächlicher Hinsicht ist den in der Anlage zu § 15 Abs. 2 BEZNG aufgezählten Einrichtungen gemein, dass sie von Eisenbahnern für Eisenbahner zum Zwecke der Selbsthilfe errichtet wurden. Sofern die Einrichtung nicht jedermann offensteht, würde das BVerwG über das Maß der Einflussnahme feststellen, ob es sich um Selbsthilfeeinrichtungen handelt oder nicht. b) § 26 Abs. 6 BAPostG plus Anlage Ähnliches wie bei den Privatisierungsregelungen der Deutschen Bundesbahn gilt für die Vorschriften über die Privatisierung der Deutschen Bundespost. Auch diese sollten nichts an den bestehenden Sozial- und Selbsthilfeeinrichtungen ändern. Demgemäß regelte § 26 Abs. 6 Bundesanstalt-Post-Gesetz (BAPostG)59 in Verbindung mit der Anlage zu § 26 Abs. 6 BAPostG und § 40 der Satzung der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost, dass die Bundesanstalt die dort aufgezählten betrieblichen Sozialeinrichtungen und Selbsthilfeeinrichtungen weiterführen sollte. Auch diese Einordnung von Einrichtungen erklärt sich lediglich vor dem historischen Hintergrund der Gründung entweder durch die Deutsche Post oder derjenigen durch Postpersonal, ohne dass damit rechtlich Neues für eine Einordnung betrieblicher Arbeitnehmersolidarkassen gewonnen ist. c) §§ 125 ff. SGB VII §§ 125 ff. SGB VII regeln die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand. Im Zuge der Privatisierung der Deutschen Bahn und der Deutschen Post blieben diese zuständig auch für die fortgeführten betrieblichen SoziBVerwG v. 28. 6. 2000, 6 P 1/00, BVerwGE 111, S. 259, S. 267 ff. BVerwG v. 28. 6. 2000, 6 P 1/00, BVerwGE 111, S. 259, S. 267. 59 v. 14. 9. 1994 (BGBl. I S. 2325, beschlossen als Art. 1 des Postneuordnungsgesetzes (PTNeuOG) vom 14. 9. 1994 (BGBl. I S. 2325; 1996 I S. 103)), zuletzt geändert durch Art. 16 Abs. 8 des Gesetzes vom 19. 10. 2013 (BGBl. I S. 3836). 57
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aleinrichtungen und Selbsthilfeeinrichtungen. Gemäß § 125 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII ist die Unfallversicherung Bund und Bahn zuständig unter anderem für die in der Anlage zu § 15 Abs. 2 BEZNG aufgeführten betrieblichen Sozialeinrichtungen und Selbsthilfeeinrichtungen mit Ausnahme der in der Anlage unter B Nr. 6 genannten Einrichtungen. Entsprechend regelte § 127 Nr. 4 SGB VII in seiner Fassung bis zum 31. 12. 2015 die Zuständigkeit der Unfallkasse Post und Telekom für die betrieblichen Sozialeinrichtungen und in den durch Satzung anerkannten Selbsthilfeeinrichtungen der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost.60 Sowohl bei § 125 Abs. 2 SGB VII als auch bei § 127 Nr. 4 SGB VII diskutiert bzw. diskutierte die Literatur keine inhaltlichen Kriterien, mittels derer eine Selbsthilfeeinrichtung von einer Sozialeinrichtung im Betrieb unterschieden werden könnte.61 Die Autoren verweisen bzw. verwiesen vielmehr auf die in der Anlage zu § 26 Abs. 6 BAPostG und derjenigen zu § 15 Abs. 2 BEZNG aufgezählten Einrichtungen. Der in § 127 Nr. 4 SGB VII in seiner Fassung bis zum 31. 12. 2015 formulierte Zusatz, die Selbsthilfeeinrichtungen müssten durch Satzung anerkannt werden, war bei den in der Anlage zu § 26 Abs. 6 BAPostG genannten Selbsthilfeeinrichtungen erfüllt. Die Bundesanstalt Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost führte gemäß § 40 ihrer Satzung in Verbindung mit § 26 Abs. 6 Bundesanstalt-Post-Gesetz (BAPostG) und der Anlage zu § 26 Abs. 6 BAPostG die dort genannten Selbsthilfeeinrichtungen fort. Sofern Kommentierungen im Rahmen des § 127 Nr. 4 SGB VII immer noch auf die Liste dieser Selbsthilfeeinrichtungen verweisen bzw. verwiesen,62 ist das nicht richtig. Gemäß dem Gesetz zur Reorganisation der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost und zur Änderung anderer Gesetze63 wurde unter anderem § 26 BAPostG neu gefasst und die Anlage zu § 26 Abs. 6 BAPostG aufgehoben. Da die Selbsthilfeeinrichtungen der früheren Deutschen Bundespost keine finanzielle Förderung mehr erhalten und keinen Förderanspruch haben, braucht es einer gesetzlichen Regelung nicht mehr.64 § 26 BAPostG enthält damit keine Regelung mehr zu Selbsthilfeeinrichtungen. Da die Bundesanstalt Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost gemäß § 40 ihrer Satzung nur die in 60 Gemäß Art. 2 des Gesetzes zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkasse, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (BUK-Neuorganisationsgesetz) vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3836) ist die Unfallkasse Post und Telekom zum 1. Januar 2016 in die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation eingegliedert worden. Diese ist ab 1. 1. 2016 gemäß § 121 Abs. 2 SGB VII (siehe § 121 Abs. 2 Nr. 6 SGB VII) zuständig. 61 Bigge, in: Wannagat, Sozialversicherungsrecht, SGB VII, § 126 SGB VII, Rn. 10, § 127 SGB VII, Rn. 10 ff. Schmitt, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, § 127 SGB VII, Rn. 1 ff.; Spanknebel, in: Becker/Franke/Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, Gesetzliche Unfallversicherung, § 127 SGB VII, Rn. 2; Diel, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB VII, § 125 SGB VII, Rn. 50, § 127 SGB VII, Rn 12. 62 Bigge, in: Wannagat, Sozialversicherungsrecht, SGB VII, § 127 SGB VII, Rn. 11 f. 63 v. 14. 09. 2005 (BGBl. I S. 2746). 64 BT-Drucksache 15/5573, S. 21.
C. Solidarkassen und ihre bisherige rechtliche Betrachtung
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§ 26 BAPostG genannten Einrichtungen fortführt, ging § 127 Nr. 4 SGB VII in seiner Fassung bis zum 31. 12. 2015 mit dem Verweis auf die Selbsthilfeeinrichtungen ins Leere. Entsprechendes gilt jetzt für § 121 Abs. 2 Nr. 6 SGB VII. Aktuell fördert die Bundesanstalt Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost keine Selbsthilfeeinrichtungen.65 Die §§ 125 ff. SGB VII erhalten die Zuständigkeiten der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand bezüglich derjenigen betrieblichen Sozialeinrichtungen und Selbsthilfeeinrichtungen, die im Zuge der Privatisierung der Deutschen Post und der Deutschen Bahn fortgeführt wurden. Die gesetzliche Terminologie, die betriebliche Sozialeinrichtungen von Selbsthilfeeinrichtungen unterscheidet, lehnt sich an die in den einschlägigen Privatisierungsgesetzen anhand beider Begriffe vorgenommene Aufzählung von Sozialeinrichtungen und Selbsthilfeeinrichtungen an. Sie schafft aber keine Grundlage für die Diskussion über inhaltliche Kriterien beider Begriffe; nicht im Kontext des SGB VII, schon gar nicht im Rahmen der Mitbestimmung in einer Dienststelle oder im Betrieb. 2. Sonstige Fälle Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über weitere Fälle von Selbsthilfeeinrichtungen gegeben werden. Im Anschluss ist zu überlegen, ob der Begriff Selbsthilfeeinrichtung als begriffliches Fundament der Untersuchung taugt oder ob ein anderer Begriff den Untersuchungsgegenstand besser trifft.66 a) § 100 Abs. 1 Nr. 4 BBG Gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 4 BBG ist die Tätigkeit eines Beamten nicht genehmigungspflichtig, wenn er in Selbsthilfeeinrichtungen der Beamten tätig ist.67 Unter einer Selbsthilfeeinrichtung in diesem Sinne versteht man eine Organisation, die von Beamten selbst verwaltet und unterhalten wird und ausschließlich dem Zweck dient, Beamten sowie deren Angehörigen oder Hinterbliebenen ideelle oder materielle Hilfe zu gewähren.68 Die Rechtsprechung zur Nebentätigkeit von Beamten definiert Selbsthilfeeinrichtungen allein zum Schutz dienstlicher Interessen sowohl des Dienstherren als auch des Dienstverpflichteten. Es gibt kein Verfahren zur Anerkennung einer Einrichtung als Selbsthilfeeinrichtung im Sinne des § 100 Abs. 1 Nr. 4 BBG.69 Im öffentlichen Dienst haben sich 18 sich selbst so bezeichnende Selbsthilfeeinrichtungen im Deutschen Beamtenwirtschaftsring e. V. (DBW) zusammen65
http://www.banst-pt.de/sozialeinrichtungen, zuletzt abgerufen am 15. 12. 2016. Sogleich unter D. 67 Auf entsprechende Regelungen in beamtenrechtlichen Ländergesetzen wird nicht eingegangen. 68 Peters/Grunewald/Lösch, in: Lenders/Peters/Weber/Grunewald/Lösch, Das Dienstrecht des Bundes, § 100 BBG, Rn. 865. 69 BVerwG v. 1. 7. 1983, 2 C 55.80, ZBR 1984, S. 125 f. 66
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geschlossen.70 Obwohl vom DBW als Selbsthilfeeinrichtung benannt, erfüllen diese nicht die Voraussetzungen, um eine Selbsthilfeeinrichtung im Sinne des § 100 Abs. 1 Nr. 4 BBG zu sein. Die Geschäfte dienen nämlich nicht ausschließlich dem Zweck der Beamtenhilfe. Auch anderen Personen ist die Mitgliedschaft gestattet. b) § 13 Abs. 1 StBerG In §§ 13 ff. StBerG hat der Gesetzgeber Lohnsteuerhilfevereine gestaltet. Gemäß § 13 Abs. 1 StBerG sind Lohnsteuerhilfevereine Selbsthilfeeinrichtungen von Arbeitnehmern in Steuersachen im Rahmen der Befugnis nach § 4 Nr. 11 StBerG. Was eine Selbsthilfeeinrichtung von Arbeitnehmern ist, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Der Bundesfinanzhof hat aus der Eigenschaft, Selbsthilfeeinrichtung zu sein, abgeleitet, Lohnsteuerhilfevereine dürften nur ihren Mitgliedern geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten.71 Das folgt auch aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 StBerG als einer der Voraussetzungen, die für die Anerkennung als Lohnsteuerhilfeverein notwendig sind. Dahinter steht der Gedanke, das Steuerberaterprivileg nur in wenigen Ausnahmefällen und unter eng gesteckten Voraussetzungen zu durchbrechen und Missbrauch zu vermeiden. Arbeitnehmer dürfen sich bei Beachtung der Voraussetzungen in einem Verein organisieren, um sich in Steuersachen selbst zu helfen. c) Selbsthilfe im Sozialrecht Auch das Sozialrecht kennt Selbsthilfeeinrichtungen. Zwar verwendet das Gesetz nicht ausdrücklich diesen Begriff, sondern die Begriffe „Selbsthilfegruppe“ sowie „Selbsthilfeorganisation“. Gemeint ist nichts anderes als die Idee der Selbsthilfe durch betroffene Mitglieder. Beispielsweise sieht § 29 SGB IX im Recht der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen eine Förderung der Selbsthilfe durch Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen vor. Kennzeichen der Selbsthilfe ist erneut die Solidarität der Mitglieder, die sich gegenseitig unterstützen und ihre Erfahrungen austauschen.72 d) Gesetzlich nicht geregelte Fälle Es gibt in der Praxis jenseits der Regelungen im Gesetz weitere Beispiele von Selbsthilfeeinrichtungen: Die Versorgungswerke als Selbsthilfeeinrichtungen des Handwerks73 und des Einzelhandels74. Diese sind aber keine Selbsthilfeeinrichtungen nur der Arbeit70 http://www.selbsthilfeeinrichtungen.de/mitgliedseinrichtungen_dbw_online, zuletzt abgerufen am 15. 12. 2016. 71 BFH v. 14. 11. 2007, IX R 62/06, HFR 2008, S. 674 f. 72 Kohte, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Sozialrecht, § 29 SGB IX, Rn. 6; weiterhin Rn. 3 und Rn. 4 zum Überblick über die Förderung der Selbsthilfe im Sozialrecht. 73 http://www.versorgungswerke.de/hw/index.php, zuletzt abgerufen am 15. 12. 2016. 74 http://www.versorgungswerke.de/eh/index.php, zuletzt abgerufen am 15. 12. 2016.
D. Der Begriff Arbeitnehmersolidarkasse als Gegenstand der Untersuchung
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nehmer. Vielmehr bieten die Versorgungswerke Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen die Möglichkeit, sich „günstig abzusichern“.75 Bekannt ist weiterhin der „Selbsthilfefonds zur Sicherung von Spareinlagen bei Wohnungsgenossenschaften mit Spareinrichtung“76. Gemäß der Präambel seines Statuts ist ausschließlicher Zweck dieser Selbsthilfeeinrichtung, die Einlagen der Sparer bei den angeschlossenen Wohnungsgenossenschaften zu sichern.77 Der Selbsthilfefonds gründet auf der Solidarität der angehörenden Wohnungsgenossenschaften. In den Bundesländern übernehmen Bürgschaftsbanken als Selbsthilfe ein richtungen des Mittelstandes Bürgschaften, um die Vergabe von Darlehen an Unternehmen zu ermöglichen.78 So bezeichnet sich die Bürgschaftsbank Bayern GmbH als „eine Selbsthilfeeinrichtung der gewerblichen Wirtschaft zum Zwecke der Mittelstandsförderung“.79 Die „Auskunftstelle über Versicherungs-/Bausparkassenaußendienst und Versicherungsmakler in Deutschland e. V.“ ist eine Selbsthilfeeinrichtung der Versicherungs- und Sparkassenwirtschaft, um sicherzustellen, dass Unternehmen nur vertrauenswürdige Personen für den Außendienst beschäftigen.80 Schließlich bildet der Pensions-Sicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) die Selbsthilfeeinrichtung der deutschen Wirtschaft zum gesetzlichen Schutz der betrieblichen Altersversorgung bei der Insolvenz des Arbeitgebers.81
D. Der Begriff Arbeitnehmersolidarkasse als Gegenstand der Untersuchung Mit den Begriffen „Arbeitnehmersolidarkasse“ und „Arbeitgebersozialkasse“ sind zwei zunächst in tatsächlicher Hinsicht verschiedene Phänomene gekennzeichnet. Unabhängig davon, in welcher zivilen Rechtsform eine Sozialkasse betrieben wird oder welche sozialen Zwecke im Betrieb gefördert werden sollen, gilt: Auf der einen Seite sind es die Arbeitnehmer selbst, die sich solidarisieren und Geld sammeln, um eigene soziale Zwecke zu verfolgen. Aus Sicht der Arbeitnehmer besteht eine Selbsthilfe. 75 Beispiel: http://www.versorgungswerke.de/eh/bayern/Unser_Versorgungswerk/index. php, zuletzt abgerufen am 15. 12. 2016. 76 http://web.gdw.de/uploads/pdf/GdW_Statut_2012.pdf, zuletzt abgerufen am 15. 12. 2016. 77 Statut S. 3, abrufbar unter http://web.gdw.de/uploads/pdf/GdW_Statut_2012.pdf, zuletzt abgerufen am 15. 12. 2016. 78 http://www.vdb-info.de/ueber-uns/info-kompakt/was-sind-buergschaften, zuletzt abgerufen am 15. 12. 2016. Vgl. auch § 20 Mittelstandsförderungsgesetz. 79 http://www.bb-bayern.de, zuletzt abgerufen am 15. 12. 2016. 80 Grützner/Jakob, Compliance von A-Z, AVAD. 81 www.psvag.de, zuletzt abgerufen am 15. 12. 2016.
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§ 1 Arbeitnehmersolidarität im Betrieb und soziale Kassen
Auf der anderen Seite gründet der Arbeitgeber eine soziale Kasse, um Sozialleistungen an Arbeitnehmer zu erbringen. Prägend ist dabei die Finanzierung durch ihn. Es ist der Arbeitgeber, der seinen Arbeitnehmern soziale Vorteile zukommen lassen möchte. Aus Sicht der Arbeitnehmer liegt eine Hilfe durch den Arbeitgeber vor. Mit dieser zunächst den Ausgangspunkt bildenden tatsächlichen Einordnung ist rechtlich nichts vorweggenommen. Es handelt sich nicht um feststehende Sachverhalte, die unter unterschiedliche Rechtsbegriffe oder Tatbestandsmerkmale zu subsumieren sind. Insbesondere ist nicht gesagt, welche Kasse die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG erfüllt und welche nicht. Dies ist zu untersuchen. Nicht jede Kasse im Betrieb lässt sich mit den eben dargestellten Kriterien entweder als Arbeitgebersozialkasse oder als Arbeitnehmersolidarkasse einordnen mit der Folge, dass Erstere der Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG unterliegen. Letztlich sind es die „Mischformen“, die Schwierigkeiten in der rechtlichen Einordnung bereiten. Mit dem Begriff der Solidarkasse der Arbeitnehmer im Betrieb soll sich dem Phänomen der Sozialleistungen im Betrieb von einer anderen, bislang vernachlässigten Seite genähert werden. Aus dem Blick der Mitbestimmungsrechte im Betrieb bei Sozialleistungen wird nur die Frage gestellt, in welchen Fällen und in welchem Umfang der Betriebsrat in welcher Art und Weise zu beteiligen ist. Dabei lehnen sich Beteiligung und Mitbestimmung an die Arbeitgeberentscheidung zur Sozialleistung an. Dieser ist nicht gezwungen, eine Sozialleistung zu erbringen; entscheidet er sich aber dafür, ist der Betriebsrat zu beteiligen.82 Nur ist damit das rechtlich letzte Wort gesprochen, wenn festgestellt wird, dass die Arbeitnehmer selbst für ihre sozialen Zwecke sammeln? Ist dies betriebsverfassungsrechtlich irrelevant? Jeder Arbeitnehmer beteiligte sich wohl schon an Geldsammlungen zum Beispiel für Geschenke. Selbst wenn Betriebsratsmitglieder Gelder sammeln, fragt sich kaum jemand, was genau rechtlich geschieht und ob dies rechtlich erlaubt ist. Verändert man die Spontansammlung mit belanglosem Vermögen zu einer über Jahre betriebenen Sterbekasse, zeigt sich schon ein anderes Bild: Trotz der in der Höhe geringen Beiträge der Arbeitnehmer können in großen, zehntausende Beschäftigte starken Betrieben, gerade wenn solche Kassen jahrzehntelang bestehen, in die hunderttausende Euro gehende Vermögen aufgebaut worden sein. Nur wem gehören diese Vermögen zivilrechtlich und darf der Betriebsrat solche Vermögen verwalten? Es liegt auf der Hand, dass Solidarkassen im Betrieb dem Arbeitgeber nicht verborgen bleiben, je nach Gestaltung gibt es regelmäßig Formen seiner Beteiligung.83 82 Kohte, in: Düwell, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 96; Dieterich, NZA 1984, S. 273, S. 274; Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 332, Rn. 445 ff.; Klebe, in: Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 268 f., Rn. 314; BAG v. 12. 6. 1975, 3 ABR 13/74, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972, Altersversorgung. 83 Oben unter A. III.
D. Der Begriff Arbeitnehmersolidarkasse als Gegenstand der Untersuchung
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Oftmals lassen sich die mit den Kassen verfolgten Zwecke ohne Hilfe des Arbeitgebers gar nicht erreichen, etwa wenn die Arbeitnehmer einen Raum für Musikproben oder für die Einrichtung eines Fitnessbereichs benötigen, aber auch, sofern erst eine finanzielle Unterstützung des Arbeitsgebers es ermöglicht, den Kassenzweck zu realisieren. Umgekehrt kann eine Kasse vom Arbeitgeber errichtet worden sein und von ihm verwaltet, aber durch die Arbeitnehmer finanziert werden. In der Praxis lässt sich bemerken, dass von Seiten des Arbeitgebers gefragt wird, ob von Arbeitnehmern betriebene Kassen rechtliche Auswirkungen auf ihn haben, vielleicht sogar haftungsrechtlich, wenn er diese Kassen erlaubt oder wenigstens duldet, und ein Vermögen der Kasse nicht ausreicht, um etwaige Ansprüche der Arbeitnehmer „gegen die Kasse“ zu befriedigen. Die Betriebsparteien sind oft unsicher, ob eine Gestaltung per Betriebsvereinbarung oder Betriebsabsprache möglich oder sogar geboten ist, und ob bestehende Betriebsvereinbarungen von der betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenzordnung gedeckt sind. Am Beispiel der Sterbekassen auf den Punkt gebracht: Oftmals wissen die Betriebsparteien nur, dass eine Sterbekasse im Betrieb besteht, kennen eine mehrere Jahre alte Betriebsvereinbarung, an deren Abschluss sie sich selbst nicht beteiligten und wundern sich über die vom Betriebsrat verwalteten Vermögen in beträchtlicher Höhe. Sie wissen nicht, ob die Betriebsvereinbarung wirksam ist und ob sie nicht sogar über „illegale“ – da rechtsunwirksam erworbene oder nicht vom richtigen Rechtssubjekt verwaltete – Gelder verfügen, über die trotz des damit zu erreichenden und zu billigenden sozialen Zwecks zivilrechtlich gar nicht wirksam disponiert werden darf. Der Begriff „Selbsthilfeeinrichtung“ taugt nicht als begriffliches Fundament der folgenden Untersuchung, die zum Ziel hat, den in der Praxis zu beobachtenden – jenseits anerkannter Formen arbeitgeberseitiger Sozialleistungen bestehenden – „Wildwuchs“ von sozialen Kassen im Betrieb in rechtssichere Formen zu bringen. Seine Verwendung verkürzte zunächst das Phänomen Sozialkasse auf die damit üblicherweise gemeinten Fälle der Selbsthilfe in Notfällen. Betriebliche Sozialleistungen gehen aber darüber hinaus. Genau wie der Arbeitgeber soziale Leistungen gewähren kann, um freudige Ereignisse zu prämieren, zu unterstützen, zu fördern oder um betriebliche Veranstaltungen zu organisieren und durchzuführen, können dies die Arbeitnehmer durch ihre Solidarität erreichen. Daher passt der Begriff „Solidarkasse“ besser. Hinzu kommt, dass der Begriff Selbsthilfeeinrichtung – wie zuvor gesehen84 – sowohl in unterschiedlichen Gesetzen als auch zur Beschreibung weiterer Einrichtungen bereits verwendet wird. Es handelt sich zwar um Fälle, in denen sich – mitunter nur noch historisch fassbar – Personen vereinigt haben, um einen gemeinsamen Zweck zu fördern, ein Phänomen, welches den Gedanken der Selbsthilfe durch Solidarität auch im Betrieb trägt. Ansonsten aber sind die durch den Begriff der Selbsthilfeeinrichtung angesprochenen Fälle zu verschieden, um
84
Oben unter C. IV.
§ 1 Arbeitnehmersolidarität im Betrieb und soziale Kassen
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ihm eine rechtlich einheitliche Kontur zu geben. Die obigen Beispiele85 zeigen, dass viele der Selbsthilfeeinrichtungen, die ursprünglich ihre Mitglieder nur aus einem bestimmten Personenkreis generierten, mittlerweile allgemein zugänglich sind und damit ihre Leistungen nicht mehr auf Angehörige eines Betriebes, eines Unternehmens, eines Konzerns, einer Branche beschränken. Sie werden in unterschiedlichen Rechtsformen betrieben. Ausgehend von dem oben86 beschriebenen Phänomen der Solidarkasse der Arbeitnehmer im Betrieb stellen sich Fragen der Einordnung in das Betriebsverfassungsrecht, vor allem ist zu untersuchen, in welchen Fällen eine solche Kasse die Tatbestandsmerkmale des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG erfüllt.87 Anschließend ist das Handeln des Betriebsrats im Zusammenhang mit Arbeitnehmersolidarkassen rechtlich zu würdigen. Ein bürgerlich-rechtlich wirksames Tätigwerden des Betriebsrats setzt voraus, dass er innerhalb seiner durch das BetrVG verliehenen Regelungskompetenz bleibt.88 Daher können Arbeitnehmersolidarkassen erst dann bürgerlich-rechtlich gewürdigt werden, wenn zuvor die Kompetenzen des Betriebsrats nach dem BetrVG erörtert worden sind. Mit dem Begriff der Arbeitnehmersolidarkasse wird im Folgenden eine Kasse bezeichnet, mittels derer sich die Arbeitnehmer eines Betriebs solidarisieren, um einen sozialen Zweck zu erreichen und bei der sie die Kasse zumindest teilweise finanzieren. Die Untersuchung wird zeigen, dass es Arbeitnehmersolidarkassen gibt, bei denen der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat und die Betriebsparteien per Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede die Verteilung der Gelder bestimmen können. Andererseits bestehen Arbeitnehmersolidarkassen, die die Voraussetzungen von Mitbestimmungstatbeständen nach dem BetrVG nicht erfüllen. Diese Kassen dürfen durch die Betriebsparteien nicht gestaltet werden und sollen daher als autonome Arbeitnehmersolidarkassen bezeichnet werden. Die Untersuchung beschränkt sich auf die Betriebsebene. Das Phänomen der Arbeitnehmersolidarkasse wird mit Blick auf ihre rechtliche Einordnung als betriebliche, nicht als unternehmens- oder konzernweite Kasse dargestellt. Es wird daher nur zu Sozialeinrichtungen abgegrenzt, deren Wirkungsbereich sich auf den Betrieb beschränkt. Die Ergebnisse können auf überbetriebliche, namentlich unternehmens- und konzernweite Solidarkassen und ihrer Gestaltung in Gesamt- sowie Konzernbetriebsvereinbarungen übertragen werden.
85 C.
IV. A. und B. 87 Im Einzelnen zu den Untersuchungsgegenständen sogleich unter § 2: A. 88 Ausführlich unten unter § 2: D. 86
§ 2 Einordnung der Arbeitnehmersolidarkassen in das Betriebsverfassungsrecht A. Einführung: Arbeitgebersozialleistung versus autonome Arbeitnehmersolidarität Arbeitnehmer können sich solidarisieren, um einen sozialen Zweck zu fördern. Oftmals geschieht dies völlig unabhängig vom Betrieb, so etwa, wenn sich Arbeitnehmer in ihrer Freizeit treffen, um gemeinsame Unternehmungen zu planen, zu gestalten und durchzuführen. Eine zur Finanzierung gegründete Kasse unterliegt dann allgemeinen zivilrechtlichen Regeln. Einer arbeitsrechtlichen Bewertung bedarf es nicht. Es fehlt schon an der Betriebsbezogenheit. Zunächst unproblematisch ist es auch im Grundsatz, wenn Arbeitnehmer „im Betrieb“ Solidarkassen gründen und diese rechtlich zulässig gestalten. So kann die Kasse von einem Arbeitnehmer allein betrieben oder es können Personenvereinigungen wie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine juristische Person – beispielsweise ein nichtwirtschaftlicher Verein – gegründet werden. Rechtsträger ist dann jeweils der Arbeitnehmer, die Personenvereinigung oder die juristische Person. Bei der Kassengründung können auch arbeitsvertragliche Grenzen zu berücksichtigen sein, insbesondere muss der Arbeitgeber einverstanden sein, sofern die Arbeitnehmer während der Arbeitszeit tätig sind. Im Übrigen entscheiden die Arbeitnehmer autonom über die Mittelaufbringung und die Mittelverteilung. Arbeitgeber und Betriebsrat haben insoweit kein Recht, sich an der Gestaltung einer Kasse zu beteiligen. Der Arbeitgeber wiederum darf soziale Leistungen an die Arbeitnehmer erbringen. Sofern sich keine Verpflichtung aus Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Gesamtzusage, vertraglicher Einheitsregelung oder Individualabrede ergibt, entscheidet er allein und eigenverantwortlich über das „Ob“ der Leistung. Ein Betriebsrat hat diesbezüglich kein Mitbestimmungsrecht.1 Auf Betriebsebene ist erst das „Wie“ der Sozialleistung des Arbeitgebers mitbestimmungsrechtlich zwingend von § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG erfasst. Weitergehend ermöglicht § 88 Nr. 2 BetrVG eine freiwillige Betriebsvereinbarung über die Errichtung einer Sozialeinrichtung. Damit gilt: Sofern die Sozialleistung über eine Sozialeinrichtung erbracht werden soll, dürfen die Betriebsparteien diese gestalten. Rechtsträger des Vermögens, welches vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird, bleibt der Ar1 Kohte, in: Düwell, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 96; Dieterich, NZA 1984, S. 273, S. 274; Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 332, Rn. 445 ff.; Klebe, in: Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 268 f., Rn. 314; BAG v. 12. 6. 1975, 3 ABR 13/74, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972, Altersversorgung.
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§ 2 Einordnung der Arbeitnehmersolidarkassen in das Betriebsverfassungsrecht
beitgeber, es sei denn, er hat einen rechtlich eigenständigen Rechtsträger gegründet und/oder auf einen solchen das einzusetzende Vermögen übertragen. Sofern weder eine Beteiligung des Arbeitgebers an einer Solidarkasse der Arbeitnehmer besteht, noch eine solche der Arbeitnehmer an der Sozialleistung des Arbeitgebers, sind sowohl die Befugnisse zur Gestaltung einer Kasse klar zugeordnet als auch die Rechtsträger der zur Verfügung gestellten Vermögen nicht schwer zu bestimmen. Jedoch verliert vorstehender Ausgangspunkt in der betrieblichen Realität regelmäßig an Kontur. Das beginnt bereits damit, dass sich sowohl Arbeitgeber an Solidarkassen der Arbeitnehmer – vor allem finanziell – beteiligen, als auch Arbeitnehmer an Sozialleistungen des Arbeitgebers, insbesondere, wenn diese durch eine Sozialeinrichtung erbracht werden, welche sie durch Beitragsleistung unterstützen, mitunter sogar ganz überwiegend finanzieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ändert es an dem Charakter als Sozialeinrichtung und damit am Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG nichts, wenn die Arbeitnehmer durch Entgeltzahlungen, Umlagen, Beitragszahlungen die Mittel für die Einrichtung teilweise oder sogar größtenteils selbst aufbringen.2 Das soll sogar bei die Kosten der Einrichtung deckenden Leistungen der Arbeitnehmer gelten, sofern den Arbeitnehmern noch ein Vorteil verbleibt.3 Mit Blick auf die Solidarkassen der Arbeitnehmer lässt sich vor allem die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anführen, nach der selbst erhebliche finanzielle, sächliche oder persönliche Unterstützungen der Dienststelle nicht verhindern, dass eine mitbestimmungsfreie Selbsthilfeeinrichtung der Arbeitnehmer besteht.4 Damit fragt sich, wann eine Leistung des Arbeitgebers Sozialleistung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne ist und Mitbestimmungsrechte auslöst und wann bloß eine Unterstützung einer autonomen Solidarkasse der Arbeitnehmer gegeben ist. Um dieses Problem zu lösen, ist zu untersuchen, ob oder in welchen Fällen eine Arbeitnehmersolidarkasse die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG erfüllt. Bejahendenfalls hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach dieser Vorschrift. Zudem können die Betriebsparteien in diesem Fall auch über die Errichtung einer Sozialeinrichtung gemäß § 88 Nr. 2 BetrVG eine Betriebsvereinbarung schließen. Sofern die Anforderungen der Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG hinsichtlich der verselbständigten Organisation nicht erfüllt sind, können Leistungen des Arbeitgebers noch als Sozialleistungen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG einzuordnen sein. 2 BAG v. 3. 2. 1956, 1 AZR 463/54, AP Nr. 17 zu § 2 ArbGG; BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, ZIP 2001, S. 262, S. 263; BAG v. 10. 2. 2009, 1 ABR 94/07, NZA 2009, S. 562, S. 564. 3 BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, ZIP 2001, S. 262, S. 263; a. M. Sasse, DB 1960, S. 609, S. 610. 4 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28; BVerwG v. 5. 2. 1971, VII P 12.70, PersV 1972, S. 36, S. 38.
A. Einführung: Arbeitgebersozialleistung versus autonome Arbeitnehmersolidarität 45
Dreh- und Angelpunkt der Einordnung von Arbeitnehmersolidarkassen in das BetrVG bleibt jedoch die Beantwortung der Frage, ob Arbeitnehmersolidarkassen Sozialeinrichtungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG sind (hierzu unter B.). Auf § 88 Nr. 2 BetrVG wird nur dort eingegangen, wo er hilfreich ist, um Kriterien zu entwickeln, anhand derer sich feststellen lässt, dass eine Arbeitnehmersolidarkasse die begrifflichen Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung erfüllt. Im Übrigen braucht er nicht eigenständig von § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG dargestellt zu werden. Sofern nämlich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG besteht, folgt daraus automatisch die Möglichkeit der Betriebsparteien zu einer freiwilligen Betriebsvereinbarung gemäß § 88 Nr. 2 BetrVG. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG wird in die Ausführungen zu § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG miteinbezogen, da nur eine Gesamtbetrachtung beider Tatbestände es ermöglicht, darüber zu befinden, in welchen Fällen sich Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Zusammenhang mit Arbeitnehmersolidarkassen ergeben. Abgrenzungsprobleme zwischen mitbestimmungspflichtiger Sozialeinrichtung und autonomer Solidarkasse der Arbeitnehmer werden neben dem Kriterium der Finanzierung weiterhin dadurch gefördert, dass Literatur und Rechtsprechung meinen, dem Betriebsrat könne die Alleinverwaltung der Kasse übertragen werden.5 Da dieser regelmäßig auch Kassen von Arbeitnehmern verwaltet, stellt sich die Frage, wann eine zulässige Alleinverwaltung des Betriebsrats und wann möglicherweise ein vom BetrVG nicht gedecktes Tätigwerden im Zusammenhang mit autonomen Arbeitnehmersolidarkassen besteht. Insofern sind die Handlungs- und Regelungskompetenzen des Betriebsrats zu untersuchen (dazu D.). Führt man sich die oben beschriebene6 Vielfalt denkbarer Gründungen und Ausgestaltungen von sozialen Kassen im Betrieb vor Augen, fragt sich, anhand welcher Kriterien darüber befunden werden kann, ob eine Sozialeinrichtung oder eine autonome Solidarkasse der Arbeitnehmer7 besteht, deren Gestaltung den Betriebspartnern entzogen ist. Die folgende Untersuchung verfolgt das Ziel, solche Kriterien zu entwickeln. Dabei wird von folgendem Aufbau ausgegangen: Nach einer kurzen Darstellung des Begriffs der Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, wie ihn Rechtsprechung und Literatur versteht (B. I.), und der Erkenntnis, dass sich autonome Arbeitnehmersolidarkassen hiervon nicht durch ihre soziale Zwecksetzung und den durch sie begünstigten Personen unterscheiden (B. II.), folgt eine Analyse der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur. Diese soll aufzeigen, ob oder in welchen Fällen Rechtsprechung und Literatur Arbeitnehmersolidarkassen als Sozialeinrichtungen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG einord5 Grundlegend BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1 ff.; Matthes, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 249, Rn. 26; Bender, in: Wlotzke/Preis/Kreft, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 169; Klebe, in: Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 277. 6 Oben unter § 1: A. und B. 7 Zum Begriff oben unter § 1: D.
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§ 2 Einordnung der Arbeitnehmersolidarkassen in das Betriebsverfassungsrecht
nen würden und anhand welcher Kriterien (B. III.). Hierdurch wird die Grundlage geschaffen, um unter Rückbesinnung auf den Sinn und Zweck der Mitbestimmung bei Sozialleistungen des Arbeitgebers einzelne Kriterien daraufhin zu überprüfen, ob sie eine Subsumtion der Arbeitnehmersolidarkasse unter den Begriff der Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ermöglichen. Gerade die Diskussion derjenigen Kriterien, die hierfür untauglich sind (B. IV.), fördert das Verständnis darüber, anhand welcher anderer eine Subsumtion gelingt (B. V.). Die Untersuchung wird aufzeigen, dass letztlich die Auslegung des Begriffs der Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG in Rechtsprechung und Literatur noch nicht gelungen ist. Um dem in der Praxis auftauchenden Problem der Vielgestaltigkeit sozialer Kassen Rechnung zu tragen, sollen am Beispiel der Sterbekasse als praktisch wichtigste Arbeitnehmersolidarkasse verschiedene Kassengestaltungen daraufhin überprüft werden, ob sie Mitbestimmungsrechte nach dem BetrVG begründen (C.).
B. Arbeitnehmersolidarkassen als Sozialeinrichtungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG I. Zum Begriff der Sozialeinrichtung nach Rechtsprechung und Literatur 1. Zweckgebundenes Sondervermögen Überwiegend definiert man „Sozialeinrichtung“ als ein zweckgebundenes Sondervermögen mit einer abgrenzbaren, auf Dauer gerichteten Organisation, die einer rechtlichen und tatsächlichen Verwaltung bedarf.8 Sächliche, personelle und/ oder finanzielle Mittel müssen vom übrigen Vermögen des Arbeitgebers abgrenzbar sein.9 Insoweit ist die Rede von einem „zweckgebundenen Sondervermögen“10, einer „eigenständigen Verwaltungseinheit“11 oder einer „relativ selbständigen Verwaltungseinheit“12. Salopp gesagt, heißt es, es müsse was zum Verwalten da sein.13 8 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 678; Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 603; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Band II, S. 922; Kaiser, in: Löwisch/Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 172. 9 BAG v. 16. 6. 1998, 1 ABR 67/97, NZA 1998, S. 1185, S. 1187; Kania, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 87 BetrVG, Rn. 68. 10 Worzalla, in: Hess/Worzalla/Glock/Nicolai/Rose/Huke, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 459; Etzel, in: Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 2, 9.1, Rn. 577; BAG v. 10. 2. 2009, 1 ABR 94/07, AP Nr. 21 zu § 87 BetrVG 1972, Sozialeinrichtung. 11 Richardi, in: In Memoriam Sir Otto Kahn-Freund, S. 247, S. 253. 12 Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 607. 13 BAG v. 12. 6. 1975, 3 ABR 13/74, BB 1975, S. 1062, S. 1064; BAG v. 9. 12. 1980, 1 ABR 80/77, BB 1981, S. 735, S. 736 f.; BAG v. 16. 6. 1998, 1 ABR 67/97, NZA 1998, S. 1185, S. 1187; Kania, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 87 BetrVG, Rn. 68; Stege/ Weinspach/Schiefer, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 135.
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Tragendes Argument der Mitbestimmung des Betriebsrats ist, dass die Arbeitnehmer bei Abwicklung der Sozialleistungen über besondere Einrichtungen nicht mehr unmittelbar mit dem Arbeitgeber zu tun haben, sondern mit einer besonderen betrieblichen Institution.14 Es soll ein Missbrauch durch den Arbeitgeber verhindert werden, indem er ein „Zwischenglied“ zwischen sich und den Arbeitnehmer setzt, insbesondere bei rechtlich selbständigen Dritten.15 2. Verhältnis zu § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG Diese „Zwischenschaltung“ ist maßgeblich für die im Vergleich zu § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG eigenständige Regelung in § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG.16 Auch § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dient einer „gerechten“ betrieblichen, transparenten und nachvollziehbaren Gestaltung der Sozialleistungen an die Arbeitnehmer.17 Beide Regelungen verfolgen den Zweck, sämtliche Sozialleistungen des Arbeitgebers, die an die Arbeitnehmer seines Betriebs zu verteilen sind, der Mitbestimmung zu unterwerfen, entweder weil der Arbeitgeber unmittelbar an die Arbeitnehmer leistet oder weil er eine Einrichtung errichtet hat, die die Leistungen erbringt. Der Arbeitgeber darf die Einrichtung selbst betreiben, eine tatsächliche Verselbständigung von Sozialmitteln bleibt jedoch Voraussetzung für die Anwendung von § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Ansonsten gelänge eine Abgrenzung zu § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht.18 Der Einrichtungsbegriff verlangt mehr als bloße Zahlungen.19 Zwischenzeitlich anders lautende Rechtsprechung20 hat das BAG aufgegeben.21
14 Jahnke, ZfA 1980, S. 863, S. 887; Richardi, in: In Memoriam Sir Otto Kahn-Freund, S. 247, S. 253 f.; Galperin/Löwisch, § 87 BetrVG, Rn. 171; Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 332. 15 Jahnke, ZfA 1980, S. 863, S. 887. 16 Ausführlich Jahnke, ZfA 1980, S. 863, S. 887. 17 Jahnke, ZfA 1980, S. 863, S. 885; Richardi, ZfA 1976, S. 1, S. 8. 18 Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 601. 19 Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 612. Estelmann, Rechtlich selbständige Sozialeinrichtungen, S. 26 verlangt weitergehend, dass bei nichtgegenständlichen Vermögen eine rechtlich selbständige Einrichtung geschaffen wird. 20 BAG v. 13. 2. 1979, 1 ABR 80/77, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972, Sozialeinrichtung; BAG v. 24. 1. 1980, 3 AR 329/79, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972, Sozialeinrichtung. Der Grund für die damalige Sichtweise lag darin begründet, dass der Senat das Darlehen nicht unter § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG fassen wollte wegen eines im Vergleich zu heute engeren Verständnisses zum Entgeltbegriff; Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 606; ausführlich Jahnke, ZfA 1980, S. 863, S. 869 ff. 21 Grundlegend BAG v. 9. 12. 1980, 1 ABR 80/77, AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972, Lohngestaltung. Zu den Entscheidungen und der Kontroverse des BAG ausführlich Richardi, in: In Memoriam Sir Otto Kahn-Freund, S. 249 ff. sowie Dieterich, NZA 1984, S. 273 ff.; Reinecke, AuR 2004, S. 328, S. 333.
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3. „Organisation“ als Merkmal der Sozialeinrichtung Ist damit heutzutage zwar geklärt, dass bloße Zahlungen des Arbeitgebers nicht unter den Begriff der Sozialeinrichtung subsumiert werden können, bleibt die „Organisation“ als inhaltliches Merkmal einer Sozialeinrichtung dennoch nicht unbestritten.22 Bereits die Form und die Ausgestaltung der Sozialeinrichtung unterliegen der Mitbestimmung. Deshalb könne ein Merkmal der „Organisation“ nicht Voraussetzung einer Sozialeinrichtung sein.23 Zutreffend hieran ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht erst dann entsteht, wenn die Rechtsform der Sozialeinrichtung feststeht oder das Rechtssubjekt bereits errichtet worden ist. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG bezieht das Mitbestimmungsrecht nicht mehr wie § 56 BetrVG 1952 nur auf die Verwaltung, sondern zusätzlich auf Form und Ausgestaltung der Sozialeinrichtung. Mit „Form“ ist die Rechtsform gemeint.24 Mitbestimmungsfrei bleibt nur die Errichtung, vor allem bestimmt der Arbeitgeber allein den sozialen Zweck und die Höhe einer finanziellen Ausstattung.25 Nach wie vor ist damit problematisch, welches Maß an Verselbständigung der Sozialmittel notwendig ist, um die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG auszulösen. Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung soll bereits genügen, „daß etwas vorhanden ist, was innerhalb eines feststehenden Gesamtrahmens strukturelle Alternativentscheidungen offen läßt“.26 Anderenorts wird an Stelle des Organisationserfordernisses eine Institutionalisierung für ausreichend erachtet.27 Dagegen wird teilweise geäußert, Sozialeinrichtungen könnten auch vorliegen, wenn sie nicht in einer institutionalisierten Form an den Arbeitgeber gebunden seien, so zum Beispiel bei der Organisation von Kegelabenden und wiederkehrenden Briefmarkenaustauschtagen.28 Unabhängig von den Streitigkeiten um Details lässt sich festhalten, dass gerade unter Berücksichtigung einer Abgrenzung zu § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in der Literatur ein „gewisses Maß an organisatorischer Verfestigung und Verselbständigung“ gefordert wird, das es ermöglicht, die eingesetzten Sozialmittel vom übrigen 22 Jahnke, ZfA 1980, S. 863, S. 865 f.; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 679; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 735; Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 603; Peters, DB 1967, S. 1500 ff. verzichtet vollständig auf das Erfordernis einer eigenen Organisation. 23 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 679; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 735; Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 603. 24 Matthes, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 249, Rn. 21; Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 357. 25 v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, S. 288. 26 Weiss/Weyand, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 57. 27 Helm, in: Siebert/Becker, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 84. Bei Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 340 wird mit „Institutionalisierung“ ein gewisser Grad an Organisation verstanden. 28 Reich, Andreas/Reich, Bernhard/Reich, Christine, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 9.
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Betriebsvermögen abzugrenzen.29 In der Rechtsprechung wird bis heute mit dem Merkmal der eigenständigen – nicht notwendigerweise rechtlich selbständigen – Organisation gearbeitet.30 Im Folgenden ist zu untersuchen, ob die soeben aufgezeigte Auslegung des Merkmals „Sozialeinrichtung“ nach Rechtsprechung und Literatur geeignet ist, um Arbeitnehmersolidarkassen unter den Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG subsumieren zu können und die Fälle der Mitbestimmung von denjenigen zu unterscheiden, in denen die Arbeitnehmer autonom über ihre Kasse bestimmen können.
II. Sozialer Zweck und begünstigte Personen 1. Sozialer Zweck als gemeinsames Merkmal von Arbeitnehmersolidarkasse und Sozialeinrichtung Sinn der Gründung einer Sozialkasse im Betrieb ist die Förderung eines sozialen Zwecks. Das gilt sowohl für die Errichtung einer Sozialeinrichtung durch den Arbeitgeber als auch für die Gründung einer Solidarkasse durch die Arbeitnehmer. Sobald im Betrieb Gelder gesammelt werden, um damit soziale Zwecke der Arbeitnehmer zu finanzieren, stellt sich die Frage, ob eine Sozialeinrichtung nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG gegeben ist. Anhand der sozialen Zwecksetzung lassen sich aber der Selbstverwaltung der Arbeitnehmer unterliegende Solidarkassen regelmäßig nicht von Sozialeinrichtungen unterscheiden. Die durch Sozialeinrichtungen förderbaren sozialen Zwecke sind denkbar weit. Es genügt jeder zusätzliche Vorteil zum Arbeitsentgelt.31 Eine Sozialleistung des Arbeitgebers, die er über eine Sozialeinrichtung erbringen kann, liegt unabhängig von ihrer Bezeichnung immer dann vor, wenn sie nicht im Synallagma zur Arbeitsleistung steht.32 Dass sie neben ihrer sozialen Komponente auch Entgeltcharakter hat – nur ohne synallagmatische Verknüpfung mit der Arbeitsleistung –, entscheidet nicht über ihre Qualität als soziale Leistung.33 Sozialeinrichtungen können somit auch errichtet werden, um die sozialen Folgen von Sterbefällen abzumildern, um Betriebsjubiläen, Geburtstage, Betriebsausflüge, Betriebsfeiern, Betriebskindergärten, Sportanlagen, betriebliche Chor- und Bender, in: Wlotzke/Preis/Kreft, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 155. BAG v. 27. 1. 1998, 1 ABR 35/97, AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972, Sozialeinrichtung; BAG v. 10. 2. 2009, 1 ABR 94/07, BAGE 129, S. 313, S. 318 f. 31 Klebe, in: Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 263; Matthes, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 249, Rn. 6; Kreitner, in: Küttner, Personalbuch, Sozialeinrichtungen, Begriff, Rn. 3; Kaiser, in: Löwisch/Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 173. 32 BAG v. 10. 2. 2009, 1 ABR 94/07, BAGE 129, S. 313, S. 319; Klebe/Ratayczak/Heilmann/Spoo, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 49; Bender, in: Wlotzke/Preis/ Kreft, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 155. 33 Jahnke, ZfA 1980, S. 863, S. 872 ff.; Moll, Mitbestimmung beim Entgelt, S. 85 ff.; Richardi, in: In Memoriam Sir Otto Kahn-Freund, S. 247, S. 254. 29
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Theatergruppen und anderes mehr zu finanzieren. Dasselbe könnte über Solidarkassen der Arbeitnehmer erreicht werden. Daher darf nicht allein aus einer die Arbeitnehmer begünstigenden sozialen Zwecksetzung auf das Bestehen einer Sozialeinrichtung geschlossen werden. Das aber macht das BAG, wenn es argumentiert, eine als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit organisierte Pensionskasse sei deshalb eine Sozialeinrichtung34, weil der „satzungsmäßige Zweck“ der Einrichtung darin liege, die sozialen Lebensverhältnisse von Arbeitnehmern und ihren Hinterbliebenen zu verbessern.35 Dies kann genauso gut durch eine Solidarkasse der Arbeitnehmer erreicht werden, zumal die Rechtsform einer Einrichtung nicht darüber entscheidet, ob eine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG besteht.36 So ist denkbar, dass in der Satzung eines von Arbeitnehmern gegründeten Vereins derselbe Zweck festgelegt ist. Nur weil dieser in der Satzung beschriebene Zweck dem Wohl der Arbeitnehmer und seiner Hinterbliebenen dient, ist aber noch keine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG gegeben. Es fehlt die Zuordnung zum Arbeitgeber. Eine solche hat das BAG in seiner Entscheidung nicht aufgezeigt. Indem es unter Verweis auf eine Entscheidung des Reichsgerichts37 formuliert, „nur eine ausgesprochene Selbsthilfeeinrichtung der Arbeitnehmer“ wäre keine Sozialeinrichtung,38 gibt es eher zu erkennen, dass ihm Kriterien, die eine Einrichtung zur Selbsthilfeeinrichtung machen, fehlen. Das gilt umso mehr, weil das Reichsgericht in der zitierten Entscheidung ebenfalls keine solchen nennt, geschweige denn sich überhaupt damit auseinandersetzt, wann eine Einrichtung Sozialeinrichtung und wann Selbsthilfeeinrichtung ist.39 Der soziale Zweck einer Kasse im Betrieb gibt somit keinen Aufschluss darüber, ob sie als autonome Arbeitnehmersolidarkasse oder als Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG besteht. 2. Betriebsbezug der Sozialleistung a) Sachlich Sozialleistungen können von Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch erbracht werden, um außerbetriebliche Zwecke zu fördern. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Baumaßnahmen historisch bedeutsamer Gebäude unterstützt oder Hilfe bei regionalen Unglücksfällen geleistet werden. Selbst wenn eine Kasse zur finanziellen Unterstützung solcher Fälle im Betrieb dauerhaft angelegt ist, sind die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG nicht erfüllt. Der Wirkungsbereich der Sozialeinrichtung ist nach dieser Vorschrift be34
Damals galt noch der Begriff „Wohlfahrtseinrichtung“. BAG v. 3. 2. 1956, 1 AZR 463/54, AP Nr. 17 zu § 2 ArbGG 1953. 36 Kohte, in: Düwell, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 94 ff. 37 v. 24. 10. 1911, VII 55/11, Deutsche Juristen Zeitung, Spalte 161. 38 BAG v. 3. 2. 1956, 1 AZR 463/54, AP Nr. 17 zu § 2 ArbGG 1953. 39 RG v. 24. 10. 1911, VII 55/11, Deutsche Juristen Zeitung, Spalte 161. 35
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schränkt. Werden – mit Blick auf den Betrieb – außerbetriebliche Zwecke gefördert, handelt es sich nicht um eine Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG.40 b) Persönlich Zu prüfen ist, ob sich anhand des durch eine Kasse begünstigten Personenkreises feststellen lässt, ob eine Arbeitnehmersolidarkasse Sozialeinrichtung ist. Solidarkassen werden vor allem gegründet, um Arbeitnehmer einschließlich der zur Berufsausbildung Beschäftigten zu unterstützen. Dabei bleibt es in der Regel jedoch nicht. Am Beispiel der Sterbekassen ist zu sehen, dass in der Regel auch leitende Angestellte, Rentner sowie Angehörige von Arbeitnehmern, sogar bloß mit dem Arbeitnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebende Personen, begünstigt werden. Für Rentner finden sich unterschiedliche Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Sterbekasse. Überwiegend wird verlangt, dass sie für eine gewisse Zeit zuvor Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers waren. Üblich ist eine fünf- bis zehnjährige Betriebszugehörigkeit. Die Regelung für Rentner gilt in erster Linie für Arbeitnehmer, die die Regelaltersgrenze erreicht haben oder das Arbeitsverhältnis wegen Erwerbsminderung nicht fortsetzen können. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis endete, ohne dass sie Rentner sind, können ebenfalls Mitglied einer Sterbekasse sein. „Satzungen“ oder „Betriebsvereinbarungen“ verlangen auch für diese Personen eine langjährige Betriebszugehörigkeit. Mitunter soll die Mitgliedschaft in einer Sterbekasse enden, wenn ein Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber begründet wird. Eine mitbestimmungspflichtige Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG verlangt, dass die Einrichtung Arbeitnehmer des Betriebs begünstigt.41 Unschädlich ist es, wenn auch leitende Angestellte von der Sozialeinrichtung bedacht werden, solange eine Einrichtung nicht ausschließlich für sie errichtet worden ist.42 Auch Familienangehörige, Pensionäre und Rentner ändern nichts an dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.43 Die Grenze, ab der keine mitbestimmungspflichtige Sozialeinrichtung mehr gegeben ist, ist erst dann erreicht, wenn die Einrichtung einem unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht wird.44 Dazu soll die vorübergehende Zulassung von Gästen nicht gehören.45 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 697 ff. BAG v. 10. 2. 2009, 1 ABR 94/07, BAGE 129, S. 313, S. 318. 42 BAG v. 30. 4. 1974, 1 ABR 36/73, BB 1974, S. 1070, S. 1071; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 697; Wiedemann, in: In Memoriam Sir Otto Kahn-Freund, S. 247, S. 255. 43 Hessling, in: Linnartz, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 Mitbestimmungsrechte, Rn. 345; Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 344; Estelmann, Rechtlich selbständige Sozialeinrichtungen, S. 32; BAG v. 21. 6. 1979, 3 ABR 3/78, BAGE 32, S. 39, S. 42 ff. 44 Grundlegend bereits BAG v. 21. 6. 1979, 3 ABR 3 /78, BAGE 32, S. 39, S. 42 ff.; bestätigt nochmals durch BAG v. 10. 2. 2009, 1 ABR 94/07, BAGE 129, S. 313, S. 320. 45 BAG v. 21. 6. 1979, 3 ABR 3/78, BAGE 32, S. 39, S. 42 ff.; Bachmann, NZA 2002, S. 1130, S. 1135. 40 41
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Die von Sterbekassen bedachten Mitglieder, die nicht oder nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, namentlich Familienangehörige, nichteheliche Lebenspartner, Pensionäre, Rentner und diejenigen aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Personen, die zwar keine Rentner sind, aber noch Mitglieder der Sterbekasse bleiben können, sind kein unbestimmter Personenkreis im Sinne der Rechtsprechung und der Literatur. Familienangehörige und nichteheliche Lebenspartner leiten ihre Begünstigung von einem Arbeitnehmer ab, Pensionäre, Rentner und die sonstigen früheren Arbeitnehmer werden insbesondere über die Regeln der notwendigen Verweildauer im früheren Arbeitsverhältnis hinreichend betriebsbezogen bestimmt und von Außenstehenden abgegrenzt.46 Eine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG besteht erst dann nicht mehr, wenn eine Sterbekasse Mitglieder unabhängig von ihrem Betriebsbezug zulässt, mithin jeder Außenstehende Mitglied der Sterbekasse werden könnte. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist damit nicht nur dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber eine Einrichtung errichtet, um Arbeitnehmer, Auszubildende und leitende Angestellte des Betriebs zu unterstützen, sondern auch, wenn deren Familienangehörige, nichteheliche Lebenspartner sowie Rentner, Pensionäre und frühere Arbeitnehmer bedacht werden sollen.
III. Die Arbeitnehmersolidarkasse als Sozialeinrichtung nach Rechtsprechung und Literatur 1. Einführung Es wurde bereits gezeigt, dass Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich bestimmen, wann eine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG oder des § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG und wann eine Selbsthilfeeinrichtung besteht.47 Im Zentrum stehen dabei die Überlegungen, ob der Arbeitgeber die Einrichtung beeinflussen kann oder dieser selbst Mittel zur Verfügung stellt. Außerdem liest man als Merkmal der Sozialeinrichtung, der Arbeitgeber müsse die Einrichtung selbst errichten.48 Geschehe dies durch Dritte, liege eine Sozialeinrichtung nur vor, wenn der Arbeitgeber die Errichtung veranlasst habe.49 Bei wirtschaftlicher Betrachtung müsse er als „Stifter“ anzusehen sein.50
46 Vgl. zur Sozialeinrichtung gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG BVerwG v. 28. 6. 2000, 6 P 1/00, NZA 2000, S. 1123 ff. 47 Oben unter § 1: C. 48 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 690; Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 602; Klebe, in: Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 264; Weiss/Weyand, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 55. 49 Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 602. 50 So Kreitner, in: Küttner, Personalbuch, Sozialeinrichtung, Begriff, Rn. 5.
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Diese Abgrenzung scheint trennscharf. Besteht für den Arbeitgeber keine Möglichkeit, eine Einrichtung zu beeinflussen oder an dieser mitzuwirken, kann sich die Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit in Bezug auf die von der Einrichtung erbrachten Mittel nicht stellen. Nach dem Bundesarbeitsgericht ist eine Mitbestimmung des Betriebsrats nicht sinnvoll, wenn der Arbeitgeber selbst nicht in der Lage ist, über die „Geschicke einer Sozialeinrichtung“ zu bestimmen oder zumindest mitzubestimmen.51 Umgekehrt lässt sich sagen: Haben Arbeitnehmer im Betrieb eine Einrichtung – unabhängig von der Rechtsform – gegründet, um soziale Zwecke über die Sammlung eigener finanzieller Mittel zu fördern, dann bedarf es keiner Mitbestimmung des Betriebsrats, wenn der Arbeitgeber weder an der Gründung beteiligt war, noch an der Verwaltung beteiligt ist und schließlich keine finanzielle, sächliche oder personelle Unterstützung gewährt. In der Praxis lässt sich aber eine Abgrenzung auf diese Weise oftmals nicht vornehmen, da die Arbeitnehmer regelmäßig nicht über ein solches Maß Unabhängigkeit verfügen. Mit anderen Worten: Die Abgrenzung berücksichtigt die praktisch relevanten „Mischfälle“ nicht, bei denen unterschiedliche Niveaus an Beteiligung, Finanzierung und Einflussnahme bestehen. Im Folgenden ist das Phänomen der Arbeitnehmersolidarkasse unter die Ansätze von Rechtsprechung und Literatur zu § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zu subsumieren. Dabei wird deutlich werden, dass nicht nur die Begründungen, warum eine Einrichtung Sozialeinrichtung ist, divergieren, sondern, dass die Einordnung einer Arbeitnehmersolidarkasse als Sozialeinrichtung nach Rechtsprechung und Literatur davon abhängt, ob und wenn ja in welchem Maß der Arbeitgeber eine Einrichtung beeinflussen kann. Das wird vor allem eine Analyse der Entscheidungen des BVerwG zu § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG zeigen, in denen das Gericht den Begriff der Sozialeinrichtung von einem der Selbsthilfeeinrichtung unterscheidet und die Voraussetzungen des Mitbestimmungstatbestands nur im ersten Fall als erfüllt ansieht. Im Anschluss daran können unter IV. und V. die Kriterien erarbeitet werden, anhand derer sich feststellen lässt, ob eine Arbeitnehmersolidarkasse die Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG erfüllt. 2. Der vom Arbeitgeber herbeigeführte Sozialvorteil in der Rechtsprechung des BAG Sofern die Anforderungen an die Organisation als Merkmal der Sozialeinrichtung erfüllt sind,52 sind nach dem BAG keine hohen Hürden zu überwinden, damit ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG entsteht. Das soll exemplarisch anhand des in der Rechtsprechung des BAG zum Recht der betrieblichen Sozialeinrichtungen grundlegenden so genannten Kantinenurteils53 dargestellt werden. Das BAG grenzte zwischen einer Sozialeinrichtung und einer vom Arbeitgeber BAG v. 21. 6. 1979, 3 ABR 3/78, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972, Sozialeinrichtung. Oben unter II. 3. 53 BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1 ff. 51
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unabhängigen Einrichtung der Kantine, gegründet durch die Betriebsratsmitglieder, ab. Die Vorinstanz, das LAG Hamm54, hatte die Auffassung vertreten, dass keine Sozialeinrichtung besteht. Die Betriebsratsmitglieder hätten zur Bewirtschaftung der Kantine einen Verein gegründet. Demgegenüber behandelte das BAG die Belegschaftskantine als Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Den Wunsch des Betriebsrats, eine Kantine einzurichten, hatte der Arbeitgeber zunächst abgelehnt. Arbeitgeber und Betriebsrat einigten sich schließlich darauf, dass der Betriebsrat selbst die Kantine eröffnen und verwalten sollte. In einem bereits vorhandenen Gemeinschaftsraum wurde ein Schrank mit Waren zum Verkauf an die Belegschaft aufgestellt. Die Geschäfte führten Betriebsratsmitglieder. In den Folgejahren vergrößerte sich das Angebot an die Arbeitnehmer, Getränke und Esswaren einkaufen zu können. a) Gründe für das Bestehen einer Sozialeinrichtung aa) Überlassen von Mobiliar und Räumlichkeiten Nach dem BAG genügt es für das Bestehen einer Sozialeinrichtung nicht, wenn der Arbeitgeber lediglich einen Schrank in einem Gemeinschaftsraum überlässt, den die Betriebsratsmitglieder zur Aufbewahrung der Lebensmittel benutzen. Dadurch würden den Arbeitnehmern noch keine sozialen Vorteile gewährt.55 bb) Abstellen von Personal Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils lassen nicht erkennen, ab wann genau vom Arbeitgeber entlohnte Arbeitnehmer ihre Arbeitskraft für die Kantine erbrachten. Der Tatbestand berichtet, dass seit 1970 – etwa 14 Jahre nach der Gründung der Kantine! – ein Angestellter des Arbeitgebers mit der Führung der Kantine beauftragt war.56 Außerdem stellte der Arbeitgeber Kraftfahrer zum Einkauf der Lebensmittel ab und beschäftigte eine Halbtagskraft zum Verkauf der Waren; für diese Aufgabe setzte er während der Samstagsschicht Mitarbeiter der Nachtschicht ein.57 Das BAG hat daraus gefolgert, diese Arbeitskräfte erbrächten nicht dem Arbeitgeber, sondern der Kantine eine Leistung. Aus dem Umsatz der Kantine müssten keine Lohnkosten entnommen werden. Erst dadurch werde es möglich, die Lebensmittel günstig an die Belegschaft zu verkaufen, sodass dieser soziale Vorteil auch mittelbar auf der Leistung des Arbeitgebers beruhe. Eine weitere Verpflichtung des Arbeitgebers, finanzielle Leistungen, vor allem durch Zuschüsse, zu gewähren, müsse nicht bestehen.58 54
v. 21. September 1983, 12 Sa 1024/83, juris. BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1, S. 12. 56 BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1, S. 2. 57 BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1, S. 2. 58 BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1, S. 12. 55
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cc) Anforderungen an die Organisation und Verwaltung der Kantine Das BAG hat den mitgeteilten Sachverhalt nicht näher unter das Erfordernis der eigenständigen Organisation subsumiert. Es verwies auf die ständige Rechtsprechung, wonach sowohl die Versorgung der Belegschaft mit Mahlzeiten durch eine Betriebskantine als auch mit Lebensmitteln durch Verkaufsstände unter den Begriff der Sozialeinrichtung gefasst werden könnten.59 Im zu entscheidenden Fall wurden die finanziellen Mittel zum Betreiben der Kantine nicht aus laufenden Betriebsmitteln erbracht, was einer organisatorischen Verselbständigung entgegenstehen könnte. Vielmehr eröffnete der mit der Verwaltung durch Betriebsratsbeschluss beauftragte Betriebsratsvorsitzende ein Konto. Auf dieses wurden die eingenommenen Gelder eingezahlt, und er entnahm die erforderlichen Mittel für den Wareneinkauf. Am Ende jedes Kalenderjahres wurden Waren- und Kassenbestände, Außenstände sowie Bankschulden erfasst.60 Daher war an der selbständigen Organisation der Kantine nicht zu zweifeln. Hervorgehoben hat das BAG allerdings, es sei unerheblich, dass sich der Arbeitgeber nicht um die Verwaltung der Sozialeinrichtung gekümmert habe. Eine Sozialeinrichtung könne dem Betriebsrat auch zur Alleinverwaltung übertragen werden.61 b) Vergleich mit dem Modell „Sterbekasse“ aa) Selbständige Organisation Auch für auf Dauer angelegte Sterbekassen wird ein Bankkonto eröffnet, auf welches die monatlichen Zahlungen der Mitglieder gebucht werden und von welchem finanzielle Leistungen im Falle des Eintritts des abgesicherten Risikos verfügt werden. Es bedarf einer regelmäßigen Prüfung der Zahlungsein- und -ausgänge, der Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen, der Verwaltung des Mitgliederbestandes, der Bearbeitung von Eintritten neuer sowie der Austritte bestehender Mitglieder, der Anpassung des Mitgliedsbeitrages und der Versicherungssummen. Bei großen Unternehmen können Sterbekassen zehntausende Mitglieder haben, deren Erfassung und Betreuung verwaltungstechnisch aufwendig ist. Die Gesamtheit der Tätigkeiten, die notwendig sind, um eine Sterbekasse zu gründen und zu führen, vom Zeitraum des Mitgliedsbeitritts über die Leistung der Versicherungssumme bis hin zum Mitgliedsaustritt, verlangt ein Maß an Organisation und Verwaltung, welches über dasjenige im Falle von Leistungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hinausgeht. Doch worin liegen die sozialen Vorteile, die durch den Arbeitgeber erbracht werden?
BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1, S. 12. BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1, S. 3. 61 BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1, S. 12 f. 59
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bb) Abstellen von Personal In vielen Fällen behält der Arbeitgeber den Mitgliedsbeitrag der Arbeitnehmer vom Lohn ein und überweist den Betrag auf das Bankkonto der Sterbekasse. Das kann der Arbeitgeber durch eigene Arbeitnehmer in der Buchhaltung erledigen oder durch Dritte, die mit der Buchhaltung beauftragt sind. Die Leistung des Arbeitgebers liegt demgemäß darin, dass er entweder Arbeitskraft von Arbeitnehmern zur Verfügung stellt, die er entlohnt, oder unabhängige Dritte dafür bezahlt, dass sie die Mitgliedsbeiträge vom Lohn einbehalten und auf das Sterbekassenkonto überweisen. Jedoch liegt hierin allein noch kein vermögenswerter Vorteil. Würde der Arbeitgeber den Beitrag der Arbeitnehmer nicht einbehalten und dem Sterbekassenkonto zuführen, müssten die Arbeitnehmer selbst die Überweisung vornehmen. Dadurch entstehen aber keine Kosten für die Sterbekasse, die sie durch eine Hilfe des Arbeitgebers vermeiden könnten. Im Einzelfall kann der Arbeitgeber aber sämtliche Maßnahmen bis zur vollständigen Organisation und Verwaltung der Sterbekasse entweder selbst durchführen oder delegieren. Je nach Umfang seiner Tätigkeit bedienen sich die Arbeitnehmer somit einer anderenfalls auf dem Markt zu entlohnenden Dienstleistung, die sie für sich nutzen und die trotz ihres marktüblichen Werts das Kassenvermögen nicht belastet. In diesem Fall führt der Arbeitgeber einen sozialen Vorteil für die Arbeitnehmer herbei. cc) Finanzielle Leistungen Der Arbeitgeber leistet häufig einen finanziellen Zuschuss. Zum einen ist es möglich, diesen regelmäßig – vor allem monatlich – zu erbringen. Zum anderen kann der Arbeitgeber erst im Falle des Todes eines Mitglieds der Sterbekasse einen Beitrag zu dem durch die Kassenmitglieder aufgebrachten dazugeben, beispielsweise in gleicher oder halber Höhe. In beiden Fällen beeinflusst der Arbeitgeber die Höhe des Sterbegeldes zu Gunsten der Arbeitnehmer. dd) Zusammenfassende Bewertung (1) Sterbekassen gleich Sozialeinrichtungen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG Auf der Linie des Kantinenurteils lässt sich damit feststellen: In Fällen von auf Dauer angelegten Sterbekassen, in denen der Arbeitgeber eine auf dem Markt zu entlohnende Dienstleistung erbringt und sich selbst finanziell an der Sterbekasse beteiligt, beruht die Höhe des ausgezahlten Sterbegeldes auch auf der Leistung des Arbeitgebers. Nach dem Kantinenurteil würden viele Fälle von Sterbekassen, die von Seiten der Belegschaft und/oder des Betriebsrats betrieben werden, die Voraussetzungen für das Bestehen einer Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG erfüllen.
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(2) Zur Einordnung der Arbeitgeberleistung als Unterstützung einer Arbeitnehmersolidarkasse Fraglich wäre dann jedoch, ob die These zutrifft, nach der ein Arbeitgeber eine Selbsthilfeeinrichtung selbst finanziell unterstützen kann, ohne dass sie zur Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG wird.62 Unter Berücksichtigung der Prämisse, dass dem Betriebsrat die Alleinverwaltung einer Sozialeinrichtung übertragen werden darf, hat es den Anschein, als könnte eine Einordnung von Arbeitgeberleistungen entweder als Leistungen einer Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG oder als bloße Unterstützung einer autonomen Arbeitnehmersolidarkasse nicht gelingen. Denn stimmte die These des BAG, nach der es genügt, wenn den Arbeitnehmern durch die Leistung des Arbeitgebers auch soziale Vorteile gewährt werden – namentlich dadurch, dass ersparte Kosten für Personal und Dienstleistungen sowie finanzielle Leistungen das Sterbegeld erhöhen –, dann würde das für die meisten Unterstützungen durch den Arbeitgeber gelten. Sofern das für Sozialeinrichtungen geforderte Mindestmaß an eigenständiger Organisation und Verwaltung gegeben ist, wäre jede Zuwendung des Arbeitgebers eine Zuwendung an die „eigene“ Sozialeinrichtung. (3) Zum Umfang der Arbeitgeberleistung Das BAG hat sich im Kantinenurteil nicht dazu geäußert, ob die Leistungen des Arbeitgebers einen gewissen Umfang erreichen müssen, damit sie solche einer Sozialeinrichtung sein können. Darauf dürfte es aber ebenfalls nicht ankommen. Eine Sozialeinrichtung soll auch dann bestehen, wenn der Arbeitgeber kostendeckende Entgelte erhebt.63 Beim Betreiben einer Kantine sparen die Arbeitnehmer den Differenzbetrag zwischen dem kostendeckenden Entgelt und dem üblicherweise zu bezahlenden Entgelt beispielsweise für ein entsprechendes Essen. Diese Ersparnis als sozialer Vorteil beruht aber nicht unbedingt auf einer finanziellen Leistung des Arbeitgebers. Häufig bleibt nur, dass der Arbeitgeber Räumlichkeiten und Personal zur Verfügung stellt und auf eine Gewinnerzielung verzichtet, wodurch kostengünstige Mittagessen angeboten werden können. Damit würde selbst ein geringer sozialer Vorteil genügen. Es heißt sogar, der Arbeitgeber dürfe die Einrichtung auch zur Gewinnerzielung betreiben, sofern nur den Arbeitnehmern irgendein sozialer Vorteil verbleibt.64 Das Bestehen einer Sozialeinrichtung lässt sich damit nicht mit dem Argument verneinen, die Leistungen des Arbeitgebers an die Sterbekasse seien zu gering. 62 BAG v. 3. 2. 1956, 1 AZR 463/54, AP Nr. 17 zu § 2 ArbGG 1953; Wiese, in: GKBetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 703. 63 BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, ZIP 2001, S. 262, S. 263 64 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 689; BAG v. 10. 2. 2009, 1 ABR 94/07, NZA 2009, S. 562, S. 564; a. A. Kaiser, in: Löwisch/Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 173.
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3. Weitere Rechtsprechung der Arbeitsgerichte Wie bereits gesagt65 gibt es fast keine Rechtsprechung der Arbeitsgerichte, die die Frage beantworten mussten, wann eine Arbeitnehmersolidarkasse die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG erfüllt. In der Entscheidung des BAG vom 3. 2. 1956 finden sich keine Kriterien, anhand derer sich eine Sozialeinrichtung von einer autonomen Arbeitnehmersolidarkasse unterscheiden lässt.66 Aus diesem Urteil ergeben sich somit keine Erkenntnisse darüber, ob oder in welchen Fällen eine Arbeitnehmersolidarkasse eine Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG sein kann. Inhaltliche Kriterien zur Abgrenzung einer Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG von einer autonom durch die Arbeitnehmer betriebenen Kasse zählt allerdings das LAG Hamm auf.67 Das Gericht argumentierte, nachdem es die soziale Zwecksetzung der zu bewertenden Belegschaftskasse bejahte, sie sei „keine ausschließlich freiwillige Selbsthilfeeinrichtung der Belegschaft, denn ihre Einrichtung erfolgte auf Grund einer Betriebsvereinbarung …“.68 Als weitere Kriterien für diese Annahme hat das Gericht genannt: Finanzielle Leistung des Arbeitgebers, der sich verpflichtete, trotz der Grundfinanzierung durch die Arbeitnehmer, für Fehlbeträge einzustehen, „automatische“ Mitgliedschaft der Arbeitnehmer mit Abschluss eines Arbeitsverhältnisses, Verwaltung durch die Personalabteilung sowie Prüfung der Kassenführung und Kassenberichte gemeinsam durch Geschäftsführung und Betriebsräte sowie gemeinsame Festlegung der Mitgliedsbeiträge.69 Bei Anwendung dieser vom LAG Hamm benutzten Kriterien auf die Arbeitnehmersolidarkasse, am Beispiel der Sterbekasse erklärt, gilt: In Bezug auf das Modell Sterbekasse erfolgen Kassengründungen und -gestaltungen ebenfalls regelmäßig durch Betriebsvereinbarungen. Die Aufnahme neuer Mitglieder soll häufig „automatisch“ mit Eintritt in das Arbeitsverhältnis geschehen. Außerdem finanziert der Arbeitgeber oftmals die Kasse teilweise. Somit können die vom LAG Hamm verwendeten Kriterien ebenfalls dazu führen, dass viele der in Betrieben existierenden Sterbekassen Sozialeinrichtungen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG sind.70 Der Umfang der durch den Arbeitgeber vorgenommenen Verwaltung soll gemäß der oben referierten Kantinenentscheidung des BAG71 keinen Einfluss darauf haben, ob eine Sozialeinrichtung gegeben ist, da die Verwaltung dem Betriebsrat 65
§ 1: C. III. Hierzu bereits oben § 1: C. III. 67 LAG Hamm v. 5. 8. 2005, 2 Ta 43/05, BeckRS 2005, 43590. Zum Sachverhalt oben unter § 1: C. III. 68 LAG Hamm v. 5. 8. 2005, 2 Ta 43/05, BeckRS 2005, 43590. 69 LAG Hamm v. 5. 8. 2005, 2 Ta 43/05, BeckRS 2005, 43590. 70 Ob solche Kriterien rechtlich überzeugend sind, wird unter IV. 2. und 3. zu klären sein. 71 a) aa) (3). 66
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allein übertragen werden darf. Im Fall des LAG Hamm beteiligte sich der Arbeitgeber an der Verwaltung. Gemeinsame Kassenführung, Prüfung der Kassenberichte und gemeinsame Festlegung der Mitgliedsbeiträge durch Geschäftsführung und Betriebsräte sind eine praktizierbare Form der Mitbestimmung durch paritätische Besetzung, Entscheidung und Kontrolle. Die Befugnisse der Personalabteilung, wie in der Entscheidung des LAG Hamm erwähnt, sichern dem Arbeitgeber Einflussmöglichkeiten auf die Einrichtung, die eine betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung der Einrichtung zur Arbeitgeberseite ebenfalls ermöglichen könnten. Zur Vertiefung dieses Aspekts ist näher auf die Rechtsprechung zum Personalvertretungsrecht einzugehen, die im Wesentlichen über das Maß der Einflussnahme des Arbeitgebers auf die Einrichtung die Sozialeinrichtung von der Selbsthilfeeinrichtung abgrenzt.72 4. Der „richtungsweisende Einfluss“ der Dienststelle nach der Rechtsprechung des BVerwG a) Bezug zu einem Handeln des Arbeitgebers Nach dem BVerwG ist Ausgangspunkt der Mitbestimmung bei § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG nicht der Wirkungsbereich einer Sozialeinrichtung, sondern das Handeln der Dienststelle.73 Mitbestimmung sei die „gleichrangige Teilnahme der Personalvertretung an der einer Maßnahme vorausgehenden Willensbildung nur im Zusammenhang mit einem beabsichtigten Handeln der Dienststelle …“74 Finanzielle, materielle und persönliche Hilfen für eine rechtlich selbständige Einrichtung würden diese nicht zur Sozialeinrichtung machen, wenn die Dienststelle keinen „rechtlich faßbaren Einfluß“ auf Errichtung, Verwaltung und Auflösung der Einrichtung habe.75 Sie könne dann keine hierauf gerichteten Maßnahmen treffen, an denen eine Personalvertretung beteiligt werden könnte.76 Die Literatur stimmt dem Ansatz der Rechtsprechung zu.77 b) Abgestufter Umfang der Verwaltung durch die Dienststelle Das BVerwG meint, § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG gehe davon aus, dass die Dienststelle die Einrichtung selbst verwaltet. Da eine Sozialeinrichtung unabhängig Zur Rechtsprechung des BVerwG bereits oben unter § 1: C. II. BVerwG v. 15. 12. 1978, 6 P 10.78, PersV 1980, S. 105, S. 107. 74 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28. 75 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28. 76 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28. 77 Altvater, in: Altvater/Baden/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 157; Rehak, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 142; Kaiser, in: Richardi/Döner/ Weber, Personalvertretungsrecht, § 75 BPersVG, Rn. 326; Sommer, in: Ilbertz/Widmaier/ Sommer, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 119. 72 73
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von ihrer Rechtsform bestehen könne, müsse Verwaltung notwendigerweise eine „Skala unterschiedlicher Einfluß- und Mitwirkungsmöglichkeiten bezeichnen, deren rechtliche Ausgestaltung u.a. von der Rechtsform der Sozialeinrichtung abhängt.“78 Das führt zu der bereits oben genannten These79, die eine Gemengelage unbestimmter Rechtsbegriffe enthält. Wann ist der Einfluss so gewichtig, dass von der Sozialeinrichtung als einer „Veranstaltung der Verwaltung“ gesprochen werden kann? Die angebotene Konkretisierung hilft nicht weiter, wenn das eine Beteiligung der Dienststelle an der Führung der Geschäfte der Sozialeinrichtung in einem „ins Gewicht fallenden sachlichen Umfang“ voraussetzt sowie, rechtlich „richtungsweisenden Einfluss“ auf die Verwirklichung der Zwecke nehmen zu können. c) Vergleich mit der Kantinenentscheidung des BAG übertragen auf das Modell Sterbekasse Wie gesehen soll es nach dem BVerwG nicht genügen, dass die Dienststelle in tatsächlicher Hinsicht Hilfe leistet, sofern sie keinen rechtlichen Einfluss auf Errichtung, Verwaltung und Auflösung der Sozialeinrichtung hat.80 Bestehe kein rechtlich richtungsweisender Einfluss bei der Errichtung, könne dennoch eine Sozialeinrichtung gegeben sein, wenn später ein entsprechender Einfluss auf die Verwaltung eingeräumt werde.81 Dementgegen hat das BAG die Qualität als Sozialeinrichtung lediglich anhand tatsächlicher Umstände bestimmt. Von einer Einflussnahmemöglichkeit des Arbeitgebers ist nicht die Rede, schon gar nicht beschränkt auf eine rechtliche Dimension. Zunächst erkennt das BAG, dass der Arbeitgeber ursprünglich keine Kantine eröffnen wollte. Diese Haltung habe er deswegen aufgegeben, weil er Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt hat. Aus der Ersparnis von Lohnkosten sei ein sozialer Vorteil – günstiger Einkauf – „mittelbar“ auch durch den Arbeitgeber gewährt worden.82 Dass dieser zunächst nichts mit der Kantine zu tun haben wollte, sei unbeachtlich. Es sei nämlich möglich, dem Betriebsrat die Alleinverwaltung einer Sozialeinrichtung zu übertragen.83 Legt man im Falle der Kantinenentscheidung dagegen den wesentlich strengeren Maßstab des BVerwG zu Grunde, ergibt sich: Die bloß tatsächlichen Leistungen des Arbeitgebers, Arbeitskräfte oder Räume zur Verfügung zu stellen, wären bloße Hilfeleistungen einer rechtlich vom Arbeitgeber unabhängigen Einrichtung.84 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28. § 1: C. II. 80 aa). 81 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28. 82 BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1 S. 12. 83 BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1 S. 12 f. 84 Da diese vom Betriebsrat gegründet wurde, ist fraglich, ob das BVerwG von einer Selbsthilfeeinrichtung der Dienstnehmer sprechen würde. 78
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Da er die Kantine nicht errichtet hat, müsste ein „rechtlich richtungsweisender Einfluss“ auf die Verwaltung der Einrichtung gegeben sein. Nach dem BVerwG reicht es dabei nicht aus, wenn sich tatsächliche Leistungen der Dienststelle in der Weise auswirken, dass ein tatsächlicher Einfluss besteht. Das soll selbst dann gelten, wenn das Entziehen des durch die tatsächliche Leistung entstandenen Vorteils dazu führt, dass ursprünglich angestrebte Ziele nicht mehr erreicht werden können.85 Im Fall der Kantinenentscheidung gab es keine rechtliche Gestaltung, die dem Arbeitgeber eine Mitwirkung bei der Verwaltung der Kantine einräumte. Wenn eine tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit irrelevant sein soll, müsste das BVerwG von einer Selbsthilfeeinrichtung ausgehen.86 Es betont nämlich, da es allein auf die rechtliche Gestaltung ankomme, auf die Einrichtung maßgeblichen Einfluss ausüben zu können, sei die tatsächliche Einwirkung unbedeutend.87 Entsprechend gilt nach dem BVerwG: Es bleibt bei der Einordnung als Selbsthilfeeinrichtung, selbst wenn die Dienststelle die Einrichtung so erheblich unterstützt, dass ein „gewichtiger faktischer Einfluss“ auf deren Verwaltung besteht.88 Mit Blick auf die Sterbekassen folgt daraus: Nach dem BAG können Hilfeleistungen des Arbeitgebers, auch wenn ein weitergehender rechtlicher Einfluss fehlt, dazu führen, dass eine Sozialeinrichtung besteht. Ein rechtlich richtungsweisender Einfluss auf die Verwaltung im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG besteht bei bloßen Hilfeleistungen hingegen nicht, sodass selbst die erhebliche Finanzierung der Sterbekasse durch den Arbeitgeber nichts an der Qualität als Selbsthilfeeinrichtung ändern kann. Diese Unterschiede in der Gerichtspraxis sind in der Literatur noch nicht bedacht worden. Jedenfalls definieren Autoren zum Bundespersonalvertretungsund Betriebsverfassungsrecht den Begriff der Sozialeinrichtung nicht unterschiedlich.89 Da soziale Kassen in Betrieben häufig vom Betriebsrat verwaltet werden, fragt sich, ob dies unter Anwendung der Grundsätze des BVerwG ebenfalls dazu führen könnte, dass ein richtungsweisender Einfluss auf die Verwaltung nicht besteht.
BVerwG v. 5. 9. 1986, 6 P 10.84, PersV 1987, S. 333 ff. Siehe auch noch unten unter dd). 87 BVerwG v. 5. 9. 1986, 6 P 10.84, PersV 1987, S. 333, S. 334. 88 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14/83, ZBR 1985, S. 28. 89 Berg, in: Altvater/Baden/Berg/Kröll/Noll/Seulen, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 155 ff.; Rehak, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/ Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 140 ff.; Sommer, in: Ilbertz/ Widmaier/Sommer, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 118 ff.; Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 603; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 677 ff.; Bender, in: Wlotzke/Preis/Kreft, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 155 ff.; Worzalla, in: Hess/Worzalla/Glock/Nicolai/Rose/Huke, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 459 ff. 85
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d) Alleinverwaltung durch Personalrat? Damit ist zu klären, ob es, unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerwG, personalvertretungsrechtlich möglich ist, dem Personalrat die Alleinverwaltung zu übertragen. Da das BVerwG Mitbestimmungsrechte mit Bezug zu den einzelnen Varianten des § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG stets an ein Handeln der Dienststelle anlehnt,90 dürfte kein Mitbestimmungsrecht bestehen, wenn sie selbst nicht verwaltet. Dafür spricht die Formulierung, „in Sachzusammenhängen, in die die Dienststelle rechtlich oder tatsächlich einbezogen ist, ohne selbst handelnd in sie einzugreifen, kann demgegenüber kein Mitbestimmungsrecht … entstehen“.91 Es heißt auch, ein Mitbestimmungsrecht könne nur bestehen, wenn die Dienststelle an der Errichtung, Verwaltung oder Auflösung der Einrichtung „mit derjenigen rechtlichen92 Verantwortlichkeit teilhat, welche die – beliebige – Rechtsform der Einrichtung deren Trägern ermöglicht“.93 Zwar akzeptiert das BVerwG eine Abstufung hinsichtlich des Maßes der Teilhabe an der Verwaltung einer Einrichtung, um zu gewährleisten, dass diese in jeder zulässigen Rechtsform betrieben werden kann.94 Dadurch möchte das BVerwG aber nur zu erkennen geben, dass die Dienststelle nicht notwendigerweise alleine verwalten muss. Dabei wird nämlich betont, dass in jedem Fall der rechtliche Einfluss der Dienststelle und ihr Recht, an der Verwaltung mitzuwirken, so stark sein müssen, dass von einer „Veranstaltung der Verwaltung“ gesprochen werden könne.95 Damit freilich verträgt sich eine Alleinverwaltung des Personalrats nicht. Durchforstet man die personalvertretungsrechtliche Literatur, stellt man fest, dass bei der Prüfung, ob eine Sozialeinrichtung besteht, das Kriterium des richtungsweisenden Einflusses auf die Verwaltung als generell und nicht bloß hinsichtlich bestimmter Fallgruppen gültiges Merkmal angesehen wird.96 Im Rahmen der Durchführung der Mitbestimmung, nachdem das Bestehen einer Sozialeinrichtung bejaht wurde, heißt es allerdings, dem Personalrat könne die Alleinverwaltung an der Einrichtung eingeräumt werden.97 Nicht diskutiert wird BVerwG v. 15. 12. 1978, 6 P 10.78, PersV 1980, S. 105, S. 107. BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28. 92 Kursivschrift durch Verfasser hinzugefügt. 93 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28. 94 Oben unter bb). 95 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28; BVerwG v. 28. 6. 2000, 6 P 1.00, NZA 2000, S. 1123, S. 1126. 96 Rehak, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 142; Kaiser, in: Richardi/Döner/Weber, Personalvertretungsrecht, § 75 BPersVG, Rn. 326; Sommer, in: Ilbertz/Widmaier/Sommer, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 119. 97 Berg, in: Altvater/Baden/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 167; Rehak, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 148d. 90 Grundlegend 91
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an dieser Stelle, wie dies unter Berücksichtigung des zuvor postulierten Kriteriums einer rechtlich richtungsweisenden Verantwortlichkeit der Dienststelle geschehen kann. Interessanterweise zitiert man als Beleg für die Anerkennung einer Alleinverwaltung durch den Personalrat nicht die Rechtsprechung des BVerwG – die das, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden hat –, sondern verweist auf die Rechtsprechung des BAG, insbesondere auf das Kantinenurteil.98 Dass der im Tatbestand des Kantinenurteils mitgeteilte Sachverhalt bei Anwendung der Kriterien des BVerwG anders zu entscheiden gewesen wäre und das BAG einen richtungsweisenden Einfluss bei der Verwaltung gerade nicht verlangt, wurde bereits dargestellt.99 Es hat den Anschein, als möchte man die Sozialeinrichtung im personalvertretungsrechtlichen Sinne dem betriebsverfassungsrechtlichen Pendant zwar gleichsetzen, aber nicht bemerkt, dass die herangezogenen Kriterien verschieden sind, sich sogar einander ausschließen. Schließlich ist es nicht so, dass das BVerwG den richtungsweisenden Einfluss nur auf das Kriterium der Einrichtungsverwaltung bezieht. Vielmehr kann seiner Ansicht nach auch dann eine Sozialeinrichtung gegeben sein, wenn die Dienststelle die Einrichtung zwar nicht gegründet, aber später Einfluss auf ihre Verwaltung erhalten hat.100 Der Umstand, der das Mitbestimmungsrecht eingreifen lässt, wird für alle Varianten des § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG in einem jeweiligen Handeln der Dienststelle gesehen.101 Das BVerwG erkennt aber an, dass eine Einrichtung, die mangels Errichtung durch die Dienststelle zunächst keine Sozialeinrichtung war, hierzu werden kann, wenn die Dienststelle später richtungsweisenden Einfluss auf die Verwaltung erhält.102 Der richtungsweisende Einfluss muss nicht kumulativ im Hinblick auf sämtliche Varianten des § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG bestehen. Da im Fall des Kantinenurteils die Einrichtung durch den Betriebsrat errichtet wurde und der Arbeitgeber ausdrücklich erklärt hatte, er wolle keine Kantine errichten, hätte das BVerwG verlangt, dass er zumindest einen wesentlichen rechtlichen Einfluss auf die Verwaltung der Kantine hätte nehmen können. Das Verhältnis von Einflussnahme des Arbeitgebers auf die Einrichtung zu seiner Möglichkeit, dem Betriebsrat die Befugnis zur Alleinverwaltung einzuräumen, ist wesentlich für die Einordnung der Solidarkassen, allen voran der Sterbekassen, in das Betriebsverfassungsgesetz. Je mehr Einfluss – vor allem, wenn damit rechtlicher Einfluss gemeint sein soll – des Arbeitgebers auf die Einrichtung verlangt wird und je weniger man es erlaubt, Mitbestimmung durch den Betriebsrat dadurch 98 Berg, in: Altvater/Baden/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 167, insbesondere Fn. 756. 99 Oben cc). 100 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28. 101 BVerwG v. 15. 12. 1978, 6 P 10.78, PersV 1980, S. 105, S. 107; BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28. 102 In diesem Moment wird die Einrichtung in eine Sozialeinrichtung umgewidmet. Rechtlich liegt hierin wieder eine Errichtung im Sinne des § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG; Kaiser, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, § 75 BPersVG, Rn. 322.
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zu verwirklichen, dass ihm alleinige Befugnisse eingeräumt werden, desto eher können Arbeitnehmersolidarkassen nicht unter den Begriff der Sozialeinrichtung subsumiert werden. Um dem aufgeworfenen Problem weiter nachgehen zu können, ist zu überlegen, welches Maß an Einflussnahme die Literatur zum Betriebsverfassungsrecht verlangt. 5. Das Maß der Einflussnahme in der Literatur zum BetrVG a) Rechtliche Einflussnahme In der betriebsverfassungsrechtlichen Literatur dominiert zunächst die Überlegung, nach der eine Sozialeinrichtung nur bestehen kann, wenn der Arbeitgeber Einfluss auf sie hat. Sofern die Arbeitnehmer allein über Form, Ausgestaltung und Verwaltung der Einrichtung bestimmen können, handelt es sich nicht um eine Sozialeinrichtung.103 Einfluss wird überwiegend anhand der rechtlichen Möglichkeiten des Arbeitgebers beurteilt.104 Im Gegensatz zum „richtungsweisenden Einfluss“ im personalvertretungsrechtlichen Kontext105 verlangt Estelmann keine solche Mindestgröße, ein „rechtlich abgesicherter Einfluss“ genüge.106 Löwisch fordert, dass der Arbeitgeber die Verwaltung „rechtlich richtungsweisend beeinflussen“ kann.107 Wiese formuliert in Fällen der Errichtung einer Einrichtung durch Dritte, die Mitbestimmung sei „in gleichem Umfang zu bejahen, wie dem Arbeitgeber Rechte hinsichtlich der Ausgestaltung oder Verwaltung zustehen.“108 Maßgeblich für die Anerkennung einer Sozialeinrichtung ist damit nicht, ob der Arbeitgeber in persona die Einrichtung geschaffen hat. Es genügt, wenn er sie rechtlich beeinflussen kann.109 Dem treten Richardi110, Matthes111 und Kreitner112 entgegen, die meinen, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats komme grundsätzlich nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber oder ein Dritter auf Veranlassung des Arbeitgebers die Einrichtung errichtet habe. Das gelte auch, wenn der Arbeitgeber Rechte an der Einrichtung eingeräumt erhalte oder später erlange.113 Röder, NZA 1987, S. 799, S. 804. Estelmann, Rechtlich selbständige Sozialeinrichtungen, S. 43 f.; Wiese in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 702, 703. 105 Oben 5. 106 Estelmann, Rechtlich selbständige Sozialeinrichtungen, S. 42 f. 107 Kaiser, in: Löwisch/Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 177. 108 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 702; ebenso Klebe, in: Däubler/Kittner/ Klebe/Wedde, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 264. 109 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 706. 110 In: Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 615, 616. 111 In: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 249, Rn. 10. 112 In: Küttner, Personalbuch, Sozialeinrichtungen, Begriff, Rn. 5. 113 Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 615, 616. 103
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Anders als nach der Rechtsprechung des BVerwG114 ist es nach diesem Ansatz nicht möglich, dass eine Einrichtung Sozialeinrichtung wird, wenn der Arbeitgeber nach ihrer Errichtung durch Dritte, die hierzu nicht von ihm veranlasst wurden, maßgeblichen Einfluss wenigstens auf die Verwaltung erhält. Selbsthilfeeinrichtungen, so heißt es, begründeten damit bereits schon deshalb kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, weil die Einrichtungen keine Leistungen des Arbeitgebers erbrächten.115 Entgegen dem Ansatz, Sozialeinrichtungen allein über das Maß der – insbesondere rechtlichen – Einflussnahmemöglichkeit zu bestimmen, ist nach dieser Auffassung entscheidend, dass der Arbeitgeber die Einrichtung in persona errichtet oder Dritte zur Errichtung veranlasst hat. In Bezug auf die Sterbekassen lassen sich damit zwei Leitlinien ausmachen, nach der die Literatur prüfen würde, ob eine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG gegeben ist: Nach der ersten kommt es darauf an, dass der Arbeitgeber die Sterbekasse vor allem rechtlich beeinflussen kann. Ist das geforderte Maß an Einflussnahme erfüllt, handelt es sich um eine Sozialeinrichtung, auch wenn die Sterbekasse durch die Arbeitnehmer oder den Betriebsrat errichtet worden ist. Nach der zweiten besteht hingegen eine Selbsthilfeeinrichtung der Arbeitnehmer, wenn diese nicht vom Arbeitgeber zur Errichtung der Sterbekasse veranlasst worden sind. Etwaige Hilfeleistungen an sie ändern an dieser Einordnung nichts. b) Finanzierung Teilweise heißt es in der Literatur, es soll für die Einordnung als Sozialeinrichtung unbeachtlich sein, ob der Arbeitgeber eine Einrichtung finanziell unterstützt. Sofern er eine – je nach gefordertem Maß – Möglichkeit zur rechtlichen Einflussnahme habe und behalte, sei und bleibe die Einrichtung Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG.116 Das bedeutet: Die Qualifizierung einer Leistung des Arbeitgebers als eine solche, die er über eine Sozialeinrichtung – sei diese selbständig oder unselbständig – an die Arbeitnehmer erbringt, hängt allein davon ab, dass der Arbeitgeber die Kasse rechtlich beeinflussen kann. Andere vertreten dagegen die Ansicht, es sei zwar lediglich eine Selbsthilfeeinrichtung der Arbeitnehmer gegeben, wenn der Arbeitgeber die Kasse in keinerlei Weise beeinflussen könne.117 Eine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG bestehe jedoch nur, wenn der Arbeitgeber die Kasse zumindest teilweise finanziere.118 114
Oben 4. c). Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 618. 116 Estelmann, Rechtlich selbständige Sozialeinrichtungen, S. 42 f.; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 703. 117 Hanau, ZGR 1985, Sonderheft 5, S. 111, S. 119. 118 Hanau, ZGR 1985, Sonderheft 5, S. 111, S. 119; Krause, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 61, Rn. 8; Waas, BB-Special, Nr. 1 2009, S. 27; Röller, in: Küttner, Personalbuch, Mitarbeiterbeteiligung, Mitbestimmungsrechte, Rn. 13. 115
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Bevor nun im Einzelnen darüber befunden werden kann, welche Kriterien tauglich sind, um zu bestimmen, in welchen Fällen eine Solidarkasse der Arbeitnehmer die Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals „Sozialeinrichtung“ im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG erfüllt, bedarf es einer Rückbesinnung auf Sinn und Zweck dieses Mitbestimmungsrechts. 6. Rückbesinnung auf Sinn und Zweck der Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG a) Schutz und Teilhabe Immer noch gibt es Streit um die Frage nach Sinn und Zweck der betrieblichen Mitbestimmung und welche Konsequenzen sich aus der einen oder anderen Sichtweise für die Anwendung einzelner Mitbestimmungstatbestände ergeben. Durchgesetzt hat sich die Auffassung, dass die Betriebsverfassung nicht allein einem Schutz119 der Arbeitnehmer dient. Zwar sollen Betriebsverfassung und Mitbestimmung einzelne Arbeitnehmer fördern,120 deren Persönlichkeit schützen und diese sich im Arbeitsverhältnis entfalten lassen.121 In diesem Sinne flankiert § 87 BetrVG den gesetzlichen und tariflichen Mindestschutz vor einseitiger individualrechtlich vermittelter Gestaltung durch den Arbeitgeber.122 Hinzu kommt aber der Aspekt der Teilhabe. Der Arbeitnehmer soll hiernach in die Lage versetzt werden, sich an wichtigen Entscheidungen im Betrieb beteiligen zu können.123 Richardi spricht insoweit von einer Integrationsfunktion.124 Auch die Mitbestimmungskommission versteht unter Mitbestimmung die „institutionelle Teilnahme der Arbeitnehmer oder ihrer Vertreter an der Gestaltung und inhaltlichen Festlegung der Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse.“125 Die Arbeitnehmer sollen ihre Interessen selbstinitiativ auch dort vertreten können, wo arbeitsrechtlich ansonsten der Arbeitgeber alleine entscheiden könnte.126 Das BAG erkennt ebenfalls sowohl Schutz- und Teilhabezweck der notwendigen Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten an.127 119 Zur Ergänzung der arbeitsrechtlichen Schutzfunktion durch die Mitbestimmung siehe den Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drucks. VI/334, S. 67 f. 120 Jahnke, ZfA 1980, S. 863, S. 882; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 153 ff., S. 201 ff. 121 Söllner, RdA 1968, S. 437 ff. 122 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 65. 123 Franzen, in: GK-BetrVG, Einleitung, Rn. 79 ff.; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 95 f.; derselbe, in: Festschrift Kissel, S. 1269; derselbe, ZfA 2000, S. 119 ff.; derselbe, in: Festschrift Adomeit, S. 839, S. 843; Löwisch/Caspers/Klumpp, Arbeitsrecht, Rn. 1165; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 470; Waltermann, Arbeitsrecht, Rn. 743. 124 Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 8. 125 BT-Drucksache VI/334, S. 56. 126 BT-Drucksache VI/334, S. 59.
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Freilich ist das Verhältnis von Schutz und Teilhabe bis heute umstritten,128 wenn auch immer mehr der Teilhabeaspekt dominiert. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung braucht dies nicht näher bestimmt zu werden. Neben den Unterschieden bloß in der Terminologie gipfelt die Auseinandersetzung in den Fragen, ob die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten ausschließlich kollektive Tatbestände erfasst, ob und in welchen Fällen Individualinteressen betriebsverfassungsrechtlich berücksichtigt werden müssen und ob und wie das Günstigkeitsprinzip im Verhältnis von Betriebsvereinbarung und Arbeitsvertrag anzuwenden ist.129 127
Um solche Probleme geht es bei den Arbeitnehmersolidarkassen nicht. Erstens handelt es sich um Kollektivtatbestände, für die eine Mitbestimmung prinzipiell nicht ausgeschlossen ist. Die Solidarkasse schöpft nämlich ihren Sinn und Zweck gerade aus dem Kollektiv. Die Zahlung eines Sterbegeldes an Hinterbliebene wird erst durch die Solidarität Vieler und der Sammlung von Geld durch Viele ermöglicht. Zweitens bleiben Individualinteressen selbst bei Dominanz des Teilhabegedankens, welcher divergierende Individualinteressen zu einem Kollektivinteresse verbinden und ausgleichen will, nicht unberücksichtigt. Das vom Betriebsrat zu bestimmende Kollektivinteresse muss jedenfalls Persönlichkeitsrechte auch des Einzelnen wahren.130 Letztlich bringt der Theorienstreit um die Dominanz von Schutz oder Teilhabe keine weiteren Erkenntnisse für die Beantwortung der Frage, ob und in welchen Fällen Arbeitnehmersolidarkassen Sozialeinrichtungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG sind. b) Verteilungsgerechtigkeit Nach der Funktion des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG soll es dem Arbeitgeber verwehrt sein, sich aus dem mitbestimmungspflichtigen bilateralen Verhältnis zum Kollektiv der Arbeitnehmer zu befreien, indem er die Angelegenheiten über eine Einrichtung wahrnehmen lässt. Vom Arbeitgeber erbrachte Sozialleistungen sollen transparent und gerecht verteilt werden.131 Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob der Arbeitgeber in persona leistet, ein Dritter auf Anweisung oder eine vom Arbeitgeber errichtete Einrichtung. Der Schutz vor einseitiger Gestaltung wird gerade im letzten Fall besonders deutlich, da es die Arbeitnehmer mit einem 127 BAG v. 3. 12. 1991, GS 1/90, AP Nr. 52 zu § 87 BetrVG 1972, Lohngestaltung; BAG v. 14. 12. 1993, 1 ABR 31/93, AP Nr. 65 zu § 87 BetrVG 1972, Lohngestaltung; BAG v. 18. 4. 1989, 1 ABR 100/87, AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972, Tarifvorrang. 128 Zu den einzelnen Ansichten Kolbe, Mitbestimmung und Demokratieprinzip, S. 205 ff.; Wiese, ZfA 2000, S. 117 ff.; Jahnke, ZfA 1980, S. 863, S. 882 ff.; derselbe, Tarif autonomie und Mitbestimmung, S. 130; Gutzeit, NZA 2008, S. 255 ff.; H. Hanau, Individualautonomie und Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, S. 132 ff.; Hammer, Die betriebsverfassungsrechtliche Schutzpflicht für die Selbstbestimmungsfreiheit des Arbeitnehmers, S. 117 ff. 129 Wiese, ZfA 2000, S. 117 ff.; derselbe, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 96. 130 Gutzeit, NZA 2008, S. 255, S. 257 f. Siehe weiterhin unten unter IV. 3. a) bb). 131 Jahnke, ZfA 1980, S. 863, S. 884.
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neuen, weiteren „Gegenspieler“ zu tun bekommen. Sämtliche Maßnahmen, die mit Bezug zu einer Sozialeinrichtung erfolgen, sind betriebsverfassungsrechtlich mit dem Ziel zu kontrollieren, innerbetriebliche Verteilungsgerechtigkeit zu sichern.132 Die Verteilung der vorhandenen sozialen Mittel soll „gerecht“ gestaltet werden.133 Damit ist keine wie auch immer verstandene objektive Gerechtigkeitsordnung angesprochen. Gemeint ist eine privatautonom gestaltete Gerechtigkeitsordnung durch Beteiligung und Wahrnehmung eines Verantwortungsbereichs im Betrieb, insbesondere durch Mitgestaltung des „Verteilungsschlüssels“ für Arbeitgeberleistungen.134 Insoweit trägt der Gedanke der Mitverwaltung an einer vom Arbeitgeber errichteten Sozialeinrichtung.135 Sofern der Arbeitgeber nichts verteilen möchte oder es sonst keinen Regelungsspielraum für die Verteilung gibt, kommt ein Mitbestimmungsrecht nicht in Betracht.136
IV. Untaugliche Kriterien für das Bestehen einer Sozialeinrichtung Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Mitbestimmung ist zu diskutieren, anhand welcher Kriterien darüber zu entscheiden ist, ob eine mitbestimmungspflichtige Sozialeinrichtung oder eine autonome Solidarkasse der Arbeitnehmer besteht. Im Folgenden werden zunächst Kriterien angesprochen, die es – entgegen mancher Stimmen in Literatur und Rechtsprechung – nicht ermöglichen, eine Einrichtung unter den Begriff der Sozialeinrichtung zu subsumieren. Dabei entstehen Erkenntnisse, die es anschließend erlauben, die für das Bestehen einer Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG notwendigen Voraussetzungen herauszuarbeiten. 1. Vorschlag und Initiative Es ist zu unterscheiden, ob ein „echtes“ betriebsverfassungsrechtlich verbürgtes Initiativrecht besteht oder nicht. Im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung, daher auch bei § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, folgt das Initiativrecht dem Vorliegen eines
Moll, Mitbestimmung beim Entgelt, S. 99, S. 142; Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 601; Kohte, in: Düwell, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 93; Helm, in: Siebert/Becker, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 84; Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 333; Clemenz, in: Henssler/ Willemsen/Kalb, § 87 BetrVG, Rn. 142. 133 Jahnke, ZfA 1980, S. 863, S. 884; BAG v. 8. 11. 2011, 1 ABR 37/10, AP Nr. 22 zu § 87 BetrVG 1972, Sozialeinrichtung; Reichold, Arbeitsrecht, S. 350 f. 134 Richardi, in: In Memoriam Sir Otto Kahn-Freund, S. 247, S. 249. 135 Galperin/Löwisch, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 170. 136 BAG v. 10. 3. 1992, 3 AZR 221/91, NZA 1992, S. 949, S. 951; BAG v. 8. 11. 2011, 1 ABR 37/10, NZA 2012, S. 462, S. 464. 132
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Mitbestimmungstatbestands.137 Es kann daher selbst kein Kriterium dafür sein, ob eine Sozialeinrichtung existiert. Vor der Errichtung einer Sozialeinrichtung ist es gleichwohl möglich und in der Praxis regelmäßig zu beobachten, dass sowohl einzelne Arbeitnehmer als auch Mitglieder des Betriebsrats an den Arbeitgeber mit dem Wunsch herantreten, eine soziale Angelegenheit zu gestalten. Dann entscheidet der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei, in welcher Art und Weise er auf den Vorschlag reagiert. Er kann die Anfrage ablehnen, sodass sich anschließend die Überlegung ergeben kann, ob die Arbeitnehmer allein ein gewünschtes soziales Vorhaben in die Tat umsetzen können. Möglicherweise weist der Arbeitgeber bei der Anfrage auch direkt auf eine solche Möglichkeit hin, wobei er auch Unterstützung zusagen kann. Genauso gut lässt sich denken, dass der Arbeitgeber selbst tätig werden und die für das Sozialprojekt notwendigen Mittel zur Verfügung stellen möchte. Insoweit würde sich anschließend die Frage nach einer Mitbestimmung bei der Gewährung von Sozialleistungen ergeben. Im Gegensatz zum betriebsverfassungsrechtlichen Initiativrecht, welches ab Errichtung einer Sozialeinrichtung entsteht, geht der Arbeitnehmervorschlag der Planungsentscheidung über die Gestaltung einer Sozialleistung voraus. Deshalb ist damit nicht vorherbestimmt, wer letztlich eine Einrichtung errichtet und ob es eine Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ist. 2. Bestehen einer Betriebsvereinbarung In der Praxis finden sich etliche Beispiele, bei denen Arbeitgeber und Betriebsrat meinen, eine soziale Kasse mittels Betriebsvereinbarung gegründet oder gestaltet zu haben. Die Unsicherheit ist groß, ob in jedem Falle eine Regelungsbefugnis der Betriebsparteien besteht. Die Lösung wäre einfach, wenn bereits aus dem Umstand der Existenz einer Betriebsvereinbarung folgte, dass eine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG oder des § 88 Nr. 2 BetrVG gegeben ist.138 a) § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG Die Betriebsvereinbarung ist das zentrale Mittel zur betriebsautonomen Gestaltung.139 Sie setzt eine Regelungsbefugnis voraus.140 Bei der erzwingbaren Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG dürfen Arbeitgeber und Betriebsrat dann eine Betriebsvereinbarung schließen, wenn der Arbeitgeber eine Sozialein137 Richardi, ZfA 1976, S. 1, S. 43; Wiese, Das Initiativrecht nach dem Betriebsverfassungsgesetz, S. 30; Hanau, BB 1977, S. 350, S. 356; Reuter, ZfA 1981, S. 165, S. 176 f. 138 So auch die Argumentation des LAG Hamm v. 5. 8. 2005, 2 Ta 43/05, BeckRS 2005, 43590. 139 Oberthür, in: Oberthür/Seitz, Betriebsvereinbarungen, S. 1; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 77 BetrVG, Rn. 7. 140 Berg, in: Däubler/Kittner/Klebe, Betriebsverfassungsgesetz, § 77 BetrVG, Rn. 37 ff.
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richtung errichtet hat. Die Mitbestimmung des Betriebsrats über Form, Ausgestaltung und Verwaltung der Sozialeinrichtung setzt also voraus, dass bereits eine Sozialeinrichtung errichtet worden ist. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zwingt den Arbeitgeber hierzu nicht, der Arbeitgeber entscheidet selbst, ob er eine Sozialeinrichtung gründen möchte.141 Die anschließende Ausübungsform der Mitbestimmung kann denklogisch nicht selbst festlegen, ob überhaupt ein Mitbestimmungstatbestand erfüllt ist. b) § 88 Nr. 2 BetrVG § 88 Nr. 2 BetrVG ermöglicht weitergehend den Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung auch über die Errichtung. Die Betriebspartner erhalten eine betriebsverfassungsrechtliche Regelungsbefugnis zur freiwilligen Gestaltung. Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung nimmt dann aber nicht vorweg, dass es sich bei der dort geplanten Kasse tatsächlich um eine Sozialeinrichtung handelt. Indem § 88 Nr. 2 BetrVG die freiwillige Mitbestimmung auf die Errichtung einer Sozialeinrichtung erstreckt, bedeutet das nicht, dass sich mithilfe einer Betriebsvereinbarung rechtstatsächlich eine Sozialeinrichtung gründen lässt. Das hat folgende Gründe: Betriebsverfassungsrechtlich ist es für eine Subsumtion unter den Begriff der Sozialeinrichtung unerheblich, in welcher Rechtsform diese betrieben wird.142 Daraus folgt, dass sich die Betriebsparteien zwar darüber verständigen können, in welcher Rechtsform eine Sozialeinrichtung bestehen soll. Das Rechtssubjekt kann dann aber nur gemäß der jeweils einschlägigen Regeln des Zivilrechts entstehen. Das ist beim Betrieb einer Sozialeinrichtung in rechtlich selbständiger Form anerkannt,143 ergibt sich jedoch ebenfalls bei rechtlich unselbständiger Gestaltung. Hinter Letzterem verbirgt sich in Wahrheit keine echte Wahl einer Rechtsform für die Sozialeinrichtung. Die Betriebsparteien sind nur einig darin, dass für die Sozialeinrichtung diejenige Rechtsform des arbeitgeberseitig betriebenen Unternehmens maßgeblich sein soll, welche den relevanten Betrieb erfasst. Deshalb wird von einer unselbständigen Sozialeinrichtung gesprochen.144 Diese Unselbständigkeit ändert wiederum nichts daran, dass für die Anwendung von § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG und § 88 Nr. 2 BetrVG die Voraussetzungen der Sozialeinrichtung, vor allem die organisatorische Verselbständigung von Sozialmitteln, erfüllt sein müssen. Das Merkmal der Errichtung meint allein die betriebsverfassungsrechtlich – im Gegensatz zur zivilrechtlichen Rechtsform – gebildete organisatorisch selbständige Einheit. Das geschieht nicht durch die Betriebsvereinbarung selbst. Mit Blick auf das Merkmal der Errichtung kann in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung all jenes geregelt werden, worüber der Arbeitgeber ansonsten, insbesondere auch unter BeBender, in: Wlotzke/Preis/Kreft, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 163 f. Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 340. 143 Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 660 ff. 144 Kaiser, in: Löwisch/Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 180. 141
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achtung von § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, alleine bestimmen kann.145 Demgemäß können die Betriebsparteien gemäß § 88 Nr. 2 BetrVG festlegen, dass der Arbeitgeber zusätzliche Leistungen an die Arbeitnehmer erbringt, in welchem Umfang und zu welchem Zweck dies geschieht und wer der begünstigte Personenkreis ist.146 Die Betriebsparteien können in einer Betriebsvereinbarung beispielsweise aufnehmen, im Falle des Todes eines Arbeitnehmers näher bezeichneten Hinterbliebenen per Einmalzahlung Hilfe zu leisten. Sie können die Finanzierung durch den Arbeitgeber in der Weise bestimmen, dass dieser regelmäßig einen finanziellen Beitrag an die Kasse erbringt, erst im Falle des Todes leistet oder nur Fehlbeträge der ansonsten arbeitnehmerfinanzierten Kasse ausgleicht. Sodann kann vereinbart sein, die Kasse mit Blick auf die zivilrechtliche Rechtsform unselbständig zu führen. Dennoch kann sich beispielsweise durch die geplante Einrichtung eines Sterbekassenkontos, der Bestimmung darüber, wer für die Verwaltung der Kasse zuständig ist einschließlich der Prüfung der Anspruchsberechtigung und der Auszahlung der Sterbegelder sowie, wer die Kasse kontrollieren soll, ergeben, dass in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht eine organisatorisch selbständige Einheit betrieben werden soll. Damit ist die Kasse dennoch rechtstatsächlich nicht errichtet. Der Arbeitgeber ist lediglich gemäß § 77 Abs. 1 S. BetrVG verpflichtet, all diejenigen Maßnahmen, zum Beispiel Eröffnung des Kassenkontos, Weisung an Arbeitnehmer, die Kasse zu verwalten, Einziehung der Mitgliedsbeiträge vom Arbeitsentgelt u.s.w., zu treffen, damit die organisatorisch verselbständigte Einheit entstehen kann. Bisher lässt sich damit festhalten: Allein durch die Tatsache, dass die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen haben, ist nichts darüber gesagt, ob eine Sozialeinrichtung im Sinne der §§ 87 Abs. 1 Nr. 8, 88 Nr. 2 BetrVG besteht. Daran änderte sich nichts, wenn die Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG Ansprüche der Arbeitnehmer bereits normativ begründen würde. Im Falle der Sterbekassen ist das jedenfalls im Hinblick auf die Hinterbliebenen nicht denkbar, da der Betriebsrat sie nicht repräsentieren kann. Solidarkassen gewähren jedoch noch andere Leistungen an Arbeitnehmer, zum Beispiel bei Geburtstagen, betrieblichen Jubiläen, Hochzeiten, Urlaubsreisen, bei denen die Betriebspartner die Ansprüche der Arbeitnehmer per Betriebsvereinbarung normativ regeln können. Das gilt jedoch nur, wenn die Kasse – zivilrechtlich nicht selbständig – vom Arbeitgeber geführt wird. Vereinbaren die Betriebsparteien beispielsweise die Gründung eines nichtwirtschaftlichen Vereins, der Rechtssubjekt der Sozialeinrichtung sein soll, wird erst in der Satzung des Vereins bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Ansprüche des Arbeitnehmers bestehen. In Betriebsvereinbarungen enthaltene Regelungen, selbst wenn diese ebenfalls rechtlich missverständlich als Satzung bezeichnet werden, führen lediglich zur Pflicht des Arbeitgebers, in Erfüllung seiner Umsetzungspflicht gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG alles dafür zu tun, damit das gewünschte Rechtssubjekt mit entsprechender Satzung entstehen kann.147 Kohte, in: Düwell, Betriebsverfassungsgesetz, § 88 BetrVG, Rn. 16. Wiese/Gutzeit, in: GK-BetrVG, § 88 BetrVG, Rn. 28. 147 Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 660. 145
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Soll die Kasse hingegen dem Rechtssubjekt „Arbeitgeber“ zugeordnet bleiben, können Ansprüche des Arbeitnehmers normativ mithilfe der Betriebsvereinbarung entstehen. Das allein genügt aber nicht zur Errichtung der Sozialeinrichtung. Genauso gut kann hier ein Fall des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestehen. Maßgeblich im Unterschied zu der Mitbestimmung in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung ist, dass über den Sozialleistungsanspruch hinaus, der auch bei § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG durch eine Betriebsvereinbarung normativ geregelt werden kann, eine betriebsverfassungsrechtlich selbständige organisatorische Einheit geschaffen werden soll. Das bedeutet: Sowohl bei § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG als auch bei § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG können in einer Betriebsvereinbarung Sozialleistungsansprüche mit normativer Wirkung geregelt werden. Damit ist aber rechtlich nicht indiziert, dass die Betriebsparteien im Übrigen eine Gestaltung vornehmen, die eine organisatorische Verselbständigung der Kasse und damit das Bestehen einer Sozialeinrichtung zur Folge hat. Was folgt nun daraus für die Einordnung einer Solidarkasse entweder als Sozialeinrichtung gemäß §§ 87 Abs. 1 Nr. 8, 88 Nr. 2 BetrVG oder als autonome Solidarkasse der Arbeitnehmer? c) Fehlerhafter Schluss vom Bestehen einer Betriebsvereinbarung auf die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien Fehlt es an einer Regelungsbefugnis, ist die Betriebsvereinbarung unwirksam.148 Daher ist es zirkulär, allein von dem Bestehen einer Betriebsvereinbarung auf ihre Wirksamkeit zu schließen. Das tut auch, wer bei Gestaltung einer sozialen Kasse in einer Betriebsvereinbarung meint, damit bestehe keine vom Arbeitgeber „völlig losgelöste“ Selbsthilfeeinrichtung, vielmehr handele es sich um eine Sozialeinrichtung.149 Aus der Betriebsvereinbarung würde auf die Existenz einer Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG oder § 88 Nr. 2 BetrVG geschlossen und damit erst nachträglich die Regelungsbefugnis der Betriebsvereinbarung bestimmt; ein klassischer Zirkelschluss im Hinblick auf die Frage nach der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung. d) Keine Regelungsbefugnis zur Gestaltung autonomer Arbeitnehmersolidarkassen Die Betriebsparteien dürfen per Betriebsvereinbarung nur regeln, was ihnen gegenständlich zur Regelung durch das Betriebsverfassungsgesetz übertragen worden ist. Dazu gehört nicht die Gestaltung von Solidarkassen, die arbeitnehmer 148 Zur Regelungsbefugnis der Betriebsparteien als Grundlage einer Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung statt aller Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 64 m. w. N. aus Schrifttum und Rechtsprechung. 149 So aber LAG Hamm v. 5. 8. 2005, 2 Ta 43/05,BeckRS 2005, 43590.
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autonom betrieben werden. Sammeln die Arbeitnehmer zum Beispiel monatlich Gelder, um anlässlich bestimmter Ereignisse wie Geburtstage oder Hochzeiten etc. Geschenke überreichen zu können, ohne jedwede Hilfeleistung von Seiten des Arbeitgebers, dann handelt es sich nicht um eine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Freilich kann die Ausgestaltung einer solchen Kasse zu einer tatsächlichen, sogar zu einer rechtlichen Verselbständigung führen. Die Arbeitnehmer haben möglicherweise einen Kollegen beauftragt, die Kasse zu leiten und zu verwalten. Dieser richtet ein Konto ein, kontrolliert die Zahlungseingänge, legt die Höhe der Einzahlungen fest, kauft die Geschenke u. s. w. Mit den Einzahlungen entsteht dann ein tatsächlich vom übrigen Vermögen der Arbeitnehmer und des Arbeitgebers abgegrenztes Vermögen, welches auch einer Verwaltung bedarf. Rechtlich kann es dem Beauftragten zuzuordnen sein oder möglicherweise einer juristischen Person oder einer rechtsfähigen Personenmehrheit, zum Beispiel einem nichtwirtschaftlichen Verein oder einer BGB-Gesellschaft. Mit Blick auf Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG150 kann es sich aber bereits deshalb um keine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit handeln, weil über die verselbständigte Kasse keine Sozialleistungen des Arbeitgebers erbracht werden. Dieser ist unbeteiligt am Vermögensvorteil des Arbeitnehmers. Mangels Verteilungsnotwendigkeit sozialer Leistungen des Arbeitgebers kann ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht bestehen. Daran ändert auch § 88 Nr. 2 BetrVG nichts. § 88 Nr. 2 BetrVG modifiziert nicht den Begriff der Sozialeinrichtung oder dessen inhaltliches Verständnis. Die Regelungsbefugnis setzt nur früher an, indem bereits gemeinsam überlegt und geregelt werden darf, in welchem Umfang Sozialleistungen des Arbeitgebers zu welchem Zweck an wen verteilt werden sollen. Es müssen aber überhaupt erst einmal Sozialleistungen des Arbeitgebers gegeben sein.151 § 88 Nr. 2 BetrVG ermöglicht es den Betriebsparteien nicht, den Rechtsbegriff „Sozialeinrichtung“ nach ihren Wünschen zu gestalten. Sie dürfen nur errichten, was das BetrVG als Sozialeinrichtung anerkennt. Weder können die Betriebsparteien diesen Rechtsbegriff selbst definieren, noch bestimmen, ob seine Voraussetzungen erfüllt sind. e) Ergebnis Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass der Schluss von einer Betriebsvereinbarung auf das Bestehen einer Sozialeinrichtung nicht möglich ist. Allein durch eine Betriebsvereinbarung wird eine Sozialeinrichtung nicht errichtet. Das gilt sowohl für den Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG als auch für denjenigen der freiwilligen gemäß § 88 Nr. 2 BetrVG. Unerheblich dabei ist, ob die Sozialeinrichtung rechtlich selbständig oder durch den Rechtsträger „Arbeitgeber“ rechtlich unselbständig geführt werden soll. Betriebsverfassungsrechtlich verlangt ist eine tatsächliche Verselbständigung von Sozialmitteln. Aber 150 151
Oben unter III. 6. Dazu noch näher unten unter 4. sowie V. 1.
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auch diese tatsächliche Verselbständigung kann nicht durch eine Betriebsvereinbarung als solche herbeigeführt werden. Bei § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG geht die tatsächliche Verselbständigung als Begriffsinhalt der Errichtung dem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats voraus. Im Rahmen des § 88 Nr. 2 BetrVG können die Betriebsparteien zwar die Bedingungen und den Inhalt der Errichtung festlegen. Sowohl die zivilrechtliche als auch die tatsächliche Errichtung können aber erst nach Abschluss und nicht durch Abschluss der Betriebsvereinbarung erfolgen. Sofern allein aus der Regelung in einer Betriebsvereinbarung auf die Existenz einer Sozialeinrichtung geschlossen wird, wird zudem übersehen, dass eine Betriebsvereinbarung eine Regelungsbefugnis der Betriebsparteien voraussetzt. Soll eine Regelungsbefugnis auf die §§ 87 Abs. 1 Nr. 8, 88 Nr. 2 BetrVG gestützt werden, müssen die begrifflichen Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung erfüllt sein. Es ist daher nicht zutreffend, wenn das LAG Hamm meint, eine Selbsthilfeeinrichtung der Arbeitnehmer könne schon deshalb nicht bestehen, weil die Einrichtung mittels Betriebsvereinbarung gestaltet wurde. Hätten die Betriebsparteien eine autonome Solidarkasse der Arbeitnehmer geregelt, hätte sich eine Regelungsbefugnis gar nicht aus §§ 87 Abs. 1 Nr. 8, 88 Nr. 2 BetrVG ergeben können. Daher hätte das Gericht zuerst und unabhängig von der Tatsache, dass eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung erfolgte, prüfen müssen, ob eine Sozialeinrichtung bestand oder errichtet werden sollte. 3. Mitgliedschaft der Arbeitnehmer durch Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung Gerade bei dauerhaft angelegten Sterbekassen, Kassen für sonstige Notfälle sowie Freud und Leid Kassen sehen die Gründer der Kasse oft vor, dass die Arbeitnehmer mit Abschluss des Arbeitsvertrages Mitglieder der Kasse werden.152 Häufig enthält der Arbeitsvertrag eine Klausel, wonach der Arbeitnehmer Mitglied einer Kasse und ihm monatlich von seinem Nettolohn ein Mitgliedsbeitrag einbehalten wird. Üblich ist auch, dass eine Betriebsvereinbarung besteht, die den Arbeitgeber verpflichtet, eine solche Klausel in den Arbeitsvertrag aufzunehmen, und ihm weiterhin auferlegt, den Beitrag vom Nettolohn einzubehalten und an die Kasse abzuführen. Noch weiter gehen Betriebsvereinbarungen, nach denen die Kassenmitgliedschaft „automatisch“ dem Abschluss des Arbeitsvertrages folgt. Über eine solche Regelung in einer Betriebsvereinbarung berichtet das LAG Hamm; es sieht in ihr sogar ein weiteres Argument für das Bestehen einer Sozialeinrichtung, weil es sich dann nicht um eine „ausschließlich freiwillige Selbsthilfe einrichtung der Belegschaft“ handeln könne.153 Diese Argumentation ist erstaunlich. Arbeitnehmer werden per Betriebsvereinbarung gezwungen, Mitglieder einer Kasse zu werden und weil das so ist, kann es sich nicht mehr um eine freiwillige Einrichtung der Arbeitnehmer handeln? 152 153
Einzelheiten oben § 1: A. und B. LAG Hamm v. 5. 8. 2005, 2 Ta 43/05,BeckRS 2005, 43590.
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a) Unzulässigkeit heteronomer Mitgliedschaften Fraglich ist, ob Klauseln, nach denen Arbeitnehmer allein mit Abschluss des Arbeitsvertrages ohne weitere Beitrittserklärung Kassenmitglieder werden, in Betriebsvereinbarungen wirksam vereinbart und so heteronome Mitgliedschaften begründet werden können. Im Verneinungsfall würden die Arbeitnehmer nicht Mitglieder der Kasse, sodass solchen Klauseln bereits mangels Wirksamkeit kein Argument für das Bestehen einer Sozialeinrichtung entnommen werden könnte. aa) Der Schluss von der Mitgliedschaft auf die Existenz einer Sozialeinrichtung Überprüft man die Rechtswirksamkeit, zeigt sich erneut der bereits oben dargestellte Zirkelschluss, der aus der Tatsache, dass eine solche Klausel Bestandteil einer Betriebsvereinbarung ist, das Bestehen einer Sozialeinrichtung schlussfolgert.154 Regelungen, die bestimmen, in welcher Art und Weise ein Arbeitnehmer Mitglied einer Kasse wird, sind solche über die Ausgestaltung von Sozialeinrichtungen.155 Sie unterliegen der erzwingbaren Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Damit die Betriebsparteien aber rechtlich befugt sind, eine Sozialeinrichtung auszugestalten, muss wiederum vorher das Bestehen einer solchen geklärt sein. Aus Regelungen zur Ausgestaltung kann nicht umgekehrt auf die Existenz einer Sozialeinrichtung geschlossen werden. Sie können nicht Inhaltsmerkmale des Rechtsbegriffs der Sozialeinrichtung sein. bb) Unzulässige Lohnverwendungsabrede bei Pflicht zur Zahlung eines Mitgliedsbeitrages Selbst wenn es sich bei der Kasse um eine Sozialeinrichtung handelt, ist fraglich, ob die Betriebsparteien eine heteronome Mitgliedschaft der Arbeitnehmer bestimmen dürfen. Wenn die Betriebsparteien mit Mitgliedschaft meinen, dass Arbeitnehmer in den Genuss der sozialen Vorteile kommen, die vom Arbeitgeber über eine selbständige oder unselbständige Sozialeinrichtung geleistet werden, unterliegt die Betriebsvereinbarung – sofern mit einem Zwang zum Vorteilsgenuss nicht unzulässig in die private Lebensführung und -gestaltung eingegriffen wird156 – keinen rechtlichen Bedenken. Hat der Arbeitgeber eine Sterbekasse als Sozialeinrichtung errichtet und stellt er selbst sämtliche finanziellen Mittel sowie benötigtes Personal zur Verfügung, dann kann der Betriebsrat bei Ausübung seines Mitbestimmungsrechts gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG mit dem Arbeitgeber die Modalitäten der Leistungsgewährung festlegen, dabei auch, ab wann der Arbeitnehmer an den Vorteilen der Sterbekasse teilhaben soll. Zum Beispiel kann für jeden Arbeitnehmer 154
Oben 2. c) und d). zur Ausgestaltung in Abgrenzung zur Form und Verwaltung Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 637 ff. mit weiteren Nachweisen. 156 Dazu sogleich im folgenden Text. 155 Vgl.
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bereits mit Abschluss seines Arbeitsvertrages ein in der Höhe gleicher Anspruch auf Sterbegeld zugunsten seiner Hinterbliebenen festgelegt werden. Denkbar ist auch ein in der Höhe nach Mitgliedsjahren gestaffelter Anspruch etc. Das Problem der hier zu diskutierenden praktischen Fälle besteht aber darin, dass die Betriebsvereinbarung häufig nicht bloß regelt, dass mit Abschluss des Arbeitsvertrages zugleich eine Mitgliedschaft in einer Sterbekasse begründet wird. In der Regel bestimmen die Betriebsparteien ebenfalls die Pflicht, Mitgliedsbeiträge in bestimmter Höhe zu entrichten, die vom vereinbarten Nettolohn vor Auszahlung an den Arbeitnehmer abgezogen werden. Insoweit ist zu prüfen, ob derartige Regelungen eine ohne Konsens des betroffenen Arbeitnehmers unzulässige Lohnverwendungsabrede darstellen.157 Arbeitnehmer dürfen mittels Betriebsvereinbarung nur dann zur Finanzierung einer Kasse herangezogen werden, wenn die Betriebs parteien auch insoweit eine Regelungsbefugnis haben. In einem Grundsatzurteil zur Kostenbeteiligung von Arbeitnehmern zur Benutzung einer Betriebskantine überlegte das BAG158 zunächst, ob eine solche Regelung von den Tatbeständen erzwingbarer Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 sowie Nr. 8 BetrVG umfasst ist. Im Folgenden ist zu prüfen, ob es nach den vom BAG aufgestellten Grundsätzen möglich ist, dass die Betriebsparteien Mitgliedschaften der Arbeitnehmer in Sterbekassen bei gleichzeitiger Pflicht zur Finanzierung begründen können. Dabei ist zunächst zu diskutieren, ob überhaupt eine Regelungsbefugnis für eine Kostenbestimmung in Betriebsvereinbarungen besteht [(1) und (2)]. Sodann stellt sich die Frage, ob eine grundsätzlich bestehende Regelungsbefugnis durch Binnenschranken einzuschränken ist [(3)]. Hierbei wird sich zeigen, dass zwischen autonomen und heteronomen Mitgliedschaften differenziert werden muss. (1) § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG Um die Argumentation des BAG zu den Fragen zu verstehen, ob und welche Tatbestände erzwingbarer Mitbestimmung eine Kostenregelung erlauben, ist es notwendig, § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG an dieser Stelle zu berücksichtigen. Nach dem BAG gilt der Grundsatz, dass diejenigen Kosten, die anlässlich der Regelung eines mitbestimmungspflichtigen Tatbestands entstehen, derjenige tragen muss, in dessen Sphäre sie anfallen.159 § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gewähre keine Regelungsbefugnis zur Kostengestaltung, da diese weder unter die Ordnung des Betriebs noch unter das Ordnungsverhalten subsumierbar sei.160 Dieser Ansicht folgt die Literatur weitgehend.161 157 Zur Lohnverwendungsabrede grundsätzlich BAG v. 1. 12. 1992, 1 AZR 260/92, EzA Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972, Betriebliche Ordnung; BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, NZA 2001, S. 462 ff.; BAG v. 13. 2. 2007, 1 ABR 18/06, NZA 2007, S. 640 ff.; Wiese in: Festschrift Richardi, S. 817 ff. 158 v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, NZA 2001, S. 462 ff. 159 BAG v. 1. 12. 1992, 1 AZR 260/92, BAGE 72, S. 40, S. 44. 160 BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, NZA 2001, S. 462, S. 463 f.; BAG v. 1. 12. 1992, 1 AZR 260/92, BAGE 72, S. 40, S. 44; BAG v. 13. 2. 2007, 1 ABR 18/06, NZA 2007, S. 640, S. 642.
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Diskutiert wird weiterhin, ob und in welchen Fällen Mitbestimmungstatbestände über die „unmittelbare Regelungskompetenz“ hinausgehende Annexkompetenzen gewähren können.162 Eine Annexkompetenz ist jedoch allenfalls anzuerkennen, wenn die Regelung einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit notwendigerweise dazu führt, dass eine an sich nicht mitbestimmungspflichtige Angelegenheit mitgeregelt werden muss.163 Eine Kostenregelung ist insoweit nur möglich, wenn sie zwingend durch die Regelung einer mitbestimmten Angelegenheit bedingt ist164 oder die Regelung einer mitbestimmten Angelegenheit ohne die Kostenbestimmung nicht sinnvoll gestaltet werden kann.165 Das lehnt das BAG mit Blick auf die Beteiligung derjenigen Arbeitnehmer an den Kosten einer Kantine ab, die diese gar nicht in Anspruch nehmen. 161
Diese zu § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verwendete Argumentation überträgt das Gericht auf § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG.166 Sofern es eine Einrichtung im Betrieb notwendig macht, das Zusammenleben der Arbeitnehmer im Betrieb zu gestalten, so beispielsweise beim Aufstellen von Benutzungsregeln und bei der Festlegung der Öffnungszeiten, können die dafür notwendigen Regeln zwischen den Betriebsparteien vereinbart werden, ohne dass damit automatisch Kosten für den Arbeitnehmer entstehen. Eine hinreichend enge Verbindung zwischen einer an sich nicht mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit und einer mitbestimmungspflichtigen, wie es Literatur und Rechtsprechung fordern, ist bei der Gründung von Einrichtungen im Betrieb – unabhängig davon, ob sie Sozialeinrichtungen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG sind – nicht denk161 Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 70; Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 188. Wiese, in: Festschrift Richardi, S. 817, S. 820 f., S. 825 ff.; derselbe, in: Festschrift Kreutz, S. 499, S. 510 ff. Anders, wenn die von den Betriebsparteien getroffene Regelung notwendigerweise zu Kosten für den Arbeitnehmer führt, Galperin/Löwisch, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 5, Rn. 64. Dann soll sich das Mitbestimmungsrecht auch auf eine Regelung erstrecken, nach der der Arbeitgeber die Kosten übernimmt. 162 BAG v. 8. 3. 1977, 1 ABR 33/75, BAGE 29, S. 40, S. 45; BAG v. 5. 3. 1991, 1 ABR 41/90, AP Nr. 11 zu § 87 BetrVG 1972, Auszahlung; BAG v. 1. 12. 1992, 1 AZR 260/92, BAGE 72, S. 40, S. 44; BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, NZA 2001, S. 462, S. 464; BAG v. 13. 2. 2007, 1 ABR 18/06, NZA 2007, S. 640, S. 642; Hanau, RdA 1973, S. 281 ff.; Gester/Isenhardt, RdA 1974, S. 80 ff.; Reuter, RdA 1981, S. 201 ff.; Gaude, Annexbedingungen und Koppelungsgeschäfte, S. 50 ff.; Posselt, Annexkompetenzen im Betriebsverfassungsrecht; Wiese, in: Festschrift Richardi, S. 817, S. 836 ff.; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 215; derselbe, RdA 2013, S. 176 ff. 163 Anerkanntes Beispiel in der Rechtsprechung ist eine Regelung zur Kostentragung bei Einführung einer bargeldlosen Lohnzahlung nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG; BAG v. 8. 3. 1977, 1 ABR 33/75, BAGE 29, S. 40 ff.; BAG v. 5. 3. 1991, 1 ABR 41/90, AP Nr. 11 zu § 87 BetrVG 1972, Auszahlung. 164 BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, NZA 2001, S. 462, S. 464. 165 BAG v. 13. 2. 2007, 1 ABR 18/06, NZA 2007, S. 640, S. 642. 166 BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, NZA 2001, S. 462, S. 464.
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bar. Zu welcher Zeit und unter welchen Voraussetzungen eine Einrichtung genutzt werden soll, kann auch ohne Kostenregelung sinnvoll gestaltet werden. Sofern die Betriebsparteien eine Kostenbeteiligung regeln möchten, ist es – wenn nicht eine Regelungskompetenz aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG folgte167 – eine Frage der Reichweite der Regelungskompetenz gemäß § 88 BetrVG. (2) § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG Das BAG überträgt – wie zuvor168 gesehen – seine Argumentation zu § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auf § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG und behandelt beide Normen kompetenzrechtlich gleich.169 Das überzeugt nicht. Bei letzterem Tatbestand kommt es nämlich nicht darauf an, ob eine Sozialeinrichtung zwingend zu Kosten für den Arbeitnehmer führt oder ob sie sinnvoll nur gestaltet werden kann, wenn Kostenfragen mitgeregelt werden. Das BAG übersieht, dass § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG kompetenzrechtlich insoweit weiter gefasst ist als § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und diesen in seiner Anwendung verdrängt.170 Es geht nicht bloß darum, diejenigen Regelungen zu treffen, die notwendig sind, um die Betriebsordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer untereinander zu gestalten. Wenn in einem Betrieb zum Beispiel eine Kantine errichtet oder ein Fitnessraum zur Verfügung gestellt wird, ist zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Kantine oder Fitnessraum genutzt werden können. An sich könnte der Arbeitgeber per Direktionsrecht kraft seiner Organisationsbefugnis gemäß § 106 S. 2 GewO die Nutzungsvoraussetzungen, beispielsweise die Öffnungszeiten, bestimmen. Da Nutzungsvoraussetzungen allerdings das gegenständlich von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erfasste betriebliche Zusammenleben und -wirken der Arbeitnehmer erfassen,171 kann er die Maßnahmen nur mitbestimmt treffen. Eine Kostenregelung braucht es insoweit nicht. Mitbestimmt nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG wäre auch nicht die betriebliche Einrichtung als solche, sondern nur ihre Auswirkung auf die Ordnung des Betriebs und/ oder das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer. Anders ist die Sachlage bei § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Ab Errichtung der Sozialeinrichtung können die Betriebsparteien gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG sämtliche Maßnahmen betreffend die Sozialeinrichtung regeln. Auf § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG braucht nicht zurückgegriffen werden. Dazu gehört auch die Beantwortung der Frage, ob Benutzungsentgelte erhoben werden sollen oder nicht.172 Schwierig ist lediglich die Zuordnung zu den Tatbestandsvarianten des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Vertreten wird eine solche zur Ausgestaltung173 und eine 167
Dazu sogleich.
168 (a).
BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, NZA 2001, S. 462, S. 464. Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 676. 171 Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 63, Rn. 70. 172 So bereits BAG v. 6. 12. 1963, 1 ABR 9/63, AP Nr. 6 zu § 56 BetrVG, Wohlfahrtseinrichtungen. 169 170
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solche zur173 Verwaltung174. Unabhängig von einer Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen Ausgestaltung und Verwaltung können bei Ausübung des Mitbestimmungsrechts Kostenregelungen getroffen und Benutzungsentgelte festgelegt werden. Eine einseitige Bestimmung durch den Arbeitgeber, ohne dass Ausgestaltung oder Verwaltung der Sozialeinrichtung betroffen wären, ist nicht denkbar. Daher bedarf es entgegen der Rechtsprechung des BAG nicht der Überlegung, ob bei Kostenregelungen im Hinblick auf Sozialeinrichtungen eine Annexkompetenz besteht oder die Betriebsparteien eine freiwillige Betriebsvereinbarung schließen können. Es besteht grundsätzlich eine Befugnis der Betriebsparteien, Mitgliedschaften in Sozialeinrichtungen auch unter Kostenbeteiligung der Arbeitnehmer zu regeln. (3) Verstoß gegen Binnenschranken Das bedeutet aber nicht, dass jede Regelung, die dem Arbeitnehmer eine Kostenlast aufbürdet, zwingend rechtmäßig ist. Selbst wenn eine Regelung gegenständlich an sich unter einen Tatbestand der Mitbestimmung subsumierbar ist, der den Betriebsparteien eine Regelungskompetenz gewährt, unterliegt jede Betriebsvereinbarung weiterhin sogenannten Binnenschranken.175 Zu prüfen ist, ob diese einer Gestaltung von heteronomen Mitgliedschaften plus Finanzierungsbeteiligung der Arbeitnehmer an einer Kasse mittels einer Betriebsvereinbarung entgegenstehen. Eine Regelungsbefugnis der Betriebsparteien kann sich nur auf formelle und materielle Arbeitsbedingungen sowie auf betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Gegenstände beziehen.176 Die Betriebsautonomie legitimiert nur Regelungen der betrieblichen Bereiche, für die die Betriebsparteien die notwendige Sachkunde besitzen und derentwegen der Gesetzgeber es erlaubt, dass sie ihre eigenen Angelegenheiten gestalten können.177 Lediglich im betrieblichen Bereich kann folgend aus der Sachkompetenz ein Beurteilungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative der Betriebsparteien178 anerkannt werden. Damit verbieten sich jedenfalls Eingriffe in die private Lebensführung und Lebensgestaltung der Arbeitnehmer.179 173 Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 640 f.; Klebe, in: Däubler/Kittner/Klebe, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 216. 174 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 711; Moll, Mitbestimmung beim Entgelt, S. 110 ff. 175 BAG v. 22. 1. 1965, 1 ABR 9/64, AP Nr. 7 zu § 56 BetrVG, Wohlfahrtseinrichtungen; BAG v. 12. 12. 2006, 1 AZR 96/06, AP Nr. 94 zu § 77 BetrVG 1972. 176 BAG v. 16. 3. 1956, GS 1/55, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG; BAG v. 7. 11. 1989, GS 3/85, AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972; BAG v. 18. 7. 2006, 1 AZR 578/05, AP Nr. 15 zu § 850 ZPO; BAG v. 26. 8. 2008, 1 ABR 16/07, AP Nr. 54 zu § 75 BetrVG 1972; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Band II, S. 767; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 208 ff.; Zöllner, ZfA 1988 S. 265, S. 276; Henssler, ZfA 1994, S. 487, S. 499. 177 BAG v. 12. 12. 2006, 1 AZR 96/06, BAGE 120, S. 308, S 311. 178 BAG v. 22. 3. 2005, 1 AZR 49/04, AP Nr. 48 zu § 75 BetrVG 1972. 179 BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, NZA 2001, S. 462, S. 464; BAG v. 27. 1. 2004, 1 ABR 7/03, BAGE 109, S. 235, S. 238 f.; BAG v. 18. 7. 2006, 1 AZR 578/05, NZA 2007, S. 462, S. 465; BAG v. 12. 12. 2006, 1 AZR 96/06, BAGE 120, S. 308, S. 315 f.
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Wie die Binnenschranken betrieblicher Regelungsbefugnis im Einzelfall zu bestimmen sind und auf welchen dogmatischen Grundlagen sie beruhen, war und ist umstritten. Zwar gilt im Grundsatz eine weitgehende Regelungskompetenz der Betriebsparteien in sozialen Angelegenheiten.180 Zum Schutz des Individualinteresses sind in der Literatur aber verschiedene Konzepte entwickelt worden, um die Regelungsbefugnis der Betriebspartner zu begrenzen. Grundlegend sind insbesondere die Überlegungen von Siebert zu einem „kollektivfreien Individualbereich“181, von Canaris182 und Kreutz183 zu einer Lehre des „Schutzzwecks der Betriebsvereinbarung“, von Waltermann184 sowie von Müller-Franken185 zu einer Lehre vom „Vorbehalt des Gesetzes“ bei den Arbeitnehmer belastenden Betriebsvereinbarungen, von Reichold zu einer Lehre von der „Vertragsrechtsakzessorietät der Betriebsverfassung“186 und von Veit187 zu einer Begrenzung der Regelungsbefugnis der Betriebsparteien im Rahmen eines das Arbeitsverhältnis ergänzenden „betrieblichen Rechtsverhältnisses“. Diesen Ansätzen ist gemein, dass sie sich um eine Regelungsschranke für den Arbeitnehmer belastende Betriebsvereinbarungen bemühen. Mit Bezug auf die Fallgruppe der Lohnverwendungsabrede hat das BAG darauf verzichtet, näher zu erörtern, welchem dogmatischen Ansatz der Vorzug gebührt.188 Eine Regelungsschranke folge jedenfalls aus § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG, der zu einer mittelbaren Grundrechtsbindung der Betriebsparteien führe und unter anderem die allgemeine Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers sowie dessen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG schütze.189 Unabhängig von einem etwaigen Verstoß gegen weitere Binnenschranken kommt das BAG bei einer Betriebsvereinbarung, die in die allgemeine Handlungsfreiheit oder das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreift und nicht den Maßstäben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügt, jedenfalls zu einem Verstoß gegen höherrangiges Recht.190 Dieses Vorgehen billigt die Literatur,191 mitunter in Verbindung mit § 134 BGB.192 180 Grundlegend BAG v. 16. 3. 1956, GS 1/55, AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG; BAG v. 7. 11. 1989, GS 3/85, AP Nr. 46 zu § 77 BetrVG 1972. 181 Siebert, in: Festschrift Nipperdey, S. 119, S. 128 ff. 182 AuR 1966, S. 129 ff. 183 Grenzen der Betriebsautonomie, S. 246 ff. 184 Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 142 ff., S. 185, S. 245 f. 185 Die Befugnis zu Eingriffen in die Rechtsstellung des einzelnen durch Betriebsvereinbarung, S. 217 ff., S. 345 ff. 186 Reichold, Betriebsverfassung als Sozialprivatrecht, S. 487 ff. 187 Die funktionelle Zuständigkeit des Betriebsrats, S. 364 ff., S. 423 ff. 188 BAG v. 18. 7. 2006, 1 AZR 578/05, NZA 2007, S. 462, S 464 f. 189 BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, NZA 2001, S. 462, S. 464; BAG v. 27. 1. 2004, 1 ABR 7/03, BAGE 109, S. 235, S. 238 f.; BAG v. 18. 7. 2006, 1 AZR 578/05, NZA 2007, S. 462, S. 465; BAG v. 12. 12. 2006, 1 AZR 96/06, BAGE 120, S. 308, S 315 f. 190 Nachweise unter vorheriger Fn. 191 Kaiser, in: Löwisch/Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, § 77 BetrVG, Rn. 19; Preis, in: Wlotzke/Preis/Kreft, Betriebsverfassungsgesetz, § 77 BetrVG, Rn. 26; Kreutz, in:
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(a) Materielle Arbeitsbedingungen
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Bei Analyse der vorstehenden Ansätze lässt sich erkennen: Verhindert werden soll insbesondere eine ausschließliche Belastung des Arbeitnehmers bei der Festlegung materieller Arbeitsbedingungen.193 Materielle Arbeitsbedingungen sind nach Richardi solche, die das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung betreffen,194 nach Kreutz diejenigen, welche nicht mehr per Direktionsrecht des Arbeitgebers festgelegt werden können.195 Bei Lohnverwendungsbestimmungen handelt es sich demnach um materielle Arbeitsbedingungen. Sie betreffen ausschließlich das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung – der Arbeitnehmer erhält weniger Entgelt oder statt der Zahlung ein Surrogat, zum Beispiel ein Kantinenessen oder Arbeitskleidung – und sind gemäß § 106 GewO auch nicht vom Direktionsrecht erfasst. Nicht von einer Regelungsbefugnis der Betriebspartner gedeckt sind Bestimmungen, die dem Arbeitnehmer vorschreiben, wie er sich außerbetrieblich zu verhalten hat.196 Gültig ist in der modernen Dogmatik des Betriebsverfassungsrechts allerdings ein weites Verständnis des Begriffs „Arbeitsbedingung“, das den Betriebsparteien im Grundsatz die Befugnis einräumt, sowohl formelle als auch materielle Arbeitsbedingungen zu regeln. Daher trifft der Hinweis von Kreutz, nach dem eine Abgrenzung zu außerbetrieblichen Regelungen schwierig ist.197 Für die Sterbekasse gilt: Bestimmen die Betriebsparteien in einer Betriebsvereinbarung, dass jeder Arbeitnehmer mit Abschluss des Arbeitsvertrages Mitglied einer Sterbekasse inklusive Pflicht zur Zahlung eines Mitgliedsbeitrages wird, liegt eine Arbeitsbedingung vor. Die Mitgliedschaft soll anlässlich des Arbeitsverhältnisses bestehen. Von Details abgesehen, sehen die in der Praxis bestehenden Betriebsvereinbarungen vor, dass eine Mitgliedschaft mit Ende des Arbeitsverhältnisses ebenfalls endet, sofern nicht die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind, nach denen auch Betriebsrentner und sonstige frühere Arbeitnehmer Mitglieder der Sterbekasse bleiben können.198 Sinn und Zweck der Sterbekasse ist es, gerade den Arbeitnehmern, die dem Betrieb angehören, und deren Hinterbliebenen eine Hilfe bei Todesfällen zu gewähren. Die Höhe des Sterbegeldes ist durch die Solidarität GK-BetrVG, § 77 BetrVG, Rn. 294; Linsenmaier, RdA 2008, S. 1 ff.; Worzalla, in: Hess/ Worzalla/Glock/Nicolai/Rose/Huke, Betriebsverfassungsgesetz, § 77 BetrVG, Rn. 49 f. 192 Kreutz, in: GK-BetrVG, § 77 BetrVG, Rn. 331. 193 Zum Problem der Reichweite des Regelungsgegenstandes „Arbeitsbedingungen“ Kreutz, in: GK-BetrVG, § 77 BetrVG, Rn. 83 m. w. N. 194 Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 35. 195 Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 246. 196 Siebert, in: Festschrift Nipperdey, S. 119, S. 139 ff.; Linsenmaier, RdA 2008, S. 1, S. 6 f.; Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 77 BetrVG, Rn. 56; BAG v. 12. 12. 206, 1 AZR 96/06, BAGE 120, S. 308, S. 311 ff.; BAG v. 18. 7. 2006, 1 AZR 578/05, NZA 2007, S. 462, S. 465. 197 Kreutz, in: GK-BetrVG, § 77 BetrVG, Rn. 331. 198 Oben unter II. 2. b).
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der Arbeitnehmer maßgeblich beeinflusst. Da der Arbeitgeber eine Mitgliedschaft zu einer Sterbekasse unter Zahlungspflicht nicht einseitig mittels Direktionsrecht bestimmen darf, liegt eine materielle Arbeitsbedingung vor. Auf Grund des automatischen Lohnabzugs ist überdies das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung unmittelbar betroffen. Der Arbeitnehmer erhält nur einen um den Mitgliedsbeitrag reduzierten Lohn ausgezahlt. Damit lässt sich eine Regelungsbefugnis der Betriebsparteien nicht mit dem Argument verneinen, die Regelungen zur Lohnverwendung gestalteten keine Arbeitsbedingungen. (b) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Fraglich ist aber, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist.199 Dabei ist zwischen dem Zweck der Sterbekasse an sich und demjenigen zu unterscheiden, der mit der Gestaltung einer heteronomen Mitgliedschaft inklusive zwingender Beitragspflicht verfolgt wird. Letzterer steht neben dem Zweck der Sterbekasse, Mitglieder bzw. deren Hinterbliebene bei Eintritt eines Sterbefalles zu unterstützen. Das wird nämlich auch erreicht, wenn Arbeitnehmer unabhängig vom Abschluss eines Arbeitsvertrages rechtsgeschäftlich ihren Eintritt erklären und aufgrund dessen ihren Beitrag bezahlen. In Betriebsvereinbarungen, die heteronome Mitgliedschaften gestalten, findet sich in der Praxis nichts Näheres darüber, warum die Arbeitnehmer allein mit Abschluss des Arbeitsvertrages ohne Beitrittserklärung zur Sterbekasse Mitglieder dieser werden sollen. Als Zweck lässt sich – wie immer in Fällen der Versicherung eines Risikos, wenn durch die Solidarität einer Mehrzahl von Mitgliedern eine in der Höhe angestrebte oder gewünschte Versicherungsprämie möglich ist – anführen, die Belegschaft insgesamt zu verpflichten, um Beiträge niedrig und Leistungen hoch zu halten. Dies ist allerdings – so ebenfalls das BAG im Falle der zwangsweisen Beitragszahlung auch im Falle der Nichtbenutzung der Kantine200 – das originäre Risiko des Rechtsträgers der Kasse und darf nicht auf die Arbeitnehmer abgewälzt werden. Zwar lässt sich die Anordnung heteronomer Mitgliedschaft plus Beitragspflicht als geeignet und erforderlich begreifen, um das Ziel, niedrige Beitragslast bei hohen Leistungen, zu erreichen. Letztlich fehlt es aber an der Angemessenheit. Es ist nicht Sache der Betriebsparteien, private Lebensverhältnisse der Arbeitnehmer zu bestimmen oder vorzuschreiben, wofür verdientes, fälliges Arbeitsentgelt verwendet wird. Dabei macht es normativ keinen Unterschied, ob der Arbeitnehmer sein Entgelt bereits erhalten hat und dann verpflichtet wird, Mitgliedsbeiträge zu zahlen oder Beiträge vor Auszahlung des Arbeitsentgeltes direkt vom Nettoarbeitslohn einbehalten werden. Arbeitnehmer dürfen Altersversorgung und Versicherung selbst gestalten und jenseits staatlicher Pflichtversicherungen selbst entscheiden, ob sie sich zusätzlich versichern oder nicht. Weder für die Betriebsordnung noch 199 200
Zu seiner Geltung oben unter (c). BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, NZA 2001, S. 462, S. 464.
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im Arbeitgeber-Arbeitnehmerverhältnis ist die Erreichung eines ausgewogenen Beitrags-Leistungsverhältnisses ein hinreichend gewichtiger Zweck, um den Arbeitnehmer zu zwingen, einen Teil seines Entgeltes für etwas auszugeben, an dem er möglicherweise kein Interesse hat. Sogar ist anerkannt, dass es den Betriebsparteien verwehrt ist, mittels Betriebsvereinbarung Arbeitnehmer zur Teilnahme an Betriebsfeiern und Betriebsausflügen zu zwingen, selbst wenn diese während der Arbeitszeit stattfinden.201 Zutreffend hat das BAG bereits 1957 entschieden, dass Lohnabzüge zugunsten kirchlicher oder politischer Einrichtungen, sozialer oder sonstiger gemeinnütziger Zwecke unwirksam sind, wenn dies die Arbeitnehmer nicht möchten.202 Freilich wird in der Rechtsprechung des BAG angedeutet, dass Lohnverwendungsabreden möglicherweise dann wirksam sein können, wenn sie dem Arbeitnehmer im Gegenzug Vorteile bringen. So hat das BAG ausgeführt, es sei im Grundsatz nicht zu billigen, wenn die Betriebsparteien die Kostenlast für die Arbeitskleidung auf den Arbeitnehmer übertragen, jedenfalls dann nicht, wenn die Gegenleistung des Arbeitgebers – in diesem Fall die Ausstattung mit Arbeitskleidung – allein im Interesse des Arbeitgebers erfolgt.203 Es hat in Folge allerdings keine Entscheidung des BAG gegeben, die eine Lohnverwendungsabrede mit dieser Argumentation umgekehrt für wirksam erklärt hätte. Eine solche kann indes auch nicht überzeugen. Erstens ist fraglich, nach welchem Maßstab zu bestimmen ist, ob die Gegenleistung im Interesse des Arbeitgebers erfolgt, nach einer objektiven Betrachtung mit Blick auf die betroffenen Arbeitnehmer insgesamt oder auf den einzelnen Arbeitnehmer oder sogar allein nach der subjektiven Sicht des einzelnen Arbeitnehmers. Letzteres müsste dazu führen, dass die Betriebsvereinbarung nur in Bezug auf diejenigen Arbeitsverhältnisse wirksam ist, bei denen der Arbeitnehmer subjektiv die Gegenleistung als in seinem Interesse erbracht sieht. Das verbietet sich aber, da die normative Wirkung gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG sämtliche Arbeitsverhältnisse eines Betriebes erfasst und daher nur für sämtliche Arbeitsverhältnisse wirksam oder nicht wirksam sein kann.204 Zweitens gilt die Betriebsverfassung zwar als Fremdbestimmungsordnung.205 Das aber gerade verlangt nach Limitierung. Fremdbestimmt werden sollen die Arbeitnehmer insoweit, als sie nicht nur jeweils im bipolaren Verhältnis zum Arbeitgeber stehen, sondern im multipolaren Verhältnis sowohl zu anderen Arbeitnehmern 201 BAG v. 4. 12. 1970, 5 AZR 242/70, AP Nr. 5 zu § 7 BUrlG; Brune, Betriebsvereinbarung, AR-Blattei, Rn. 348; vgl. auch Kreitner, in: Küttner, Personalbuch, Sozialeinrichtung, Umfang der Mitbestimmung, Rn. 10. 202 BAG v. 20. 12. 1957, 1 AZR 237/56, AP Nr. 1 zu § 399 BGB. 203 BAG v. 1. 12. 1992, 1 AZR 260/92, BAGE 72, S. 40, S. 48. 204 Etwas anderes ist es, wenn die Betriebsvereinbarung selbst nur teilweise wirksam ist. Dann gilt sie gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG dennoch normativ für alle Arbeitnehmer des Betriebs. 205 Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, Einleitung, Rn. 98 m. w. N.
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als auch in ihrer Gesamtheit zum Arbeitgeber. Ein betriebsverfassungsrechtlich konfliktbehaftetes multipolares Verhältnis besteht spätestens dann nicht mehr, wenn es um Gegenstände geht, die nur der Arbeitnehmer als Person selbst bestimmen kann und nicht mehr als in den Betrieb eingebundenes Rechtssubjekt. Es ist nicht seine betriebliche Stellung betroffen, wenn darüber zu entscheiden ist, ob und wozu verdientes, fälliges Arbeitsentgelt verwendet wird und genauso wenig ist ein betrieblicher Konflikt betroffen, wenn sich ein Arbeitnehmer fragt, ob und in welcher Art und Weise er sich und seine Hinterbliebenen versorgt. Es darf keine Pflicht zur betrieblich fremdbestimmten Freizeitgestaltung oder zum Geldsparen verordnet werden. Wenn man schon nicht verpflichtet werden darf, an „betrieblicher Freizeit“ – Betriebsfeiern, Betriebsausflüge – teilzunehmen, darf man erst recht nicht gezwungen werden, außerbetriebliche Freizeit und Lebensplanung in bestimmter Art und Weise zu gestalten. (c) Ergebnis Heteronome Mitgliedschaften in Sterbekassen oder anderen Solidarkassen unter Pflicht zur Beitragszahlung können demnach mittels Betriebsvereinbarung nicht wirksam begründet werden. Es liegt hier ein in doppelter Hinsicht unzulässiger Zwang vor. Zum einen ist die Zwangsmitgliedschaft in zivilrechtlichen Einrichtungen unabhängig von ihrer Rechtsform unzulässig (Verstoß gegen die negative Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 1 GG). Die Betriebsparteien sind über § 75 Abs. 1 BetrVG mittelbar an die Grundrechte als objektive Wertentscheidungen des Rechts gebunden,206 somit auch an Art. 9 Abs. 1 GG. Die Mitgliedschaft verlangt stets eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Mitglieds.207 Damit darf ein Arbeitnehmer nicht zur ihr in einem Rechtssubjekt gezwungen werden, selbst wenn es keine Pflicht zur Beitragszahlung gibt. Zum anderen darf er – entsprechend den Grundsätzen zur Kostentragung für eine Kantine – nur dann zur Kostentragung verpflichtet werden, wenn er die Einrichtung freiwillig nutzen möchte. Insoweit darf es nicht darauf ankommen, ob die Mitgliedschaft in einer Einrichtung vernünftig oder wirtschaftlich von Vorteil ist. Darüber zu befinden ist allein Sache des Arbeitnehmers und unterliegt nicht der betriebsverfassungsrechtlichen Fremdbestimmungsordnung. Durch Betriebsvereinbarung bestimmte heteronome Mitgliedschaften inklusive einer Pflicht zur Beitragszahlung verstoßen gegen die im Rahmen des § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG begründete Pflicht der Betriebsparteien, die allgemeine Handlungsfreiheit sowie die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG zu achten. 206 Kreutz, in: GK-BetrVG, § 77 BetrVG, Rn: 314 ff., insbesondere Rn. 317; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung zwischen Privatautonomie und Tarifautonomie, S. 245; Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 77 BetrVG, Rn. 53; BAG v. 18. 7. 2006, 1 AZR 578/05, AP Nr. 15 zu § 850 ZPO; BAG v. 12. 12. 2006, 1 AZR 96/06, AP Nr. 94 zu § 77 BetrVG 1972; BAG v. 12. 4. 2011. 1 AZR 412/09, AP Nr. 57 zu § 75 BetrVG 1972. 207 Weick, in: Staudinger, BGB, Vorbem. zu §§ 21 ff. BGB, Rn. 50.
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Der Arbeitgeber und der Betriebsrat mögen daran interessiert sein, Arbeitnehmer zusätzlich zum Arbeitsentgelt zu versorgen, dazu zwingen können sie sie aber nicht. (d) Kontrollüberlegung: Opting-Out-Klauseln bei der betrieblichen Altersversorgung Die dargestellte Grenze betriebsverfassungsrechtlicher Gestaltungsmacht, die eine heteronome Teilnahme an Solidarkassen mittels Betriebsvereinbarung verbietet, kann durch eine im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung stattfindende Diskussion bestätigt werden. § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG gibt dem Arbeitnehmer einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Durchführung einer betrieblichen Altersversorgung mittels Entgeltumwandlung. Bereits diese gesetzliche Gestaltung zeigt beispielhaft,208 dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht zwingen kann, sein verdientes Entgelt für eine betriebliche Altersversorgung zu verwenden. Dennoch kommen die Betriebsparteien in der Praxis häufig überein, Arbeitnehmer per Betriebsvereinbarung in die betriebliche Altersversorgung zu führen. In solchen Betriebsvereinbarungen ist sogar das Modell der Entgeltumwandlung vorgesehen und die Höhe des umzuwandelnden Betrages bestimmt. Dennoch führen diese Betriebsvereinbarungen nicht gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG zu einem normativ wirkenden Zwang für die Arbeitnehmer, an der Entgeltumwandlung teilzunehmen. Zwingend vorgesehen ist nämlich, dass der Arbeitnehmer innerhalb einer Frist erklären darf, keine Entgeltumwandlung zu wünschen. Die Betriebsvereinbarung gestaltet die betriebliche Altersversorgung damit als Modell des Opting-Out. Das bedeutet: Der Arbeitnehmer muss nicht von sich aus erklären, an der Entgeltumwandlung teilnehmen zu wollen (Opting-In). Sofern er nicht die Nichtteilnahme erklärt, nimmt er automatisch teil.209 Individualrechtlich210 und tarifvertragsrechtlich211 werden derartige Klauseln nicht angezweifelt. Die Regelung durch Betriebsvereinbarung wird teilweise rechtlich kritisch gewürdigt.212 Hier entscheidend ist die betriebsverfassungsrechtliche Beurteilung.213 Mit Blick auf eine unzulässige Lohnverwendung wird argumentiert: Da die Entgeltumwandlung einen Schuldänderungsvertrag enthält, der den Entgeltanspruch 208 Ein
anderes Beispiel ist die Regelung in § 11 Abs. 1 und Abs. 6 des 5. Vermögensbildungsgesetzes. Durch Betriebsvereinbarung darf ein Arbeitnehmer auch hier nicht zur Vermögensbildung gezwungen werden. Er entscheidet selbst, ob er vermögenswirksame Leistungen in Anspruch nimmt; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 77 BetrVG, Rn. 357. 209 Zu dem Modell des Opting-Out und den Gründen hierfür Neufeld/Knitter, BB 2013, S. 2421 ff. 210 Engert, ZfA 2004, S. 311, S. 318 ff.; Rüffert, Die Rechtspflicht des Arbeitgebers zur Bereitstellung einer Durchführungsmöglichkeit für die Entgeltumwandlung, S. 238 ff. 211 Kisters-Kölkes, in: Festschrift Höfer, S. 110, S. 114; Engert, ZfA 2004, S. 311, S. 327 ff. 212 Vor allem Kisters-Kölkes, in: Festschrift Höfer, S. 110 ff. 213 Zu anderen Rechtsfragen Neufeld/Knitter, BB 2013, S. 2421, S. 2422 ff.
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in einen Anspruch auf Verschaffung einer wertgleichen Anwartschaft auf Versorgung modifiziert214, werde dem Arbeitnehmer nicht vorgeschrieben, wie er sein Entgelt zu verwenden habe.215 Vielmehr erhalte er von Anfang an nur einen Anspruch in Form des entgeltumgewandelten Anspruchs auf Verschaffung der Versorgungsanwartschaft.216 Diese Argumentation, übertragen auf die Begründung von heteronomen Mitgliedschaften in Solidarkassen, bedeutet am Beispiel der Sterbekasse: Die Betriebs parteien könnten in einer Betriebsvereinbarung regeln, dass sämtliche Arbeitnehmer nur noch einen um den Mitgliedsbeitrag reduzierten Entgeltanspruch gegen den Arbeitgeber haben und nur dieser zur Auszahlung fällig wird. Im Übrigen wäre – parallel zu obiger Argumentation – nur noch ein Anspruch auf Leistungen aus der Sterbekasse begründet. Da der Entgeltanspruch nicht entstehen würde, läge keine unzulässige Lohnverwendungsabrede vor. Es stellt sich die Frage, ob die Betriebsparteien auf diese Weise heteronome Mitgliedschaften in Sterbekassen begründen können, ohne gegen das Verbot der Lohnverwendungsabrede zu verstoßen. Die vorgetragene Argumentation zur Entgeltumwandlung übersieht, dass Ausgangspunkt der Entgeltumwandlung nicht nur der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltumwandlung gemäß § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG ist, sondern erst eine schuldrechtliche Abrede zwischen den Arbeitsvertragsparteien zur Schuldabänderung führt.217 Bei einer normativ gestalteten Entgeltumwandlung mittels Betriebsvereinbarung fehlt es an der Schuldabänderungsabrede zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Hier wandelt die Betriebsvereinbarung selbst den Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgelt um. Dabei macht es bei normativer Betrachtung keinen Unterschied, ob die Betriebsvereinbarung einen fälligen Entgeltanspruch verkürzt oder ob erst ohne Beteiligung des Arbeitnehmers mittels Betriebsvereinbarung die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass ein Entgeltanspruch nicht fällig werden kann. Die Annahme, man würde hier nicht in einen Entgeltanspruch eingreifen, ist damit irreführend. Eine solche Vorgehensweise ist den Betriebsparteien versagt. Rechtstechnische Gestaltungen der Betriebsvereinbarung dürfen nicht dazu führen, ohne rechtsgeschäftliche Beteiligung des Arbeitnehmers dessen Entgeltanspruch zu beschränken.218 Der Grund, dass Opting-Out-Klauseln keine unzulässige Lohnverwendung darstellen, liegt nicht darin, dass Arbeitnehmer von vorneherein keinen fälligen Entgeltanspruch erwerben, sondern in ihrer Möglichkeit, innerhalb einer angemesRieble, in: Hanau/Arteaga/Rieble/Veit, Entgeltumwandlung, Rn. 78 f. Neufeld/Knitter, BB 2013, S. 2421, S. 2424. 216 Klemm, NZA 2002, S. 1123, S. 1125. 217 Rieble, in: Hanau/Arteaga/Rieble/Veit, Entgeltumwandlung, Rn. 78 f. 218 Vgl. BAG v. 1. 12. 1992, 1 AZR 260/92, NZA 1993, S. 711, S. 713; BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, NZA 2001, S. 462, S. 464; Rolfs, in: Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, § 1a BetrAVG, Rn. 58. 214
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senen Frist das Opting-Out zu erklären. Sind sie hinreichend hierüber informiert,219 kann in der Nichterklärung des Opting-Out eine rechtsgeschäftliche Annahme des Angebots auf Schuldabänderung durch beredtes Schweigen liegen.220 In diesem Fall handelt es sich nicht um eine unzulässige Lohnverwendungsabrede. Das bedeutet: Es bleibt bei der betriebsverfassungsrechtlichen Grenze der Regelungsmacht, nach der die Betriebsparteien keine heteronome Mitgliedschaft in einer Sterbekasse vorsehen dürfen. Nach dem Vorbild des Opting-Out-Modells bei Entgeltumwandlungen zur betrieblichen Altersversorgung spricht jedoch nichts dagegen, wenn vorgesehen wird, dass jeder Arbeitnehmer Mitglied einer Sterbekasse wird, sofern er nach hinreichender Information nicht innerhalb einer angemessenen Frist erklärt hat, dass er dies nicht möchte. (e) Hilfsweise: Günstigkeit und Tarifvorbehalt Wer die Regelung in einer Betriebsvereinbarung, nach der Arbeitnehmer „automatisch“ mit Abschluss ihres Arbeitsvertrages Mitglieder einer Sterbekasse werden und einen Teil des Arbeitsentgelts als Mitgliedsbeitrag abgezogen bekommen, nicht als unzulässige Lohnverwendungsabrede anerkennt, der müsste noch prüfen, ob der Arbeitsvertrag wegen Günstigkeit nicht vorrangig anzuwenden ist. Dabei darf die Subsumtion des Günstigkeitsprinzips nicht mit der Prüfung der Frage vermengt werden, ob die Betriebsvereinbarung wirksam ist. Das geschieht aber häufig in Fällen der unzulässigen Lohnverwendungsabrede.221 Hierzu ist auszuführen: Das auch im Verhältnis von Arbeitsvertrag zur Betriebsvereinbarung geltende Günstigkeitsprinzip222 führt in seiner Rechtsfolge (nur) zu einem Anwendungsvorrang der für den Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag getroffenen günstigeren Regelung. Die Betriebsvereinbarung ist insoweit einseitig dispositiv.223 Das Günstigkeitsprinzip stellt eine Ausnahme zum Hierarchieprinzip dar, indem es im Verhältnis der in der Rechtsanwendung höherrangigen Norm ausnahmsweise der niederrangigen den Vorzug gibt. Sofern allerdings eine höherrangige Norm unwirksam ist, verliert sie ihren Geltungsanspruch mit der Folge, dass eine niederrangige Norm unabhängig von der Günstigkeitsfrage jedenfalls anzuwenden Zu den Anforderungen Neufeld/Knitter, BB 2013, S. 2421, S. 2425 ff. Rüffert, Die Rechtspflicht des Arbeitgebers zur Bereitstellung einer Durchführungsmöglichkeit für die Entgeltumwandlung, S. 245. 221 BAG v. 1. 12. 1992, 1 AZR 260/92, BAGE 72, S. 40, S. 46 f. geht unter Berufung auf das Günstigkeitsprinzip davon aus, dass Betriebsvereinbarungen, die materielle Arbeitsbedingungen ausschließlich zuungunsten der Arbeitnehmer gestalten, unwirksam sind. In einer späteren Entscheidung lässt es das BAG wieder offen, ob das Günstigkeitsprinzip in diesem Sinne zu verstehen ist; BAG v. 18. 7. 2006, 1 AZR 578/05, NJW 2007, S. 1302, S. 1304. 222 Wiese, in: GK-BetrVG, § 77 BetrVG, Rn. 234 ff. m. w. N. 223 Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Band 2, § 16, Rn. 384; Belling, Das Günstigkeitsprinzip im Arbeitsrecht, S. 107 ff., S. 111 ff.; Kunst, Das Günstigkeitsprinzip im Betriebsverfassungsrecht, S. 22 ff.; Herrmann, ZfA 1989, S. 577, S. 617 f.; Blomeyer, DB 1987, S. 634, S. 637. 219
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ist. In der Hierarchiefolge bildet dann der Arbeitsvertrag die einschlägige Hierarchieebene. Insoweit ist es nicht korrekt, das Günstigkeitsprinzip als Frage der Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung zu prüfen.224 Diese ist Voraussetzung des erst dann relevant werdenden Problems, ob die wirksame Betriebsvereinbarung von einer hierarchisch niedrigeren Regelung wegen Günstigkeit verdrängt wird. Das Günstigkeitsprinzip ist bloße Kollisionsregel.225 Unabhängig von der Frage, ob bei individualvertraglichen Einheitsregelungen oder sogenannten „allgemeinen Arbeitsbedingungen“ eine Modifikation in der Anwendung des Günstigkeitsprinzips hin zu einem kollektiven Günstigkeitsvergleich von Nöten ist,226 ist in Bezug auf arbeitsvertragliche Regelungen die Anwendung des Günstigkeitsprinzips jedenfalls dann anerkannt, wenn die Regelungen durch Einzelabreden getroffen worden sind.227 Dabei ist es unerheblich, ob die Einzelabrede zeitlich vor oder nach Abschluss der Betriebsvereinbarung liegt.228 In beiden Fällen verbietet sich ein kollektiver Günstigkeitsvergleich. Für den hier zu diskutierenden Fall der Sterbekasse folgt aus dem Gesagten: Entweder ist der Arbeitslohn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer individualrechtlich vereinbart worden oder es existiert ein für die Arbeitsvertragsparteien verbindlicher Tarifvertrag, aus dem sich Entgeltansprüche für den Arbeitnehmer gemäß § 4 Abs. 1 TVG – nach Allgemeinverbindlicherklärung gemäß § 5 Abs. 4 TVG – ergeben. Im ersten Fall hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Bruttogehalts.229 Sofern individualrechtlich ein Abzug für die Mitgliedschaft in einer Sterbekasse nicht vorgesehen ist, ein solcher aber in einer Betriebsvereinbarung enthalten ist, ist die individualrechtliche Vereinbarung günstiger. Sie gewährt dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Bruttoentgelts in voller Höhe. Die Betriebsvereinbarung würde dagegen zu einer um den Mitgliedsbeitrag verminderten Zahlung führen. Dieser Nachteil kann durch eine Zwangsmitgliedschaft in einer Solidarkasse nicht aufgewogen werden. Damit wäre – selbst wenn man eine entsprechende Betriebsvereinbarung für wirksam hielte – die individualrechtliche Abrede vorrangig anzuwenden. Ein Abzug vom Lohn dürfte nicht erfolgen. Im zweiten Fall läge ein Verstoß gegen den Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG vor. Gerade die Arbeitsentgelte gehören klassischerweise zu den Gegenständen, die dann durch die Betriebsparteien nicht geregelt werden dürfen.230 Soweit erSo aber BAG v. 1. 12. 1992, 1 AZR 260/92, BAGE 72, S. 40, S. 46 f. Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 77 BetrVG, Rn. 52; Linsenmaier, RdA 2008, S. 1, S. 9; a. A. Kreutz, in: Festschrift Konzen, S. 461, S. 463 ff. 226 Statt aller m. w. N. Kreutz, in: GK-BetrVG, § 77 BetrVG, Rn. 253 ff. 227 Kreutz, in: GK-BetrVG, § 77 BetrVG, Rn. 253. 228 Kreutz, in: GK-BetrVG, § 77 BetrVG, Rn. 253. 229 Preis, in: Individualarbeitsrecht, S. 399. 230 Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 77 BetrVG, Rn. 70. 224 225
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sichtlich hat das BAG Lohnverwendungsabreden in Betriebsvereinbarungen nicht daraufhin überprüft, ob sie gegen § 77 Abs. 3 TVG verstoßen.231 Ob es dazu Anlass gab oder nicht, lässt sich den Entscheidungen nicht entnehmen.232 Besteht aber ein normativ wirkender Tarifvertrag, aus dem sich ein Entgeltanspruch des Arbeitgebers ergibt, dann besteht dieser ungeschmälert in Höhe des Bruttoentgeltes. Sieht der Tarifvertrag selbst keine Ausnahmen gemäß § 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG vor, ist die Regelung abschließend. Das bedeutet, dass aus dem Tarifvertrag ein Anspruch auf Zahlung in voller Höhe besteht, der nicht mittels Betriebsvereinbarung gekürzt werden kann. Im Unterschied zum Günstigkeitsprinzip stellt § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG keine bloße Kollisionsnorm dar.233 Vielmehr grenzt § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG die Zuständigkeiten der Tarifvertragsparteien von denjenigen der Betriebsparteien in dem Sinne ab, dass letztere nicht mehr funktionell zuständig sind, eine Arbeitsbedingung zu regeln.234 Eine dennoch getroffene Regelung ist unwirksam.235 Die Betriebsparteien dürfen einen tariflichen Entgeltanspruch in der Höhe nicht modifizieren.236 231 BAG v. 20. 12. 1957, 1 AZR 237/56, AP Nr. 1 zu § 399 BGB; BAG v. 8. März 1977, 1 ABR 33/75, BAGE 29, S. 40 ff.; BAG v. 5. März 1991, 1 ABR 41/90, AP Nr. 11 zu § 87 BetrVG 1972, Auszahlung; BAG v. 1. 12. 1992, 1 AZR 260/92, BAGE 72, S. 40 ff.; BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, NZA 2001, S. 462 ff.; BAG v. 13. 2. 2007, 1 ABR 18/06, NZA 2007, S. 640 ff. Im Rahmen der materiell-rechtlichen Prüfung wird § 77 Abs. 3 BetrVG nur als Schranke der ansonsten umfassenden Regelungsbefugnis der Betriebsparteien in sozialen Angelegenheiten genannt. 232 Im Tatbestand der unter vorhergehender Fn. zitierten Entscheidungen lässt sich nicht ersehen, ob Tarifverträge existierten, die Entgelte regelten, und ob die Arbeitsvertragsparteien hieran normativ gebunden waren. In der Entscheidung des BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, NZA 2001, S. 462 ff. ist mitgeteilt, dass der Arbeitsvertrag die Anwendung der gültigen Tarifverträge vorsieht. Damit besteht nur eine individualrechtliche Bezugnahme, bei der im Verhältnis zur Betriebsvereinbarung das Günstigkeitsprinzip gilt. 233 So aber Fabricius, Anmerkung zu BAG v. 8. 12. 1970, 1 ABR 20/70, AP Nr. 28 zu § 59 BetrVG und Eickelberg, Probleme der Betriebsvereinbarung über Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz 1972, S. 124. 234 Grundlegend Siebert, in: Festschrift Nipperdey, S. 119 ff.; Säcker, RdA 1967, S. 370, S. 371; Hromadka, DB 1987, S. 1991, S. 1993; Gast, Tarifautonomie und die Normsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 39 f.; Wank, RdA 1991, S. 129 ff.; Waltermann, RdA 1996, S. 129, S. 131 f.; Heinze, NZA 1995, S. 6 ff. 235 Birk, ZfA 1986, S. 73, S. 101; Moll, Der Tarifvorrang im Betriebsverfassungsgesetz, S. 51; Rieble, RdA 1996, S. 151, S. 152; Walker, ZfA 1996, S. 353, S. 358; Kort, NZA 2005, S. 620; Fischer, Die tarifwidrigen Betriebsvereinbarungen, S. 212; BAG v. 13. 8. 1980, 5 AZR 325/78, AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972; BAG v. 24. 1. 1996, 1 AZR 597/95, AP Nr. 8 zu § 77 BetrVG, Tarifvorbehalt; BAG v. 10. 10. 2006, 1 ABR 59/05, AP Nr. 24 zu § 77 BetrVG, Tarifvorbehalt. Dafür braucht es nicht die Anwendung des § 134 BGB. Zur Kontroverse, ob § 77 Abs. 3 BetrVG ein Verbotsgesetz ist und welche Konsequenzen sich daraus ergeben Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 77 BetrVG, Rn. 310; Kreutz, in: GK-BetrVG, § 77 BetrVG, Rn. 123; Birk, ZfA 1986, S. 73, S. 102; Veit/Waas, BB 1991, S. 1329, S. 1331. 236 Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 77 BetrVG, Rn. 70.
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b) Ergebnis: Zulässigkeit autonomer Mitgliedschaften Die Betriebsparteien verstoßen gegen § 75 Abs. 1 BetrVG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 GG sowie § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG in Verbindung mit der allgemeinen Handlungsfreiheit und den Persönlichkeitsrechten des Arbeitnehmers gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG, wenn sie mittels Betriebsvereinbarung vorsehen, dass Arbeitnehmer „automatisch“ mit Abschluss des Arbeitsvertrages Mitglieder einer Sterbekasse oder sonstiger sozialer Kassen werden und zur Beitragszahlung verpflichtet sind. Ohne (rechtsgeschäftliche) Erklärung des Arbeitnehmers, Mitglied einer Einrichtung sein oder Leistungen einer sozialen Kasse beanspruchen zu wollen, ist eine in Betriebsvereinbarungen enthaltene Pflicht des Arbeitnehmers zur Mitgliedschaft und Beitragszahlung unwirksam. Es liegt eine unzulässige Lohnverwendungsabrede vor. Die Betriebsparteien dürfen nur dann Mitgliedschaften in Sozialeinrichtungen gestalten, wenn diese für die Arbeitnehmer autonom sind. Die Anwendung eines Opting-Out-Modells ist rechtlich möglich. Die Betriebsparteien haben es damit nicht in der Hand, durch heteronom bestimmte Mitgliedschaften Einrichtungen zu gründen, die die Begriffsmerkmale einer Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG erfüllen. Aus einer unwirksamen Betriebsvereinbarung kann nicht auf das Bestehen einer Sozialeinrichtung geschlossen werden. Die Tatsache der Gestaltung von Mitgliedschaften in Betriebsvereinbarungen liefert keine Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage, ob Arbeitnehmersolidarkassen als Sozialeinrichtungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG einzuordnen sind. 4. Finanzierung Zu untersuchen ist, ob sich aus der These, nach der eine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG nur besteht, wenn der Arbeitgeber die Sozialeinrichtung zumindest teilweise finanziert,237 eine betriebsverfassungsrechtliche Einordnung von Arbeitnehmersolidarkassen ergeben kann. a) Notwendigkeit von Sozialmitteln des Arbeitgebers Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG kann sich nur ergeben, wenn der Arbeitgeber selbst Sozialmittel zur Verfügung stellt, die über eine Einrichtung erbracht werden sollen. Ansonsten fehlt es von vorneherein an einer Verteilungsnotwendigkeit.238 Der Betriebsrat ist dann nicht berufen, über eine „gerechte“ Mittelverteilung zu wachen. Zumindest müssen, wie im Kantinenurteil ausgeführt,239 Sozialmittel des Arbeitgebers dazu beitragen, dass eine Sozialeinrichtung Sozialleistungen an Arbeitnehmer leisten kann. 237
Oben unter III. 5. b). Im Einzelnen noch unter V. 239 Oben III. 2. 238
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Das setzt aber nicht voraus, dass der Arbeitgeber die Einrichtung wenigstens teilweise finanziert. Getreu der systematischen Stellung des § 87 BetrVG im Recht der Mitbestimmung bei betrieblichen Sozialleistungen, liegen ebenfalls dann Sozialeinrichtungen vor, wenn durch sie überhaupt keine finanziellen Leistungen erbracht werden, sondern andere soziale Leistungen, die zu einem Vorteil beim Arbeitnehmer führen. Eine Sozialeinrichtung kann auch durch Einsatz von Personal- und/oder Sachmitteln sowie Dienstleistungen Sozialleistungen erbringen. Nun könnte mit dem Ansatz, der Arbeitgeber müsse die Einrichtung zumindest teilweise finanzieren, weiterhin gemeint sein, dass er dies unabhängig von der Sozialleistung, die der Arbeitnehmer aus der Sozialeinrichtung erhält, tun muss. Bei rechtlich selbständigen Sozialeinrichtungen können zwei Rechtsverhältnisse unterschieden werden: Zum einen das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Sozialeinrichtung. Hier erhält der Arbeitnehmer – unabhängig davon, ob er einen Anspruch auf die Leistung hat – einen sozialen Vorteil. Dieser kann finanzieller Natur sein, aber auch in einer Sach- oder Dienstleistung liegen. Überdies besteht ein Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und der rechtlich selbständigen Sozialeinrichtung. Auf diesem Rechtsverhältnis beruht die Ausstattung der Sozialeinrichtung. Der Arbeitgeber stellt entweder einen Einmalbetrag zu Verfügung oder er leistet regelmäßig Beträge an die Sozialeinrichtung. Möglich ist überdies eine Zahlung bzw. Zahlungsverpflichtung nur zum Verlustausgleich. Auch in diesem Rechtsverhältnis bedarf es für das Bestehen einer Sozialeinrichtung aber nicht notwendigerweise einer finanziellen Ausstattung. In der Gesamtschau sollen § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG gewährleisten, dass der Betriebsrat über die Verteilungsgrundsätze derjenigen Sozialleistungen mitzubestimmen hat, die der Arbeitgeber gewähren will, sei es durch die Leistung aus laufenden Mitteln, sei es durch eine Verselbständigung der Mittel in Form einer rechtlich selbständigen oder unselbständigen Einrichtung. Entscheidend ist nicht die Art und Weise der Mittelvergabe, sondern, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar soziale Vorteile zukommen lässt. So wie bei § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG jede Art von Sozialleistung in Betracht kommt – solange nicht das Synallagma von Leistung und Gegenleistung betroffen ist – können diese genauso gut über eine Sozialeinrichtung erbracht werden. Möchte der Arbeitgeber zum Beispiel einen Personalverkauf durchführen, bei dem die Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, Waren verbilligt einzukaufen, hängt es nur vom Grad der Verselbständigung der für den Warenverkauf notwendigen Mittel ab, ob eine Sozialeinrichtung gegeben ist oder nicht. Der Arbeitgeber kann Personal zur Verfügung stellen, ein eigenes Waren- und Geldkonto nur für den Personalverkauf anlegen, getrennt vom sonstigen Verkaufs- und Einkaufsgeschäft abrechnen. Dann besteht eine betriebsverfassungsrechtlich relevante selbständige organisatorische Einheit. Oder er betreibt den Personalverkauf aus dem laufenden Geschäft mit laufenden Mitteln und unselbständiger Buchführung, wodurch es zu keiner Zwischenschaltung einer Sozialeinrichtung kommt.240 Den sozialen Vorteil – verbilligter Bezug 240
Vgl. zu diesem Beispiel BAG v. 8. 11. 2011, 1 ABR 37/10, NZA 2012, S. 462 ff.
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von Waren – erhält der Arbeitnehmer in beiden Fällen dadurch, dass der Arbeitgeber Waren über einen Personalverkauf anbietet. Damit steht zugleich fest, dass es für die Anerkennung einer Sozialeinrichtung nicht notwendig sein kann, dass der Arbeitgeber ausschließlich finanzielle Mittel an diese erbringt. Dies gilt allgemein, wenn die Sozialeinrichtung keine finanzielle Ausstattung benötigt, um den sozialen Vorteil an die Arbeitnehmer zu erbringen. Der Arbeitgeber stellt dann beispielsweise der Sozialeinrichtung die für den Personalverkauf vorgesehenen und vorher bereits eingekauften Waren zur Verfügung, die an die Arbeitnehmer verkauft werden sollen. Oder der Arbeitgeber überlässt – wie im Kantinenurteil – Räumlichkeiten, Mobiliar und Personal, wodurch sich der günstige Preis eines Mittagessens – zumindest auch – ergibt. Es obliegt generell dem Arbeitgeber, wie er sicherstellt, dass die Leistungen der Sozialeinrichtung erbracht werden.241 Somit gilt: Der Begriff der Sozialeinrichtung verlangt nicht, dass finanzielle Mittel an diese gezahlt werden und auch nicht, dass die Sozialeinrichtung finanzielle Leistungen an die Arbeitnehmer gewährt. „Sozialeinrichtung“ ist ein Tatbestand der Mitbestimmung, der seinem Sinn und Zweck entsprechend auszulegen ist, um die Fälle, bei denen eine Verteilungsentscheidung zu treffen ist, von denjenigen zu unterscheiden, bei denen eine solche nicht notwendig ist. Für das Bestehen einer Sozialeinrichtung genügt, dass die Arbeitnehmer einen sozialen Vorteil erhalten, der in einer Geldleistung, aber ebenfalls in einer Sach- oder Dienstleistung liegen kann. Dieser Vorteil muss zumindest auch durch den Einsatz von Sozialmitteln (Personal, Sachgüter, finanzielle Mittel) des Arbeitgebers bedingt sein. b) Finanzierungskriterium nur zur Einordnung von Arbeitnehmersolidarkassen? Fraglich ist, ob es eines Kriteriums der Finanzierung durch den Arbeitgeber bedarf, um die Arbeitnehmersolidarkassen, die unter den Begriff der Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zu subsumieren sind, von denjenigen zu unterscheiden, die die Voraussetzungen dieses Begriffs nicht erfüllen. Die Literatur unterscheidet in Teilen Sozialeinrichtungen von Selbsthilfeeinrichtungen dadurch, dass der Arbeitgeber eine Einrichtung zumindest teilweise finanzieren muss, damit eine Sozialeinrichtung bestehen kann.242 Da ein Erfordernis der Finanzierung – wie zuvor243 gesehen – aber keine allgemeingültige Voraussetzung für das Bestehen einer Sozialeinrichtung ist, müssten Besonderheiten in Bezug auf die Einordnung von Arbeitnehmersolidarkassen eine Ausnahme rechtfertigen können. Dagegen stehen bereits die Sichtweise des BAG244 und die überwiegende Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn 630. Oben unter III. 5. b). 243 a). 244 BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, ZIP 2001, S. 262, S. 263; BAG v. 10. 2. 2009, 1 ABR 94/07, NZA 2009, S. 562, S. 564. 241
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Meinung in der Literatur245. Beide erkennen das Bestehen einer Sozialeinrichtung nämlich selbst dann an, wenn die Arbeitnehmer kostendeckende Entgelte an diese erbringen, solange sie dennoch einen sozialen Vorteil erhalten. Nach der Gegenauffassung kann hier bereits sprachlich nicht mehr von einer „Sozialeinrichtung“ gesprochen werden.246 Deshalb dürften Beiträge der Arbeitnehmer nicht alle oder fast alle Kosten decken.247 Umgekehrt wird in der Literatur vertreten, dass der Arbeitgeber eine Arbeitnehmersolidarkasse finanziell unterstützen darf und diese dadurch nicht zu einer Sozialeinrichtung wird.248 Ausgehend von diesem Meinungsspektrum soll im Folgenden gezeigt werden, dass sich Arbeitnehmersolidarkassen, die die Voraussetzungen des Begriffs der Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG erfüllen, nicht aufgrund einer Finanzierung durch den Arbeitgeber von autonomen Arbeitnehmersolidarkassen unterscheiden. aa) Mittelneutralität Zunächst wird auch an dieser Stelle übersehen, dass die Finanzierung einer Einrichtung nur eine Möglichkeit ihrer Ausstattung ist, um die Sozialleistungen erbringen zu können. Der Arbeitgeber entscheidet mitbestimmungsfrei, welche Art von Sozialleistung er gewähren und welche Art Mittel und welchen Umfang er dafür zur Verfügung stellen möchte, damit eine Einrichtung die Leistungen erbringen kann. Wie gesehen ist es nicht stets eine Geldzahlung, die von Arbeitgeberseite an die Arbeitnehmerseite „durchläuft“.249 Ebenso wenig sammeln Arbeitnehmer ausschließlich Mittel, um Geld zu erhalten. Arbeitnehmer können auch sparen, um einen anderen sozialen Zweck zu fördern. Wird etwa eine Kasse mit dem Ziel gegründet, Betriebsausflüge zu bezahlen, besteht der soziale Vorteil im Genuss des Betriebsausflugs und nicht in einer Geldzahlung.250 Nun kann der Arbeitgeber seine Bereitschaft, jährliche Ausflüge zu unterstützen, nicht nur dadurch zum Ausdruck bringen, dass er am vorgesehenen Reisetermin die Arbeitspflicht ruhen lässt unter Entgeltfortzahlung, sondern auch durch finanzielle Zuwendungen. Klebe, in: Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 263; Galperin/Löwisch, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 174; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 688 f. 246 Stege/Weinspach/Schiefer, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 135. 247 Etzel, in: Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht, 9.1, Rn. 577; LAG Düsseldorf v. 12. 10. 1973, 4 Ta BV 58/73, BB 1974, S. 507. 248 Matthes, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 249, Rn. 9; Kaiser, in: Löwisch/ Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 177. 249 a). 250 Auch wenn man den sozialen Vorteil darin sieht, dass der Arbeitnehmer Aufwendungen für den Betriebsausflug erspart hat, liegt darin keine Geldzahlung des Arbeitgebers an die Arbeitnehmer. 245
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Nur ist es diese finanzielle Leistung, die eine Einrichtung zur Sozialeinrichtung macht, wenn die sonstigen Anforderungen an die Verselbständigung von Sozialmitteln erfüllt sind? Zur Beantwortung dieser Frage soll durch Beispiele zu Sterbekassen und zur Betriebskantine gezeigt werden, dass es nicht allein die Finanzierung durch den Arbeitgeber ist, die eine Mitbestimmung an einer Verteilung der Mittel notwendig macht. (1) Beispiel Sterbekasse als Sozialeinrichtung Sterbekassen können als Sozialeinrichtungen des Betriebs gestaltet sein. Möchte der Arbeitgeber den Arbeitnehmern eine zusätzliche finanzielle Unterstützung bei Sterbe- und anderen Unglücksfällen gewähren, insbesondere als Leistung an die Hinterbliebenen, kann er erklären, er plane, einen gewissen Geldbetrag pro Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Wenn er zu diesem Zweck ein separates Konto eröffnet, einen Arbeitnehmer damit beauftragt, sich um die Verwaltung etc. zu kümmern, dann errichtet er eine eigenständige Verwaltungseinheit im Sinne des BetrVG. Das zu verteilende Vermögen wird nicht aus laufenden Mitteln bestritten, sondern aus einem bereitgestellten Sondervermögen. Es entsteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Über die Mitbestimmung bei Form, Ausgestaltung und Verwaltung der Sozialeinrichtung wird sichergestellt, dass die Mittel „gerecht“ verteilt werden. Eine Finanzierung durch die Arbeitnehmer ist nicht vorgesehen. Allein der Arbeitgeber möchte die notwendigen Gelder aufbringen. In diesem Beispiel erbringt der Arbeitgeber an die Sozialeinrichtung „Sterbekasse“ neben der Personalleistung die Geldleistung als Sozialmittel. Der Arbeitgeber stattet die Sterbekasse finanziell aus und es sind auch Geldzahlungen, die der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen als soziale Leistung im Sterbefall erhalten. Das entscheidende Kriterium, warum nun eine Sozialeinrichtung anzuerkennen ist, ist allerdings nicht das Sozialmittel Geld, sondern die Tatsache, dass sich die Frage der Verteilung an die Arbeitnehmer stellt. Ohne die Existenz eines Betriebsrats wäre es der Arbeitgeber alleine, der gegebenenfalls über Gesamtzusagen und vertragliche Einheitsregelungen die Mittelverteilung bestimmen könnte. (2) Beispiel Betriebskantine Nimmt man nun das Kantinenbeispiel hinzu, gestaltet sich die Beantwortung der Frage, welches Vermögen zu verteilen ist, komplexer. Geht man von einer durch den Arbeitgeber in Eigenregie betriebenen Kantine ohne Kostenbeteiligung der Arbeitnehmer aus, gilt: Der Arbeitgeber stellt nicht nur Geld zur Verfügung, sondern auch Räumlichkeiten, Einrichtungsgegenstände sowie Personal. Die Arbeitnehmer erhalten als Sozialleistung die Möglichkeit, die Kantine zu benutzen und ein kostenloses Mittagessen zu erhalten. Die ohne Betriebsrat mögliche Gestaltung der „Kantine“ durch Einzelvertrag und Direktionsrecht ist bei bestehendem Betriebsrat über des-
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sen Mitbestimmung begrenzt, weil bezüglich der als Betriebskantine zusammengefassten und verselbständigen Sozialmittel eine Entscheidung darüber ansteht, wie die Arbeitnehmer daran teilhaben sollen. Dafür notwendige Entscheidungen sind über die Tatbestandsmerkmale Form, Ausgestaltung und Verwaltung erfasst. Will nun der Arbeitgeber, wie häufig, die Kosten der Kantine nicht alleine tragen, sondern die Arbeitnehmer daran beteiligen, sind selbst dann die Voraussetzungen des Mitbestimmungsrechts erfüllt, wenn die Beteiligung kostendeckend erfolgen soll. Die sich nun stellenden Verteilungsfragen der über die Sozialeinrichtung zu erbringenden Sozialleistungen, die mittels einer Mitbestimmung über Form, Ausgestaltung und Verwaltung zu beantworten sind, sind dieselben im Vergleich zu der Variante ohne Kostenbeteiligung der Arbeitnehmer. Diese verlangt sogar erst recht eine Beteiligung des Betriebsrats, da das Interesse an gerechter Verteilung eigener Arbeitnehmermittel noch stärker ist als bei Verteilung von zusätzlich zum laufenden Entgelt erbrachten Arbeitgebermitteln.251 Nur müssen dann auch die Konsequenzen daraus gezogen werden. Es ist nicht strittig, den Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG darin zu sehen, dass der Arbeitgeber eine Mitbestimmung bei der Verteilung von Sozialmitteln nicht dadurch verhindert, dass er zwischen sich und die Arbeitnehmer eine Einrichtung setzt.252 Dann aber müsste die Notwendigkeit einer zumindest teilweisen Finanzierung durch den Arbeitgeber bei der Abgrenzung helfen können, ob eine Verteilungsnotwendigkeit besteht. Mit anderen Worten: Über dieses Kriterium müssten gerade diejenigen Einrichtungen abgebildet werden, die eine Verteilungsentscheidung notwendig machen. Es lässt sich aber im Kantinenbeispiel nicht leugnen, dass man sich um die Verteilungsgerechtigkeit eher sorgen kann, wenn die Arbeitnehmer die Kantine finanzieren. Gerade die finanzielle Beteiligung der Arbeitnehmer kann für den Arbeitgeber ein maßgebliches Motiv sein, Sozialmittel zur Verfügung zu stellen. Entscheidend bei der Kostenbeteiligung durch die Arbeitnehmer ist, dass diese in eine dem Arbeitgeber zuzuordnende Verwaltungseinheit fließt aus der die Sozialleistungen an die Arbeitnehmer erbracht werden und diese auch auf einer Leistung des Arbeitgebers beruhen. In diesem Sinne kann die Finanzierung einer Einrichtung durch die Arbeitnehmer nur ein Mittel neben anderen sein, um den sozialen Vorteil zu ermöglichen. Daher ist zwischen den zu verteilenden Sozialleistungen und den dafür notwendigen Sozialmitteln zu unterscheiden. So sind im Kantinenbeispiel nicht das Inventar, das erforderliche Personal und die eingekauften Lebensmittel etc. als solche zu verteilen. Sie dienen dem Zweck, dass der Arbeitnehmer ein preisgünstiges Mittagessen erhalten kann. Diesem Zweck dient auch die Kostenbeteiligung der Arbeitnehmer. Wird der soziale Zweck – preisgünstiges Mittagessen – durch eine verselbständigte Organisation erreicht, in die finanzielle Mittel der Arbeitnehmer integriert sind, folgt die Notwendigkeit der Mitbestimmung daraus, dass der Arbeitgeber über die Verteilungsgrundsätze ansonsten alleine bestimmen könnte. 251 BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 551/99, NZA 2001, S. 462, S. 463; Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 338. 252 Oben unter III. 6.
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Daran ändert eine Finanzierung der Arbeitnehmer nichts. Der Wunsch nach Vertragsparität und Teilhabe zur Sicherung „gerechter“ Mittelverteilung253 verlangen gerade dann nach einer Kontrolle gemäß dem BetrVG, wenn der Arbeitgeber Mittel der Arbeitnehmer nach „seinen Wünschen“ verteilen könnte. Wichtig bleibt nur, dass bei der Kostenbeteiligung der Arbeitnehmer, insbesondere wenn sie kostendeckend ist, die verselbständigte Organisation immer noch eine Sozialleistung des Arbeitgebers erbringt. Im Kantinenurteil hat das BAG die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung nicht deshalb als erfüllt anerkannt, weil der Arbeitgeber im weiteren zeitlichen Verlauf des Bestehens der Kantine, finanzielle Unterstützung in Form eines „Darlehens“254 gewährte. Maßgebend war bereits, dass das Überlassen von Raum, Mobiliar und Personal dazu führte, dass preisgünstiges Mittagessen angeboten werden konnte, weshalb der soziale Vorteil in Form der ersparten Aufwendungen zwischen dem verbilligten Kantinenpreis und dem üblicherweise zu zahlenden Preis auch auf den Leistungen des Arbeitgebers beruhte.255 Es lässt sich festhalten: Definiert man Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, darf der Begriff des verselbständigten Sondervermögens nicht dazu führen, dass damit nur Finanzmittel gemeint sind. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG unterscheidet sich von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht anhand der Art der zu verteilenden sozialen Leistungen. Hier wie dort kommen neben finanziellen Leistungen auch Personal-, Sach- und Dienstleistungen in Betracht.256 Selbst eine kostendeckende Finanzierung der Betriebskantine durch die Arbeitnehmer steht der Annahme einer Sozialeinrichtung nicht entgegen, wenn das preisgünstige Mittagessen als sozialer Vorteil auch auf einer Leistung des Arbeitgebers beruht und dieser ohne Mitbestimmung alleine über die Verteilung der Mittel und damit auch über die Finanzmittel der Arbeitnehmer bestimmen könnte. (3) Anwendung der Grundsätze auf die Sterbekasse Überträgt man dies auf die Sterbekasse, gilt: Eine Verteilungsnotwendigkeit besteht, wenn der Arbeitgeber eine Sterbekasse als selbständige Organisation errichtet hat und zu überlegen ist, nach welchen Grundsätzen die Gelder verteilt werden sollen. Daran ändert sich nichts, wenn, bei gleichbleibender Organisation, Arbeitnehmer ebenfalls auf das Sterbekassenkonto einzahlen. Es kommt nur darauf an, ob der Arbeitgeber ohne Betriebsrat, besonders durch vertragliche Einheitsregelung oder Gesamtzusage – bei Sterbekassen können die Auszahlungsmodalitäten nicht per Direktionsrecht festgelegt werden; es liegen materielle Arbeitsbedingun253
III. 6. Da das BAG davon ausging, es bestehe eine unselbständige Sozialeinrichtung, kann die Zahlung – entgegen seinem Urteil – nicht als Darlehen eingeordnet werden. Letztlich wäre sie nur eine finanzielle Ausstattung der zum Vermögen des Arbeitgebers gehörenden selbständigen Verwaltungseinheit. 255 BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1, S. 12. 256 Kaiser, in: Löwisch/Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 221 ff.; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 687 ff. 254
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gen vor –, gestalten könnte, nach welchen Voraussetzungen sich die Auszahlung des Sterbegeldes bestimmt. Diese Erkenntnis wird durch die Überprüfung eines weiteren Beispiels bestätigt. In vielen Betrieben ist es üblich, dass Arbeitnehmer, ohne dies mit dem Betriebsrat oder dem Arbeitgeber näher zu erörtern, „Kaffeekassen“ oder sonstige Bargeldkassen unterhalten, zum Beispiel, um Geschenke für Kollegen zu kaufen. Hier lässt sich die Autonomie der Kasse als Arbeitnehmerkasse im Gegensatz zur Sozialeinrichtung nicht allein anhand der Tatsache erklären, dass der Arbeitgeber keine Mittel zur Verfügung stellt. Es besteht auch von vorneherein keine vom Arbeitgeber (ohne Betriebsrat) vorzunehmende Verteilung. Unter welchen Bedingungen die Arbeitnehmer verpflichtet sind, Zahlungen in die Kasse zu leisten, wie die Einkäufe getätigt, entnommene Waren registriert und abgerechnet werden, bestimmen die Arbeitnehmer selbst. bb) Mittelumfang Schließlich ist zu überlegen, ob es bei der Prüfung, ob eine Arbeitnehmersolidarkasse eine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ist, darauf ankommen kann, in welchem Umfang der Arbeitgeber eine Einrichtung finanziert. Die in der Literatur vertretene These, nach der das Bestehen einer Sozialeinrichtung von einer zumindest teilweisen Finanzierung des Arbeitgebers abhängt,257 steht neben der in der Literatur – soweit ersichtlich – nicht strittigen Ansicht, dass der Arbeitgeber arbeitnehmerautonome Kassen ebenfalls unterstützen darf.258 Freilich findet sich auch kein rechtlicher Gesichtspunkt, der die privatautonome Entscheidung des Arbeitgebers in diesen Fällen rechtlich untersagen könnte. Es stellt sich betriebsverfassungsrechtlich nur die Frage nach einer Mitbestimmung des Betriebsrats. Das führt zu der Frage, wann eine Finanzierung des Arbeitgebers eine notwendige Voraussetzung für das Bestehen einer Sozialeinrichtung erfüllt und wann sie eine bloße Hilfeleistung an eine arbeitgeberunabhängige Einrichtung darstellt. Mit anderen Worten ausgedrückt: Wenn der Arbeitgeber eine Sozialeinrichtung zumindest teilweise finanzieren muss und eine Solidarkasse der Arbeitnehmer jedenfalls teilweise finanzieren darf, dann sagt die Finanzierung selbst nichts darüber, ob eine Sozialeinrichtung ausgestattet oder eine Arbeitnehmersolidarkasse unterstützt wird. Denkbar ist lediglich eine Abgrenzung, bei der danach gefragt würde, welchen Umfang die Finanzierung am für die Zweckerreichung notwendigen Gesamtvolumen der Kasse hat. Bei erheblicher Finanzierung durch den Arbeitgeber könnte dann eine Sozialeinrichtung und bei nicht erheblicher Finanzierung eine autonome Solidarkasse anzuerkennen sein. Nicht nur, dass dieser Ansatz zu erheblichen
257
Zu dieser Sicht oben unter III. 5. b). Kaiser, in: Löwisch/Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 177; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 703; Matthes, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 249, Rn. 9. 258
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Abgrenzungsschwierigkeiten führte, stehen ihm die obigen Ausführungen 259 entgegen, die gezeigt haben, dass die Tatsache der Finanzierung nicht alle Fälle der Verteilungsnotwendigkeit erfassen kann und eine solche selbst dann besteht, wenn die Arbeitnehmer die Kosten einer Einrichtung alleine tragen. Daher kann es auch nicht darauf ankommen, ob die Finanzierung erheblich ist oder nicht. Darüber hinaus hängt eine Mitbestimmung nach dem BetrVG nicht davon ab, welchen Umfang eine Sozialleistung hat. Das BetrVG kennt weder in § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG noch in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG eine quantitative oder qualitative Hürde. Im Vergleich zu Nr. 10 erfasst Nr. 8 den Fall, dass die Sozialmittel über eine Sozialeinrichtung erbracht werden. Dadurch ergibt sich hinsichtlich der Art der Sozialmittel keine Veränderung. Ansonsten wäre Nr. 8 auch nicht lex specialis zu Nr. 10, wenn die Sozialmittel über eine im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne selbständige Einrichtung erbracht werden. c) Ergebnis: Sozialeinrichtung unabhängig von einer Arbeitgeberfinanzierung möglich Das Bestehen einer Sozialeinrichtung hängt nicht allein davon ab, dass der Arbeitgeber im Ganzen oder in Teilen die Einrichtung finanziert. Die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsordnung darf nicht rechtswidrig in seine gemäß Art. 12 GG geschützte Unternehmerfreiheit eingreifen. Daher entscheidet der Arbeitgeber allein, ob er Sozialleistungen erbringt, welcher Art sie sein und welchen Umfang sie haben sollen. Maßgeblich für die in § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG vorgesehene Mitbestimmung kann nur sein, dass er sich entschieden hat, Sozialleistungen zu erbringen und nunmehr zu überlegen ist, in welcher Art und Weise Sozialmittel zu verteilen sind. An dieser Stelle stellt die Beteiligung des Betriebsrats eine „gerechte“ Mittelverteilung sicher und ermöglicht eine Teilhabe der Arbeitnehmer an der Arbeitgeberentscheidung. Aus dem Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, Verteilungsgerechtigkeit und Teilhabe sicherzustellen, folgt, dass der Arbeitgeber die per Mitbestimmung zu kontrollierenden Entscheidungsprozesse beeinflussen können muss. Das verlangt zweierlei: Erstens müssen Sozialleistungen des Arbeitgebers bestehen. Die Leistung von Geldmitteln ist neben der Leistung von Personal- und Sachmitteln sowie Dienstleistungen nur eine Variante einer Sozialleistung (Mittelneutralität der Mitbestimmung bei Sozialleistungen). Die Leistung von Sozialmitteln an eine Sozialeinrichtung fördert zwar die Leistung der Sozialeinrichtung an die Arbeitnehmer, muss aber nicht mit dieser identisch sein. Daraus erklärt sich auch, weshalb sich die Arbeitnehmer finanziell beteiligen können, aber dennoch über die Einrichtung soziale Vorteile erhalten, die auf Arbeitgeberleistungen zurückgehen. Auch hier stellt sich die Frage nach einer „gerechten“ Mittelverteilung und der Arbeitnehmerteilhabe am diesbezüglich notwendigen Entscheidungsprozess. Zweitens muss es der Arbeitgeber sein, der ohne Betriebsrat die Verteilung der Sozialleistungen mit Mitteln des Arbeitsver259
a) und b) aa).
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trags – Gesamtzusage, vertragliche Einheitsregelung, Direktionsrecht – vornehmen könnte. Das BetrVG gebietet nämlich Schutz und Teilhabe nur vor und an der Arbeitgeberentscheidung. Die Mitbestimmung setzt eine „rechtsgeschäftliche Gestaltungskompetenz“ des Arbeitgebers voraus.260 Der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Umfang an Sozialmitteln ist für die Mitbestimmung nach dem BetrVG unerheblich. Damit ist es auch bedeutungslos und taugt nicht zur Abgrenzung zwischen Sozialeinrichtung und Arbeitnehmersolidarkasse, ob der Arbeitgeber erheblich oder unerheblich finanziert. 5. Arbeitgeberwille und Errichtung a) Zum Begriff der Errichtung In der Praxis ist es regelmäßig der Arbeitgeber, der initiativ bestimmt, welche Mittel er welchen Personen zu welchem sozialen Zweck gewährt, mithin errichtet er die Sozialeinrichtung. Dem entspricht das Gesetzeskonzept in § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, das die Errichtung als auslösendes Moment der anschließenden Mitbestimmung begreift. Schwierig ist zu klären, ab wann in diesem frühen Stadium bereits eine verselbständigte Organisation besteht, die den begrifflichen Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung entspricht. Insofern mag auch die Abgrenzung zwischen der Variante Nr. 8 und Nr. 10 im Mitbestimmungskatalog des § 87 BetrVG von dogmatischem Reiz sein. Treffsicher klären lässt sie sich kaum, da jede Maßnahme auf dem Weg zur Verselbständigung von Sozialmitteln bereits in den Mitbestimmungstatbestand über die Form der Einrichtung gelangt. Und auch bei Nr. 10 geht dem Mitbestimmungstatbestand die Arbeitgeberentscheidung voraus, in welchem Umfang er Mittel an wen zu welchem sozialen Zweck leisten möchte.261 Darin liegt ein dogmatisches Dilemma des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Einerseits braucht es eine errichtete Sozialeinrichtung für die Mitbestimmung, was bereits eine tatsächliche Verselbständigung verlangt, andererseits darf diese Verselbständigung noch nicht so weit gediehen sein, dass das Mitbestimmungsrecht über die Form und die Ausgestaltung nicht mehr wahrgenommen werden könnte.262 ErrichRichardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 51. Worzalla, in: Hess/Worzalla/Glock/Nicolai/Rose/Huke, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 611; Bender, in: Wlotzke/Preis/Kreft, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 218. 262 Das zeigt sich deutlich an Formulierungen wie „Der Mitbestimmungsfall tritt also erst ein, wenn der Arbeitgeber die Sozialeinrichtung errichtet. Mit der Errichtung der Sozialeinrichtung werden aber zugleich deren Form und Ausgestaltung festgelegt.“ So Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 626. An anderer Stelle heißt es, die Mitbestimmung über die Form setze nicht voraus, dass der Arbeitgeber die Errichtung verbindlich (dazu übernächste Fn.) zugesagt habe, er könne jedoch von der Errichtung absehen, wenn die mitbestimmte Regelung über die Form oder der Ausgestaltung nicht seinen Vorstellungen entspreche; Matthes, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 249, Rn. 23. Hier klingt es so, als ob das Mitbestimmungsrecht bereits vor der Errichtung besteht. 260 261
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tung meint damit zunächst nur, nimmt man das Mitbestimmungsrecht über die Form und Ausgestaltung ernst, dass der Arbeitgeber entscheidet, welche Sozialleistungen er zu welchem sozialen Zweck welchen Arbeitnehmern des Betriebs zur Verfügung stellen möchte und er zur Zweckerreichung bereits Mittel tatsächlich verselbständigt hat oder das zumindest plant. Das Problem des Errichtungsbegriffs hat auch das BAG schon früh gesehen: „Die Errichtung setzt aber bereits eine Entscheidung wenigstens darüber voraus, wie die Einrichtung in groben Umrissen aussehen soll.“263 § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gibt kein Mitbestimmungsrecht über die Gestaltung der Rechtsform der Einrichtung, die Sozialleistungen gewährt – die Norm setzt vielmehr voraus, dass die Sozialleistungen durch das Unternehmen erbracht werden, welches der Arbeitgeber zur Verfolgung seines (regelmäßig wirtschaftlichen) Ziels gegründet hat. Und da § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG die Mitbestimmung mit dem Begriff der Form nur darauf bezieht, ob die Einrichtung rechtlich unselbständig oder in selbständiger Rechtsform betrieben werden soll und nicht auf die tatsächliche Verselbständigung von Sozialmitteln in einer Organisation, bleibt sämtliches Verhalten des Arbeitgebers mitbestimmungsfrei, dass zu einer tatsächlichen Verselbständigung führt, solange damit die Mitbestimmung über die Rechtsform nicht beschnitten wird. Dieser Unterschied für das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 oder Nr. 10 BetrVG ist praktisch von geringer Bedeutung. Nach einer Unternehmerentscheidung, Sozialmittel in bestimmtem Umfang an Arbeitnehmer des Betriebs verteilen zu wollen, besteht jedenfalls ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.264 Kommen die Betriebsparteien überein, die Sozialleistung so zu organisieren, dass der Arbeitgeber die Sozialmittel nicht von seinen Betriebsmitteln verselbständigt, bleibt es bei der Mitbestimmung nach Nr. 10. Sofern die Betriebsparteien eine Gestaltung befürworten, die die Sozialmittel verselbständigt, ist weiter zu regeln, ob eine auch rechtlich selbständige Form errichtet, wie die Einrichtung ausgestaltet und wie sie verwaltet wird. Häufig, so auch bei der Gestaltung von Sterbekassen, regeln die Betriebsparteien in einer Betriebsvereinbarung auch die Errichtung einer Sozialeinrichtung, die gemäß § 88 Nr. 2 BetrVG eine freiwillige ist.
BAG v. 18. 3. 1976, 3 ABR 32/75, AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972, Altersversorgung. Strittig sowohl bei § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG als auch bei § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist, ab welchem Zeitpunkt das Mitbestimmungsrecht besteht. Nach der Rechtsprechung des BAG genügt, dass der Arbeitgeber verlautbart habe, eine Sozialeinrichtung zu errichten oder Sozialleistungen zu gewähren; BAG v. 18. 3. 1976, 3 ABR 32/75, AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972, Altersversorgung. Die Literatur begnügt sich teilweise damit nicht und lässt das Mitbestimmungsrecht erst dann eingreifen, wenn sich der Arbeitgeber zuvor arbeitsvertraglich oder vor allem auch in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung zur Errichtung oder zur Erbringung von Sozialleistungen verpflichtet habe; statt aller Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 717, Rn. 823 ff. 263
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Damit steht fest: Um überhaupt zwischen § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG abgrenzen zu können, ist zwar für die erste Variante eine Verselbständigung von Sozialmitteln notwendig. Mitbestimmungsrechtlich klärt sich dies aber häufig erst im Laufe des Mitbestimmungsverfahrens, insbesondere, weil der Betriebsrat gemäß § 88 Nr. 2 BetrVG bereits bei der Errichtung beteiligt ist. Dennoch ist es der Arbeitgeber, der privatautonom bestimmt, welche Mittel er wem zu welchem sozialen Zweck geben und ob er dafür eine betriebsverfassungsrechtlich relevante selbständige Organisation schaffen möchte. b) Errichtung als Indiz für das Bestehen einer Sozialeinrichtung? Daraus könnte für die Einordnung von Arbeitnehmersolidarkassen in § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG folgen – im weiteren Verlauf auch für die Unterscheidung zwischen Sozialleistungen nach Nr. 10 und solchen, die die Arbeitnehmer selbst aufbringen –, dass die beschriebene Entscheidung des Arbeitgebers als Grundentscheidung diejenige ist, die den Mitbestimmungstatbestand konstituiert und von arbeitnehmerautonom gesammelten und zur Verfügung gestellten Sozialmitteln abgrenzt. Sozialeinrichtungen wären in diesem Sinne Einrichtungen, die durch den Arbeitgeber selbst oder zumindest auf Veranlassung des Arbeitgebers durch Dritte errichtet werden.265 Das klingt zunächst plausibel. Eine Sozialeinrichtung kann nicht bestehen, wenn der Arbeitgeber eine solche Grundentscheidung nicht getroffen hat. Der Arbeitgeber kann über die Mitbestimmung nicht gezwungen werden, überhaupt soziale Leistungen zu gewähren, sie bestimmten Personen oder zu einem bestimmten sozialen Zweck bereitzustellen. Und klar ist auch: Haben die Arbeitnehmer eigenständig – ohne Mitwirkung des Betriebsrats und des Arbeitgebers – eine Sterbekasse gegründet, lässt sich das Bestehen einer Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG sogleich mit dem Argument ablehnen, der Arbeitgeber habe die Sterbekasse nicht errichtet. Dahinter steckt aber genauer – bedenkt man die inhaltlichen Kriterien der Errichtungsentscheidung –, dass der Arbeitgeber nicht privatautonom entschieden hat, Sozialleistungen für einen sozialen Zweck an die Arbeitnehmer des Betriebs zu verteilen. Tatsächliche Extreme von Arbeitnehmersolidarkasse einerseits und Arbeitgebersozialeinrichtung andererseits, weisen den Unterschied auf, dass die Arbeitnehmersolidarkasse von Arbeitnehmern und die Arbeitgebersozialeinrichtung vom Arbeitgeber errichtet worden ist. Aber das trifft nicht den Kern des Abgrenzungsproblems. Zur Veranschaulichung ist auf die Kantinenentscheidung des BAG zurückzukommen.
265 So Worzalla, in: Hess/Worzalla/Glock/Nicolai/Rose/Huke, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 464; Matthes, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 249, Rn. 10; Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 615.
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Im mitgeteilten Sachverhalt des Kantinenurteils liest man, dass der Arbeitgeber den an ihn adressierten Wunsch, eine Kantine zu eröffnen, ablehnte.266 Einverstanden war er schließlich damit, dass der Betriebsrat die Kantine in Eigenregie betrieb. Er stellte zunächst lediglich einen Raum zum Verkauf sowie Arbeitnehmer zum Einkauf der Waren zur Verfügung. Verdeutlichte der Arbeitgeber damit nicht, eine Sozialeinrichtung nicht betreiben zu wollen, sondern lediglich eine vom Betriebsrat geführte Kantine zu unterstützen, lag also mangels Errichtung nicht eine Arbeitnehmereinrichtung vor, die vom Betriebsrat verwaltet wurde oder sogar eine vom Betriebsrat oder den Betriebsratsmitgliedern errichtete Einrichtung? Dann wäre zu klären, ob das BetrVG solches Tätigwerden des Betriebsrats erlaubt. Das LAG Hamm gelangte in der Vorinstanz zu einem anderen Ergebnis als die Revisionsinstanz, indem es nicht von der Errichtung einer Sozialeinrichtung, sondern von der Gründung eines Vereins durch die Betriebsratsmitglieder ausging.267 Das BAG hat die Errichtung einer Sozialeinrichtung im Einzelnen nicht subsumiert und nicht gefragt, ob möglicherweise die Betriebsratsmitglieder eine Einrichtung gründeten, die der Arbeitgeber bloß unterstützte. Eine Sozialeinrichtung sei deshalb entstanden, weil der Arbeitgeber Personal zur Verfügung stelle, der soziale Vorteil damit zumindest mittelbar auf seiner Leistung beruhe und der Betriebsrat im Übrigen die Kantine alleine verwalte.268 Hat das BAG damit auf das Merkmal der Errichtung durch den Arbeitgeber verzichtet? aa) Errichtung und Unterstützung: Das Problem der Abgrenzung im Tatsächlichen Indem der Arbeitgeber Raum und Personal für eine Kantine bereitstellt, gewährt er personelle und sächliche Sozialmittel in einem bestimmten Umfang für die Arbeitnehmer des Betriebs als Begünstigte. Die Sozialmittel lassen sich auch vom übrigen Betriebsvermögen abgrenzen. Es liegt damit eine privatautonome Entscheidung vor, die die Kriterien der Errichtung beinhaltet. Nur macht dies allein nicht gewiss, ob tatsächlich eine Sozialeinrichtung gegeben ist. Denn diese Kriterien finden sich auch bei der Unterstützung einer arbeitnehmerautonomen Solidarkasse. Jeder Unterstützungsleistung geht die Entscheidung voraus, welcher Art sie sein, welchen Umfang sie haben sowie für welchen sozialen Zweck sie erbracht werden soll. Der Arbeitgeber orientiert sich bei einer bereits gegründeten Solidarkasse an dem von den Arbeitnehmern bestimmten sozialen Zweck, es ist gerade dieser, den er fördern möchte. Somit liegt der Unterstützungsleistung des Arbeitgebers auch ein sozialer Zweck zu Grunde. Der Entscheidung, für eine Kantine Raum und Personal zur Verfügung zu stellen, wäre nicht anzusehen, ob es sich um die Errichtung einer Sozialeinrichtung oder um die Unterstützung einer bestehenden oder noch zu gründenden Arbeitnehmersolidarkasse handeln würde. BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1 f. LAG Hamm v. 21. 9. 1983, 12 Sa 1014/83, juris. 268 Im Einzelnen oben unter III. 2. a). 266
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So einleuchtend die These klingt, nach welcher eine Sozialeinrichtung der Arbeitgeber oder ein Dritter auf seine Veranlassung errichtet, eine Arbeitnehmersolidarkasse dagegen die Arbeitnehmer, erweist sie sich demnach als wertlos, betrachtet man die praktischen Fälle unter Berücksichtigung der Inhaltsmerkmale der Errichtung. Weiter ist zu überlegen, ob der Unterschied zwischen Arbeitnehmersolidarkasse und Arbeitgebersozialeinrichtung darin besteht, dass erstere bereits errichtet worden ist, bevor der Arbeitgeber eine Unterstützung zusagt. Das mag zwar im Einzelfall so sein, doch auch darin liegt nicht der für eine Abgrenzung relevante Unterschied. Mit dem Begriff der Sozialeinrichtung in § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG sollen diejenigen Fälle erfasst werden, bei denen sich Verteilungsfragen von Sozialmitteln stellen, die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden. Das kann sich auch ergeben, wenn zunächst die Arbeitnehmer autonom eine Sterbekasse gründen, dann aber der Arbeitgeber Unterstützung anbietet. Hier muss geklärt werden, nach welchen Grundsätzen der Zuschuss zu verteilen ist. Und an dieser Stelle ist entscheidend: Der Arbeitgeber könnte mit Mitteln des Arbeitsvertragsrechts regeln, nach welchen Grundsätzen seine Sozialmittel zu verteilen sind. Es liegt die Situation vor, an die § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG eine Mitbestimmung des Betriebsrats knüpfen. Der Arbeitgeber gewährt Geld für betriebsangehörige Mitglieder der Sterbekasse zum Zwecke der Hinterbliebenenunterstützung. Es stellt sich die Frage der „gerechten“ Mittelverteilung. Dabei ist nur zu klären, ob sich das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 oder Nr. 10 BetrVG ergibt, ob eine Sozialeinrichtung gegeben ist, die die Sterbekasse insgesamt – also auch soweit sie von den Arbeitnehmern errichtet und finanziert worden ist – erfasst oder nur bezogen auf den vom Arbeitgeber finanzierten Teil.269 Ersteres ist nach dem BVerwG möglich. Danach kann eine Sozialeinrichtung selbst dann bestehen, wenn der Arbeitgeber diese nicht errichtet hat, aber später einen „rechtlich richtungsweisenden Einfluß“ auf ihre Verwaltung erhält.270 Das bedeutet: Eine Arbeitnehmersolidarkasse kann sich in eine Sozialeinrichtung wandeln, wenn nach Errichtung der Solidarkasse die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung erfüllt sind. Freilich verlangt das eine Errichtung durch den Arbeitgeber oder durch von ihm beauftrage Dritte, die Kasse eben ab jetzt als Sozialeinrichtung zu führen. Dies braucht der Arbeitgeber nicht ausdrücklich zu erklären. Es genügt, wenn er Sozialmittel für einen sozialen Zweck zur Verfügung stellt, wodurch die Arbeitnehmer zumindest auch einen sozialen Vorteil erhalten. Das stellt als Grundentscheidung wieder nur – genauso wie im Falle einer von Anfang an durch den Arbeitgeber errichteten Sozialeinrichtung – sicher, dass der Arbeitgeber nicht über die Mitbestimmungsordnung gezwungen werden darf, zusätzliche Sozialmittel aufzubringen, wenn er nicht gesetzlich, tarifvertraglich oder vertraglich dazu verpflichtet ist. Ansonsten ist es wieder die Tatsache, dass der Ar269 270
Dazu später unter V. 3. e) bb) (2). BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28.
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beitgeber ohne Betriebsrat alleine über die Mittelverteilung bestimmen könnte, die eine Einrichtung zur Sozialeinrichtung macht. Der Wille des Arbeitgebers, etwas soll Sozialeinrichtung sein, etwas anderes nicht, ist mitbestimmungsrechtlich unbeachtlich. Die Mitbestimmungsrechte sind als objektive Mitbestimmungsordnung für den Arbeitgeber zwingend.271 Er kann also nicht damit gehört werden, er wolle zwar einen sozialen Zweck unterstützen, aber er wolle nicht eine Sozialeinrichtung errichten. Wenn die Voraussetzungen des Mitbestimmungstatbestands erfüllt sind, besteht das Mitbestimmungsrecht unabhängig vom Arbeitgeberwillen. Die Errichtung erfordert weder eine Willenserklärung noch ein geschäftsähnliches Verhalten. Die an den Errichtungstatbestand geknüpfte Mitbestimmung als Rechtsfolge tritt von Gesetzes wegen und nicht deshalb ein, weil die Mitbestimmung als Rechtsfolge der Errichtung vom Arbeitgeber gewollt ist. Hinzu kommt weiterhin: In der Praxis zeigt sich häufig, dass sich nicht ohne Weiteres bestimmen lässt, wer eine Kasse (ursprünglich) errichtet hat. Mitunter wirken Arbeitnehmer, Betriebsräte und/oder Arbeitgeber zusammen. Mitbestimmungsrechtlich besteht kein Problem, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung oder Betriebsabsprache eine Einrichtung gemeinsam errichten. § 88 Nr. 2 BetrVG erlaubt eine freiwillige Betriebsvereinbarung über die Errichtung einer Sozialeinrichtung. Möglich ist auch eine Betriebsabsprache.272 Wenn aber nun Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam regeln, welche Sozialleistung in welcher Höhe wem zu welchem sozialen Zweck gebührt, wie lässt sich dann feststellen, ob die errichtete Einrichtung tatsächlich Sozialeinrichtung und nicht autonome Arbeitnehmersolidarkasse ist? Auch für die Anwendung von § 88 Nr. 2 BetrVG bedarf es einer Sozialeinrichtung. Und das darf – entsprechend oben 273 – nicht aus der Tatsache geschlossen werden, dass die Betriebsparteien sich des Mittels der Betriebsvereinbarung bedient haben. Maßgeblich für die betriebsverfassungsrechtliche Einordnung des Phänomens Solidarkasse bleibt damit zunächst die Frage, ob die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung gegeben sind. Erst dann lässt sich sagen, ob eine Gestaltung mittels Betriebsvereinbarung oder Betriebsabsprache von § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG oder § 88 Nr. 2 BetrVG getragen wird oder von dem Grundsatz umfassender Regelungsmacht in sozialen Angelegenheiten. bb) Zwischenergebnis: Kongruenz von Errichtung und Unterstützung Damit lässt sich festhalten: Sofern Errichtung einer Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG bedeuten soll, dass der Arbeitgeber privatautonom ent271 Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 568; Wiese, RdA 1968, S. 455 ff.; Jahnke, Tarifautonomie und Mitbestimmung, S. 192; Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, Einleitung, Rn. 138 ff.; Galperin/Löwisch, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 15. 272 Wiese/Gutzeit, in: GK-BetrVG, § 88 BetrVG, Rn. 6; Wittke, Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats im sozialen Bereich, S. 100. 273 2. c) und d).
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scheidet, ob er Sozialmittel für einen sozialen Zweck bestimmten Personen in einem selbstbestimmten Umfang gewährt, und er die eingesetzten Mittel zur Zweck erreichung in tatsächlicher Hinsicht verselbständigt, enthält diese Entscheidung dieselben Inhalte wie eine solche zur Unterstützung einer bestehenden oder noch zu gründenden autonomen Arbeitnehmersolidarkasse. Mittel, die der Arbeitgeber an die Kasse erbringt, führen regelmäßig ebenfalls zu ihrer Verselbständigung. Die Errichtung einer Sozialeinrichtung und die Unterstützung einer autonomen Arbeitnehmersolidarkasse sind in diesem Sinne kongruent. cc) Zusammenhang von Errichtung und Einfluss des Arbeitgebers auf die Mittelverteilung eigener Sozialleistungen Das Erfordernis der Errichtung einer Sozialeinrichtung durch den Arbeitgeber oder durch einen Dritten auf Veranlassung des Arbeitgebers stellt sicher, dass der Arbeitgeber nicht zur Erbringung von Sozialleistungen gezwungen werden kann. In diesem Sinne kann es eine Sozialeinrichtung ohne Errichtung nicht geben. Da sich die Errichtungsentscheidung des Arbeitgebers inhaltlich mit der Unterstützungsentscheidung deckt, wie gerade zuvor274 gesehen, muss aber anhand anderer Kriterien ermittelt werden, ob eine Sozialeinrichtung oder eine arbeitnehmerautonome Solidarkasse besteht. Fraglich ist, ob sich umgekehrt sagen lässt, bei „Errichtung“ einer Einrichtung durch die Arbeitnehmer des Betriebs sei deshalb eine autonome Arbeitnehmersolidarkasse gegeben, weil sie nicht vom Arbeitgeber errichtet worden ist. Das lässt sich anhand eines im Schrifttum diskutierten Beispiels klären: So soll bei Gründung einer Stiftung durch einen Dritten, die nicht durch den Arbeitgeber veranlasst worden ist, eine Sozialeinrichtung bereits mangels Errichtung durch ihn nicht bestehen können.275 Dieser Ansatz lässt aber offen, ob überhaupt Arbeitgebersozialmittel zu verteilen sind und ob der Arbeitgeber dies arbeitsvertraglich gestalten kann. Wäre dem so, bestünde ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Der Gegenansicht ist darin zuzustimmen, in solchen Fällen die Mitbestimmung nicht deshalb abzulehnen, weil die Stiftung zunächst durch einen Dritten errichtet worden ist.276 Diese Auffassung bejaht die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung, wenn der Arbeitgeber, ohne selbst Stifter zu sein 277, als Mitglied des Stiftungsvor274
aa) und bb). LAG Hannover v. 25. 1. 1961, 4 TaBV 4/60, BB 1961, S. 529; ihm folgend Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 616; Worzalla, in: Hess/ Worzalla/Glock/Nicolai/Rose/Huke, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 395; Matthes, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 249, Rn. 10. 276 Estelmann, Rechtlich selbständige Sozialeinrichtungen, S. 41 ff.; Galperin/Löwisch, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 181; Wiese, in: Gk-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 702; Klebe, in: Däubler/Kittner/Klebe, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 209. 277 Eine Stiftung durch den Arbeitgeber wird nicht nur anerkannt, wenn er als Rechtssubjekt stiftet, sondern ebenso, wenn Stifter und Arbeitgeber wirtschaftlich betrachtet iden275 Bereits
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stands oder auch eines anderen Gremiums, zum Beispiel eines Stiftungsrats, die Mittelverteilung beeinflussen kann. Doch auch dieser Ansatz verkennt den maßgeblichen Bezugspunkt dieser Regelungsmacht des Arbeitgebers. Die Mitbestimmung bei § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG gibt dem Betriebsrat nämlich kein Recht an irgendeiner Regelungsmacht des Arbeitgebers, die dazu führt, dass Arbeitnehmer nach bestimmten Grundsätzen soziale Leistungen erhalten. Es soll lediglich die Regelungsmacht des Arbeitgebers durch Mitbestimmung beschränkt werden, eigene Sozialleistungen verteilen zu können. Das folgt aus dem Systemzusammenhang des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG mit § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG und dem modernen Lohnbegriff. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist der Grundtatbestand der Mitbestimmung bei Lohnleistungen des Arbeitgebers.278 Lohn bezeichnet dabei alle vermögenswerten Leistungen des Arbeitgebers.279 Davon erfasst sind sämtliche Sozialleistungen des Arbeitgebers, die er mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis erbringt.280 Denkbare Sozialleistungen, die eine Arbeitnehmersolidarkasse an die Arbeitnehmer des Betriebs leistet,281 wären, erbrächte sie der Arbeitgeber anlässlich des jeweiligen Arbeitsverhältnisses, Lohnleistungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG verdrängt diesen Mitbestimmungstatbestand wegen Spezialität, wenn eine Sozialeinrichtung diese – und eben keine anderen Leistungen – gewährt. Wenn das Recht erlaubt, eine Einrichtung rechtlich selbständig zu gestalten, die trotzdem Sozialeinrichtung des Betriebes ist, ist notwendig, dass die Sozialeinrichtung Sozialleistungen des Arbeitgebers verteilt, die dieser auf Grund seiner Stellung als Arbeitgeber leisten will. Das ist auch ein Grund dafür, dass es heißt, die Mitbestimmung richte sich nicht gegen die Sozialeinrichtung, sondern gegen den Arbeitgeber.282 Daher muss für das Bestehen des Mitbestimmungsrechts zusammenkommen: die Verteilungsnotwendigkeit von Arbeitgebersozialleistungen und eine ohne Betriebsrat bestehende Verteilungsmacht des Arbeitgebers. Ansonsten wären Sinn und Zweck der Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG als Spezialfall des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verkannt, der eine Mitbestimmung nur bei Sozialleistungen des Arbeitgebers ermöglicht. Mit anderen tisch sind. Beispiel: Die Gesellschafter einer GmbH errichten eine Stiftung ausschließlich für die Arbeitnehmer der GmbH; Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 616. 278 Bender, in: Wlotzke/Preis/Kreft, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 196 f. 279 BAG v. 12. 6. 1975, 3 ABR 13/74, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972, Altersversorgung; BAG v. 10. 6. 1986, 1 ABR 65/84, AP Nr. 22 zu § 87 BetrVG 1972, Lohngestaltung; Moll, Mitbestimmung beim Entgelt, S. 136 ff., Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Band II, S. 932. 280 Im Einzelnen Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 736, Rn. 740 ff., Rn. 832 f., jeweils m. w. N. 281 Oben unter § 1. 282 Promberger, DB 1970, S. 1437, S. 1442; Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 651 f.
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Worten: Aufgrund des heute geltenden weiten Lohnbegriffs ist die speziellere Vorschrift des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zum Grundtatbestand der betrieblichen Lohngestaltung in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG rückgekoppelt und damit zu Sozialleistungen, die der Arbeitgeber gerade aufgrund der bestehenden Arbeitsverhältnisse erbringt. Das führt zu der These: Sofern eine Einrichtung durch die Arbeitnehmer errichtet worden ist, kann eine Sozialeinrichtung dennoch bestehen, wenn über diese Einrichtung Sozialleistungen des Arbeitgebers verteilt werden und er diese Verteilung beeinflussen kann. Dieser These ist im Folgenden unter V. weiter nachzugehen. dd) Zwischenergebnis Das Merkmal der Errichtung ist zwar ein gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG notwendiges Merkmal, um das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auszulösen. Aus ihm folgt aber kein Indiz dafür, dass die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung erfüllt sind, sofern man es für möglich hält, dass der Arbeitgeber auch eine autonome Arbeitnehmersolidarkasse unterstützen kann. 6. Ergebnis Es lässt sich zusammenfassen: Für das Bestehen einer Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8, § 88 Nr. 2 BetrVG ist es unerheblich, wer die Errichtung einer solchen vorschlägt oder initiiert (1.). Auch kann aus dem Umstand, dass die Betriebsparteien eine Arbeitnehmersolidarkasse mittels einer Betriebsvereinbarung geregelt haben, nicht geschlossen werden, dass die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung erfüllt sind (2.). Genauso wenig kann dies aus der Mitgliedschaft eines Arbeitnehmers in einer Arbeitnehmersolidarkasse gefolgert werden. Ohnehin ist eine Betriebsvereinbarung, nach der Arbeitnehmer automatisch mit Abschluss des Arbeitsvertrages Mitglied einer sozialen Kasse werden und zur Zahlung eines Beitrages verpflichtet sein sollen (heteronome Mitgliedschaften) unzulässig. Die Betriebsparteien können nur autonome Mitgliedschaften regeln, wobei auch daraus nicht auf das Bestehen einer Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8, § 88 Nr. 2 BetrVG geschlossen werden darf (3.). Weiterhin verlangt der Begriff der Sozialeinrichtung nicht, dass der Arbeitgeber die Einrichtung teilweise oder vollständig finanziert (4.). Schließlich ist der Arbeitgeberwille unbeachtlich dafür, ob die Voraussetzungen des Sozialeinrichtungsbegriffs erfüllt sind. Hierfür ist auch die Errichtung durch den Arbeitgeber nicht indiziell. Sofern man es für möglich hält, dass der Arbeitgeber autonome Arbeitnehmersolidarkassen unterstützen darf, sind nämlich die der Errichtung oder der Unterstützung zu Grunde liegenden Entscheidungen inhaltlich kongruent (5.).
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V. Taugliche Kriterien für das Bestehen einer Sozialeinrichtung Im Folgenden sind die Kriterien für das Bestehen einer Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zu ermitteln. Dabei sind die Arbeitnehmersolidarkassen unter diese zu subsumieren, um zu zeigen, in welchen Fällen sie ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats begründen. 1. Arbeitgebersozialleistungen Aus Sinn und Zweck der Mitbestimmungstatbestände des § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG folgt, dass der Betriebsrat mitzubestimmen hat, wenn der Arbeitgeber direkt oder über eine Sozialeinrichtung Sozialleistungen an die Arbeitnehmer seines Betriebs erbringen will. Eine Mitbestimmung kann logisch nur dann zur Verteilungsgerechtigkeit beitragen, wenn der Arbeitgeber überhaupt Sozialleistungen erbringt. Zu diesem Zweck muss er Sozialmittel (Geld, Personal, Sachmittel, Dienstleistungen) aufwenden. a) Arbeitnehmer verteilen eigene Gelder untereinander Der Betriebsrat ist nicht dazu berufen, darüber mitzuentscheiden, ob und wie Arbeitnehmer eigene Gelder untereinander verteilen. Die Mitbestimmung mischt sich ein in das horizontale Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Kollektiv. Daran fehlt es, wenn die Arbeitnehmer eigene Gelder sammeln und nach selbstbestimmten Regeln verteilen. Typisch ist der Fall einer Belegschafts- oder Abteilungskasse – unabhängig davon, ob die Gelder in einer Geldkassette oder mittels eines Kassenkontos gesammelt werden. Die Arbeitnehmer sparen in dieser Weise, um Geschenke bei Betriebsjubiläen, Geburten und Geburtstagen, sowie um Betriebsfahrten, Stammtischveranstaltungen, Lebensmitteleinkäufe – Stichwort: Kaffeekasse –, und Vieles mehr zu finanzieren oder um bei Sterbe-, Unglücksund Notfällen zu helfen. Gibt der Arbeitgeber kein Geld hinzu und erbringt auch sonst keine Leistung – zum Beispiel stellt er Personal für die Verwaltung ab – ist in diesen Fällen bereits deshalb keine Sozialeinrichtung gegeben, weil sie keine Arbeitgebersozialleistung erbringt. Anders liegt es bereits dann, wenn der Arbeitgeber selbst in die Kasse einzahlt. Anhand des Kriteriums, dass der Arbeitgeber Sozialmittel zur Verfügung gestellt haben muss, lässt sich dann aber nicht abschließend ermitteln, ob die Kasse von einer Einrichtung betrieben wird, die Sozialeinrichtung ist oder nicht.283 b) Arbeitgebersozialleistungen, die nicht in Geld bestehen Die Frage nach der Mitbestimmung ist auch in den Fällen zu beantworten, in welchen zwar die Arbeitnehmer Kassen betreiben, der Arbeitgeber diese aber mit 283
Dazu weiter bei dem Kriterium Verteilungsmacht des Arbeitgebers unter 3.
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anderen Sozialmitteln als Geld unterstützt. Typisch sind hier die Überlassung von Räumlichkeiten, Mobiliar, Inventar, Fahrzeuge, sonstige Betriebsmittel sowie Personal und die Erbringung von Dienstleistungen. Sammeln die Arbeitnehmer zum Beispiel Geld, um einen Betriebschor, einen Betriebskindergarten, einen Fitnessraum etc. im Betrieb zu unterhalten, dann lässt sich das nur verwirklichen, wenn der Arbeitgeber zumindest einen Raum zur Verfügung stellt. Allein die Möglichkeit, eine Betriebsstätte nutzen und für soziale Zwecke einrichten zu dürfen, bringt den Arbeitnehmern soziale Vorteile, weil keine Räumlichkeit angemietet werden muss und Fahrtkosten zu und von der Arbeitsstätte entfernt liegenden Orten vermieden werden. Damit ist auch hier zu klären, ob beispielsweise die Überlassung eines Raumes mitbestimmungspflichtig ist.284 c) Arbeitnehmer finanzieren, ohne selbst zu verteilen Es wurde bereits gesagt, dass eine Sozialeinrichtung auch dann bestehen kann, wenn die Arbeitnehmer an den Kosten der Einrichtung beteiligt werden, sogar bei Erhebung kostendeckender Entgelte soll das gelten, sofern überhaupt noch ein sozialer Vorteil bei den Arbeitnehmern verbleibt.285 Wie passt das zu der These, dass der Arbeitgeber Sozialleistungen erbringen muss, an die sich die Mitbestimmung des Betriebsrats anlehnen kann? Das Beispiel der Errichtung einer Stiftung durch einen betriebsfremden Dritten, die den Arbeitnehmern soziale Vorteile beschert, hat gezeigt: Eine Sozialeinrichtung liegt nicht vor, nur weil der Arbeitgeber berechtigt ist, über die Mittelverteilung (mit-) zu entscheiden, da er selbst keine Sozialleistungen erbringt. Wäre damit eine Sterbekasse, die allein durch die Arbeitnehmer finanziert wird, selbst dann keine Sozialeinrichtung, wenn der Arbeitgeber zum Beispiel als Vorstand eines Sterbekassenvereins die Mittelverteilung beeinflussen könnte? Zur Beantwortung dieser Frage sind zwei Fallvarianten zu bedenken: Variante 1: Die Arbeitnehmer legen selbst fest, nach welchen Regelungen sich Arbeitnehmer an der Sterbekasse beteiligen können, Sterbegelder bezahlt werden und in welcher Höhe. Sie bitten den Arbeitgeber aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung, den Sterbekassenbeitrag vom Lohn einzubehalten, auf einem Firmenkonto anzulegen und im Sterbefall die von den Arbeitnehmern festgelegten Sterbegelder an die Arbeitnehmer auszubezahlen.286 Variante 2: Der Arbeitgeber soll die vom Lohn einbehaltenen Gelder auf ein Firmenkonto zahlen und selbst über die Mittelverteilung bestimmen. Die letzte 284
Ebenfalls weiter unter 3. Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 689. 286 In diesem Beispiel soll ein Verein bestehend aus den Arbeitnehmern als Mitglieder nicht gegeben sein. Auch der Arbeitgeber soll im Beispiel eine Vertretungsmacht nicht erhalten. Er soll lediglich beim Einzahlungs- und Auszahlungsvorgang helfen ohne eine weitergehende Rechtsmacht zur Vertretung einer Personenmehrheit. Er wird lediglich als Treuhänder tätig. 285
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Konstellation dürfte praktisch nicht vorkommen, da die Arbeitnehmer nicht bereit sein werden, eine Sterbekasse allein zu finanzieren, um dem Arbeitgeber anschließend freie Hand zu lassen, wie er über ihre Gelder verfügt. Dennoch dient sie dazu, eine dogmatisch relevante Grenze aufzuzeigen. Die Beispiele der Finanzierung der Sterbekasse durch die Arbeitnehmer alleine, bei denen der Arbeitgeber entweder als Vorstand eines Vereins oder als Treuhänder die Mittelverteilung rechtlich beeinflusst, motivieren zunächst, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats anzuerkennen, damit die Mittel „gerecht“ verteilt werden. Sinn und Zweck der systematisch als Einheit zu betrachtenden Mitbestimmungsrechte in § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG bleibt aber, eine „gerechte“ Mittelverteilung durch Mitbestimmung zu gewähren, wenn der Arbeitgeber Sozialleistungen erbringt.287 Denn nur dann hat der Arbeitgeber eine Regelungsmacht zur Verteilung, die er aufgrund seiner Stellung im Verhältnis zu den Arbeitnehmern hat. Nur diese arbeitsvertraglich determinierte Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann durch die Mitbestimmung als Teilhabe an Entscheidungen des Arbeitgebers beeinflusst und gestaltet werden. Es gibt keine Mitbestimmung per se für Mittelverteilungen an Arbeitnehmer. Der Fokus der Mitbestimmung liegt nicht auf dem Moment des bloßen Erhaltens von Sozialleistungen auf Arbeitnehmerseite. Das allein hat den Betriebsrat nicht zu interessieren. Entscheidend ist der Ursprung der Sozialleistung beim Arbeitgeber, mit dem sich sein Verteilungswille verbindet, den Arbeitnehmern anlässlich ihres Arbeitsverhältnisses einen vermögenswerten Vorteil zu gewähren. Jenseits des arbeitsvertraglichen Verbundes mit den Arbeitnehmern handelt der Arbeitgeber nicht mehr in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber. Besteht daher bereits ein von Arbeitnehmern gegründeter Sterbekassenverein, dessen Satzung die Modalitäten der Mitgliedschaft, des Beitrags sowie der Sterbegeldauszahlung regelt, ist es dem Arbeitgeber mitbestimmungsrechtlich nicht verwehrt, etwa als Vorstand des Vereins zu handeln, selbst wenn er, sofern dies die Satzung ermöglicht, Einfluss auf die Mittelverteilung nimmt und nicht bloß ein drittbestimmtes Verteilungsschema anwendet. Es werden hier keine Sozialleistungen des Arbeitgebers durch diesen Verein erbracht. Doch wie ist es, wenn der Arbeitgeber wie in Variante 1 als Treuhänder tätig wird? Zur Beantwortung der Frage ist präzise zwischen Sozialleistung und den für die Verteilung dieser Sozialleistung notwendigen Verhaltensweisen zu unterscheiden. Am Beispiel der Sozialeinrichtung erklärt bedeutet das: Nicht die Festlegung der Form, nicht die Ausgestaltung und auch nicht die Verwaltung selbst sind die zu verteilende Sozialleistung. Sie beschreiben lediglich für ihre Verteilung notwendige Verhaltensweisen. Die Sozialleistung bei den Sterbekassen stellt die Zahlung des Sterbegeldes dar. Damit die Arbeitnehmer das Sterbegeld erhalten können, sind weitere Leistungen notwendig, angefangen zum Beispiel beim Lohnabzug über die Verwaltung der Gelder bis hin zur Auszahlung. Damit die Verteilung in mit287
Oben unter III. 6.
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bestimmungsrechtlicher Hinsicht „gerecht“ geschieht, sind die für die Verteilung notwendigen Verhaltensweisen mitbestimmt, nicht aber das Ob und die Höhe der Sozialleistung selbst.288 Wenn nun der Arbeitgeber eine Sterbekasse selbst nicht finanziert und die Gelder nur verwaltet und verteilt, dann ist das Verwalten und Verteilen der Gelder notwendig, damit die Sozialleistung „Sterbegeld“ die Begünstigten erreicht. Mit Blick auf diese Sozialleistung ist zu fragen, ob derartige Verhaltensweisen des Arbeitgebers einen Einfluss auf die Sterbegeldzahlung haben. aa) Einfluss der Arbeitgeberleistung auf die Sterbegeldzahlung Dabei ist auf das Kantinenurteil des BAG289 zurückzukommen. Die Sozialleistung liegt hier im Genuss eines im Vergleich zum üblichen Markt günstigen Mittagessens. Freilich ist es nicht der Arbeitgeber, der dieses in persona leisten kann. Daher bedient er sich auch einer Einrichtung. Und diese umfasst Räumlichkeiten, Inventar, Mobiliar, Personal, Lebensmittel, um letztlich die eigentliche Sozialleistung zu erbringen. In diesem Spektrum sind Verhaltensweisen des Arbeitgebers, die zu einem vermögenswerten Vorteil bei den Arbeitnehmern führen, vielfältig denkbar. So lässt sich die Sozialleistung in Form des Kantinenessens auch auf die Leistungen des Arbeitgebers zurückführen, einen Raum und Personal zur Verfügung zu stellen. Die Preise der Mittagessen sind dann nicht auf Grund der Kosten für eine Raummiete und für Personal erhöht. Dabei fällt auf, dass Verhaltensweisen, die die Sozialleistung zum Vorteil der Arbeitnehmer vermögenswert beeinflussen, selbst bereits der Mitbestimmung unterliegen können. So ist bei der Sozialeinrichtung „Kantine“ ihre Verwaltung mitbestimmungspflichtig. Übernehmen dies Arbeitnehmer, die der Arbeitgeber bezahlt, zum Beispiel weil sie dieser Tätigkeit während ihrer üblichen Arbeitszeit nachgehen, fördert dies das Ziel, ein preisgünstiges Mittagessen zu ermöglichen. Dass der Arbeitnehmer überhaupt verwalten darf und nach welchen Grundsätzen, ist jedoch mitbestimmungspflichtig. Nicht mitbestimmt ist aber, ob der Arbeitgeber die Kosten für die Verwaltung trägt oder diese in den Preis für das Mittagessen kalkuliert werden. Entscheidet er sich für die Kostenübernahme, liegt eine Sozialleistung des Arbeitgebers vor. Diese lässt sich normativ auch nicht von einer Sozialleistung „günstiges Mittagessen“ trennen, sondern ist Teil der Einrichtung „Kantine“ und fördert den mit ihr zu erreichenden sozialen Zweck, indem sie den konkret feststellbaren vermögenswerten Vorteil beeinflusst. Gerade in den Fällen der Finanzierung durch die Arbeitnehmer, insbesondere wenn sie kostendeckend geschieht, ist festzustellen, worin genau ein durch den Arbeitgeber beeinflusster Sozialvorteil liegt. Eine Kantine im Betrieb ist nicht in jedem Fall eine Sozialeinrichtung. Wird die Kantine so betrieben, dass sämtliche Kosten für Räume, Inventar, Personal, Lebensmittel etc. in die Preiskalkulation 288 Kohte, in: Düwell, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 96; BAG v. 12. 6. 1975, 3 ABR 13/74, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972, Altersversorgung. 289 v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1 ff.
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einbezogen und die Arbeitnehmer einen marktüblichen Preis bezahlen, sind die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung nicht erfüllt. Es darf nicht voreilig von der Betriebsbezogenheit einer Einrichtung auf ihre Qualität als Sozialeinrichtung geschlossen werden. Trotz der jedenfalls in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht verselbständigten Organisation müssen stets Sozialleistungen des Arbeitgebers zu verteilen sein. Dem Arbeitgeber ist es nicht verwehrt, eine Kantine zur Gewinnerzielung zu betreiben mit marktüblichen Preisen. Dann fehlt es an einem vermögenswerten Vorteil und die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung sind nicht gegeben. bb) Übertragung der Grundsätze auf Beispiele zur Sterbekasse Die erarbeiteten Grundsätze sind weiter auf die Fallvarianten zur Sterbekasse zu übertragen: Es ist zu untersuchen, ob die Leistungen des Arbeitgebers die Sterbegeldzahlung positiv beeinflussen. Was den Charakter als Sozialleistung betrifft, kommt es nicht darauf an, in welcher Höhe die Arbeitgeberleistung in vermögenswerter Hinsicht messbar ist.290 Sofern überhaupt eine feststellbare Werterhöhung eintritt, kann die Arbeitgeberleistung mitbestimmungspflichtige Sozialleistung sein. Im Rahmen einer betrieblichen Sozialpolitik möchte der Arbeitgeber oftmals gerade deshalb Sachgüter, Dienstleistungen und finanzielle Mittel erbringen, weil er das jeweilige Angebot überhaupt erst beschafft, bereitstellt und organisiert, was der einzelne Arbeitnehmer so nicht könnte.291 Insofern ermöglicht häufig die betriebliche Infrastruktur die Sozialleistung und bringt den Arbeitnehmern oft schon einen sozialen Vorteil, weil der Arbeitgeber seine Leistungen unentgeltlich gewährt. Sterbekassen der Arbeitnehmer können unabhängig von Arbeitgeberleistungen bestehen. Ihre Existenz ist nicht notwendigerweise mit Arbeitgeberleistungen verknüpft, so wie es zum Beispiel einen Fitnessraum im Betrieb, ohne dass der Arbeitgeber einen Raum zur Verfügung stellt, nicht gibt. Häufig in der Praxis betrieblicher Sterbekassen ist aber der Abzug des Sterbekassenbeitrags vom Nettolohn durch den Arbeitgeber mit anschließender Überweisung auf ein Sterbekassenkonto. Führen die Arbeitnehmer selbst dieses Konto, liegt in dem Verhalten des Arbeitgebers ein bloßes Unterstützen einer arbeitnehmerautonomen Sterbegeldkasse. Es beeinflusst die Höhe des Sterbegeldes nicht. Alternativ zu dieser Vorgehensweise erhielten die Arbeitnehmer ihren ungekürzten Nettolohn und müssten selbst die Überweisung auf das Sterbekassenkonto vornehmen. Dafür müsste die Kasse anders als im Kantinenbeispiel für Raum und Personal kein marktübliches Entgelt bezahlen. Zu bedenken ist allerdings, dass die Überweisung des Sterbekassenbeitrags durch den Arbeitgeber eine Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 4 3. Var. BetrVG begründet, da sie die Art der Auszahlung des Arbeitsentgelts betrifft. Der 290 291
Oben 4. b) bb). Oechsler, Personal und Arbeit, S. 518 f., S. 522.
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Arbeitgeber erfüllt durch die Überweisung seine Lohnzahlungspflicht in der Höhe des Sterbekassenbeitrags gemäß § 362 Abs. 2 BGB. Mit Blick auf das Bestehen einer Sozialeinrichtung anders ist es, wenn der Arbeitgeber neben der tatsächlichen Hilfeleistung bei der Beitragszahlung die Verwaltung der Sterbekasse treuhänderisch übernimmt. Zwar könnten die Arbeitnehmer die Sterbekasse auch selbst verwalten, doch wäre dann zu fragen, ob das dafür zuständige Kassenmitglied ein Entgelt oder eine Aufwandsentschädigung erhält, was das Sterbekassenvermögen reduzieren würde. Hier bedient man sich aber oft bewusst der Arbeitgeberinfrastruktur, der Erfahrung des Arbeitgebers bei Buchhaltung, Verwaltung von Vermögen etc. Dies hat einen marktüblichen Wert, den die Sterbekasse, würde sie einen Dritten mit dieser Aufgabe betrauen, vergüten müsste. Sofern sich daher der Arbeitgeber bereit erklärt, die Sterbekasse unentgeltlich zu verwalten, kommt dies der Höhe des Sterbegeldes zu Gute, weil ein Preis für diese Leistungen nicht zu zahlen ist. An dieser Stelle ist es schließlich unerheblich, ob der Arbeitgeber als Treuhänder des Sterbekassenvermögens ein von den Arbeitnehmern zuvor festgelegtes Verteilungsschema anwendet oder ob er selbst Verteilungsentscheidungen trifft.292 In beiden Fällen wäre die Dienstleistung auf dem Markt zu vergüten, worauf der Arbeitgeber hier verzichtet. cc) Verhalten des Arbeitgebers „innerhalb“ einer bereits errichteten rechtsfähigen Arbeitnehmersolidarkasse Haben die Arbeitnehmer bereits ein Rechtssubjekt errichtet, welches soziale Leistungen erbringt, etwa einen Sterbekassenverein, und wird der Arbeitgeber nun für diesen Verein zum Beispiel als Vorstand und Geschäftsführer tätig, besteht selbst dann keine Sozialleistung im Sinne der Mitbestimmungstatbestände gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG, wenn er diese Leistungen unentgeltlich erbringt, um den Zweck des Vereins zu fördern. Ursprung der Mitbestimmung bleibt erneut die Entscheidung des Arbeitgebers, eine Sozialleistung anlässlich des Arbeitsverhältnisses zu erbringen, die durch Beteiligung des Betriebsrats zu verteilen ist. In dem Beispiel leistet der Verein die Sozialleistung Sterbegeld, weil sich die Arbeitnehmer selbst gegenseitig Hilfe bei Todesfällen gewähren möchten. Den Ursprung der sozialen Leistung bildet somit die Arbeitnehmerentscheidung. Zwar ist die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsordnung in der Weise zwingend, dass der Betriebsrat auch dann mitzubestimmen hat, wenn die Arbeitnehmer eine solche Beteiligung des Betriebsrats ablehnen oder meinen, selbst ihre Interessen besser wahrnehmen zu können.293 Anerkannt ist auch, dass die Mitbestimmung nicht entfällt, weil die Arbeitnehmer Mitglieder einer rechtlich selbständigen
292 293
Ob in beiden Fällen eine Sozialeinrichtung besteht, klärt sich unter 3. Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, Einleitung, Rn. 134 ff.
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Sozialeinrichtung sind und Mitgliedschaftsrechte haben.294 Das hat weniger damit zu tun, dass sich die Mitgliedschaftsrechte nicht auf die Verwaltung beziehen.295 Vielmehr trifft die These zu, nach der der Betriebsrat bei der Mitbestimmung eigene Rechte, wenn auch im Interesse der Arbeitnehmer, ausübt.296 Damit entfällt die Mitbestimmungsnotwendigkeit nicht deshalb, weil der Arbeitgeber lieber mit den Arbeitnehmern selbst eine Regelung treffen will. Sie kann auch genauso wenig entbehrlich werden, wenn Arbeitnehmer in einer rechtlich selbständigen Sozialeinrichtung an der Geschäftsführung, der Vertretung oder über die Mitgliedschaft beteiligt sind. Nur wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat darauf verständigen, Arbeitnehmer als Geschäftsführer oder Vertreter in einem gemeinsamen Verfahren als Ausübungsform der Mitbestimmung zu besetzen und auszuwählen, müssen sich die Betriebsparteien das Handeln der Arbeitnehmer zurechnen lassen. Damit lässt sich die Sterbekasse der Arbeitnehmer nicht mit dem Argument aus dem Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ausschließen, dass die Arbeitnehmer Mitglieder der Sterbekasse sind. Zu prüfen ist vielmehr, ob die Sterbekasse Sozialleistungen des Arbeitgebers verteilt. Der Betriebsrat hat an originär von den Arbeitnehmern eines Betriebs getroffenen Entscheidungen, finanzielle Mittel aufzubringen und zu einem sozialen Zweck zu verteilen, nichts mitzubestimmen. Hier begegnen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht in dem für die Mitbestimmung typischen horizontalen Verbund. Teilhaben sollen die Arbeitnehmer durch die Betriebsratsbeteiligung nur an den Entscheidungen des Arbeitgebers. Treffen sie solche originär selbst, kann es eine Beteiligung und Teilhabe an Arbeitgeberentscheidungen nicht geben. Die Gründung einer autonomen Arbeitnehmersterbekasse, die keine sozialen Leistungen des Arbeitgebers erbringt, ist somit unabhängig von einer Beteiligung des Betriebsrats möglich. d) Arbeitgebersozialleistung auch bei durch Arbeitnehmer gegründeten Solidarkassen Allerdings ist Vorsicht geboten: Schlägt der Arbeitgeber den Arbeitnehmern vor, dass diese eine eigene betriebliche Sterbekasse oder eine andere Solidarkasse gründen, die er zum Beispiel finanziell unterstützen möchte, ist damit die Entscheidung über das Ob einer Sozialleistung bereits getroffen, um einen festgelegten sozialen Zweck zu erreichen. Diese Entscheidung löst die Mitbestimmung des Betriebsrats je nach Konstellation entweder nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG oder gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aus. Auch wenn die Arbeitnehmer bereits einen Verein errichtet haben, führt schon die Unterstützungsentscheidung an sich zur Mitbestimmungsnotwendigkeit des Betriebsrats. Wenn die Sterbegelder aus 294 Auffarth, DB 1962, S. 672, S. 673; Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 359, 373; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 748 m. w. N. 295 So die Begründung der Nachweise in vorheriger Fn. 296 v. Hoyningen-Huene, Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 212, Rn. 12; Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 BetrVG, Rn. 64.; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 37.
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einem vom übrigen Betriebsvermögen getrennten Vermögen erbracht werden sollen, hat der Betriebsrat über die Form der Einrichtung mitzubestimmen. Möglich ist hier, dass Arbeitgeber und Betriebsrat mittels Betriebsvereinbarung oder auch einer Regelungsabrede überein kommen, dass ein Sterbekassenverein gegründet werden soll, dessen Mitglieder die Arbeitnehmer des Betriebs einschließlich Auszubildender, leitender Angestellter sowie der Betriebsrentner sind. Der Arbeitgeber ist dann mitbestimmungsrechtlich verpflichtet, alles zu tun, um den Vorgaben aus der Betriebsvereinbarung oder der Regelungsabrede – zum Beispiel, dass die Satzung der rechtlich selbständigen Einrichtung den Regelungen der Betriebsvereinbarung, der Betriebsabsprache entspricht – zu genügen und muss sicherstellen, dass die Sozialeinrichtung diese befolgt.297 Im Einzelnen gelten die Grundsätze zur Gestaltung der Mitbestimmungsausübung bei rechtlich selbständigen Sozialeinrichtungen im Wege der zweistufigen oder der organschaftlichen Lösung.298 Ein bereits durch die Arbeitnehmer errichteter Verein oder die Gründung eines Vereins durch diese ohne Berücksichtigung der in einer Betriebsvereinbarung oder einer Betriebsabsprache enthaltenen Regelungen wäre zwar rechtswirksam.299 Zivil- und gesellschaftsrechtlich ist es den Arbeitnehmern nicht verwehrt, einen Verein oder ein sonstiges Rechtssubjekt zu errichten. Es handelt sich dann aber nicht um eine Sozialeinrichtung. Sie entspricht nicht der vom Arbeitgeber errichteten Sozialeinrichtung und ist nicht das Ergebnis einer Verteilungsentscheidung von Arbeitgebersozialmitteln zwischen den Betriebsparteien. Über das Bestehen einer Sozialeinrichtung entscheidet nämlich nicht die zivile oder gesellschaftsrechtliche Rechtsform, sondern, ob die betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben des Begriffs der Sozialeinrichtung erfüllt sind. Hier genügt bereits die Entscheidung des Arbeitgebers, finanzielle Mittel zur Zahlung von Sterbegeld bereit zu stellen, die er vom sonstigen Betriebsvermögen isolieren möchte. Damit steht die Entscheidung über die Rechtsform einer bereits durch den Arbeitgeber errichteten Sozialeinrichtung an. Dem Mitbestimmungsrecht ist insoweit zunächst genügt, wenn die Betriebs parteien beispielsweise die Errichtung eines Sterbekassenvereins in einer Betriebsvereinbarung vorgesehen haben. Selbst wenn der Arbeitgeber seiner Durchführungspflicht gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG genügt, kann er allerdings alleine einen Verein zivilrechtlich nicht gründen. Möchten die Arbeitnehmer andere Satzungsinhalte als zwischen den Betriebsparteien verabredet festlegen und gründen autonom einen Verein, ist das zwar rechtlich möglich, es besteht aber keine Pflicht des Arbeitgebers, diesem Verein die Geldmittel zu überlassen, sodass dieser Verein keine Sozialleistungen des Arbeitgebers verteilt und damit keine Sozialeinrichtung ist. Umgekehrt dürfen die Betriebsparteien der autonom gegründeten Sterbekasse nicht eine Sozialleistung des Arbeitgebers aufzwingen. Möglicherweise möchten die Arbeitnehmer eine Abhängigkeit zum Arbeitgeber und eine Beteiligung des BAG v. 13. 7. 1978, AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972, Altersversorgung. diesen Ausübungsformen der Mitbestimmung statt aller Wiese, in: GK-BetrVG, Rn. 747 ff. 299 Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 681 f. 297
298 Zu
116 § 2 Einordnung der Arbeitnehmersolidarkassen in das Betriebsverfassungsrecht
Betriebsrats an der Gestaltung „ihres“ Sterbekassenvereins vermeiden. Die Betriebsparteien können sich nicht in eine autonome Sterbekasse „einkaufen“, nur weil der Arbeitgeber diese finanziell unterstützen möchte. Es lässt sich auf den Punkt bringen: Mitbestimmungsrechtlich sind die Anforderungen an das Bestehen einer Sozialeinrichtung erfüllt, wenn der Arbeitgeber Gelder für Sterbegeldzahlungen an die Arbeitnehmer bereitstellen und aus einem vom sonstigen Betriebsvermögen isolierten Vermögen leisten möchte. Eine im Betrieb bereits bestehende Sterbekasse, die ursprünglich von den Arbeitnehmern autonom gegründet wurde, verändert sich dadurch (noch) nicht zur Sozialeinrichtung. Mitbestimmungsrechtlich ist wesentlich, dass ein Sterbekassenverein nur dann Sozialeinrichtung sein kann, wenn er Sozialleistungen des Arbeitgebers verteilt. Das Mitbestimmungsrecht entsteht aber bereits vor Gründung des Vereins, da hierdurch bereits die Form der Sozialeinrichtung festgelegt wird. Daraus folgt auch: Unterstützt der Arbeitgeber einen bereits durch die Arbeitnehmer errichteten Verein beispielsweise dadurch, dass er im Verein Aufgaben als Geschäftsführer und Vorstand übernimmt, geht dieser Entscheidung keine Entscheidung über die Erbringung einer Sozialleistung als Arbeitgeber voraus. Er erbringt die Leistung sogleich originär für den Verein. Möchte der Arbeitgeber hingegen einen Sterbekassenverein der Arbeitnehmer finanziell unterstützen, liegt es anders. Er trifft dann als Arbeitgeber die Entscheidung, Geldmittel für einen sozialen Zweck aufzubringen. Ab wann sich in solchen Fällen eine von Arbeitnehmern autonom gegründete Sterbekasse in eine Sozialeinrichtung wandelt und das Rechtssubjekt Verein die Sozialeinrichtung bildet, kann über das Merkmal Sozialleistung nicht abschließend beantwortet werden und wird unter 3. zu klären sein. e) Zum Vermögenswert des Vorteils Eine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG soll auch dann gegeben sein, wenn die Arbeitnehmer durch sie einen Vorteil nichtwirtschaftlicher Art erhalten.300 Was folgt daraus für die Beurteilung, ob ein Verhalten des Arbeitgebers einen für die Arbeitnehmer günstigen Einfluss auf die Sozialleistung hat? Bei der Antwort ist zwischen der Sozialleistung, die die Arbeitnehmer erhalten, und den für sie aufzubringenden Sozialmitteln zu unterscheiden. In den meisten Fällen lässt sich der Sozialvorteil auf Seite des Arbeitnehmers in einem vermögenswerten Vorteil erkennen, weil er eine Zahlung erhält oder eine Leistung, für die er ein marktübliches Entgelt nicht oder nur reduziert leistet. Es gibt aber auch Beispiele, bei denen sich ein Sozialvorteil nicht vermögenswert darstellen lässt. Zu nennen sind beispielsweise Erholungsräume oder betriebseigene Bibliotheken, für die ein marktübliches Entgelt nicht anfallen kann, weil die Benutzung einer Bibliothek auch außerhalb des Betriebs kostenlos möglich ist und die Benutzung eines 300 Zu diesem Ansatz Kaiser, in: Löwisch/Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 173; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 687; Galperin/Löwisch, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 173.
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Erholungsraums auf dem Markt in dieser Weise nicht in Betracht kommt. Dennoch verbessert ein besonders gestalteter Erholungsraum die Lage der Beschäftigten im Vergleich zu einem weniger gut gestalteten, und auch die Nutzungsmöglichkeit einer Bibliothek ist vorteilhaft. Trotz der Tatsache, dass diese Vorteile nicht vermögenswert sind, besteht in beiden Fällen eine Sozialeinrichtung.301 Solche Einrichtungen sind nämlich nicht denkbar, ohne dass sie selbst einen Vermögenswert haben, den der Arbeitgeber für eine zweckbestimmte Nutzung zur Verfügung stellt, vor allem weil er Sozialmittel wie Räume, Inventar, Mobiliar, Geld und Personal gewähren muss, um den Sozialvorteil auf Arbeitnehmerseite zu ermöglichen. Mit der Möglichkeit der Nutzung einer Bibliothek verbunden ist die Aufbringung verschiedener Sozialmittel, die in der Einrichtung Bibliothek zusammengefasst und über die Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zu verteilen sind, etwa indem die Betriebsparteien im Rahmen der Ausgestaltung eine Benutzungsordnung festlegen. Daher gilt: Auch wenn die Arbeitnehmer selbst keinen vermögenswerten Vorteil erhalten, werden mit der Einrichtung Bibliothek Sozialmittel des Arbeitgebers verteilt. Ohne diese Leistungen des Arbeitgebers wäre der Sozialvorteil auf Arbeitnehmerseite nicht denkbar. Das rechtfertigt die Beteiligung des Betriebsrats, weil der Arbeitgeber mit der Erbringung der Sozialmittel einen Vorteil herbeiführt. Die Mitbestimmung hängt damit nicht zwingend davon ab, dass der Arbeitnehmer einen vermögenswerten Vorteil erhalten soll, sondern davon, dass der Vorteil in seiner konkreten Gestalt dadurch beeinflusst ist, dass der Arbeitgeber Sozialmittel zur Verfügung stellt. Rechtsprechung und Schrifttum streiten um die Grenze, ab wann nicht mehr von einem sozialen Vorteil auf Arbeitnehmerseite zu sprechen ist.302 Auf einen objektiven Vorteil allein303 darf nicht abgestellt werden. Sinn und Zweck der Mitbestimmung sind nicht bereits deshalb betroffen, weil der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, sich in der Betriebskantine zu verpflegen oder mittels eines vom Arbeitgeber bereitgestellten Werkverkehrs zur Arbeit zu kommen. Art. 12 und Art. 14 GG gewähren dem Arbeitgeber die Möglichkeit, eine Kantine, den Werkverkehr oder andere Einrichtungen zu errichten, um erwerbswirtschaftlich tätig zu sein. Dann werden keine Sozialmittel aufgebracht. Sämtliche für das Betreiben eines Werkverkehrs, einer Kantine notwendigen Geld-, Sach- und Personalmittel setzt der Arbeitgeber dann ausschließlich zur Gewinnerzielung ein, wenn er seine Aufwendungen hierfür sowie einen marktüblich zu erzielenden Gewinn in die Kalkulation eines für die Nutzung der Einrichtung notwendigen Entgelts einbezieht. Zu einem marktüblichen Preis an die Arbeit befördert zu werden oder sich verpflegen zu können, kann den Begriff der sozialen Leistung nicht erfüllen. Nicht ohne Grund bejaht die Rechtsprechung beim Personalkauf eine Sozialleistung des
Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 692. den verschiedenen Ansätzen m. w. N. Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 687 ff. 303 In diesem Sinne wohl Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 687 ff. 301
302 Zu
118 § 2 Einordnung der Arbeitnehmersolidarkassen in das Betriebsverfassungsrecht
Arbeitgebers, weil die Arbeitnehmer günstiger als marktüblich kaufen können.304 „Gerecht“ sein im Sinne der Tatbestände des § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG soll nicht ein vom Arbeitgeber betriebenes Erwerbsgeschäft. Kontrolliert werden sollen nur die Verteilungsgrundsätze, nach denen er den Arbeitnehmern Vorteile neben dem eigentlichen Arbeitsentgelt gewährt. Ursprünglich sollten damit nur freiwillige Sozialleistungen erfasst sein, die keinen Entgeltcharakter haben.305 Dieser Ansatz ist mit dem heutigen Verständnis zum Entgeltbegriff – der eben auch Sozialleistungen erfasst – aufgegeben worden.306 Das bedeutet: Obschon sie Teil eines Entgelts für die Gegenleistung Arbeit sind, werden sie als Sozialleistungen begriffen, weil sie ein „Mehr“ im Vergleich zum eigentlichen Arbeitsentgelt darstellen und der Arbeitgeber es ihnen zur Entlohnung ihrer Arbeitsleistung nicht gewähren müsste. Grundlage der Mitbestimmung ist damit eine über die Entgeltleistung hinausgehende Leistung, die deshalb eine soziale ist, weil sie die eigentliche Abgeltung der Arbeitsleistung übersteigt und ihr insoweit keine weitere Gegenleistung der Arbeitnehmer gegenüber steht.307 Erhalten die Arbeitnehmer hingegen Leistungen, die sie marktüblich vergüten müssen, lässt sich von einem sozialen Vorteil nicht mehr sprechen. Ein solcher besteht, wenn der Arbeitgeber einen Werkverkehr über eine Sozialeinrichtung erbringt, für die er benötigte Fahrzeuge erwirbt, Personal abstellt und bezahlt.308 Lässt er den Werkverkehr von einem Drittunternehmen betreiben, welches er dafür bezahlt, besteht keine Sozialeinrichtung, aber ein Fall des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.309 Betreibt der Arbeitgeber selbst oder ein Dritter den Werkverkehr zu marktüblichen Entgelten, ist allein die Möglichkeit zur Nutzung des Werkverkehrs nicht ein sozialer Vorteil, den der Arbeitgeber zusätzlich zum Arbeitslohn anlässlich des Arbeitsverhältnisses gewähren möchte. Er wird vielmehr ausschließlich erwerbswirtschaftlich tätig, ohne Sozialmittel zu verteilen. Gerade in Fällen, in denen die Arbeitnehmer an den Kosten einer Einrichtung beteiligt werden sollen, ist im Einzelfall zu fragen, welche sozialen Vorteile die Arbeitnehmer erhalten und welchen Einfluss der Arbeitgeber hierauf hat, um von Arbeitgebersozialleistungen sprechen zu können. In der Regel erhalten die Arbeitnehmer Vorteile, die einen Vermögenswert haben. Dann ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber hierfür Mittel (Personal, Waren, Dienstleistungen, Geld, weitere Sachmittel) zur Verfügung gestellt hat, um den sozialen Vorteil zu beeinflussen. Erlangen die Arbeitnehmer einen nichtvermögenswerten Vorteil, muss dies ebenso auf den Einsatz von Sozialmitteln durch den Arbeitgeber zurückgehen. AndernBAG v. 8. 11. 2011, 1 ABR 37/10, NZA 2012, S. 462 ff. BAG v. 15. 5. 1957, 1 ABR 8/55, AP Nr. 5 zu § 56 BetrVG; BAG v. 3. 2. 1965, 4 AZR 385/63, AP Nr. 12 zu § 5 TVG. 306 Bereits oben unter § 1: A. I. sowie § 2: B. I. 2. 307 BAG v. 10. 2. 2009, 1 ABR 94/07, NZA 2009, S. 562, S. 564. 308 BAG v. 9. 7. 1985, 1 AZR 631/80, AP Nr. 16 zu § 75 BPersVG. 309 LAG Schleswig-Holstein v. 17. 3. 1983, 2(3) Sa 548/82, BB 1984, S. 140, S. 141. 304 305
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falls ließe sich nicht erklären, wieso Rechtsprechung und Literatur den wesentlichen Unterschied des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zu § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG darin sehen, dass diejenigen Sozialmittel, die dem Zweck der Sozialleistung dienen, von den anderen Zwecken dienenden Betriebsmittel abgrenzbar sind und in dieser Weise zu einem zweckgebundenen Sondervermögen zusammengefasst sind.310 Unabhängig davon, ob die Arbeitnehmer einen vermögenswerten oder nichtvermögenswerten Vorteil erhalten, werden daher sämtliche Betriebsmittel, die zur Erreichung des Sozialzwecks notwendig sind, mit dem Oberbegriff der Sozialeinrichtung zusammengefasst, aus der dann die eigentliche Sozialleistung an den Arbeitnehmer fließt. Die Sozialleistung, selbst wenn sie keinen wirtschaftlichen Wert hat, muss somit zumindest Ausdruck der sozialen Zwecken dienenden Gesamtheit von Mitteln sein. Daraus folgt für die Einordnung der Arbeitnehmersolidarkassen: Bei diesen werden Geldmittel zur Finanzierung eines Sozialvorteils gesammelt. Sobald der Arbeitgeber durch die Aufwendung von Sozialmitteln dazu beiträgt, dass der mit der Solidarkasse verfolgte Zweck erreicht werden kann, indem ein Vermögensvorteil überhaupt erst entsteht oder gesteigert wird, handelt es sich bei der Leistung an die Arbeitnehmer um eine Sozialleistung.311 In den meisten Fällen betrieblicher Solidarkassen erhalten die Arbeitnehmer als Sozialleistungen vermögenswerte Vorteile (Sterbegeld, Geld- und Sachzuwendungen zu „freudigen“ Ereignissen, Dienstleistungen und Nutzungen, die einen marktüblichen Wert haben, zum Beispiel die kostenlose Teilnahme an Betriebsfeiern und Ausflügen). Möglich sind auch Kassen, in die Arbeitnehmer einzahlen, um Arbeitnehmern nichtvermögenswerte Vorteile zu ermöglichen. Denkbar ist zum Beispiel, dass Arbeitnehmer Geld sammeln, um einen Erholungsraum umzugestalten. Die Nutzungsmöglichkeit hat dann keinen geldwerten Vorteil, verbessert dennoch die objektive Lage im Betrieb, und wird dadurch erreicht, dass der Arbeitgeber einen Raum zur Verfügung stellt. Entsprechend wie beim Personalkauf oder der Betriebskantine die Sozialleistung aus der Differenz des gezahlten Entgelts zum marktüblichen Entgelt besteht, ergibt sich die Sozialleistung bei Zahlung eines Sterbegeldes bei Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam aus dem höheren Sterbegeldbetrag, welcher durch die Geldmittel des Arbeitgebers ermöglicht wird. Bei dieser Sozialleistung ist es für die Anwendung von § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG belanglos, ob erst der Arbeitgeber Geldmittel für eine Sterbekasse aufbringen will, an der sich die Arbeitnehmer mit Beiträgen beteiligen oder die Arbeitnehmer Gelder sammeln und der Arbeitgeber diese finanziell unterstützt. In beiden Fällen besteht ein vermögenswerter Vorteil.
310
Oben unter I. 1. und 2. Daher ist die Argumentation des BAG zutreffend, nach der ein günstiges Mittagessen durch die Sozialmittel Raum und Personal mitbedingt ist; BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1, S. 12. 311
120 § 2 Einordnung der Arbeitnehmersolidarkassen in das Betriebsverfassungsrecht
2. Verselbständigte und auf Dauer angelegte Gesamtheit von Sozialmitteln a) Spontansammlungen Eine Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 kann nur bestehen, wenn eine Gesamtheit von Sozialmitteln zur Zweckerreichung auf Dauer angelegt ist.312 Solidarkassen, die durch eine spontane Geldsammlung und nur für den Einzelfall entstehen, sind keine Sozialeinrichtungen, auch wenn der Arbeitgeber Sozialmittel zur Verfügung stellt. Zu nennen sind beispielsweise Geldsammlungen, um Geschenke für Geburtstage, Jubiläen, Hochzeiten, Geburten zu finanzieren. Genauso können auch Sterbe- und Unfallkassen anlässlich eines aktuellen Unglücks- und Sterbefalls entstehen. Damit die soziale Leistung Geld ausgezahlt oder ein Geschenk übereignet werden kann, benötigt man die Sozialmittel Geld und Personal. Sofern diese Sozialmittel nur im Einzelfall eingesetzt werden, fehlt es an einer auf Dauer angelegten Verselbständigung einer Gesamtheit von Sozialmitteln. Daran ändert sich nichts, wenn die Sammlung von Geld zu bestimmten Anlässen immer wieder erfolgt und sich wiederholt. Es handelt sich jeweils um einen neuen Einzelfall, bei dem neue Sozialmittel gesammelt und nur für das betreffende Ereignis zur Verfügung stehen. Vereinzelt vertretene Gedanken, das Organisationserfordernis durch ein Institutionalisierungserfordernis zu ersetzen313 – der Unterschied zwischen beiden Erfordernissen wird nicht näher dargelegt – oder es sogar für das Vorliegen einer Sozialeinrichtung genügen zu lassen, wenn unabhängig von einer Institutionalisierung von Sozialmitteln eine Sozialeinrichtung den Arbeitgeber „binden“ soll wie bei wiederkehrenden Kegelabenden oder Briefmarkenaustauschtagen,314 können zu keinem anderen Ergebnis führen. Auch die Vertreter der letztgenannten Ansicht begründen ihre Meinung nicht näher. Jedenfalls taugt ein Kriterium der wiederkehrenden Leistung zur Feststellung einer Sozialeinrichtung bereits deshalb nicht, weil dadurch noch kein für die Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG 312 Peters, DB 1967, S. 1500, S. 1501; Weigel, BB 1974, S. 1583; Höfer/Kemper, DB 1974, S. 241, S. 242; Moll, BB 1988, S. 400, S. 402; Popp, BB 1994, S. 1141, S. 1143; Stege/ Weinspach/Schiefer, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 136; Worzalla, in: Hess/ Worzalla/Glock/Nicolai/Rose/Huke, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 390; Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 340; Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 480; Nikisch, Arbeitsrecht, Band III, S. 403; BAG v. 18. 3. 1976, 3 ABR 32/75, AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972, Altersversorgung; BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1, S. 12; BAG v. 16. 6. 1998, 1 ABR 67/97, AP Nr. 92 zu § 87 BetrVG 1972, Lohngestaltung; BAG v. 10. 2. 2009, 1 ABR 94/07, AP Nr. 21 zu § 87 BetrVG 1972, Sozialeinrichtung; BAG v. 8. 11. 2011, 1 ABR 37/10, NZA 2012, S. 462, S. 463. 313 Helm, in: Siebert/Becker, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 84. Bei Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 340 wird mit „Institutionalisierung“ ein gewisser Grad an Organisation verstanden. 314 Reich, Andreas/Reich, Bernhard/Reich, Christine, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 9.
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notwendiger Kollektivbezug315 der Sozialleistungen hergestellt wird. Betriebsfeiern richten sich an sämtliche Arbeitnehmer, die spontan durchgeführte Sammlung entsteht gerade aus dem Einzelfall und dient auch nur diesem. Daher besteht auch kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. b) Auf Dauer angelegte Solidarkassen Neben den Spontansammlungen gibt es Solidarkassen, die auf Dauer angelegt sind und einem sozialen Zweck der Arbeitnehmer dienen. Für die Subsumtion unter das Merkmal der betriebsverfassungsrechtlich relevanten verselbständigen Gesamtheit von Sozialmitteln sind folgende Punkte zu bedenken: aa) Zivilrechtliche Rechtssubjektivität unbeachtlich Die Sozialeinrichtung316 braucht keine eigene Rechtspersönlichkeit. Der Arbeitgeber darf die Einrichtung selbst betreiben und muss ein zivilrechtlich selbständiges Rechtssubjekt nicht gründen.317 Insofern bestehen keine „besonderen Anforderungen an die Ausformung einer Organisation“.318 Für den Tatbestand der Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr.8 BetrVG ist es damit unerheblich, ob eine Sterbekasse in der Rechtsform eines Vereins oder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben wird. Da der Betriebsrat über die Rechtsform mitzubestimmen hat, genügt eine betriebsverfassungsrechtlich relevante Verselbständigung von Sozialmitteln. bb) Anforderungen an die betriebsverfassungsrechtlich relevante Verselbständigung von Sozialmitteln Die Anforderungen an die betriebsverfassungsrechtliche Verselbständigung von Sozialmitteln sind nicht streng. Sie sollen lediglich sicherstellen, dass der Arbeitgeber in der Zusammenschau der Tatbestände der Nr. 8 und der Nr. 10 des § 87 Abs. 1 BetrVG keine Gestaltungsmöglichkeit findet, um Sozialleistungen mitbestimmungsfrei erbringen zu können. Daher genügt jede tatsächlich feststellbare Trennung bestimmter Sozialmittel von den übrigen Betriebsmitteln, zum Beispiel reicht aus, wenn für das Betreiben einer Betriebskantine Personal, Mobiliar, Inventar oder Räume notwendig sind, die für diesen Zweck zur Verfügung gestellt werden.319 Freilich bleibt der Arbeitgeber in Fällen zivilrechtlich unselbständiger Einrichtungen das Rechtssubjekt, dem das Vermögen zugeordnet ist. Insofern ließe sich an ein Mitbestimmungsrecht nur nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG denken, weil die BAG v. 10. 2. 2009, 1 ABR 94/07, AP Nr. 21 zu § 87 BetrVG 1972, Sozialeinrichtung. Grundsätzliches zum Begriff oben unter I. 317 Kothe, in: Düwell, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 94. 318 Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 340. 319 ArbG Augsburg v. 9. 5. 1978, 5 BV 47/77 N, juris. 315 316
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Sozialleistung aus dem Vermögen des Arbeitgebers erbracht wird. Der Grund für die möglichst frühe Annahme einer verselbständigten Einrichtung lässt sich aber schon dem Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG entnehmen, der die Mitbestimmung bereits auf die zu wählende Form erstreckt. Somit kann der Arbeitgeber zwar noch mitbestimmungsfrei entscheiden, ob er eine tatsächliche Trennung von Sozialmitteln möchte, nicht aber, ob sie ihm als Rechtssubjekt zugeordnet bleiben oder ein zivilrechtlich eigenständiger Rechtsträger gegründet wird. Dahinter steht die zutreffende Überlegung, dass bereits die Wahl der Form Einfluss auf die spätere Verteilung der Sozialleistungen haben kann.320 Bedenkt man diese Grundsätze, ergibt sich für das Phänomen Arbeitnehmersolidarkasse folgendes: Werden für die Solidarkasse eigene Konten angelegt oder Geld in einer Bargeldkasse – Stichwort: Kaffeekasse – gesammelt, liegt bereits ein vom übrigen Betriebsvermögen getrenntes Vermögen vor. Dieses Kassenvermögen entsteht und erhöht sich durch einmalige oder laufende Zahlungen und vermindert sich durch Auszahlungen, vor allem bei Eintritt eines Leistungsanfalls. Damit verbunden ist die Notwendigkeit der Verwaltung der Kasse. Bei der Sterbekasse besorgen dies entweder vom Arbeitgeber abgestelltes Personal, er selbst, Arbeitnehmer oder einzelne Betriebsratsmitglieder, häufig der jeweilige Betriebsratsvorsitzende. Bei solchen Sachlagen bildet die Sterbekasse ein vom übrigen Betriebsvermögen abgrenzbares Kassenvermögen. Das Beispiel der Sterbekasse lässt sich auf sämtliche Solidarkassen übertragen, bei denen Geld gesammelt wird, um aus dem Kassenvermögen einen sozialen Zweck zu erfüllen. Sofern aus dem Vermögen Sach- und Dienstleistungen erbracht werden sollen, die die eigentliche Sozialleistung darstellen, kommt zu den Geldmitteln noch der Personalbedarf als Sozialmittel hinzu. Bei Solidarkassen, die der Finanzierung von Betriebschören, Theater- und Schauspielgruppen, der Ausstattung und Unterhaltung von Fitnessräumen, Saunen, Schwimmbädern und dergleichen dienen, erhöht sich der Bestand an Sozialmitteln über die Geldmittel hinaus entsprechend. Hinzu kommt in diesen Fällen, dass der Arbeitgeber zumindest Räume zur Verfügung stellt. Hier bildet das durch die Arbeitnehmer gesammelte Geldvermögen nur einen Teil der Gesamtheit von Sozialmitteln, welche die Sozialleistung ermöglichen. Je nach Fallkonstellation können soziale Kassen unter das Merkmal der betriebsverfassungsrechtlich relevanten verselbständigten Gesamtheit von Sozialmitteln als Voraussetzung einer Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG subsumiert werden. Die Diskussion um das Organisationsmerkmal erschwert die rechtliche Einordnung sozialer Kassen nicht. Die gezeigte Verselbständigung des Kassenvermögens und anderer Sozialmittel erfüllt sowohl den Begriff des „zweckgebundenen Sondervermögens“321 als auch die vom BAG favorisierte Feststellung einer abgrenzbaren, auf Dauer gerichteten und äußerlich erkennbaren Organisati320 321
Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 359. So vor allem Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 679.
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on, die einer rechtlichen und tatsächlichen Verwaltung bedarf.322 Erstens fasst die Organisation auch nur das zweckgebundene Sondervermögen, bestehend aus den notwendigen Sozialmitteln, zusammen. Zweitens ist die Verselbständigung der Sozialmittel als Kassenvermögen auf eigenem Konto und der sonstigen benötigten Sozialmittel in Fällen von Betriebschören, Theater- und Schauspielgruppen oder zur Ausstattung und Unterhaltung von Fitnessräumen, Saunen, Schwimmbädern äußerlich erkennbar und verlangt eine Verwaltung dieser Mittel. 3. Verteilungsmacht des Arbeitgebers a) Ausganspunkt: Die privatautonome Arbeitgeberentscheidung § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG beschränkt die Möglichkeiten des Arbeitgebers zur Verteilung der Sozialleistungen über eine verselbständigte Gesamtheit von Betriebsmitteln. Das BAG formuliert zutreffend, Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 BetrVG sei auch, wegen der „sozialen Abhängigkeit des Arbeitnehmers und im Hinblick auf den Teilhabegedanken die Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei der Vertragsgestaltung und der Ausübung seines Direktionsrechts“ zu beschränken.323 Beschränken lässt sich logischerweise nur dann eine Entscheidung des Arbeitgebers, wenn er überhaupt in seiner Stellung als Arbeitgeber entscheiden kann. Daher wurden bereits Entscheidungen, die der Arbeitgeber originär in anderer Rolle, etwa als Geschäftsführer oder Vorstand eines Vereins trifft, aus dem Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ausgeschieden.324 Zuzustimmen ist demzufolge dem BVerwG, das als Ausgangspunkt der Mitbestimmung bei § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG nicht den Wirkungsbereich einer Sozialeinrichtung, sondern das Handeln der Dienststelle bestimmt.325 Mitbestimmung sei die „gleichrangige Teilnahme der Personalvertretung an der einer Maßnahme vorausgehenden Willensbildung nur im Zusammenhang mit einem beabsichtigten Handeln der Dienststelle …“326 Das entspricht dem Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG, die Arbeitnehmer vor einseitigen, nur an den Interessen des Arbeitgebers orientierten sowie intransparenten Verteilungsentscheidungen zu schützen.327 Das Wesen einer Sozialeinrichtung beschränkt sich somit nicht auf ihren betrieblichen Wirkungsbereich,328 sondern liegt in der Verteilung von Sozialleistungen auf
BAG v. 10. 2. 2009, 1 ABR 94/07, BAGE 129, S. 313, S. 318 f. BAG v. 8. 11. 2011, 1 ABR 37/10, NZA 2012, S. 462, S. 464. 324 Oben unter 1. c). 325 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28; BVerwG v. 28. 6. 2000, 6 P 1.00, NZA 2000, S. 1123 ff. 326 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28. 327 Oben unter III. 6. 328 BVerwG v. 5. 2. 1971, VII P 12.70, AP Nr. 7 zu § 67 PersVG; BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28. 322 323
124 § 2 Einordnung der Arbeitnehmersolidarkassen in das Betriebsverfassungsrecht
Grund einer privatautonom getroffenen Entscheidung des Arbeitgebers, Mittel für einen sozialen Zweck zu verselbständigen, um Sozialleistungen zu erbringen. Dies lässt sich anhand eines Beispiels verdeutlichen: Der Arbeitgeber entscheidet, er möchte finanzielle Mittel aufwenden, um den Arbeitnehmern und ihren Hinterbliebenen Hilfe im Sterbefall zu gewähren. Dann legt er Zweck, Begünstigte und Umfang der Geldmittel fest. Außerdem verselbständigt er die Sozialmittel, indem er ein Sterbekassenkonto einrichtet. Ohne Betriebsrat wird der Arbeitgeber weiter entscheiden, nach welchen Regeln die Sozialmittel zu verteilen sind. Er kann die Verteilung zum Beispiel über Einheitsregeln im Arbeitsvertrag oder Gesamtzusagen, aber auch durch die Satzung eines rechtlich selbständigen Rechtssubjekts bestimmen. Er hat eine tatsächliche und rechtliche Verteilungsmacht. Nur diese soll durch die Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG eingeschränkt werden. Fehlt sie, kann auch ein Mitbestimmungsrecht nicht bestehen, weil seine Ausübung die Verteilung nicht beeinflussen könnte. Soweit ließe sich mit dem BVerwG feststellen: Erbringt der Arbeitgeber finanzielle, materielle und/oder persönliche Hilfen für eine rechtlich selbständige Einrichtung, wird diese Einrichtung nicht zur Sozialeinrichtung, wenn der Arbeitgeber keinen rechtlichen Einfluss auf die Einrichtung hat.329 Genauer meint das BVerwG330 und ihm folgend die Literatur331 mit rechtlichem Einfluss: ein rechtlich „fassbarer“, richtungsweisender Einfluss auf Errichtung, Verwaltung und Auflösung der Einrichtung. Daraus folgt zweierlei: Erstens erhält der rechtliche Einfluss nach dieser Rechtsprechung und Literatur ein Erheblichkeitskriterium. Zweitens bezieht sich der Einfluss auf die Kriterien der Mitbestimmung. Entsprechendes findet sich in der Literatur zum Betriebsverfassungsrecht. Es ist die Rede vom „rechtlich richtungsweisenden“332 oder vom „rechtlich abgesicherten“ Einfluss333, oder man meint, die Mitbestimmung sei in dem Umfang zu bejahen, wie dem Arbeitgeber Rechte hinsichtlich der Ausgestaltung oder Verwaltung zustehen.334 Zu fragen ist damit, ob der rechtliche Einfluss des Arbeitgebers näherer Präzisierung bedarf und worauf genau er sich bezieht.
BVerwG v. 5. 2. 1971, 7 P 12.71, AP Nr. 7 zu § 67 PersVG; BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28. 330 Nachweise in Fn. zuvor. 331 Altvater, in: Altvater/Baden/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 157; Rehak, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 142; Kaiser, in: Richardi/Döner/ Weber, Personalvertretungsrecht, § 75 BPersVG, Rn. 326; Sommer, in: Ilbertz/Widmaier/ Sommer, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 119. 332 Kaiser, in: Löwisch/Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 177. 333 Estelmann, Rechtlich selbständige Sozialeinrichtungen, S. 42 f. 334 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 702; ebenso Klebe, in: Däubler/Kittner/ Klebe/Wedde, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 264. 329
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b) Die These vom Fehlen einer Sozialeinrichtung bei Alleinbestimmung der Arbeitnehmer Nach dem soeben Gesagten ließe sich im Gegenschluss die These vertreten, eine Sozialeinrichtung sei nie gegeben, wenn die Arbeitnehmer allein über Form, Ausgestaltung und Verwaltung der Einrichtung bestimmen können.335 Das klingt auf den ersten Blick einleuchtend. Denn ohne Möglichkeit des Arbeitgebers, über eine Einrichtung entscheiden zu können, könnte man meinen, gebe es auch keine Möglichkeit zur Beteiligung des Betriebsrats. Gründen die Arbeitnehmer autonom eine Sterbekasse, bestimmen sie die Beitrags- und Sterbegeldhöhe, den begünstigten Personenkreis und kümmern sie sich selbst um die Verwaltung, kann der Betriebsrat nicht bloß wegen einer Betriebsbezogenheit dieser Sterbekasse mitbestimmen. Weiter lässt sich argumentieren, ein Mitbestimmungsrecht bestehe deshalb nicht, weil keine Arbeitgeberentscheidung gegeben ist, an der ein Betriebsrat zu beteiligen ist. aa) Unterscheide: Mitbestimmungsgegenstand und Mitbestimmungsausübung Ob ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gegeben ist, entscheidet sich aber nicht, indem man eine bestehende Einrichtung betrachtet und sich fragt, ob über diese Einrichtung die Arbeitnehmer allein bestimmen können oder ob der Arbeitgeber rechtlichen Einfluss hat. Zu diesem Zeitpunkt ist die Mitbestimmungsfrage zu spät gestellt. Man befindet sich bereits im Bereich einer etwaigen Mitbestimmungsausübung. Es ist zeitlich vorher festzustellen, dass ein Betriebsrat mitzubestimmen hat. bb) Beispiel einer Sterbekasse Dazu das folgende Beispiel: Arbeitgeber und Arbeitnehmer überlegen, ob sie eine betriebliche Sterbekasse gründen sollen. Der Arbeitgeber möchte diese zwar finanziell unterstützen, ansonsten aber nichts mit der Sterbekasse zu tun haben. Er möchte den Arbeitnehmern die alleinige Entscheidung über die Verteilung des Sterbegeldes überlassen. Sodann errichten die Arbeitnehmer die Sterbekasse, bestimmen die Beitrags- und Sterbegeldhöhe sowie die Begünstigten und die Verteilung auf diese. Die Arbeitnehmer legen eigenständig die Rechtsform fest, gründen einen Verein und verwalten die Sterbekasse. Unter Anwendung oben336 stehender These besteht hier keine Sozialeinrichtung, sondern eine arbeitnehmerautonome Solidarkasse. Der Arbeitgeber hat keinen Einfluss darauf, wie das gesammelte Geld an die Arbeitnehmer verteilt wird. Seine finanziellen Leistungen an die Sterbekasse wären eine bloße Unterstützung der Sterbekasse der Arbeitnehmer.
335 So 336 b).
Röder, NZA 1987, S. 799, S. 804.
126 § 2 Einordnung der Arbeitnehmersolidarkassen in das Betriebsverfassungsrecht
cc) Maßgeblicher Zeitpunkt der Errichtung einer Sozialeinrichtung Doch verträgt sich eine solche Sichtweise mit den grundlegenden Prinzipien der Mitbestimmung im BetrVG? Zur Mitbestimmung berufen sind nicht die Arbeitnehmer, sondern der Betriebsrat, der die Arbeitnehmer weder vertritt, noch Arbeitnehmerrechte im eigenen Namen ausübt, sondern die Mitbestimmungsrechte als eigene Rechte im eigenen Namen, wenn auch im Interesse der Arbeitnehmer, wahrnimmt.337 Die Mitbestimmungsrechte können nicht durch rechtliche und/oder tatsächliche Gestaltungen des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer oder von beiden gemeinsam umgangen werden.338 Dazu gehört auch, dass die Mitbestimmung nicht deshalb entfällt, weil die Arbeitnehmer Mitglieder einer rechtlich selbständigen Einrichtung sind und Mitgliedschaftsrechte ausüben.339 Nicht die Arbeitnehmer entscheiden, ob sie durch den Betriebsrat an Arbeitgeberentscheidungen beteiligt werden,340 sondern das BetrVG regelt, in welchen Fällen der Betriebsrat zu beteiligen ist.341 In dem Moment, in dem der Arbeitgeber finanzielle Mittel für eine noch nicht errichtete Sterbekasse der Arbeitnehmer im Betrieb gewähren möchte, ist bereits ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entstanden. Die vom Arbeitgeber autonom zu treffenden Entscheidungen sind getroffen. Er legt fest, wieviel er zahlen möchte. Der Zweck ist ebenfalls bestimmt (Sterbegeldleistung) und da die Zahlung den Arbeitnehmern des Betriebs zu Gute kommen soll, ist auch der Personenkreis der Begünstigung festgelegt. Der Arbeitgeber darf schließlich autonom bestimmen, ob er die Mittel zur Zweckerreichung verselbständigen möchte oder nicht.342 Im ersten Fall ergibt sich ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG und im zweiten gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die Entscheidung, die Mittel an eine zu gründende Sterbekasse zu leisten, ist eine Entscheidung darüber, die Mittel zu verselbständigen, weil die eigentliche Sozialleistung – Sterbegeldzahlung – nicht direkt vom Arbeitgeber an die Arbeitnehmer erfolgt, sondern über die Sterbekasse. Zu diesem Zeitpunkt der Arbeitgeberentscheidung ist nicht danach zu fragen, ob zur Umsetzung dieser eine rechtlich selbständige Sterbekasse durch die Arbeitnehmer gegründet werden soll. Das ist als Mitbestimmungsausübung bereits von § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG erfasst, indem er eine Mitbestimmung über die 337 Franzen, in: Gk-BetrVG, § 1 BetrVG, Rn. 62 ff.; Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, Einleitung, Rn. 98 ff., jeweils m. w. N. 338 Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 5; Kreutz, in: Festschrift Konzen, S. 461 ff.; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 5 ff. 339 Auffarth, DB 1962, S. 672, S. 673; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 448, auch mit Nachweisen zur abweichenden Meinung. 340 Wiebauer, Kollektiv- oder individualrechtliche Sicherung der Mitbestimmung, Rn. 350 ff. 341 Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 BetrVG, Rn. 62 ff. 342 Bender, in: Wlotzke/Preis/Kreft, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 163.
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Wahl der Form – gemeint ist vor allem die Rechtsform343 – gibt. Für das Entstehen des Mitbestimmungsrechts ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber direkt oder über eine selbständige Einrichtung gleich welcher Rechtsform leistet und ob diese an die Arbeitnehmer oder an diese als Mitglieder der Einrichtung zahlt.344 Über den Geschehensablauf nach der Entscheidung des Arbeitgebers, Mittel für eine Sterbekasse bereitzustellen, hat der Betriebsrat somit bereits mitzubestimmen. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen sich daher einigen, ob die Sterbekasse vermögensrechtlich dem Arbeitgeber zugeordnet bleibt, indem sie bloß betriebsverfassungsrechtlich selbständig besteht, oder ob sie rechtlich selbständig betrieben werden soll mit der Folge, dass zu klären ist, in welcher Rechtsform. Das gilt auch dann, wenn die Einrichtung zivilrechtlich ausschließlich in Arbeitnehmerhand liegt, wenn diese etwa eine Gesellschaft oder einen Verein gründen, dessen Mitglieder sie sind. Dann bestimmen sie zwar über die Verteilung, aber erst nachdem der Betriebsrat seine Mitbestimmung ausgeübt hat und im Rahmen der zwischen ihm und dem Arbeitgeber vereinbarten Regeln. Das Handeln der Arbeitnehmer ist dann die Folge der Mitbestimmungsausübung durch den Betriebsrat, bei der sich ohne abweichende Vereinbarung durch die Betriebsparteien die Ausübung der Mitbestimmung zweistufig gestaltet. Arbeitgeber und Betriebsrat regeln zum Beispiel in einer Betriebsvereinbarung, dass der Arbeitgeber das Geld nur an einen Sterbekassenverein zahlen darf, wenn sichergestellt ist, dass bestimmte Regeln in der Satzung des Vereins enthalten sind, nach denen sich die Verteilung des vom Arbeitgeber gezahlten Geldes richtet. Dann muss der Arbeitgeber gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG die Betriebsvereinbarung umsetzen, indem er zum Beispiel schuldrechtlich mit dem gegründeten Verein vereinbart, dass er die Sterbekasse nur unterstützt, wenn entsprechende Bedingungen sichergestellt sind. Freilich berühren solche Vorgaben, da sie lediglich in der schuldrechtlichen Beziehung zum Arbeitgeber eingreifen, die zivilrechtliche Wirksamkeit abweichender Rechtshandlungen des Vereins oder der Gesellschaft nicht.345 In diesem Fall ist aber der Arbeitgeber im Rahmen der Umsetzungspflicht von Betriebsvereinbarungen gehalten, schuldrechtlich auf die Einhaltung der mit dem Verein verabredeten Bedingungen hinzuwirken und müsste hierbei schlimmstenfalls die Zahlungen einstellen. Bei alledem ergibt sich aus einer Betriebsvereinbarung, da diese nur das Arbeitsverhältnis betreffen kann, keine Bindungswirkung für die Arbeitnehmer, welche die Gründung der Einrichtung planen. Sie sind hieraus keiner Verpflichtung Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 357. feststeht, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat, müssen sich die Betriebsparteien über die Form der Einrichtung verständigen. Erst dann macht es im Rahmen der Mitbestimmungsausübung – nicht aber für das vorherige Entstehen des Mitbestimmungsrechts – einen Unterschied, ob sie die Einrichtung unselbständig oder rechtlich eigenständig gestalten, beispielsweise, weil sie bei selbständigen Einrichtungen die Mitbestimmungsausübung ein- oder zweistufig vorsehen können. 345 Vgl. BAG v. 13. 7. 1978, 3 ABR 108/77, AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972, Altersversorgung. 343
344 Nachdem
128 § 2 Einordnung der Arbeitnehmersolidarkassen in das Betriebsverfassungsrecht
unterworfen, müssen also den Verein nicht gründen oder können dies unabhängig von den Bestimmungen der Betriebsvereinbarung tun. So etwas bedeutet lediglich, dass der Arbeitgeber gegen die Betriebsvereinbarung verstößt und der Betriebsrat Unterlassung und Durchführung entsprechend der Betriebsvereinbarung verlangen kann, wenn der Arbeitgeber seiner Umsetzungspflicht gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG nicht genügt.346 Unterbleibt dann die Unterstützung durch den Arbeitgeber, besteht keine Sozialeinrichtung (mehr), sondern eine arbeitnehmerautonome Solidarkasse. Solange der Arbeitgeber dergestalt auf die Sterbekasse einwirken kann, dass diese die Verteilung der Mittel entsprechend den Regeln der Betriebsvereinbarung vornimmt, ist die Sterbekasse eine Sozialeinrichtung. Die eigenen Beitragszahlungen der Arbeitnehmer ändern daran nichts, weil sie durch die Zahlungen des Arbeitgebers einen Sozialvorteil erhalten. dd) Irrelevant: Das Maß der Einflussnahme des Arbeitgebers in einer bestehenden Einrichtung Da es der Mitbestimmung unterliegt, ob bei rechtlich selbständigen Einrichtungen die Mitbestimmung anstatt zweistufig organschaftlich gestaltet wird,347 kann der Arbeitgeber nicht festlegen, ob die Mitbestimmung einrichtungsextern oder einrichtungsintern durchgeführt wird. Auslösendes Moment der Mitbestimmung ist damit nicht die Tatsache, dass der Arbeitgeber in den Entscheidungsgremien der Einrichtung in der Weise vertreten ist, dass ein irgendeinem Erheblichkeitsmaß unterliegender Einfluss auf die Verwaltung gewahrt bleibt. Eine solche einrichtungsinterne Einflussnahme des Arbeitgebers ist betriebsverfassungsrechtlich nicht zulässig, wenn das dazu führte, dass der Arbeitgeber losgelöst vom Betriebsrat die Verteilung bestimmen könnte. Eine einrichtungsinterne Durchführung der Mitbestimmung darf nicht zu einer im Zweifel bestehenden Alleinentscheidungskompetenz des Arbeitgebers führen.348 Daraus folgt auch, dass dem Betriebsrat die Alleinverwaltung übertragen werden darf, aber nicht dem Arbeitgeber, da der Betriebsrat auf die Ausübung seines Mitbestimmungsrechts nicht verzichten kann.349 346 Zum Durchführungs- und Unterlassungsanspruch BAG v. 24. 02. 1987, 1 ABR 18/85, AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972; BAG v. 29. 04. 2004, 1 ABR 30/02, AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972, Durchführung; BAG v. 18. 05. 2010, 1 ABR 6/09, NZA 2010, S. 1433, S. 1434; Berg, in: Däubler/Kittner/Klebe/Wede, Betriebsverfassungsgesetz, § 77 BetrVG, Rn. 5; Preis, in: Wlotzke/Preis/Kreft, Betriebsverfassungsgesetz, § 77 BetrVG, Rn. 4; Worzalla, in: Hess/ Worzalla/Glock/Nicolai/Rose/Huke, BetrVG, § 77 BetrVG, Rn. 198; Heinze, DB 1983, Beilage Nr. 9, S. 1, S. 7; Konzen, Betriebsverfassungsrechtliche Leistungspflichten des Arbeitgebers, S. 60; Goebel, Der betriebsverfassungsrechtliche Durchführungsanspruch gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG. 347 Hanau, BB 1973, S. 1274, S. 1277; Moll, Mitbestimmung beim Entgelt, S. 119. 348 Kaiser, in: Löwisch/Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 187; Hilger, in: Festschrift Sitzler, S. 153, S. 162; Matthes, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 249, Rn. 29 f.; BAG v. 13. 7. 1978, 3 ABR 108/77, AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972, Altersversorgung. 349 BAG v. 14. 2. 1967, 1 ABR 6/66, AP Nr. 9 zu § 56 BetrVG, Wohlfahrtseinrichtung.
B. Arbeitnehmersolidarkassen als Sozialeinrichtungen
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Daher ist Vorsicht geboten bei Formulierungen, die einen wesentlichen oder richtungsweisenden Einfluss auf die Einrichtung verlangen, um das Bestehen einer Sozialeinrichtung zu bestimmen. Bei einer einrichtungsinternen Mitbestimmung (organschaftliche Mitbestimmung) darf gerade kein überwiegender Einfluss des Arbeitgebers mehr auf die Einrichtung bestehen. Und umgekehrt sieht man dem Umstand, dass der Arbeitgeber innerhalb der Einrichtung keine Entscheidungen treffen kann, nicht an, ob nicht eine einrichtungsexterne Mitbestimmungsausübung im Wege der zweistufigen Gestaltung gegeben ist. Eine Alleinentscheidungsmacht der Arbeitnehmer, die ein Mitbestimmungstatbestand zivilrechtlich nicht verhindert, führt zwar dazu, dass die bestehende Einrichtung keine Sozialeinrichtung ist. Damit ist aber die Prüfung nicht beendet. Das die Mitbestimmung auslösende Moment ist nicht die bestehende Entscheidungskompetenz in einer Einrichtung, sondern der Moment davor, in dem zu klären ist, ob der Arbeitnehmer eine Sozialeinrichtung errichtet hat durch seine Entscheidung, Mittel zweckbestimmt für Arbeitnehmer des Betriebs zu verselbständigen. Das ist der Zeitpunkt, in dem es darauf ankommt, ob eine Sozialeinrichtung gegeben ist. Die spätere Gründung einer rechtlich selbständigen Einrichtung, selbst wenn sie allein durch die Arbeitnehmer oder unter Beteiligung dieser geschieht, muss dann der Mitbestimmung genügen.350 Der Blick auf eine bestehende rechtlich selbständige Einrichtung erlaubt somit keine Rückschlüsse, ob der Arbeitgeber zuvor eine Sozialeinrichtung errichtet hat und die gegründete rechtlich selbständige Einrichtung mitbestimmungskonform betrieben wird. Eine Alleinentscheidungsmacht der Arbeitnehmer darf nicht durch den Arbeitgeber geschaffen worden sein, um anschließend zu behaupten, da die Arbeitnehmer alleine über die Verteilung innerhalb der Einrichtung bestimmen können, sind die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung nicht erfüllt. Der betriebsverfassungsrechtlich relevante Begriff der Errichtung geht der Gründung einer Einrichtung in ziviler Rechtsform voraus.351
350 Das Arbeitsgericht Hagen v. 28. 5. 1968, BV 2/68, BB 1968, S. 749 f. hatte über die Gründung einer sozialen Kasse zu entscheiden, die Arbeitnehmer und Angehörige in Fällen der Not und im Alter unterstützen sollte. Einige der Arbeitnehmer, die der Komplementär der Firma sowie der Betriebsratsvorsitzende des Betriebs auswählten, wurden Gründungsmitglieder eines Vereins genauso wie der Komplementär und der Betriebsratsvorsitzende. Unabhängig von der Möglichkeit, dass der Betriebsratsvorsitzende oder die Arbeitnehmer möglicherweise die Verwaltung des Vereins hätten beeinflussen können, nahm das Arbeitsgericht Hagen zutreffend an, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Verwaltung deshalb verletzt wurde, weil er nicht an der Festlegung der Satzungsbedingungen beteiligt war. Richtigerweise stellt das Arbeitsgericht auf den Zeitpunkt der Errichtung der Sozialeinrichtung und nicht auf den Zeitpunkt der Gründung des Vereins oder der Kompetenzverteilung im gegründeten Verein ab. 351 Insofern ist die Kritik von Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 679 am Erfordernis einer Organisation berechtigt.
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c) Gegenthese: Die Forderung nach einem richtungsweisenden Einfluss auf die Einrichtung am Beispiel der Rechtsprechung des BVerwG Problematisch ist damit auch die Abgrenzung des BVerwG zwischen mitbestimmungspflichtiger Sozialeinrichtung und nicht mitbestimmungspflichtiger Arbeitnehmersolidarkasse, wenn es nur danach fragt, ob die Dienststelle einen gewichtigen, richtungsweisenden Einfluss auf deren Verwaltung hat, entweder weil dies durch die Satzung sichergestellt ist352, durch das Halten von Gesellschaftsanteilen an der Einrichtung, durch sonstige gesellschafts- oder vereinsrechtlich vermittelte Mitwirkung, zum Beispiel im Aufsichtsrat, und/oder durch eine vertragliche Gestaltung.353 Auch im Personalvertretungsrecht gilt, dass die Mitbestimmung bei rechtlich selbständigen Einrichtungen ohne anderslautende Regelung durch Dienststelle und Personalrat zweistufig ausgeübt wird.354 Damit verträgt es sich nicht, wenn das BVerwG meint, § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG gehe davon aus, dass die Dienststelle die Einrichtung selbst verwaltet.355 Es müsse zwar beachtet werden, da die Sozialeinrichtung unabhängig von einer bestimmten Rechtsform bestehen kann, dass die Dienststelle die Einrichtung nicht alleine verwalten müsse. Da eine „Skala unterschiedlicher Einwirkungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten“ bestehe, müsse in jedem Einzelfall zumindest ein richtungsweisender Einfluss der Dienststelle gegeben sein.356 Das BVerwG übersieht, dass es für die Einordnung einer Einrichtung als Sozialeinrichtung nicht auf die tatsächlich bestehende Kompetenzverteilung in ihr ankommt oder darauf, ob die Dienststelle derzeit Einfluss ausüben kann. Weder die Dienststelle noch der Arbeitgeber dürfen sich in der zwingenden Mitbestimmungsordnung des BPersVG und des BetrVG eines solches Einflusses entledigen, indem sie die Dienst- und Arbeitnehmer zu einer Alleinbestimmungsmacht verhelfen. Umgekehrt kann selbst von einer Alleinentscheidungsmacht der Dienststelle bzw. des Arbeitgebers nicht allein abhängen, ob eine Sozialeinrichtung gegeben ist, weil damit nicht feststeht, dass sie Sozialmittel der Dienststelle bzw. des Arbeitgebers verteilt. Schließlich wurde bereits dargestellt, dass der Arbeitgeber nach dem BVerwG stets an der Verwaltung richtungsweisend beteiligt sein muss und diese nicht auf den Personalrat vollständig übertragen darf.357 Die Ausübung der Verwaltung einer Einrichtung alleine durch den Personalrat ist aber bereits Mitbestimmungsaus352 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28; BVerwG v. 5. 9. 1986, 6 P 10.84, PersV 1987, S. 333 f. 353 BVerwG v. 28. 6. 2000, 6 P 1.00, NZA 2000, S. 1123 ff. 354 BVerwG v. 16. 9. 1977, VII P 10.75, PersV 1979, S. 62 ff.; BVerwG v. 24. 11. 1983, 6 P 21.81, PersV 1986, S. 24, S. 25; Altvater, in: Altvater/Hamer/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 BPersVG, Rn. 169. 355 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28; BVerwG v. 5. 9. 1986, 6 P 10.84, PersV 1987, S. 333 f.; BVerwG v. 28. 6. 2000, 6 P 1.00, NZA 2000, S. 1123 ff. 356 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28. 357 Oben unter III. 4. d).
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übung, die zuvor mit der Dienststelle zum Beispiel in einer Dienstvereinbarung festgelegt worden sein muss. Selbst wenn man der Meinung ist, dem Personalrat dürfe nicht die Verwaltung übertragen werden, bleibt die Frage mitbestimmungspflichtig, welchen Einfluss die Dienststelle überhaupt auf die Einrichtung haben darf. Im Grundsatz gestaltet sich die Mitbestimmung zweistufig, die organschaftliche Lösung muss zwischen Dienststelle und Personalrat vereinbart sein. Das gilt im BetrVG ebenso.358 Die organschaftliche Gestaltung kann sogar erzwungen werden, sie ist Teil der Mitbestimmung über die Form und der Ausgestaltung.359 Alleine können sich der Arbeitgeber oder die Dienststelle weder über die Satzung noch über Gesellschafter- oder Aufsichtsrechte eine Rechtsmacht verschaffen, die eine alleinige Entscheidung des Arbeitgebers oder der Dienststelle über die Verteilung ermöglichen würde. Die Rechtsmacht der Dienststelle, des Arbeitgebers, Einfluss auf die Einrichtung nehmen zu können, muss nur soweit bestehen, wie es notwendig ist, um die Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber/Betriebsrat und Dienststelle/Personalrat umsetzen zu können.360 Jedoch verlangt die Mitbestimmungsordnung weder nach dem BPersVG noch nach dem BetrVG, dass der Arbeitgeber überhaupt einen Einfluss in der Einrichtung ausübt, indem er in deren Willensbildungs- und Entscheidungsorganen beteiligt ist. Eine organschaftliche Gestaltung der Mitbestimmungsausübung ist auch dadurch möglich, dass Dienststelle oder Arbeitgeber mit dem Personal- oder dem Betriebsrat überein kommen, die Personen, die die entsprechenden Organe in der Einrichtung besetzen sollen, gemeinsam zu bestimmen.361 Dann vollzieht sich die Mitbestimmung einrichtungsintern, ohne dass die Dienststelle oder der Arbeitgeber Einfluss darauf haben müssen.362 Ein „isolierter Blick“ auf die Rechtsmacht des Arbeitgebers oder der Dienststelle über die Einrichtung beantwortet noch nicht die Frage, ob eine Sozialeinrichtung besteht. Dafür maßgeblich ist die Rechtsmacht zur Verteilung von Sozialleistungen des Arbeitgebers. Nur die Ausübung dieser Rechtsmacht ist durch die Mitbestimmung beschränkt, weshalb eine rechtlich selbständige Einrichtung, die durch Dritte finanziert wird, keine Sozialeinrichtung ist, nur weil der Arbeitgeber über ein Entscheidungsgremium der Einrichtung die Verteilung der Mittel beeinflusst.363 Das BVerwG bezieht die Rechtsmacht auf die Verwaltung der bestehenden Einrichtung und kommt damit folgerichtig zu dem Ergebnis, dass eine Sozialeinrichtung nicht zur Selbsthilfeeinrichtung wird, wenn die Dienststelle die finanzielle Unterstützung einstellt, solange noch der Zweck der Einrichtung erreicht werden kann und BAG v. 10. 9. 2002, 3 AZR 635/01, AP Nr. 37 zu § 1 BetrAVG, Ablösung. Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 372. 360 BAG v. 11. 12. 2001, 3 AZR 512/00, AP Nr. 36 zu § 1 BetrAVG, Ablösung. 361 Hanau, BB 1973, S. 1274, S. 1277; Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 658; Matthes, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 249, Rn. 29. 362 Worzalla, in: Hess/Worzalla/Glock/Nicolai/Rose/Huke, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 497. 363 Oben unter 1. c). 358 359
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der richtungsweisende Einfluss gesichert bleibt.364 Eine tatsächliche Einflussnahme genüge nicht.365 Wenn aber die Dienststelle die Leistung sämtlicher Sozialmittel einstellt, erbringt die Einrichtung keine Sozialleistungen des Arbeitgebers mehr. Endet die Dotierung, endet zivilrechtlich nicht ein etwa bestehender Verein und es kann auch sein, dass der Zweck des Vereins noch erreicht werden kann. Geschieht dies aber ohne eine fortbestehende Ausstattung durch Sozialmittel der Dienststelle, verteilt dieser Verein keine Sozialleistungen mehr und einer Mitbestimmung bedarf es nicht. Da der Begriff der Sozialeinrichtung nur besteht, um die Fälle der Mitbestimmung zu erfassen und nicht um ein sonstiges juristisches Konstrukt zu bilden – was insofern der zivilrechtlichen Typenwahl vorbehalten ist – ergibt eine Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ohne Sozialleistung, mithin ohne Mitbestimmungsnotwendigkeit, keinen Sinn. d) Zwischenergebnis Damit können mitbestimmungspflichtige Sozialeinrichtungen von nicht mitbestimmungspflichtigen arbeitnehmerautonomen Solidarkassen nicht dadurch abgegrenzt werden, dass eine arbeitnehmerautonome Solidarkasse besteht, wenn die Arbeitnehmer allein über die Verteilung bestimmen können. Umgekehrt besteht nicht schon deshalb eine Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, weil der Arbeitgeber die Einrichtung, in welchem Maß der Erheblichkeit auch immer, beeinflussen kann. Eine durch Arbeitnehmer betriebene Sterbekasse, in der sie allein über die Verteilung entscheiden können, kann damit eine Sozialeinrichtung sein, die der von den Betriebsparteien festgelegten Rechtsform einer zuvor vom Arbeitgeber errichteten Sozialeinrichtung entspricht und für die sich die Mitbestimmung im Übrigen zweistufig gestaltet. Sie kann auch, wenn der Arbeitgeber ungeachtet der Mitbestimmung des Betriebsrats die zivilrechtliche Alleinentscheidungsmacht der Arbeitnehmer herbeigeführt hat, eine autonome Kasse der Arbeitnehmer sein. Das ändert dann aber nichts daran, dass der Arbeitgeber zuvor bereits eine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG errichtet hat, die der Mitbestimmung unterliegt. e) Bezugspunkt der Verteilungsmacht: Die Arbeitgebersozialleistung Richtiger Bezugspunkt der Verteilungsmacht des Arbeitgebers ist seine Sozialleistung, die er entweder über eine Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG oder gemäß § 87 Abs. 1 Nr.10 BetrVG erbringt. Bei der Zuweisung von Kompetenzen in einer rechtlich selbständigen Einrichtung ist dann bereits das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu beachten. Möglich ist zum Beispiel, dass im 364 365
BVerwG v. 5. 9. 1986, 6 P 10.84, PersV 1987, S. 333 f. BVerwG v. 5. 9. 1986, 6 P 10/84, PersV 1987, S. 333 f.
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Rahmen der zweistufigen Gestaltung der Arbeitgeber als Gesellschafter, der die überwiegenden Geschäftsanteile hält, seiner Umsetzungspflicht nach § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG nachkommen kann. Das mag ein richtungsweisender Einfluss sein. Soweit hier eine einschlägige Betriebsvereinbarung existiert, kann er die Einrichtung aber nicht beeinflussen wie er möchte, sondern nur im Einklang mit den Regelungen der Betriebsvereinbarung. Für die Ausübung der Mitbestimmung kann aber auch organschaftlich eine paritätische Besetzung der Entscheidungsgremien beispielsweise durch Betriebsratsmitglieder und vom Arbeitgeber gewählten Personen stattfinden. Weder im ersten noch im zweiten Fall kann das Maß der Einflussnahme in der bestehenden Einrichtung darüber entscheiden, ob die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung erfüllt sind; es besteht bereits eine solche. Nicht erst die Mitbestimmungsausübung ordnet eine Verteilung dem Arbeitgeber zu, sondern seine Position als Arbeitgeber, freiwillige Sozialleistungen autonom unter Verwendung arbeitsvertraglicher und sonstiger schuldrechtlicher Mittel verteilen zu können. In Bezug auf diese Mittel besteht im Moment vor Auslösung des Mitbestimmungsrechts immer eine Verteilungsmacht des Arbeitgebers. Insofern kommt es weder auf tatsächliche Gegebenheiten an, noch auf die Prüfung in der Intensität abgestufter Verteilungsmacht wie den gewichtigen oder richtungsweisenden Einfluss mit Blick auf die bestehende Einrichtung. Maßgeblich ist vielmehr die bereits vorher bestehende Macht zur Verteilung der Sozialmittel. Die Frage, ob der Einfluss auf die Einrichtung gewichtig, rechtlich gesichert oder richtungsweisend erheblich ist, spielt dabei keine Rolle. Die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, wie, der Einfluss müsse so gewichtig sein, dass von einer „Veranstaltung der Verwaltung“ gesprochen werden kann,366 wird somit vermieden. aa) Zum Hauptanwendungsfall in der Praxis: Die Sterbekasse Das Gesagte soll am Hauptfall der Arbeitnehmersolidarkasse in der Praxis, der Sterbekasse, angewendet werden: Sterbekassen bestehen in Betrieben oftmals in einer jahrelangen Praxis, Arbeitnehmer zahlen ihre Beiträge monatlich an diese, häufig mittels Einbehalt vom Nettolohn durch den Arbeitgeber oder einen „arbeitgebernahen“ Arbeitnehmer, zum Beispiel einem leitenden Angestellten der Buchhaltung oder der Personalabteilung, der auch das Kassenkonto namentlich führt und die Sterbegelder im Sterbefall den Begünstigten nach einem Verteilungsschema zahlt, bei dem mitunter nicht einmal bekannt ist, wer es ursprünglich festgesetzt hat: Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Betriebsratsmitglieder, einzeln oder gemeinsam. Bei einem solchen Befund ist bereits die Tatsachengrundlage unklar und eine Subsumtion unter Rechtstatbestände schwierig. Es ist den Beteiligten regelmäßig auch unklar, wenn man sich überhaupt Gedanken darüber macht, ob und bejahendenfalls in welcher zivilen Rechtsform die Sterbekasse betrieben wird. Zum 366 BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28; BVerwG v. 5. 9. 1986, 6 P 10.84, PersV 1987, S. 333 f.; BVerwG v. 28. 6. 2000, 6 P 1.00, NZA 2000, S. 1123 ff.
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Beispiel ist es möglich, dass die Sterbekasse im Betrieb durch eine Initiative der Arbeitnehmer entstanden ist, die sodann eigenständig alles Notwendige geregelt haben und einen Arbeitnehmer bestimmten, der sich um die Einzahlungen, Auszahlungen und die Buchführung kümmern sollte. Dann wäre ein nichtrechtsfähiger Verein gemäß § 54 BGB entstanden. Die Arbeitnehmer haben sich zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zusammengetan und sich durch die Festlegung der maßgeblichen Regeln der Sterbekasse konkludent eine Satzung gegeben. Da sie auch jemanden bestimmt haben, der für die laufenden Geschäfte verantwortlich ist, ist ebenso ein Vorstand bestimmt. Es handelt sich nicht um eine BGB-Gesellschaft. Der Zweck ist nur durch eine körperschaftliche Verfassung zu erreichen, die auf Dauer besteht und vom konkreten Bestand der Mitglieder unabhängig ist. Gerade bei einer Sterbekasse scheidet ein Mitglied bei Zweckerreichung (Hilfe für die Hinterbliebenen) aus, sodass die Sterbekasse darauf angelegt ist, permanent Mitglieder zu verlieren, aber auch neu zu gewinnen. Erbringt der Arbeitgeber keine Leistungen an diese Sterbekasse, liegt eine autonome Arbeitnehmersolidarkasse vor. Sie verteilt nämlich keine Sozialleistungen des Arbeitgebers. Die Arbeitnehmer können als Mitglieder des Vereins rechtlich selbst über die Form der Sterbekasse, ihre Gestaltung, ihre Verwaltung bestimmen. Das liegt aber nicht daran, dass eine Sozialeinrichtung nicht besteht, sondern schlicht, weil es zivilrechtlich so ist. Haben sich die Arbeitnehmer von Anfang an oder im Laufe der Zeit darauf verständigt, dass der Arbeitgeber Funktionen innerhalb des Vereins übernimmt, vielleicht sogar als Vorstand, mag insoweit je nach Gestaltung der Satzung zwar ein rechtlich erheblicher Einfluss auf den Verein bestehen. Das ist aber unerheblich. Er hatte zu keiner Zeit Einfluss, über den Gegenstand zu verfügen, der das Mitbestimmungsrecht auslöst. Das ist allein seine Sozialleistung. Lässt sich aber nicht feststellen, dass die Arbeitnehmer einen Vorteil durch das Verhalten des Arbeitgebers erlangen, kann sich die Frage nach dem Vorliegen einer Sozialeinrichtung nicht mehr stellen, weil es nicht um die Verteilung von Sozialleistungen geht. Dass hier Mittel verselbständigt sind in einer Kasse, diese einem sozialen Zweck dienen und auch nur Arbeitnehmer des Betriebs begünstigen, genügt nicht. An dieser Stelle ist es unerheblich, welchen Einfluss der Arbeitgeber extern oder intern, rechtlich oder tatsächlich auch immer haben mag. In diesen Beispielen sind die Kassen autonome Arbeitnehmersolidarkassen, weil sie keine Sozialleistungen des Arbeitgebers erbringen. Stimmen der Literatur argumentieren zutreffend, dass eine Sozialeinrichtung nicht schon deshalb besteht, weil der Arbeitgeber nach Errichtung der Kasse durch Dritte ohne seine Veranlassung Rechte an der Kasse erhalte. Die Kasse erbringe keine Sozialleistungen des Arbeitgebers.367 Hingegen ist es nicht überzeugend, das Bestehen einer Sozialein367 Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 615, 616; Matthes, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 249, Rn 10; Kreitner, in: Küttner, Personalbuch, Sozialeinrichtungen, Begriff, Rn. 5.
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richtung mit dem Argument zu verneinen, der Arbeitgeber habe die Einrichtung nicht errichtet.368 bb) Verteilungsmacht bei Leistung eigener Sozialmittel des Arbeitgebers (1) Bei noch nicht bestehender Arbeitnehmersolidarkasse Es ist nicht entscheidend, ob der Arbeitgeber Einfluss auf die Mittelverteilung haben will, sondern ob er sie ohne Betriebsrat hätte. Möchte der Arbeitgeber eine Sterbekasse einrichten und diese finanziell ausstatten, ist damit bereits ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entstanden. Erbringt der Arbeitgeber die Sterbegeldzahlungen aus laufenden Mitteln, ist § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG einschlägig, möchte er eine separate Kasse einrichten, genügt das für die betriebsverfassungsrechtlich relevante Verselbständigung von Sozialmitteln. Der Betriebsrat hat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG darüber mitzubestimmen, ob die Sterbekasse bloß tatsächlich verselbständigt wird – zum Beispiel durch Kontoeröffnung und Abstellen von Personal, welches das Kassenkonto verwaltet – oder rechtlich – zum Beispiel durch Gründung eines Vereins, dessen Mitglieder die Arbeitnehmer sind. Weiterhin ist die Sterbekasse auszugestalten369, das bedeutet, Arbeitgeber und Betriebsrat müssen sich über die Verteilungsregeln verständigen – zum Beispiel durch Festlegung der Regelungen, die später in einer rechtlich selbständigen Einrichtung als Satzung zu beschließen sind – und schließlich regeln, wie die Sterbekasse verwaltet werden soll. Daraus folgt: Sobald der Arbeitgeber Mittel für einen sozialen Zweck zu Gunsten der Arbeitnehmer des Betriebs verselbständigen möchte, gilt das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Die maßgebliche Verteilungsmacht liegt darin, dass er nach der Errichtungsentscheidung durch arbeitsvertragliche, schuldrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Gestaltung festlegen könnte, nach welchen Regelungen die Sozialleistungen unter den Arbeitnehmern verteilt werden. Freilich kann er ohne Betriebsrat diese Befugnis auf einen anderen, auch einen Arbeitnehmer, übertragen. Das ändert aber nichts daran, dass der Arbeitgeber ursprünglich die Verfügungsbefugnis hat. Diese löst das Mitbestimmungsrecht aus, welches auch verhindern soll, dass der Arbeitgeber ohne Beteiligung des Betriebsrats die Verfügungsbefugnis über zu verteilende Mittel auf andere überträgt, auch wenn es die Arbeitnehmer sind. Die Mitbestimmung ist zwingend dem Betriebsrat zugewiesen. Die Errichtung einer Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG wird damit nicht verhindert, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer einen Verein gründen lässt, auf den er dann keinen Einfluss mehr ausüben kann, um an diesen 368
Oben unter IV. 5. b) sowie sogleich weiter im Text. Inhalt des Ausgestaltungsbegriffs im Einzelnen Wiese, in: GK-BtrVG, § 87 BetrVG, Rn. 726 ff. 369 Zum
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die Geldmittel zur späteren Sterbegeldzahlung zu verfügen. Der Verein verteilt Geld des Arbeitgebers für einen sozialen Zweck an die Arbeitnehmer des Betriebs. Die Einflussmöglichkeiten des Arbeitgebers auf den Verein sind belanglos. Es liegt eine mitbestimmungswidrige Gestaltung vor. Daher bezieht sich die Mitbestimmung auch nicht auf die bestehende Einrichtung, sondern besteht immer nur gegenüber dem Arbeitgeber.370 Der Betriebsrat kann damit erzwingen, dass eine Einigung über die Mittelverteilung erreicht wird. Dabei kann er durch seine Mitbestimmungsrechtsausübung nicht zivilrechtlich auf den Verein wirken. Dieser bleibt wirksam bestehen. Erzielen Arbeitgeber und Betriebsrat aber keine Einigung und möchte der Arbeitgeber auch dem Spruch der Einigungsstelle nicht folgen, muss er die Zahlungen einstellen, was er mitbestimmungsfrei darf. (2) Bei schon bestehender Arbeitnehmersolidarkasse (a) Maßgeblich: Verteilungsentscheidung des Arbeitgebers Anders könnte es liegen, wenn die Arbeitnehmer in einem Betrieb – auch wenn es Jahre zurückliegt – selbst eine Kasse eingerichtet haben und der Arbeitgeber ab jetzt Sozialmittel zur Unterstützung an diese Kasse leisten will. Mitbestimmungsrechtlich ist nicht zu klären, in welcher Rechtsform die Kasse besteht. Erstens ist das Entstehen des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG rechtsformunabhängig,371 zweitens ist auch hier Gegenstand der Mitbestimmung nicht die Kasse, sondern die Arbeitgeberentscheidung, Soziallmittel verteilen zu wollen. Diese Entscheidung ist wiederum getroffen, wenn der Arbeitgeber zum Beispiel Geld an eine Sterbekasse zahlt, welches diese ausschließlich an Arbeitnehmer, Betriebsrentner und Hinterbliebene verteilt. Für die Anwendung von § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG macht es hier keinen Unterschied, ob die Errichtung der Kasse der Entscheidung des Arbeitgebers folgt, Mittel zu verteilen, oder ob diese Entscheidung der Errichtung der Kasse nachfolgt. Denn Gegenstand der Mitbestimmung über die Rechtsform ist, ob die Sozialleistung – hier die Sterbegeldzahlung – dem Rechtssubjekt Arbeitgeber zugeordnet bleibt oder über eine rechtlich selbständige Einrichtung erbracht wird. Damit besteht auch dann ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, wenn der Arbeitgeber eine Sterbekasse unterstützt, die bereits von den Arbeitnehmern errichtet worden ist. (b) Abgrenzung von § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG Es stellt sich die Frage, ob die Sterbekasse eine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ist oder ob das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG folgt. Und wieder ist Ausgangspunkt der Antwort nicht die Sterbekasse, wie sie besteht, sondern, ob der Arbeitgeber eine Sozialeinrichtung errichtet hat. Das Rechtskonstrukt „Sozialeinrichtung“ lehnt sich nicht an eine zivile 370 371
Wißmann, NZA 2001, S. 409; Promberger, DB 1970, S. 1437, S. 1442. Kaiser, in: Löwisch/Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 172.
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Rechtsform an. Es besteht nur, um Entscheidungen des Arbeitgebers mitbestimmungsrechtlich zu binden. Hat der Arbeitgeber entschieden, Mittel für eine Sterbegeldzahlung zur Verfügung zu stellen und diese an eine bestehende Sterbekasse der Arbeitnehmer zu zahlen, kommt es mitbestimmungsrechtlich nicht darauf an, ob die Sterbekasse Sozialeinrichtung ist. Die Entscheidung des Arbeitgebers erfüllt bereits alle Voraussetzungen, die an die Errichtung einer Sozialeinrichtung gestellt werden.372 Mit dem Betriebsrat kann natürlich vereinbart werden, dass der Arbeitgeber das Geld an die Sterbekasse der Arbeitnehmer zahlt, weil die Betriebsparteien Rechtsform, Ausgestaltung und Verwaltung und damit die Mittelverteilung billigen. Dabei ist es nicht notwendig, dass der Arbeitgeber einen Einfluss auf die Sterbekasse schuldrechtlich oder durch Beteiligung in den Entscheidungsorganen sicherstellt. Sofern Arbeitgeber und Betriebsrat mit der Verteilung des Geldes durch die Sterbekasse einverstanden sind, ist das Mitbestimmungsrecht ausgeübt. Mitbestimmungsrechtlich erbringt dann die Sterbekasse als Sozialeinrichtung eine Sozialleistung, weil das Endprodukt Sterbegeld durch die Zahlung des Arbeitgebers vorteilhaft für die Arbeitnehmer beeinflusst ist. Diese Konstellation dem § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zuzuweisen, überzeugt nicht, weil sich auf Grund der vom Arbeitgeber vorgesehenen Verselbständigung Fragen der Rechtsform, Ausgestaltung und Verwaltung stellen, deren Beantwortung nur im Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG liegt. Es kann nämlich im gegenteiligen Fall zu dem eben besprochenen auch sein, dass der Betriebsrat nicht mit den Verteilungsregeln innerhalb der bestehenden Sterbekasse einverstanden ist und mit dem Arbeitgeber regelt, welche Bedingungen von der Sterbekasse erfüllt werden müssen, damit der Arbeitgeber zahlt. Im Rahmen der Umsetzungspflicht gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG muss dann der Arbeitgeber sicherstellen, etwa durch Schuldvertrag, dass er nur leistet, wenn die Sterbekasse die Bedingungen erfüllt. Das wäre eine typische zweistufige Gestaltung und passt besser zu § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Das BAG hat bei Gruppenunterstützungskassen das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hergeleitet.373 Das ging aber deshalb nicht anders, weil die Gruppenunterstützungskasse von mehreren Arbeitgebern betrieben wird und damit der betriebliche Wirkungsbereich der Einrichtung, wie ihn § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG fordert, verlassen ist.374 So liegt es bei Arbeitnehmersolidarkassen im Betrieb gerade nicht. Maßgeblich bleibt die auch sonst geltende Abgrenzung zwischen § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG: Zu prüfen ist hier, ob die zur Erbringung der Sozialleistungen notwendigen Sozialmittel verselbständigt werden. 372
Oben unter b) cc). BAG v. 14. 12. 1993, 3 AZR 618/93, AP Nr. 81 zu § 7 BetrAVG; BAG v. 9. 5. 1989, 3 AZR 439/08, AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG, Altersversorgung. 374 Entsprechendes gilt für die von einer Lebensversicherungsgesellschaft durchgeführte betriebliche Altersversorgung; BAG v. 18. 3. 1976, 3 ABR 32/75, AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972, Altersversorgung. 373
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Daher liegt ein Fall des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vor, wenn der Arbeitgeber eine Sterbekasse der Arbeitnehmer in der Weise unterstützt, dass er bei Auszahlung des Sterbegeldes im Sterbefall einen Beitrag aus dem laufenden Betriebsvermögen direkt an die Begünstigten leisten will. Hier findet eine dauerhaft angelegte Verselbständigung der Sozialmittel nicht statt. Die Kasse der Arbeitnehmer bleibt dann eine autonome Solidarkasse. Die Kriterien für die Abgrenzung des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG lassen sich nach vorstehenden Grundsätzen auf andere Kassen übertragen. Regelmäßig liegt die Leistung des Arbeitgebers darin, dass er finanzielle Unterstützung gewährt und diese als einmalige oder laufende Leistung an eine Sozialkasse der Arbeitnehmer erbringt. In diesem Fall will der Arbeitgeber finanzielle Mittel dauerhaft für einen sozialen Zweck zu Gunsten der Arbeitnehmer verselbständigen. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ist einschlägig. Unterstützt er nicht durch Zahlungen an die Kasse, sondern gewährt er die Unterstützung aus laufenden Betriebsmitteln direkt an die Arbeitnehmer, gilt § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. So liegt es beispielsweise, wenn die Arbeitnehmer eine Kasse betreiben, um Veranstaltungen zu finanzieren wie Betriebsfeste anlässlich von Geburtstagen oder Jubiläen, Sport- und Musikveranstaltungen und der Arbeitgeber finanzielle Mittel, Sach- und/oder Personalmittel, Dienstleistungen für die Durchführung einer konkreten Veranstaltung leistet. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist auch anzuwenden, wenn es sich nur um einmalige Leistungen handelt.375 Zu klären ist an dieser Stelle nicht, ob die Mitbestimmung bei § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bereits über das „Ob“ der Leistung besteht, also ob der Arbeitgeber überhaupt einen Geldbetrag zur Verfügung stellen darf oder sich nur darauf bezieht, nach welchen Grundsätzen es zu verteilen ist. Das Problem besteht unabhängig von dem hier behandelten Phänomen der Arbeitnehmersolidarkasse, weshalb auf die bekannte Diskussion zu verweisen ist. 376 Unabhängig davon gilt auch für § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG: Das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts kann nicht mit dem Argument abgelehnt werden, die Arbeitnehmer könnten selbst über die Verwendung des Geldes und damit über die Verteilung bestimmen. Das Mitbestimmungsrecht entsteht nicht erst in dem Zeitpunkt, in dem die Mittel durch die Arbeitnehmer verwendet werden, sondern bereits dann, wenn der Arbeitgeber die Mittel gewähren will. Somit ist es eben auch bei § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mit Blick auf die Arbeitgeberleistung gleich, ob der Arbeitgeber ein Betriebsfest veranstaltet, und dadurch Sozialleistungen an die Arbeitnehmer erbringt, die aber selbst einen finanziellen Beitrag erbringen sollen, oder ob die Arbeitnehmer selbst bereits Geld gesammelt haben und der Arbeitgeber Sozialmittel dazu gibt. Die gerechte Verteilung der Sozialmittel des Arbeitgebers stellt sich gleichermaßen, und darüber mitzubestimmen ist Sache des Betriebsrats. Der Unterschied besteht nur im Umfang der Mitbestimmung. 375 376
Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 413. Statt aller Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 838, Rn. 866 m. w. N.
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(c) Grenze der Mitbestimmung: Arbeitnehmerautonomie Trotz einer unbeschränkten funktionellen Zuständigkeit des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten, die letztlich jede formelle und materielle Arbeitsbedingung erfassen soll,377 sowie seiner gerade im Fall des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG bestehenden Befugnis, mehr als nur das Arbeitsverhältnis oder das Betriebsverhältnis – man denke zum Beispiel an die einrichtungsinterne organschaftliche Gestaltung der Mitbestimmung – regeln zu dürfen, ist die Grenze erlaubter Mitbestimmung jedenfalls dann überschritten, wenn er allein in autonome Entscheidungen der Arbeitnehmer eingreift. Sofern keine mitbestimmungsrelevante Arbeitgeberentscheidung besteht, Sozialleistungen zu erbringen, können die Arbeitnehmer Solidarkassen selbstbestimmt errichten und betreiben. Insoweit ist der Betriebsrat sachlich nicht zuständig. Auch bei der weitgehenden Gestaltungsbefugnis im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG leitet sich das Mitbestimmungsrecht allein aus der Arbeitgeberentscheidung ab.378 Nur der Arbeitgeber ist Adressat der Mitbestimmung. Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Arbeitgeber Mittel an autonom errichtete Kassen der Arbeitnehmer gewährt. Der Betriebsrat kann also nicht erreichen, dass die Mittel der Arbeitnehmer, die sie selbst gesammelt haben, nach seinen Vorstellungen verteilt werden. Einwirken darf er nur auf die Verteilung der Mittel, deren Verteilungsnotwendigkeit auf einer Entscheidung des Arbeitgebers beruht und welche dieser ansonsten ohne Beteiligung des Betriebsrats verteilen könnte. Bei den Kassen, die von Arbeitnehmern gegründet wurden, ist es häufig so, dass sowohl die Arbeitnehmer Geld sammeln als auch der Arbeitgeber Sozialmittel zur Unterstützung der Kasse dazu gibt. Im Beispiel der Sterbekasse findet oftmals eine gemeinsame Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer statt. Festlegen kann der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber nur, nach welchen Regelungen das Geld, welches der Arbeitgeber einer Sterbekasse gewähren möchte und über das er in seiner Position als Arbeitgeber verfügen kann, verteilt werden soll. Will der Betriebsrat die Höhe des Sterbegeldes davon abhängig machen, ob jemand Auszubildender, Arbeitnehmer oder Betriebsrentner ist, gilt folgendes: Haben die Arbeitnehmer eine solche Differenzierung nicht vorgenommen, dann hat der Betriebsrat keine Möglichkeit, unmittelbar eine Änderung der in der Sterbekasse von den Arbeitnehmern für die Verteilung ihres eigenen Geldes festgesetzten Regelungen durchzusetzen. Er kann nur mit dem Arbeitgeber vereinbaren, dass dieser seine Mittel nur dann an die Sterbekasse erbringt, wenn deren Verteilungsordnung geändert wird. Ob das geschehen soll, entscheiden die Arbeitnehmer dann aber autonom. Möchten die Arbeitnehmer die Verteilung nicht ändern, muss die Zahlung des Geldes an die Sterbekasse mitbestimmungsrechtlich unterbleiben, wenn der 377 Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 35 ff., § 88 BetrVG, Rn. 6 f.; Kaiser, in: Löwisch/Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, § 88 BetrVG, Rn. 1; BAG v. 7. 11. 1989, GS 3/85, AP Nr. 64 zu § 77 BetrVG 1972. 378 Überzeugend an dieser Stelle BVerwG v. 12. 7. 1984, 6 P 14.83, ZBR 1985, S. 28; BVerwG v. 5. 9. 1986, 6 P 10.84, PersV 1987, S. 333 f.
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Betriebsrat die von ihm gewünschte Verteilung in einer Betriebsvereinbarung oder einer Regelungsabrede festgeschrieben hat. Andernfalls hat der Betriebsrat gegen den Arbeitgeber einen Durchsetzungs- und Unterlassungsanspruch.379 Stimmen die Arbeitnehmer einer Änderung zu, kann der Arbeitgeber mitbestimmungsrechtlich die Unterstützung gewähren. Im ersten Fall bleibt die Sterbekasse autonome Arbeitnehmersolidarkasse, im zweiten Fall wird sie Sozialeinrichtung. Das bedeutet: Der Arbeitgeber muss, um seiner Durchführungspflicht gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG zu genügen, versuchen, diejenige Gestaltung der Sterbekasse zu erreichen, welche die Einhaltung der vereinbarten Regelungen sicherstellt. Dafür muss er entsprechend auf die Sterbekasse einwirken können. Nur in dieser Dimension ist sie Sozialeinrichtung. Entscheidungen innerhalb der Einrichtung, die die Verteilung der Arbeitgebermittel nicht betreffen, bleiben autonom. Trotzdem führt die Mitbestimmung gerade im Falle der Sterbekasse mittelbar dazu, sofern eine Änderung der Verteilung innerhalb der Kasse Voraussetzung für die Arbeitgeberleistung ist, dass auch der Teil des arbeitnehmerfinanzierten Vermögens nach deren Vorgaben zu verteilen ist. Die Auszahlung des Sterbegeldes an den Berechtigten in einem Betrag zerfällt nicht in einen arbeitgeber- und einen arbeitnehmerfinanzierten Teil. Genauso ist es, wenn der Arbeitgeber eine ansonsten arbeitnehmerfinanzierte Kasse mit Sach- und Personalmitteln unterstützt und sich die Leistung an den Arbeitnehmer als eine „einheitliche“ Sozialleistung darstellt. Nur so kann auch das BAG in seiner Kantinenentscheidung zur Annahme der Sozialeinrichtung gelangen mit dem Argument, der Arbeitgeber habe einen Raum und Personal zur Verfügung gestellt.380 Die Möglichkeit, in der Kantine ein preisgünstiges Mittagessen zu erhalten, zerfällt nicht in einen arbeitnehmerautonomen und einen arbeitgeberbestimmten Teil. Das günstige Mittagessen geht notwendigerweise auch auf eine Arbeitgeberleistung zurück. Die Gründung von Sozialkassen der Arbeitnehmer im Betrieb ist typischerweise dadurch motiviert, dass man auf Betriebsmittel des Arbeitgebers wie Räume, Sach- und Personalmittel zurückgreifen kann. Die Entscheidung des Arbeitgebers, solche Mittel zu gewähren, führt aber zur Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 oder Nr. 10 BetrVG. Möchten die Arbeitnehmer Geld sammeln, um sich im Betrieb einen Fitnessraum einzurichten, kann der Arbeitgeber einen Raum für diesen Zweck bereitstellen. Da er eine Entscheidung über Betriebsmittel trifft, die bei dem Arbeitnehmer zu einem sozialen Vorteil führt – er kann preisgünstig trainieren –, diesen auch dauerhaft zur Verfügung stellt und vom üblichen Betriebsvermögen trennt, muss der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG mitbestimmen. Die Sozialleistung, die der Arbeitnehmer erhält, ist die Möglichkeit des preisgünstigen Trainings, die ohne die Arbeitgeberleistung nicht denkbar ist. Damit dürfen die Betriebsparteien aber nicht unmittelbar über die Geldmittel der Arbeitnehmer verfügen. Sie dürfen die Überlassung des Raumes aber von bestimmten Nutzungsbedingungen abhängig machen. Innerhalb dieser Regeln ent379 380
Oben unter b) cc). BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1, S. 12.
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scheiden die Arbeitnehmer dann wieder autonom, wieviel Geld eingesammelt und wie es für die Ausstattung verwendet wird. Auch für die sowohl durch Arbeitgeber als auch durch Arbeitnehmer finanzierte Sterbegeldkasse, die bereits vor der Finanzierungsentscheidung des Arbeitgebers durch die Arbeitnehmer gegründet worden ist, gilt: Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht nur gegenüber dem Arbeitgeber und soweit dieser eine Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG errichtet hat, also nur in dem Umfang seiner zur Verfügung gestellten Finanzmittel. Die Betriebsparteien mögen zwar im Rahmen der Mitbestimmungsausübung die Leistung dieser an die Sterbekasse von Bedingungen abhängig machen, die sogar der Satzungsänderungen eines Sterbekassenvereins der Arbeitnehmer bedürfen. Es ist aber der autonomen Entscheidung der Arbeitnehmer vorbehalten, ob sie diese vornehmen und die Sterbekasse damit zur Sozialeinrichtung wird. cc) Verteilungsmacht bei Finanzierung durch Arbeitnehmer (1) Arbeitgeberbestimmte Verteilungsordnung Es wurde bereits gezeigt, dass eine Sozialeinrichtung auch dann bestehen kann, wenn die Arbeitnehmer selbst die spätere Sozialleistung durch eigene Finanzierung ermöglichen.381 Der Unterschied zu den zuvor382 beschriebenen Fällen liegt aber darin, dass hier die Geldmittel der Arbeitnehmer einer Verteilungsentscheidung des Arbeitgebers unterliegen, an welcher dann der Betriebsrat zu beteiligen ist. Das lässt sich am Beispiel der Betriebskantine veranschaulichen. Es sind hier normalerweise nicht die Arbeitnehmer, die zunächst autonom Geld für einen sozialen Zweck sammeln und dann den Arbeitgeber um eine Unterstützung bitten. Der Arbeitgeber, oft gemeinsam mit dem Betriebsrat, überlegt sich, ob und wie er eine Kantine gestalten soll. Hierbei wird auch kalkuliert, ob und in welcher Höhe Beiträge der Arbeitnehmer erhoben werden, was mitbestimmungsrechtlich zur Ausgestaltung gehört.383 Das bedeutet: Der einzelne Arbeitnehmer kann die Sozialleistung unter Beitragszahlung in Anspruch nehmen. Diese ist aber Folge der Verteilungsentscheidung des Arbeitgebers. Dieser bietet nicht kostenlose Verpflegung an, sondern möchte einen Teil der Kosten, zum Beispiel Erstausstattung der Kantine, tragen, ansonsten aber kostendeckend kalkulieren. Wie das zu erreichen ist, in welcher Höhe damit eine Beteiligung der Arbeitnehmer an den Kosten notwendig wird, ist aber bereits abhängig von der Gestaltung der Kantine. Die Sozialmittel des Arbeitgebers, die er für die Erstausstattung und Einrichtung der Kantine einsetzt, werden verselbständigt und sollen den Arbeitnehmern einen sozialen Vorteil bringen. Damit ist die Sozialeinrichtung Kantine neben der Finanzierung der Arbeitnehmer von der Leistung von Sozialmitteln des Arbeitgebers abhängig, 381
IV. 4. und 1. c). (2) (c). 383 Kohte, in: Düwell, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 98. 382 bb)
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weshalb ab jetzt über die Form, Ausgestaltung und Verwaltung mitzubestimmen ist. In diesem Rahmen stellt sich dann die Frage der Kostenbeteiligung, die je nach Ausgestaltung höher oder niedriger sein kann. Die Arbeitnehmer zahlen ihr Geld nicht in einen gemeinsamen Topf, aus dem sie selbst wieder etwas nehmen wollen, sie zahlen es an den Arbeitgeber und unterwerfen sich seiner Verteilungsentscheidung. Dabei ist es für die Erreichung des Zwecks einer mitbestimmten Mittelverteilung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG gleichgültig, ob der Arbeitgeber die Mittel allein aufbringt, um sie dann zu verteilen, oder ob er eine Gestaltung wählt, bei der die Arbeitnehmer erst an ihn zahlen und er anschließend die Sozialleistungen erbringt. Ohne Betriebsrat ist es auch hier der Arbeitgeber, der, beispielsweise durch arbeitsvertragliche Einheitsregelung, die Mittelverteilung gestalten kann. Damit muss der Betriebsrat zur Mitbestimmung berufen sein, sofern die Arbeitgeber eine Leistung erhalten, die auch durch den Einsatz von Arbeitgebersozialmitteln bedingt ist. Die Arbeitnehmer verfügen über ihr Geld unter Anerkennung der durch den Arbeitgeber aus ihrer Perspektive fremdbestimmten Verteilungsordnung. Eine autonome Arbeitnehmersolidarkasse unterliegt dagegen der eigenbestimmten Ordnung der Arbeitnehmer. Außerdem gehört zur Ausgestaltung einer Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG auch, ob eine Finanzierung durch die Arbeitnehmer stattfinden soll. Damit kann eine solche das Bestehen einer Sozialeinrichtung als Voraussetzung ihrer Ausgestaltung nicht hindern. (2) Kontrollüberlegung: Betriebliche Altersversorgung Bei der betrieblichen Altersversorgung kommt es regelmäßig vor, dass die Arbeitnehmer an der Finanzierung beteiligt werden. Besonders im Falle der Entgelt umwandlung gemäß § 1a BetrAVG kann die betriebliche Altersversorgung vollständig durch den Arbeitnehmer finanziert werden. Aber auch § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG zeigt die Möglichkeit der Finanzierungsbeteiligung durch die Arbeitnehmer. Ob nun die betriebliche Altersversorgung in der Weise realisiert wird, dass die Arbeitnehmer Beiträge erbringen, unterliegt als solches der Mitbestimmung des Betriebsrats.384 Das BAG spricht – ohne nähere Begründung – davon, dass Versicherungsleistungen und Beitragsleistungen untrennbar miteinander verbunden seien.385 Damit dürfte es meinen, was auch hier gesagt worden ist: Die Beiträge der Arbeitnehmer werden Teil der betrieblichen Altersversorgung, wie sie vom Arbeitgeber ohne Betriebsrat gestaltet worden wäre, sodass die Beiträge der fremdbestimmten Verteilungsordnung des Arbeitgebers unterliegen würden. Das wird verhindert, indem der Betriebsrat, ab Errichtung386 einer Einrichtung zur beBAG v. 16. 2. 1993, 3 ABR 29/92, AP Nr. 19 zu § 87 BetrVG 1972, Altersversorgung. BAG v. 16. 2. 1993, 3 ABR 29/92, AP Nr. 19 zu § 87 BetrVG 1972, Altersversorgung. 386 Der Arbeitgeber darf allerdings allein die Durchführungsform der betrieblichen Altersversorgung bestimmen. Diese beeinflusst den vom Arbeitgeber zu erbringenden Auf384 385
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trieblichen Altersversorgung – freiwillig gemäß § 88 Nr. 2 BetrVG auch schon vorher – darüber mitbestimmen kann, ob die Arbeitnehmer Beiträge leisten sollen und damit der arbeitgeberseitigen Verteilungsordnung unterstehen. Die spätere Versorgungsleistung ist sowohl durch die Beitragsleistung als auch durch die vom Arbeitgeber für die betriebliche Altersversorgung gewährten Mittel sichergestellt. Sofern und soweit Arbeitnehmer die betriebliche Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung finanzieren, ist strittig, ob eine Mitbestimmung des Betriebsrats notwendig ist. Das liegt nicht an der Finanzierung durch die Arbeitnehmer. Vielmehr stellt sich die Frage, ob diese Beiträge der Arbeitnehmer überhaupt von einer Verteilungsentscheidung des Arbeitgebers betroffen sind. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG werden die künftigen Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt. Die Mittel jedes Arbeitnehmers dürfen daher nur zum Aufbau seiner eigenen wertgleichen Anwartschaft verwendet werden. Insoweit ist eine andere Verteilung dieser Mittel durch den Arbeitgeber nicht denkbar, weshalb eine Mitbestimmung durch den Betriebsrat sinnlos ist.387 Daher gilt: Auslösendes Moment der Mitbestimmung ist nicht die Tatsache der Finanzierung durch die Arbeitnehmer. Maßgeblich ist, dass die Beiträge Teil der vom Arbeitgeber bestimmten Verteilungsordnung werden. (3) Folgen für das Beispiel der Sterbekasse Der Arbeitgeber kann auch eine Sterbekasse in tatsächlich selbständiger Form errichten – zum Beispiel durch Eröffnung eines Kontos, auf das er eine Einmalzahlung leistet. Anschließend bestimmt er, nach welchen Grundsätzen das Kassenvermögen in Form der Sterbegeldzahlungen zu verteilen ist. In diesem Beispiel sind es nicht die einzahlenden Arbeitnehmer, die ein Kassenvermögen geschaffen haben, welches originär ihrer Verteilungsmacht unterliegt. Sie geben ihr Geld in eine vom Arbeitgeber und somit für sie fremdbestimmte Verteilungsordnung. Ohne Betriebsrat könnte der Arbeitgeber eine Verteilung auch über die finanziellen Mittel der Arbeitnehmer erreichen. Daher besteht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Ab der Errichtung – Eröffnung des Kassenkontos – kann der Betriebsrat u.a. darüber mitbestimmen, ob und in welcher Höhe die Arbeitnehmer Beiträge leisten und nach welchen Verteilungsgrundsätzen die Sterbegeldzahlungen erbracht werden sollen. Das Mitbestimmungsrecht erfasst hier von Beginn an auch den arbeitnehmerfinanzierten Teil und beschränkt sich nicht nur auf Leistungen des Arbeitgebers an die Sterbekasse. wand und die Finanzierung so wesentlich, dass er in der Wahl des Durchführungsweges frei sein muss; BAG v. 16. 2. 1993, 3 ABR 29/92, AP Nr. 19 zu § 87 BetrVG 1972, Altersversorgung. 387 Kemper/Kisters-Kölkes, in: Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber, BetrAVG, § 1 BetrAVG, Rn. 434 f.; Kemper, in: Festschrift Förster, S. 207, S. 213. Nach a. A. bleibt eine Mitbestimmung des Betriebsrats notwendig, Perreng, in: Festschrift Kemper, S. 347, S. 350 ff.
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(4) Verteilungsnotwendigkeit Eine erzwingbare Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 oder Nr. 10 BetrVG setzt voraus, dass die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mittel überhaupt verteilt werden können.388 Das folgt aus dem Sinn und Zweck dieser Mitbestimmungstatbestände, die nicht erreichen wollen, dass der Arbeitnehmer überhaupt eine Sozialleistung erhält, sondern nur, dass sie unter Anwendung „gerechter“ Verteilungsregeln erbracht werden,389 nachdem der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei entschieden hat, eine Sozialleistung zu erbringen. Leistungen des Arbeitgebers können zwar dazu führen, dass eine Einrichtung, auch eine von Arbeitnehmern gegründete Kasse, überhaupt erst sinnvoll bestehen kann und/oder sonst zu einem sozialen Vorteil führen, die Frage ist aber, ob sie verteilt werden können. Unterstützt der Arbeitgeber eine Sterbekasse der Arbeitnehmer dadurch, dass er die Arbeitnehmerbeiträge vom Nettogehalt einbehält, ein Konto errichtet, das Geld darauf einzahlt und die Kasse verwaltet oder einen Arbeitnehmer damit beauftragt, der die Verwaltung während der Arbeitszeit übernimmt, kann das die Sterbegeldzahlung erhöhen, weil ein sonst marktübliches Entgelt für solche Dienstleistungen das Kassenvermögen nicht verringert. Diese Leistungen des Arbeitgebers unterliegen aber nicht seiner verteilenden Entscheidung. Er kann eine solche Hilfe mitbestimmungsfrei ablehnen oder zusagen. Sagt er sie zu, kann sie automatisch nur mit gleicher Wirkung gegenüber allen Arbeitnehmern erbracht werden, indem die Dienstleistung das Kassenvermögen nicht belastet. Damit können am Beispiel der Sterbekasse folgende Fallgruppen unterschieden werden: Eine Sterbekasse ist dann keine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, wenn sie ausschließlich durch die Arbeitnehmer finanziert wird und entweder auch sonst keine Leistungen des Arbeitgebers bestehen, die einen positiven Einfluss auf die Höhe des Sterbegeldes haben oder Leistungen sind, die nicht verteilt werden können. Etwas anderes gilt in der Fallgruppe, dass die Arbeitnehmer ihre Mittel einer durch den Arbeitgeber fremdbestimmten Verteilungsordnung unterstellen.390 Finanziert der Arbeitgeber die Sterbekasse alleine oder teilweise, stellt die Sterbegeldzahlung eine Sozialleistung des Arbeitgebers dar.
C. Fallgruppenbildung zur Sterbekasse im Überblick Am Beispiel der Sterbekasse als in der Praxis wichtigsten Fall der Arbeitnehmersolidarkasse sollen die unter B. erarbeiteten Grundsätze auf einzelne Fallgruppen angewendet werden, um im Einzelfall insbesondere eine Einordnung zu erBAG v. 8. 11. 2011, 1 ABR 37/10, NZA 2012, S. 462, S. 463. Oben unter III. 6. 390 Gerade eben unter (1) bis (3). 388 389
C. Fallgruppenbildung zur Sterbekasse im Überblick
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möglichen, in welchen Fällen eine Arbeitnehmersolidarkasse Sozialeinrichtung ist und in welchen Fällen sie arbeitnehmerautonom besteht. Einzelheiten und rechtliche Grundlegungen sind unter B. zu erfahren. Die Darstellung lässt sich auf andere Beispiele von Arbeitnehmersolidarkassen übertragen. In der Regel ist das Kassenvermögen einer Sterbekasse vom übrigen Betriebsvermögen getrennt, weshalb sich eine Mitbestimmung, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG richtet. Ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG wird durch die Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG verdrängt. Fragen des Ordnungsverhaltens sind Fragen der Ausgestaltung der Sozialeinrichtung.391
I. Sterbekasse als autonome Arbeitnehmersolidarkasse Eine Sterbekasse im Betrieb ist keine Sozialeinrichtung, wenn die Sterbegeldzahlung nicht durch die Leistung von Arbeitgebersoziallmitteln zum Vorteil der Arbeitnehmer beeinflusst ist. Gründen die Arbeitnehmer eine Sterbekasse, sammeln Geld auf einem Konto, verwalten und verteilen es, dann enthält die Sterbegeldzahlung ausschließlich arbeitnehmereigene Mittel. Sofern die Arbeitnehmer nicht individualvertragliche Pflichten im Verhältnis zum Arbeitgeber verletzen – zum Beispiel wird die Pflicht zur Arbeitsleistung verletzt, wenn die Arbeitnehmer ohne Freistellung durch den Arbeitgeber die Kasse während der Arbeitszeit verwalten –, können die Arbeitnehmer ihre Sterbekasse autonom betreiben. Da der Arbeitgeber zu keiner Zeit eine Entscheidung darüber getroffen hat, Sozialmittel für Arbeitnehmer des Betriebs für einen bestimmten Zweck zu verselbständigen, besteht auch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
II. Freiwillige Mitbestimmung bei nicht in Geld bestehenden Leistungen des Arbeitgebers Im Einzelfall ist es schwierig, Leistungen des Arbeitgebers, die nicht in Geld bestehen, daraufhin zu beurteilen, ob sie die Sterbegeldzahlung in der Weise beeinflussen, dass von einem sozialen Vorteil im Sinne der Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung gesprochen werden kann. Der soziale Vorteil kann gerade durch die Nutzung der betrieblichen Infrastruktur bedingt sein, die der Arbeitgeber zur Verfügung stellt. Die in der Praxis typischen Dienstleistungen des Arbeitgebers für eine Sterbekasse – Einbehalt der Kassenbeiträge vom Nettolohn der Arbeitnehmer, Überweisung auf ein Kassenkonto der Arbeitnehmer, Einrichtung eines Kontos beim Arbeitgeber, Verwaltung des Kontos durch den Arbeitgeber oder durch einen Arbeitnehmer, den der Arbeitgeber bezahlt – können die Höhe des Sterbegeldes fördern, weil kein für sie marktübliches Entgelt das Kassenvermögen belastet. Ob 391 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 BetrVG, Rn. 676. Anders BAG v. 11. 7. 2000, 1 AZR 51/99, AP Nr. 16 zu § 87 BetrVG 1972, Sozialeinrichtung.
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und inwieweit die jeweilige Dienstleistung auf dem Markt zu vergüten wäre, ist eine Frage des Einzelfalls. Unabhängig davon führen solche Dienstleistungen allein dennoch nicht zu einer erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8, Nr. 10 BetrVG, weil diese Leistungen nur erbracht, aber nicht an die Arbeitnehmer unterschiedlich verteilt werden können. Freilich können Arbeitgeber und Betriebsrat auf Grund ihrer Regelungskompetenz in sozialen Angelegenheiten in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede festlegen, dass der Arbeitgeber solche Dienstleistungen erbringen soll.
III. Geldzahlungen an eine bestehende Arbeitnehmersolidarkasse Bestehende Sterbekassen unterstützt der Arbeitgeber häufig durch Geldzahlungen. 1. Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG bei Geldzahlungen an die Kasse Leistet er direkt an die Kasse, handelt es sich nicht um eine mitbestimmungsfreie Unterstützung einer zuvor bestehenden autonomen Arbeitnehmersolidarkasse. Die Entscheidung des Arbeitgebers, Geldmittel für eine Sterbekasse zu Gunsten der Arbeitnehmer des Betriebs zu gewähren, die durch Zahlung an die Sterbekasse vom Betriebsvermögen verselbständigt werden oder werden sollen, führt zu der Errichtung einer Sozialeinrichtung. Damit entsteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. In dieser Fallgruppe ist Gegenstand der Mitbestimmung die Verteilung der originär vom Arbeitgeber aufgewendeten Geldmittel, die durch die eigentliche Sozialleistung in Form der Sterbegeldzahlung an die Arbeitnehmer gelangt (gelangen soll). 2. Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei Geldzahlungen aus laufendem Betriebsvermögen Unterstützt der Arbeitgeber eine Sterbekasse dadurch, dass er im Auszahlungsfall einen Geldbetrag zu dem Sterbegeldbetrag hinzuzahlt, ohne dass er dazu Vermögen verselbständigt, erbringt er die Zahlung an den Begünstigten aus laufendem Betriebsvermögen, weshalb sich eine Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ergibt. Auch hier müssen die Betriebsparteien klären, unter welchen Voraussetzungen welche Arbeitnehmer welchen Betrag erhalten.
C. Fallgruppenbildung zur Sterbekasse im Überblick
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IV. Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG bei Gründung der Sterbekasse durch den Arbeitgeber Besteht noch keine Sterbekasse der Arbeitnehmer, kann sie auch durch den Arbeitgeber gegründet werden. Das getrennt vom übrigen Betriebsvermögen gesammelte Kassenvermögen dient dem sozialen Zweck einer Sterbegeldleistung. Die Sozialleistung des Arbeitgebers und der dadurch erreichte Sozialvorteil der Arbeitnehmer bestehen in unterschiedlicher Nuancierung. Finanziert der Arbeitgeber die Sterbekasse alleine, liegt der Sozialvorteil in der künftigen Sterbegeldzahlung. Bei einer gemeinsamen Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergibt sich der Sozialvorteil aus dem durch die Arbeitgeberfinanzierung erhöhten Teil des Sterbegeldbetrages. Mitunter beschränkt sich der Arbeitgeber darauf, seine betriebliche Infrastruktur für die Einrichtung einer Sterbekasse zu nutzen. Beispiel: Er eröffnet ein Konto, auf das er die vom Nettolohn einbehaltenen Beiträge der Arbeitnehmer zahlt und er kümmert sich selbst oder auf seine Veranlassung hin ein Arbeitnehmer, beispielsweise jemand aus der Buchhaltung oder der Personalabteilung, um Kontoführung, Buchhaltung und sonstige Verwaltung. Selbst hier ist die Sterbegeldzahlung sozial vorteilhaft für die Arbeitnehmer. Zum einen haben die Dienstleistungen des Arbeitgebers einen Marktwert, den Versicherungsunternehmen bei der Beitragserhebung und Versicherungsleistung kalkulieren. Zum anderen besteht auch sonst keine Gewinnerzielungsabsicht des Arbeitgebers, sodass die Beiträge in voller Höhe der Sterbegeldzahlung zu Gute kommen. Die Sterbegeldhöhe ist durch das Verhalten des Arbeitgebers zugunsten der Arbeitnehmer beeinflusst und stellt damit einen Sozialvorteil dar. Doch ist auch an dieser Stelle das unter II. Gesagte zu bedenken. Beschränkt sich der Arbeitgeber darauf, solche – wenn auch zu einem sozialen Vorteil für die Arbeitnehmer führende – Dienstleistungen zu erbringen und besteht überdies keine Verteilungsmacht im Hinblick auf die von Arbeitnehmern aufgebrachten Geldmittel (dazu noch sogleich im Text), scheidet ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG aus, weil es nichts zu verteilen gibt. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG entsteht aber häufig nicht nur hinsichtlich der vom Arbeitgeber bereitgestellten Geldmittel. Regelmäßig liegt es so, dass der Arbeitgeber die Modalitäten der Verteilung des gesammelten Kassenvermögens einschließlich der durch die Arbeitnehmer aufgewendeten Geldmittel festlegt. Dann können sich die Arbeitnehmer mit der Konsequenz an der Sterbekasse beteiligen, dass eine aus ihrer Sicht fremdbestimmte Verteilungsordnung gilt. Ohne Betriebsrat wäre die aus Sicht des Betriebsverfassungsgesetzes gewünschte „gerechte“ Mittelverteilung nicht gegeben. Wenn schon originär eigene Mittel des Arbeitgebers nur verteilt werden dürfen, wenn der Betriebsrat beteiligt wird, dann dürfen die Mittel, die durch die Arbeitnehmer selbst aufgebracht werden, erst recht nicht der Alleinbestimmung des Arbeitgebers unterliegen. Die Verteilungsmacht des Arbeitgebers in Bezug auf das durch die Arbeitnehmer finanzierte Kassenvermögen ergibt sich zwar nicht aus einer ursprünglichen Rechtsposition des Arbeitgebers. Das BetrVG hat aber nicht
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die zivilrechtliche Gestaltung zum Anlass genommen, um eine Mitbestimmung zu gewähren. Diese soll vielmehr unerheblich sein. Mitbestimmungsauslösend ist allein, dass der Arbeitgeber ohne Betriebsrat in seiner Position als Arbeitgeber eine Verteilung vornehmen könnte. Das gilt dann für die Verteilung von Betriebsmitteln, deren Eigentümer (zum Beispiel bei Sachleistungen) oder Rechtsinhaber (zum Beispiel bei Geldzahlungen) er ist und es gilt genauso, wenn er auf Grund seiner Stellung als Arbeitgeber über die Verteilung von Arbeitnehmermitteln bestimmen kann, die die Arbeitnehmer gerade deshalb aufwenden, weil sie eine Leistung des Arbeitgebers wünschen und die sie deshalb seiner Verteilungsmacht unterstellen. Maßgeblich für die Mitbestimmung bleibt aber stets, dass sich die auf Grund der Verteilung ergebende Leistung an die Arbeitnehmer noch als betriebliche Sozialleistung begreifen lässt. Wie gesehen ist das bei Sterbekassen der Fall, wenn der Arbeitgeber selbst einen Teil finanziert oder diese durch seine betriebliche Infrastruktur ermöglicht, selbst wenn er dabei Dienstleistungen erbringt, die für sich gesehen nicht „verteilt“ werden müssen. Es lässt sich auf den Punkt bringen: Besteht im Betrieb eine arbeitnehmerautonom errichtete Sterbekasse, die die Arbeitnehmer selbst finanzieren, unterliegt jede finanzielle Unterstützung des Arbeitgebers der Mitbestimmung des Betriebsrats. Bei Zahlung an die Sterbekasse gilt § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, bei Zahlung erst im Sterbefall an den Begünstigten ist § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG anzuwenden. Im ersten Fall ist die Sterbekasse der Arbeitnehmer Sozialeinrichtung. Möchte der Arbeitgeber eine Sterbekasse errichten, indem er ein verselbständigtes Kassenvermögen schafft, unterliegt die Sterbekasse als Sozialeinrichtung der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Das gilt in der Regel unabhängig davon, wer die Sterbekasse finanziert, weil die Arbeitnehmer selbst aufgebrachte Geldmittel der aus ihrer Sicht fremdbestimmten Verteilungsordnung des Arbeitgebers unterstellen. Eine Sterbekasse ist dann arbeitnehmerautonom, wenn die Arbeitnehmer eine solche Kasse selbst errichten, finanzieren sowie die Verteilung der Geldmittel bestimmen und der Arbeitgeber sie nicht durch Leistung eigener zu verteilender Sozialmittel unterstützt. Dann erbringt die Kasse keine Sozialleistungen des Arbeitgebers. Mitbestimmungsfrei bleibt sie in diesem Fall auch, wenn der Arbeitgeber nicht mehr in seiner Position als Arbeitgeber für die Sterbekasse handelt. Besteht die Sterbekasse der Arbeitnehmer zum Beispiel als Verein, kann der Arbeitgeber beispielsweise als Vorstand tätig sein, selbst wenn er Einfluss auf die Verteilung des Vermögens hat. Dann erbringt der Verein keine Sozialleistungen des Arbeitgebers. Dies darf allerdings nicht durch rechtsmissbräuchliche Gestaltung des Arbeitgebers herbeigeführt werden (dazu noch unter V.). Die Mitbestimmung geht nur so weit wie die Verteilungsmacht des Arbeitgebers reicht. Von Arbeitnehmern errichtete Sterbekassen bleiben autonom, soweit nicht auf Grund der Verteilungsnotwendigkeit von Sozialmitteln des Arbeitgebers, die er an die Sterbekasse leistet, eine Einflussnahme der Betriebsparteien auf die Sterbekasse sichergestellt wird. Eine solche Einflussnahme kann aber nur im Einvernehmen mit der Kasse umgesetzt werden.
C. Fallgruppenbildung zur Sterbekasse im Überblick
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V. Mitbestimmungsrechtliche Einordnung von Sterbekassen bei gemeinschaftlichem Handeln von Arbeitgeber, Arbeitnehmern oder Betriebsrat Sterbekassen in Betrieben entstehen oft auch gemeinschaftlich durch Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Betriebsrat. Dann ist im Einzelnen nach vorstehenden Grundsätzen zu bewerten, ab wann ein Mitbestimmungsrecht besteht, worauf es sich bezieht und welchen Umfang es hat. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können nämlich auch gemeinsam zu dem Ergebnis kommen, dass eine Sterbekasse errichtet werden soll. Darin liegt nicht per se schon eine Verletzung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats. Der Arbeitgeber darf die mitbestimmungsfreien Entscheidungen auch gemeinsam mit den Arbeitnehmern festlegen oder überlegen, ob er überhaupt eine Sterbekasse errichtet oder ob das die Arbeitnehmer selbst tun. Nur gilt wieder: Gründen die Arbeitnehmer die Sterbekasse, indem sie autonom die Sterbekasse gestalten, ist dadurch ein Mitbestimmungsrecht noch nicht ausgelöst. Der Arbeitgeber darf nur nicht mit den Arbeitnehmern Verteilungsregeln festgelegt haben, die diese anschließend beispielsweise in einer Satzung niederlegen, um dann die Sterbekasse zu unterstützen. Die Unterstützungsabsicht löst bereits das Mitbestimmungsrecht wegen der Errichtung einer Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG aus. Die Festlegung der Verteilungsgrundsätze gehört zur Ausgestaltung und damit bereits zu den mitbestimmungspflichtigen Entscheidungen. Liegt eine autonome Gestaltung der Sterbekasse durch die Arbeitnehmer vor, führt erst die Entscheidung des Arbeitgebers, diese mit Geldmitteln zu unterstützen, zu einer Mitbestimmung des Betriebsrats; bei Zahlung an die Kasse gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, bei Zahlung an die Begünstigten gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Kommen Arbeitnehmer und Arbeitgeber überein, dass dieser die Sterbekasse errichtet, darf er sich nicht mit den Arbeitnehmern über die Verteilung und/oder einer Beitragspflicht verständigen. Das unterliegt ebenfalls der Mitbestimmung des Betriebsrats, und zwar bereits ab der Errichtungsentscheidung durch den Arbeitgeber. Nach diesen Grundsätzen ist auch zu entscheiden, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat sich von Anfang an darüber verständigen, ob eine Sterbekasse errichtet werden soll. So regeln die Betriebsparteien häufig in einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung sowohl deren Errichtung (§ 88 Nr. 2 BetrVG) als auch ihre Form, Ausgestaltung und Verwaltung (§ 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG). Dann können die Betriebsparteien unter anderem bestimmen, dass die Sterbekasse durch den Arbeitgeber betrieben und das Kassenvermögen nur tatsächlich verselbständigt wird. Oder sie verständigen sich zum Beispiel auf die Gründung eines Vereins durch die Arbeitnehmer mit entsprechender zweistufiger oder organschaftlicher Gestaltung. Der Arbeitgeber ist dann gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG zur Durchführung verpflichtet. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist damit nur dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber die Sterbekasse nicht unterstützt, es sich nur um eine Unter-
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stützung handelt, die die Sterbegeldzahlung in der Höhe nicht beeinflusst oder die Unterstützung des Arbeitgebers nicht verteilt werden kann. Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber einer durch die Arbeitnehmer errichteten Sterbekasse nur dadurch hilft, dass er die Beiträge vom Gehalt einbehält und auf ein Sterbekassenkonto der Arbeitnehmer überweist. Ohne diese Hilfe müssten sie selbst an die Sterbekasse leisten. Das belastet aber das Kassenvermögen nicht, da die Sterbekasse diese Leistung nicht marktüblich entgelten muss. Sie wird auch nicht erst durch diese Leistung des Arbeitgebers ermöglicht. Außerdem kann die Dienstleistung des Arbeitgebers nicht verteilt werden, weshalb auch aus diesem Grund ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG nicht besteht. Einen Grenzfall bildet die Konstellation, dass die Arbeitnehmer selbst die Bedingungen der Verteilung festlegen und den Arbeitgeber nur bitten, das Geld auf einem eigenen Konto durch Einbehalt vom Nettolohn zu sammeln und nach den Vorgaben der Arbeitnehmer das Sterbegeld auszuzahlen. Hier hat die Dienstleistung des Arbeitgebers einen vermögenswerten Einfluss auf die Sterbegeldhöhe. Insofern lässt sich von einem sozialen Vorteil durch die Leistung des Arbeitgebers sprechen. Diese Leistung des Arbeitgebers ist aber nicht zu verteilen und unterliegt deshalb nicht der Mitbestimmung. Da der Arbeitgeber auch keine Verteilungsordnung bestimmt hat und die Arbeitnehmer ihr Geld nicht dieser für sie fremdbestimmten Verteilungsordnung unterstellen, hat der Arbeitgeber keine Verteilungsmacht in Bezug auf die Arbeitnehmermittel. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats scheidet dann ebenfalls aus. Der Arbeitgeber kann mitbestimmungsrechtlich nach dem BetrVG damit originär eigene Mittel keiner Fremdbestimmungsordnung unterwerfen, die ein Mitbestimmungsrecht entfallen ließe. Er ist aber nicht gezwungen, über Fremdmittel eine eigene Verteilungsordnung zu schaffen. Insofern bleibt es bei der Arbeitnehmerautonomie.
VI. Auswirkungen veränderter Verteilungsnotwendigkeit der Mittel einer Sterbekasse Die Qualität einer Sterbekasse als Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ist allein bedingt durch den Umstand einer Mitbestimmungsnotwendigkeit. Daher kann eine Arbeitnehmersolidarkasse, die zunächst autonom besteht, Sozialeinrichtung werden, sofern über sie auch Arbeitgebermittel verteilt werden. In welchem Maß das geschieht, ist für den Begriff der Sozialeinrichtung unerheblich. Das Mitbestimmungsrecht folgt dem Maß der Verteilungsnotwendigkeit in Bezug auf Sozialmittel, über die ohne Betriebsrat der Arbeitgeber vor allem durch arbeitsrechtliche Gestaltung verfügen könnte. Im Übrigen verbleibt es bei der Arbeitnehmerautonomie. Umgekehrt verliert eine Einrichtung die Qualität als Sozialeinrichtung, wenn durch sie keine Sozialmittel des Arbeitgebers mehr verteilt werden.
D. Zur Handlungs- und Regelungskompetenz des Betriebsrats
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D. Zur Handlungs- und Regelungskompetenz des Betriebsrats Im Folgenden ist zu prüfen, wie weit die Handlungs- und Regelungskompetenz des Betriebsrats in Bezug auf Arbeitnehmersolidarkassen reicht.
I. Grundsatz: Bestehende Regelungskompetenz der Betriebspartner In der Regel gibt es keine Betriebsvereinbarungen, wenn eine arbeitnehmerautonome Solidarkasse besteht. Das gilt für viele Fälle, in denen die Arbeitnehmer spontan für einen bestimmten sozialen Zweck Geld sammeln – zum Beispiel wird anlässlich eines bevorstehenden Geburtstages Geld gesammelt, um ein Geschenk zu ermöglichen – oder auch dauerhaft verwalten – zum Beispiel kleine Abteilungsund Kaffeekassen. Ebenso betreiben Arbeitnehmer Sterbekassen häufig autonom und ohne Ein- und Mitwirkung der Betriebspartner. In der Tat sind hier die Betriebspartner zu einer Regelung nicht befugt. Weder besteht ein Mitbestimmungsrecht, insbesondere nicht gemäß §§ 87 Abs. 1 Nr. 8, Nr. 10, 88 Nr. 2 BetrVG, noch führt die umfassende Regelungskompetenz in sozialen Angelegenheiten zu einem anderen Ergebnis, da der Betriebsrat nicht sachlich zuständig ist, autonome Entscheidungen der Arbeitnehmer zu beeinflussen.392 Sofern Betriebsvereinbarungen Regelungen in Bezug auf autonome Arbeitnehmersolidarkassen enthalten, sind sie unwirksam. Die Ausführungen unter B. und C. haben gezeigt, dass viele Fälle von Arbeitnehmersolidarkassen im Betrieb ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 oder Nr. 10 BetrVG begründen. Sofern die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung erfüllt sind, besteht überdies die Möglichkeit freiwilliger Mitbestimmung gemäß § 88 Nr. 2 BetrVG. Im Grundsatz ist daher festzuhalten: Sofern und soweit ein erzwingbares und/oder freiwilliges Mitbestimmungsrecht gemäß der zitierten Vorschriften besteht, können die Betriebsparteien per Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede Arbeitnehmersolidarkassen gestalten.
II. Ausgewählte Regelungen im Einzelnen 1. Heteronome Mitgliedschaften Eine Regelung heteronomer Mitgliedschaften plus Beitragspflicht der Arbeitnehmer ist unwirksam.393 Nach dem Prinzip der Restgültigkeit von Betriebsvereinbarungen394 bleibt die Betriebsvereinbarung aber wirksam. Die Betriebsver392
Oben unter B. V. 1. c) cc) und B. V. 1. d). Oben unter B. IV. 3. a). 394 Preis, in: Wlotzke/Preis/Kreft, Betriebsverfassungsgesetz, § 77 BetrVG, Rn. 15; BAG v. 12. 10. 1994, 7 AZR 398/93, NZA 1995, S. 641, S. 642. 393
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einbarung ist so umzusetzen, dass sichergestellt wird, dass die Arbeitnehmer privatautonom entscheiden können, ob sie Mitglied der Sterbekasse werden möchten. Die vom Arbeitgeber im Rahmen einer heteronomen Mitgliedschaft einbehaltenen Beiträge vom Entgelt der Arbeitnehmer, die er an die Sterbekasse leistet, führen nicht zur Erfüllung des Lohnanspruchs gemäß § 362 Abs. 2 BGB. 2. Umsetzungsnotwendigkeit bei der Gestaltung von Sozialeinrichtungen Gerade bei der Gestaltung von Sozialeinrichtungen in Betriebsvereinbarungen – unabhängig davon, ob auch die Errichtung in einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung vorgesehen wird – ist es notwendig, dass die Regelungen praktisch umgesetzt werden. Dazu gehört zusammenfassend gesagt, dass die Einrichtung in der vereinbarten Rechtsform errichtet wird, die Regelungen in einer Satzung (bei rechtlich selbständigen Einrichtungen) oder sonst schuldrechtlich (beispielsweise durch vertragliche Einheitsregelung, die den Vorgaben entspricht), und/oder auch durch arbeitgeberseitige Ausübung des Direktionsrechts festgelegt werden und die Verwaltung wie vereinbart eingerichtet wird. Die Betriebsvereinbarung selbst führt nicht zu der Errichtung einer Sozialeinrichtung, weder einer rechtlich noch einer tatsächlich selbständigen.395 Genauso kann die Betriebsvereinbarung die Arbeitnehmer nicht normativ zu einer Beitragszahlung verpflichten. Die Arbeitnehmer müssen erst rechtsgeschäftlich erklären, sich an der Sterbekasse zu beteiligen. Insoweit kann sie auch keine Ansprüche der Arbeitnehmer gemäß § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG auf Sterbegeldzahlung normativ begründen. Diese können je nach Gestaltung der Rechtsform nach Umsetzung der Betriebsvereinbarung entweder gegen den Arbeitgeber begründet werden – sofern die Sterbekasse nur tatsächlich vom Betriebsvermögen verselbständigt ist – oder gegenüber dem gegründeten Rechtssubjekt bei rechtlich verselbständigter Form. 3. Personelle Zuständigkeit Grundsätzlich dürfen die Betriebspartner mittels Betriebsvereinbarungen nur mit Wirkung für und gegen Arbeitnehmer handeln. Der Betriebsrat ist demnach nicht befugt, durch Betriebsvereinbarung zu Gunsten von Personen zu handeln, die er nicht repräsentiert. An sich sind damit keine Betriebsvereinbarungen möglich, die für leitende Angestellte396 oder für Betriebsrentner397 gelten.398 Jedenfalls 395
Ausführlich oben unter B. IV. 2. b). BAG v. 16. 7. 1985, 1 AZR 419/83, AP Nr. 32 zu § 112 BetrVG 1972. 397 BAG v. 28. 4. 1977, 3 AZR 300/76, AP Nr. 7 zu § 242 BGB, Ruhegehalt – Unterstützungskassen; BAG v. 13. 5. 1997, 1 AZR 75/97, AP Nr. 65 zu § 77 BetrVG 1972; Blomeyer, RdA 1977, S. 1, S. 10. 398 Zur Kontroverse über die Gestaltung von Ruhestandsverhältnissen ausführlich Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung zwischen Privatautonomie und Tarif 396
D. Zur Handlungs- und Regelungskompetenz des Betriebsrats
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für die Gestaltung von Sozialeinrichtungen durch Betriebsvereinbarungen muss etwas anderes gelten, wenn hier anerkannt ist, dass sich der Wirkungsbereich einer Sozialeinrichtung nicht nur auf die Arbeitnehmer des Betriebs, sondern auch auf leitende Angestellte, Betriebsrentner und nahe Angehörige erstreckt.399 Es wäre widersinnig, dann die Regelungsbefugnis der Betriebspartner im Rahmen der Mitbestimmungsausübung zu beschränken. Für die Betriebsrentner trifft das Argument, dass sich die sachliche Zuständigkeit nicht von der persönlichen unterscheiden lässt und der Rechtsgrund für die Zahlung des Sterbegeldes auch für die Betriebsrentner im früheren Arbeitsverhältnis liegt.400 Nichts anderes darf gelten, wenn sich die Mitbestimmung aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ergibt. Zu beachten ist aber, dass die normative Wirkung einer Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG nur bestehende Arbeitsverhältnisse erfasst. Es spricht aber nichts dagegen, Betriebsrentner, leitende Angestellte und nahe Angehörige des Arbeitnehmers als Begünstigte einer Arbeitnehmersolidarkasse in einer Betriebsvereinbarung oder einer Regelungsabrede zu bedenken. Ansprüche auf die Solidarleistung können diese Personen nur dann gegen den Arbeitgeber oder die rechtlich selbständige Kasse haben, wenn sich diese Rechtsträger ihnen gegenüber rechtsgeschäftlich verpflichtet haben. Im Rahmen der Durchführungspflicht gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann der Arbeitgeber gehalten sein, rechtsverbindliche Ansprüche einzuräumen bzw. auf einen selbständigen Rechtsträger entsprechend einzuwirken. 4. Zur Verwaltung der Arbeitnehmersolidarkasse durch den Betriebsrat Oft zeigt sich mit dem Bekanntwerden einer Arbeitnehmersolidarkasse im Betrieb, dass der Betriebsrat die Kasse verwaltet. Da der Grundsatz gilt, dass der Betriebsrat weder rechts- noch vermögensfähig ist, ist zu klären, ob der Betriebsrat Zuordnungssubjekt einer solchen Kasse sein kann. a) Grundsätze zur Rechts- und Vermögensfähigkeit des Betriebsrats Das BetrVG gestaltet den Betriebsrat nicht als juristische Person, er ist grundsätzlich nicht rechts- und vermögensfähig.401 Das BetrVG ordnet allerdings die Beautonomie, S. 201 ff.; Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht, S. 365; Dieterich, NZA 1984, S. 273, S. 278; Konzen/Jacobs, in: Festschrift Dieterich, S. 297, S. 318 ff. 399 Oben unter B. II. 2. b). 400 Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung zwischen Privatautonomie und Tarifautonomie, S. 201 ff.; Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 77 BetrVG, Rn. 77. 401 BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1, S. 9 f.; BAG v. 24. 10. 2001, 7 ABR 20/00, BAGE 99, S. 208, S. 211; Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 BetrVG, Rn. 71 f.
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teiligungsrechte dennoch dem Betriebsrat und nicht einzelnen Betriebsratsmitgliedern zu, die als natürliche Personen Träger von Rechten und Pflichten sein können. Daraus folgt zunächst, dass der Betriebsrat als Kollegialorgan die Beteiligungsrechte ausübt, er ist Zuordnungssubjekt dieser Rechte.402 Das BAG und ihm folgend die überwiegende Literatur leiten weitergehend aus § 40 Abs. 1 BetrVG eine teilweise bestehende Vermögensfähigkeit des Betriebsrats ab. § 40 Abs. 1 BetrVG begründe ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, innerhalb dessen der Betriebsrat einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Erstattung der durch die Betriebsratstätigkeit entstehenden Kosten habe.403 Daraus folgt, dass der Betriebsrat Zuordnungssubjekt von Vermögen ist, welches er für sein Handeln innerhalb seines gemäß dem BetrVG bestehenden Wirkungskreises benötigt.404 Anknüpfend daran hält man den Betriebsrat innerhalb seiner Zuständigkeit nach dem BetrVG für rechtsfähig. Das ergibt sich auch daraus, dass er selbst Partei einer Betriebsvereinbarung ist und sich in dieser oder einer Betriebsabsprache schuld rechtlich binden kann. Umstritten ist dabei, ob dies weiterhin bedeutet, dass er im Außenverhältnis zu Dritten selbst als Rechtssubjekt Verträge schließen kann.405 Der BGH hat dies in einer Grundsatzentscheidung bejaht.406 Soweit der Betriebsrat vermögensfähig ist, sei er auch rechtsfähig und müsse daher rechtlich in der Lage sein, mit Dritten Verträge abzuschließen, bei denen er sich selbst verpflichtet, sofern daraus ein Erstattungsanspruch gemäß § 40 BetrVG entstehe.407 Im Folgenden sind diese Grundsätze auf das Phänomen der Solidarkasse zu übertragen. Es ist zu unterscheiden, ob der Betriebsrat innerhalb oder außerhalb seines Wirkungsbereiches tätig ist.
402 Im Einzelnen Rosset, Rechtssubjektivität des Betriebsrats, S. 37 ff.; Belling, Haftung des Betriebsrats, S. 111, S. 222 f.; Jawad, Die rechtliche Stellung und die Rechtsfähigkeit des Betriebsrats, S. 168; Veit, Zuständigkeit des Betriebsrats, S. 130; Konzen, ZfA 1985, S. 469 ff.; Triebel, Die Haftung des Betriebsrats und der Durchgriff auf seine Mitglieder, S. 88 f. 403 BAG v. 24. 10. 2001, 7 ABR 20/00, BAGE 99, S. 208, S. 211. 404 BAG v. 29. 9. 2004, 1 ABR 30/03, NZA 2005, S. 123, S. 124; BAG v. 23. 8. 2006, 7 ABR 51/05, AP Nr. 12 zu § 54 BetrVG 1972. 405 Bejahend zum Beispiel Oetker, NZA 2002, S. 465, S. 471 f.; Richardi, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, Einleitung, Rn. 113; Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 1 BetrVG, Rn. 207; Haas, Anwaltliches Mandatsverhältnis zum Betriebsrat, S. 39. Ablehnend zum Beispiel: Franzen, in: GK-BetrVG, § 1 BetrVG, Rn. 73; v. Hoyningen-Huene, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 212, Rn. 14; Preis, in: Wlotzke/Preis/Kreft, Betriebsverfassungsgesetz, § 1 BetrVG, Rn. 45; Jahnke, RdA 1975, S. 343; Jawad, Die rechtliche Stellung und die Rechtsfähigkeit des Betriebsrats, S. 209 f. 406 BGH v. 25. 10. 2012, III ZR 266/11, NZA 2012, S. 1382, S. 1384 f. 407 BGH v. 25. 10. 2012, III ZR 266/11, NZA 2012, S. 1382, S. 1385.
D. Zur Handlungs- und Regelungskompetenz des Betriebsrats
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b) Handeln außerhalb des übertragenen Wirkungskreises Ergibt eine Prüfung, dass eine Solidarkasse arbeitnehmerautonom besteht, handelt der Betriebsrat außerhalb seiner Befugnisse. Der Betriebsrat ist rechtlich nicht in der Lage, eine solche Kasse zu errichten oder zu verwalten, er kann nicht Zuordnungssubjekt des Kassenvermögens sein. Er kann rechtlich nicht über dieses Vermögen verfügen, weder darf er Sterbegeld an die Begünstigten leisten, noch können die Arbeitnehmer Beiträge an den Betriebsrat zahlen. Schließlich ist er auch als Organ nicht rechtsfähig, um zum Beispiel für sich ein Bankkonto zu eröffnen. Dieser Befund führt in vielen Fällen zu einem Dilemma. Regelmäßig engagieren sich Betriebsratsmitglieder eben auch in der Weise für die Arbeitnehmer, dass sie soziale Kassen einrichten, verwalten, Geld sammeln und verteilen, um einem sozialen Zweck zu entsprechen. Häufig ist der Betriebsrat erste Anlaufstelle und die Betriebsratsmitglieder sind Ansprechpartner für die Arbeitnehmer, wenn es darum geht, Geld für soziale Zwecke zu sammeln. Dieses Phänomen ist nicht unbekannt und wird vor allem im Kontext des § 41 BetrVG diskutiert. Danach ist die Erhebung und Leistung von Beiträgen für Zwecke des Betriebsrats unzulässig. Die Subsumtion unter „für Zwecke des Betriebsrats“ gelingt unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs von § 41 BetrVG und § 40 BetrVG. Ersterer vervollständigt die Regelung, dass der Betriebsrat die Kosten seiner Tätigkeit nur vom Arbeitgeber ersetzt erhalten soll und nicht von den Arbeitnehmern. Die Bildung einer Betriebsratsumlage, die die Arbeitnehmer zahlen, ist damit unzulässig. Vom Umlageverbot nicht erfasst werden Sammlungen zu anderen Zwecken.408 Das bedeutet allerdings nicht, dass nicht von § 41 BetrVG erfasste Kassen zulässig sind. Ein solcher Umkehrschluss wäre falsch. Der Betriebsrat handelt nämlich nur dann innerhalb seiner Befugnisse, wenn ihm das BetrVG eine Befugnis zum Handeln gibt. Eine solche fehlt aber in Bezug auf Geldsammlungen und auf die Errichtung und Verwaltung arbeitnehmerautonomer Solidarkassen. aa) Wirksames Handeln wegen einer sittlichen Pflicht Gleichwohl billigt man mitunter, wenn der Betriebsrat Geldsammlungen organisiert, um Geschenke zu Jubiläen, Geburtstagen zu ermöglichen oder auch um anlässlich eines Sterbefalls eines Arbeitskollegen einen Kranz zu besorgen.409 Man betont zwar, dass der Betriebsrat nicht innerhalb seiner Befugnisse nach dem BetrVG handelt, nimmt es aber hin, da er einer sittlichen Pflicht nachkomme und es sich um bloß gesellschaftliche Angelegenheiten handele.410 Es ist jedoch fraglich, entgegen dem Grundsatz, dass der Betriebsrat nur innerhalb seiner ihm vom BetrVG überantworteten Aufgaben tätig werden darf, in dieser Weise ein Handeln des Betriebsrats zu legitimieren. Daher finden sich auch Koch, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 41 BetrVG, Rn. 1. Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, § 41 BetrVG, Rn. 8. 410 Thüsing, in: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, § 41 BetrVG, Rn. 8. 408
409
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Stimmen, die es nur für zulässig erachten, dass einzelne Betriebsratsmitglieder selbst solche Sammlungen organisieren.411 Letztlich ist es trotz des Bedürfnisses, solche Sammlungen als zulässig zu empfinden, kaum zu begründen, wieso der Betriebsrat plötzlich gesellschaftlich handeln dürfen soll. Dafür gibt das BetrVG weder ihm noch dem Betriebsratsmitglied eine Kompetenz. Möchte man solche Spontansammlungen anlässlich genauer zu bestimmenden Zwecken legitimieren, müsste de lege ferenda der Gesetzgeber eine solche Kompetenz des Betriebsrats bestimmen. Das Betriebsratsmitglied ist damit nicht gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG von seiner beruflichen Tätigkeit zu befreien. Eine grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG besteht aber nicht. Die Pflichtverletzung wiegt nicht so schwer, dass dadurch die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats beeinträchtigt ist und eine zukünftige Betriebsratstätigkeit nicht hingenommen werden kann.412 Nach dieser Rechtslage sollten die Betriebsratsmitglieder in solchen Situationen nicht für den Betriebsrat oder als Betriebsratsmitglied handeln, sondern als natürliche Personen ohne organschaftlichen Bezug oder Funktion. Es sollte vermieden werden, dass der Betriebsrat als Gremium über das Ob und das Wie einer Geldsammlung berät oder sogar beschließt und Beratungen auch nicht während üblicher Betriebsratssitzungen stattfinden, um Indizien nicht entstehen zu lassen, die für ein Handeln als Organ sprechen.413 Dazu gehört weiterhin, dass das Betriebsratsmitglied, möchte es als Arbeitnehmer auftreten, nicht im Namen des Betriebsrats tätig wird. bb) Problem: Handeln als Betriebsratsmitglied oder als natürliche Person ohne Betriebsratsfunktion Damit stellt sich die Frage, in welchen Situationen der Betriebsrat bei Geldsammlungen sowie der Errichtung und Verwaltung arbeitnehmerautonomer Solidarkassen tatsächlich als Organ tätig wird bzw. seine Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Betriebsratsmitglied handeln. Insbesondere lässt sich in der Praxis oft nicht genau unterscheiden, ob nun ein Betriebsratsmitglied für den Betriebsrat auftritt oder als natürliche Person ohne Betriebsratsfunktion. Stellt man sich den Fall vor, dass für ein künftiges Geburtstagsgeschenk gesammelt werden soll, geht das Betriebsratsmitglied nicht durch den Betrieb und sagt jedem Arbeitnehmer, ob es als Betriebsratsmitglied handelt oder nicht in dieser Eigenschaft. Die Arbeitnehmer dürften sich darüber ebenfalls keine Gedanken machen. Man findet daher eine Situation vor, in der sich die Sammlung als kompetenzwidrige Sammlung des Betriebsrats oder als rechtmäßiges Handeln Jost, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 221, Rn. 52. den Anforderungen an die grobe Verletzung einer Pflicht BAG v. 21. 2. 1978, 1 ABR 54/76, AP Nr. 1 zu § 74 BetrVG 1972; BAG v. 22. 6. 1993, 1 ABR 62/92, AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972. 413 Vgl. BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1, S. 6 ff. 411
412 Zu
D. Zur Handlungs- und Regelungskompetenz des Betriebsrats
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einer natürlichen Person – sofern keine Verletzung der Pflicht zur Arbeitsleistung gegeben ist – auffassen lässt. Dieser Konflikt lässt sich wie folgt auflösen: Hinsichtlich tatsächlicher Handlungen (zum Beispiel die allgemeine Organisation des Sammelns, das Anfragen bei den Arbeitskollegen, das tatsächliche Geldsammeln etc.), ist zu bedenken, dass dadurch nicht die Pflicht zur Arbeitsleistung verletzt werden darf. Das gilt für das Betriebsratsmitglied sowohl in dieser Eigenschaft als auch dann, wenn es nicht in Amtsfunktion handelt. Der tatsächlichen Handlung als solcher sieht man nicht an, ob sie jemand als Betriebsratsmitglied für den Betriebsrat oder nicht in dieser Funktion vornimmt. In Bezug auf das rechtsgeschäftliche Handeln, vor allem die Frage nach der Übereignung des Geldes und die Verfügung darüber an den Begünstigten, sind die Regeln des Vertretungsrechts zu berücksichtigen. Legt der handelnde Arbeitnehmer nicht offen, dass er für den Betriebsrat handelt, wirken die Erklärungen gemäß § 164 Abs. 1 S. 1 BGB nicht für und gegen den Betriebsrat. Anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer aus den Umständen entnehmen kann, der Betreffende wolle ausschließlich in seiner Eigenschaft als Vertreter des Betriebsrats handeln. Das gilt bereits nicht für die Fälle, in denen der Arbeitnehmer weiß, dass das handelnde Betriebsratsmitglied weder Vorsitzender noch Stellvertreter des Betriebsrats ist und diesen damit auch nicht gemäß § 26 Abs. 2 BetrVG vertreten darf. Der Arbeitnehmer geht nicht davon aus, dass das handelnde Betriebsratsmitglied als Vertreter ohne Vertretungsmacht handeln will. Schwieriger ist es, wenn derjenige Arbeitnehmer handelt, der auch den Betriebsrat vertreten kann. Doch auch hier muss aus den Umständen ein rechtsgeschäftliches Handeln für den Betriebsrat zu erkennen sein. Dafür genügt nicht, dass die Arbeitnehmer wissen, dass ein Arbeitnehmer Betriebsratsmitglied ist und diesen vertreten darf. Nach dem vertretungsrechtlichen Offenkundigkeitsprinzip muss zweifelsfrei zum Ausdruck kommen, dass im Namen des Vertretenen gehandelt wird. Hier kommt es auf den konkreten Einzelfall an. Sofern, wie häufig, das Betriebsratsmitglied nicht sagt, für wen es handelt, und keine Umstände für die Arbeitnehmer erkennbar sind, dass ein Handeln für den Betriebsrat gewünscht ist, kommt ein Rechtsgeschäft nur mit dem Betriebsratsmitglied als natürliche Person zustande. Auch die Anwendung der Grundsätze des Geschäfts für den es angeht führen zu keiner rechtsgeschäftlichen Bindung des Betriebsrats. Erstens ist schon nicht der Wille des Betriebsratsmitglieds zu ermitteln, dass er tatsächlich für den Betriebsrat handeln möchte. Zweitens kann den Betriebsrat nur angehen, wozu er als Teilrechtssubjekt überhaupt in der Lage sein kann. Über die Figur des Geschäfts für den es angeht soll ausnahmsweise der „wahre“ Vertragspartner berechtigt und verpflichtet werden. Der Betriebsrat ist aber gar nicht zuständig für Geldsammlungen und kann in einem rechtsgeschäftlichen Sinn nicht der „wahre“ Vertragspartner der Arbeitnehmer sein.
158 § 2 Einordnung der Arbeitnehmersolidarkassen in das Betriebsverfassungsrecht
Abgesehen von dieser „technischen“ Argumentation ist anzuführen, dass sich die Beteiligten im Zweifel in der Weise verhalten möchten, wie es das Recht ihnen erlaubt. Ist unklar, ob ein Arbeitnehmer als Betriebsratsmitglied handeln möchte oder nicht, und lässt sich über eine Auslegung schlicht nicht ermitteln, in welcher Eigenschaft er gehandelt hat, dann spricht alles dafür, von der rechtmäßigen Handlungsform auszugehen. Dahinter steht ein grundlegendes Prinzip der Rechtsgeschäftslehre. Das BGB geht von der Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts aus und normiert die Unwirksamkeit als Ausnahme. Das bedeutet: Nicht die Wirksamkeit ist positiv festzustellen, sondern das Gegenteil. Ist unklar, ob ein Betriebsratsmitglied für den Betriebsrat oder nicht in seiner Amtsfunktion gehandelt hat und lässt sich nicht klären, was gilt, ist von der Variante auszugehen, nach welcher das Rechtsgeschäft wirksam ist. Aus diesen Gründen lässt sich zumindest praktisch in vielen Fällen die Geldsammlung durch einen Arbeitnehmer, der auch Betriebsratsmitglied ist, seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer zuordnen. Auch im Falle dauerhaft eingerichteter Kassen ist fraglich, ob die Kasse vom Betriebsrat oder von einem einzelnen Betriebsratsmitglied als Arbeitnehmer geführt wird. Darauf ist später weiter einzugehen, wenn die Einordnung von Arbeitnehmersolidarkassen in das Bürgerliche Recht bekannt ist.414 cc) Problem: Eigenmächtige Gründung einer Sterbekasse durch den Betriebsrat Wenn der Betriebsrat eigenmächtig eine Sterbekasse errichtet und eine Verteilungsordnung bestimmt, handelt es sich dabei nicht um eine rechtmäßige Verwaltung einer Sterbekasse durch den Betriebsrat. Ob alleine oder im Zusammenwirken mit den Arbeitnehmern, entsteht auf diese Weise keine Sozialeinrichtung, sodass er außerhalb seiner ihm nach dem BetrVG verliehenen Handlungs- und Regelungskompetenz tätig wird. Eine Sozialeinrichtung gemäß §§ 87 Abs. 1 Nr. 8, 88 Nr. 2 BetrVG entsteht überdies nicht schon dadurch, dass sich der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber auf die Gründung einer Sterbekasse verständigt, ohne dass das Verhalten des Arbeitgebers zu einem Sozialvorteil der Arbeitnehmer führt, eine Verteilungsnotwendigkeit von Sozialleistungen des Arbeitgebers besteht oder wenigstens durch Leistungen des Arbeitgebers ein sozialer Vorteil ermöglicht werden soll, selbst wenn geplant ist, dass die Arbeitnehmer sämtliche Geldmittel aufbringen. Unter diesen Voraussetzungen kann er freilich den Betriebsrat bitten, Regelungen für eine spätere Satzungsgestaltung einschließlich einer Verteilungsordnung etc. vorzubereiten und sich dann mit ihm über deren Geltung verständigen. Selbst wenn dies mündlich geschieht, liegt in der Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat eine Regelungsabrede. Eine Verteilungsentscheidung lässt sich auch noch annehmen, wenn der Betriebsrat die Verteilung bestimmen soll und der Arbeitgeber pauschal sein 414
Unten unter § 5: A. II.
D. Zur Handlungs- und Regelungskompetenz des Betriebsrats
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Einverständnis mit den Regelungen, wie sie der Betriebsrat eben festsetzt, erklärt. Die Willensbildung des Arbeitgebers ist nicht formalisiert, sodass auch ein konkludentes Verhalten für das Zustandekommen einer Regelungsabrede genügt.415 Äußert er aber gegenüber dem Betriebsrat, dass er keine Sterbekasse errichten möchte, finanziert er diese auch nicht teilweise und bestehen auch sonst keine zu verteilende Sozialleistungen des Arbeitgebers, dann lässt sich die autonom vom Betriebsrat errichtete Sterbekasse dem Arbeitgeber nicht mehr als Sozialeinrichtung zurechnen. c) Handeln innerhalb des übertragenen Wirkungskreises Rechtsträger und Vermögenszuordnungssubjekt der Arbeitnehmersolidarkasse, die die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG erfüllt, ist entweder der Arbeitgeber oder bei rechtlich selbständiger Gestaltung das gegründete Rechtssubjekt. Letzteres gilt auch, wenn im Rahmen der Umsetzung einer Betriebsvereinbarung beispielsweise die Arbeitnehmer einen Verein gründen. Dann ist der Betriebsrat zur Ausübung der Mitbestimmung nicht mehr berufen, die Kasse vermögensrechtlich zu verwalten. Die Verwaltung einer Kasse kann er nur übernehmen, wenn die Sozialkasse bloß tatsächlich vom Betriebsvermögen verselbständigt ist und Arbeitgeber und Betriebsrat regeln, dass der Betriebsrat die Kasse verwalten soll.416 Dann gehört die Verwaltung der Kasse als Ausübungsform der Mitbestimmung zum übertragenen Wirkungskreis. Hier stellt sich die Frage, wem das Kassenvermögen rechtlich zugeordnet ist. BAG417 und BGH418 folgern die Rechtsfähigkeit des Betriebsrats aus der Vermögensfähigkeit. Es gilt das Prinzip: Sofern der Betriebsrat einen Anspruch auf Kostenerstattung hat, muss er im Rahmen dieses gesetzlichen Schuldverhältnisses vermögensfähig sein, sonst ließe sich seine Position als Anspruchsinhaber nicht begreifen. Und da er eigene Ansprüche auf Kostenerstattung haben kann, muss er in diesen Fällen auch als Rechtssubjekt an den Rechtsverhältnissen beteilig sein können, die zu dieser Kostenerstattung führen. Die Rechtsfähigkeit folgt insofern der Vermögensfähigkeit. Der BGH formuliert daher: „Das „rechtliche Können“ folgt insoweit dem „vermögensmäßigen Können“.419 Verwaltet der Betriebsrat zum Beispiel eine Sterbekasse, wurde gerade festgestellt, dass das überhaupt nur möglich ist, wenn die Kasse bloß tatsächlich vom Betriebsvermögen getrennt ist. Daraus folgt bereits, dass die Kasse dem Rechtssubjekt Arbeitgeber zugeordnet bleibt. Der Betriebsrat kann auch bei Verwaltung der
Wiese, in: GK-BetrVG, § 77 BetrVG, Rn. 11. Zur Übertragung der Verwaltung BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1, S. 8 ff.; Matthes, in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 249, Rn. 26. 417 BAG v. 24. 10. 2001, 7 ABR 20/00, BAGE 99, S. 208, S. 211. 418 BGH v. 25. 10. 2012, III ZR 266/11, NZA 2012, S. 1382, S. 1385. 419 BGH v. 25. 10. 2012, III ZR 266/11, NZA 2012, S. 1382, S. 1385. 415 416
160 § 2 Einordnung der Arbeitnehmersolidarkassen in das Betriebsverfassungsrecht
Kasse nicht Rechtsträger der Kasse sein. 420 Anders ausgedrückt: Die Verwaltung der Kasse erfordert es nicht, dass er zugleich Rechtsträger der Kasse wird. Der Betriebsrat ist aber Zuordnungssubjekt des Kassenvermögens, wenn ihm die Verwaltung der Kasse innerhalb seines Wirkungskreises anvertraut ist. Das gilt nur in dem Umfang, in dem es die Wahrnehmung seiner Betriebsratsaufgaben erfordert. Eine unbeschränkte Verfügungsbefugnis über das Kassenvermögen ist damit nicht verbunden. Zum Beispiel ist es ihm rechtlich nicht erlaubt, weil er das für sinnvoller erachtet, von dem Geld andere Sozialmaßnahmen zu Gunsten der Arbeitnehmer zu bezahlen. Er darf über das Kassenvermögen nur verfügen, um seine Aufgabe – Verwaltung der Sterbekasse – zu erfüllen. Dazu gehört auch die Eröffnung eines Bankkontos im Namen des Betriebsrats, auf das der Arbeitgeber die Beiträge der Arbeitnehmer, aber auch seine eigenen, überweisen kann. Oft liegt es aber auch so, dass das Konto im Namen des Arbeitgebers geführt wird. Der Arbeitgeber kann den Betriebsrat oder ein Betriebsratsmitglied bevollmächtigen, für ihn ein Konto zu eröffnen. Möglich ist ein Tätigwerden des Betriebsrats sowohl als Vertreter des Arbeitgebers als auch im eigenen Namen mit eigener Verfügungsbefugnis, wenn er dabei innerhalb seines Wirkungskreises handelt. Eine Vertretung des Arbeitgebers verlangt eine entsprechende Bevollmächtigung.421 Auf der Linie der Rechtsprechung des BAG und des BGH ist dies aber nicht notwendig, da der Betriebsrat, soweit die Vermögenszuordnung besteht, rechtsfähig ist und in eigenem Namen handeln kann. Er darf daher auch das eingezahlte Vermögen selbst im eigenen Namen verwalten und die Sterbegelder auszahlen. Dabei verstößt der Betriebsrat nicht gegen das Umlageverbot des § 41 BetrVG. Der Betriebsrat häuft hier kein Vermögen an, um eigene Kosten zu decken. Kosten, die ihm bei der Verwaltung von Sozialkassen entstehen, zum Beispiel Büromaterial, Kontoführungsgebühren etc. muss er gemäß § 40 BetrVG vom Arbeitgeber ersetzt verlangen. Er darf kein Geld vom Kassenkonto einer Sterbekasse einbehalten, wenn ihm dieses Geld nicht zu diesem Zweck vom Arbeitgeber überlassen worden ist. Freilich kann der Arbeitgeber zur Deckung der Verwaltungskosten des Betriebsrats im Voraus Geldmittel an diesen gewähren oder auch mit ihm vereinbaren, dass er hierzu das Kassenvermögen belasten darf. Das gilt aber nur im Hinblick auf den Teil des Kassenvermögens, welcher auf Zahlungen des Arbeitgebers beruht. Das von den Arbeitnehmern aufgebrachte Kassenvermögen kann nicht für Zwecke des Betriebsrats und damit auch nicht, um Kosten der Verwaltung zu decken, verwendet werden. Hier verletzt der Betriebsrat § 41 BetrVG. Die Zahlungen der Arbeitnehmer müssen der Sozialkasse dienen. Beitragszahlungen können dann keine Umlage für Kosten des Betriebsrats sein. 420 BAG v. 24. 4. 1986, 6 AZR 607/83, BAGE 52, S. 1, S. 10 f.; Klebe/Ratayczak/Heilmann/Spoo, Betriebsverfassungsgesetz, § 87 BetrVG, Rn. 52; Clemenz, in: Henssler/Willemsen/Kalb, § 87 BetrVG, Rn. 150. 421 Zivilrechtlich zu weit geht die Konstruktion, der Betriebsrat würde stets den Arbeitgeber verpflichten, so Jahnke, RdA 1975, S. 343 ff.
§ 3 Einordnung in das Recht der betrieblichen Altersversorgung Das Betriebsrentengesetz ist anwendbar, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses zusagt (§ 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG). Bei den Sterbekassen, die einen Sterbefall zum Anlass einer solidarischen Unterstützung nehmen, könnte es sich um betriebliche Altersversorgung handeln, insbesondere wenn sie der Arbeitgeber finanziell unterstützt. Dass der Arbeitgeber eine Leistung nicht als betriebliche Altersversorgung bezeichnet, ist für die Einordnung als solche im Sinne des Betriebsrentenrechts bedeutungslos.1
A. Zusage der betrieblichen Altersversorgung gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG Betriebliche Altersversorgung steht und fällt mit der arbeitgeberseitigen Versorgungszusage, die unabhängig vom gewählten Durchführungsweg ein Versorgungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer begründet.2 Das BetrAVG wählt damit einen anderen Anknüpfungspunkt als das BetrVG, um zu bestimmen, ob eine betriebliche Sozialleistung dem Arbeitgeber zuzuordnen ist. Maßgeblich ist allein, dass der Arbeitgeber aus dem Versorgungsverhältnis verpflichtet ist, die zugesagten Leistungen zu erbringen. Dies gilt gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG nicht nur, wenn die betriebliche Altersversorgung über ihn selbst durchgeführt wird, sondern ebenso bei mittelbarer betrieblicher Altersversorgung gemäß der in § 1b BetrAVG beschriebenen Durchführungswege.
I. Nur unmittelbare Versorgungszusage relevant Für die im Rahmen dieser Arbeit zu untersuchenden Solidarkassen existieren keine Versorgungsträger im Sinne des § 1b BetrAVG. Weder hat der Arbeitgeber eine Lebensversicherung abgeschlossen (Direktversicherung gemäß § 1b Abs. 2 BetrAVG). Es besteht auch keine Pensionskasse (§ 1b Abs. 3 1. Var. BetrAVG), die gemäß § 118a VAG in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit oder einer Aktiengesellschaft betrieben werden müsste, oder ein Pensions1 BAG v. 3. 11. 1998, 3 AZR 454/97, NZA 1999, S. 594, S. 595; BAG v. 18. 2. 2003, 3 AZR 81/02, NZA 2004, S. 98, S. 100. 2 Rolfs, in: Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, § 1 BetrAVG, Rn. 32 ff.; Höfer/ Reinhard, in: Höfer, BetrAVG, Kapitel 4, Rn. 1 ff.
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§ 3 Einordnung in das Recht der betrieblichen Altersversorgung
fonds (§ 1b Abs. 3 2. Var. BetrAVG), für den gemäß § 112 VAG die Rechtsformen der Aktiengesellschaft und des Pensionsfondsvereins auf Gegenseitigkeit reserviert sind. Schließlich gibt es keine Unterstützungskasse (§ 1b Abs. 4 BetrAVG), die in Regel als GmbH oder als eingetragener Verein3 gegründet wird. Jedoch könnte eine betriebliche Altersversorgung in Form der unmittelbaren Versorgungszusage bestehen, bei der sich die Rechtsbeziehungen auf die Arbeitsvertragsparteien beschränken.4 Eine unmittelbare Versorgungszusage kann auch mittels Betriebsvereinbarung getroffen werden.5 Daher ändert sich an der notwendigen Einordnung in das Recht der betrieblichen Altersversorgung nichts, wenn Betriebsvereinbarungen Sterbekassen regeln und gestalten. Umgekehrt können dann, wenn betriebliche Altersversorgung gegeben ist, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bestehen.
II. Finanzierung der Versorgungsleistung Fraglich ist, ob eine Einordnung der Arbeitnehmersolidarkassen in das Recht der betrieblichen Altersversorgung davon abhängt, wer die Versorgungsleistung finanziert. Auch wenn dies überwiegend der Arbeitgeber tut, kennt das BetrAVG die ausschließlich arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersversorgung durch die Entgeltumwandlung gemäß §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 1a BetrAVG. Die in § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG vorgesehene Möglichkeit der Kostenbeteiligung durch die Arbeitnehmer ist beschränkt auf die Durchführungswege Pensionsfonds, Pensionskasse und Direktversicherung. Da diese Durchführungswege beim Untersuchungsgegenstand der betrieblichen Solidarkassen der Arbeitnehmer nicht bestehen, bleibt bei arbeitnehmerfinanzierten Kassen nur die Entgeltumwandlung. Die Einordnung der Leistungen aus einer Solidarkasse, insbesondere aus einer Sterbekasse, als Leistungen betrieblicher Altersversorgung scheitert daher nicht daran, dass die Beiträge zur Solidarkasse ausschließlich oder teilweise (im Falle der Aufstockung der Entgeltumwandlung durch den Arbeitgeber) von den Arbeitnehmern als Mitglieder aufgebracht werden. Maßgeblich in diesen Fällen, wie auch in denjenigen der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung, bleibt die Versorgungszusage des Arbeitgebers. Da hier als Durchführungsweg nur die unmittelbare Versorgungszusage als Direktzusage zu prüfen ist, kommt es für den Umfang der arbeitgeberseitigen Verpflichtung auf den Inhalt des Rechtsbegründungsakts des Versorgungsverhältnisses an. Als solcher Rechtsbegründungsakt kommt lediglich die Direktzusage in 3 Kemper/Kisters-Kölkes, in: Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber, BetrAVG, § 1 BetrAVG, Rn. 118. 4 Langohr-Plato, Betriebliche Altersversorgung, S. 20 f. 5 Kemper/Kisters-Kölkes, in: Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber, BetrAVG, § 1 BetrAVG, Rn. 77.
A. Zusage der betrieblichen Altersversorgung gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG
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Betracht als Gegenstand vor allem einer Gesamtzusage, einer vertraglichen Einheitsregelung oder einer Betriebsvereinbarung. Mit Blick auf die Betriebsvereinbarung ist zu unterscheiden: Das BetrAVG erweitert nicht die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien.6 Eine gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG normativ wirkende Rechtsbegründung des Versorgungsverhältnisses durch Betriebsvereinbarung ist nur möglich, wenn eine Regelungsbefugnis der Betriebs parteien besteht. Daher müssen – am Beispiel der Sterbekassen erklärt – Sterbekassen entweder die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG erfüllen oder es muss sich um eine betriebliche Lohngestaltung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG handeln. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist es denkbar, in einer Betriebsvereinbarung die Pflicht des Arbeitgebers zu begründen, einen Beitrag des Arbeitnehmers vom Lohn einzubehalten, und im Falle seines Todes den Hinterbliebenen ein Sterbegeld auszubezahlen. Ebenso könnte dies durch eine individualrechtliche Gestaltung erfolgen. Ob dabei die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch den Arbeitgeber, den Arbeitnehmer oder durch beide finanziert werden, ist unerheblich.
III. Aus Anlass des Arbeitsverhältnisses Eine Versorgungszusage müsste aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gegeben sein. Damit bleibt das Arbeitsverhältnis in jedem Fall betrieblicher Altersversorgung das Valutaverhältnis.7 Vom Recht der betrieblichen Altersversorgung ausgenommen sind solche Fälle, in denen Versorgungszusagen aus anderen Gründen als dem Arbeitsverhältnis, vor allem aus freundschaftlichen, familiären, ehelichen, verwandtschaftlichen oder anderen außerbetrieblichen Motiven heraus erklärt werden.8 Unterstützt der Arbeitgeber Arbeitnehmersolidarkassen, geschieht dies anlässlich des Arbeitsverhältnisses.
IV. Biologisches Ereignis § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG beschränkt die Zwecke der betrieblichen Altersversorgung auf die Versorgung wegen Alters, bei Invalidität oder als Hinterbliebener. Damit kann das BetrAVG für all diejenigen Solidarkassen nicht gelten, die anderen sozialen Zwecken dienen. Unterstützt der Arbeitgeber beispielsweise Kassen, die Leistungen bei Betriebsjubiläen, Geburtstagen, Hochzeiten, Sport- und Kulturer-
6 Im Einzelnen Rolfs, in: Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, Anhang § 1, Rn. 394 ff. 7 Langohr-Plato, Betriebliche Altersversorgung, S. 20; Rolfs, in: Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, § 1 BetrAVG, Rn. 33. 8 Kemper, in: Festschrift Andresen, S. 463, S. 472 f.; BAG v. 20. 4. 2004, 3 AZR 297/03, NZA 2005, S. 927, S. 928.
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§ 3 Einordnung in das Recht der betrieblichen Altersversorgung
eignissen gewähren, ist keine Versorgungszusage gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG gegeben.9 Unerheblich ist, welches Sozialmittel zur Förderung genutzt wird.10 Solidarkassen, die Hilfe bei Unfällen gewähren, leisten nicht erst mit Eintritt des biologischen Ereignisses „Invalidität“. Das die Zahlung auslösende Ereignis ist bereits der Unfall.11 Von der Invalidität zu unterscheiden ist ebenfalls die Krankheit. Das Betriebsrentenrecht erfasst das Krankheitsrisiko nicht.12 Arbeitnehmersolidarkassen, die in Krankheitsfällen helfen, sind damit ebenso vom Anwendungsbereich des BetrAVG ausgenommen. Es bleiben zum einen die Sterbekassen, die, anknüpfend an das biologische Ereignis „Tod“, Hinterbliebenenhilfe gewähren. Das gilt aber nur, sofern die Hilfe für Hinterbliebene beim Tod des Arbeitnehmers vorgesehen ist. Soweit Arbeitnehmersolidarkassen finanzielle Zuwendungen geben, wenn der Ehepartner oder sonstige Familienangehörige des Arbeitnehmers sterben, löst wieder nicht das biologische Ereignis „Tod des Arbeitnehmers“13 die Zahlung aus, weshalb eine betriebliche Altersversorgung nicht besteht. Zum anderen erfüllt eine Invaliditätskasse, die Unterstützungen bei Eintritt der Invalidität des Arbeitgebers erbringt, den Zweck des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG.
V. Versorgung Die Verpflichtung zu einer durch ein biologisches Ereignis ausgelösten Zahlung allein genügt nicht, um betriebliche Altersversorgung anzunehmen. Sinn und Zweck des BetrAVG ist es, sicherzustellen, dass vom Arbeitgeber zugesagte Leistungen erbracht werden. Das gelingt durch die Einstandspflicht des Arbeitgebers, selbst wenn die betriebliche Altersversorgung nicht unmittelbar über ihn erfolgt (§ 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG), sowie durch die Gestaltung der Unverfallbarkeit der Anwartschaften und der Insolvenzsicherung. Auslösendes Moment für die Geltung dieser Schutzvorschriften ist die Zusage des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zu versorgen. Mit Versorgung ist dabei mehr gemeint als bloßes Helfen oder Unterstützen. Rechtsprechung und Literatur stimmen darin überein, dass die Zahlung von Sterbegeld keinen Versorgungscharakter erfüllt, wenn sie lediglich zu den
9 BAG v. 12. 12. 2006, 3 AZR 475/05, DB 2007, S. 2043; BAG v. 10. 2. 2009, 3 AZR 653/07, NZA 2009, S. 796, S. 798; BAG v. 21. 4. 2009, 3 AZR 285/07, DB 2010, S. 2004. 10 BAG v. 19. 2. 2008, 3 AZR 61/06, NZA-RR 2008, S. 597, S. 600; BAG vom 16. 03. 2010, 3 AZR 594/09, NZA-RR 2011, S. 146, S. 147 f. 11 Vgl. Höfer, in: Höfer, BetrAVG, Kapitel 2, Rn. 88 f. 12 BAG v. 12. 12. 2006, 3 AZR 475/05, DB 2007, S. 2043; BAG v. 10. 2. 2009, 3 AZR 653/07, NZA 2009, S. 796, S. 798; BAG v. 21. 4. 2009, 3 AZR 285/07, DB 2010, S. 2004. 13 Hinterbliebenenleistungen werden neben dem Fall, dass der Arbeitnehmer stirbt, ebenso zugesagt, wenn der frühere Arbeitnehmer mittlerweile Alters- oder Invaliditätsleistungen erhält; Höfer, in: Höfer, BetrAVG, Kapitel 2, Rn. 20.
A. Zusage der betrieblichen Altersversorgung gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG
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Bestattungskosten beiträgt.14 Dann übernehme der Arbeitgeber kein Versorgungsrisiko.15 Selbst wenn also der Arbeitgeber rechtlich durchsetzbare Ansprüche der Arbeitnehmer auf Zahlung des Sterbegeldes begründet, liegt darin keine Versorgungszusage. Wesentliches Ziel der betrieblichen Altersversorgung ist die Versorgung von Arbeitnehmern, die alters- oder invaliditätsbedingt in den Ruhestand gegangen sind, oder der Hinterbliebenen verstorbener Arbeitnehmer. Daher geht das BAG davon aus, dass die übliche Leistungsform der betrieblichen Altersversorgung die Rente ist.16 Zwar werden Kapitalleistungen und Kapitalabfindungen nicht ausgeschlossen. Das BAG betont aber, „daß sich bei einer Kapitalzusage der Versorgungszweck, nämlich die Deckung eines Versorgungsbedarfs nach dem Ausscheiden aus dem Berufs- oder Erwerbsleben, weniger sichern läßt als bei einer Rente. Kapitalzusagen sind deshalb für die betriebliche Altersversorgung untypisch und von Formen der Vermögensbeteiligung schwer abzugrenzen. Entscheidend ist, was nach dem Willen der Parteien die Zusage insgesamt kennzeichnet.“17 Sterbegeldzahlungen lassen sich dennoch nicht vorschnell mit dem Argument, es würden nur geringe Summen – meist nicht mehr als 1500 EUR - gezahlt, aus der Bedarfsdeckung eines Hinterbliebenen herausnehmen. Eine „nachhaltige Versorgung“ des Arbeitnehmers wird nicht verlangt. Somit genügen auch geringfügige Leistungen.18 Es ist nicht notwendig, dass die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung den Versorgungsbedarf des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen insgesamt decken oder neben der gesetzlichen Rentenversicherung und der Privatvorsorge erheblich sind.19 Im aktuellen Merkblatt des PSVaG zum sachlichen Geltungsbereich des Betriebsrentengesetzes20 geht der PSVaG unter Ziffer 1.2 ebenfalls davon aus, dass die betriebliche Altersversorgung keine „Untergrenze“ verlangt. Bedenkt man, dass Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sowohl in einer einmaligen Kapitalzahlung bestehen als auch in der Höhe gering sein können, fragt sich, ob sich die These der Literatur und des BAG aufrechterhalten lässt, nach 14 Stiefs, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 90; Kemper/Kisters-Kölkes, in: Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber, BetrAVG, § 1 BetrAVG, Rn. 71; Rolfs, in: Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, § 1 BetrAVG, Rn. 64; BAG v. 19. 9. 2006, 1 ABR 58/05, NZA 2007, S. 1127, S. 1128; BAG v. 10. 2. 2009, 3 AZR 653/07, NZA 2009, S. 796, S. 798; BAG v. 21. 4. 2009, 3 AZR 285/07, DB 2010, S. 2004. 15 Stiefs, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 90. 16 BAG v. 30. 9. 1986, 3 AZR 22/85, DB 1987, S. 1304. 17 BAG v. 30. 9. 1986, 3 AZR 22/85, DB 1987, S. 1304, S. 1305. 18 Rolfs, in: Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, § 1 BetrAVG, Rn. 11, Rn. 57; Höfer, in: Höfer, BetrAVG, Kapitel 2, Rn. 44. 19 Stiefs, Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung, S. 72 ff. sieht es kritisch, den Versorgungszweck zum Wesen der betrieblichen Altersversorgung zu zählen. 20 Merkblatt 300/M4, Stand 3.14; abrufbar unter www.psvag.de, zuletzt abgerufen am 25. 3. 2016.
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§ 3 Einordnung in das Recht der betrieblichen Altersversorgung
der Sterbegelder nicht der Versorgung dienen. Die Regeln zur Unverfallbarkeit und Insolvenzsicherung bezwecken, dass der Arbeitnehmer zugesagte Leistungen erhält. Bei seiner Bedarfsvorsorge plant er auch niedrige Beiträge ein. Im Vertrauen darauf, dass im Sterbefall seine Hinterbliebenen ein Sterbegeld erhalten, verzichtet er womöglich auf den Abschluss einer privaten Sterbegeldversicherung. Viele Sterbegeldkassen unterliegen nach § 1 VAG der Versicherungsaufsicht und werden regelmäßig als kleine Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit betrieben. Im VAG wird nicht nach der Höhe der versprochenen Leistung unterschieden. Gerade die von Sterbegeldversicherungen geleisteten Sterbegelder, die dafür gedacht sind, die Bestattungskosten aufbringen zu können, sind vom Schutzbereich des VAG erfasst. Dennoch zeigt sich gerade an dieser Stelle der wesentliche Unterschied zur betrieblichen Altersversorgung. Das VAG gilt für das Betreiben eines Versicherungsgeschäfts unabhängig vom Versicherungszweig, das BetrAVG bezieht sich nur auf die Rentenversicherung, mit anderen Worten: orientiert sich an den gemäß SGB VI versicherten Risiken.21 Daher ist auch die Krankheit kein geschütztes Risiko. Die Idee der Rentenversicherung ist die Versorgung im Alter, bei Tod des Arbeitnehmers der Hinterbliebenen. Deswegen trifft auch die Bezeichnung betriebliche Altersversorgung.22 Es geht um Kostendeckung des täglichen Bedarfs, vor allem im Alter, gemeint nach Ende der Erwerbstätigkeit. Kapitalleistungen und -abfindungen weichen diese Idee auf, verändern aber noch nicht die Einordnung als Altersversorgung. Es ist nur dem Rentner überlassen, wie er mit dem Kapital wirtschaftet. Schont er es nicht für die Versorgung im Sinne einer Bedarfsdeckung über einen längeren Zeitraum, indem er es vorzeitig verbraucht, verliert die betriebliche Altersversorgung nicht nachträglich ihre Qualität als Altersversorgung. Auch die laufende Rente, ob als Leistung der betrieblichen Altersversorgung oder als gesetzliche Rente, wird nicht daraufhin überprüft, ob sie zur Versorgung eingesetzt wird. Daher ist es gerade die Versorgungszusage, die die betriebliche Altersversorgung charakterisiert und eben nicht die bloße Zusage, irgendeine Leistung zu erbringen. Daraus lässt sich ableiten, dass die Zahlung eines Sterbegeldes, mag es als Versicherungsgeschäft im Sinne des VAG betrieben werden oder nicht, deshalb keine Versorgung im Alter darstellt, weil es für die Kostendeckung eines konkreten Ereignisses gedacht ist und nicht für die laufende Versorgung. Insofern überzeugt es, eine Zusage, ein Sterbegeld zu erbringen, jedenfalls dann nicht als Versorgungszusage im Sinne des BetrAVG zu begreifen, wenn die versprochene Leistung die üblichen Bestattungskosten nicht übersteigt. Entsprechendes gilt für eine Invaliditätskasse. Typisch für Arbeitnehmersolidarkassen ist, dass die Arbeitnehmer durch niedrige Geldbeiträge unter anderem eine Hilfe in Notsituationen ermöglichen, um einen akuten Finanzbedarf aufzufangen. Eine dauerhafte Versorgung, insbesondere im Alter, ist weder beabsichtigt noch durch die geringen Auszahlungsbeträge 21 Kemper/Kisters-Kölkes, in: Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber, BetrAVG, § 1 BetrAVG, Rn. 48. 22 Vgl. Höfer, in: Höfer, BetrAVG, Kapitel 2, Rn. 42 f.
A. Zusage der betrieblichen Altersversorgung gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG
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zu erreichen. Erhält ein Arbeitnehmer anlässlich seiner Invalidität eine einmalige Unterstützung von einer Invaliditätskasse, dient diese Leistung in der Regel nicht einer dauerhaften Versorgung. Das bestätigt eine Entscheidung des LAG München. Danach liegt auch dann eine Leistung nach dem BetrAVG vor, wenn die Versorgungsordnung des Arbeitgebers keine laufende Betriebsrente, sondern nur regelmäßig wiederkehrende Einzelleistungen (zum Geburtstag, zu Weihnachten und Ostern) vorsieht. Solche Leistungen seien geeignet, den Lebensstandard der ehemaligen Arbeitnehmer zu sichern oder zu verbessern.23 Entscheidend in diesem Fall ist die gesamte Versorgungsleistung des Arbeitgebers bestehend aus wiederkehrenden Einzelleistungen. Die konkrete Einzelfallleistung hätte zur Annahme einer Versorgung nicht genügt. Im Fall der Sterbekasse oder der Invaliditätskasse als Arbeitnehmersolidarkasse kommt noch ein weiterer Gesichtspunkt hinzu. Typisch für sie ist die Geldsammlung durch die Arbeitnehmer, die der Arbeitgeber unterstützen kann. In aller Regel verpflichtet sich der Arbeitgeber aber nicht zur Zahlung beispielsweise des Sterbegeldes, sondern nur zur Leistung einer Unterstützung. Die Versorgungszusage nach dem BetrAVG muss sich gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG aber auf die Versorgungsleistung beziehen, im Fall der Sterbekasse also auf die Sterbegeldzahlung. Wie § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG zeigt, kann betriebliche Altersversorgung auch bei Finanzierung durch den Arbeitnehmer gegeben sein, aber nur, wenn die Versorgungszusage diesen Teil der Versorgungsleistung mit umfasst. Entsprechend liegt betriebliche Altersversorgung im Falle der Entgeltumwandlung vor, wenn der Arbeitgeber, auch wenn er selbst nichts zur Finanzierung beiträgt, die Versorgungsleistung zusagt. Daran fehlt es im Falle der Sterbekasse als Arbeitnehmersolidarkasse in der Regel.
VI. Haftung des Arbeitgebers gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG analog? Der Arbeitgeber haftet gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG auch dann für die Versorgung, wenn eine mittelbare betriebliche Altersversorgung durchgeführt wird. Das bedeutet: Die Arbeitnehmer haben einen Versorgungsanspruch gegen den Arbeitgeber, wenn die von diesem rechtlich selbständige Versorgungseinrichtung die Versorgung nicht wie geschuldet erbringt. Daher ist zu fragen, ob der eine Sterbekasse unterstützende Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG gegebenenfalls analog für die Sterbegeldleistung der Kasse haftet. Entscheidend für die Geltung des § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG ist jedoch die Versorgungszusage des Arbeitgebers. Durch sie übernimmt er die Pflicht zur Versorgung und haftet folgerichtig, wenn die Leistung nicht direkt über ihn erbracht wird. Die Versorgungszusage ist der Geltung des § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG vorgeschaltet. § 1 23
LAG München v. 30. 10. 1985, Sa 630/85, AMBl. 1986, C43-C44.
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§ 3 Einordnung in das Recht der betrieblichen Altersversorgung
Abs. 1 S. 3 BetrAVG ist nicht analogiefähig, wenn der Arbeitgeber zwar Hilfen zu einer Leistung gewährt, sich im Übrigen aber nicht verpflichtet hat, die Versorgungsleistung zu erbringen oder einzustehen, wenn sie die Einrichtung nicht erbringen kann. Eine solche subsidiäre Haftung kann der Arbeitgeber nur rechtsgeschäftlich begründen. In diesem Fall folgt die Pflicht, zum Beispiel Sterbegeld zu zahlen, aus dem gewählten Verpflichtungstatbestand.
B. Ergebnis Arbeitnehmersolidarkassen stellen nur dann eine betriebliche Altersversorgung dar, wenn der Arbeitgeber eine Versorgung bei Eintritt eines biologischen Ereignisses gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG zusagt. Typisch für Arbeitnehmersolidarkassen ist jedoch nicht die Versorgung im Alter, sondern die Einmalhilfe anlässlich eines konkreten Ereignisses. Hinzu kommt, dass der Arbeitgeber bei diesen Kassen in aller Regel nicht zusagt, die Versorgungsleistung zu erbringen, sondern nur, sie finanziell zu unterstützen. Damit erfüllen Arbeitnehmersolidarkassen regelmäßig nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG.
§ 4 Versicherungsaufsichtsrechtliche Einordnung Gemäß § 1 VAG unterliegen Versicherungsunternehmen der Versicherungsaufsicht. Nach der Rechtsprechung des BVerwG1 liegt ein Versicherungsgeschäft vor, „wenn gegen Entgelt für den Fall eines ungewissen Ereignisses bestimmte Leistungen übernommen werden, wobei das übernommene Risiko auf eine Vielzahl durch die gleiche Gefahr bedrohter Personen verteilt wird und der Risikoübernahme eine auf dem Gesetz der großen Zahl beruhende Kalkulation zugrunde liegt“.2
A. Zu versicherndes Risiko Es bedarf der Risikoübernahme bezüglich des Eintritts oder des Ausbleibens eines ungewissen Ereignisses. Welche Gegenstände Risiken im Sinne des VAG sein können, zeigt dessen Anlage unter A. Abgesehen von Nr. 20 der Anlage – die Heirats- und Geburtenversicherungen benennt – kompensiert eine Versicherung nur Schäden an Personen, beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie finanzielle Verluste. Es sind damit in erster Linie Unfall- und Sterbekassen, die die Risiken Unfall bzw. Leben zum Anlass ihrer Leistungen nehmen, welche ein Versicherungsgeschäft gemäß § 1 VAG in Verbindung mit Nr. 1 sowie Nr. 19 der Anlage zum VAG darstellen könnten. Fraglich ist somit, ob solche Kassen, die in Betrieben als Arbeitnehmersolidarkassen bestehen, der Versicherungsaufsicht unterliegen können. Das wird am Beispiel der Sterbekasse geprüft.
B. Betrieb von Versicherungsgeschäften durch ein Unternehmen Ein Versicherungsgeschäft betreibt nur, wer gegen Entgelt Gefahrenübernahmeverträge für eine unbestimmte Anzahl von Versicherten anbietet.3 Eine Unternehmung im Sinne des Versicherungsaufsichtsrechts verlangt unter anderem eine anbietende und rechtsgeschäftliche Tätigkeit am Markt.4 Gefahrenübernahmever1 Der Begriff des Versicherungsgeschäfts ist stark umstritten und immer noch nicht abschließend geklärt; im Einzelnen mit weiteren Nachweisen Präve, in: Prölss, Versicherungsaufsichtsgesetz, § 1 VAG, Rn. 28 ff. 2 BVerwG v. 22. 3. 1956, I C 147.54, BVerwGE 3, S. 220, S. 221; BVerwG v. 29. 9. 1992, 1 A 26/91, NJW-RR 1993, S. 289. 3 Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, § 1 VAG, Rn. 43 m. w. N. 4 Präve, in: Prölss, Versicherungsaufsichtsgesetz, § 1 VAG, Rn. 6.
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§ 4 Versicherungsaufsichtsrechtliche Einordnung
träge kann nur ein Rechtssubjekt abschließen, wobei das Bestehen eines nichtrechtsfähigen Vereins genügt.5 Arbeitnehmersolidarkassen betreiben aus mehreren Gründen kein Versicherungsgeschäft in diesem Sinn. Es stehen sich mit dem Arbeitnehmer und der Sterbekasse, selbst wenn ein nichtrechtsfähiger Verein entstanden ist,6 keine Vertragspartner in dem Sinn gegenüber, dass ein Leistungsaustausch von Entgelt und Versicherungsleistung stattfindet. Die Arbeitnehmer sammeln Geld, um zu verteilen, was sie haben, und nicht, um auf irgendeinem Markt als Marktteilnehmer zu agieren. Die Sterbekasse vollzieht dementsprechend auch keine marktbezogene Akquise. Mitglieder dürfen vor allem Arbeitnehmer, Betriebsrentner und nahe Angehörige werden. Sie betreiben noch die Urform betrieblicher Solidarität. Der Versicherungsaufsicht unterliegende Sterbegeldversicherungen haben zwar oft ihren Ursprung im Betrieb, ihr Angebot aber dem allgemeinen Markt zugänglich gemacht. Die Sterbekasse als Arbeitnehmersolidarkasse ist dem allgemeinen Marktteilnehmer dagegen nicht zugänglich. Auch das BVerwG hat in einem Grundsatzurteil die Versicherungsaufsichtspflicht für einen Zusammenschluss von Tierärzten, der Sterbegeldzahlungen an ihre Hinterbliebenen ermöglichen soll, mit Blick auf § 1 Abs. 3 Nr. 1 VAG (damals § 1 Abs. 2 VAG) abgelehnt.7 Es führt überzeugend aus: Sinn und Zweck der Versicherungsaufsicht sei es, zum Schutz der Ansprüche der Versicherten dafür zu sorgen, dass Verpflichtungen aus den Versicherungen dauernd erfüllbar sind. Zum Schutzkonzept des VAG gehörten Unterstützungseinrichtungen nicht, die Ansprüche gewähren, für deren Erfüllung die Aufsicht bedeutungslos sei. Das gelte gerade dann, wenn sich eine Einrichtung dazu verpflichtet, „lediglich die aufkommenden Beiträge an die Empfänger auszuschütten“ und eine Versicherungsleistung nicht bloß der Abdeckung des eigenen Risikos dient.8 Genauso liegt es bei den Arbeitnehmersolidarkassen, deren Wesen es ist, auf Grund der Solidarität Vieler Unterstützungen vorzusehen unabhängig davon, ob jeder einzelne Arbeitnehmer tatsächlich selbst auch in den Genuss einer Leistung kommt. Typischerweise übernehmen Arbeitnehmersolidarkassen nicht das Risiko, in jedem Fall eine Leistung – Sterbegeldzahlung – zu erbringen. Sie sind eher geprägt durch den Gedanken, dass nur das verteilt werden soll, was zuvor gesammelt worden ist. Daher weiß auch jedes Mitglied einer Sterbekasse von vorneherein, dass, allein schon bedingt durch Veränderungen in der betrieblichen Altersstruktur, sich Beiträge erhöhen oder Sterbegeldleistungen sich reduzieren, sogar ganz wegfallen können, wenn gesammeltes Geld im aktuellen Fall nicht genügt.9 Arbeitnehmer gründen typischerweise kein Rechtssubjekt, welches es gegen Entgelt übernimmt, Sterbegeldzahlungen in Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, § 1 VAG, Rn. 46. Dazu sogleich unter § 5. 7 BVerwG v. 24. 5. 1960, I C 45/57, NJW 1960, S. 2019 f. 8 BVerwG v. 24. 5. 1960, I C 45/57, NJW 1960, S. 2019, S. 2020. 9 Vgl. die Argumentation des BVerwG v. 24. 5. 1960, I C 45/57, NJW 1960, S. 2019 f. 5 6
B. Betrieb von Versicherungsgeschäften durch ein Unternehmen
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jedem Fall zu garantieren. Es trifft eher zu, dass nur das Vorhandene verteilt werden soll. Sofern eine Sterbekasse Ansprüche nur im Rahmen dieses Vorhandenen begründet,10 stehen solche Ansprüche nach dem BVerwG der Aufsichtsfreiheit nach dem VAG nicht entgegen.11 Auch die Mitwirkung von Betriebsrat und Arbeitgeber ändern nichts an dem Befund, dass Arbeitnehmersolidarkassen in der Regel nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 VAG erfüllen. Der Betriebsrat selbst ist bereits gar nicht rechtsfähig, um als Rechtssubjekt ein Versicherungsgeschäft betreiben zu können. Der Arbeitgeber beschränkt sich bei dem Phänomen der Arbeitnehmersolidarkasse häufig auf Unterstützungsleistungen, insbesondere, indem er Gelder vom Nettogehalt der Arbeitnehmer einbehält, diese auf einem Konto sammelt und im Sterbefalle auszahlt. Solche Verhaltensweisen werden vom BVerwG als bloße „technische Durchführung“ der Hilfeleistung verstanden, bei der der Arbeitgeber nur Geldsammel- und Auszahlungsstelle ist, aber kein Versicherungsgeschäft betreibt.12 Selbst wenn der Arbeitgeber eine Arbeitnehmersolidarkasse teilweise finanziert, übernimmt er in der Regel nicht das Risiko, unabhängig vom Kassenbestand eine Sterbegeldzahlung vorzunehmen. Auch hier soll nur verteilt werden, was durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer gesammelt worden ist. Schließlich zahlen die Arbeitnehmer unabhängig davon, ob nun der Arbeitgeber oder die Arbeitnehmer in einem nichtwirtschaftlichen Verein eine Sterbekasse als Arbeitnehmersolidarkasse betreiben, kein Entgelt für deren Dienstleistungen. Beitragsleistungen dienen ausschließlich der Kostendeckung und stehen ansonsten der Kasse ungeschmälert zur Verfügung. Weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer ziehen für ihre Dienstleistungen von den Beitragsleistungen ein Entgelt ab. Sie übernehmen daher auch kein Risiko gegen Entgelt. Es wird zwar für das Betreiben eines Versicherungsgeschäfts gemäß § 1 Abs. 1 VAG nicht verlangt, dass eine Gewinnerzielungsabsicht besteht, doch muss wenigstens ein Gewerbe im Sinne des § 1 HGB bestehen.13 Dadurch soll eine Erheblichkeitsschwelle eingezogen werden, unterhalb derer eine Versicherungsaufsicht entbehrlich ist.14 Da Arbeitnehmersolidarkassen dem allgemeinen Marktteilnehmer nicht offen stehen, können sie die Voraussetzungen eines Gewerbes ebenfalls nicht erfüllen. Daher kann als Ergebnis festgehalten werden, dass Arbeitnehmersolidarkassen regelmäßig nicht der Versicherungsaufsicht nach dem VAG unterliegen. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zudem, dass ebenso wenig Versicherungsverträge nach dem Versicherungsvertragsgesetz begründet werden.
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Siehe noch unten unter § 5. B. I. 1. c). BVerwG v. 24. 5. 1960, I C 45/57, NJW 1960, S. 2019 f. 12 BVerwG v. 24. 5. 1960, I C 45/57, NJW 1960, S. 2019. 13 Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, § 1 VAG, Rn. 45; G. Bähr/Püttgen, in: Bähr, Handbuch VAG, § 3, Rn. 21. 14 Kaulbach, in: Fahr/Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, § 1 VAG, Rn. 45. 11
§ 5 Einordnung in das Bürgerliche Recht A. Rechtsform der Arbeitnehmersolidarkasse Arbeitnehmersolidarkassen sind grundsätzlich in jeder Rechtsform denkbar. Beschränkungen in Gestalt von Rechtsformzwängen bestehen nur in Sonderfällen.1 Schließen sich Arbeitnehmer zusammen, um für einen sozialen Zweck Geld zu sammeln, kommen jedoch letztlich – da kein Gewerbe nach § 1 HGB betrieben wird – nur folgende Rechtsformen in Betracht. Zum einen kann eine BGB-Gesellschaft bestehen, zum anderen ein eingetragener oder nicht eingetragener Verein. Möglich ist auch, dass eine einzelne natürliche oder juristische Person das Kassenvermögen treuhänderisch verwaltet.
I. Verein und BGB-Gesellschaft 1. Spontansammlungen Verabreden die Arbeitnehmer, anlässlich eines konkreten Falls – Geburtstag, Jubiläum, Hochzeit, Sterbefall etc. – die Sammlung von Geld, um ein Geschenk zu ermöglichen, handelt es sich um einen typischen Fall einer BGB-Gesellschaft als Gelegenheitsgesellschaft.2 Ein Verein kann mangels auf Dauer angelegter Körperschaft nicht bestehen. 2. Auf Dauer angelegte Solidarkassen: Beispiel Sterbekasse Errichten die Arbeitnehmer eine Kasse auf Dauer, besteht in der Regel ein nichtrechtsfähiger Verein gemäß § 54 BGB. Die Arbeitnehmer können beispielsweise eine Sterbekasse als nicht wirtschaftlichen Verein, also als Idealverein im Sinne des § 21 BGB in das Vereinsregister eintragen lassen. Der Verein ist nicht wirtschaftlich, wenn er nicht wie ein Unternehmer am Wirtschaftsverkehr teilnimmt und keine Leistungen am Markt anbietet.3 Das wird für betriebliche Sozialeinrichtungen wie Kantinen, Büchereien bejaht, da sie 1 Rechtsformzwänge gemäß des BetrAVG oder des VAG bestehen nicht (§ 3, § 4). Freilich darf auch keine Werksparkasse nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 KWG betrieben werden. 2 Zu Gelegenheitsgesellschaften Schücking, in: Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht, § 4, Rn. 7 ff. 3 Grundlegend K. Schmidt, Rpfleger 1972, S. 286, S. 343; derselbe, AcP 182, S. 1 ff.; BGH v. 14. 7. 1966, II ZB 2/66, BGHE 45, S. 395, S. 398.
A. Rechtsform der Arbeitnehmersolidarkasse
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ihr Angebot nur an Betriebsangehörige richten.4 Auch die Sterbekasse und sonstige Arbeitnehmersolidarkassen der Arbeitnehmer erbringen Leistungen nur an einen eng festgelegten Personenkreis und erreichen ihren Zweck ausschließlich durch die Solidarität ihrer Mitglieder. Wirtschaftlichkeit kann jedoch auch im Verhältnis von Verein und Mitglied bestehen.5 Das prägende Merkmal dieser Fälle ist, dass sich das Binnenverhältnis allein auf den entgeltlichen Leistungsaustausch zwischen Verein und Mitglied reduziert.6 Die Sterbegeldzahlung beispielsweise wird nicht durch die Arbeitnehmer entgolten. Im Gegenteil sammeln die Arbeitnehmer Geld, um es anschließend verteilen zu können. Das Angebot der Sterbekasse steht auch keinem allgemeinen Markt offen, in dem jeder Mitglied der Sterbekasse werden könnte, sondern nur den Betriebsangehörigen sowie den Betriebsrentnern. Arbeitnehmersolidarkassen erfüllen damit regelmäßig die Voraussetzungen eines Idealvereins. In der Praxis kommt es häufig nicht zur Eintragung von Sterbekassenvereinen. Überwiegend betreiben die Arbeitnehmer ihre Sterbekasse sogar ohne ausdrückliche Gründung eines nichtrechtsfähigen Vereins. Dennoch dürften dessen Voraussetzungen in den meisten praktischen Fällen vorliegen. Die Sterbekasse ist auf Dauer angelegt und muss unabhängig von einem konkreten Mitgliederbestand existieren können. Das liegt hier bereits in der Natur der Sache, da die Sterbekasse gerade im Sterbefall eines Mitglieds ihren Zweck erfüllen und nicht enden soll. Die Arbeitnehmer regeln, wer Begünstigter des Sterbegeldes werden kann, wie hoch die Beiträge sind, die Verteilungsordnung etc. Auch ohne ausdrückliche Regelung bestimmen sie damit eine Satzung. Diese unterliegt keiner Form und kann auch konkludent vereinbart sein.7 Im Fall der Sterbekassen dürften in der Praxis überwiegend sogar schriftliche Regelwerke existieren, die die Sterbekasse gestatten. In der Regel ist ein Arbeitnehmer damit beauftragt, die Sterbekasse zu verwalten einschließlich des Sterbekassenkontos, weshalb somit auch ein Vorstand durch die Mitglieder bestellt ist (§ 27 Abs. 1 BGB). Da die §§ 27 Abs. 1, 32 BGB dispositiv sind (§ 40 BGB), ist ein förmlicher Beschluss der Mitgliederversammlung nicht notwendig. Selbst wenn die Arbeitnehmer die Belange der Sterbekasse immer gemeinschaftlich regeln, besteht ein Vorstand, der sich dann aus sämtlichen Vereinsmitgliedern zusammensetzt.8
II. Besonderheiten durch die Beteiligung von Arbeitgeber oder Betriebsrat? Es hat sich bereits gezeigt, dass ein Betriebsrat nicht in der Lage ist, selbst Rechtsträger einer Arbeitnehmersolidarkasse zu sein. Das gilt sowohl für den Fall, dass es sich bei der Kasse um eine Sozialeinrichtung handelt, als auch, wenn 4 BayObLG v. 12. 11. 1973, 2 Z 36/73, BayObLGZ 1973, S. 303 ff.; Hadding, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, §§ 21, 22 BGB, Rn. 39. Vgl. auch oben § 4. B. 5 K. Schmidt, AcP 182, S. 1 ff. 6 Hadding, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, §§ 21, 22 BGB, Rn. 28. 7 Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 54 BGB, Rn. 6. 8 Zur Besetzung des Vorstands Weick, in: Staudinger, BGB, § 54 BGB, Rn. 32 ff.
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§ 5 Einordnung in das Bürgerliche Recht
die Kasse arbeitnehmerautonom geführt wird. Im ersten Fall ergibt sich aus dem Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zwar die Möglichkeit der Verwaltung der Kasse durch den Betriebsrat. Daraus folgt aber nicht, dass der Betriebsrat notwendigerweise Rechtsträger der Kasse ist. Im zweiten Fall ist er nicht sachlich zuständig.9 Wie ist nun der Fall zu beurteilen, dass Betriebsratsmitglieder die Organisation der Kasse übernehmen, sogar unter ihrem Namen ein Kassenkonto einrichten, dieses verwalten und die Sterbegeldzahlungen vornehmen? Ohne das Bestehen einer Sozialeinrichtung handelt der Betriebsrat außerhalb seines Wirkungskreises. Er kann nicht rechtswirksam über die Sterbegelder verfügen. Nur stellt sich erneut vorgeschaltet die Frage, ob er überhaupt als Betriebsrat handelt. Zulässig ist, dass die Betriebsratsmitglieder als natürliche Personen einen Verein gründen.10 Möglich ist aber auch, dass das handelnde Betriebsratsmitglied als Einzelperson, also nicht in Ausübung seines Amtes, mit anderen Arbeitnehmern gemeinsam handelt und, sofern die Arbeitnehmer ihm die Führung der Kasse anvertraut haben, als Vorstand eines Vereins der Arbeitnehmer tätig wird. Genauso gut kann ein Betriebsratsmitglied als Einzelperson rechtsgeschäftlicher Treuhänder der Arbeitnehmer sein, insbesondere wenn es an den Gründungsvoraussetzungen des Vereins fehlt. Fraglich ist, zwischen welchen Personen ein Vertrag zur Gründung eines Vereins geschlossen wird. Der Betriebsrat kann einen solchen Vertrag nicht zustande bringen. Zum einen fehlt ihm die Rechtssubjektivität, da er außerhalb seines Wirkungskreises handelt. Selbst bei Bestehen einer Sozialeinrichtung räumt ihm das BetrVG nicht die Befugnis ein, als Kollegialorgan einen Verein zu gründen. Zum anderen wären auch nicht die zivilrechtlichen Gründungsvoraussetzungen erfüllbar, da die Satzung nur durch eine Mehrheit von Mitgliedern, mindestens zwei, beschlossen werden kann.11 Handeln mehrere Betriebsratsmitglieder zusammen, legen dabei die Regeln der Sterbekasse fest und treten damit gegenüber den Arbeitnehmern auf, spricht entsprechend oben § 2: D. II. 4. b) bb) mehr dafür, dass die Betriebsratsmitglieder als Einzelpersonen und nicht in Ausübung ihres Amtes den Verein gegründet haben, sofern die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, also insbesondere sie selbst auch Begünstigte der Sterbekasse sind, um die gemeinsame Zwecksetzung zu begründen. Die Arbeitnehmer, die dem Betriebsrat nicht angehören, haben in diesem Fall die den Verein gründende Satzung nicht mitbeschlossen. Sofern sie aber die Bedingungen der Sterbekasse erfüllen, können sie durch Beitritt – möglich konkludent durch Beitragszahlung – Mitglied des Sterbekassenvereins werden. Dabei ist zu beachten, dass nur autonome Mitgliedschaften zulässig sind.12 9
Oben unter § 2: D. BayObLG v. 12. 11. 1973, 2 Z 36/73, BayObLGZ 1973, S. 303 ff. 11 Habermann, in: Staudinger, BGB, § 56 BGB, Rn. 2; Hadding, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, § 56 BGB, Rn. 1. 12 Oben unter § 2: B. IV. 3. a) und b). 10
A. Rechtsform der Arbeitnehmersolidarkasse
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Entsteht die Satzung hingegen durch gemeinsames Handeln mehrerer Arbeitnehmer, die nicht oder nicht nur dem Betriebsrat angehören, gründen diejenigen Arbeitnehmer den Verein, welche die Satzung gemeinsam beschließen. Ein mit der Führung der Kasse beauftragtes Betriebsratsmitglied wird dann als Arbeitnehmer und nicht in seiner Eigenschaft als Betriebsrat Vorstand des Vereins. Damit gilt: Das Handeln des „Betriebsrats“ lässt sich regelmäßig als rechtlich wirksames Handeln der Betriebsratsmitglieder als Einzelpersonen und nicht als Ausübung ihres Amtes begreifen, auch wenn die Sterbekasse keine Sozialeinrichtung ist. Sofern die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG gegeben sind, ist weiter zu bedenken, ob die Kasse rechtlich selbständig betrieben werden soll. Haben Arbeitgeber und Betriebsrat per Betriebsvereinbarung eine Sterbekasse gestattet, aber nicht bestimmt, dass diese als Verein errichtet werden soll, ist im Rahmen der Durchführung der Betriebsvereinbarung13 regelmäßig nicht von einer Vereinsgründung auszugehen. Es fehlt bereits am bürgerlich-rechtlichen Gründungsakt. Dafür notwendige Willenserklärungen einer Personenmehrheit können auch nicht konkludent „unterstellt“ werden. In diesen Fällen ist die Kasse rechtlich unselbständig dem Arbeitgeber zugeordnet. Er ist selbst Rechtsträger der Kasse, unterliegt aber der Zweckbindung des Vermögens und ist insoweit Treuhänder. Besorgt der Betriebsrat die Verwaltung der Kasse und erhält er zu diesem Zweck ihr Vermögen, ist er Zuordnungssubjekt des Kassenvermögens und insoweit rechtsfähig, wie es die Ausübung der Mitbestimmung verlangt.14 Das Vermögen bleibt aber dem „Rechtssubjekt Arbeitgeber“ zugeordnet.15 Einigen sich die Betriebsparteien auf eine Gestaltung in rechtlich selbständiger Form, ist diese Form zu errichten. Ist eine selbständige Rechtsform nicht vorgesehen und soll der Betriebsrat die Sterbekasse verwalten, darf das dem Betriebsrat für diesen Zweck zugewiesene Betriebsvermögen nicht Vermögen eines Vereins werden. Insgesamt bleibt es eine Frage des praktischen Einzelfalls, ob das Kassenvermögen dem „Rechtssubjekt Arbeitgeber“ oder einem Arbeitnehmer treuhänderisch zugewiesen oder ein Verein zumindest konkludent gegründet worden ist. In vielen Fällen können Verfügungen, die Mitglieder des Betriebsrats vornehmen, da sie nicht in Amtsausübung oder innerhalb ihres Wirkungsbereiches handeln, wirksam sein. Freilich müssen aber auch die sonstigen rechtsgeschäftlichen Voraussetzungen erfüllt sein und es ist im praktischen Einzelfall genau zu überlegen, wer durch eine Verfügung berechtigt und verpflichtet werden soll. Dabei sind insbesondere auch vereinsrechtliche Vertretungs- und Bestellungsregeln des Vorstands zu beachten. Das bedeutet: Kommt man zu dem Ergebnis, dass ein nichtwirtschaftlicher Verein bestehend vor allem aus den Arbeitnehmern als Mitglieder zumindest konkludent gegründet worden ist, dann kann derjenige Arbeitnehmer, der für den Verein als Vor13
Oben unter § 2: B. IV. 2. b) sowie § 2: D. II. 2. Oben unter § 2: D. II. 4. 15 Ebenfalls oben unter § 2: D. II. 4. 14
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stand handelt, nicht eigenmächtig einen Amtsnachfolger bestimmen. Gemäß §§ 27 Abs. 1, 32 BGB ist zur Bestellung des (neuen) Vorstands nur die Mitgliederversammlung berufen sofern in der Satzung nichts anderes bestimmt worden ist (§ 40 BGB). Zu beachten ist ebenso, dass die Betriebsparteien nicht in eine vorhandene Zweckbindung des Treuhand- oder Vereinsvermögens eingreifen können, ohne die bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen einzuhalten. Besteht beispielsweise ein nichtrechtsfähiger Verein, bedürfen satzungsändernde Neugestaltungen der Kasse der Mitwirkung der Kassenmitglieder (§ 33 Abs. 1 BGB), sofern die Satzung nichts Abweichendes regelt. Fehlt es daran, können Kassenvermögen auch nicht (teilweise) für einen anderen Zweck verwendet werden. Bei Auflösung des Vereins – Mitwirkung der Kassenmitglieder gemäß § 41 BGB erforderlich – steht das Kassenvermögen den Mitgliedern zu (§ 45 Abs. 3 1. Hs. BGB), soweit keine andere Anfallberechtigung bestimmt worden ist. Das muss auch für die Auflösung des Treuhandvermögens gelten. Den der Treuhand zu Grunde liegenden Treuhandabreden ist wohl nicht zu entnehmen, dass das Vermögen dem Arbeitgeber zustehen soll. Hingegen begründet der Austritt eines Mitglieds aus der Sterbekasse – Beendigung der Vereinsmitgliedschaft oder des Treuhandverhältnisses – ohne andere Regelung keine Rückzahlungsansprüche.16
B. Einzelfragen am Beispiel der Sterbekasse I. Ausschluss des Anspruchs auf Sterbegeldzahlung 1. Sterbekasse als autonome Arbeitnehmersolidarkasse Sofern durch die Gründung der Sterbekasse ein nichtrechtsfähiger Verein entsteht, ist der Anspruch auf Sterbegeld in der Satzung häufig ausgeschlossen. Im Einzelnen ist die Inhaltskontrolle von Satzungsbestimmungen bei Vereinen umstritten.17 Jedenfalls unterliegt die Inhaltskontrolle in der Rechtsprechung des BGH keinem strengeren Maßstab als derjenige einer AGB-Kontrolle und ist in der Regel auf die Prüfung einer „groben Unbilligkeit“ gemäß § 242 BGB beschränkt.18 Bevor jedoch zu prüfen ist, ob eine Satzungsregelung inhaltlich unbillig ist, bedarf es ihrer Auslegung. a) Auslegung des ausdrücklichen Anspruchsausschlusses Wegen ihres Rechtsnormcharakters sind Satzungen nur „aus sich heraus“ auszulegen19 und nicht nach den subjektiven Vorstellungen und Interessen der GrünEllenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 39 BGB, Rn. 4. Im Einzelnen Weick, in: Staudinger, BGB, § 25 BGB, Rn. 20 m. w. N. 18 BGH v. 28. 11. 1994, II ZR 11 /94, BGHZ 128, S. 93, S. 101 ff. 19 Weick, in: Staudinger, BGB, § 25 BGB, Rn. 16. 16 Vgl. 17
B. Einzelfragen am Beispiel der Sterbekasse
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dungsmitglieder.20 Auszugehen ist daher zunächst vom Wortlaut der Regelung, die aber auch teleologisch unter Berücksichtigung des Vereinszwecks und der Mitgliederinteressen näher zu betrachten ist.21 Das gilt umso mehr, wenn sich die Arbeitnehmer eine Satzung nur konkludent gegeben haben und ein genauer Wortlaut gar nicht existiert. Sinn und Zweck der Solidarkassen ist die solidarische Sammlung von Geld zur Erreichung eines sozialen Zwecks. Verteilt werden soll das, was gesammelt wurde. Gerade bei Gründung einer Kasse kann es geschehen, dass das gesammelte Geld (noch) nicht ausreicht, um das Sterbegeld bei Sterbefällen zahlen zu können. Es ist gegenüber dem Solidaritätsgedanken widersinnig, den Verein gleich der Gefahr einer Insolvenz auszusetzen oder anzunehmen, dass die Mitglieder verpflichtet sein müssten, Fehlbeträge durch Beitragserhöhungen auszugleichen. Die Arbeitnehmer können regeln, ob, in welchen Fällen und in welchem Umfang der Beitrag erhöht und ob, in welchen Fällen und in welchem Umfang Sterbegeldzahlungen reduziert oder ausgesetzt werden. Mitunter geschieht dies auch in der Satzung, um das Verhältnis von Beitrags- und Sterbegeldzahlungen den Gegebenheiten anpassen zu können. Sicher kalkulieren können die Arbeitnehmer aber nicht, ob nicht zu einer Zeit sich häufende Sterbefallzahlungen das Vermögen der Kasse aufzehren. Gerade in großen Betrieben, bei denen eine Sterbekasse schon sehr viele Jahre besteht und die auch Betriebsrentner erfasst, kann es sein, dass die aktuellen Beitragszahlungen nicht genügen, um die Sterbegeldzahlungen zu leisten, wenn deren Umfang nicht von vorneherein von der Kassenlage abhängig gemacht worden ist. Die Gesamtheit der Regeln, die eine Sterbekasse als Arbeitnehmersolidarkasse gestalten, verdeutlichen, dass es dem Vereinszweck und den Interessen der Mitglieder entspricht, Geld dann verteilen zu wollen, wenn es zuvor gesammelt worden und vorhanden ist. Das bedeutet umgekehrt aber auch, dass ein mit der Verteilung beauftragter Vorstand oder ein beauftragtes Vereinsmitglied die Auszahlung des Sterbegeldes nicht mit dem Argument verweigern kann, der Arbeitnehmer habe keinen Anspruch auf die Sterbegeldzahlung. Ein solches Handeln entspräche nicht dem Vereinsinteresse, nach dem gerade die Hilfe gewährt werden soll. Der Anspruchsausschluss verhindert damit nur, dass ein Sterbekassenmitglied Anspruch auf Zahlung des Sterbegeldes hat, wenn das Vermögen dazu nicht ausreicht. Sofern allerdings eine Teilzahlung möglich ist, hat zumindest diese zu erfolgen. Eine solche Regelung ist nicht grob unbillig gemäß § 242 BGB. b) Auslegung bei fehlendem Anspruchsausschluss Diese Prinzipien gelten ebenso, wenn die Arbeitnehmer den Anspruch auf Sterbegeldzahlung nicht ausdrücklich ausgeschlossen haben. Auch dann ergibt sich aus dem Vereinszweck und den Interessen der Mitglieder, dass nur dann ein Sterbegeld 20 21
BGH v. 6. 3. 1967, II ZR 231/64, BGHZ 47, S. 172, S. 179 f. BGH v. 6. 3. 1967, II ZR 231/64, BGHZ 47, S. 172, S. 180.
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verlangt werden kann, wenn genügend Vermögen vorhanden ist. Die Sammlung von Geld durch die Arbeitnehmer erfolgt hier nicht, um gegenüber dem Arbeitnehmer ein eigenständig haftendes Rechtssubjekt zu schaffen. Regelmäßig wissen die Arbeitnehmer nicht, dass „ihre“ Sterbekasse die Voraussetzungen eines nichtrechtsfähigen Vereins erfüllt. Ihrem Solidaritätsgedanken entspricht es, zu verteilen, was sie vorher zu geben bereit waren, aber auch nicht mehr. Damit liegt ein konkludenter und rechtlich zulässiger Anspruchsausschluss vor. Nachschusspflichten oder Pflichten zur Beitragserhöhung können nur bestehen, wenn sie vereinbart sind. Daran dürfte es in der Regel fehlen. Von Gesetzes wegen bestehen sie nicht. c) Praktischer Hinweis Um sich nicht dem Risiko einer anderen juristischen Beurteilung auszusetzen, die eine Haftung des Vereins für Sterbegeldforderungen annimmt, wenn es an einem ausdrücklichen Anspruchsausschluss fehlt, sollte eine schriftliche Satzung verfasst werden, in der Ansprüche der Arbeitnehmer auf Zahlung eines Sterbegeldes für den Fall ausgeschlossen sind oder entsprechend angepasst werden, dass das Sterbekassenvermögen nicht ausreicht. Genauso kann als Bedingung für einen Sterbegeldanspruch formuliert werden, dass seine Erfüllung von der Solvenz der Kasse abhängt. Das stellt zugleich sicher, dass die Kasse nicht der Versicherungsaufsicht unterliegt (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 VAG). Sterbekassen regeln häufig nicht, zu welcher Zeit oder in welcher Reihenfolge geltend gemachte Sterbegeldansprüche zu befriedigen sind. Sofern nicht anders bestimmt, entstehen Ansprüche auf Sterbegeldzahlungen bereits mit Eintritt des Sterbefalles. Genügt das Vermögen der Kasse nicht, um an mehrere Anspruchsteller leisten zu können, ist zuerst an denjenigen zu zahlen, der sich auf den zeitlich frühesten Sterbefall beruft, und nicht an denjenigen, der den Anspruch zuerst geltend macht. Andere Fälligkeits- und Auszahlungszeitpunkte sollten – wenn dies gewünscht ist – ebenfalls in einer Satzung geregelt werden. 2. Sterbekasse als Sozialeinrichtung Fraglich ist, ob sich an der Auslegung, nach der die Kasse nicht leisten muss, wenn ihr Vermögen nicht ausreicht, etwas ändert, wenn sie als Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG besteht. Häufig findet sich bereits in Betriebsvereinbarungen und/oder dem daraufhin errichteten Regelwerk ein Ausschluss des Anspruchs auf Sterbegeldzahlung. Da die Betriebsvereinbarung selbst die Sterbekasse nicht errichten kann und eine diesbezügliche Regelung entsprechend umgesetzt werden muss,22 kann durch sie allein weder ein Anspruch auf Sterbegeldzahlung normativ begründet noch ausgeschlossen werden. Erst die Umsetzung vor allem in einer Satzung bei einer rechtlich selbständigen Sterbekasse oder durch eine vertragliche Gestaltung, zum Beispiel einer 22
Oben unter § 2: B. IV. 2. b) sowie § 2: D. II. 2.
B. Einzelfragen am Beispiel der Sterbekasse
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arbeitsvertraglichen Einheitsregelung, wenn das Kassenvermögen bloß tatsächlich verselbständigt ist, bewirkt die materiell-rechtliche Wirkung. Möglich ist, dass der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag auf die Bedingungen der Sterbekasse, wie sie in einer Betriebsvereinbarung niedergelegt sind, verweist. Auch hier prägt der Gedanke der Solidarität die Kasse. Egal ob nur tatsächlich oder auch rechtlich verselbständigt, soll mit der Kasse nur das zuvor gesammelte Geld verteilt werden. Das gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber ebenfalls in die Kasse eingezahlt hat. Ohne ausdrückliche Verpflichtung des Arbeitgebers folgt aus seiner Beteiligung keine Pflicht zur Nachzahlung oder zur Kostendeckung. Daran ändert die Qualität einer Einrichtung als Sozialeinrichtung nichts. Darin liegt gerade der Unterschied zu der betrieblichen Altersversorgung, bei der sich der Arbeitgeber über die Versorgungszusage verpflichtet, eine bestimmte Versorgungsleistung zu erbringen, auch dann, wenn sie nicht direkt über ihn erfolgt (§ 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG). Für die arbeitnehmerfinanzierten Teile haftet er nur, wenn seine Versorgungszusage auch die Leistungen aus diesen Teilen erfasst (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG). Eine solche Verpflichtung kann der Arbeitgeber eingehen, indem er erklärt, für arbeitnehmerfinanzierte Sozialeinrichtungen die Sterbegeldzahlungen erbringen zu wollen, wenn das Kassenvermögen nicht ausreicht. Eine solche Versorgungszusage liegt aber in der Regel nicht vor, sondern zumeist verpflichtet sich der Arbeitgeber nur dazu, die Sterbekasse finanziell zu unterstützen.23 Dann haftet er auch nur für die Zahlung seiner Beiträge. Ansonsten gelten dieselben Grundsätze wie bei der autonomen Arbeitnehmersolidarkasse. Die Mitglieder der Kasse können ein Sterbegeld verlangen, soweit das Kassenvermögen ausreicht. Ist das nicht der Fall, besteht kein Anspruch, solange sich der Arbeitgeber nicht verpflichtet hat, unabhängig von einem Kassenvermögen in jedem Fall in voller Höhe leisten zu wollen.
II. Gestaltung einer entdeckten Arbeitnehmersolidarkasse durch Betriebsvereinbarung? In der Praxis entdeckt der Arbeitgeber oft nach Jahren, dass es eine Sozialkasse – etwa eine Sterbekasse – gibt. Arbeitnehmer zahlen Geld in eine Kasse, bestimmte Arbeitnehmer, Betriebsratsmitglieder, Mitglieder der Personalabteilung, der Geschäftsführung, des Vorstands oder auch der Arbeitgeber selbst, sind Inhaber eines Kontos, auf das die Gelder gebucht werden und die Kontoinhaber erbringen zu den festgelegten Anlässen – Sterbefall – die Leistung. Da ist es nur schwer vorstellbar, dass niemand den Bestand der Kasse bemerkt haben möchte. Manchmal bewirkt erst ein Personalwechsel, dass Fragen nach einer Kasse gestellt werden, deren Beantwortung gescheut wird, weil die Kasse zuvor bewusst „verborgen“ gehalten wurde. 23
Zur Versorgungszusage oben unter § 3. A. V.
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§ 5 Einordnung in das Bürgerliche Recht
Unabhängig davon, wie die Umstände der Entdeckung solcher Kassen aussehen, ist der Arbeitgeber dennoch gehalten, mit der Erkenntnis, dass es sie gibt, „umzugehen“. Mitunter wählen die Betriebsparteien den Weg, in einer Betriebsvereinbarung die Existenz einer Sozialkasse im Betrieb sowie ihren sozialen Zweck zu beschreiben und einigen sich darauf, die Kasse fortzuführen. Dann folgen im Wesentlichen Details zur Mitgliedschaft, zur Beitragszahlung und zu den Modalitäten der Auszahlung der Sozialleistung. Ob insoweit nur fortgeführt wird, was immer schon galt oder ob Veränderungen vorgenommen werden – beides geschieht in der Praxis öfters – lässt sich nicht immer ermitteln. Auch kommt es vor, dass im Zusammenhang mit der Entdeckung der Sozialkasse eine frühere Betriebsvereinbarung bemerkt wird, die Regelungen zur Sozialkasse enthält. Die Betriebsparteien müssen dann prüfen, ob eine Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, § 88 Nr. 2 BetrVG oder ein Fall des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG besteht. Dann haben sie eine Regelungsbefugnis, können also in deren Rahmen (neue) Regelungen für eine fortzuführende Sozialkasse mittels Betriebsvereinbarung oder auch einer Regelungsabrede bestimmen, die dann praktisch umzusetzen sind.24 Dabei ist das einschlägige Bürgerliche Recht zu beachten.25 Auf autonome Arbeitnehmersolidarkassen können sie allerdings nicht materiell-rechtlich einwirken. Insoweit ist der Betriebsrat sachlich nicht zuständig.26 Die Betriebsvereinbarung kann dennoch wirksam sein. Sofern damit eine Sozialeinrichtung gestaltet wird, selbst zu den Regelungen der bestehenden Sozialkasse, errichten die Betriebsparteien eine Sozialeinrichtung im Sinne des BetrVG. Das hat zunächst keine Auswirkungen auf eine bestehende autonome Arbeitnehmersolidarkasse. Die Betriebsvereinbarung muss wiederum umgesetzt werden, damit zum Beispiel die Sterbekasse gemäß der Betriebsvereinbarung als Sozialeinrichtung fortgeführt oder eine arbeitnehmerautonome Kasse Sozialeinrichtung wird. Selbst wenn sich nicht klären lässt, ob ein nichtrechtsfähiger Verein besteht, liegt zumindest ein Treuhandvermögen vor, was zum Beispiel dem Kontoinhaber zuzurechnen ist. Zivilrechtlich ist daher errneut zu bedenken, dass die Regeln der Verteilungspraxis nur durch die Mitglieder des Vereins, durch den Treuhänder, wenn es im Rahmen der Zweckbestimmung liegt, ansonsten durch die Treugeber, geändert werden können. Ansonsten kann ein Zugriff auf das Kassenvermögen, durch welchen man es einem anderen Rechtssubjekt zuweist oder nach anderen Verteilungsregeln darüber verfügt, selbst wenn dies im Außenverhältnis wirksam ist (§§ 26 Abs. 1 S. 3, 137 BGB), zu einer Schadensersatzhaftung im Innenverhältnis führen (im Verhältnis zum Verein ist § 31a BGB zu beachten). 24
Oben unter § 2: D. II. 2. Oben unter A. II. 26 Oben unter § 2: B. IV. 2. d), § 2: B. V. 1. c) cc) und § 2:B. V. 1. d) sowie § 2: B. V. 3. e) bb) (2) (a). 25
§ 6 Einordnung in das Steuer- und Sozialversicherungsrecht Gerade in Betrieben mit tausenden Arbeitnehmern kann es zu beträchtlichen Vermögen von Solidarkassen kommen. Nicht selten weisen zum Beispiel Sterbekassenkonten Beträge von mehreren hunderttausend Euro und mehr auf. Es stellt sich die Frage nach der Steuerbarkeit.1 Die Beteiligten einer Sozialkasse im Betrieb, die das Vermögen aus Eigenbeträgen und aus sozialen Gründen selbst ansparen, dürften häufig nicht bedenken, dass Kassenvermögen von Solidarkassen steuerbar sein könnten. Dennoch besteht hier ein im Folgenden näher zu betrachtendes Risiko solcher Kassen.
A. Körperschaftsteuer Eine steuerrechtliche Relevanz von Arbeitnehmersolidarkassen könnte sich zunächst nach dem Körperschaftsteuergesetz ergeben.
I. Steuerpflicht 1. Arbeitnehmersolidarkassen als Vereine Arbeitnehmersolidarkassen bestehen entweder als rechtsfähige Idealvereine gemäß §§ 21 ff. BGB, als Gesellschaften bürgerlichen Rechts gemäß §§ 705 ff. BGB, als nichtrechtsfähige Vereine gemäß § 54 BGB oder als rechtsgeschäftliche Treuhand.2 Körperschaftsteuerrechtlich betroffen ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 1. Var. KStG zunächst nur die als rechtsfähiger oder nichtrechtsfähiger Verein bestehende Arbeitnehmersolidarkasse. Haben die Arbeitnehmer eine Sterbekasse als rechtsfähigen oder nichtrechtsfähigen Verein gegründet, besteht eine Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 1. Var. KStG. 2. Arbeitnehmersolidarkassen als Zweckvermögen Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 4. Var. KStG kommt eine Steuerpflicht nach dem KStG nicht nur in Frage, wenn die Arbeitnehmersolidarkasse in der Rechtsform des Ver1 Über einen solchen Fall aus der Praxis einer arbeitnehmerfinanzierten Sterbekasse, die als „Sozialkasse“ bezeichnet ist und das Vermögen auf einem Sparbuch angelegt hat, welches vom Leiter der Personalabteilung geführt wird, berichtet Streck, AG 2012, S. 34 f. 2 Oben unter § 5. A.
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§ 6 Einordnung in das Steuer- und Sozialversicherungsrecht
eins besteht. Haben die Arbeitnehmer einen Verein nicht gegründet oder lässt sich eine Vereinsgründung nicht mehr nachvollziehen, weil die Sterbekasse erst nach Jahren „wiederendeckt“ wird, und besteht jedenfalls ein treuhänderisch gehaltenes Kassenvermögen, bedeutet das nicht automatisch, dass das KStG nicht mehr anwendbar ist. § 1 Abs. 1 Nr. 5 4. Var. KStG erstreckt die Steuerpflicht auf Zweckvermögen des privaten Rechts. Zweckvermögen bezeichnen zu einem bestimmten Zweck verselbständigte Vermögensgegenstände, die zumindest wirtschaftlich eigenständig sind, wofür eine rechtliche oder tatsächliche Vermögensbindung in der Weise genügt, dass kein sonstiges einkommensteuer- oder körperschaftsteuerpflichtiges Subjekt mehr über die Vermögensgegenstände und die daraus gezogenen Erträge wie ein Eigentümer verfügen und die Zweckbindung einseitig aufheben kann.3 Wesentliches Merkmal des Zweckvermögens ist das einem bestimmten Zweck dienende Sondervermögen, durch dessen Bildung der Widmende keine Möglichkeit mehr hat, hierüber einseitig unter Aufhebung der Zweckbindung zu verfügen.4 Bei den Sterbekassen leisten die Arbeitnehmer einen Beitrag an die Kasse. Das dadurch gesammelte Geldvermögen dient dem Zweck der Sterbegeldfinanzierung. Als Teil des Kassenvermögens können die einzelnen Arbeitnehmer nicht mehr frei über ihre Beiträge verfügen. Der Treuhänder des Kassenvermögens ist durch das Treuhandverhältnis zu den Kassenmitgliedern ebenfalls in der Weise beschränkt, dass er nicht mehr frei wie ein Eigentümer/Rechtsinhaber über das Kassenvermögen bestimmen kann. Er unterliegt dessen Zweckbindung. Die Rechtsmacht, im Außenverhältnis rechtsgeschäftlich handeln zu können, ändert nichts an der Zweckbindung im Innenverhältnis, die ihm verbietet, über das Vermögen zu eigenen Zwecken zu verfügen. Treuhandverhältnisse sind typische Beispiele, in denen bei wirtschaftlicher Betrachtung der Treuhänder nicht als Eigentümer/Rechtsinhaber gilt.5 Bei Sterbekassen darf der Treuhänder über das Kassenvermögen nur zu dem festgesetzten Zweck, insbesondere der Auszahlung des Sterbegeldes nach Maßgabe der Auszahlungsvoraussetzungen, verfügen. Das Kassenvermögen ist bei wirtschaftlicher Betrachtung damit nicht den einzelnen Arbeitnehmern, die in das Kassenvermögen eingezahlt haben, und auch nicht dem Treuhänder zugewiesen, der das Vermögen fremdnützig verwaltet. Vermögen der Sterbekasse ist weder 3 Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG u.a., § 1 KStG, Rn. 46 ff., § 3 KStG, Rn. 14 ff.; Streck, in: Streck, Körperschaftsteuergesetz, § 1 KStG, Rn. 41; Schmidt, Zum Begriff des Zweckvermögens in Rechts- und Finanzwissenschaft, VerwArch. 60 (1969), S. 295 ff. sowie 61 (1970), S. 60 ff.; Wochner, ZEV 99, S. 125. Aus der Rechtsprechung grundlegend bereits der Reichsfinanzhof: RFH v. 7. 4. 1936, I A 227/35, RStBl. 1936, S. 442, S. 443 f.; RFH v. 18. 12. 1937, VI a 76/37, RStBl. 1938, S. 284, S. 285. Das Begriffsverständnis erkennt der Bundesfinanzhof an: BFH v. 19. 12. 1952, III 216/51, BStBl. III 1953, S. 54, S. 56; BFH v. 5. 11. 92, I R 3 9/92, BStBl. II 1993, S. 388, S. 389; BFH v. 29. 1. 2003, I R 106/00, BFH/NV 2003, S. 868, S. 869. 4 Sauter, in: Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz, § 1 KStG, Rn. 42. 5 BFH v. 29. 1. 2003, I R 106/00, BFH/NV 2003, S. 868, S. 869; Frotscher, in: Frotscher/ Maas, KStG u.a., § 3 KStG, Rn 16.
A. Körperschaftsteuer
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den einzelnen Arbeitnehmern noch dem Treuhänder zuzurechnen und unterliegt demgemäß bei diesen Personen nicht der Einkommenbesteuerung. Ein anderes körperschaftsteuerpflichtiges Subjekt kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, der die Einkünfte von Gesellschaftern bestimmter Personengesellschaften den Gesellschaftern zuweist, liegen bei Zweckvermögen mangels Personenvereinigung nicht vor.6 Sterbekassen in Betrieben, bei denen das von Arbeitnehmern gesammelte Geldvermögen typischerweise auf einem eigenen Sterbekassenkonto gesammelt und treuhänderisch verwaltet wird, erfüllen somit die Voraussetzungen des Zweckvermögens gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 4. Var. KStG.7 Existiert ein Sterbekassenkonto, ohne dass sich eine Vereinsgründung feststellen lässt, handelt es sich bei dem durch Geldsammlungen der Arbeitnehmer angehäuften Vermögen damit zumindest um ein Zweckvermögen des Privatrechts im Sinne des Körperschaftsteuerrechts. Der rechtsfähige Verein, der nichtrechtsfähige Verein und das Zweckvermögen sind Körperschaftsteuersubjekte. Eine finanzielle Unterstützung des Arbeitgebers ändert nichts an diesem Befund. Das Geld wird entweder Teil des Vereinsvermögens und ist dem Körperschaftsteuersubjekt rechtsfähiger oder nichtrechtsfähiger Verein zuzuordnen oder es wird Teil des Zweckvermögens. Das Geldvermögen unterliegt dem Zweck der Sterbegeldkasse in gleicher Weise wie das Geldvermögen, welches durch die Arbeitnehmer gesammelt wird. Anders liegt es, wenn der Arbeitgeber nicht an die Sterbekasse zahlt, sondern direkt an die Arbeitnehmer oder die Hinterbliebenen. Oftmals verpflichtet sich der Arbeitgeber dazu, im Sterbefall eines Arbeitnehmers/nahen Angehörigen etc. dem Sterbegeld aus der arbeitnehmerfinanzierten Sterbegeldkasse einen Geldbeitrag hinzuzufügen. Hier bleibt der Arbeitgeberbeitrag bis zur Zahlung dem Arbeitgebervermögen zugeordnet und wird nicht Teil eines davon getrennten Vermögens. Entsprechendes gilt, wenn die Arbeitnehmer Geld sammeln zur Erreichung eines sozialen Zwecks im Betrieb, der nur dadurch verwirklicht werden kann, dass der Arbeitgeber Betriebsräume oder sonstige Betriebsmittel überlässt, wie zum Beispiel bei der Errichtung von Fitnessräumen, Schwimmbädern, Theatergruppen etc. im Betrieb. Haben die Arbeitnehmer einen Verein errichtet oder eine rechtsgeschäftliche Treuhand begründet, bilden der Verein oder das Zweckvermögen wiederum die Körperschaftsteuersubjekte. Dann ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber die Betriebsmittel, mit denen er die Solidarkasse unterstützt, in der Weise dem Verein oder dem Zweckvermögen zur Verfügung gestellt hat, dass sie aus seinem Vermögen dauerhaft ausgeschieden sind. Das ist im Einzelfall zu prüfen. Für Waren beispielsweise, die er zum Verbrauch überlässt, mag das gelten, für die unentgeltliche Überlassung von Räumen nicht. 6 Zur Zurechnung des Einkommens Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG u.a., § 3 KStG, Rn. 30 ff. 7 Streck, AG 2012, S. 34.
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§ 6 Einordnung in das Steuer- und Sozialversicherungsrecht
Zu beachten ist noch: Die Betriebsmittel müssen dem Körperschaftsteuersubjekt auch als Einkommen zugerechnet werden können. Arbeitgeberleistungen können aber direkt an die Arbeitnehmer erbracht werden, ohne dass diese Teil eines Vereins- oder Zweckvermögens werden. Unterhalten die Arbeitnehmer zum Beispiel eine Solidarkasse, um Sportveranstaltungen im Betrieb zu finanzieren, dann liegt keine Leistung an den Verein oder das Zweckvermögen vor, wenn der Arbeitgeber während der Sportveranstaltung die Verpflegung der Arbeitnehmer übernimmt. 3. Beispiel: Die vom Betriebsrat zu Gunsten der Arbeitnehmer betriebene Kantine Einen „Grenzfall“ zwischen Arbeitgebersozialeinrichtung und autonomer Arbeitnehmersolidarkasse mit Blick auf ihre Steuerpflicht nach dem KStG zeigt der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung aus dem Jahre 1960.8 Dieser Fall wird in der Literatur nach wie vor kontrovers diskutiert.9 Im Tatbestand ist berichtet, dass der Arbeitgeber den Betrieb einer Werkskantine dem Betriebsrat überlassen hat mit der Maßgabe, die Kantine „zum Wohl und zugunsten der Belegschaft“ zu führen und etwaige Überschüsse an die Belegschaft zu verteilen.10 Der Bundesfinanzhof bejaht die Körperschaftsteuerpflicht des hier aus den Arbeitnehmern des Betriebs bestehenden nichtrechtsfähigen Vereins. Da es auf wirtschaftliche Gesichtspunkte und nicht auf bürgerlich-rechtliche ankomme, diene die Kantine allein dem Wohl und dem materiellen Interesse der Arbeitnehmer. Daher sei der Betriebsrat auch nur diesen gegenüber verpflichtet, Überschüsse zu verteilen. Der Arbeitgeber wolle mit dem Betrieb der Kantine nichts mehr zu tun haben. Nachdem der Bundesfinanzhof daraus folgert, dem Arbeitgeber könne man bei dieser Sachlage die Überschüsse nicht als Einkünfte zurechnen, einzelnen Betriebsratsmitgliedern und Arbeitnehmern als Unternehmer ebenfalls nicht, bleibe „kein anderer Weg, als den Überschuß der Kantine der Belegschaft als körperschaftsteuerpflichtigem nichtrechtsfähigen Verein (§ 1 Abs. 1 Ziff. 5 KStG) zuzurechnen. Es ist richtig, daß es an einer erkennbaren Organisation und Verfassung dieses Körperschaftsteuersubjekts fehlt. Es bestehen aber, da der Unternehmer den Betrieb der Kantine der Belegschaft überläßt, keine Bedenken gegen die Annahme, daß die Belegschaft das Recht hat, die Organisation und die Art des Betriebs der Kantine zu bestimmen und z.B. an Stelle des Betriebsrats einen Kantinenausschuß mit der Verwaltung zu betrauen.“11 Ein besseres Beispiel für Rechtsanwendung um des Ergebnisses Willen dürfte kaum zu finden sein. Nicht umsonst heißt es diplomatisch, „überwiegend aus BFH v. 18. 10. 1960, I 121/59 U, BStBl. III 1960, S. 496. Streck/Binnewies, in: Streck, Körperschaftsteuergesetz, Beratungs-ABC, Stichwort Kantinen, S. 851 f. 10 BFH v. 18. 10. 1960, I 121/59 U, BStBl. III 1960, S. 496. 11 BFH v. 18. 10. 1960, I 121/59 U, BStBl. III 1960, S. 496. 8
9 Dazu
A. Körperschaftsteuer
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Praktikabilitätserwägungen nimmt BFH BStBl III 60, 496 einen körperschaftsteuerpflichtigen nichtrechtsfähigen Verein an“.12 Macht man mit dieser Entscheidung Ernst, dann könnte der Arbeitgeber, nur weil er mit einer Einrichtung, mit einer sozialen Kasse „nichts mehr zu tun haben möchte“ und die im Interesse der Arbeitnehmer besteht, körperschaftsteuerrechtlich wirksame Zuordnungen des Kassenvermögens zu den Arbeitnehmern als Mitglieder eines nichtrechtsfähigen Vereins vornehmen. Die Annahme eines nichtrechtsfähigen Vereins der Arbeitnehmer ist im Fall des BFH pure Fiktion. Überzeugender ist es, das Kantinenvermögen als Zweckvermögen einzuordnen. Das hat folgende Gründe: Prägendes Element einer Sozialleistung im Betrieb ist doch gerade, dass sie zum Wohl der Arbeitnehmer und regelmäßig als vermögenswerter Vorteil auch in ihrem materiellen Interesse erfolgt. Und der Betriebsrat, der die Verwaltung einer Sozialeinrichtung vom Arbeitgeber übertragen erhält, betreibt diese zu Gunsten der Belegschaft. Das liegt aber nicht daran, dass sich der Betriebsrat gegenüber den Arbeitnehmern verpflichtet hat. Wie gesehen13 ist der Betriebsrat nur innerhalb seines Wirkungskreises vermögens- und rechtsfähig. Der Betriebsrat kann als Rechtssubjekt nur dann Gläubiger und Schuldner von Ansprüchen sein, wenn ihm das durch das BetrVG wie in den Fällen des § 111 S. 2 BetrVG und des § 40 BetrVG gestattet wird.14 An keiner Stelle begründet das BetrVG vermögensrechtliche Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Betriebsrat. Der Arbeitgeber, der den Betriebsrat dazu anhält, eine Kantine in seinem Betrieb zum Wohl der Arbeitnehmer zu betreiben, überlässt dem Betriebsrat die Verwaltung der Sozialeinrichtung Betriebskantine. Da diese nicht rechtlich selbständig betrieben wird, bleibt der Arbeitgeber das zuständige Rechtssubjekt der Kantine. Daraus folgt aber nicht, dass die Einnahmen aus der Kantine bei ihm steuerbar sind. Es kommt darauf an, ob der Arbeitgeber die Kantine so betreiben möchte, dass ihm etwaige Zuschüsse als Gewinn zustehen oder ob er mit dem Betriebsrat bei Ausgestaltung festlegt, dass zwar Kosten bei den Arbeitnehmern erhoben, die Überschüsse aber wieder an diese verteilt werden sollen. Im ersten Fall erwirtschaftet der Arbeitgeber Gewinn, dieser ist bei ihm steuerbar. Im zweiten Fall verzichtet der Arbeitgeber auf die Gewinnerzielung. Dann darf er selbst als Rechtsträger des Vermögens, wenn er sich tatsächlich in dieser Weise rechtlich verpflichtet hat, nicht mehr frei über das Vermögen verfügen. Die Arbeitnehmer haben ebenfalls keine Befugnis, über das Kassenvermögen zu bestimmen. Daraus folgt die für ein Zweckvermögen typische Vermögensbindung. 12 Streck/Binnewies, in: Streck. Körperschaftsteuergesetz, Beratungs-ABC, Stichwort Kantinen, S. 851; mit Verweis auf die ebenfalls die Sichtweise des BFH vertretende Rechtsprechung des FG München v. 21. 10. 1955, II 91/55, EFG 1956, S. 49 f. sowie des FG Nürnberg v. 9. 8. 1956, I 378-381/55, EFG 1957, S. 96. 13 Oben unter § 2: D. 4. 14 Grundlegend BGH v. 25. 10. 2012, III ZR 266/11, NZA 2012, S. 1473 ff.
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§ 6 Einordnung in das Steuer- und Sozialversicherungsrecht
Im Ergebnis ist festzuhalten: Im Fall des BFH besteht ein Zweckvermögen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 4. Var. KStG und nicht ein nichtrechtsfähiger Verein der Arbeitnehmer.
II. Steuerbefreiung 1. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG Eine Arbeitnehmersolidarkasse kann gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit sein, wenn sie ausschließlich und unmittelbar einem gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweck dient nach §§ 51 bis 68 AO. Laut § 52 Abs. 1 S. 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Bei den Arbeitnehmersolidarkassen fehlt es am Merkmal der Förderung der Allgemeinheit, sofern sie nur zu Gunsten der Arbeitnehmer eines Betriebs bestehen. § 52 Abs. 1 S. 2 AO stellt klar, dass die Allgemeinheit nicht gefördert wird, wenn der Personenkreis, dem die Förderung zu Gute kommt, fest abgeschlossen ist und nennt beispielhaft die Zugehörigkeit zur Belegschaft eines Unternehmens. Ein mildtätiger Zweck bedarf zwar keiner Förderung der Allgemeinheit,15 es genügt die Unterstützung persönlich Hilfebedürftiger. Dennoch ist es nicht ausreichend, dass eine Arbeitnehmersolidarkasse Hilfe an Arbeitnehmer gewährt, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands auf Hilfe angewiesen sind.16 Es fehlt dann am Merkmal der Selbstlosigkeit. Selbstlos im Sinne des Steuerrechts ist eine Unterstützung unter anderem nicht, wenn die Körperschaft nur zu Gunsten ihrer Mitglieder besteht.17 Fördert die Körperschaft nur Personen, die zum Beispiel einem bestimmten Unternehmen angehören, liegt ebenfalls keine Selbstlosigkeit vor.18 Daher erfüllt eine Arbeitnehmersolidarkasse auch nicht die Voraussetzungen des mildtätigen Zwecks (vgl. auch § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 AO). 2. § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG Arbeitnehmersolidarkassen sind keine rechtsfähigen Körperschaften im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG. Die Befreiungstatbestände der Nr. 3 und 4 des § 5 Abs. 1 KStG meinen solche Körperschaften, die der Versicherungsaufsicht nach dem VAG unterliegen oder Unterstützungskassen nach § 1 IV BetrAVG sind.19 Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG ist die Förderung der betrieblichen AltersversorGersch, in: Klein, Abgabenordnung, § 53 AO, Rn. 1. Koenig, in: Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, § 53 AO, Rn. 7. 17 BFH v. 13. 12. 78, I R 39/78, BStBl. 79, S. 482, S. 487. 18 Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, § 53 AO, Rn. 3. 19 Alvermann, in: Streck, Körperschaftsteuergesetz, § 5 KStG, Rn. 48. 15
16 Hierzu
A. Körperschaftsteuer
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gung.20 Arbeitnehmersolidarkassen erfüllen die Voraussetzungen der betrieblichen Altersversorgung regelmäßig nicht.21 Weiterhin besteht keine soziale Einrichtung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3b KStG, wenn sich Arbeitnehmer selbst zu einer Kasse zusammenschließen.22 3. § 5 Abs. 1 Nr. 4 KStG a) Direkte Anwendung In den Fällen, in denen Arbeitnehmer selbst eine Kasse gründen, kann sich aber eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 KStG ergeben.23 Danach gelten weniger strenge Voraussetzungen als nach Nr. 3 des § 5 Abs. 1 KStG, wenn ein Kleiner Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit besteht. Einer teilweise bestehenden Steuerpflicht gemäß § 6 KStG würde bei Vorliegen dieser Steuerbefreiung ebenfalls entgangen.24 Da die Arbeitnehmersolidarkassen auch keine Kleineren Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit gemäß § 210 VAG sind, ist § 5 Abs. 1 Nr. 4 KStG jedoch nicht direkt anwendbar. b) Analoge Anwendung Es kommt eine analoge Anwendung in Betracht. § 5 Abs. 1 Nr. 4 KStG liegt, anders als § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG, nicht die Idee der Förderung der betrieblichen Altersversorgung25 zu Grunde. Es gilt eine Privilegierung für Kleinere Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, wenn entweder gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4a KStG bestimmte Beitragseinnahmen nicht überschritten werden (Einnahmenprivilegierung) oder gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4b KStG eine bestimmte Form der Sterbegeldversicherung betrieben wird (Versicherungstypprivilegierung). Nr. 4b gilt für die Arbeitnehmerkassen direkt nicht, weil es entsprechend den Feststellungen oben26 an der Qualität als soziale Einrichtung im Sinne des KStG fehlt. Nr. 4a ist jedoch auch anzuwenden, wenn ein Kleinerer Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit nicht vom Arbeitgeber, sondern von den Arbeitnehmern des Betriebs getragen wird.27 Es kommt hier nicht darauf an, ob der Kleine Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit zur betrieblichen Altersversorgung gegründet wurde. § 5 Abs. 1 Nr. 4 KStG ist gegenüber § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG eigenständig.28 Heger, in: Gosch, Körperschaftsteuergesetz, § 5 KStG, Rn. 99. Oben unter § 3. 22 Alvermann, in: Streck, Körperschaftsteuergesetz, § 5 KStG, Rn. 56. 23 Alvermann, in: Streck, Körperschaftsteuergesetz, § 5 KStG, Rn. 56. 24 Alvermann, in: Streck, Körperschaftsteuergesetz, § 5 KStG, Rn. 73. 25 Hierzu Heger, in: Gosch, Körperschaftsteuergesetz, § 5 KStG, Rn. 99. 26 2. 27 Alvermann, in: Streck, Körperschaftsteuergesetz, § 5 KStG, Rn. 73. 28 Heger, in: Gosch, Körperschaftsteuergesetz, § 5 KStG, Rn. 99, Rn. 151. 20 21
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Gerade die Einnahmenprivilegierung zeigt, dass es darum geht, im Geschäftsumfang kleine „Versicherungen“ nicht mit einer Körperschaftsteuer zu belasten. Das hat nichts damit zu tun, ob eine Versicherung der Versicherungsaufsicht unterliegt. Vielmehr zeigt das Beispiel der Sterbekasse als Arbeitnehmersolidarkasse, dass dem Gesetzgeber dieses Phänomen nicht bekannt ist und er davon ausgeht, dass jede Form der Sterbekasse eine Versicherung im Sinne des VAG ist. Da insofern ein Rechtsformenzwang ausgelöst wird und der Kleine Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit das vom Geschäftsumfang kleinste und damit auch am wenigsten streng zu beaufsichtigende Unternehmen ist, hat der Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 Nr. 4 KStG die niedrigsten Hürden einer Befreiung geschaffen. Folgerichtig ist dann aber auch eine Einnahmenprivilegierung in den Fällen, in denen überhaupt keine Versicherungsaufsicht besteht, weil kein Versicherungsgeschäft gewerbsmäßig betrieben wird.29 Hier ist es noch mehr geboten, ein Kassenvermögen nicht mit einer Körperschaftsteuer zu belasten. Der Gesetzgeber hat mit § 5 Abs. 1 Nr. 4 KStG keine abschließende Regelung nur für die Rechtsform des Kleinen Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit geschaffen. Er ist nur davon ausgegangen, in solchen Fällen handelten stets Versicherungsvereine – so auch die Bezeichnung in § 4 KStDV – im Sinne des VAG. Da die Arbeitnehmersolidarkasse nicht gewerbsmäßig handelt und vom Geschäftsumfang her typischerweise noch „kleiner“ ist als der Kleine Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, ist er erst recht auf die Einnahmenprivilegierung angewiesen. § 5 Abs. 1 Nr. 4a KStG ist damit auf Arbeitnehmersolidarkassen analog anzuwenden. Somit sind Arbeitnehmersolidarkassen, die die Einnahmengrenzen des § 4 KStDV – bei Sterbekassen derzeit 797.615 EUR – nicht übersteigen, von der Körperschaftsteuer befreit. De lege ferenda wäre eine ausdrückliche Regelung, die die Arbeitnehmersolidarkassen von der Körperschaftsteuerpflicht ausnimmt, wünschenswert. Das muss unabhängig davon gelten, ob sie im Kontext des BetrVG Sozialeinrichtung ist oder arbeitnehmerautonom besteht.
B. Einkommensteuer und sozialversicherungsrechtliche Verbeitragung I. Allgemeine Fragen 1. Einführung Häufig unterstützt der Arbeitgeber Arbeitnehmersolidarkassen, indem er Betriebsmittel zur Erreichung eines sozialen Zwecks gewährt. In Bezug auf solche Mittel stellen sich einkommensteuer- und beitragsrechtlich die gleichen Fragen, wie sie sich auch bei Sozialleistungen ergeben, die der Arbeitgeber direkt an die Arbeitnehmer erbringt. Insofern führt das Phänomen der Arbeitnehmersolidarkas29
Oben unter § 4.
B. Einkommensteuer und sozialversicherungsrechtliche Verbeitragung
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se nicht zu etwas Neuem, vor allem dann nicht, wenn sie die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG erfüllen. Daher ist hier nicht der Ort, um sich allgemein der einkommensteuer- und beitragsrechtlichen Behandlung von Sozialleistungen des Arbeitgebers, die er direkt oder über eine Sozialeinrichtung den Arbeitnehmern gewährt, anzunehmen. Nur das Folgende soll gesagt werden, um zu belegen, dass das EStG keinen Handlungsbedarf für Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Umgang mit Arbeitnehmersolidarkassen begründet: 2. Leistungen des Arbeitgebers als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG Die arbeitgeberseitige Erbringung von Sozialleistungen an Arbeitnehmersolidarkassen dient – wie auch sonst die Sozialleistungen im Betrieb – regelmäßig (auch) dem Interesse des Unternehmens (Bindung der Arbeitnehmer an das Unternehmen, Motivation der Arbeitnehmer, Verbesserung des Betriebsklimas, Anwerbung künftiger Arbeitnehmer etc.). Sie ist demgemäß betrieblich veranlasst, weshalb sie gemäß § 4 Abs. 4 EStG Betriebsausgabe ist.30 3. Sozialleistungen im Zusammenhang mit Arbeitnehmersolidarkassen als Einkünfte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG, § 19 EStG Grundsätzlich gehören vermögenswerte Vorteile, die Arbeitnehmern mit den Sozialleistungen zufließen, zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG, § 19 EStG.31 Im Einzelfall kommt es aber immer darauf an, um welche Leistung genau es sich handelt, ob und wann dem Arbeitnehmer ein steuerbarer Vorteil zufließt und ob und in welchem Umfang bestimmte Bereicherungen, wie zum Beispiel Geschenke zu persönlichen Anlässen, bis zu einem bestimmten Betrag steuerfrei sind.32 In diesem Zusammenhang sind zwei Fallgruppen anzusprechen, die bei Sozialleistungen des Arbeitgebers besonders relevant sind und auch mit Blick auf die Arbeitnehmersolidarkassen berücksichtigt werden müssen: Erstens können Unterstützungen von Arbeitnehmersolidarkassen dazu führen, dass lediglich die Art und Weise der Arbeitsleistung betroffen ist und diese angenehmer gestaltet. Ein objektiver Betrachter würde hier unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung nicht von einer Gegenleistung zur individuellen Arbeits30 Zum Begriff der Betriebsausgaben Bode, in: Kirchhoff, EStG, § 4 EStG, Rn. 161 ff. sowie zu Einzelfällen („ABC der Betriebsausgaben“) Rn. 257. 31 Biber, Betriebliche Sozialleistungen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 I Nr. 1 EStG, DB 1984, S. 2168 ff. 32 Im Einzelnen ist hier auf die Kommentierungen zu § 19 EStG zu verweisen, insbesondere auf die Fallgruppendarstellung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; zum Beispiel Krüger, in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, § 19 EStG, Rn. 100; Barein, in: Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Band 4, § 19 EStG, Rn. 216 ff.
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leistung sprechen. Für diese Fallgruppe der Annehmlichkeiten lässt sich folgendes Beispiel anführen: Die Arbeitnehmer sammeln Geld, um einen Erholungsraum nach ihren Wünschen einzurichten. Der Arbeitgeber unterstützt dies mit einem Geldzuschuss. Zweitens kann die Gewährung einer Leistung, die zu einer Bereicherung beim Arbeitnehmer führt, ganz überwiegend einem eigenbetrieblichen Interesse dienen (Fallgruppe des überwiegenden Eigeninteresses). Beispiel: Die Arbeitnehmer sammeln Geld in einer Kasse, um an Geburtstagen der Arbeitnehmer kleine Feiern der Belegschaft im Betrieb auszurichten. Der Arbeitgeber unterstützt dies mit einem Geldzuschuss.33 In beiden Fällen liegen keine steuerbaren Einkünfte vor. 4. Sozialleistungen im Zusammenhang mit Arbeitnehmersolidarkassen als Arbeitsentgelt gemäß § 14 SGB IV Für das Sozialversicherungsrecht gilt das soeben34 Gesagte entsprechend. Die Verbeitragung von betrieblichen Sozialleistungen als Arbeitsentgelt gemäß § 14 SGB IV erfolgt weitgehend35 entsprechend dem Einkommensteuerrecht,36 vergleiche § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 SGB IV i. V. m. der Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV)37. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 SvEV sind einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, soweit sie lohnsteuerfrei sind, dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen. Regelmäßig erfüllt die Leistung einer betrieblichen Sozialleistung die Voraussetzungen des § 23a SGB IV, weshalb entgegen dem sonst im Sozialversicherungsrecht geltenden Entstehungsprinzip das Zuflussprinzip gilt.38 Auch insoweit bestehen dann keine Unterschiede zum Steuerrecht.
33 Zu den Fallgruppen Barein, in: Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Band 4, § 19 EStG, Rn. 208. Aus der Rechtsprechung: BFH v. 17. 9. 1982, VI R 75/79, BStBl II 83, S. 39 ff.; BFH v. 16. 5. 2013, VI R 94/10, BFH/NV 13, S. 1846 f. Zu dem zweiten Beispiel: Betriebsfeiern und Betriebsveranstaltungen werden einkommensteuerrechtlich dem überwiegenden Interesse des Arbeitgebers zugeordnet, wenn die Aufwendungen pro Person einen Betrag bis zu 110 Euro nicht übersteigen; BFH v. 12. 12. 2012, VI R 79/10, NZA-RR 2013, S. 249, S. 250. 34 3. 35 Eine hier relevante Ausnahme findet sich unten unter II. 2. a) bb). 36 Peters, Sozialgesetzbuch IV, Vor § 14 SGB IV, Rn. 1 ff.; Knospe, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB IV, K § 14 SGB IV, Rn. 20 ff.; Linck, in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 71, Rn. 33. 37 v. 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3385), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung v. 24. November 2014 (BGBl. I S. 1799). 38 Seewald, in: Kasseler Kommentar, SGB IV, § 23a SGB IV.
B. Einkommensteuer und sozialversicherungsrechtliche Verbeitragung
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5. Arbeitnehmerbeiträge an Solidarkassen als Werbungskosten gemäß § 9 EStG Arbeitnehmer können Zahlungen an eine Solidarkasse regelmäßig nicht als Werbungskosten im Sinne des § 9 EStG ansetzen. Dafür müssten die Aufwendungen durch die Tätigkeit veranlasst sein und mit ihr zusammenhängen.39 Die Prüfung der beruflichen Veranlassung erfolgt anhand einer Gesamtwürdigung der Einzelfallumstände.40 Auf diese Weise sollen Aufwendungen ausgeschlossen werden, die der Privatsphäre des Arbeitnehmers angehören.41 Wenn die Arbeitnehmer über ihre Kassen „am Arbeitsplatz“ Geld für Hochzeiten, Geburtstage, Geburten, Betriebsjubiläen etc. sammeln, fördern sie damit keinen Zweck, der gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 EStG dem Erwerb, der Sicherung und der Erhaltung ihrer Einnahmen aus ihrer nichtselbständigen Tätigkeit dient.42 Das gilt auch, wenn sie einander allgemein bei Unglücks- oder Sterbefällen43 beistehen, die unabhängig von ihrer Tätigkeit eintreten können oder wenn über die Kasse Betriebschöre, Theatergruppen oder Fitnessräume unterhalten werden. Bei Sterbekassen besteht eine betriebliche Veranlassung nicht bereits darin, dass der Arbeitgeber die Errichtung vorschlägt, die diesbezüglichen Beiträge vom Nettolohn der Arbeitnehmer einbehält und auf ein Konto einer ansonsten autonomen Arbeitnehmersolidarkasse zahlt. Es genügt nämlich keine Kausalität im Sinne der conditio sine qua non-Formel. Ein Veranlassungszusammenhang besteht nur, wenn die Aufwendungen – hier – zur nichtselbständigen Tätigkeit in einem „steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang“ stehen.44 Die bei Sterbekassen gewünschte Unterstützung im Todesfall deckt normativ ein allgemeines Lebensrisiko ab, welches wirtschaftlich nicht der Berufssphäre zugeordnet werden kann. Zwar mögen die Mitglieder von Solidarkassen sogar für den Betrieb vorteilhafte Wirkungen erzeugen, wie die Förderung des Betriebsklimas und der Kollegialität. Aber dadurch wird die Tätigkeit selbst nicht zur Ursache der Aufwendungen, die nur bei Gelegenheit und nicht aus Anlass der Tätigkeit entstehen. Ein Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit kann sich aber dann ergeben, wenn die Solidarkasse gerade vor Risiken schützen oder absichern, ihnen entgegenwirken soll, die durch 39 Grundsätzlich zum Begriff der Werbungskosten BFH v. 27. 11. 1978, GrS 8/77, BStBl. II 1979, S. 213 ff.; BFH v. 24. 8. 2001, VI R 40/94, BFH/NV 2002, S. 182 ff. 40 BFH v. 11. 1. 2007, VI R 52/03, BStBl. II 2007, S. 317, S. 318 f. 41 von Bornhaupt, in: Söhn, Die Abgrenzung der Betriebs- oder Berufssphäre von der Privatsphäre im Einkommensteuerrecht, S. 149, S. 174 ff. 42 Im Einzelfall können die Aufwendungen auch nichtabzugsfähige Kosten der allgemeinen Lebensführung darstellen im Sinne des § 12 EStG. Zu dessen Voraussetzungen etwa Loschelder, in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, § 12 EStG. 43 Vgl. BFH v. 28. 11. 1977, GrS 2-3/77, BStBl. II 1978, S. 105, S. 107 f. 44 von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, § 9 EStG, Rn. 21. Grundsätzlich zur Veranlassungstheorie Stapperfend, in: Festschrift Kruse, S. 533, S. 539 ff.
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§ 6 Einordnung in das Steuer- und Sozialversicherungsrecht
die konkrete Tätigkeit ausgelöst werden, etwa wenn eine finanzielle Unterstützung für den Fall eines Unfalls am Arbeitsplatz versprochen wird.45 6. Arbeitnehmerbeiträge an Solidarkassen als Sonderausgaben gemäß §§ 10ff. EStG Noch weniger als man Zahlungen an Solidarkassen unter den Werbungskostenbegriff des § 9 EStG subsumieren kann, handelt es sich um Sonderausgaben gemäß §§ 10 ff. EStG. Das EStG zählt die Sonderausgaben enumerativ auf. Selbst wenn Solidarkassen dem Zweck dienen, Hilfe bei Not-, Unglücks- und/oder Sterbefällen zu gewähren und damit Lebensrisiken erfassen, die in § 10 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 EStG aufgezählt werden, sind Aufwendungen nur als Vorsorgeaufwendungen Sonderausgaben, die die Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 2 EStG erfüllen. Bereits die erste Voraussetzung, dass die Beiträge an Versicherungsunternehmen erbracht werden müssen, ist allerdings nicht erfüllt.
II. Sonderfrage: Die Zahlung des Sterbegeldes als steuerbarer und zu verbeitragender Zufluss beim Arbeitnehmer? 1. Einzahlungsphase a) Zahlungen des Arbeitgebers aus dem Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer Behält der Arbeitgeber die Sterbekassenbeiträge der Arbeitnehmer vom Arbeitsentgelt ein, geschieht dies regelmäßig aus dem Nettobetrag des Arbeitsentgelts. Damit erbringen die Arbeitnehmer ihre Beiträge zu einer Sterbekasse bereits aus versteuertem und verbeitragtem Entgelt, sodass es sich bei der Zahlung an die Sterbekasse, auch wenn sie technisch über den Arbeitgeber abgewickelt wird, der den Betrag überweist, nicht um einen Zufluss weiterer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handeln kann. b) Zahlungen des Arbeitgebers aus eigenem Vermögen Fraglich ist, unter welchen Umständen Zahlungen des Arbeitsgebers aus eigenem Vermögen, um die Sterbekasse finanziell zu unterstützen, den Arbeitnehmern als vermögenswerte Vorteile zufließen. Zahlt der Arbeitgeber nicht an die Sterbekasse, sondern leistet er erst nach Eintritt des Sterbefalls direkt an die Begünstigten, indem er zum Beispiel einen zusätzlichen Betrag zur Sterbegeldzahlung der Sterbegeldkasse erbringt, erhalten 45 Vgl. zum Parallelproblem der Einordnung von Beiträgen an eine Unfallversicherung entweder als Werbungskosten oder als Sonderausgaben Heinicke, in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, § 10 EStG, Rn. 75, Stichwort „Unfallversicherung“, § 4 EStG, Rn. 278; Beiser, DB 2009, S. 2237 ff.
B. Einkommensteuer und sozialversicherungsrechtliche Verbeitragung
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die Begünstigten mit Zahlung unmittelbar einen vermögenswerten Vorteil, der zu versteuern und zu verbeitragen ist. Zahlt der Arbeitgeber einmalig oder laufend an eine Sterbekasse der Arbeitnehmer, könnte hierin bereits ein Zufluss vermögenswerter Vorteile an die Arbeitnehmer liegen. Das lässt sich zunächst nicht § 19 Abs. 1 Nr. 3 EStG entnehmen, der nur Zahlungen zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung, zu der die Zahlungen an eine Sterbekasse als Arbeitnehmersolidarkasse regelmäßig nicht gehören,46 im Rahmen bestimmter Durchführungswege erfasst. § 2 Abs. 2 Nr. LStDV erstreckt zwar die Steuerbarkeit von Ausgaben des Arbeitgebers generell auch auf solche für den Fall der Absicherung wegen Krankheit, Unfalls, Invalidität, Alters oder Todes (Zukunftssicherung). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu Zukunftssicherungsleistungen ist aber bei Zahlungen des Arbeitgebers an denjenigen, der letztlich die Leistung an den Begünstigten erbringt, ein Lohnzufluss bereits durch die Arbeitgeberzahlungen nur dann zu bejahen, wenn dem Arbeitnehmer durch die jeweiligen Zahlungen ein „nicht entziehbarer Rechtsanspruch“ auf die Leistung entsteht.47 So liegt es bei den Sterbekassen der Arbeitnehmer aus zwei Gründen nicht: Zum einen sind die Ansprüche auf Zahlung des Sterbegeldes regelmäßig ausgeschlossen, zum anderen bestehen sie insbesondere dann nicht, wenn das Kassenvermögen zur Zahlung des Sterbegeldes nicht genügt.48 Die Sterbegeldzahlungen werden nicht nach dem Prinzip der Kapitaldeckung durch Anlage der Beiträge individuell angespart, sondern in der Regel dienen auch die laufenden Beitragsleistungen der Finanzierung. Die Höhe der Beiträge und die Höhe des Sterbegeldes unterliegen Schwankungen und müssen abhängig von Mitgliederzahl und Sterbefällen angepasst werden. Ob und in welcher Höhe letztlich ein Sterbegeld an die Begünstigten gezahlt wird, lässt sich erst im Zeitpunkt der Auszahlung bestimmen. Damit können erst die Zahlungen der Sterbegelder an die Begünstigten steuerbar sein. Da im Zeitpunkt der Beitragszahlung kein dem Grunde nach und schon gar nicht der Höhe nach feststehender Anspruch auf Sterbegeldzahlung existiert, kann auch eine Sozialversicherungspflicht49 erst im Zahlungszeitpunkt entstehen.50
46
Oben unter § 3. BFH v. 16. 4. 99, VI R 60/96, BStBl II 2000, S. 406, S. 407; BFH v. 20. 7. 2005, VI R 165/01, BStBl. II 2005, S. 890, S. 891 f.; BFH v. 11. 12. 2008, VI R 9/05, BStBl. II 2009, S. 385, S. 386 f. 48 Oben unter § 5. B. I. 49 Im Einzelnen sogleich unter 2. 50 Anderes gilt nur für bestimmte Fälle der betrieblichen Altersversorgung (Rolfs, in: Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, StR H, S. 1725 ff.; Knospe, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB IV, K § 14 SGB IV, Rn. 45 ff.), worunter die Fälle der Sterbekasse als Arbeitnehmersolidarkasse auch bei finanzieller Unterstützung des Arbeitgebers in der Regel nicht zählen; oben unter § 3. 47
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2. Auszahlungsphase Für die Beantwortung der Frage, ob und in welcher Höhe die Zahlung des Sterbegeldes zu versteuern und zu verbeitragen ist, sind zwei Varianten zu unterscheiden, in der ersten finanzieren die Arbeitnehmer die Sterbekasse, in der zweiten tun sie das gemeinsam mit dem Arbeitgeber. a) Arbeitnehmerfinanziert aa) Hinterbliebene des Arbeitnehmers und Betriebsrentner als Begünstigte (1) § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehören auch Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Die Hinterbliebenen des Arbeitnehmers könnten als Rechtsnachfolger des Arbeitnehmers mit Erhalt des Sterbegeldes selbst Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit beziehen (vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 LStDV, der die Hinterbliebenen in solchen Fällen steuerrechtlich selbst als Arbeitnehmer definiert). Die Zahlung eines Sterbegeldes kann ein Bezug aus einer früheren Dienstleistung sein, wenn die Sterbekasse als Sozialeinrichtung des Arbeitgebers besteht. Rechtsnachfolger ist jeder Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolger, mithin auch der Begünstigte auf Grund eines Vertrages zu Gunsten Dritter.51 Betriebsrentner, die Sterbegeldzahlungen für den Fall erhalten, dass ein naher Angehöriger stirbt, sind entweder unter § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder unter § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu subsumieren. Voraussetzung für die Einordnung als Bezug aus einer früheren Dienstleistung ist, dass die Zahlung des Sterbegeldes nicht auf eigenen Beitragsleistungen des Arbeitnehmers beruht (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 LStDV). Der BFH grenzt auf diese Weise den Bezug aus einer früheren Dienstleistung von dem Tatbestand der Leibrente gemäß § 22 Nr. 1 S. 3 Buchstabe a EStG ab.52 Das muss entsprechend für den Betriebsrentner gelten. Damit gilt: Zahlungen sind kein einkommensteuerpflichtiger Arbeitslohn, wenn sie auf eigenen Beitragsleistungen des Arbeitnehmers beruhen. Sofern die Arbeitnehmer die Sterbekasse aus versteuertem und verbeitragtem Entgelt allein finanzieren, liegt für die Hinterbliebenen bzw. den Betriebsrentner kein steuerbarer Zufluss vor.
51 52
BFH v. 24. 1. 1996, X R 14/94, BStBl. II 1996, S. 287, S. 289. BFH v. 22. 11. 2006, X R 29/05, BStBl. II 2007, S. 402, S. 404 ff.
B. Einkommensteuer und sozialversicherungsrechtliche Verbeitragung
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(2) § 14 SGB IV Im Sozialversicherungsrecht gilt der Grundsatz, dass Leistungen auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses, wenn sie für die Zeit nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erbracht werden (anders als im Steuerrecht), kein Arbeitsentgelt gemäß § 14 SGB IV sind.53 Der Begriff des Arbeitsentgelts erfasst nur solche Leistungen, die gegenwärtig und unmittelbar zur Arbeitsleistung anfallen.54 Erhalten Hinterbliebene oder Betriebsrentner Sterbegeldzahlungen aus einer Sterbekasse, erfolgen diese Zahlungen nicht mehr aufgrund einer gegenwärtigen und unmittelbaren Arbeitsleistung.55 (3) § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG Der Unterschiedsbetrag zwischen der ausgezahlten Sterbegeldsumme und den Beiträgen des Arbeitnehmers unterliegt nicht der Ertragsbesteuerung aus § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Dafür sind drei Gründe anzuführen: Fraglich ist bereits die Einkünfteerzielungsabsicht als Voraussetzung der Ertragsbesteuerung.56 Die Sterbekasse der Arbeitnehmer dient nicht der Einkünfteerzielung der Begünstigten, sondern soll Kosten des Sterbefalls, insbesondere der Beerdigung, decken. Zweitens zählen zu § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG nur Versicherungen mit Sparanteilen. Das bedeutet, dass ein Beitragsteil für die Finanzierung einer Erlebensfall-Leistung verwendet werden muss.57 Daran fehlt es bei der hier zu beurteilenden Sterbekasse. Daran anknüpfend folgt drittens, dass Kapitalversicherungen, die nur im Todesfall leisten, deswegen schon nicht unter § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG subsumiert werden können, weil die Todesfallleistung der Deckung von Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Todesfall dient.58 Die Sterbekassen der Arbeitnehmer sollen genau das bewirken.
Grundlegend bereits BSG v. 24. 1. 1963, 4 RJ 135/61, SozR Nr. 1 zu § 1241 RVO; BSG v. 29. 8. 1984, 11 RK 5/83, SozR 5420, § 2 Nr. 31. 54 BSG v. 29. 8. 1984, 11 RK 5/83, SozR 5420, § 2 Nr. 31; BSG v. 21. 2. 1990, 12 RK 20/88, SozR 3-2400, § 14 Nr. 2. 55 Etwas anderes, insbesondere hinsichtlich einer Beitragspflicht in der Gesetzlichen Kranken- und Sozialen Pflegeversicherung, gilt nur im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung; dazu BSG v. 6. 2. 1992, 12 RK 37/91, BSGE 70, S. 105 ff.; Giesen, VSSR 2005, S. 21 ff.; ders., VSSR 2005, S. 77 ff.; Rieble, BetrAV, S. 5 ff. 56 Weber-Grellet, in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, § 20 EStG, Rn. 12; Haisch/ Krampe, DStR 2011, S. 2178 ff. 57 von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, § 20 EStG, Rn. 100. 58 BMF v. 1. 10. 2009, BStBl. I 2009, S. 1172, S. 1176; Streck, AG 2012, S. 34, S. 35. 53
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(4) § 22 EStG Sterbegeldleistungen von arbeitnehmerautonomen Sterbekassen sind weiterhin nicht gemäß § 22 EStG steuerbar. Sie erfüllen als Einmalzahlungen nicht die Voraussetzungen des wiederkehrenden Bezugs gemäß § 22 Nr. 1 S. 1 EStG. § 22 Nr. 3 EStG erfordert „Einkünfte aus Leistungen“, weshalb die Einkünfte die Gegenleistung aus einer entgeltlichen Leistung im Privatbereich sein müssen.59 Die Arbeitnehmer bieten keine entgeltliche Leistung an. Schließlich erwähnt § 22 Nr. 4 EStG zwar Sterbegelder, aber nur solche als Abgeordnetenbezüge. (5) § 18a SGB IV Bei den Sterbegeldzahlungen handelt es sich nicht um Erwerbsersatz- oder Vermögenseinkommen gemäß § 18a Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 SGB IV. Wie zuvor60 gesehen liegen keine Einnahmen aus Kapitalvermögen vor. Bei Hinterbliebenen, die eine Rente wegen Todes erhalten, ist das Sterbegeld damit nicht beitragspflichtig. Das gilt auch, soweit die Hinterbliebenen das Sterbegeld nicht selbst erworben haben. Abgeleitete Hinterbliebenenleistungen werden von § 18a SGB IV nicht erfasst.61 bb) Arbeitnehmer als Begünstigte Bei den Sterbekassen der Arbeitnehmer besteht die Besonderheit, dass sie in vielen Fällen nicht nur eine Leistung für Hinterbliebene des Arbeitnehmers vorsehen, sondern auch an den Arbeitnehmer selbst leisten, wenn nahe Angehörige, vor allem Ehepartner und Kinder, sterben. Im Unterschied zu den Ausführungen unter aa) geht es damit nicht mehr um Leistungen, die erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden. Zu betonen ist, dass § 2 Abs. 2 S. 2 LStDV zwar nur im systematischen Zusammenhang zu Leistungen aus früheren Dienstleistungen steht. Aber bereits nach allgemeinen Grundsätzen fehlt es an einem Zufluss von Arbeitslohn im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG und handelt es sich nicht um Arbeitsentgelt gemäß § 14 SGB IV, wenn die Sterbegeldzahlungen bereits aus versteuertem und verbeitragtem Entgelt geleistet werden, da der Arbeitgeber schlicht keine Leistung erbracht hat. Teils sind Sterbekassen in der Weise gestaltet, dass der Arbeitgeber neben dem Einbehalten des Sterbekassenbeitrags selbst ein Konto einrichtet, welches er für die Arbeitnehmer als Treuhänder führt und von welchem er die Sterbegeldzahlungen im Todesfall auch anweist. Dann steckt in dem Sterbegeld insoweit ein vermögenswerter Vorteil, als es auf eine Arbeitgeberleistung zurück zu führen ist.62 § 2 59
BFH v. 27. 6. 2006, IX R 25/05, BFH/NV 2007, S. 657, S. 658.
60 (3). 61 62
Fattler, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB IV, K § 18a SGB IV, Rn. 8. Oben unter § 1: V. 1.
B. Einkommensteuer und sozialversicherungsrechtliche Verbeitragung
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Abs. 2 S. 2 LStDV schließt aber eine Steuerbarkeit der Sterbegeldleistung bereits dann aus, wenn die Arbeitnehmer diese teilweise finanziert haben. § 2 Abs. 2 S. 2 LStDV erweitert die Steuerbarkeit, indem er Bezüge aus früheren Dienstverhältnissen erfasst. Damit kann für Bezüge aus gegenwärtigen Dienstverhältnissen nichts anderes gelten. Daher ist festzuhalten: Sterbegeldleistungen, die Arbeitnehmer während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses erhalten, sind keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wenn sie diese alleine finanziert haben und die nichtfinanzielle Unterstützung des Arbeitgebers nur geringfügig ist.63 § 2 Abs. 2 S. 2 LStDV schließt zwar eine Steuerbarkeit gemäß §§ 20, 22 EStG nicht aus. Deren Voraussetzungen sind allerdings nicht erfüllt.64 b) Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer Im Folgenden ist auf die Besonderheiten zu a. einzugehen, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam die Sterbegeldleistung finanzieren. aa) Ermittlung der steuerbaren und zu verbeitragenden Einnahmen Bei der Ermittlung der steuerbaren Einnahmen ist zu unterscheiden: Bestehen die Leistungen des Arbeitgebers als Zuzahlungen zur Sterbegeldleistung, gilt: Diese Leistung ist beim Arbeitnehmer gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerbar und gemäß § 14 SGB IV beitragspflichtig. Für Hinterbliebene und Betriebsrentner folgt die Steuerbarkeit der Einnahmen aus § 19 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 EStG in Verbindung mit der LStDV.65 Eine Beitragspflicht besteht nicht.66 Zu prüfen ist, was gilt, wenn der Arbeitgeber einmalig oder laufend in eine Sterbekasse zahlt. Diese Beiträge sind zwar keine steuerfreien Einnahmen nach § 3 EStG, vor allem sind die Voraussetzungen nach Nr. 62 und Nr. 63 nicht erfüllt. Das ist insofern aus Sicht des Arbeitnehmers unschädlich, als mangels rechtsverbindlichen Anspruchs67 die Beitragszahlung in eine Sterbekasse noch zu keiner Einnahme führt. Fraglich ist, ob die teilweise Finanzierung durch die Arbeitnehmer zur Folge hat, dass die Sterbegeldleistung in der Auszahlungsphase gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 LStDV nicht steuerbar ist. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift könnte man meinen, dass jedes Teilfinanzieren durch den Arbeitnehmer genügt, damit kein steuerbarer Bezug besteht. Sinn und Zweck ist aber nicht die Steuerfreiheit, sondern eine Zuordnung der Einkünfte zu den Einkunftsarten. Sofern nämlich die Bereicherung auf Grund einer Finanzierung durch den Ar63
Dazu sogleich noch unter b) aa). aa) (3) und (4). 65 Oben unter a) aa) (1). 66 Oben unter a) aa) (2). 67 Oben unter § 5: B. I. 64
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§ 6 Einordnung in das Steuer- und Sozialversicherungsrecht
beitnehmer erreicht wurde, sollen keine Einkünfte mehr aus nichtselbständiger Tätigkeit vorliegen. Eine Steuerbarkeit nach § 20 oder § 22 EStG ist dadurch aber nicht ausgeschlossen.68 Das bedeutet: § 2 Abs. 2 S. 2 LStDV schließt eine Steuerbarkeit von Sterbegeldzahlungen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nur insoweit aus, als sie auf den Leistungen der Arbeitnehmer beruhen. Im Übrigen kann eine Steuerbarkeit insbesondere gemäß § 20 oder § 22 EStG in Frage kommen.69 Da deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind70, sind nur die Sterbegeldzahlungen steuerbar, und zwar als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die auf der Finanzierung des Arbeitgebers beruhen. Damit ist im Einzelfall zu ermitteln, welcher Teil der Sterbegeldzahlung durch den Arbeitgeber ermöglicht worden ist.71 Nur bei ganz überwiegender Finanzierung durch den Arbeitnehmer ist es vertretbar, gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 LStDV davon auszugehen, dass kein Arbeitslohn gegeben ist. Beruht beispielsweise die Hälfte des Sterbegeldes auf einer Finanzierung durch den Arbeitgeber, besteht insoweit steuerbarer Arbeitslohn. Im Einzelfall müssen die Aufwendungen des Arbeitgebers ins Verhältnis zu denjenigen des Arbeitnehmers gesetzt werden. Als Regel dürfte pauschal gelten: Der Anteil des Arbeitgebers an dem gesammelten Kassenvermögen ist der Anteil am ausgezahlten Sterbegeld, welcher als Arbeitslohn gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 EStG in Verbindung mit der LStDV zu versteuern und gemäß § 14 SGB IV zu verbeitragen ist. bb) Durchführung des Lohnsteuerabzugs Soweit die Sterbegeldleistung auf der Finanzierung durch den Arbeitgeber beruht, handelt es sich um steuerbaren Arbeitslohn. Der Arbeitgeber ist gemäß § 39b EStG zum Lohnsteuerabzug, hier gemäß Absatz 3 dieser Vorschrift, verpflichtet. cc) Versorgungsfreibetrag Das arbeitnehmerfinanzierte Sterbegeld wird auf Grund des (früheren) Arbeitsverhältnisses zum Zwecke der Versorgung, wozu auch die Absicherung des Risikos Tod gehört, um Bestattungskosten abzudecken, gezahlt. Es lässt sich als Gegenleistung der früheren Arbeitskraft einordnen, weshalb ein Versorgungsfreibetrag plus Zuschlag gemäß § 19 Abs. 2 EStG steuerfrei bleibt.72
Herrmann, in: Frotscher/Geurts, EStG, § 19 EStG, Rn. 108. Herrmann, in: Frotscher/Geurts, EStG, § 19 EStG, Rn. 108. 70 Oben unter a) aa) (3) und (4). 71 Herrmann, in: Frotscher/Geurts, EStG, § 19 EStG, Rn. 108. 72 Breinersdorfer, in: Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Band 13, § 19 EStG, C 18, C 24, C 96. 68 69
C. Umsatz- und Versicherungsteuer
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C. Umsatz- und Versicherungsteuer Weiterhin ist zu prüfen, ob Arbeitnehmersolidarkassen zu umsatz- oder versicherungsteuerrelevanten Sachverhalten führen.73 Streck schreibt in Bezug auf eine im Unternehmen entdeckte Sozialkasse, die von den Arbeitnehmern finanziert und vom Leiter der Personalabteilung verwaltet wird, die Arbeitnehmer erhielten mit ihrer Beitragsleistung einen Versicherungsanspruch auf Zahlung eines Sterbegeldes im Todesfall. Daher liege ein umsatzsteuerbarer Vorgang vor.74 Dem ist zu widersprechen. Die Arbeitnehmer erhalten, soweit nicht anderweitig geregelt, keinen rechtsverbindlichen Anspruch auf die Zahlung des Sterbegeldes.75 Soweit die Arbeitnehmer ausnahmsweise rechtsverbindliche Ansprüche haben, müsste ein Unternehmer entgeltliche Leistungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG anbieten.
I. Arbeitnehmer als Leistender gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG? Die Zahlung zum Beispiel des Sterbekassenbeitrags stellt keine Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG dar. Eine Leistung, die lediglich das Entgelt einer anderen Leistung ist, ohne dass der Entgeltleistende ein über die Entgeltzahlung hinausgehendes wirtschaftliches Eigeninteresse hat, ist keine umsatzsteuerbare Leistung.76 Daher kann der Beitrag allenfalls Entgelt für die Leistung des Sterbegeldes als umsatzsteuerbarer Vorgang sein. Der einzelne Arbeitnehmer bietet mit seiner Beitragszahlung auch keine entgeltliche Leistung als Unternehmer gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 UStG an. Das erfordert gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 UStG eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Wenn auch eine Gewinnerzielungsabsicht nicht notwendig ist, verlangt der BFH neben dem Merkmal der bestimmten Dauer und Wiederholung eine geschäftsmäßige Tätigkeit, die dem Einnahmenerwerb dient.77 Im Einzelfall ist zu fragen, ob aus dem Gesamtbild objektiver Kriterien auf eine in dieser Weise bestimmte Einnahmenerzielungsabsicht geschlossen werden kann.78 Die Beitragszahlung des Arbeitnehmers, um ein Sterbegeld zu erhalten, ist begrenzt auf eine einmalige Sterbefallleistung, wobei der Arbeitnehmer nicht „wie ein Händler“ auftritt. Schließlich spricht gegen eine Einnahmeabsicht, dass 73 Allgemein zu dem Problem der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von betrieblichen Sozialleistungen, die der Arbeitgeber an Arbeitnehmer erbringt Jacobs, Leistungen an Arbeitnehmer im System der harmonisierten Umsatzsteuer. Im Folgenden wird sich auf die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Arbeitnehmersolidarkassen beschränkt. 74 Streck, AG 2012, S. 34, S. 35. 75 Oben unter § 5: B. I. 76 BFH v. 31. 7. 1969, V R 94/65, BStBl. II 1969, S. 637, S. 638. 77 BFH v. 30. 7. 1986, V R 41/76, BStBl. II 86, S. 874, S. 875 f.; BFH v. 4. 6. 1987, V R 9/79, BStBl. II 87, S. 653 f. 78 Heidner, in: Bunjes, UStG, § 2 UStG, Rn. 61; BFH v. 24. 11. 1992, V R 8/89, BStBl. II 93, S. 379, S. 381 ff.
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§ 6 Einordnung in das Steuer- und Sozialversicherungsrecht
er handelt, um Kosten im Sterbefall zu decken. Das liegt auf der Linie der Rechtsprechung des EuGH, wenn dieser meint, die Einnahmeerzielung müsse nachhaltig sein.79
II. Die Sterbekasse als Leistender gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG? Zu fragen ist, ob die Sterbekasse selbst umsatzsteuerbare Tätigkeiten ausübt. Das kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Sterbekasse mit eigener Rechtspersönlichkeit, also als rechtsfähiger oder nichtrechtsfähiger Verein und nicht bloß als Zweckvermögen im Sinne des KStG besteht.80 Das Zweckvermögen selbst kann nicht leisten. Hier könnte jedoch der Treuhänder Leistender gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG sein. 1. Treuhandmodell Der Treuhänder, der über das Zweckvermögen verfügt, handelt gegenüber den Arbeitnehmern, die ihn beauftragt und bevollmächtigt haben, unentgeltlich. Damit erbringt der Treuhänder keine entgeltliche Leistung an die Arbeitnehmer als Treugeber. Gegenüber den Arbeitnehmern, den Hinterbliebenen, den Betriebsrentnern leistet der Treuhänder aber ebenfalls nicht entgeltlich, wenn er das Sterbegeld auszahlt, da er aus Sicht der Empfänger nicht für eigene Rechnung handelt, sondern nur zur Zahlung des Sterbegeldes aus dem vorhandenen Kassenvermögen. Das gilt regelmäßig auch dann, wenn der Arbeitgeber der Treuhänder ist. Mitunter hat er ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran, dass eine Sterbekasse für die Arbeitnehmer seines Betriebs besteht, zum Beispiel um seine Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern. Derartige Interessen mögen auch den Arbeitgeber veranlasst haben, als Treuhänder zu agieren. Dennoch sind seine Motive unerheblich, solange sie nicht zu einer Entgeltleistung an ihn führen, die hierfür Gegenleistung ist. Die Beitragszahlungen dienen aber dem Kassenvermögen und der Sterbegeldleistung. Solange ein Treuhänder für die Verwaltung der Kasse und die Auszahlung des Geldes kein Entgelt erhält, lässt sich nicht davon sprechen, dass die Leistung des Sterbegeldes entgeltlich erfolgt. Es fehlt am für § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG typischen Leistungsaustauch. Das wird sogleich unter 2. zusammen mit dem Vereinsmodell dargestellt. 2. Vereinsmodell Auch eine Arbeitnehmersolidarkasse, die als Sterbekassenverein besteht, bietet keine entgeltliche Sterbefallleistung an. Dafür spricht nicht so sehr, dass die Sterbekasse nur an ihre Mitglieder leistet. Grundsätzlich sollen Mitgliedsbeiträge an einen Verein kein Entgelt für Vereinsleistungen sein, wenn damit nur der 79 80
EuGH v. 26. 9. 1996, C-230/94, Slg. 1996, I-4517 ff. Dazu oben unter A. I. 2.
C. Umsatz- und Versicherungsteuer
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Satzungszweck gegenüber sämtlichen Mitgliedern erfüllt werden kann.81 Um Entgelt soll es sich allerdings handeln, wenn die Zahlungen der Mitglieder nur deren Individualinteressen dienen.82 Grundlage für die entgeltliche Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG bleibt jedoch in jedem Fall, dass ein Leistungsaustausch besteht. Der BFH verlangt, dass das Verhalten des Unternehmers darauf abzielt, eine Vergütung für die erbrachte Leistung zu erhalten.83 Daran fehlt es in der Regel bei der Arbeitnehmersolidarkasse. Prägend für eine solche Kasse ist die Solidarität der Arbeitnehmer, Mittel, insbesondere Geld, zu sammeln, um einander zu unterstützen. Das Ziel ist nicht der Einnahmenüberschuss, sondern die Verteilung des Vorhandenen zur Erreichung eines sozialen Zwecks. Die Leistung der Solidarkasse erfolgt nicht, um in Form der Beitragszahlung ein Entgelt zu erhalten. Vielmehr geht die Beitragszahlung der Solidarkassenleistung voraus, durch die nur verteilt wird, was vorher gesammelt worden ist. Das lässt sich nicht mehr als Leistungsaustauschverhältnis begreifen, bei dem sich Leistung und Gegenleistung gegenüberstehen. Der Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung lässt sich bei Mitgliedsbeiträgen an Vereine bejahen, sofern ausschließlich ein Individualinteresse des Mitglieds befriedigt wird. Dann stehen sich der Verein und das Mitglied aber auch als Leistender und Gegenleistender gegenüber. Die Sterbekasse bietet aber keine Leistung, die entgolten wird, sondern verteilt, wie gesagt, nur das Geld ihrer Mitglieder. Daher handelt es sich bei der Leistung (Sterbegeldzahlung) einer Sterbekasse als Arbeitnehmersolidarkasse nicht um eine entgeltliche Leistung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Außerdem tritt eine Arbeitnehmersolidarkasse nicht geschäftsmäßig auf dem Markt auf. Sie erfüllt regelmäßig die Voraussetzungen einer Innengesellschaft.84 Die Sterbekasse gewährt Zahlungen nur an ihre Mitglieder sowie an deren Angehörige, welche von ihnen Ansprüche ableiten, es gibt insofern keine Verfügungen über das Kassenvermögen an Dritte. Somit handelt der Sterbekassenverein auch nicht zur Erzielung von Einnahmen auf dem Markt, also nicht geschäftsmäßig; er tritt nicht „wie ein Händler auf“. Unternehmer gemäß § 2 Abs. 1 UStG ist aber nur jemand, der nach außen als solcher auftritt.85
BFH v. 4. 7. 1985, V R 107/76, BStBl. II 86, S. 153, S. 155. BFH v. 27. 7. 1995, V R 40/93, BStBl. II 95, S. 753, S. 754. Zum Beispiel entschieden für den Lohnsteuerhilfeverein; BFH v. 9. 5. 1974, V R 128/71, BStBl. II 74, S. 530, S. 531 f. 83 BFH v. 17. 12. 1981, V R 75/77, BStBl. II 82, S. 233, S. 234. 84 Zum Begriff der Innengesellschaft Timm/Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 BGB, Rn. 135 ff.; Ulmer, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 705 BGB, Rn. 305; Lubitz, in: Schwerdtfeger, Gesellschaftsrecht, Einleitung Kapitel 2, Rn. 10 f. 85 BFH v. 27. 5. 1982, V R 110 und 111/81, BStBl. II 82, S. 678, S. 679 f. 81
82
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III. Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 10a UStG Wer entgegen der hier vertretenen Auffassung zu einer Umsatzsteuerpflicht gelangt,86 muss eine Steuerbefreiung gemäß § 4 UStG prüfen. Für die Sterbekasse kommt eine solche gemäß § 4 Nr. 10a UStG in Betracht. Danach muss ein Versicherungsverhältnis im Sinne des VersStG vorliegen. § 2 Abs. 1 VersStG definiert den Versicherungsvertrag auch als eine Vereinbarung zwischen mehreren Personen oder Personenvereinigungen, solche Verluste oder Schäden gemeinsam zu tragen, die Gegenstand einer Versicherung sein können. Gerade bei Arbeitnehmersolidarkassen, die Arbeitnehmern bei Tod, Unfall und sonstigen Unglücksfällen helfen sollen, handelt es sich um Gegenstände einer Versicherung. Damit sind die Voraussetzungen an ein Versicherungsverhältnis erfüllt. Es muss kein Versicherungsunternehmen im Sinne des VAG vorliegen. Für die Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht ist es auch unerheblich, ob das im Rahmen des Versicherungsverhältnisses geleistete Entgelt von der Versicherungsteuer befreit ist (§ 4 Nr. 10a S. 2 UStG).
IV. Die Beitragszahlung an Arbeitnehmersolidarkassen als Versicherungsentgelt im Sinne des VersStG? 1. Steuerpflicht Gegenstand der Versicherungsteuer ist das Versicherungsentgelt gemäß § 1 Abs. 1 VersStG. Versicherungsentgelt ist gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 VerStG jede Leistung, die an den Versicherer für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses zu bewirken ist. Die dann folgende Aufzählung macht deutlich, dass unabhängig von der Bezeichnung jede Zahlung erfasst sein soll, die für die Versicherungsleistung notwendig ist. Auf ein Entgelt als synallagmatisch verbundene Gegenleistung der Versicherungsleistung kommt es nicht an.87 Das folgt auch daraus, dass zur Begründung eines Versicherungsvertrages gemäß § 2 Abs. 1 VersStG bereits die Abrede mehrerer Personen genügt, solche Verluste oder Schäden gemeinsam zu tragen, die den Gegenstand einer Versicherung bilden können. Dafür ist ausreichend, dass das Risiko eines Einzelnen, durch den Eintritt eines ungewissen Ereignisses Verluste oder Schäden zu erleiden, auf mehrere Personen verteilt wird.88 Bei dem Versicherer braucht es sich nicht um ein der Versicherungsaufsicht unterliegendes Versicherungsunternehmen handeln.89 Im Fall des § 2 Abs. 1 VersStG sind die durch Vereinbarung entstandene Personenmehrheit der Versicherer und die daran beteiligten Personen die Versicherungsnehmer.90 Streck, AG 2012, S. 34, S. 35. Insoweit fasst § 3 VersStG den Begriff des Versicherungsentgelts weiter als nach dem Versicherungsrecht; Welz, Steuern auf Versicherungsprämien, S. 18 m. w. N. 88 Bruschke, UVR 2009, S. 247, S. 248; Hicks, UVR 2005, S. 387 f. 89 BFH v. 29. 11. 2006, II R 78/04, BFH/NV 2007, S. 513. 90 Welz, Steuern auf Versicherungsprämien, S. 13. 86 So 87
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Damit gilt: Das von den Arbeitnehmern als Versicherte zur Durchführung der Arbeitnehmersolidarkasse aufgewendete Geld ist Gegenstand der Versicherungsteuer, sofern und soweit die Kasse Verluste und Schäden aus dem Eintritt eines ungewissen Ereignisses ausgleichen oder abmildern soll. Als versicherbare Risiken sind vor allem Tod, Unfall, Krankheit, Berufsunfähigkeit zu nennen.91 Der praktisch wichtigste Fall stellt auch an dieser Stelle die Sterbekasse dar. 2. Steuerbefreiung Gemäß § 4 Nr. 5 VersStG sind Leistungen an Versicherungen, die Leistungen im Fall des Erlebens, der Krankheit, der Pflegebedürftigkeit, der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder der verminderten Erwerbsfähigkeit, des Alters oder des Todes vorsehen, von der Besteuerung ausgenommen. Beiträge an Sterbekassen der Arbeitnehmer sind damit steuerfrei. Soweit Arbeitnehmersolidarkassen bei Eintritt anderer Risiken wie Unfällen eintreten sollen, die Gegenstand einer Versicherung sein können, gibt es keine entsprechenden Befreiungstatbestände. Hier unterliegt die Zahlung des Beitrags an eine solche Kasse der Versicherungsteuer. Eine Sonderfall entsteht, wenn eine Arbeitnehmersolidarkasse, beispielsweise eine „Freud und Leid Kasse“92, sowohl im Falle des Eintritts eines unbestimmten Ereignisses leistet, welches ein versicherbares Risiko im Sinne des Versicherungsteuergesetzes ist (vor allem Tod, Unfall, Krankheit), als auch bei freudigen Ereignissen (Geburt, Geburtstag, Hochzeit, Betriebsjubiläum etc.), die hiervon nicht erfasst werden. Sofern der Beitrag an eine solche Kasse der Finanzierung sämtlicher Ereignisse dient, bleibt der Finanzbehörde nur die Schätzung gemäß § 162 AO.93 3. Steuerschuldner und Steuerentrichtungsschuldner Gemäß § 7 Abs. 1, Abs. 2 VersStG ist der Versicherungsnehmer der Steuerschuldner, der Versicherer der Steuerentrichtungsschuldner. Das kann bei der Arbeitnehmersolidarkasse ein Verein, handelnd durch sein Organ sein, aber auch der Treuhänder, dem die Verfügungsmacht über das Kassenvermögen übertragen wurde. Handelt der Arbeitgeber als Treuhänder, etwa wenn er den für die Kasse bestimmten Beitrag vom Lohn einbehält und zu bestimmten Zwecken an die Arbeitnehmer auszahlen soll, dann ist er zur Entrichtung der Steuer verpflichtet. Für diese Pflicht kommt es also nicht darauf an, ob der Arbeitgeber eine Kasse als Sozialeinrichtung betreibt, ob eine autonome Arbeitnehmersolidarkasse besteht, ob er als Vorstand eines Vereins oder als Treuhänder handelt. 91 Vgl. zu den Risiken, die Gegenstand eines zivilrechtlichen Vertrages sein können, Teil 2 des VVG (§§ 100 ff. VVG). 92 Oben unter § 1: A. B. 93 Zu dem Anwendungsbereich und den Voraussetzungen der Schätzung Rüsken, in: Klein, AO, § 162 AO, Rn. 13 ff.
§ 7 Ergebnisse § 7 Ergebnisse
Der Begriff der Arbeitnehmersolidarkasse bezeichnet eine bestimmte Gestaltung sozialer Kassen im Betrieb, bei der sich Arbeitnehmer solidarisieren, um einen sozialen Zweck zu erreichen und bei der sie die Kasse zumindest teilweise finanzieren. Soziale Zwecke sind auf der einen Seite negative Ereignisse wie Unfall, Krankheit, Tod; auf der anderen Seite positive wie Betriebsjubiläen, Geburtstage, Geburten, Hochzeiten. Letztlich können die Arbeitnehmer jeden sozialen Zweck fördern, dem auch eine Sozialleistung des Arbeitgebers dienen könnte. Bei alledem verfolgt die Arbeitnehmersolidarkasse aber keinen wirtschaftlichen Zweck. Prägend ist der Gedanke der Solidarität der Arbeitnehmer. Geldvermögen kann durch Sammlung anlässlich eines konkreten Falls kurzfristig oder auch dauerhaft zur Erreichung längerfristiger Ziele entstehen. Das wichtigste Beispiel einer Arbeitnehmersolidarkasse bildet die Sterbekasse. Rechtlich sind Arbeitnehmersolidarkassen nicht hinreichend gewürdigt. Rechtlich und praktisch bedeutsam ist zunächst ihre Einordnung in das Betriebsverfassungsrecht. In der Betriebspraxis sind die Erscheinungsformen sozialer Kassen vielfältig (§ 1). Das führt zu dem Problem ihrer Einordnung in die Mitbestimmungstatbestände gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8, Nr. 10 und § 88 Nr. 2 BetrVG. Arbeitnehmersolidarkassen und Sozialeinrichtungen unterscheiden sich häufig nicht in ihrer sozialen Zwecksetzung oder nach dem durch sie begünstigten Personenkreis. Zudem beteiligen sich Arbeitgeber sowohl an Arbeitnehmersolidarkassen als auch Arbeitnehmer an Sozialeinrichtungen (§ 2: B. II.). Im Betriebsverfassungsrecht dient der Begriff der Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG dazu, mitbestimmungsrelevante Sachverhalte zu ermitteln. Es bedarf nicht eines Rechtsbegriffs der Arbeitnehmersolidarkasse, um Sachverhalte zu kennzeichnen, die nicht mitbestimmungspflichtig sind. Außerdem beschreibt das Phänomen Arbeitnehmersolidarkasse sowohl Fälle, die die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung erfüllen als auch solche, die arbeitnehmerautonom bestehen. Daher lässt sich begrifflich zwischen einer Sozialeinrichtung und einer arbeitnehmerautonomen Solidarkasse unterscheiden. Eine Sozialeinrichtung besteht, wenn ihre Sozialleistungen zumindest auch durch Sozialmittel des Arbeitgebers (Personal, Geld, Dienstleistung, Sachen) bedingt sind, die Sozialmittel zum Zweck der Erfüllung der Sozialleistungen in tatsächlicher Hinsicht und auf Dauer angelegt verselbständigt sind und der Arbeitgeber bei bestehender Verteilungsnotwendigkeit eine Verteilungsmacht in Bezug auf die Sozialmittel hat, würde es einen Betriebsrat nicht geben (§ 2: B. V.). Erst nach Errichtung der Sozialeinrichtung entsteht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Mitbestimmungsfrei bleiben daher die Entschei-
§ 7 Ergebnisse
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dungen des Arbeitgebers, welche Sozialleistungen er zu welchem sozialen Zweck gewährt. Weiterhin darf er autonom den begünstigten Personenkreis abstrakt festlegen und ob er die zur Zweckerreichung erforderlichen Mittel in tatsächlicher Hinsicht verselbständigen möchte. Die Inhalte einer solchen mitbestimmungsfreien Errichtung decken sich jedoch mit Inhalten der Entscheidung, eine Arbeitnehmersolidarkasse zu unterstützen. Anhand des Merkmals der Errichtung lässt sich damit eine Leistung von Mitteln an eine solche Kasse weder als Unterstützung einer autonomen Arbeitnehmersolidarkasse noch als Dotierung einer Sozialeinrichtung einordnen (§ 2: B. IV. 5.). Für das Bestehen einer Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ist nicht entscheidend, wer die Kasse gründet, einrichtet, verwaltet oder in sie einzahlt (§ 2: B. IV.). Auch aus der Tatsache, dass Arbeitgeber und Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung geschlossen haben, in der sie eine Kasse gestalten, folgt nicht das Bestehen einer Sozialeinrichtung. Eine Betriebsvereinbarung kann nur wirksam sein, wenn eine Regelungsbefugnis gegeben ist. Soll diese auf § 87 Abs. 1 Nr. 8 oder § 88 Nr. 2 BetrVG gestützt werden, müssen die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung erfüllt sein. Die Betriebsparteien können den Rechtsbegriff „Sozialeinrichtung“ nicht gestalten (§ 2: B. IV. 2.). Damit ist eine soziale Kasse auch nicht deshalb dem Arbeitgeber als Sozialeinrichtung zuzuordnen, weil die Betriebsparteien vorsehen, dass jeder Arbeitnehmer „automatisch“ mit Eintritt in das Arbeitsverhältnis Mitglied der Kasse wird und zur Beitragszahlung verpflichtet ist. Solche Klauseln sind unwirksam. Arbeitnehmer können nicht zur Mitgliedschaft in einem Rechtssubjekt gezwungen werden. Außerdem stellen solche Klauseln unwirksame Lohnverwendungsabreden dar (§ 2: B. IV. 3.). Die Einordnung einer Einrichtung als Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber im Ganzen oder in Teilen die Einrichtung finanziert. Geldmittel sind neben den Personal- und Sachmitteln sowie Dienstleistungen nur eine Variante einer Sozialleistung (Mittelneutralität der Mitbestimmung bei Sozialleistungen). Der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Umfang an Sozialmitteln ist für die Mitbestimmung nach dem BetrVG ebenfalls unerheblich (§ 2: B. IV. 4.). Sinn und Zweck der systematisch als Einheit zu betrachtenden Mitbestimmungsrechte in § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG ist, eine „gerechte“ Mittelverteilung durch Mitbestimmung zu gewähren, wenn der Arbeitgeber Sozialleistungen erbringt. Damit eine Arbeitnehmersolidarkasse Sozialeinrichtung sein kann, muss der soziale Vorteil, den die Arbeitnehmer von ihr erlangen, zumindest auch auf der Leistung von Mitteln des Arbeitgebers beruhen. Eine autonome Arbeitnehmersolidarkasse erbringt keine Sozialleistungen des Arbeitgebers. Maßgeblich für die Einordnung einer Arbeitgeberleistung als mitbestimmungsrelevante Sozialleistung ist ihr Ursprung beim Arbeitgeber, mit dem sich sein Verteilungswille verbindet, den Arbeitnehmern anlässlich ihres Arbeitsverhältnisses einen sozialen Vorteil zu gewähren. Eine außerhalb der arbeitsvertraglich determinierte Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehende Macht des Arbeitge-
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§ 7 Ergebnisse
bers, etwa als Vorstand eines Sterbekassenvereins, Mittel verteilen zu können, genügt alleine nicht zur Erfüllung des Mitbestimmungstatbestandes gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, wenn keine Sozialleistungen des Arbeitgebers zu verteilen sind. Es gibt keine Mitbestimmung per se für Mittelverteilungen an Arbeitnehmer. Anknüpfungspunkt der Mitbestimmung ist nicht das Erhalten von Sozialleistungen auf Arbeitnehmerseite, sondern die Arbeitgeberentscheidung, soziale Leistungen anlässlich des Arbeitsverhältnisses zu erbringen. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG kann aber nicht dadurch umgangen werden, dass die Arbeitnehmer autonom eine Kasse gründen, die der Arbeitgeber anschließend unterstützt. Auch die Mitgliedschaft der Arbeitnehmer in einer Kasse macht eine Mitbestimmung nicht entbehrlich (§ 2: B. V. 1.). Solidarkassen, die durch eine spontane Geldsammlung der Arbeitnehmer und nur für den Einzelfall entstehen, sind keine Sozialeinrichtungen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Das gesammelte Vermögen wird hier nicht zur Erreichung eines sozialen Zwecks auf Dauer angelegt. Gibt der Arbeitgeber einen Zuschuss, ist auch kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG begründet, da es am Kollektivbezug der Leistung fehlt [§ 2: D. V. 2. a)]. Die Anforderungen an das Erfordernis einer selbständigen und auf Dauer angelegten Gesamtheit von Sozialmitteln sind nicht hoch. In der Regel erfüllen auf Dauer gegründete Arbeitnehmersolidarkassen deren Voraussetzungen. Allein schon das gesammelte Geldvermögen ist in tatsächlicher Hinsicht überwiegend vom übrigen Betriebsvermögen getrennt (§ 2: B. V. 2.). Das entscheidende Kriterium zur Beantwortung der Frage, ob eine Arbeitnehmersolidarkasse als Sozialeinrichtung besteht, ist die Verteilungsmacht des Arbeitgebers. Diese Voraussetzung, insbesondere ihr Bezug zur Arbeitgebersozialleistung, wird in der Literatur meist vernachlässigt, wenn sie den Begriff der Sozialeinrichtung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG definiert. Ausgehend von Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, Verteilungsgerechtigkeit und Teilhabe sicherzustellen, muss der Arbeitgeber die per Mitbestimmung zu kontrollierenden Entscheidungsprozesse beeinflussen können. Dabei genügt aber nicht irgendeine Regelungsmacht, notwendig ist eine solche in seiner Position als Arbeitgeber. Das bedeutet: Er muss die Verteilung der Sozialleistungen mit Mitteln des Arbeitsvertrags – Gesamtzusage, vertragliche Einheitsregelung, Direktionsrecht – vornehmen können. Das BetrVG gebietet nämlich Schutz und Teilhabe nur vor und an der Arbeitgeberentscheidung. Das Wesen einer Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG liegt in der Verteilung von Sozialleistungen auf Grund einer privatautonom getroffenen Entscheidung des Arbeitgebers, Mittel für einen sozialen Zweck zu verselbständigen, um Sozialleistungen zu erbringen. Dann soll die Ausübung des Mitbestimmungsrechts eine „gerechte“ Mittelverteilung sicherstellen [§ 2: B. V. 3. a) und b)] Die Verteilungsmacht ist nicht danach zu beurteilen, ob ein Einfluss auf die bereits zivilrechtlich selbständig errichtete Einrichtung besteht oder auf eine solche noch zu gründende Einrichtung bestehen soll, sondern konsequent auf den
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Zeitpunkt zu beziehen, in dem der Arbeitgeber eine Einrichtung errichtet im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Damit ist auch belanglos, ob der Einfluss auf die Einrichtung – nach welchem Maß auch immer – erheblich ist oder ob die Arbeitnehmer allein über die Mittelverteilung bestimmen können. Zu diesem Zeitpunkt ist die Mitbestimmungsfrage zu spät gestellt. Man befindet sich bereits im Bereich einer etwaigen Mitbestimmungsausübung. Das die Mitbestimmung auslösende Moment ist nicht eine arbeitgeberseitige Entscheidungskompetenz in einer Einrichtung, sondern der Zeitpunkt davor, in dem der Arbeitgeber eine Sozialeinrichtung errichtet hat. In der zwingenden Mitbestimmungsordnung des BetrVG ist es ihm nicht möglich, sich eines Einflusses auf die Verteilung einer Sozialleistung dadurch zu entledigen, dass er den Arbeitnehmern zu einer Alleinbestimmungsmacht über die Mittelverteilung verhilft. Sobald der Arbeitgeber Mittel für einen sozialen Zweck an Arbeitnehmer gewähren möchte, entsteht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 oder Nr. 10 BetrVG. Die Anwendung der ersten Regelung ist abhängig von der Verselbständigung der Sozialmittel [§ 2: B. V. 3. b) bis e)]. Der Entscheidung des Arbeitgebers, in welchem Umfang er Mittel für einen sozialen Zweck an Arbeitnehmer gewährt, folgt der Umfang des Mitbestimmungsrechts gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 oder Nr. 10 BetrVG. In die Arbeitnehmerautonomie darf nicht eingegriffen werden. Demgemäß wird eine autonome Arbeitnehmersolidarkasse Sozialeinrichtung, wenn und soweit sie Sozialleistungen des Arbeitgebers verteilt. Ihr Charakter als Sozialeinrichtung endet, wenn der Arbeitgeber keine zu verteilenden Sozialmittel mehr an sie erbringt und die bereits eingebrachten Sozialmittel verbraucht sind. Damit besteht auch dann ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, wenn der Arbeitgeber eine autonom durch die Arbeitnehmer gegründete Kasse durch Sozialmittel unterstützt. Sofern er seine Mittel dadurch verselbständigen will, dass er sie an die Kasse leistet, folgt das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Beabsichtigt der Arbeitgeber eine Verselbständigung nicht, etwa wenn er eine Sterbekasse der Arbeitnehmer fördert, indem er bei Auszahlung des Sterbegeldes im Sterbefall einen Beitrag aus dem laufenden Betriebsvermögen direkt an den Begünstigten leisten will, besteht ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die Kasse der Arbeitnehmer bleibt dann eine autonome Solidarkasse [§ 2: B. V. 3. e) bb) (2)]. Sofern der Arbeitgeber die Leistung von Sozialmitteln an eine Arbeitnehmersolidarkasse als Sozialeinrichtung einstellt, bleibt dadurch zwar die rechtlich selbständige Einrichtung bestehen. Sobald sie aber keine Sozialleistungen des Arbeitgebers mehr erbringt, wandelt sie sich zur autonomen Arbeitnehmersolidarkasse. Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber durch Beteiligung in den Entscheidungsgremien der Einrichtung noch die Mittelverteilung beeinflussen kann. Eine autonome Arbeitnehmersolidarkasse wird auch nicht Sozialeinrichtung, wenn der Arbeitgeber Rechte an ihr erhält oder einrichtungsintern die Verteilung der Mittel bestimmt, solange sie keine Sozialleistungen von ihm verteilt [§ 2: B. V. 3. c)].
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Besteht keine mitbestimmungsrelevante Arbeitgeberentscheidung, Sozialleistungen zu erbringen, können die Arbeitnehmer Solidarkassen selbstbestimmt errichten und betreiben. Insoweit ist der Betriebsrat sachlich nicht zuständig. Diese Grundsätze sind auch dann zu beachten, wenn der Arbeitgeber Mittel an autonom errichtete Kassen der Arbeitnehmer gewährt. Der Betriebsrat kann nicht erreichen, dass die Mittel der Arbeitnehmer, die sie selbst gesammelt haben, nach seinen Vorstellungen verteilt werden. Einwirken darf er nur auf die Verteilung der Mittel, deren Verteilungsnotwendigkeit auf einer Entscheidung des Arbeitgebers beruht und welche dieser ansonsten ohne Beteiligung des Betriebsrats verteilen könnte. Die mittels Betriebsvereinbarung bestimmten Regeln der Verteilung solcher Mittel muss der Arbeitgeber gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG umsetzen. Er muss dann diejenige Gestaltung der Arbeitnehmersolidarkasse versuchen zu erreichen, die eine Verteilung gemäß der Betriebsvereinbarung sicherstellt. Dafür muss der Arbeitgeber entsprechend auf die Kasse einwirken können. Die Arbeitnehmer entscheiden aber autonom, ob sie eine der Betriebsvereinbarung entsprechende Verteilungsordnung zulassen wollen. Dann wandelt sich die autonome Arbeitnehmersolidarkasse in eine Sozialeinrichtung. Entscheidungen innerhalb der Einrichtung, die die Verteilung der Arbeitgebermittel nicht betreffen, bleiben autonom. Häufig führt die Mitbestimmung mittelbar dazu, sofern eine Änderung der Verteilung innerhalb der Kasse Voraussetzung für die Arbeitgeberleistung ist, dass auch der Teil des arbeitnehmerfinanzierten Vermögens nach denselben Grundsätzen zu verteilen ist. Die Zahlung beispielsweise des Sterbegeldes in einem Betrag zerfällt nicht in einen arbeitgeber- und einen arbeitnehmerfinanzierten Teil [§ 2: B. V. 3. e) bb) (2) (c)]. Die Verteilungsmacht des Arbeitgebers kann sich nicht nur in Bezug auf eigene Sozialmittel ergeben. Oft unterstellen die Arbeitnehmer selbst aufgewendete Mittel einer durch den Arbeitgeber für sie fremdbestimmten Verteilungsordnung. Dann ist der Betriebsrat ebenfalls gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 oder Nr. 10 BetrVG zu beteiligen, sofern in der Leistung an sie ein Vorteil enthalten ist, der auch durch den Einsatz von Sozialmitteln des Arbeitgebers bedingt ist [§ 2: B. V. 3. e) cc) (1) bis (3)]. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 oder Nr. 10 BetrVG setzt schließlich voraus, dass eine Verteilungsnotwendigkeit besteht. Finanzieren Arbeitnehmer eine Kasse alleine, ohne dass eine arbeitgeberbestimmte Verteilungsordnung besteht, und unterstützt der Arbeitgeber die Kasse, indem er personelle Mittel einsetzt oder selbst Dienstleistungen erbringt, kann dies zwar zu einem sozialen Vorteil auf Arbeitnehmerseite führen. Derartige Leistungen können aber nicht verteilt, sondern nur erbracht oder nicht erbracht werden, sodass eine Beteiligung des Betriebsrats ausscheidet [§ 2: B. V. 3. e) cc) (4)]. Eine Arbeitnehmersolidarkasse, deren Vermögen vom übrigen Betriebsvermögen verselbständigt ist, ist nur dann keine Sozialeinrichtung im Sinne der §§ 87 Abs. 1 Nr. 8, 88 Nr. 2 BetrVG, wenn sie ausschließlich durch die Arbeitnehmer finanziert wird und auch sonst keine Leistungen des Arbeitgebers bestehen, die die Sozialleistung zu Gunsten der Arbeitnehmer beeinflussen oder zwar einen po-
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sitiven Einfluss auf die Höhe der Solidarleistung haben, aber nicht verteilt werden können. Dann erbringt die Arbeitnehmersolidarkasse keine Sozialleistungen des Arbeitgebers. Etwas anderes gilt allerdings dann, soweit die Arbeitnehmer ihre selbst aufgewendeten Mittel einer vom Arbeitgeber bestimmten Verteilungsordnung unterstellt haben. Eine finanzielle Unterstützung einer Arbeitnehmersolidarkasse, die mitbestimmungsrechtlich irrelevant sein soll, gibt es nicht. Beispielhaft sind für die Sterbekasse als Hauptanwendungsfall der Arbeitnehmersolidarkasse in der Praxis die wichtigsten Fallgruppen erarbeitet worden, gemäß derer eine Einordnung in die Mitbestimmung nach dem BetrVG ermöglicht wird (§ 2: C.). Aus der Einordnung einer Arbeitnehmersolidarkasse in die Mitbestimmungstatbestände des BetrVG ergeben sich Folgen für die Reichweite der Mitbestimmungsausübung. Eine Regelungsbefugnis der Betriebsparteien kann sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 8, Nr. 10 BetrVG oder § 88 Nr. 2 BetrVG ergeben. In deren Rahmen dürfen sie mittels Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede Arbeitnehmersolidarkassen gestalten. Unwirksam ist die Regelung einer heteronomen Mitgliedschaft einschließlich einer Beitragspflicht der Arbeitnehmer. Diese müssen privatautonom entscheiden können, ob sie Mitglied einer Arbeitnehmersolidarkasse werden wollen. Die Betriebsvereinbarung selbst führt nicht zu der Errichtung einer Sozialeinrichtung, weder einer rechtlich noch einer tatsächlich selbständigen. Ansprüche der Arbeitnehmer auf Sterbegeldzahlung können nicht gemäß § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG normativ begründet werden. Im Rahmen der Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG dürfen die Betriebsparteien auch leitende Angestellte, Betriebsrentner und nahe Angehörige des Arbeitnehmers als Begünstigte einer Arbeitnehmersolidarkasse bedenken (§ 2: D. I. und II. 1. bis 3.). Sofern eine Prüfung ergibt, dass eine Sozialkasse arbeitnehmerautonom besteht, handelt der dennoch regelnde Betriebsrat außerhalb seiner Befugnisse. Er ist rechtlich nicht in der Lage, eine solche Kasse zu errichten, zu verwalten oder sonst zu gestalten, er kann auch nicht Zuordnungssubjekt des Kassenvermögens sein. Im Einzelfall ist aber zu prüfen, ob ein Betriebsratsmitglied unzulässig in dieser Eigenschaft oder zulässig als Einzelperson, also nicht in Ausübung seines Amtes oder organschaftlicher Aufgaben, handelt. Regelmäßig lässt sich das tatsächliche und rechtsgeschäftliche Handeln eines Betriebsratsmitglieds seiner Eigenschaft als Einzelperson zuordnen. Innerhalb des übertragenen Wirkungskreises, vor allem wenn die Arbeitnehmersolidarkasse als Sozialeinrichtung besteht, kann der Betriebsrat eine Kasse zulässig verwalten, wenn diese rechtlich unselbständig ist und dem Arbeitgeber zugeordnet bleibt. Daraus folgt aber nicht, dass er Rechtsträger der Kasse wird. Er ist nur Zuordnungssubjekt des Kassenvermögens. Nur soweit es zur Verwaltung der Kasse geboten ist, darf er über dieses Vermögen als Betriebsrat verfügen. Insoweit ist er auch rechtsfähig. Ein Verstoß gegen § 41 BetrVG besteht nicht (§ 2: D. II. 4.).
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Arbeitnehmersolidarkassen erfüllen in aller Regel nicht die Voraussetzungen der betrieblichen Altersversorgung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG. Abgesehen von Sterbe- und Invaliditätskassen fehlt es bereits an einem biologischen Ereignis. Sterbe- und Invaliditätskassen dienen als Arbeitnehmersolidarkassen nicht der Versorgung im Alter, sondern nur der Abmilderung finanzieller Lasten in einer akuten Notsituation. Jedenfalls fehlt es in der Regel an einer Versorgungszusage des Arbeitgebers. Selbst wenn er eine Kasse finanziell unterstützt, verpflichtet er sich darüber hinaus nicht, auch für den arbeitnehmerfinanzierten Teil haften zu wollen. Eine Haftung des Arbeitgebers gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG analog kommt nicht in Betracht (§ 3). Arbeitnehmersolidarkassen betreiben regelmäßig auch kein versicherungsaufsichtspflichtiges Geschäft gemäß § 1 Abs. 1 VAG (§ 4). Bürgerlich-rechtlich bestehen Arbeitnehmersolidarkassen entweder als BGB-Gesellschaften, eingetragene oder nicht rechtsfähige Vereine oder als rechtsgeschäftliche Treuhand. Bei Spontansammlungen entstehen typische BGB-Gesellschaften als Gelegenheitsgesellschaften. Auf Dauer angelegte Arbeitnehmersolidarkassen erfüllen häufig die Voraussetzungen eines nichtrechtsfähigen Vereins gemäß § 54 BGB – wenn auch nur konkludent gegründet –, der sich als Idealverein gemäß § 21 BGB ins Vereinsregister eintragen lassen kann. Ein Betriebsrat kann nicht selbst Rechtsträger einer Arbeitnehmersolidarkasse sein. Besteht diese als Sozialeinrichtung, folgt zwar aus dem Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG die Möglichkeit der Verwaltung der Kasse. Dies erfordert aber nicht, dass der Betriebsrat Rechtsträger der Kasse ist. Verbleibt die Kasse der Autonomie der Arbeitnehmer, ist er sachlich nicht zuständig. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob der Betriebsrat kompetenzwidrig gehandelt hat oder sich nicht ergibt, dass mehrere oder einzelne Betriebsratsmitglieder als natürliche Personen ohne Amtsbezug tätig sind und beispielsweise konkludent einen nichtwirtschaftlichen Verein gegründet haben oder Treuhänder der Arbeitnehmer sind. Sofern eine Kasse rechtlich unselbständig dem Arbeitgeber zugeordnet wird, fehlt es an den Gründungsvoraussetzungen eines Vereins. Der Arbeitgeber als Rechtsträger der Kasse unterliegt aber der Zweckbindung des Vermögens und ist damit Treuhänder. Die Mitwirkung von Arbeitgeber oder Betriebsrat an einer Arbeitnehmersolidarkasse ändert nichts daran, dass einschlägige bürgerlich-rechtliche Normen zu beachten sind. So bedarf vor allem die Zweckänderung oder die Auflösung einer bestehenden Arbeitnehmersolidarkasse der Mitwirkung der Kassenmitglieder (§ 5: A.). Der Ausschluss eines Anspruchs auf Zahlung des Sterbegeldes ist regelmäßig in der Weise auszulegen, dass durch ihn nur eine Inanspruchnahme der Kasse verhindert wird, wenn ihr Vermögen zur Sterbegeldleistung nicht ausreicht. Ist die Kasse solvent, muss sie trotz Anspruchsausschlusses an den Begünstigten leisten. Ist der Anspruch auf Sterbegeldleistung für den Fall, dass das Vermögen nicht ausreicht, nicht ausdrücklich ausgeschlossen, ergibt sich ein solcher Ausschluss konkludent aus dem Kassenzweck und den Interessen der Mitglieder. Vorstehende Ausführungen gelten sowohl im Fall der autonomen Arbeitnehmersolidarkasse als auch, wenn eine Sozialeinrichtung besteht (§ 5: B. I.).
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Wird in einem Betrieb eine Arbeitnehmersolidarkasse entdeckt, möchten die Betriebsparteien diese häufig fortführen und neu gestalten. Ein diesbezügliches erzwingbares Mitbestimmungsrecht folgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, wenn die Kasse die Voraussetzungen einer Sozialeinrichtung erfüllt. Auf arbeitnehmerautonome Kassen können die Betriebsparteien dagegen nicht einwirken. Es besteht aber die Möglichkeit, dass die autonome Kasse Sozialeinrichtung wird. Es ist stets zu bedenken, dass eine Betriebsvereinbarung nicht unmittelbar bürgerlich-rechtlich errichtete Rechtssubjekte und bestehende Treuhandverhältnisse verändern kann. Letztlich können Regeln der Verteilungspraxis nur durch die Mitglieder des Vereins, durch den Treuhänder, wenn es im Rahmen der Zweckbestimmung liegt, ansonsten durch die Treugeber, geändert werden (§ 5: B. II.). Eine Einordnung von Arbeitnehmersolidarkassen in das Steuer- und Sozialversicherungsrecht hat gezeigt: Arbeitnehmersolidarkassen sind der Steuerpflicht nach dem Körperschaftsteuergesetz unterliegende Rechtssubjekte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 5 1. Var. und 4. Var. KStG. Sofern die Kasse nicht als Verein besteht, erfüllt sie in der Regel die Voraussetzungen eines Zweckvermögens. Die Arbeitnehmersolidarkasse ist jedoch gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 KStG analog steuerbefreit (§ 6: A.). Einkommensteuer- und beitragsrechtlich gelten die auch sonst für Sozialleistungen des Arbeitgebers einschlägigen Regeln. Sozialleistungen, die er über Arbeitnehmersolidarkassen erbringt, sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG, § 19 EStG als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu versteuern und gemäß § 14 SGB IV als Arbeitsentgelt zu verbeitragen, soweit keine Ausnahmen greifen, wie etwa, dass durch sie lediglich die Art und Weise der Arbeitsleistung angenehmer gestaltet werden soll oder die Leistung einem überwiegenden Interesse des Arbeitgebers dient (§ 6: B. I.). Am Beispiel der Sterbekasse ist gezeigt worden, dass Leistungen des Arbeitgebers, die er während der Einzahlungsphase an die Arbeitnehmer erbringt, noch keinen steuer- und beitragsrechtlich relevanten Zufluss von Arbeitseinkommen darstellen. Abhängig davon, ob die Arbeitnehmer die Leistungen einer Sterbekasse allein finanzieren oder gemeinsam mit dem Arbeitgeber, sowie, wer der Begünstigte der Zahlung ist, können die Leistungen in der Auszahlungsphase steuerbar und zu verbeitragen sein (im Einzelnen § 6: B. II.). Leistungen im Zusammenhang mit Arbeitnehmersolidarkassen begründen keinen umsatzsteuerbaren Vorgang. Zum einen ist weder der Arbeitnehmer noch die Kasse Leistender gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Zum anderen besteht unabhängig davon eine Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 10a UStG (§ 6: C. I. bis III.). Beitragsleistungen der Arbeitnehmer an eine Arbeitnehmersolidarkasse können eine Steuerpflicht nach dem VersStG begründen. Vor allem Zahlungen an Sterbekassen sind aber gemäß § 4 Nr. 5 VersStG von der Besteuerung ausgenommen (§ 6: C. IV.).
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Sachwortregister Sachwortregister
Aktiengesellschaft 161 Anwartschaften 164 Arbeitnehmerautonomie 139 ff. Arbeitnehmersolidarität 19 ff. Arbeitnehmersolidarkasse – als Gegenstand der Untersuchung 39 ff. – als Sozialeinrichtung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG 46 ff., 49 ff., 52 ff., 68 ff., 108 ff. siehe auch Sozialeinrichtung – als Sozialeinrichtung gem. § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG 59 ff. – autonome Arbeitnehmersolidarkasse (Begriff 42), 72 f., 112 f., 128, 134, 138 ff., 145, 148, 151, 155, 173 ff., 177 ff. – Begünstigte 24, 51 f. – Finanzierung 92 ff., 98, 108 ff. – Gestaltung durch Betriebsvereinbarung 152 f., 180 f. – Rechtsform 172 ff. – sozialversicherungsrechtliche Verbeitragung 191 ff. – Steuerbarkeit Kassenvermögen 182 ff. Bedarfsdeckung 166 Betriebliche Altersversorgung 85 ff., 142 f., 161 ff., 178, 189, 194 – Biologisches Ereignis 163 f. – Direktversicherung 161 f. – Durchführungswege 161 f. – Entgeltumwandlung 85 ff., 142 f., 162 f., 167 – Finanzierung 142 f. – Invalidität 164, 166 – Krankheit 164, 166 – Mitbestimmung Betriebsrat 142 f. – mittelbare 161, 167
– Pensionsfonds 162 – Pensionskasse 161 f. – Sozialmittel 90 ff., 108 ff., 135 ff. – Versicherungsaufsicht 169 ff. – Verwaltung durch Betriebsrat 153 ff. – unmittelbare 161 f. – Unterstützungskasse 162 – Valutaverhältnis 163 – Versorgungsanspruch 167 – Versorgungsleistung 162 – Versorgungsträger 161 – Versorgungszusage 161 ff. Betriebsabsprache 154 Betriebskantine 53 ff., 94 ff., 101 f., 141, 185 ff. Betriebsrat – Alleinverwaltung Sozialeinrichtung 63, 128, 185 ff. – Betriebsratsumlage 155 – funktionelle Zuständigkeit 139, 174 – Handlungs- und Regelungskompetenz 151 ff., 173 ff. – Rechtsfähigkeit 153 ff., 185 – Rechtsträgerschaft 174 – Vermögensfähigkeit 153 ff., 186 – Verwaltung Arbeitnehmersolidarkasse 153 ff., 158 f., 173 ff., 185 ff. Betriebsratsmitglied 156 ff. – Handeln als Betriebsratsmitglied 156 ff., 174 f. Betriebsratsumlage 155 Betriebsrentengesetz 161 ff. Betriebsvereinbarung – als Indiz für das Bestehen einer Sozialeinrichtung 69 ff.
222
Sachwortregister
– – – – – –
Bindungswirkung 127 f. Durchführungspflicht 153 Entgeltumwandlung 86 Errichtung Sozialeinrichtung 70 ff. freiwillige 70 ff., 146 Gestaltung Arbeitnehmersolidarkasse 152 f., 180 f. – personelle Zuständigkeit 51, 152 f. – Regelungsbefugnis 69 ff., 139 ff., 146 – Restgültigkeit 151 – teilmitbestimmte 152 – Umsetzungspflicht 127, 140, 149 BGB-Gesellschaft 134, 172 Dienstvereinbarung 131 Direktionsrecht 152 Einheitsregelung 152 Einkommensteuer 190 ff. – Abgeleitete Hinterbliebenenleistung 197 – Annehmlichkeiten 191 – Auszahlungsphase 195 ff. – Betriebsausgabe 190 – Einkünfte 190 f., 195, 199 – Einkünfteerzielungsabsicht 196 – Einzahlungsphase 193 ff. – Ertragsbesteuerung 196 – Erwerbsersatzeinkommen 197 – Lohnsteuerabzug 199 – Sonderausgaben 193 – Sterbegeldzahlung als steuerbarer Zufluss 193 ff. – überwiegendes Eigeninteresse 191 – Vermögenseinkommen 197 – Vorsorgeraufwendungen 193 – Versorgungsfreibetrag 199 f. – Werbungskosten 192 f. Erfüllung 152 Erstattungsanspruch 154 Fitnessraum 140
Freud und Leid Kassen 26 Funktionsfähigkeit Betriebsrat
156
Gefahrenübernahmeverträge 169 ff. Gelegenheitsgesellschaft 172 Gesamtzusage 163 Geschäft für den es angeht 156 Gesellschaftliche Angelegenheiten 155 Gesetzliche Rentenversicherung 165 Gesetzliches Schuldverhältnis 154 Gewerbe 171 GmbH 162 Günstigkeitsprinzip 87 ff. Insolvenzsicherung 164, 166 Kaffeekasse 108 Kapitalabfindungen 165 f. Kapitalleistungen 165 f. Kapitalzusage 165 Kasse 23 Kollegialorgan 154 Körperschaftsteuer 182 ff. – Arbeitnehmersolidarkassen als Vereine 182 – Arbeitnehmersolidarkassen als Zweckvermögen 182 ff. – Einnahmenprivilegierung 188 f. – Steuerbefreiung 187 ff. – Steuerpflicht 182 ff. – Versicherungstypprivilegierung 189 Lebensversicherung 161 Lohnverwendungsabrede 75 ff., 85 ff., 89 Materielle Arbeitsbedingungen 81 f., 96 f. Mitbestimmungsausübung 125 ff., 141 – organschaftlich 128 f., 131, 133, 149 – zweistufig 127, 131, 133, 137, 149 Mitbestimmungsgegenstand 125 ff. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats – Annexkompetenz 77 ff. – Arbeitnehmersolidarkasse siehe Arbeitnehmersolidarkasse
Sachwortregister – Betriebliche Altersversorgung 142 f., 163 – Binnenschranken 79 ff. – freiwillige Mitbestimmung gem. § 88 Nr. 2 BetrVG 70 ff., 77 ff., 151 – Schutz und Teilhabe 66 f., 110 f. – Selbsthilfeeinrichtung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG 28 f. – Sinn und Zweck 66 ff. – Sozialeinrichtung siehe Sozialeinrichtung – Sterbekasse siehe Sterbekasse – Verteilungsgerechtigkeit 67 f., 108, 110 f., 118, 123, 138, 144, 147 Mitbestimmungsrechte des Personalrats – Arbeitnehmersolidarkasse gem. § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG 59 ff., 130 ff. – Selbsthilfeeinrichtung gem. § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG 30 f., 123 Mitgliedschaft in Arbeitnehmersolidarkassen 74 ff., 126 – autonome 90 – heteronome 75 ff., 151 f. – Mitbestimmung 126 Notgemeinschaften
26
Opting-Out-Klauseln 85 ff. Pensionsverein auf Gegenseitigkeit 162 Personalrat – Alleinverwaltung Sozialeinrichtung 62 ff., 131 Privatvorsorge 165 Rechtsformzwänge 172 Regelungsabrede 146, 158 Rentenversicherung 166 Risikoübernahme 169 Ruhestand 165 Selbsthilfeeinrichtung 27 ff. – Abgrenzung zur Sozialeinrichtung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG 28 f. – Abgrenzung zur Sozialeinrichtung gem. § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG 30 f.
223
– bei § 2 ArbGG 32 – Privatisierungsrecht Deutsche Bahn und Deutsche Post 33 ff. Sittliche Pflicht 155 Solidarkasse 20 ff. – Arten 27 – Begriff 22 f. – sozialer Zweck 20 ff. – Sozialmittel 21 Soziale Kassen 19 ff. Sozialeinrichtung – Arbeitgebersozialleistungen 108 ff., 135 ff. – Begriff gem. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG 46 ff., 108 ff. – Betriebsbezug 50 f. – Einflussnahme der Dienststelle 59 ff., 130 ff. – Einflussnahme des Arbeitgebers 64 ff., 105 ff., 111 ff., 128 ff. – Errichtung 70 ff., 99 ff., 115 f., 126 ff., 137 – Finanzierung 56 f., 65, 90 ff., 98, 108 ff., 139 – Initiativrecht 68 f. – Kosten 76 ff. – Mitgliedschaft siehe Mitgliedschaft in Arbeitnehmersolidarkassen – Organisation 48 f., 120 ff. – Rechtssubjektivität 121 – sozialer Vorteil 57, 91 ff., 111, 116 ff. – sozialer Zweck 49 f. – Sterbekasse siehe Sterbekasse – Unterstützung 57, 102 ff., 125, 127 – Verhältnis § 87 Abs. 1 Nr. 8 zu Nr. 10 BetrVG 47 f., 72, 100 f., 118, 121 f., 126, 136 ff., 146 ff. – Verselbständigung der Sozialmittel 120 ff. – Verteilungsmacht des Arbeitgebers 123 ff. – Verteilungsnotwendigkeit 144
224
Sachwortregister
– zweckgebundenes Sondervermögen 46 f., 122 Sozialkasse 23 Sozialmittel 21, 90 ff. Sozialversicherungsrechtliche Verbeitragung 190 ff. – Arbeitsentgelt 191 f. – Auszahlungsphase 195 ff. – Einzahlungsphase 193 ff. – Entstehungsprinzip 192 – Sozialversicherungsentgeltverordnung 191 f. – Sterbegeldzahlung als zu verbeitragender Zufluss 193 ff. – Zuflussprinzip 192 Spontansammlung 120 Sterbegeldversicherung 166 Sterbekasse – als Arbeitgebersozialkasse 23 f. – als Arbeitnehmersolidarkasse 24 ff., 144 ff., 177 ff. – als autonome Arbeitnehmersolidarkasse siehe Arbeitnehmersolidarkasse – als Sozialeinrichtung 94, 96 f., 108 ff., 133 ff., 143, 144 ff., 179 f. siehe auch Sozialeinrichtung – Anspruch auf Sterbegeldzahlung 176 ff. – Auslegung Anspruchsausschluss 176 ff. – Begriff 23 ff. – Begünstigte 24, 51 f. – Fallgruppen 144 ff. – Mitbestimmung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG 55 ff., 92, 96 f., 108 ff., 131 ff., 143, 144 ff. – Mitbestimmung gem. § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG 59 ff. – Versicherungsaufsicht 169 ff. Tarifvorbehalt 87 ff. Treuhand 110, 113, 172, 175 f., 183 f. Umlageverbot 155, 160
Umsatzsteuer 200 ff. – entgeltliche Leistungen 200 ff. – geschäftsmäßige Tätigkeit 200 – Gewinnerzielungsabsicht 200 – Steuerbefreiung 203 – Treuhandmodell 204 – Vereinsmodell 205 f. Unterstützungseinrichtungen 170 Verein 134 ff., 172 ff. – Beendigung 176 – Binnenverhältnis 173 – eingetragener 162, 172 – Gründung 173 ff. – Mitwirkung Mitglieder 176 – nichtrechtsfähiger 170, 172 ff., 176 – Vorstand 173 – Wirtschaftlichkeit 173 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 82 ff. Vermögensbeteiligung 165 Versicherte 169 Versicherungsaufsicht 169 ff., 187 f. Versicherungsaufsichtspflicht 170 Versicherungsgeschäft 166, 169 ff. Versicherungsleistung 170 Versicherungsteuer 200, 203 f. – Steuerbefreiung 204 – Steuerentrichtungsschuldner 204 – Steuerpflicht 203 f. – Steuerschuldner 204 – Versicherungsentgelt 203 f. Versicherungsunternehmen 169 ff. Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit 161, 166, 187 f. Versicherungsvertrag 171 Versicherungsvertragsgesetz 171 Vertreter ohne Vertretungsmacht 156 Wirkungskreis
154 ff.
Zuordnungssubjekt 154, 159