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German Pages 262 Year 1989
WALTER PAULY
Anfechtbarkeit und Verbindlichkeit von Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 568
Anfechtbarkeit und Verbindlichkeit von Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung
Von Dr. Walter Pauly
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« Duncker & Humblot · Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Pauly, Walter: Anfechtbarkeit und Verbindlichkeit von Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung / von Walter Pauly. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1989 (Schriften zum Öffentlichen Recht; Bd. 568) Zugl.: Bonn, Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-06735-5 NE: GT
A l l e Rechte vorbehalten © 1989 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Berliner Büchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-06735-5
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Sommersemester 1989 als Dissertation angenommen. Sie ist in den Jahren 1987 und 1988 entstanden. Die Hinweise auf Rechtsprechung und Schrifttum befinden sich auf dem Stand vom 1. Juni 1989. Meinem Lehrer, Herrn Professor Dr. Bernhard Schlink, danke ich herzlich für seine umfassende Förderung und seinen überlegenen Rat. Herrn Professor Dr. Jost Pietzcker bin ich wegen mancher Anregung verpflichtet, die er als Zweitgutachter gegeben hat. Mein Dank gilt auch den Herren Professoren Dr. Josef Isensee und Dr. Christian Graf von Pestalozza, aus deren Seminaren ich in meiner Doktorandenzeit in Bonn bzw. Berlin erheblichen Nutzen ziehen konnte. Frau Ulla Held und die Herren Peter Dieners und Karl-Josef Stöhr, Kollegen am Institut für Öffentliches Recht der Universität Bonn bzw. am Institut für Staatslehre, Staats- und Verwaltungsrecht der Freien Universität Berlin, haben die Arbeit kritisch gelesen und mit fruchtbaren Gesprächen begleitet. Ihnen fühle ich mich besonders verbunden. Dankbar bin ich außerdem der Konrad-Adenauer-Stiftung, die diese Arbeit durch die Gewährung eines Promotionsstipendiums großzügig gefördert hat, sowie Herrn Rechtsanwalt Norbert Simon für ihre Aufnahme in das Verlagsprogramm von Duncker & Humblot. Die Arbeit ist meinen Eltern gewidmet. Berlin, Sommer 1989
W. P.
Inhaltsverzeichnis 1.
Problemexposition und Abriß der Gedankenführung
9
2.
Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
16
2.1.
Interpretationsansätze und Interpretationsprobleme
16
2.1.1.
Einführung
16
2.1.2.
Position und Kritik der herrschenden Lehre
19
2.1.3.
Ertrag der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
31
2.2.
Staatsrechtliche Auftragsverwaltung in Verfassungsgeschichte und Verfassungsgenese
34
Die Entwicklung bis zum Ende der Weimarer Republik
36
2.2.1.
2.2.1.1. Spätkonstitutionalismus
36
2.2.1.2. Weimarer Reichsverfassung
46
2.2.2.
Auslegungsertrag der Genese
56
2.2.3.
Die Essenz des historischen und genetischen Befundes
67
2.3.
Der Faktor „Staatlichkeit der Länder"
69
2.4.
Neufundierung der Länderposition in Art. 30 GG
80
3.
Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
97
3.1.
Begriff und Voraussetzungen subjektiver öffentlicher Rechte und insbesondere solcher auf Kompetenz 101
3.1.1.
Dogmengeschichte des Spätkonstitutionalismus
102
3.1.2.
Positionen und Begriffe in der Weimarer Diskussion
120
3.1.3.
Stand der Forschung und Kriterienauswahl
125
3.2.
Rechtszuweisung an die Länder
136
3.2.1.
Wortaussage und Systematik des Art. 30 GG
136
3.2.2.
Bundesstaatliche Kontrastierung qua vertikaler Gewaltenteilung
140
3.2.2.1. Spätkonstitutionelle Lehren
140
8
Inhaltsverzeichnis
3.2.2.2. Staatsrechtliche Lehren der Weimarer Zeit
157
3.2.2.3. Ergebnisse und Konsequenzen der neueren Diskussion
169
4.
Das subjektive öffentliche Recht der Länder im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis 179
4.1.
Problemexposition und denkbare Einwände
179
4.2.
Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
183
4.2.1.
Weisungen und Selbstverwaltungsgarantie im Kommunalrecht
183
4.2.2.
Grundrechte und Weisungen im Beamtenrecht
200
4.2.3.
Grundrechte und rechtswidrige Eingriffsakte
209
4.3.
Die normative Zuordnung von Art. 30 und 85 Abs. 3 GG
222
4.4.
Anfechtbarkeit und Verbindlichkeit von Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung 233
5.
Ergebnis der Untersuchung
Literaturverzeichnis
239
240
1. Problemexposition und Abriß der Gedankenführung Selbst wenn Rechtswissenschaft und Rechtspraxis um die Unrechtmäßigkeit eines staatlichen Tuns wissen, ist damit noch nicht dessen judizielle Korrektur gesichert. Die Rechtsordnung kann mit Rechtswidrigkeiten ihrer Organe leben und fehlerhafte Rechtsakte in der Wirklichkeit stehen lassen. Kontrollund Korrekturverfahren darf in der Regel nur der auslösen, den der rechtswidrige A k t in subjektiven Rechten trifft. Das subjektive Recht ist dabei Chiffre für die Zuweisung einer wehrfähigen Rechtsposition durch die Rechtsordnung an ein Rechtssubjekt. Folgerichtig ist die Diskussion darüber, ob die Länder rechtswidrige oder von ihnen für rechtswidrig erachtete Weisungen des Bundes in der Bundesauftragsverwaltung korrigieren bzw. kontrollieren lassen können, eine Diskussion um die Rechtsstellung der Länder in der Bundesauftragsverwaltung. Ist sie stark genug, den Bund auf die Schiene der Legalität zwingen zu können, oder ist sie so schwach, daß Rechtsauffassungen der Länder in der Bundesauftragsverwaltung dem Bund nur ein Rat sind? Mit Stärke und Stellung der Länder in der Bundesauftragsverwaltung wird zugleich etwas ausgesagt über Stärke und Stellung der Länder im grundgesetzlich verfaßten Bundesstaat. Weist er mit der Bundesauftragsverwaltung Züge einheitsstaatlicher Staatsräson gegenüber seinen Untergliederungen auf, oder bleibt er auch in dieser Verwaltungsform ein Bundesstaat mit verbindlichen vertikalen Zuständigkeitsgrenzen, rechtlich definierten Bundesingerenzen und einer gewaltenteilenden Kontrastierung von Bund und Ländern, die den Kampf um die Rechtmäßigkeit in der Bundesauftragsverwaltung so selbstverständlich zuläßt und fordert, wie sie ihn um „die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht" 1 mit dem Grundgesetz und sonst „bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes . . . , insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht" 2 eröffnet? Die verfassungsrechtliche Fragestellung trifft auf eine politische Lage, die weniger tagespolitisch ist, als in der Tagespolitik ephemere Einkleidungen für einen sich erst ausbildenden Typus politischen Streits findet. Nicht neu, sondern repräsentativ für politische Streitigkeiten und Streitformen in der Bundesrepublik ist daran, daß der Streit seine vorgesehene Fortsetzung im Verfassungsrecht findet. Die Lage ist neu. Länder zeigen sich gegenüber Bundesweisungen nicht länger politisch indolent. Lange haben sie mit Gleichmut die 1 2
Vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG. Vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG.
10
1. Problemexposition und Abriß der Gedankenführung
praktisch jedes atomrechtliche Genehmigungsverfahren begleitenden Einzelweisungen3 hingenommen und den Bundesverkehrsminister unbehelligt seinem weisungsrechtlichen Alltagsgeschäft 4 nachgehen lassen. Grund dafür war die kaum begründete, aber auch kaum begründet angefochtene herrschende Rechtsauffassung, den Ländern fehle ein entsprechendes Abwehrrecht. Bundesstaatliche Kooperation und informeller Dialog im Vorfeld von Entscheidungen haben hier nicht, weil auch in anderen Bereichen nicht, den gerichtlichen Streit zwischen Bund und Ländern erübrigt. Auch Bundesfreundlichkeit als Gebot des Verfassungsrechts hat hier nicht den Streit verhindert, denn anderswo ist sie auch nur Streitpunkt und Streithelfer gewesen.5 Die dissentierenden Länder bescheiden sich nun auch nicht mit der Rolle des Weisungsopfers, das im eigenen politischen Lager auf die umfassende Unterworfenheit unter den Bund hinweist und den Bund mit seinen vorzeigbaren, ihm womöglich abgetrotzten Weisungen vorführt. Statt dessen kündigten sie in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre immer ernster den ersten Weisungsrechtsstreit in der Bundesauftragsverwaltung an; 6 seit November 1988 ist ein entsprechendes Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig.7 Die aufkommende Renitenz nehmen die bundespolitischen Dissenter unter den Ländern aus dem erwachenden Bewußtsein, doch eine eigene verfassungsrechtliche und zur Weisungsabwehr geeignete Position innezuhaben. Katalysierend wirkt, daß derzeit im Kreise der bundesdeutschen Regierungen zwei politische Strömungen fundamental auseinandertriften und der Spaltkeil zum Gutteil auf den Feldern der Bundesauftragsverwaltung ansetzt: umweltpolitisch motiviert in den Fragen von Erhaltung und Ausbau des Bundesfernstraßennetzes und der Kernenergienutzung. Das ist die Lage, was daran aber Typus? 3
Dazu Ronellenfttsch, Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, S. 292 und Wagner, DVB1 1987, S. 917. Vgl. auch BVerfGE 53, 30/42 und Feuchte, in: Jeserich u.a. (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 5, S. 128. 4 Dazu die in ihrem zweiten Teil verwaltungskundliche Untersuchung von Wolst, Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform, S. 119. 5 Das belegt die Häufigkeit der Bezugnahme auf die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten in den Schriftsätzen der Länder im Rahmen verfassungsgerichtlicher Streitigkeiten. Vgl. als Auswahl BVerfGE 12, 205/217 f.; 13, 54/62; 21, 312/315; 43, 291/333; 72, 330/373. 6 Zum Verlauf des Streites zwischen dem Bund und der Hessischen Landesregierung um die Hanauer Nuklearbetriebe vgl. Tschentscher, Inhalt und Schranken des Weisungsrechts des Bundes aus Art. 85 I I I GG, S. 2 ff.; zum Konflikt zwischen dem Bund und Nordrhein-Westfalen um den Schnellen Brüter in Kalkar vgl. F A Z v. 5. 10. 1987, Nr. 230, S. 1; F A Z v. 8. 7. 1988, Nr. 156, S. 4 und F A Z v. 8. 11. 1988, Nr. 261, S. 5; zur Lage hinsichtlich der Kernkraftnutzung in Schleswig-Holstein vgl. Die Zeit v. 26. 8. 1988, Nr. 35, S. 16. 7 Nach Auskunft der Geschäftsstelle des zweiten Senats ist seit November 1988 ein Bund/Länder-Streitverfahren unter dem Aktenzeichen 2 BvG 1/88 anhängig, in dem sich die Landesregierung Nordrhein-Westfalen gegen eine Bundesweisung in Sachen Schneller Brüter Kalkar wendet. Das Land beruft sich juristisch unter anderem auf Art. 30 und 85 GG.
1. Problemexposition und Abriß der Gedankenführung
Politik kennt Typen der Auseinandersetzung. Klassisch ist der Konflikt von Regierung und Parlament. Bundesstaatlichkeit fügt der Politik Konflikttypen hinzu. Einer davon ist der auftragsrechtliche Weisungsstreit, der ein Streit von Regierungen um administrative Angelegenheiten ist. In ihm wird der zugrundeliegende administrative Konflikt zwischen Instanzen ausgetragen, denen zur Konfliktbewältigung kein gemeinsames parlamentarisches Forum zur Verfügung steht. Jede Seite unterliegt zwar den parlamentarischen Kontrollen und Einwirkungen ihrer Ebene, aber der eigentliche Streit kann nur von den möglicherweise parlamentarisch konditionierten - Regierungen geführt werden. Sie führen ihn politisch um die sachliche Richtigkeit des Weisungsinhaltes und gegebenenfalls juristisch um die Weisungsgrenzen. Der Umstand, daß die Verfassung ein Weisungsverhältnis installiert hat, das dem Bund, solange er die Weisungsgrenzen achtet, das letzte Wort sichert, beendet die politische Diskussion nicht. Selbst dann, wenn eine juristisch korrekte Weisung Länderpositionen jede Erfolgsaussicht raubt, kann für die Länder dennoch das Aufzeigen einer Alternative politisch lohnen. Trotz der Hierarchie können die Länder Grund haben, Kontrastpositionen zu beziehen. Das liegt teils an dem ihnen eigenen Machterhaltungs- und Machtgewinnungsinteresse, teils an Stellvertreterfunktionen für bundespolitische Opposition und teils an ihrer eigenen demokratischen Legitimation. Daß sich die Länder mit Bundesweisungen kritisch auseinandersetzen, obwohl diese nach Form, Inhalt und Zeitpunkt primär Sache des Bundes sind, ist zunächst politisch begründet. Bundesweisungen schränken den Handlungsspielraum der Landespolitik ein und verschaffen einer bestimmten Bundespolitik Vorrang vor einer bestimmten Landespolitik. Das ist für die Länder Grund genug, sich mit der zu Bundesweisungen geronnenen Bundespolitik zu beschäftigen. Der Zusammenhang von Bundes- und Landespolitik kann aber noch genereller gefaßt werden: Weil Landespolitik von Bundespolitik betroffen wird, weil sie zunehmend Bundespolitik mitbetreibt, weil Landtagswahlkämpfe verstärkt mit bundespolitischen Themen besetzt werden und durch diese sogar entschieden werden können, sind die Politikbereiche für die Regierungen nicht mehr sauber zu trennen. Politisch nehmen beide föderalen Seiten Stellung zum Gesamtkomplex der Einzelpolitiken und als Regierungen tun sie dies immer mit dem Gewicht ihrer hauseigenen demokratischen Legitimation. Für die rechtliche Beurteilung ist eine politische Praxis keine feste Vorgabe. Demokratisches Prestige von Regierungen kann nicht Kompetenzordnungen sprengen, und in juristisch ausspielbaren Weisungshierarchien kann ein Streit schnell erledigt werden. Wie weit Weisungshierarchien ausgespielt oder nicht ausgespielt werden können und dürfen, also wie weit das bundesstaatliche Pluriversum politischer Entscheidungszentralen im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis erhalten wird, und inwieweit es zusammenbricht, ist und bleibt eine Rechtsfrage. Dennoch kann bei der anstehenden Rechtsfindung die bundes-
12
1. Problemexposition und Abriß der Gedankenführung
staatspolitische Dimension des auftragsrechtlichen Weisungsstreites nicht apriori ausgeblendet werden. Vielleicht findet sie ein bundesstaatsrechtliches Korrelat. Solche Sensibilisierung hat allerdings für die Rechtsarbeit dort keinen Wert, wo die Verfassung klar spricht. Daß Ermessensfragen in der Bundesauftragsverwaltung vom Bund letztverbindlich entschieden werden können und dürfen, steht in der Verfassung. Daß umstrittene Rechtsfragen einer für die Länder unangreifbaren Bundesentscheidung unterliegen, findet sich aber nicht ausdrücklich im Grundgesetz ausgesprochen. Umgekehrt sagt das Grundgesetz aber auch nicht explizit, daß die Länder sich vor Gerichten die Legalität von Weisungen des Bundes erstreiten können, obgleich der Bund diese Legalität nach dem Grundgesetz nicht ohne die hochgradige Mitwirkung der Länder produzieren kann 8 , und die sie auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüfen lassen können. 9 Die juristische Lösung liegt nicht auf der Hand. Die juristische Aufrüstung einer der föderalen Seiten kann daher keinesfalls ohne detaillierte juristische Aufklärung erfolgen. Die juristische Untersuchung hat es mit mehreren Fragen zu tun. Zentral ist die Frage, ob den Ländern ein Abwehrrecht gegen rechtswidrige Bundesweisungen zusteht. Ein hierzu gefundenes positives Ergebnis stellt Anschlußfragen. Welche Verbindlichkeit kommt den Weisungen des Bundes trotz Rechtswidrigkeit oder des Verdachts der Rechtswidrigkeit zu? Wie kann der Bund die Befolgung verbindlicher Weisungen durchsetzen? Vor welchen Gerichten und in welchen Verfahren kann von den Ländern gegebenenfalls Rechtsschutz erlangt werden? Antipoden in der einschlägigen literarischen Diskussion 10 bilden die Auffassungen von Steinberg und Winter. Steinberg will den Ländern gegen rechtswidrige Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung nur dann Rechtsschutz gewähren, „wenn der Bund ohne das Vorliegen der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen Weisungen erteilt hat", insbesondere dann, „wenn der Gegenstand der Weisung außerhalb der Auftragsverwaltung liegt oder eine Auftragsverwaltung in den Fällen der fakultativen Auftragsverwaltung . . . nicht wirksam begründet worden ist." 1 1 Keinen Rechtsschutz will Steinberg den Ländern dann gewähren, wenn sie den Inhalt einer Bundesweisung als unvereinbar mit einfachem Recht erachten und mit dem Bund um die der 8
Über den Bundesrat wirken die Länder an der Bundesgesetzgebung und an dem Erlaß von Rechtsverordungen mit (Art. 50, 77, 80 Abs. 2 GG). 9 Vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG. 10 Vgl. Ost / Pelzer, atomwirtschaft 1979, S. 22 ff.; Steinberg A ö R Bd. 110 (1985), S. 419 ff.; Winter DVB1 1985, S. 993 ff.; Lange, NJW 1986, S. 2461 und 2465; Wagner, NJW 1987, S. 417 ff.; ders., DVB1 1987, S. 917 ff.; Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 85 Randnr. 52 f. (1987); ders., BayVBl 1987, S. 321; Tschentscher, Inhalt und Schranken des Weisungsrechts des Bundes aus Artikel 85 I I I GG, besonders S. 363 ff. und Ossenbühl, Der Staat Bd. 28 (1989), S. 31 ff. Die einzelnen Positionen kommen im Laufe der Darstellung zu Wort. 11 Steinberg, ebd. S. 439 f.
1. Problemexposition und Abriß der Gedankenführung
Weisung zugrundeliegende Auslegung des einfachen Rechts streiten. 12 Verfassungsgerichtlichen Schutz gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG könnten sie in diesem Fall nicht erhalten, weil der Streit nicht einem materiellen Verfassungsrechtsverhältnis entspringe und nicht um gegenseitige subjektive öffentliche Rechte geführt werde. 13 Verwaltungsgerichtlicher Schutz scheitere an einem eigenen Recht der Länder. Das Fehlen des erforderlichen Rechts auf Kompetenz wird nur knapp begründet. Mache der Bund von seinem Weisungsrecht Gebrauch, nehme er den Landesbehörden ihre anfängliche Wahrnehmungsbefugnis und entziehe ihnen damit den Boden für eigene Rechte. 14 Warum den Ländern in der Bundesauftragsverwaltung nur entziehbare Wahrnehmungszuständigkeiten zukommen sollen, wie deren Entzug zu konstruieren ist und auf welcher normativen Grundlage er beruht, sagt Steinberg nicht. Er beruft sich auf eine „ganz h . A . " 1 5 zur Dogmatik der subjektiven Rechte auf Kompetenz und auf die herrschende Konstruktion des Rechtsverhältnisses von Bund und Ländern in der Bundesauftragsverwaltung. Beiden Berufungen geht die Abhandlung nach; der ersten, wenn Abschnitt 3 nach der Existenz eines subjektiven öffentlichen Rechts der Länder auf Kompetenz fragt, der zweiten, wenn es Kapitel 2.1 unternimmt, die herrschende Dogmatik der Bundesauftragsverwaltung nachzuzeichnen. Winter, Steinbergs Widersacher, eröffnet den Ländern umfassende Abwehrmöglichkeiten gegen rechtswidrige Weisungen. Die Auffassung wird einmal mit der Annahme einer modalen Begrenzung der Bundesauftragsverwaltung begründet: Bundesauftragsverwaltung und Weisungen in ihr erstreckten „sich nur auf rechtmäßiges Handeln des Landes, nicht auch auf rechtswidriges." 16 Diese Restriktionsthese wird von Winter aber nicht weiter ausgewiesen. Wie sie bleibt auch Winters zweites Argument für eine umfassende Anfechtbarkeit ohne vertiefte Begründung. Der Autor beruft sich auf ein „Denken von den Ländern her, das in Art. 30 und 83 GG vorgeschrieben" 17 werde; die föderale Strukturierung des Bundes verbiete „es anzunehmen, daß sich die Länder rechtswidrige Weisungen gefallen lassen und rechtsschutzlos ausführen müßten." 18 Warum und inwieweit Art. 30 und 83 GG ein „Denken von den Ländern her" fordern, bleibt offen. Ein Abwehrrecht der Länder gegen rechtswidrige Weisungen ist mit der pauschalen Berufung auf Art. 30 und 83 GG nicht gefunden. Es ist eine bisher noch nicht geleistete Arbeit und wichtige Aufgabe der Abhandlung, nach einem entsprechenden Abwehrrecht der Länder zu forschen. 12 13 14 15 16 17 18
Steinberg, ebd. S. 446. Steinberg, ebd. S. 441 f. Steinberg, ebd. S. 443. Steinberg, ebd. Winter, DVB1 1985, S. 996. Winter, ebd. S. 997. Winter, ebd.
14
1. Problemexposition und Abriß der Gedankenführung
Die Suche nach einem Abwehrrecht der Länder erfolgt durch Analyse von Verfassungsnormen und ihrer Systematik. Sollte das Abwehrrecht nicht in Art. 85 GG selber und auch nicht in Art. 83 GG stecken, so bliebe dennoch Art. 30 GG. Aber kann er überhaupt in der Bundesauftragsverwaltung auf den Plan gerufen werden, oder ist der Rückgriff auf ihn zur Sicherung einer eigenständigen Stellung der Länder in der Bundesauftragsverwaltung verwehrt? Das untersucht Abschnitt 2., der alte Verständnisse von Auftragsverwaltung sowie vertretene Modelle des Zusammenspiels der Art. 30, 83, 84 und 85 GG zurückweist. Er bricht mit einer Systematik der genannten Verfassungsnormen, die Art. 30 GG in der Verwaltungsform des Art. 85 GG an den Rand spielt, indem sie ihn hinter Art. 83 GG versteckt und so nicht zur Geltung kommen läßt. Kapitel 2.1. zeigt, daß die herrschende Zuordnung der verfassungsrechtlichen Zentralnormen konstruktiv unrichtig ist; Kapitel 2.2. kann erweisen, daß die herrschende Lehre von historischen Teilwahrheiten über Auftragsverwaltung lebt und Feinheiten des genetischen Ursprungs der Bundesauftragsverwaltung übersieht. Das historisch-genetische Kapitel weist auf eine staatsrechtliche, die Staatsqualität der Länder einbeziehende Konstruktion der Länderposition in der Bundesauftragsverwaltung hin. Bevor mit dem Faktor Länderstaatlichkeit aber etwas gewonnen werden kann, rekonstruiert ihn Kapitel 2.3. normativ und findet ihn in Art. 30 GG wieder. Wie Art. 30 GG in die zitierte Normenkette einzugliedern ist, und wie die Normenkette richtigerweise nur aussehen kann, erklärt Kapitel 2.4., das alle relevanten Zuordnungsmöglichkeiten der involvierten Normen durchleuchtet. Dabei wird sich Art. 30 GG als Zentralnorm für die Länderstellung in der Verwaltungsform des Art. 85 GG erweisen. Den subjektivrechtlichen Gehalt von Art. 30 GG beweist dann Abschnitt 3. Er analysiert in Kapitel 3.1. Möglichkeit und Voraussetzungen subjektiver Rechte und subjektiver Rechte auf Kompetenz, dogmengeschichtlich und dogmatisch, erkennt subjektive Rechte als Ergebnisse von Rechtszuweisungen, beschreibt ihre Diagnostizierung als die Ermittlung von Zuweisungsgehalten und findet für eine solche Zuweisung an die Länder neben anderen Kriterien ein hartes Kriterium in der vertikalen Gewaltenteilung im Bundesstaat. Im Kapitel 3.2. wird die Rechtszuweisung an die Länder Thema, Kapitel 3.2.2. zeichnet den gewaltenteiligen Gehalt von Bundesstaatlichkeit dogmengeschichtlich nach und entfaltet darauf aufbauend Schutzbereich und Eingriffssicherung des Art. 30 GG. Das Art. 30 GG abgewonnene subjektive Recht der Länder wird im Abschnitt 4. in das auftragsrechtliche Weisungsverhältnis eingesetzt. Ein wichtiger Schritt ist dabei die Analyse des Umganges mit subjektiven öffentlichen Rechten in anderen Weisungsverhältnissen (Kapitel 4.2.). In diesem Kapitel werden der Eingriffscharakter von Weisungen im Kommunal- und Beamtenrecht sowie Rechtmäßigkeitsanforderungen an Eingriffsakte untersucht. Dabei wird sich unter Bestätigung der Elfes-Dogmatik des Bundesverfassungsgerichts 19 zeigen, daß bei den in den Grundrechten und Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Ingerenz-
1. Problemexposition und Abriß der Gedankenführung
formen strenge Rechtmäßigkeitsanforderungen mitgedacht sind. Eingreifende und Eingriffe tragende Gesetze müssen verfassungsrechtlich einwandfrei sein; Eingriffsakte müssen dem Gesetz entsprechen. Kapitel 4.3. wird ergeben, daß auch im Weisungsbegriff des Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG strenge Rechtmäßigkeitsanforderungen mitgedacht sind. Die Übertragung von Elfes-Dogmatik auf Art. 30 und 85 GG wird sich als konsequentes Fortdenken der auf gewiesenen vertikalen Gewaltenteilung im Bundesstaat erweisen. Auf diese Weise wird ein Abwehrrecht der Länder gegen rechtswidrige Bundesweisungen gewonnen. Seine verfahrensrechtliche Bedeutung zu untersuchen, unternimmt Kapitel 4.4.
19 Den Namen gibt das Elfes-Urteil (BVerfGE 6, 32 ff.). In diesem Urteil wurden Rechtmäßigkeitsanforderungen an gesetzliche Eingriffsakte gestellt, die BVerfGE 9, 83/88 auf alle eingreifenden Staatsakte ausgeweitet hat. Damit hat das Bundesverfassungsgericht einer Dogmatik den Weg geöffnet, nach der jeder den Vorrang des Gesetzes verletzende Eingriffsakt eine Grundrechtsverletzung darstellt. Der subjektiv-rechtliche Gehalt der Grundrechte richtet sich damit auch auf die Wahrung der Legalität im Eingriffsbereich. Dazu und zu der nur verfassungsprozessualen Restriktionsformel „spezifisches Verfassungsrecht" vgl. zusammenfassend Pieroth / Schlink, Die Grundrechte, Randnr. 1281 ff.
2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform 2.1. Interpretationsansätze und Interpretationsprobleme 2.1.1. Einführung A r t . 85 G G hat sich in den Jahren seiner Geltung viele Interpretationen gefallen lassen müssen. 1 D i e Untersuchung zeigt an ihnen insoweit Interesse, als sie R o l l e , Eigenart und Abhängigkeit der Länder i n der durch  r t . 85 G G ausgestalteten Verwaltungsform eruieren u n d konstruieren. D e n n w i l l ein L a n d dem B u n d i n der Bundesauftragsverwaltung Stirn bieten, kann es das nur gemäß u n d i n den Grenzen der Positionen, die A r t . 85 G G i h m zumißt, sei es, daß er sie dem L a n d erst einräumt, sei es, daß er sie dem L a n d beläßt. 1 In der Literatur findet sich die Deutung der Bundesauftragsverwaltung als reine Bundesverwaltung bei Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen der Gemeinschaftsaufgaben, S. 139 ff., als Bundesverwaltung, die durch Landesbehörden ausgeübt wird ( = mittelbare Bundesverwaltung, nicht Organleihe) bei v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Art. 85 Anm. 2 und Dehmel, Übertragener Wirkungskreis, Auftragsangelegenheiten und Pflichtaufgaben nach Weisung, S. 74, als gemeinsame Verwaltung von Bund und Ländern bei Schäfer, D Ö V 1960, S. 646 und als echte Landesverwaltung. Das letzte Verständnis ist das der herrschenden Meinung; vgl. etwa Badura, Bundesverwaltung, in: Herzog u.a. (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, Bd. I, Sp. 370; ders., Staatsrecht, G 27 f.; Bettermann, M D R 1956, S. 605; Bull, in: Kommentar zum Grundgesetz (Reihe Alternativkommentare), Art. 85 Randnr. 4; Bushart, ZRP 1988, S. 211; J. Ipsen, Staatsorganisationsrecht, S. 174 f.; Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Art. 85 Randnr. 5 (1987); Maunz, FS Boorberg-Verlag, S. 97; Maunz-Zippelius, Deutsches Staatsrecht, S. 285; Vogel, in: Benda u.a. (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, S. 843. Unter den Autoren, die die Bundesauftragsverwaltung als echte Landesverwaltung qualifizieren, ist umstritten, ob die Länder trotz ihrer eigenen und selbständigen Verwaltungskompetenz nicht dennoch Bundesaufgaben erfüllen. So Bartlsperger, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 85 Randnr. 50 (1969); Fuchs, „Beauftragte" in der öffentlichen Verwaltung, S. 93; Groß, Die Haftung der Länder in der Auftragsverwaltung, S. 36 u. 44; Kölble, Entwicklung der Bundesaufgaben und ihre Finanzierung im Hinblick auf das Grundgesetz, S. 44; Köttgen, JöR N. F. Bd. 3 (1954), S. 92 u. ders., JöR N. F. Bd. 11 (1962), S. 241; v. Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. I I I , Art. 85 Anm. 4; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I I , S. 808 (mißverständlicherweise sprechen Stern, ebd., und v. Mangoldt / Klein, ebd. Anm. 2a) dennoch von der Bundesauftragsverwaltung als einem „Mittelding zwischen landeseigener und bundeseigener Verwaltung"); Tiemann, Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern in verfassungsrechtlicher Sicht, S. 85; Wolst, Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform, S. 47 und 52 ff.; aus der Rechtsprechung vgl. BVerwGE 52, 226/229; 62, 342/344; BVerwG N V w Z 1983, S. 471; Β G H Z 16, 95/99 f. (unter „Berichtigung" von B G H Z 4, 264) und B G H Z 73, 1/2 f.; a. A . B A G E 13, 45/52: „Wenn . . . bestimmt ist, daß die Länder . . . im Auftrage des Bundes verwalten, so bedeutet dies, daß die Länder hier eine eigene Verwaltungsaufgabe selbständig zu erfüllen haben,
2.1. Interpretationsansätze und Interpretationsprobleme
17
Es wäre so, daß A r t . 85 G G den Ländern erst eine Stellung i n der Bundesauftragsverwaltung zusprechen müßte, wenn ihnen nicht schon aus anderen Vorschriften eine solche zukäme, die A r t . 85 G G ihnen dann nur noch nehmen könnte. D i e herrschende L e h r e 2 zur staatsrechtlichen Auftragsverwaltung unter dem Grundgesetz hat die Fundierung der Länderstellung außerhalb von A r t . 85 G G gesucht, i n A r t . 83 u n d 30 G G gefunden u n d das den Ländern dort Gesicherte auch i m K o n t e x t des A r t . 85 G G weitgehend erhalten. A n g e b o t e n hätte sich auch eine Vorgehensweise, die unmittelbar i n A r t . 85 G G ansetzte u n d versuchte, aus seinem Normtextbestandteil „ i m Auftrage des Bundes", gedeutet i m Lichte der Genese und angereichert durch Strukturelemente historischer oder geltender Formen von Auftragsverwaltung, Bestimmungen für H ä r t e u n d D i g n i t ä t der Länderposition zu treffen. Das war das Verfahren, m i t dessen H i l f e die frühe Literatur die Bundesauftragsverwaltung entweder als reine, für den einen unmittelbare, für den anderen mittelbare Bundesverwaltung charakterisierte
oder als gemeinsame V e r w a l t u n g von
B u n d u n d Ländern i n u n d m i t diversen Schattierungen zeichnete oder schließlich als echte Landesverwaltung ansetzte. 3 D i e normative Detailausgestaltung, wobei dem Bund lediglich eine verstärkte Einwirkungsmöglichkeit eingeräumt ist"; vgl. auch BVerwGE 12, 253/254: „Auch kann keine Rede davon sein, daß die Länder ,fremde Geschäfte' besorgen. Die Länder haben ihre Zuständigkeit vielmehr als selbständige Glieder des Bundesstaates." Nicht eindeutig zuzuordnen sind V G H München DVB1 1962, S. 341 und O V G Rh,-Pf., AS Bd. 10 (1970), 401/402 f. In der Literatur wird die Gegenauffassung vertreten von Vogel / Kirchhof, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 104 a Randnr. 72 (1971). In der Tat wäre in Art. 104 a der Abs. 2 angesichts des Abs. 1 überflüssig, wenn es sich in der Bundesauftragsverwaltung um Bundesaufgaben handelte. Vgl. weiter Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 246: „Die Länder erfüllen bei der Bundesauftragsverwaltung entgegen wohl herrschender Ansicht eigene Aufgaben", mit der Relativierung, es handele sich dabei um Aufgaben, „die an sich vom Bund zu erfüllen wären (originäre Bundesaufgaben), die das Grundgesetz aber selbst . . . auf die Länder übertragen hat". Herrfahrdt, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 85, Anm. I I 1 (1950) nennt die Frage, wessen die Aufgaben in der Bundesauftragsverwaltung sind, „gleichgültig" für die rechtliche Konstruktion. A m richtigsten ist es, erst an Hand des Verfassungstextes zu konstruieren und dann Aussagen zur Eigenart der Bundesauftragsverwaltung zu treffen; so Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 371, Fn. 44. So verfährt denn auch die Abhandlung. Sie prüft zunächst Konstruktion und Konstruierbarkeit der herrschenden Auffassung nach (Kap. 2.1) und untersucht dann alle Möglichkeiten der Konstruktion der Bundesauftragsverwaltung, um die richtige auszuwählen (Kap. 2.4). 2 Repräsentativ f\ir die herrschende Lehre ist Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 83 Randnr. 5, 22, 52, 81 (1983) und Art. 85 Randnr. 4 ff. (1987); vgl. aber auch die Nachweise in Fn. 1. 3 Vgl. zum Meinungsstand Fn. 1; auch die ältere bundesrepublikanische Literatur wird dort vorgestellt. Keineswegs mangelt es der älteren Literatur vollkommen an normativem Denken. Aber es war nicht die Zeit exakten normativen Konstruierens. Die Normen des Grundgesetzes wurden berücksichtigt, aber nicht konstruktiv ausgeschöpft. Die Auffassungen über die Rechtsnatur der Bundesauftragsverwaltung blieben nicht zuletzt deswegen so gespalten, weil Vorstellungen über ihr „Wesen" mit Aussagen zu ihrer Geschichte und ihrer normativen Grundlage methodisch zu unbefangen und daher inhaltlich oft unerlaubt eigenwillig zu einem Bild grundgesetzlicher Auftragsver2 Pauly
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
die die Bundesauftragsverwaltung in Art. 85 GG erfahren hat, diente im wesentlichen nicht als Schlüssel zur Ermittlung von Struktur und Begriff dieses Verwaltungstyps, sondern wurde ihrerseits auf die Folie der schon feststehenden Klassifizierungen aufgelegt und gemäß deren jeweiliger Liniierung interpretiert. Die Weisungsgewalt des Art. 85 Abs. 3 GG ist dafür ein Exempel. Sie paßte denn auch in jedes Konzept, mal als das selbstverständlichste Instrument der Verhaltenssteuerung in der Bundesverwaltung 4, mal als Leitungsgewalt im Verwaltungskondominium von Bund und Land 5 und schließlich ebenso gut als Direktionsbefugnis gegenüber einer vom Bund in Dienst genommenen Landesverwaltung. 6 Die Auffassung, daß sich die recht unvermittelt eingebrachten und unausgewiesen zugrundegelegten Vorverständnisse von Bundesauftragsverwaltung in höherem Grade an der Verfassung korrigieren und abarbeiten lassen, als dies bis dahin geleistet worden war, veranlaßte Ossenbühl7, die Konstrukteure der Bundesauftragsverwaltung zum Grundgesetz zurückzurufen und die Aufgabe auszuschreiben, „die Verzahnungen zwischen Bundes- und Länderverwaltungen an Hand der Verfassung aufzuzeigen". Der geforderten Disziplinierung der hochgradig vorgeformten Verständnisse dessen, was Bundesauftragsverwaltung genannt wird, bemüht sich die heute herrschende Lehre dadurch nachzukommen, daß sie den Vorschriften des V I I I . Abschnitts des Grundgesetzes insgesamt ein Mehr an systematischer Erkenntnis für die Positionierung des Art. 85 GG abzugewinnen sucht. Im folgenden wird zunächst dargestellt, welche Aussagen die herrschende Lehre dem V I I I . Abschnitt entnimmt, in welches Verhältnis sie die Normen dieses Abschnittes zu Art. 30 GG setzt und welche Rechtsposition den Ländern danach in der Bundesauftragsverwaltung zukommt. Es wird sich zeigen, daß gerade die Autoren, die den Ländern im Weisungsstreit keine substanzhafte Position zuerkennen, auf die herrschende Lehre bauen. Es werden sich aber zugleich Unstimmigkeiten der herrschenden Lehre zeigen, die sie für den waltung zusammengeschweißt wurden. Das zeigt sich schon an der Art und Weise der Stoffbehandlung und an einzelnen Formulierungen. So leitet beispielhaft Nawiasky, Die Grundgedanken des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, S. 44 die Darstellung des Art. 85 GG mit dem Satz ein: „Das Wesen der Auftragsverwaltung kommt in folgendem zum Ausdruck." Und Schäfer, D Ö V 1960, S. 646 fährt nach einer ersten Vorstellung von Art. 85 GG fort mit: „Die Bundesauftragsverwaltung läßt sich wohl am besten als eine gemeinsame Verwaltung klassifizieren." Allerdings findet sich u. a. bei Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 85 Randnr. 6 (1961) Art. 83 Randnr. 26 ff., 42 ff. (1961) und sogar schon bei Herrfahrdt, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 85, Anm. I I 1, Art. 83 Anm. I I 1 (1950) ein konstruktiver Ansatz, der Art. 83 und 30 GG einbezieht. 4 Vgl. Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen der Gemeinschaftsaufgaben, S. 141. 5 Vgl. Schäfer, D Ö V 1960, S. 646 und 648 6 Vgl. Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 85 Randnr. 6 (1961) 7 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 371, Fn. 44.
2.1. Interpretationsansätze und Interpretationsprobleme
19
Fortgang der Untersuchung unverwertbar machen. Im Anschluß an diese Überlegungen wird der Ertrag der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gegenstand der Untersuchung bestimmt. 2.1.2. Position und Kritik der herrschenden Lehre Die herrschende Lehre setzt an im Rückgang auf Art. 83 GG. In einem ersten Schritt zerteilt sie seine Regelaussage: Für sie „ruht in Art. 83 GG sowohl die Feststellung, daß die Ausführung der Bundesgesetze regelmäßig Landessache ist, als auch die Feststellung, daß als Regeltyp dieses Verwaltungsbereichs die landeseigene Verwaltung anzusehen ist". 8 Die Bedeutung dieser Zerteilung wird deutlich beim zweiten Schritt der herrschenden Lehre. In ihm setzt sie die beiden aufgestellten Regelaussagen in Bezug zu der in Art. 83, 2. Hs. GG installierten Möglichkeit anderer Bestimmung, ob nun qua grundgesetzlicher Vornahme oder Zulassung. Auch die zitierte Ausnahmeregelung ist der herrschenden Lehre 9 in „ihrem Sachgehalt" eine „doppelte Aussage". Sie wird bezogen auf beide Regelaussagen des Art. 83 GG. Ausnahmebestimmungen zur ersten Regelaussage sollen die Normen der Art. 86 f. GG sein, nicht aber Art. 85 G G . 1 0 Dieser soll „i.V. mit den die Materien der Auftragsverwaltung bezeichnenden Spezialnormen . . . Ausnahme der zweiten Regelaussage" sein. 11 Folglich zieht die herrschende Lehre Art. 85 GG unter die erste Regelaussage des Art. 83 GG, schließt ihn aber von der zweiten aus. Bevor untersucht wird, ob dies ein konsistenter Interpretationsansatz ist, wird nach den Gründen gesucht, die die herrschende Lehre veranlassen, Art. 85 GG unter die erste Regelaussage des Art. 83 GG zu ziehen. Die aufgewiesene Doppelung und die Aufnahme von Art. 85 GG in die erste Regelaussage beruhen auf einer Überforderung des Art. 83 GG durch 8 Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 83 Randnr. 19 (1983), vgl. auch Randnr. 52 f.; ebenso Maunz, ebd., Art. 83 Randnr. 13 (1961); Herrfahrdt, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Erläuterungen zu Abschnitt V I I I und Art. 83, Anm. I I 1 (1950); v. Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. I I I , Art. 83 Anm. I I 2 und 3a); Broß, in: von Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band 3, Art. 83 Randnr. 1 und Art. 84 Randnr. 1; Bull, in: Kommentar zum Grundgesetz (Reihe Alternativkommentare), Art. 83 Randnr. 4; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar, Art. 83 Randnr. 1; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, S. 683 f. und 686. 9 Vgl. für andere die aktuelle Darstellung der herrschenden Lehre bei Lerche, ebd. Randnr. 81. 10 Vgl. nur Lerche, ebd. Randnr. 81; Maunz, ebd., Art. 83 Randnr. 28 f. (1961); Broß, in: von Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band 3, Art. 83 Randnr. 9. Art. 85 GG findet sich deswegen nicht unter den dort zitierten Ausnahmebestimmungen, weil die herrschende Lehre die Bundesauftragsverwaltung (zurecht) als Landesverwaltung einstuft. 11 Vgl. nur Lerche, ebd. Randnr. 81.
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
die herrschende Lehre. Ihrzufolge soll Art. 83 GG als Leitnorm eines Grundgesetzabschnittes, der zwei kategoriale Unterscheidungen in sich berge, auch beide entsprechenden Alternativenpaare in das Verhältnis von Regel und Ausnahme setzen. Im V I I I . Abschnitt des Grundgesetzes sei „die Frage, ob der Bund oder die Länder zuständig sind, eine Verwaltungsmaßnahme zu treffen, . . . zu unterscheiden von der Frage, welcher Verwaltungstyp bei gegebener Zuständigkeit vorgesehen ist." 1 2 Dabei könnten „in den Einzelnormen des Abschnitts . . . indes diese beiden Aussagen jeweils zusammengezogen sein." 13 Weil es für die herrschende Lehre zurecht im Abschnitt V I I I keine weitere unterscheidungsspezifische Ordnungsnorm gibt, sie andererseits (zu Unrecht 14 ) abschnittsexterne Ordnungshilfen nicht sieht, muß sie die Bestimmung von Regel und Ausnahme in der Zuständigkeits- und in der Verwaltungstypfrage in Art. 83 GG getroffen sehen. Soll die Norm aber beiderlei Ordnungsbedarf erfüllen, dann muß sie in der Sicht der herrschenden Lehre einerseits Art. 85 GG als Regelfall einbegreifen und andererseits zum Ausnahmefall stempeln. Auf diese Weise findet die herrschende Lehre auch einen normativen Anhalt dafür, daß die Bundesauftragsverwaltung Landesverwaltung ist. Insofern ist Art. 30 GG für die herrschende Lehre nicht selbständig nutzbar, weil sie dessen Aussage in Art. 83 GG konkretisiert wiederfindet. 15 Auffällig ist, daß die herrschende Lehre in ihrer neuesten Darstellung das, was sie den Ländern in Form der ersten Regelaussage des Art. 83, 1. Hs. GG requiriert, bei Art. 83, 2. Hs. GG in veränderter Begrifflichkeit präsentiert. Es ist nicht mehr die Exponierung als „Landessache", 16 sondern „die Statuierung der Regelzuständigkeit der Länder zur Ausführung der Bundesgesetze", 17 die als Inhalt des Art. 83, 1. Hs. GG durch die Normen u. a. des Art. 86 f. GG gebrochen werden soll. Wird die zur Beschreibung der Länderstellung kräftigere und aufgeschlüsselt in Art. 30 GG auffindbare Vokabel hier nur zufällig gegen die schwächere ausgetauscht? Ein Grund für die Herunterzonung der Länderstärke im Rahmen des Art. 83 GG läßt sich entwickeln: Dem, was als Regelzuständigkeit präsentiert wird, wird Art. 85 GG nicht als Ausnahmevorschrift zugeordnet; er wird vielmehr erst zur Brechung der zweiten Regelaussage, also der „Statuierung der Landeseigenverwaltung als regelmäßige ( m ) Verwaltungstyp bei Zuständigkeit der Länder" 1 8 herangezogen. Folglich ist die „Regelzuständigkeit" der Länder eine Größe, die einerseits in 12
Lerche, ebd. Randnr. 19. Die Richtigkeit dieser Aussage wird nicht bestritten. Lerche, ebd. 14 Vgl. Kapitel 2.4.; Lerche, ebd. Randnr. 14 spricht zwar Art. 30 GG an, kann ihm aber deswegen keinen Nutzen abgewinnen, weil er dessen Aussage in Art. 83 GG „für einen speziellen Bereich bestätigt" sieht. 15 Auch hier repräsentativ Lerche, ebd. Randnr. 5 und 52. 16 Lerche, ebd. Randnr. 19. 17 Lerche, ebd. Randnr. 81. 18 Lerche, ebd. 13
2.1. Interpretationsansätze und Interpretationsprobleme
21
Art. 85 GG nicht aufgegeben werden soll, deren Gehalt andererseits aber so schmal19 definiert werden muß, daß er neben sich die Unterscheidung der Verwaltungstypen Landeseigenverwaltung (Art. 84 GG) und Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) zuläßt. „Regelzuständigkeit" im Unterschied zu „Landessache" begrenzt die Länderstellung von vorneherein so, daß sie trotz ihrer Diminution in der Bundesauftragsverwaltung (im Vergleich zur landeseigenen Verwaltung) auf einen beiden Verwaltungsformen gemeinsamen Begriff gebracht werden kann. Dennoch bleibt ein konstruktives Problem: Wie kann aus der einheitlichen Formulierung in Art. 83 GG, „die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus", sowohl die postulierte Regelzuständigkeit der Länder in beiden Verwaltungstypen als auch die Festlegung gerade nur eines der Verwaltungstypen als Regeltyp herausgelesen werden. Erst wird der Begriff eingesetzt, um beide Typen zu umgreifen, dann um beide auseinanderzudi vidieren. Ein naheliegendes interprétatives Ausweichmanöver könnte folgende Kette bilden: Ist die Regelvollzugsform gemäß Art. 83 GG die des Art. 84 GG, und ist diese eine solche, bei der die Länder zuständig sind, dann ist es auch Regel gemäß Art. 83 GG, daß die Länder bei Ausführung der Bundesgesetze zuständig sind. Die erste Regelaussage würde quasi in der zweiten notwendig mitgelesen. Abgesehen davon, daß die erste Regelaussage damit jeden Eigenwert verloren hätte, also nur im Bereich des Art. 84 GG gesichert wäre, aber nicht der Übertragung auf Art. 85 GG fähig, um die es doch der herrschenden Lehre geht, müßte erst noch erwiesen werden, daß die Länder in der Vollzugsform des Art. 84 GG zuständig sind. Art. 83 GG verweist nur auf Art. 84 GG und dem kann die Länderzuständigkeit nicht definitiv entnommen werden, und dem ist sie auch nicht immer abgelesen worden; 20 die Länderzuständigkeit bliebe eine petitio principii, die erst außerhalb der Art. 83 f. GG erhärtet werden könnte. Das machte die erste Regelaussage aber obsolet. Die Literatur bietet zur Auflösung dieser augenscheinlichen Problematik die Lesart an, daß in die widerlegbare Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder die Vermutung für den Verwaltungstyp des Art. 84 GG eingeschlossen sei. 21 Das kann nur so verstanden werden, daß die erste Regelaussage die weitere, die zweite die engere sei. In der weit gefaßten Aussage, daß grundsätzlich die Länder dafür zuständig seien, die Bundesgesetze auszufüh19
Damit ist noch nicht festgelegt, wie schmal die Regelzuständigkeit genau zu definieren ist. Immerhin könnte sie in Art. 84 und 85 GG recht breit ausfallen. A n dieser Stelle geht es aber darum, Beweggründe der herrschenden Lehre zu analysieren. Dieser Lehre ist aber die Vorstellung eigen, daß der Zuständigkeitsbereich der Länder in der Bundesauftragsverwaltung schmal bemessen ist. 20 Vgl. Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen der Gemeinschaftsaufgaben, S. 129: Die „landeseigene Ausführung der Bundesgesetze . . . (ist) im Grunde eine körperschaftlich dezentralisierte Bundesverwaltung". 21 Hömig, in: Seifert / Hömig, Grundgesetz, Art. 83 Randnr. 1.
22
2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
ren, „steckte" dann die enger gefaßte, daß ein solcher Fall von länderzuständiger Ausführung von Bundesgesetzen mit der Ausführung als eigene Angelegenheit im Sinne des Art. 84 GG gegeben sei. Daran, was die engere und was die weiter gefaßte Aussage ist, ist deswegen kein Zweifel, weil die erste Aussage eine solche zu Art. 84 und 85 GG, die zweite aber nur zu Art. 84 GG sein soll. Da die erste, weitergehende Aussage aber in exakt denselben Worten „als eigene Angelegenheit" codiert ist wie die zweite, gibt es der herrschenden Lehre zufolge, wenn sie das auch nicht klar offenlegt, zwei, eine engere und eine weitere Bedeutung von Ausführung der Bundesgesetze „als eigene Angelegenheit": Eng zur Bezeichnung der Verwaltungsform in Art. 84 GG, weit zur Kennzeichnung der Regelzuständigkeit der Länder in den Feldern der Art. 84 und 85 GG, weit und eng zugleich in Art. 83 GG zur Fixierung der Regelaussagen. Folglich läßt sich die Doppelaussage des Art. 83 GG als Konsequenz einer doppelsinnigen Verwendung ein- und desselben Textbestandteils in demselben Artikel nehmen. 22 In den anschließenden Überlegungen wird gefragt, ob die gespaltene Begriffsverwendung, zu der der Ansatz der herrschenden Lehre zwingt, wenn er zu Ende gedacht wird, neben der Merkwürdigkeit einer versteckten Ambivalenz in Art. 83 GG, zu Verzerrungen in der dieser Lehre eigenen Begrifflichkeit und zu Unvereinbarkeiten mit von ihr interpretati ν in Art. 84 und 85 GG gesetzten Daten führt. Zuerst steht zur Prüfung, ob sich das, was die herrschende Lehre den Ländern in Art. 85 GG an Positionen zuschreibt, mit einem weitgefaßten Begriff von Ausführung „als eigene Angelegenheit" auffassen läßt, dann, ob sich der engere Begriff derselben als Unterfall des weiteren noch sinnvoll und den Intentionen der herrschenden Lehre entsprechend in Art. 84 GG verwenden läßt. So rekonstruiert, unterstellt die herrschende Lehre der weiten Bedeutung der Floskel „als eigene Angelegenheit" die Bereiche der sog. landeseigenen und auftragsmäßigen Verwaltung. Das ist ihre „Regelzuständigkeit" der Länder, die in Art. 84 und 85 GG ungebrochen bleiben soll. Ob die herrschende Lehre speziell auf dem Felde der Bundesauftragsverwaltung all das einlösen kann, was verdiente, Ausführung „als eigene Angelegenheit" genannt zu werden und sich dabei auf Art. 83 GG stützen kann, müssen ihre Äußerungen zur Bemessung der Länderpositionen in Art. 85 GG erweisen. Wird die „Regelzuständigkeit des einzelnen Landes im Verwaltungsbereich" noch im Kontext des Art. 83 GG als „wichtige Ausformung des bundesstaatlichen Prinzips", 23 als „Element... funktioneller Gewaltenteilung" 24 vor22 Der größte gemeinsame Nenner für beide Verwaltungstypen in Art. 83 GG könnte allenfalls sein, daß die Länder die Bundesgesetze ausführen. Das ergibt sich aber schon aus dem Wortlaut von Art. 84 Abs. 1 und Art. 85 Abs. 1 GG. Dafür braucht es des Art. 83 GG nicht. 23 Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 83 Randnr. 5 (1983).
2.1. Interpretationsansätze und Interpretationsprobleme
23
gestellt, eine W i e d e r h o l u n g , 2 5 Realisierung bzw. K o n k r e t i s i e r u n g 2 6 des A r t . 30 G G genannt, m i t „Landessache" 2 7 gleichgesetzt, so fällt die Einschätzung der Länderstellung u n d m i t h i n die Regelzuständigkeit der Länder i m K o n t e x t des A r t . 85 G G erheblich bescheidener aus. Z w a r ist die Plazierung der Länder als dem Bunde gegenüber abgeschlossene Körperschaften i m Kreise der herrschenden L e h r e 2 8 unangefochten u n d rüttelt keiner ihrer Vertreter an der Qualifizierung
der
Bundesauftragsverwaltung
als
„echte
Landesverwal-
t u n g " , 2 9 i n der die Länder Landesstaatsgewalt ausüben. I n der Sache aber werden die vollmundig angekündigten harten Länderpositionen auf schlichte verwaltungsrechtliche Zuständigkeiten i m Außenverhältnis zum Bürger zusammengeschmolzen u n d auf eine durch Bundesgewalt i m Innenverhältnis entziehbare bzw. überlagerungsfähige Wahrnehmungszuständigkeit 3 0 zurückgenommen. I n concreto zieht die herrschende Lehre aus der Heranziehung des A r t . 83 G G zur Fundierung der Länderpositionen i n der Bundesauftragsverwaltung einen schmalen Ertrag: D e r B u n d soll die Länder, abgesehen v o m exzeptionellen Fall des Bundeszwanges gemäß A r t . 37 G G , nicht aus ihrer F u n k t i o n , als handelnde und höchste Instanz i n den verwaltungsrechtlichen Außenver24
Lerche, ebd. unter Bezugnahme auf BVerfGE 55, 274/318. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 225. 26 Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 83 Randnr. 5 und 52 (1983); Bull, in: Kommentar zum Grundgesetz (Reihe Alternativkommentare), vor Art. 83 Randnr. 4. 27 Lerche, ebd. Randnr. 19: „So ruht in Art. 83 . . . die Feststellung, daß die Ausführung der Bundesgesetze regelmäßig Landessache ist". 28 Vgl. für alle Lerche, ebd., Art. 85 Randnr. 5 (1987). 29 Vgl. die Nachweise in Fn. 1. 30 Steinberg, AöR Bd. 110 (1985), S. 433; Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 85 Randnr. 4 (1987) unter Bezugnahme auf Wolst, Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform, S. 54. Lerche, ebd. Fn 5 rügt den Ansatz von Wolst dafür, daß in ihm die Wahrnehmungszuständigkeit den Ländern „übertragen" gedacht wird. Durch „ die Vorstellung des ,Übertragens' der Wahrnehmungskompetenz (werde) eine Art Urbild vorausgesetzt . . . , für das das GG keinen Beweis" liefere. Für Lerche, ebd. Randnr. 8 sind die „Wahrnehmungskompetenzen ursprüngliche Landessache". Der Begriff „Wahrnehmungszuständigkeit" ist in diesem Zusammenhang hingegen insgesamt verfehlt, soll er im klassischen Sinne verstanden werden. Zwar sind Wahrnehmungszuständigkeiten der Länder Zuständigkeiten der Länder, aber es stimmt nicht, daß die Länder im Rahmen der Zuständigkeitsausübung begriffsgerecht „bestimmte Angelegenheiten einer organisatorischen Einheit" (Wolff / Bachof Verwaltungsrecht I I , § 72 le), S. 15) wahrnehmen. Es gibt keine Norm, die sagt, die Angelegenheiten in der Bundesauftragsverwaltung seien solche des Bundes und nicht solche der Länder; aus Art. 104 a Abs. 1 u. 2 GG ist sogar das Gegenteil zu entnehmen (vgl. FN 1). Die Ingerenzrechte des Bundes machen nur das Anweisen, Aufsichtführen etc. in Auftragsangelegenheiten zur Angelegenheit des Bundes. Das Land tut auch dann nur das „Seine", wenn es auf Weisung des Bundes ausführt. Ein normativer Zusammenhang, wie etwa der von Organ und Juristischer Person, bei dem Handlungen des wahrnehmungszuständigen Organs der so repräsentierten Stelle zugerechnet werden, ist hier nicht nachgewiesen und nicht erkennbar. 25
24
2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
hältnissen aufzutreten, entsetzen können. 31 Für das Innenverhältnis ist den Ländern durch den Ansatz der herrschenden Lehre nichts gewonnen. Dort können sie als Träger bloßer Wahrnehmungszuständigkeit dem umfassend weisungsberechtigten Bund nichts entgegensetzen. Ab dem Moment, in dem sich der Bund der Entscheidung, liegt sie nur im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung, bemächtigt hat, soll er ex definitione keine Rechte der Länder bzw. Landesbehörden im Innenverhältnis verletzen können. Eine Basis, die den Ländern ein Recht auf Kompetenz, sprich ein Recht auf rechtmäßige Ausübung ihrer Vollzugsgewalt gegenüber rechtswidrigen Bundesweisungen sichern könnte, wird apriori verneint. 32 Die zwar für sich als selbständig angesetzten, aber im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung nur als schlicht zuständig positionierten Rechtsträger werden angesichts der umfassenden Weisungs- bzw. Leitungsgewalt des Bundes in ein verwaltungsrechtliches Subordinationsverhältnis hineingedrängt, das als Instanzenzug und hierarchische Ordnung gekennzeichnet wird 3 3 , und in dem das jeweilige Land jede Weisung rechts- und rechtsschutzlos hinzunehmen habe, die nicht gerade den Vollzug unwirksamer Rechtsnormen in der fakultativen und mithin gesetzesakzessorischen Bundesauftragsverwaltung oder Beachtung außerhalb der Sachgebiete der Bundesauftragsverwaltung verlangt. 34 Das liegt auf der Linie der herrschenden Lehre, den Ländern überall da ein „Eigenes" in der Bundesauftragsverwaltung abzusprechen, wo es nicht mehr um die ihnen als eigene Aufgabe zur selbständigen Wahrnehmung übertragene Außenzuständigkeit 35 geht. Überwiegend werden die „Angelegenheiten" oder Sachaufgaben, denen die Vollzugsform des Art. 85 GG dient, dem Bund zugewiesen.36 Mit Blick auf diese Positionsbeschreibung von einer Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder „als eigene Angelegenheit" im weitverstandenen Sinn zu sprechen, verlangt eine ihr gemäße Ausdeutung dieser Satzpassage des Art. 83 GG. Eine erste Interpretationsmöglichkeit liegt darin, „als eigene Angelegenheit" auf das Ausführungsobjekt, also auf die Bundesgesetze zu beziehen, sie somit einer Ausführung zu überweisen, die sich in solchen Arten 31
Vgl. z.B. Steinberg, ebd. S. 438 und Wagner, DVB1 1987, S. 918. Vgl. Steinberg, ebd. S. 443; Wagner, ebd. S. 923; Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog/Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 85 Randnr. 53 (1987); ders., BayVBl. 1987, S. 322 f. 33 Steinberg, ebd. S. 422; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 85, Randnr. 5 (1961). Verfassungspolitisch kritisch rügt Maunz, ebd. Randnr. 10 die in der Bundesauftragsverwaltung vorfindbare „Übertragung soldatischen Denkens auf den zivilen Aufbau des Staates". 34 Dazu zusammenfassend Steinberg, AöR Bd. 110 (1985), S. 445 f. 35 Dazu, daß die Pointe der herrschenden Zuständigkeitsregel in Art. 83 GG nur auf eine Außenzuständigkeit zielt, offen Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 83 Randnr. 26 (1961). Für Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 170 sind es die Länder, die „nach außen ,den Kopf hinhalten'" müssen und dennoch nicht „im Innenverhältnis die Zügel" führen. 36 Vgl. dazu die Übersicht in Fn. 1. 32
2.1. Interpretationsansätze und Interpretationsprobleme
25
und Formen vollzieht, als ob die Sachmaterien und Inhalte der Bundesgesetze eigene Angelegenheiten der Länder wären. Damit wäre eine Vollzugsform bezeichnet, die die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder deren Ausführung ihrer eigenen Landesgesetze gleichstellt. 37 Das verwendete „als" stünde für die Fiktion in der Gleichstellung. Eine zweite Möglichkeit zu interpretieren ist eröffnet, wenn das „als eigene Angelegenheit" auf das „ausführen" bezogen wird. Dann läge in Art. 83 GG die Anordnung eines solchen Modus von Vollziehung für die bundesgesetzakzessorische Landesverwaltung, der die Vollziehung mit all den in ihrem Verlauf anfallenden Entscheidungen eine Angelegenheit der Länder sein läßt. Nicht das Vollzugsobjekt würde zur eigenen Angelegenheit erhoben oder einer solchen gleichgestellt, sondern nur die Vollziehungsaufgabe und die Vollziehungsbefugnis den Ländern zu „eigen" in die Hände gelegt. Das „als" bezeichnete den Modus, das „wie" der Vollziehung. Der ersten Verständnisweise kann mit dem, was die herrschende Lehre den Ländern in der Bundesauftragsverwaltung zuzugestehen bereit ist, nicht genügt werden. 38 Der Vergleich der Länderpositionen einmal in Art. 85 GG, das andere Mal bei Ausführung der Landesgesetze, ist selbstredend. Mit der Verständnisalternative kann die herrschende Lehre aber auch nicht gewinnen. Diese Lehre beläßt den Ländern gerade nicht die ungeteilte Vollzugskompetenz und läßt die im Vollzug anfallenden Entscheidungen weder die eigenen noch die eigene Angelegenheit der Länder sein. Was den Ländern reserviert wird, ist nur das Medium der Außenwirkung. Aber im Außenverhältnis läßt sich nicht mehr dasjenige als „eigene Angelegenheit" vindizieren, was den Ländern im Binnenverhältnis zum Bund vorenthalten wurde. Würde der Term „als eigene Angelegenheit" der Länder verwendet, um Beschreibungen der Bundesauftragsverwaltung abzudecken, die sie „als unbegrenzt verwaltungsanordnungsabhängige Fremdverwaltung . . . fremder Angelegenheiten . . . für einen anderen . . . nach dessen gesetzlich nicht beschränkten . . . Weisungen" 39 oder als Fall, daß „die Organe eines Staats für einen anderen tätig werden", 40 erfassen, wäre er entleert und so aussage-, wie sinn- und wertlos. Als zweite Stufe in der Überprüfung der herrschenden Lehre in Form von Re- und Auskonstruktion ihres Ansatzes, war die Sinnhaftigkeit der Verwendung des Terms „als eigene Angelegenheit" in dem benannten engeren, spezielleren Sinne vorgesehen. Formal läßt sich das Einschlußverhältnis von engem und weitem Begriff erklären: Genus proximum ist die Außenzuständigkeit, zu der die differentia specifica einer erhöhten Autonomie der Länder im 37
So J. Ipsen, Staatsorganisationsrecht, S. 175. Die Ausführung der Landesgesetze ist nach Art. 30 GG Sache der Länder. Gleiches müßte dann unabgeschwächt auch im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung für die Ausführung der Bundesgesetze gelten. 3 9 Wolff/ Bachof Verwaltungsrecht I, § 4Ic2ß, (S. 29). 40 Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Randnr. 22. 38
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
Binnenverhältnis zum Bund hinzutritt. 41 Die sog. Regelzuständigkeitsaussage ist die weitere Aussage im Vergleich zur Verwaltungstypregel. Deswegen kann die zweite, inhaltsstärkere Aussage nicht derart in der engeren „eingeschlossen" sein, daß sie aus der ersten abzuleiten sei, aus ihr hervorginge, sondern die weitere Aussage läßt nur Platz für die engere. Mit dieser Klarstellung versehen, ist die These vom „Einschlußverhältnis" der zweiten in die erste Aussage des Art. 83 GG nicht zu beanstanden. Die Gesamthypothese der herrschenden Lehre zu Art. 83 ff. GG läßt sich aber nicht halten. Kritik hat zum einen daran anzusetzen, daß Art. 83 GG zu einem verdeckt zweideutigen Gebrauch des Terms „als eigene Angelegenheit" geführt wird, und zum anderen an der Entwertung dessen „weiter" Bedeutung. Gezeigt wurde, daß es kein dem Wortlaut des Terms adäquates Verständnis von dem gibt, was die herrschende Lehre den Ländern in Art. 85 GG als Eigenbereich zumißt. Weil die Kritik eine zweifache ist, kann der herrschenden Lehre nicht angeraten werden, an ihrem Ansatz festzuhalten, aber mit der Ausführung „als eigene Angelegenheit" in Art. 85 GG ernst zu machen. Die literarische Aufstellung 42 von „landeseigener Verwaltung im Bundesauftrag" (Art. 85 GG) neben „landeseigener Verwaltung unter Bundesaufsicht" (Art. 84 GG), welche in beiden Fällen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen sieht, hat gegen sich, daß sie entweder den in Art. 84 GG zur Benennung der in ihm ausgestalteten Verwaltungsform herangezogenen Term („als eigene Angelegenheit") als Unterscheidungskriterium im Verhältnis zu Art. 85 GG gänzlich fallen lassen muß oder die Ambiguität der Verwendung des Terms in Art. 83 GG fortsetzen muß. In der ersten Variante würde Art. 83 GG den ihm im Schrifttum ausnahmslos zugeschriebenen Gehalt verlieren, Art. 84 und 85 GG als Regel- bzw. Ausnahmeform des Vollzugs von Bundesgesetzen gegenüberzustellen. Die Analyse der herrschenden Ansicht fragt nach Erweis deren erheblicher und nicht leicht korrigierbarer Inkonsistenzen danach, an welcher Stelle und aus welchen Gründen sich diese Lehre in die aufgewiesene Sackgasse begibt. 43 Schwierigkeiten besorgt der herrschenden Lehre nicht die sog. zweite Regelaussage, mit der sie die Bereiche von Art. 84 und 85 GG anhand der Floskel Ausführung „als eigene Angelegenheit" trennt. Unstimmig wird ihr Konzept erst damit, daß sie den Ländern aus Art. 83 GG eine Regelzuständigkeit ableiten will. Was die herrschende Lehre veranlaßt, die erste Regelaussage zu tref41
Die differentia specifica gilt danach nur im Rahmen des Art. 84 GG. Vgl. Badura, Bundesverwaltung, in: Herzog u.a. (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, Bd. I, Sp. 367. 43 Schon zu Beginn des Unterkapitels wurde ein Grund für den Ansatz der herrschenden Lehre in der Überforderung des Art. 83 GG aus vermeintlicher systematischer Notwendigkeit gesehen. 42
2.1. Interpretationsansätze und Interpretationsprobleme
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fen, beantwortet sie dort, wo sie sagt, welche Funktion die erste Aussage erfüllt, selbst: „Das Grundgesetz selbst betont... deutlich die Regelzuständigkeit des einzelnen Landes im Verwaltungsbereich (Art. 83). Insofern realisiert sich im Bereich der Verwaltung der Grundsatz des Art. 30" 4 4 . Die Fußnote ergänzt: „Art. 83 ff. sind gegenüber Art. 30 Spezialvorschriften; h . M . " . 4 5 Der herrschenden Auffassung scheint es also darum zu gehen, den Aussagegehalt des Art. 30 GG auf eine näher zu untersuchende Art und Weise im Bereich der bundesgesetzakzessorischen Landesverwaltung zu rezipieren. Was hinter der so präsentierten Absicht steht, wird entschlüsselt, betrachtet man die möglichen Zuordnungen von Art. 30 und 83 GG. Es ist nicht zu bezweifeln, daß der Regelungsbereich des Art. 30 GG der weiter gefaßte, das Feld der „Verwaltung" vollständig umfassende, wenn auch nur unter anderem, eben unter anderen Befugnisausübungen und Aufgabenerfüllungen aufgreifende ist. Der engere und insofern speziellere Gegenstandsbereich ist der Ausschnitt von Verwaltung, in dem die Länder Bundesgesetze vollziehen (Art. 83 GG). Der Normstruktur des Art. 30 GG gemäß, kann sich eine solche Spezialnorm nur so zu ihm verhalten, daß sie entweder die in seinem zweiten Halbsatz eingebaute Möglichkeit anderer Regelung wahrnimmt oder ihn ungebrochen, sei es rein wiederholend, sei es durch weitere Ausgestaltung, die aber kein anderes zu Art. 30 GG bestimmt, 46 ausformt. Die herrschende Lehre läßt Art. 83 GG als Realisierung und nicht als Brechung des Art. 30 GG firmieren. Mag für sie die Regel/Ausnahme-Entscheidung zu den Verwaltungstypen, also ihre zweite Regelaussage in Art. 83 GG, eine Art. 30 GG nicht brechende Konkretisierung sein, für die erste Regelaussage nimmt sie die Qualität der „Wiederholung" in Anspruch. 47 Sie geht mithin nicht, zumindest nicht explizit, den Weg, die Ausführung „als eigene Angelegenheit" als ein anderes im Vergleich zur „Ländersache" auszulegen. Ihn dennoch hier vor dem von der herrschenden Meinung als ihr Weg etikettierten einzuschlagen, rechtfertigt das Kuriosum, daß gerade er die Ergebnisse zu Art. 85 GG liefern kann, die die herrschende Meinung auf anderem Wege zu erlangen sucht. Dieser erste Weg ließe sich beschreiten, deutete man die Ausführung „als eigene Angelegenheit" im Sinne der Fiktion, die die den Ländern „fremde" Ausführung der ihnen naturgemäß fremden Bundesgesetze der als eigen vertrauten Ausführung der eigenen Landesgesetze gleichstellte. Das wäre als Fik44 Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 83, Randnr. 5 (1983). 45 Lerche, ebd. Fn. 13. 46 Dazu vertiefend Kap. 2.4. 47 Vgl. nur Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 83 Randnr. 13 (1961).
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
tion ein weniger als die direkte Zuschreibung von Aufgaben und Befugnissen als „Sache der Länder" (wie bei Art. 30 GG). 4 8 Art. 83 GG wäre dann so zu lesen, daß die Ausführung der Bundesgesetze so als „Sache" der Länder anzusehen sei, wie die Ausführung der Landesgesetze gemäß Art. 30 GG unstreitig „Sache der Länder" ist. Diese Aussage könnte zunächst für Art. 84 und 85 GG stehen, womit Art. 85 GG ein Unterfall der in Art. 84 GG bezeichneten Ausführung „als eigene Angelegenheit" wäre. Dem könnte die herrschende Lehre so aber nicht zustimmen, da ihr, abgesichert durch die Genese, die Funktion des Art. 83 GG vor allem auch die Entscheidung der Regeltypfrage gewesen ist. Beides zu wollen, das eine Mal Art. 84 und 85 GG mit demgleichen Begriff zu überdachen, das andere Mal zu trennen, wäre der Rückfall in die doppeldeutige Begriffsverwendung in Art. 83 GG. Also bliebe nur, Art. 85 GG als die abweichende Bestimmung zur Regel des Art. 83, l.Hs. GG zu lesen; die Bundesauftragsverwaltung wäre dann der Bereich, in dem die Bundesgesetze noch nicht einmal so auszuführen wären, als ob sie eine Angelegenheit des Landes wären, geschweige denn ihre „Sache". Eine Länderposition begründete dann allenfalls Art. 85 Abs. 1 GG, wenn er anordnet, daß gerade die Länder die Bundesgesetze ausführen. Jedes in dem Artikel dem Bund eingeräumte Ingerenzrecht stünde ihm dann ohne konstruierbaren Landeswiderstand uneingeschränkt zu. Genau das ist die Position der herrschenden Lehre, die den Ländern zwar Ausführungsgewalt im Außenverhältnis gibt, sie aber im Innenverhältnis dem Bund gegenüber recht- und rechtsschutzlos stellt. Nur diese Position so zu begründen, das unternimmt die herrschende Lehre nicht, denn sie begreift Art. 83 GG ja gerade nicht als abweichende Regel zu Art. 30 GG, sondern als seine Wiederholung bzw. Realisierung. Die herrschende Lehre tut auch gut daran, nicht in dieser Weise dogmatisch zu konstruieren, wenn auch so ihre Einzelergebnisse zu Art. 85 GG gerechtfertigt erschienen, denn die vorgeführte Konstruktion läuft bei Art. 84 GG auf. Konsequent müßte dieser Ansatz jede Bundesingerenz in Art. 84 GG als Bruch der in Art. 83 GG hineingelegten Ausführung „wie ein Landesgesetz" verwerten. Art. 84 Abs. 2 bis 5 GG wären damit zur Ausnahme der Ausführung „als eigene Angelegenheit" gestempelt. Art. 84 GG ist aber so gefaßt, daß er erst in toto sagt, was denn genau Ausführung „als eigene Angelegenheit" ist. Jede Bundesingerenz in seinen Absätzen 2 bis 5 stellte gemessen am Modell der Gleichstellung mit der Ausführung der Ländergesetze eine je abweichende Bestimmung dar; jede ist aber der Struktur des Art. 84 GG nach nichts anderes als die Ausformung und Durchbildung dessen, was die reine
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In dieser Lesart von „als eigene Angelegenheit" liegt die einzige mit dem Wortlaut verträgliche Ausdeutung, die ein anderes als „Sache der Länder" aussagt. Es liegt in dieser Lesart deswegen ein anderes im Vergleich zu Art. GG vor, weil die Länder ihnen eigentlich fremden Bundesgesetze danach nur so ausführen sollen, als ob das ihre eigene Angelegenheit wäre.
2.1. Interpretationsansätze und Interpretationsprobleme
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Verwaltungstypbezeichnung Ausführung „als eigene Angelegenheit" ausmacht. 49 Das berücksichtigt der Art. 30 GG brechende Ansatz nicht. Läßt man die herrschende Lehre so ansetzen, wie sie es von sich selbst behauptet, also Art. 30 GG in Art. 83 GG ungebrochen wiederholt oder konkretisiert werden, dann scheint ihr Anliegen einer durchgehenden Länderzuständigkeit für jeden Fall der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder gerettet. Wo die herrschende Lehre sich auf die Wiederholung des Art. 30 GG in Art. 83 GG stützt, setzt sie „Sache der Länder" offen identisch mit Ausführung „als eigene Angelegenheit". Aber selbst wo Art. 83 GG „nur" Realisierung bzw. Konkretisierung von Art. 30 GG sein soll, kann die Ausführung „als eigene Angelegenheit" der Behauptung nach 50 nur als Ausprägung, nicht als minus und nicht als aliud zur „Sache der Länder" gedacht werden. Das Realisierende und Konkretisierende deckte immer noch das Realisierte und Konkretisierte ab und bliebe nicht hinter ihm zurück. Beides, das gleichsetzende Wiederholen und das Art. 30 GG abdeckende Realisieren und Konkretisieren, hat das Problem, daß die Aussagen in Art. 30 und 83 GG schon textlich verschieden gefaßt sind. So entnimmt auch die herrschende Lehre Art. 30 GG die „Verteilung und Abgrenzung des Bundesbereichs und des Landesbereichs mit Verfassungsrang", 51 d.h. eine Regelung darüber, wann Gegenstände in die „Kompetenz" bzw. „Zuständigkeit" 52 der Länder, wann in die des Bundes fallen. Es geht bei Art. 30 GG darum, Aufgabenerfüllung und Befugnisausübung grundsätzlich den Ländern zu überweisen, aber zugleich auch so, daß diese Tätigkeitsfelder auch „Sache" der Länder, d.h. Gegenstand ihrer staatlichen53 Eigenbestimmung im Staatsinneren wie in allfälligen Außenverhältnissen bleiben. Das ist z.B. auch der Gehalt von Art. 30 GG, wenn es um die Ausführung der Landesgesetze geht. 54 Das ist aber einerseits mehr als eine „Regelzuständigkeit", die zur schlichten Außen- bzw. Wahrnehmungszuständigkeit verblaßt, und es ist andererseits mehr oder anderes als die Anordnung eines Vollzugstyps als Regeltyp der 49
Dazu vertiefend Kap. 2.4. Vgl. dazu Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 83 Randnr. 5 (1983). 51 So repräsentativ Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 30 Randnr. 1 (1982). 52 Zur Unterscheidung von Kompetenz und Zuständigkeit vgl. Schlink, Die Amtshilfe, S. 142 f. 53 Dazu Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 83 Randnr. 6 (1983) und vertiefend Kap. 2.3. Art. 30 GG und die sog. Staatlichkeit der Länder vertragen sich mit der auftragsrechtlichen Weisungshierarchie. Hier liegen keine unbewältigbaren Probleme. Der springende Punkt ist vielmehr, welche Rechts^ position den Ländern trotz der auftragsrechtlichen Weisungshierarchie, vor allem bei Ergehen rechtswidriger Weisungen, zukommt. Dazu Kap. 2.4., 3.2.2.3., 4.1. und 4.3. 54 Auch BVerfGE 63, 1/40 hält Art. 30 GG im Kontext der Landesgesetzausführung für anwendbar. 50
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
Ausführung von Bundesgesetzen. Die Wiederholungsthese der herrschenden Lehre kann nicht überzeugen. Daß sich die herrschende Meinung jetzt noch dahin flüchten kann, daß Art. 83 GG eine lex specialis zu Art. 30 GG darstellte, die den Ausführungstyp „als eigene Angelegenheit" als abweichende Bestimmung zur Ausführung als Ländersache etablierte, verhindert schon ihre eigene Positionsbeschreibung. 55 Dagegen steht auch die von der herrschenden Lehre unabhänige Überlegung, daß Art. 84 GG die Ausführung „als eigene Angelegenheit" nur als eine Bezeichnung von etwas verwendet, das er in concreto erst ausbildet. Es ist nicht sinnvoll, Art. 30 GG durch eine bloße Bezeichnung einer Vollzugsform gebrochen zu sehen, die erst in ihren Einzelausgestaltungen mit der Regel der „Ländersache" bricht. Die Verarbeitung des Namens des Vollzugstyps in Art. 83 GG zur Aussage, daß dieser Typus den Regelvollzugsmodus darstellte, ist mithin nicht sinnvoll in der Weise zu verstehen, daß schon damit die Regelaussage des Art. 30 GG modifiziert oder umgestoßen wäre. 56 Kann die herrschende Lehre also nicht der Mißlichkeit entfliehen, daß sie im Kontext des Art. 83 GG ein aliud oder minus im Vergleich zu dem, was Art. 30 GG interpretierend abgewonnen werden kann, als Wiederholung bzw. Realisierung des Art. 30 GG ausgibt, ist die These von der Wiederholung bzw. Realisierung des Art. 30 in Art. 83 GG brüchig geworden. Sie dient in der Sache nur dazu, unter der Hand aus dem „Sach"charakter des Art. 30 GG all das herauszufiltern, was mehr als Landeszuständigkeit bedeutet. 57 Ist ihr apokrypher Charakter als Wiederholung bzw. Realisierung entlarvt, ist somit ihr echter Gehalt als andere Regelung zu Art. 30 GG freigelegt. Sie versinkt damit in der Sache in all den Umstimmigkeiten, die der Einsatz des Terms „als eigene Angelegenheit", den Art. 84 GG nur zur Kennzeichnung eines dort ausgeformten Verwaltungstyps verwendet, zum (dürftigen) Aufgreifen des Art. 30 in Art. 83 GG mitsichbringt. Weil die herrschende Lehre Art. 83 GG verdeckt in die Rolle einer Exemtion zu Art. 30 GG rückt, verspielt sie das Kapital der Länder schon vor der Schwelle des Art. 85 GG. In Art. 85 GG kann es dann auch nicht mehr, zumindest nicht lege artis eingefahren werden. Optionen der Länder auf eine Rechtsposition, die mit hinreichender Dignität ein erfolgversprechendes juristisches Opponieren gegen Bundesakte in der 55 These der herrschenden Lehre ist zwar, daß Art. 83 GG lex specialis zu Art. 30 GG ist, aber wohl eben eine solche, die keine andere Regelung im Sinne des Art. 30, 2. Hs. GG trifft. Vgl. Lerche ebd. Randnr. 5 und 14. 56 Dazu vertiefend Kap. 2.4. 57 Weil Art. 30 GG durch Angleichung an die sog. Regelzuständigkeit in Art. 83 GG heruntergezont wird, kann Lerche ebd. Randnr. 14 immanent konsequent schreiben, die Ingerenzrechte des Bundes in Art. 84 und 85 GG erschienen als Realisierung von Art. 30, 2. Hs. GG; ausdrücklich spricht er insoweit von der „Regelzuständigkeit zugunsten der Länder". Ingerenzrechte, die Art. 83, 2. Hs. GG realisieren, realisieren in der Konsequenz der Wiederholungs- und Konkretisierungsthese der herrschenden Lehre zugleich Art. 30, 2. Hs. GG.
2.1. Interpretationsansätze und Interpretationsprobleme
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Auftrags Verwaltung ermöglichte, sind sodann, jedenfalls für methodisch disziplinierte und dogmatisch kontrollierte Argumentation ausgeschlossen. Konstruktion und Rekonstruktion der herrschenden Sichtweise zeigen, daß das Fundament für die von ihr getroffenen Ableitungen nicht exakt gelegt ist. Nun soll untersucht werden, ob die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der herrschenden Lehre Anhalte gibt, in ihrer Manier zu konstruieren, oder ob ihr Ansätze für eine Korrektur der herrschenden Auffassung abgewonnen werden können. 2.1.3. Ertrag der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Viel hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Konstruktion oder zu Vorbedingungen der Konstruktion der Länderstellung in der Bundesauftragsverwaltung ausgesprochen, das wenige dazu fragmentarisch, verstreut und mehr in Form von obiter dicta als von entscheidungsrelevanten Urteilspassagen. 58 Seit dem ersten Rundfunkurteil gilt ihm aber die Trennung der Kompetenz zum Erlaß und zur Ausführung der Bundesgesetze als Eigentümlichkeit des deutschen Bundesstaatsrechts. 59 Es hat dann auch keine Zweifel daran gelassen, daß den Ländern auch das ihre Sache sein kann, was dem Bund im Gesetzgebungsverfahren eigene Sache war. Im genannten Urteil trägt diese Erkenntnis die weitere, daß sich der Geltungsbereich der Norm, die zunächst alle staatliche Aufgabenerfüllung und Befugnisausübung Ländersache sein läßt (Art. 30 GG), in den V I I I . Abschnitt des Grundgesetzes hinein erstreckt und erst „er im einzelnen ,andere Regelungen4 (trifft), von denen in Art. 30 GG die Rede ist". 6 0 Das sind Sätze, die für die Länder zunächst mehr bedeuten, als eine Regelzuständigkeit, die problemlos zu einer reinen Außen- bzw. dünnen Wahrnehmungszuständigkeit heruntergefahren werden kann. Sein strenges Verständnis der in Art. 30 GG hart formulierten Länderpositionen hat das Bundesverfassungsgericht im Urteil zur Verfassungsmäßigkeit des Eisenbahnkreuzungsgesetzes unter Beweis gestellt: Die dem Bund in den Art. 84 Abs. 2 und Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG verliehenen Ingerenzrechte werden als Ausnahmen zu Art. 30 GG eingestuft, deren Zuweisung an den Bund dann auch solcher, wie der zitierten Ermächtigungsnormen bedürfe. 61 Nun läßt das Bundesverfassungsgericht für solche Ableitungen nicht Art. 30 GG genügen, sondern zieht Art. 83 GG hinzu. Die Unterschiede von Ausführung „als eigene Angelegenheit" und der Qualität „Ländersache" hat das Bundesverfas58 Zu den Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vgl. H.H. Klein, FS BVerfG, Bd. I I , S. 277 ff. 59 Vgl. BVerfGE 12, 205/246 f. 60 BVerfGE, ebd. S. 248. 6 · Vgl. BVerfGE 26, 338/397 und zu der Entscheidung E. Klein, DVB11970, S. 109 ff.
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
sungsgericht somit in seiner frühen Rechtsprechung, etwa schon im Urteil zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes über das Kreditwesen 62 eingeebnet. Es war aber mehr so, daß Art. 83 GG nur mitzitiert wurde, als daß er zentral oder mit Begründung eingeführt worden wäre. Die Dampfkesselentscheidung im 11. Band ist ein Beispiel dafür, wie vage und offenhaltend das Bundesverfassungsgericht Art. 30 und 83 GG miteinander und beide mit der Vermutung für die sog. Landeszuständigkeit bei Ausführung der Bundesgesetze in Beziehung setzt. 63 Aber das Bundesverfassungsgericht hat an dieser „Schreibweise" bis in die neuere Rechtsprechung hinein festgehalten, wie z.B. das prominente Urteil zum Ausbildungsplatzförderungsgesetz 64 belegen kann. Hier kann die herrschende Lehre Belegstellen für ihre Wiederholungs- bzw. Realisierungsthese suchen und finden. Aber das Urteil, in dem das Bundesverfassungsgericht jüngst seine „allgemeinen Grundsätze" 65 für ein „mögliches Zusammenwirken von Bundes- und Landesbehörden bei der Verwaltung . . . mit Blick auf . . . Art. 83 ff. G G " 6 6 statuiert hat, erwähnt Art. 30 GG nur nebenbei und bezogen auf die Ausführung der Landesgesetze.67 Damit hat das Bundesverfassungsgericht Art. 30 GG nicht mit der gleichen Wirkung herausgenommen, die die herrschende Lehre erzielt, filtert sie Art. 30 GG über das Sieb des Art. 83 GG ab. Das Bundesverfassungsgericht läßt Art. 30 GG deswegen beiseite, weil es nach eigener Aussage nur „mit Blick auf die Kompetenz- und Organisationsnormen der Art. 83 ff. G G " 6 8 ziehbare Schlüsse und treffbare Folgerungen für den V I I I . Abschnitt des Grundgesetzes ziehen bzw. treffen will. So liegt dann auch sein Hauptaugenmerk darauf, daß „das Grundgesetz . . . bestimmte Arten von Verwaltung" 69 normiert, und daß die Art. 83 ff. GG „für einzelne Verwaltungsmaterien bestimmte ,Verwaltungsformen'" 70 vorschreiben; es führt sie vor, erklärt die Ausführung der Bundesgesetze gemäß Art. 84 GG zur eigenen Angelegenheit der Länder 71 und kennzeichnet die Auftragsverwaltung in der 62 Vgl. BVerfGE 14, 197/213. 63 Vgl. BVerfGE 11, 6/15. Nachdem das BVerfG den Wortlaut von Art. 30 und 83 GG referiert hat, fährt es fort: „Unter Ausführung von Bundesgesetzen ist die verwaltungsmäßige Ausführung zu verstehen. In diesem Bereich spricht eine Vermutung für die Landeszuständigkeit." Aufgrund des Zitates kann die Zuständigkeitsvermutung nicht eindeutig bei Art. 30 oder 83 GG verortet werden. 64 Vgl. BVerfGE 55, 274/318. 65 BVerfGE 63, 1/39. 66 BVerfGE, ebd. S. 38. 67 BVerfGE, ebd. S. 40 68 BVerfGE, ebd. S. 38 69 BVerfGE, ebd. S. 40. 70 BVerfGE, ebd. 71 Vgl. BVerfGE, ebd.
2.1. Interpretationsansätze und Interpretationsprobleme
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Weise, „daß die beauftragte Verwaltung die zugewiesenen Aufgaben als eigene Aufgaben wahrnimmt". 72 Die Verwaltungsform der Länderausführung von Bundesgesetzen sieht das Bundesverfassungsgericht ausgestaltet in den Art. 84 und 85 GG, die „im wesentlichen die Abgrenzung des Wirkungsbereichs von Bund und Ländern" 73 betreffen würden. In den Art. 83 ff. GG sieht das Bundesverfassungsgericht die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern en détail geregelt, zu Verwaltungstypen ausgeformt und gegeneinander abgegrenzt. Art. 83 GG wird in dem referierten Passus der Entscheidung nur dazu herangezogen, die Verwaltungsform des Art. 84 GG zum Regeltyp zu bestimmen. Auch in dem Teil der Entscheidung, der urteilt und nicht „allgemeine Grundsätze" aufstellt, wird Art. 83 GG in der Funktion belassen, Verwaltungstypen abzugrenzen. Weil für die Ausführung der Bundesgesetze Art. 84 GG die Regelform ist, enthält Art. 87 Abs. 2 GG, wie sonst z. B. Art. 85, 86 und 87 GG im übrigen, „eine anderweitige Bestimmung im Sinne des Art. 83 G G " . 7 4 Das ist nicht die doppelte Aussage der herrschenden Lehre, sondern eine einzige Aussage, nämlich die für Art. 84 GG als Regeltyp. Da die Zuständigkeit der Länder dem Bundesverfassungsgericht eine notwendige Bedingung für das Eingreifen von Art. 84 GG ist, kann das Bundesverfassungsgericht ohne seine hier getroffene Interpretation zu gefährden, sagen: Im Bereich des Art. 87 Abs. 2 GG „ . . . sind die Länder nicht zuständig. Insoweit enthält Art. 87 Abs. 2 GG eine anderweitige Bestimmung im Sinne des Art. 83 G G " . 7 5 Das Bundesverfassungsgericht, das die Lehre von der doppelten Aussage des Art. 83 GG jedenfalls nicht ausformuliert nachvollzieht, verstrickt sich mithin auch nicht in die Aporien einer doppelsinnigen Auslegung der Norm. Damit hat das Gericht noch nicht die Karte des Art. 30 GG ausgespielt, also (noch) nicht gezeigt, welche Abwehrstellung die Länder gegenüber dem ingerierenden Bund einnehmen können, falls ihnen gemäß der in Art. 83, 84 und 85 GG nach bisheriger Judikatur des Bundesverfassungsgerichts zunächst76 ungebrochenen Regel des Art. 30 GG eine Verwaltungsaufgabe bzw. -befugnis „Sache" ist. Weil die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur spärliche Hinweise für eine adäquate Problemlösung gibt und die herrschende Lehre zur Problemlösung ungeeignet ist, muß die Untersuchung neu ansetzen. Bevor ein konstruktiver Neuansatz vorgelegt wird, versichert sich die Untersuchung der historischen und genetischen Grundlagen der Bundesauftragsverwaltung. Dabei sollen die Materialien nicht nur im Hinblick auf denkbare konstruktive 72
BVerfGE, ebd. S. 42. 3 BVerfGE, ebd. S. 40. 74 BVerfGE, ebd. S. 36. 75 BVerfGE, ebd. 76 Das soll heißen, Art. 30 GG wird nicht prinzipiell, sondern erst und nur durch die einzelnen Ingerenzrechte in Art. 84 und 85 GG gebrochen. 7
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
Neuansätze durchforstet werden, sondern auch daraufhin befragt werden, wie weit Ansatz u n d Irrwege der herrschenden Lehre historisch u n d genetisch Authentisches verwerten.
2.2. Staatsrechtliche Auftragsverwaltung in Verfassungsgeschichte und Verfassungsgenese A b der Z e i t , da es Meinungen zu einer auch so genannten staatsrechtlichen Auftragsverwaltung i m Verhältnis v o n Gesamtstaat u n d Gliedstaaten geben konnte, war diejenige herrschend, der die kommunalrechtliche Auftragsverwaltung den Ursprung u n d das V o r b i l d für das h o m o n y m e staatsrechtliche Institut abgab. 1 D e r auch heute noch häufig zitierte 2 § 166 der Stein'schen Städteordnung von 1808 3 bringt denn auch eine positiv-rechtliche Einfassung der Ausübungsweise von V e r w a l t u n g „vermöge A u f t r a g s " , sprich eine Verwaltungsform, auf die eine verlegene Verfassungs- u n d Verwaltungspraxis u n d die sie rechtfertigenden Lehren, denen lange Z e i t entsprechende geschriebene verfassungsrechtliche 4 N o r m e n nicht gegeben waren, 5 verweisen k o n n t e n . 6 ι Vgl. Koch-Weser, JW 1928, S. 2763; Peters, Reich und Länder 1928/1929, S. 369; Holtz, RuPrVBl 1929, S. 836; Lassar, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Band, S. 314; Heinemann, Die Reichsauftragsverwaltung, S. 10; Weber, Spannungen und Kräfte im westdeutschen Verfassungssystem, S. 62; Herrfahrdt, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 85, Anm. I (1950); v. Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. I I I , Art. 85 Anm. I I 1; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I I , S. 807; a. A . zuerst Molls, Auftragsverwaltung in Reich und Ländern, S. 96; Wolst, Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform, S. 32 wendet sich gegen eine einseitige genetische Erklärung der staatsrechtlichen Auftragsverwaltung und gibt S. 31 ff. einen differenzierten Überblick zu deren Entstehung. 2 Z . B . bei v. Mangoldt / Klein, ebd. Anm. I I 1; Görg, D Ö V 1955, S. 276; Groß, Die Haftung der Länder in der Auf tragsverwaltung, S. 4 und Stein, Untersuchung der Möglichkeiten einer Erweiterung der Bundesauf tragsverwaltung, S. 8. 3 „Dem Staate bleibt vorbehalten, in den Städten eigene Polizeibehörden anzuordnen oder die Ausübung der Polizei dem Magistrate zu übertragen, der sie sodann vermöge Auftrags ausübt. So wie die besonderen Polizeibehörden, welche in den Städten angeordnet werden, unter den oberen Polizeibehörden stehen, so steht auch der Magistrat, welcher die Polizei vermöge Auftrags erhält, unter diesen höheren Behörden rücksichtlich alles dessen, was auf die Polizeiübung Bezug hat. Die Magistrate werden in dieser Hinsicht als Behörden des Staates betrachtet." 4 Der Begriff „Auftragsangelegenheiten" wurde in Art. 72 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Preussen von 1920 erstmals Verfassungsbegriff: Die Provinzen verwalten nach Maßgabe des Gesetzes durch ihre eigenen Organe: a) selbständig die ihnen gesetzlich obliegenden oder freiwillig von ihnen übernommenen eigenen Angelegenheiten (Selbstverwaltungsangelegenheiten), b) als ausführende Organe des Staates die ihnen übertragenen staatlichen Angelegenheiten (Auftragsangelegenheiten). 5 Erst Art. 85 GG brachte eine verfassungsrechtliche Normierung von Auftragsverwaltung im Verhältnis von Zentralstaaten und Gliedstaaten. 6 Eine sehr eingehende Bezugnahme findet sich etwa bei Heinemann, Die Reichsauftragsverwaltung, S. 4 f.
2.2. Verfassungsgeschichte und Verfassungsgenese
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Dabei ist es nie um Analogien oder sonstige methodische Stützungen gegangen, die auftragsmäßigen oder auftragsähnlichen Vollzugsformen im Bundesstaat sicheren Boden hätten bereiten sollen, sondern um den Einstieg in eine dem Kommunalrecht nachgebaute Wirkungskreislehre, also um eine Kopie 7 des Gedankens eines übertragenen im Unterschied zu einem eigenen Wirkungskreis. Das ist eine Pointe, die tiefgreifende und bis in das antike Recht zurückgreifende rechtsgeschichtliche Untersuchungen von Auftragselementen, wie sie etwa Triepel 8 1942 in den Kategorien von Delegation und Mandat miterledigt hat, hätten besser nicht liefern können und die auch nicht auf die erstmalige verfassungsurkundliche Festschreibung von Auftragsverwaltung im Verhältnis von Gliedstaat und Gesamtstaat in Art. 85 GG warten mußte. Vielmehr hat die auf dieser Pointe aufbauende Lehre Art. 85 GG für sich interpretati ν besetzt.9 In einer Zeit, in der nun einmal staatsrechtliche Auftrags Verwaltung und die Stellung der Länder in das bundesstaatliche Gefüge überhaupt bettende Normen vorhanden sind, sollte doch eigentlich nur noch in rechtsgeschichtlicher Absicht untersucht werden müssen, in welchem Maße das kommunalisierende Denken auf den verschiedenen Stufen der Entwicklung auftragsmäßiger Verwaltung durch die Länder Platz griff, tradiert, beiseite gelassen und letztlich verabschiedet wurde. Die Wirklichkeit lehrt aber, daß den herrschenden Konstruktionen der Bundesauftragsverwaltung und des den Ländern in ihr eingeräumten Raumes ein nach wie vor durch die kommunalrechtliche Tradition geprägtes, wenn auch nicht immer eingestandenes bzw. offengelegtes Vorverständnis zugrundeliegt, das dann auch zu der beschriebenen Verortung der Länder an unterer und juristisch schlecht bewehrter Stelle in weisungsgeladenen Instanzenzügen führt. 1 0 Die Anfrage an die Verfassungshistorie muß daher dahin gehen, ob sich die herrschende Auffassung zurecht in eine ungebrochene Denk- und Dogmentradition stellen kann, oder ob sie nicht vielmehr anachronistisches Versatzmaterial über Jahrzehnte fortgeschleppt hat. Ein speziell verfassungsgenetisches Anliegen ist dabei die Suche nach den verfas7 Peters, Reich und Länder 1928/1929, S. 369 äußert, „an diesem Vorbild" werde man „lernen müssen". 8 Triepel, Delegation und Mandat im Öffentlichen Recht, S. 8 - 5 0 und 131 - 151 arbeitet vorwiegend begriffsgeschichtlich. Die bundesstaatliche und die kommunalrechtliche Auftragsverwaltung faßt Triepel unter den Begriff des obrigkeitlichen Mandats (S. 133) und nicht den der Delegation (S. 25 mit Fn. 9). 9 Vgl. die Nachweise in Kap. 2.1.1., Fn. 1. 10 Repräsentativ Broß, in: v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band 3, Art. 85 Randnr. 1: Die Bundesauftragsverwaltung „zeichnet sich vor allem - und darin liegt der wesentl. Unterschied zur Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit . . . - in den Möglichkeiten der Einflußnahme durch den Bund aus. Werden die Länder im Auftrage des Bundes tätig, so kann jener z.B. durch Weisungen sehr intensiv auf die Länder einwirken. Insofern sind die Tatbestände mit denen des KommunalR, in dessen Bereich ebenfalls eigene und übertragene Angelegenheiten unterschieden werden . . . vergleichbar."
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
sungspolitischen Vorzeichen und dogmatischen Konzeptionen in ihren jeweiligen Schattierungen und Nuancierungen, unter bzw. nach denen das grundgesetzliche Novum einer Bundesauftragsverwaltung ins Leben gerufen wurde. Ein erster Teil der folgenden Abhandlung soll das Aufkommen auftragsmäßiger Formen im bundesstaatlichen Kaiserreich, sowie Ausbildung und Ausformung der sogenannten „Reichsauftragsverwaltung" nach dem Zusammenbruch 1918 nachzeichnen und in den allgemeinen Kontext der ländermäßigen Ausführung von Zentralstaatsgesetzen einordnen, ein zweiter die Genese des Art. 85 GG und, wo für die Positionierung der Länder in der Bundesauftragsverwaltung erforderlich, auch die der Art. 30, 83 und 84 GG aufbereiten und dabei analysieren, was an historischem Material der Verfassungsgeber aufgegriffen und was er in der Geschichte liegen gelassen hat.
2.2.1. Die Entwicklung bis zum Ende der Weimarer Republik 2.2.1.1. Spätkonstitutionalismus
Lange Zeit 1 1 galt es als Verdienst des Weimarer Reichsinnen- und späterhin Reichsjustizministers Koch-Weser, den Gedanken der auftragsweisen Verwaltung in das staatsrechtliche Verhältnis von Reich und Ländern eingeführt zu haben. Er selbst12 hat seine Urheberschaft auf das Jahr 1925 datiert. Es hat nicht den Wert einer Neuigkeit, demgegenüber auf v. Delbrück zu verweisen, der 1867 die Möglichkeit erwog, Bundesangelegenheiten des Norddeutschen Bundes durch „die zuständigen preußischen Minister, im Auftrage des Bundespräsidenten und unter Verantwortlichkeit des Kanzlers" 13 verwalten zu lassen. Dem designierten Präsidenten des Bundeskanzleramtes und mithin Stellvertreter des Bundeskanzlers erschien diese Verwaltungsform gegenüber einer solchen, bei der „die Zusammenfassung der gesamten Verwaltung in der Hand des Kanzlers" 14 erfolgte, unzulässig15 und für ihn als den von Bismarck favorisierten zweiten Kopf in der Verwaltungsspitze persönlich inakzeptabel. 1 6 Die staatsrechtliche Auftragsverwaltung fand somit in v. Delbrück einen schlechten, weil ablehnenden Vater. Er hat seinen unliebsamen Abkömmling nicht weiter konzipiert und spezifiziert, dennoch erkennbar in ihm etwas ande11 Diese Einschätzung findet sich noch bei Groß, Die Haftung der Länder in der Auftragsverwaltung, S. 4, wenn auch mit der Einschränkung (S. 5), „daß gewisse Formen der Auftragsverwaltung zwischen Reich und Ländern der Staatspraxis schon bisher (vor 1925) nicht unbekannt waren." 12 Koch-Weser, JW 1928, S. 2763: „Seit ich diesen Gedanken im Jahre 1925 zum ersten Male vertreten habe, hat er immer mehr Anhänger gefunden . . . " 13 v. Delbrück, Lebenserinnerungen 1817 - 1867, S. 400. 14 v. Delbrück, ebd. 15 v. Delbrück, ebd. 16 v. Delbrück, ebd. S. 401.
2.2. Verfassungsgeschichte und Verfassungsgenese
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res gesehen als spätere A u t o r e n , unter ihnen vor allem Koch-Weser. G i n g es diesen darum, m i t der Auftragsverwaltung dem Reich weitreichenden Einfluß auf die Ausführung der Reichsgesetze zu verschaffen, 1 7 so fürchtete v. D e l brück gerade umgekehrt die Entmachtung des Reiches, weil „eine Behörde ohne V e r w a l t u n g auch ohne M a c h t " 1 8 sei. Das, was v. Delbrück i n toto verhindern wollte, ist i m Norddeutschen B u n d und i m Deutschen Reich zu Teilen W i r k l i c h k e i t geworden. Ohne nachweisbare A n l e i h e n i m K o m m u n a l r e c h t 1 9 u n d ohne juristische Auftragsdogmatik haben Verfassungs- und Staatspraxis einen erheblichen T e i l der Ausführungskompetenzen i n Reichsangelegenheiten i n die Hände Preußens gelegt. A u s den mehrfach i n der L i t e r a t u r 2 0 aufgelisteten Verzahnungen v o n B u n d bzw. Reich u n d Preußen seien hier als Beispiel die Übertragung der Geschäfte der Bundesschuldenverwaltung
auf die Preußische
Staatsschuldenverwaltung 2 1
und die Wahrnehmung der Reichsrechnungsführung durch die Preußische Oberrechnungskammer 2 2 genannt. Diese Beauftragungen erklären sich aus der hegemonialen Stellung Preußens 2 3 u n d der Angewiesenheit des Bundes auf derartige preußische Verwaltungshilfen. Es ist eine Sache der D e f i n i t i o n 2 4 , 17
Koch-Weser,
Einheitsstaat und Selbstverwaltung, S. 34 f.; ders., Die Justiz 1927,
S. 2 f. 18
v. Delbrück, Lebenserinnerungen 1817 - 1867, S. 401. So zurecht Wolst, Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform, S. 35. 20 Grundlegend Triepel, Die Reichsaufsicht, S. 296 ff.; ausführliche Darstellungen auch bei Molls, Auftragsverwaltung in Reich und Ländern, S. 12 ff. ; Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 115 ff., Mußgnug, in: Jeserich u.a. (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. I I I , S. 194 ff. und Wolst, ebd., S. 32 ff.; vgl. auch Stein, Untersuchung der Möglichkeit einer Erweiterung der Bundesauftragsverwaltung, S. 7 f. 21 Vgl. §§ 9 ff. des Gesetzes vom 19. Juni 1868 (BGBl. S. 339 ff.); dazu Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 4, S. 373 f. 22 Vgl. Gesetz vom 4. Juli 1868 (BGBl. S. 433); dazu und zur Fortentwicklung vgl. Laband, ebd. S. 559 ff. und Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band I I I , S. 801 und 847 f. 23 Zur Bedingtheit dieser Phänomene durch die preußische Hegemonie vgl. Wolst, Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform, S. 34 f.; zum Ausbau der Hegemonialstellung durch diese Verwaltungsführung vgl. Huber, ebd., S. 801: „Durch die Ausübung solcher Reichskompetenzen wuchs den preußischen Behörden eine das verfassungsrechtlich vorgesehene Maß weit übersteigende Hegemonialfunktion zu." Zur hegemonialen Stellung Preußens im Reich und zu dessen „Verpreußung" zuletzt Rosenau, Hegemonie und Dualismus. Preußens staatsrechtliche Stellung im Deutschen Reich, und grundlegend Triepel, Die Hegemonie, S. 553 ff.; dazu auch M. Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland, in: ders., Zur Politik im Weltkrieg, S. 276 ff. 24 Zwei wesentliche Unterschiede zur heutigen staatsrechtlichen Auftragsverwaltung bestehen: Erstens war nicht der Gliedstaat, sondern eine seiner Behörden „beauftragt" (vgl. Wolst, ebd., S. 35). Zweitens erfolgte die Reichsrechnungsführung durch die preußische Oberrechnungskammer „unter der Firma Reichsrechnungshof" (Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 117) und die Reichsschuldenverwaltung auch unter diesem Namen durch die preußische Behörde (vgl. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 4, S. 374), also namens der Zentralstaatsebene. 19
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
hier von Auftragsverwaltung zu sprechen und damit aus dem heute geläufigen Repertoire öffentlich-rechtlicher Begrifflichkeit ex post Benennungen vorzunehmen. Zeitgenössisch authentisch war der Begriff weder zur Bezeichnung der geschilderten noch anderer 25 , auch nachträglich mit ihm in Verbindung gebrachter staatsrechtlicher Phänomene. 26 Eine weitere solche Frühform von Auftragsverwaltung wurde dadurch erzeugt, daß die mit der Reichsoberaufsicht (Art. 4 und 17 RV) ausgestatteten Reichsbehörden zunehmend ihr Aufsichtsrecht gegenüber den regelmäßig die Reichsgesetze ausführenden Ländern, gestützt auf einfache Gesetze, zu einer unmittelbaren Reichsaufsicht ausbauen konnten, 27 womit ihnen laut Triepel „eine Kompetenz geschenkt wurde, die als unmittelbare Verwaltung aufgefaßt werden muß". 2 8 Den Reichsaufsichtsbehörden wurde teilweise der direkte Zugriff auf mittlere und untere Landesbehörden gestattet, diesen gegenüber wurden ihnen Weisungen und Entscheidungen im Einzelfall und auch in Zweckmäßigkeitsfragen ermöglicht, und schließlich führten die Länder manche Verwaltungen offen im Namen und nicht nur für Rechnung des Reiches aus. Triepel hat diese veränderte „Praxis" 29 als „Verfassungswandelung" 3 0 verbucht und in der Sache eine partielle Umwandlung von Landesstellen in Reichsbehörden festgestellt. 31 Eine Skala von Abstufungen in den Reichsingerenzen hat er gezeichnet.32 Besondere Transferüberlegungen im Hinblick auf die kommunalrechtliche Trennung von eigenem und übertragenem Wirkungskreis sowie Analogien in der Benennung, um die aufweisbaren und aufgewiesenen juristischen Abnormitäten und Sonderentwicklungen aufzugreifen und auf einen Begriff zu bringen, fielen in der damaligen staatsrechtlichen Literatur wohl deswegen aus, 25
Prominent ist das Beispiel der finanziellen Militärverwaltung, weil das Reichsgericht in Prozessen des Reichsmilitärfiskus zu erkennen hatte, ob Landeskontingentverwaltungen bzw. Korpsintendanturen zu dessen Vertretung in Prozessen befugt sind. Vgl. etwa RG, Urt. v. 9. März 1888, R G Z 20, 148 ff. Bejahend RGZ, ebd., S. 152 ff.; weitere Nachweise und Gesamtdarstellung bei Wolst, ebd. S. 33 f. 26 Selbst die ihren Namen verdienenden ersten Formen staatsrechtlicher Auftragsverwaltung sind zu ihrer Zeit, beginnend um die Jahrhundertwende, nicht beim Namen genannt und nicht als Novum gewürdigt worden; vgl. Wolst, ebd. S. 35 f. 27 Dazu Triepel, Die Reichsauf sieht, S. 296 ff. mit umfassenden Nachweisen zu den gesetzlichen Grundlagen und Wolst, ebd., S. 33. 2 * Triepel, ebd. S. 312. 29 Triepel, ebd. spricht am „Beispiel... der finanziellen Militärverwaltung" (S. 312) von einer „Praxis, der diese Verfassungswandelung doch letztlich zu verdanken ist" (S. 315). 30 Triepel, ebd.; vgl. auch S. 298 zum Thema ^stillschweigend' vorgenommene Änderung (en) der Reichsverfassung": „Die Gesetzgebung des Reichs, oft auch Bildungen gewohnheitsrechtlichen Charakters haben im Laufe der letztverflossenen vier Jahrzehnte die Verfassung einschneidend verändert - ohne daß dies in einer Umgestaltung des Verfassungstextes zum Ausdruck gekommen ist." 31 Triepel, ebd. S. 315. 32 Triepel, ebd. S. 299 ff.
2.2. Verfassungsgeschichte und Verfassungsgenese
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weil schon für das Gesamtphänomen der einzelstaatlichen Verwaltungstätigkeit „nach den Gesetzen und unter Aufsicht des Bundesstaates", wie es G. Jellinek 3 3 in Anlehnung an Art. 4 RV formulierte, ein dem Kommunalrecht nachkonstruierendes und dabei auch das Auftragsvokabular nicht scheuendes Denken Platz gegriffen hatte. So findet sich hier eine in der heutigen Literatur vernachlässigte Ahnenlinie staatsrechtlicher Auftragsverwaltung im bundesstaatlichen Gesetzes Vollzug, deren Geschichte an Rang und Relevanz nicht der üblicherweise betriebenen Geschichte besonderer Vorläufer, wie der erwähnten, nachsteht. Die angesprochene Ahnenlinie führt zur Stellung der Partikularstaaten im Rahmen von Art. 4 RV. Wenn die Untersuchung die hierzu vertretenen Positionen hinsichtlich des in diesem Kontext anzutreffenden Auftragsmomentes befragt, kommt sie nicht umhin, das Gesamtphänomen der Ausführung der Reichsgesetze durch die Einzelstaaten anzusprechen. Um zu verneinen, hatte Rümelin gefragt: „Handeln dieselben (die Partikularstaaten) im Auftrage des Reichs und als Organe des Letzteren und characterisirt sich in Folge dessen ihre Verwaltung als Selbstverwaltung?" 34 Für Rümelin ist das „die Frage" 35 . Sein Satz birgt aber drei Fragen: Handeln die Einzelstaaten hier im Auftrage des Reichs? Sind sie insoweit Organe des letzteren? Darf in diesem Zusammenhang von einer Selbstverwaltung gesprochen werden? Eine ausdrückliche Antwort gibt Rümelin nur auf die letzte Teilfrage: „Der Begriff der Selbstverwaltung würde nothwendig die Existenz eines höheren Gemeinwesens voraussetzen, welches an Stelle des verwaltenden Theilorganismus treten könnte, und welches dem letzteren das Recht der Verwaltung übertragen hätte. Dies trifft aber bezüglich des Deutschen Reichs in keiner Weise zu. Das Reich hat durch Art. 4 der Verfassung nur das Gesetzgebungs- und Beaufsichtigungsrecht zugetheilt erhalten. Das Recht der unmittelbaren Verwaltung auf den betreffenden Gebieten ist durchaus den Einzelstaaten verblieben und kann nur beschränkt werden, durch ein auf Grund des Art. 78 der Verfassung zu Stande gekommenes die Verfassung selbst abänderndes Gesetz." 36 Die beiden anderen Teilfragen beantwortet Rümelin nicht ausdrücklich. Im Gegenteil stellt er das, was als Antwort auf die zweite Teilfrage zu geben wäre, dem Fragesatz direkt voran: „Fassen wir nun die Particularstaaten als Verwaltungskörper des Reichs näher ins Auge" 3 7 . Beides spricht dafür, daß die sprachlich eliminierbaren beiden ersten Teilfragen für Rümelin keine Fragen sind. Folglich ist seine Beschreibung der Stellung der Einzelstaaten eine Beschreibung derselben, wenn sie im Auftrage des Bundes handeln. 33 34 35 36 37
G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 771. Rümelin, Zeitschr. f. Staatsw. Bd. 39, 1883, S. 209. Rümelin, ebd. Rümelin, ebd. Rümelin, ebd.
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
Dann gilt für ihn: „Die Einzelstaaten führen die Verwaltung kraft eigenen Rechts und in eigenem Namen." 3 8 Die Einzelstaaten sind demnach für Rümelin zwar Werkzeuge (Organe) des Reichs und handeln in seinem Auftrag, aber dies dennoch in eigenem Namen und kraft eigenen Rechts. Wie aber Beauftragung und Handeln aus eigenem Recht zusammengedacht werden können, erklärt Rümelin nicht. Hierzu ist die Auskunft anderer spätkonstitutioneller Staatsrechtslehrer einzuholen. Diese bilden gegenüber Rümelin insofern eine herrschende Lehre, als ihnen zufolge die Stellung der Einzelstaaten im Kontext von Art. 4 RV der von Selbstverwaltungskörpern entspricht. 39 Da ist Laband, dessen Auffassung sich weitgehend mit der von Haenel deckt. 40 Er setzt die Länder dann in die Stellung von Selbstverwaltungskörpern ein, wenn diese „die Durchführung und Handhabung der Reichsgewalt nach den vom Reich gegebenen Normen und unter Aufsicht des Reichs vermitteln", 4 1 nimmt sie als „bloß geographische Distrikte" 4 2 , wo sich die Reichsgewalt direkt und unvermittelt betätigt, läßt sie aber im Restbereich „autonome (nicht souveräne) Staaten" 43 sein. Mit der bereichsspezifischen Einsetzung der Einzelstaaten in den Status von Selbstverwaltungskörpern sollte ausgesagt sein, daß „eine obere Gewalt die ihr zustehenden Hoheitsrechte nicht unmittelbar mittelst eines eigenen, zu ihrer ausschließlichen Disposition stehenden Apparates durchführt, sondern sich darauf beschränkt, die Normen für die Ausübung dieser Hoheitsrechte aufzustellen und ihre Durchführung zu beaufsichtigen, während die Durchführung selbst ihr untergeordneten politischen Körpern übertragen oder überlassen ist". 4 4 Im thematischen Betrachtungsfeld kommt aber nur die Überlassungs- und nicht die Übertragungsalternative in Frage. Sonst fügte es sich nicht damit zusammen, daß Laband gerade die Durchführungsaufgabe und Handhabungsbefugnis als „den Einzelstaaten verblieben" 45 hinstellt. Ist für ihn die Durchführung der Reichsgesetze eine 38
Rümelin, ebd. Vgl. Haenel, Deutsches Staatsrecht, Erster Band, S. 322 u. 798 (Es geht ausdrücklich nur um eine Analogie; die Einzelstaaten sind keine Selbstverwaltungskörper; vgl. ebd. S. 801); G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 771; Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 1, S. 102; Rosin, Annalen des Deutschen Reichs 1883, S. 282; Zorn, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Erster Band, S. 109. 40 In zentralen Fragen folgt Laband Haenel. Vgl. Laband, ebd. S. 102, Fn. 3; S. 104, Fn. 4; S. 106, Fn. 1; S. 107, Fn. 2; S. 111, Fn. 3 und 4. Die Übereinstimmung erstaunt wegen der erheblichen Differenzen beider Autoren in der bundesstaatlichen Konstruktion des Reichs und der daraus resultierenden gegenseitigen Kritik. Vgl. Laband, ebd., S. 81 ff. und Haenel, ebd. S. 202 f. und 207. 41 Laband, ebd. S. 107; vgl. auch S. 102 ff. 4 2 Laband, ebd. S. 107. 43 Laband, ebd. 44 Laband, ebd. S. 103 f., Fn. 4. 45 Laband, ebd. S. 102; Protest dagegen bei Zorn, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, S. 110, Fn. 7. 39
2.2. Verfassungsgeschichte und Verfassungsgenese
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originäre Aufgabe der Einzelstaaten, so ist damit aber eine Übertragung von konkreten Aufgaben durch auszuführende Reichsgesetze an die Einzelstaaten nicht ausgeschlossen.46 Was läßt sich diesem Modell für die gestellte Frage nach dem Auftragsmoment entnehmen? Kann die den Ländern verbliebene Durchführungsaufgabe zugleich als Auftrag an sie verstanden werden? Der einzige Anhaltspunkt für ein Auftragsmoment, der sich bei Laband findet, ist das Verständnis der Beaufsichtigung der Länder durch das Reich auch dahingehend, „daß sie die ihnen durch Reichsgesetz übertragenen Aufgaben positiv erfüllen". 47 Zu diesem Punkt weiterführend ist der von Laband oft in Bezug genommene Haenel. Er stellt bei seiner Beschäftigung mit dem „eigentümliche(n) Grundsatz . . . , daß auf den dem Reiche zugewiesenen Kompetenzgebieten weiterhin eine Verteilung der Regierungsgewalt zwischen dem Reiche und den Einzelstaaten stattfindet" 48 , fest, daß der Katalog der Angelegenheiten des Art. 4 RV dem Reiche zunächst nur „materielle Kompetenz( ) " 4 9 zuweise, ihm eine „formelle ( ) Kompetenz ( ) behufs Verwirklichung der ihm gestellten Verwaltungsaufgaben" 50 aber nur hinsichtlich der Gesetzgebung und Beaufsichtigung gebe. In die „Lücke, welche die Rechtssphäre des Reiches" 51 damit hinsichtlich der Durchführungsaufgabe aufweist, läßt Haenel „die Rechtssphäre der Einzelstaaten einrücken". 52 „Gerade hierdurch" sieht Haenel „die letzteren berufen". 53 Die Berufung liege in der „Absicht der Reichsverfassung". 54 Wie die Berufung funktionieren soll, und warum die Berufung nicht in der Reichsverfassung stehe, sondern bloß in ihrer Absicht liege, erklärt Haenel nur indirekt. Weil für ihn jede Kompetenz des Reiches „des Nachweises aus der Reichsverfassung" 55 bedarf, sind nicht entsprechend nachweisbare Kompetenzmaterien solche der Einzelstaaten. Die Berufung kann folglich nicht anders als eine Verpflichtung der Einzelstaaten zur Wahrnehmung ihrer originären Aufgaben gedeutet werden: „Es ist auf der einen Seite das verfassungsmäßige Recht der Einzelstaaten, an der Aus- und Durchführung der Reichsaufgaben mitzuwirken. Aber es ist auf der anderen Seite auch die verfassungsmäßige Pflicht derselben, diese ihre Mitwirkung dem Reiche zu leisten. Die Regierungsgewalt der Einzelstaaten steht verfassungsmäßig im Dienste des Reiches." 56 Die Ausführungskompetenz steht also zwischen 46
Vgl. Laband, ebd. S. 108. Laband, ebd. 48 Haenel, Deutsches Staatsrecht, S. 235. 49 Haenel, ebd. S. 234. S( ' Haenel, ebd. S. 235. 51 Haenel, ebd. 52 Haenel, ebd. 53 Haenel, ebd. 54 Haenel, ebd. 55 Haenel, ebd. S. 236. 47
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
Recht und Pflicht, und wo sie mit Pflicht belegt ist, ist die Nähe zum staatsrechtlichen Auftrag begründet. Diesen auftragsrechtlichen Bezug hat G. Jellinek 57 deutlicher herausgestellt und die jeweilige Verortung der Länder mit seiner „status"-Lehre auf den Begriff gebracht. Im status passivus stünden die Länder überall dort, wo sie ein „Gebiet bundesstaatlicher Funktionen . . . in bundesstaatlichem Auftrage" zu versorgen hätten, so daß „sie nicht ihren, sondern den bundesstaatlichen Willen zur Vollziehung" brächten. 58 Dort wo die Gliedstaaten berechtigt wie verpflichtet „in ihrer Eigenschaft als dem Bundesstaate eingegliederte höhere Gemeinverbände Funktionen für diesen zu vollziehen" hätten, entspringe dem status subiectionis die Pflicht zum Gehorsam und seien die Länder „von der Qualifikation als Staaten auf den Zustand eines Kommunalverbandes" herabgedrückt. 59 Noch drastischer schreibt Bornhak, sie handelten „unter Verleugnung ihrer staatlichen Natur als Organe des Reiches". 60 Dieser capitis deminutio 61 im status passivus stellt G. Jellinek eine „von der Bundesstaatsgewalt gänzlich befreite Sphäre: einen status libertatis" gegenüber, in der bzw. dem „der Gliedstaat nach eigenem, durch Bundesrecht inhaltlich nicht bestimmten Beschluß normsetzend und mit eigenem, nicht abgeleiteten Imperium verwaltend auftritt". 6 2 Dieser status libertatis ist 56
Haenel, ebd. G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 296. 58 G. Jellinek, ebd.; der bundesstaatliche Auftrag besteht für G. Jellinek, ebd., dort, wo die Gliedstaaten „bundesstaatsgesetzlich . . . zur Vornahme bestimmter . . . Funktionen verpflichtet sind." Auftrag meint damit auch bei G. Jellinek zunächst Verpflichtung. 59 G. Jellinek, ebd.; vgl. auch ders., Allgemeine Staatslehre, S. 771. In der erstgenannten Fundstelle nennt G. Jellinek zwei Erscheinungsweisen des status passivus: Entweder sollen die Gliedstaaten gänzlich als Rechtssubjekte negiert und zu bloßen Pflichtsubjekten degradiert sein oder als Rechtssubjekte in der Rangstufe von Kommunalverbänden erhalten bleiben. Rechtssubjekt seien sie im zweiten Falle deswegen, weil ihnen dann gleich den Gemeinden ein Rechtsanspruch auf „Teilnahme an der Staatsverwaltung" zustünde. Nach der zweiten Fundstelle gehört die Gliedstaatsverwaltung nach den Gesetzen und unter Aufsicht des Bundes zu dieser Fallgruppe. Sind die Gliedstaaten aber „ganz außer Tätigkeit gesetzt, indem die eigene Verwaltung des Bundesstaates an die Stelle der ihrigen tritt" (G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 771), liegt die erste Fallgruppe vor. 60 Bornhak, A ö R Bd. 7, 1892, S. 348. 61 Dieser von G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 296 verwandte Terminus entstammt dem römischen Recht und bezeichnet dort die Zerstörung der rechtlichen Persönlichkeit. In der Form der maxima c. d. ging die rechtliche Persönlichkeit überhaupt verloren, in den Formen der media oder magna c. d. und der minima c. d. ging nur die bisherige rechtliche Art der Persönlichkeit verloren (vgl. Sohm, Institutionen des römischen Rechts, S. 201 und Käser, Römisches Privatrecht, S. 72). Sieht G. Jellinek, ebd., die Gliedstaaten (nur) „auf den Zustand eines Kommunalverbandes" her abgedrückt, so scheidet eine Begriffsanalogie zur römischen maxima capitis deminutio aus. 62 G. Jellinek, ebd. S. 297. 57
2.2. Verfassungsgeschichte und Verfassungsgenese
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geschützt durch Rechte eines positiven Status auf „Anerkennung der bundesrechtsfreien staatlichen Sphäre, welche daher den Anspruch auf Unterlassung, beziehentlich Aufhebung der das Subjektionsverhältnis rechtswidrig ausdehnenden bundesstaatlichen Anordnungen in sich schließt", und durch einen entsprechend abgestimmten „Rechtsschutzanspruch" flankiert und bewehrt. 63 Über den status positivus werden die Grenzen bewahrt, die der status libertatis dem status passivus setzt. Die Statuslehre liefert den bundesstaatsrechtlichen Anspruch darauf, daß ein Subjektionsverhältnis nicht dort installiert und Gehorsam nicht dort verlangt wird, wo die rechtlichen Grenzen der gliedstaatlichen Unterwerfung überschritten sind. G. Jellinek 64 setzt diesen Anspruch analog jenem, „der den staatlichen Untertanen durch die Verwaltungsgerichtsbarket garantiert" sei. Nur gehe es hier um Verfassungsstreitigkeiten. Fehle es zwar noch an einer zuständigen Instanz sowie an einem geregelten Rechtsverfahren, so wäre damit das Dasein des besagten Anspruchs nicht aufgehoben, 65 sondern vielmehr ein Fingerzeig für den Aufbau der Verfassung gegeben.66 Soweit sich überschauen läßt, hat sich G. Jellinek nicht darüber erklärt, ob der so konstruierte bundesstaatliche Abwehranspruch bzw. Rechtsschutzanspruch schon durch jede reichsgesetzwidrige Anordnung einer Reichsinstanz gegenüber einem Reichsgesetze vollziehenden Land ausgelöst würde, weil darin die Überschreitung des bundesstaatlichen Subjektionsverhältnisses gelegen sei, oder ob erst die Erstreckung von Aufsichtsmaßnahmen und darunter Anordnungen über die materielle Kompetenz des Reiches, insbesondere über Art. 4 R V hinaus, die länderschützenden Ansprüche auf den Plan riefe. 67 Konsequent wäre das erstere deshalb, weil G. Jellinek den status passivus der Länder nicht als einen nach Themen, Sachgebieten und Angelegenheiten eingegrenzten und ausgefüllten beschreibt, sondern als einen durch bundesstaatsgesetzliche Normen in seiner Reichweite festgelegten Bereich einführt. 68 63 G. Jellinek, ebd. S. 298. 64 G. Jellinek, ebd. 65 G. Jellinek, ebd.; vgl. ebd. S. 360 zur UnStatthaftigkeit des Rückschlusses „von dem Nichtdasein eines geregelten Rechtsverfahrens auf das Nichtvorhandensein individualrechtlicher Ansprüche". 66 G. Jellinek, ebd., so entnehmbar S. 360. 67 Keine Festlegung erfolgt bei G. Jellinek, ebd., S. 298 mit: „Endlich ist, wenn auch nicht bereits überall durch entsprechende Einrichtungen garantiert, ein Rechtsanspruch gegen verfassungswidrige, das gliedstaatliche Recht verletzende Aktionen des Bundesstaates gegeben." Verfassungswidrigkeit und Reichsgesetzwidrigkeit können gekoppelt verstanden werden. Auf ein solches Verständnis deutet G. Jellineks Anerkennung eines Aufhebungsanspruchs gegenüber „das Subjektionsverhältnis rechtswidrig ausdehnenden bundesstaatlichen Anordnungen" (ebd. S. 298) hin, weil er das Subjektionsverhältnis bundesstaatsgesetzlich bestimmt sieht (vgl., ebd. S. 296). 68 Der status passivus der Gliedstaaten kennzeichnet bei G. Jellinek, ebd. S. 296, ein „Gebiet bundesstaatlicher Funktionen", in dem die Gliedstaaten „den bundesstaatlichen Willen zur Vollziehung bringen." Die Reichweite des status bestimmt Jellinek
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
Soweit anderes nicht ausdrücklich bestimmt ist, geht der status passivus dann aber eben nur soweit, wie verfassungsmäßige und richtig angewandte Normen der einfachen Reichsgesetze ihn tragen. Dieses Ergebnis stimmt zudem mit G. Jellineks Konstruktion des parallelen status libertatis im Verhältnis von Bürger und Staat zusammen. Dort soll das Individuum „vom Staat zu keiner gesetzwidrigen Leistung herangezogen werden und hat dementsprechend einen auf Anerkennung seiner Freiheit beruhenden Anspruch auf Unterlassung und Aufhebung der diese Norm überschreitenden obrigkeitlichen Befehle." 69 Denn „alle Freiheit i s t . . . Freiheit von gesetzwidrigem Zwange." 70 Es ist kein Grund ersichtlich, warum bei G. Jellinek anderes für den status libertatis der Einzelstaaten gelten sollte. Laband war da pragmatischer. Für den Fall, daß bei einem Streit zwischen Landesregierung und Aufsicht übender Reichsinstanz über die Richtigkeit der Auslegung eines Reichsgesetzes und mithin die Reichsgesetzmäßigkeit eines beanstandeten Länderhandelns Rechtsmeinung des Reiches gegen Rechtsmeinung des Landes stünde, fände sich kein Prozeßverfahren. 71 Aber gemäß Art. 7 Ziff. 3 R V und aufgrund der staatsrechtlichen Stellung des Bundesrates sei die Entscheidung durch diesen gegeben.72 Sie sei eine Belehrung der Länder über die maßgebliche Rechtslage, genauer „über den Inhalt ihrer allgemeinen verfassungsmäßigen Bundespflicht, die Reichsgesetze zu beobachten, für den besonderen Fall". 7 3 Die Entscheidung des Bundesrates war Entscheidung über Rechtsmeinungen, also Rechtsentscheidung. Es war also eine rechtsentscheidende Instanz als berufen angesehen, über die Vereinbarkeit gliedstaatlichen Verwaltungshandelns in Ausführung der Reichsgesetze und darauf bezogener zentralstaatlicher Aufsichtsmaßnahmen mit diesen Reichsgesetzen zu urteilen, eine Instanz, die zwar Reichsorgan war, aber außerhalb des unmittelbaren Verhältnisses von Landesregierung und beanstandender Reichsinstanz als übergeordneter Beurteiler stand. Ohne Anspruch stehen die Einzelstaaten auch bei Laband nicht da: „ . . . solange die Rechtssphäre des Reiches durch eine bestimmte Linie abgegrenzt ist, kann jeder einzelne Staat verlangen, daß sich die Reichsgewalt eines Übergriffs in das jenseits dieser Linie liegende Gebiet enthalte." 74 Für Laband wird diese Linie aber nicht allein durch die verfassungsrechtliche Kompetenzord(ebd.) eindeutig: „Das findet überall statt, wo bundesstaatsgesetzlich die Gliedstaaten zur Vornahme bestimmter bundesstaatlicher Funktionen verpflichtet sind." 69 Jellinek, ebd. S. 103. 70 Jellinek, ebd. mit der Fortsetzung: „Die Subjektion, der passive Status des Individuums ist ein gesetzlich begrenzter." In Parallele dazu steht die gesetzliche Eingegrenztheit des status passivus der Gliedstaaten; vgl. Jellinek, ebd. S. 296. 71 Vgl. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 1, S. 111. 72 Vgl. Laband, ebd. 73 Laband, ebd. S. 112. 74 Laband, ebd. S. 128.
2.2. Verfassungsgeschichte und Verfassungsgenese
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nung gezogen. I n gleicher Weise seien dazu die die Sphäre der Selbstverwaltung bestimmenden einfachen Reichsgesetze heranzuziehen. 7 5 Diese knappe Aussage stellt den Leser nicht vor die folgende Interpretationsschwierigkeit: Ist m i t den Reichsgesetzen nur der materielle Kompetenzrahmen i n Bezug genommen u n d gegen Überschreitungen bewehrt oder ist weitergehend ein Abwehranspruch gegen jede reichsgesetzwidrige A n o r d n u n g gemeint? Gegen die erste u n d für die zweite Lesart spricht, daß Laband nirgends entsprechende Eingrenzungen andeutet, sondern i m Gegenteil den geschützten Selbstverwaltungsbereich gerade über die materielle, rein thematisch orientierte Kompetenzverteilung i n A r t . 4 R V hinaus anhand der Reichsgesetze b e s t i m m t . 7 6 Jede reichsgesetzwidrige Reichsanordnung lag damit jenseits der von Laband genannten L i n i e und konnte abgewehrt werden. D i e schon i m Eingang dargestellte K r i t i k der herrschenden Auffassung durch R ü m e l i n blieb unter der Reichsverfassung weithin ungehört. Sie kann auch vernachlässigt werden, ging es ihr doch mehr u m die Begrifflichkeit v o n Selbstverwaltung. I h r Verdienst wie auch dasjenige der Studie v o n Rosin lag i n der Betonung der Eigenheit des Rechts der L ä n d e r 7 7 , die V e r w a l t u n g auch 75
Vgl. Laband, ebd. Reichsgesetze bestimmen bei Laband im Rahmen der Angelegenheiten des Art. 4 RV „das Maß der den Einzelstaaten überlassenen Selbstverwaltung" (ebd., S. 104). Eindeutig spricht m.E. für die zweite Lesart die Rechtssphärenbestimmung ebd. S. 128: Jeder Gliedstaat soll Linienüberschreitungen abwehren können. „Dies gilt nicht nur von der verfassungsmäßig festgestellten Kompetenz, über welche hinaus auch die Reichsgesetzgebung nicht sich erstrecken darf, ohne daß den Erfordernissen der Verfassungsänderung Rechnung getragen wird; sondern ebenso auch von der durch gewöhnliche Reichsgesetze näher bestimmten Sphäre der Selbstverwaltung und Landesgesetzgebung, welche der Bundesrat bei seinen Verordnungen und der Reichskanzler sowie alle übrigen Reichsbehörden bei ihren Verfügungen respektieren müssen." 77 Vgl. Rümelin, Zeitschr. f. Staatsw. 1883, S. 209; Rosin, Annalen des Deutschen Reichs 1883, S. 280 ff.; Rosins Kritik (ebd., S. 281) an Haenel, daß bei ihm „auf diesen Gebieten die von den Einzelstaaten in ihrer verwaltenden Thätigkeit ausgeübten Hoheitsrechte ihnen nicht zu eigenem Rechte zustehen," ist unberechtigt. Vgl. Haenel, Deutsches Staatsrecht, S. 319 f.: „Aber selbst nach Regelung der zutreffenden Angelegenheiten von Reichs wegen verbleibt dem Einzelstaate die ausführende Thätigkeit mittels der Rechte seiner Staatsgewalt. Hierauf beruht die verfassungsmäßige Selbständigkeit der Einzelstaaten auch auf den Gebieten der Reichskompetenz. Und zwar sind die hieraus entspringenden Rechte in keinem Sinne abgeleitete; weder in dem Sinne einer Übertragung von Seiten des Reiches noch im Sinne einer Ausübung fremden Rechtes im Namen des Reiches. Vielmehr stehen diese Rechte den Einzelstaaten zu unmittelbar kraft der Verfassung und zu eigenem Rechte, genau so wie dem Reich die seinigen." Schon deshalb stehen die Einzelstaaten bei Haenel (ebd. S. 321; vgl. auch S. 306 f.) insoweit dem Reich „als geschlossene Einheit" gegenüber. Unzutreffend ist auch Rosins entsprechende Kritik (ebd.) an Laband. Die Eigenheit eines den Gliedstaaten verbliebenen Rechts scheint außer Frage zu stehen; vgl. Laband, ebd., S. 102 und 105. Eine andere Frage ist es für Laband, ebd. S. 105, daß die Einzelstaaten angesichts der Möglichkeit einer Verfassungsänderung „ihre obrigkeitlichen Rechte nur durch die Duldung des Reiches, nur precario, haben". Folglich ist es nicht verwunderlich, daß Rosin, ebd. S. 282 Belegstellen für die Eigenheit des Gliedstaatenrechts aus dem Labandschen Gesamtwerk aufführen kann. Hinsichtlich der Kritik Rosins (ebd.) an Jel76
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dort zu führen, wenn auch zugleich führen zu müssen, wo dem Reich die Gesetzgebung und die Beaufsichtigung oblag. Die Essenz dieser weitgehend konsentierten spätkonstitutionellen Auftragsmomente bzw. -spuren im Kontext der Reichsgesetzvollziehung war also keine Beauftragung der Länder durch die erst begründend wirkende Einräumung von Vollzugskompetenz. Denn diese sollte ja herrschend, wenn auch nicht unangefochten, den Ländern als ihnen verbliebene Kompetenz schon anfänglich zustehen. Der bundesstaatliche Auftragsgedanke hat seinen Platz in der neben allen postulierten Berechtigungen der Länder bestehenden Verpflichtung derselben auf die Wahrnehmung der aus der Kompetenz fließenden Aufgaben und Befugnisse. Durch die Verpflichtungskomponente soll aber nicht gehindert sein, daß diese Kompetenz den Ländern zu eigenem Recht, sprich als eigenes Recht zusteht. Zur Essenz gehört auch die berichtete Konstruktion von Abwehrrechten und sie flankierenden Rechtsschutzansprüchen der Länder gegen Reichsakte, die den reichsverfassungsrechtlich bzw. reichsgesetzlich abgesteckten Rahmen der Ländersubordination verließen. 2.2.1.2. Weimarer Reichsverfassung
Der in erster und in zweiter Fassung unitaristische Preuß'sche Entwurf zur Weimarer Reichsverfassung 78 versuchte die schon erwähnte capitis deminutio fortzuschreiben und zu vertiefen und statuierte dazu in seinem § 8 eine Verpflichtung der Länderbehörden, „soweit die Ausührung der Reichsgesetze nicht den Reichsbehörden zusteht, . . . den Anweisungen der Reichsregierung Folge zu leisten". 79 So wie sich der Unitarismus dieses Entwurfs mit aus der Rolle von Preuß als Reichsstaatssekretär 80 erklärt, 81 so findet sich die plausilinek gilt: Das Abwehrrecht der Gliedstaaten ist ihnen eigen. Die Vollzugskompetenz ist es nicht, weil sie nicht unkontrolliert dem Gliedstaatswillen unterliegt. Ein Recht steht laut Jellinek aber nur dann „Jemanden zu eigenem Recht zu, wenn er in Ausübung desselben nur der Vollstrecker seines eigenen Willens ist"; vgl. Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 41. Dieses abweichende Ergebnis verdankt sich nur der Eigenwilligkeit der zitierten Begriffsbestimmung. 78 Den ersten Entwurf, auch Vor- oder Urentwurf genannt, hat Preuß nach der sog. Dezemberbesprechung mit Vertretern aus Wissenschaft und Praxis Anfang Januar 1919 (vermutlich am 3.) fertiggestellt. Er wurde im Gegensatz zum zweiten Entwurf vom 20. Januar 1919 nicht veröffentlicht.Die unitarische Ausrichtung der Entwürfe hat laut W. Jellinek, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Band, S. 130, „böses Blut bei den Ländern" erregt. Vgl. zur Unitarisierungstendenz nach dem ersten Weltkrieg Frotscher, in: Jeserich u.a. (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 4, S. 113 f. Zur Entstehung der Weimarer Reichsverfassung vgl. W. Jellinek, ebd. S. 127 ff.; Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 56 ff. und Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band V , S. 1178 ff. 79 Zitiert nach Triepel, Quellensammlung zum Deutschen Reichsstaatsrecht, S. 10 f.; beide Entwürfe waren insoweit kongruent, vgl. Triepel, ebd. S. 6. 80 Hugo Preuß (1860 - 1925), renommierter Staatsrechtslehrer und Schüler Otto von Gierkes, wurde am 15. November 1918 zum Staatssekretär des Reichsamts des Innern
2.2. Verfassungsgeschichte und Verfassungsgenese
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belste E r k l ä r u n g für die vergleichsweise bundesstaatliche Prägung der beiden Regierungsentwürfe 8 2 i n der den Beratungen vorangegangenen Zuschaltung der Länder i m Wege einer Staatenkonferenz 8 3 bzw. eines Staatenausschusses. 8 4 Keine Weisungsrechte waren danach dem Reich gegenüber den Gliedstaatsbehörden gegeben, u n d die Reichsauf sieht war eine nur m i t t e l b a r e . 8 5 Nach erster Lesung 8 6 der zweiten Regierungsvorlage i n der Nationalversammlung, nach anschließender Beratung i m Verfassungsausschuß der Nationalversammlung 8 7 sowie z w e i t e r 8 8 u n d d r i t t e r 8 9 , dann auch beschließender Plenarberatung trat am 14. August 1919 eine Verfassung m i t föderalistischem Gesicht i n Kraft. Z w a r ein „Bundesstaat ohne bündische G r u n d l a g e " 9 0 , weil laut ernannt und blieb dies bis zu seiner Berufung zum Reichsminister des Innern im Kabinett Scheidemann am 13. Februar 1919; vgl. Frotscher, in: Jeserich u.a. (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 4,S. 113, Fn. 9. 81 Das schließt nicht aus, daß Preuß gerade deswegen von Reichsseite aus die Verfassungsentstehung begleitete, weil es ihm persönlich mehr um das freie Selbstbestimmungsrecht der deutschen Nation als um den Erhalt eines Bundes von Gliedstaaten zu tun war. In der sog. Dezemberbesprechung vom 9. bis 12. Dezember 1918, die der Fertigstellung des ersten Preuß'schen Entwurfs drei Wochen vorausging, hat das unitarische Anliegen die Unterstützung insbesondere von Max Weber gefunden (vgl. W. Jellinek, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Band, S. 129). 82 Den ersten legte Reichsminister des Innern Preuß am 17. Februar 1919 dem Staatenausschuß zur Beratung vor, den zweiten am 21. Februar 1919 der Nationalversammlung. Die Texte finden sich abgedruckt bei Triepel, Quellensammlung zum Deutschen Reichsstaatsrecht, S. 17 ff. und 27 ff. 83 Die Staatenkonferenz trat am 25. Januar 1919 im Reichsamt des Innern zusammen; sie zählte unter ihren 129 Teilnehmern 87 Vertreter der Länder. Ihr Ergebnis war die Einsetzung einer Kommission zur Beratung der Verfassungsvorlage. Dieser sog. „Ausschuß" tagte vom 26. bis 30. Januar, dann wieder am 1. und schließlich vom 5. bis 8. Februar 1919. 84 Die Einrichtung des Staatenausschusses erfolgte aufgrund des am 10. Februar 1919 in Kraft getretenen Gesetzes über die vorläufige Reichsgewalt; vgl. zu den Einzelheiten Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 69 f. Seine Beratungen erstreckten sich vom 18. bis 21. Februar 1919. 85 Vgl. die Darstellung des Entwurfs bei W. Jellinek, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Band, S. 133. 86 A m 24. und 28. Februar sowie am 3. und 4. März 1919. 87 Die Beratungen vom 4. März bis 18. Juni standen im Zeichen einer Renaissance unitarischer Elemente; dazu Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, S. 26 ff. ; Abdruck des Entwurfs nach den Beschlüssen des Achten (Verfassungs-) Ausschusses der Nationalversammlung vom 18. Juni 1919 bei Triepel, Quellensammlung zum Deutschen Reichsstaatsrecht, S. 38 ff. 88 Begonnen am 2. Juli, beendet am 22. Juli 1919. Vom 29. bis 31. Juli 1919. 90 Begriffsgeber ist Carl Schmitt, Verfassungslehre, S. 389; Schmitt erläutert: „Durch den demokratischen Begriff der verfassungsgebenden Gewalt des ganzen Volkes wird die bündische Grundlage und damit der Bundescharakter aufgehoben." Die „bundesstaatliche Organisation" ist dann nur noch „Teil der Verfassungsorganisation . . . und dient dann einem komplizierten System von Gewaltenunterscheidung und Dezentralisation".
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Präambel vom deutschen Volk und nicht von den deutschen Partikularstaaten gegeben, aber ein dem Begriff und der Theorie des Bundesstaates genügendes Gebilde, wenn auch Bundesstaatsbegriff und -theorie ein dankbares Sujet für Weimarer staatsrechtliche Abhandlungen 91 bildeten und deswegen nie in einheitlicher Form und Fassung präsentiert werden konnten. Die Staatsqualität der Länder galt einer überwiegenden Schrifttumsansicht 92 dennoch als gesicherter Bestand staatsrechtlicher Erkenntnis. Die neue Verfassung sah in Art. 5 vor, daß die Staatsgewalt in Reichsangelegenheiten durch Reichsorgane und die in Landesangelegenheiten durch Länderorgane ausgeübt werde. Ob nun Art. 14 WRV, der die Ausführung der Reichsgesetze den Landesbehörden zuwies, soweit nicht die Reichsgesetze etwas anderes bestimmten, in Widerspruch zu Art. 5 W R V stand oder sich beide widerspruchslos ergänzten, hat die zeitgenössische Literatur beschäftigt. Für Anschütz war Reichsangelegenheit, wofür das Reich aufgrund der Reichsverfassung zuständig, Landesangelegenheit, wofür die Länder nach der Reichsverfassung berufen, 93 folglich die Ausführung der Reichsgesetze als eine „Sache der Länder" gleichbedeutend mit „Landesangelegenheit". 94 Art. 5 W R V so zu interpretieren, hieß für Gebhard 95 , Art. 5 in „Widerspruch" zu Art. 14 W R V zu stellen. Denn die die Reichsgesetze nach Art. 14 W R V ausführenden Landesbehörden übten seines Erachtens Staatsgewalt aufgrund des jeweiligen Reichsgesetzes „und letzten Endes auf Grund der RV aus", 96 womit die lex specialis des Art. 14 W R V die Grundregel des Art. 5 W R V eines ihrer wichtigsten Anwendungsfälle beraubt hätte. Der sog. Widerspruch beruhte aber mehr auf Gebhards Sicht der Länderstellung in Art. 14 W R V als auf einer Interpretationsform des Art. 5 W R V , letzteres für ihn und seinen Ansatz eine Vorschrift, die „allen Erklärungsversuchen einen unüberwindlichen Widerstand entgegensetzt"97. 91
Ihnen widmet sich das Kapitel 3.2.2.2. Vgl. nur Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 1, Anm. 5: „Die Staatlichkeit der Länder wird jetzt von der überwiegenden Mehrzahl der Staatsrechtslehrer und von der Rechtspr. bejaht"; Hatschek, Deutsches und Preussisches Staatsrecht, S. 81 und Stier-Somlo, Reichs- und Landesstaatsrecht I, S. 355 u. 396. Weitere Nachweise finden sich im Kapitel 2.3. 93 Anschütz, ebd., Anm. zu Art. 5; vgl. auch Thoma, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Band, S. 180; deutlich Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 5, Anm. 3: „Nicht weil eine Sache Reichsangelegenheit ist, wird in ihr die Staatsgewalt von Reichsorganen ausgeübt, sondern weil eine Angelegenheit von Organen des Reichs zu besorgen ist, wird sie als Reichsangelegenheit bezeichnet." Diskrepanz bestand zwischen Anschütz und Poetzsch-Heffter darüber, ob Art. 5 W R V für oder gegen das Bestehen einer eigenen Landesstaatsgewalt spreche. Vgl. dazu Anschütz, ebd. Anm. zu Art. 5 und Poetzsch-Heffter, ebd. Art. 5, Anm. 2 und S. 77 f. 94 Anschütz, ebd. Art. 14, Anm. 1 mit Fn. 1. 95 Gebhard, Handkommentar zur Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 5 Anm. 3. 96 Gebhard, ebd. 92
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Neben diesem, sich selbst ausmanövrierenden Autor, hat Kelsen 98 die Ansicht vertreten, Art. 14 W R V sei nicht eine Regel zur Aufteilung der Vollziehungskompetenz, sondern nur die Fixierung der Reichsgesetzvollziehung als „Reichs-Angelegenheit" im Sinne von Art. 5 W R V , eine Angelegenheit, die teils von den Ländern und insoweit von diesen als unmittelbare Reichsorgane wahrgenommen würde. Dieses Ergebnis fand Kelsen nicht auf den Wegen seines bundesstaatskritischen Konzepts, das aus Bundesstaatlichkeit nicht mehr herausdenken konnte als eine normative Dezentralisation 99 und das seine Wurzeln in rechts- und staatstheoretischen Grundüberlegungen hatte, 100 sondern aus purer Exegese des Norminhaltes von Art. 14 W R V , der sich insofern von seinem österreichischen Pendant unterschieden hätte. 101 Das herrschende zeitgenössische Rechtsverständnis erkannte demgegenüber die Reichsgesetzvollziehung als Ausübung von Staatsgewalt in Landesangelegenheiten an, und weil ihm die Wortverwendung „Staatsgewalt in Art. 5 WRV die Handlungsqualität des Subjekts als Staat herzugeben vermochte, hat es in der Konsequenz den Schritt zur Staatlichkeit der Länder bei Ausführung der Reichsgesetze vollzogen. 102 Was nach diesem Ansatz bei der Länderausführung von Reichsgesetzen dann noch des Reiches sei, wurde im wesentlichen aus Art. 15 und 77 W R V abgelesen: Aus Art. 15 Abs. 1 die selbständige Reichsauf sieht, aus Art. 15 Abs. 2 S. 1 und 77 Regelungen zum Erlaß von allgemeinen Verwaltungsvorschriften, 103 aus Art. 15 Abs. 2 S. 2 die Verleihung 97
Gebhard, ebd. Kelsen, in: Festgabe für F. Fleiner, S. 187, Fn. 1; vgl. auch ebd. S. 140. 99 Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 193 ff. Vgl. Kapitel 3.2.2.2. 101 Kelsen, in: Festgabe für F. Fleiner, S. 139 f. u. S. 187, Fn. 1. „Eine (von der Aufteilung der Gesetzgebungskompetenz) verschiedene Aufteilung der Angelegenheiten hinsichtlich der Vollziehungskompetenz - wie dies in der österreichischen Bundesverfassung geschieht - erfolgt nicht. Vielmehr beschränkt sich Art. 14 darauf, zu bestimmen, daß die Reichsgesetze von den Landesbehörden ausgeführt werden, soweit nicht die Reichsgesetze etwas anderes bestimmen. Das bedeutet... ( , ) daß das Reich überall zur Vollziehung zuständig ist, wo es die Kompetenz der Gesetzgebung hat. ... die Reichsgewalt . . . wird in diesen Angelegenheiten durch die Reichs-Organe, und zwar teils durch mittelbare (Art. 15), teils durch unmittelbare . . . (Art. 16) ausgeübt" (ebd. S. 187, Fn. 1). 102 Vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 14, Anm. 1 mit Fn. 1 in Verbindung mit Anm. zu Art. 5; Giese, Die Reichsverfassung vom 11. August 1919, Art. 5 Anm. I I I i.V.m. Art. 14, Anm. 1; Stier-Somlo, Reichs- und Landesstaatsrecht I, S. 355 i.V.m. S. 357, 396, 398. Thoma, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Band, S. 180 i.V.m. S. 177; Forsthoff, AöR Bd. 19 (N.F.), 1930, S. 81; ders., Die öffentlichen Körperschaften im Bundesstaat, S. 123. Nicht anders Holtz, RuPrVBl 1929, S. 835, wenn er sagt, die Ausführung durch die Länder gem. Art. 14 W R V erfolge „in der gleichen Weise, wie die Ausführung der Landesgesetzgebung, kraft eigenen Hoheitsrechts". Vgl. auch Heinemann, Die Reichsauftragsverwaltung, S. 11, nach dem die gesetzesausführende Tätigkeit im Rahmen des Art. 14 W R V „Sache der Länder" ist. Auch Peters, in: Reich und Länder 1928/1929, S. 369 bringt Art. 14 W R V und die Landesstaatlichkeit in Zusammenhang. 98
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von Überwachungsinstrumenten u n d aus A r t . 15 A b s . 3 ein Mängelrügerecht m i t korrespondierender Mängelbeseitigungspflicht samt Anrufungsmöglichkeit an den Staatsgerichtshof. Einzelfragen blieben umstritten, etwa ob die allgemeinen Anweisungen des Reiches gemäß A r t . 15 A b s . 2 W R V ihre Allgemeinheit i n ihren Inhalten oder i n der Z a h l ihrer Adressaten finden m ü ß t e n , 1 0 4 ob das Verfahren vor dem S t G H nach A r t . 15 A b s . 3 W R V eine Mängelrüge voraussetze 1 0 5 u n d wie sich dieses Verfahren nach F u n k t i o n und Voraussetzungen überhaupt zu dem nach der allgemeinen N o r m des A r t . 19 W R V gegebenen v e r h a l t e 1 0 6 . Trotz solcher Ungeklärtheiten fand die Weimarer Diskussion, wenn auch nicht ungebrochen, zu Positionen, die die dem Reich verbliebenen Kompetenzen als rechtlich begrenzte u n d diese rechtliche Begrenzung als länderschützend verstanden. 1 0 7 Konstruktionen eines durch korrespondierenden Rechtsschutzanspruch flankierten Rechtsanspruchs der Länder auf „kompetenzmäßiges Verhalten der B u n d e s g e w a l t " 1 0 8 wurden begründet u n d fortgeschrieben. I n dieses System paßte die herrschende Lehre die zunehmend Bedeutung erlangende u n d jetzt auch so genannte „Reichsauftragsverwaltung" 1 0 9 als 103 Zum Verhältnis beider Normen zueinander vgl. Schoen, A ö R N.F. Bd. 6 (1924), S. 180 m.w.Nw.: „Man kann nur sagen, daß unter Art. 15 lediglich Weisungen fallen, die in Ausübung der Aufsicht, d. h. regulär zwecks Beseitigung von bei Ausführung der Reichsgesetze hervorgetretenen Mängeln erlassen werden, daß in Art. 77 dagegen der Gesetzgeber Vorschriften im Auge hat, die die Ausführung der Reichsgesetze erst in die Wege leiten und ermöglichen wollen". 104 Zum Streitstand Forsthoff, ebd. S. 79. 105 Zum Streitstand Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 15 Anm. 11. 106 Dazu Triepel, Festgabe für W. Kahl, S. 59 ff.; StGH, Entscheidung vom 9. Dezember 1929, R G Z 127, Anhang S. 25/34 f. 107 Vgl. etwa Forsthoff, AöR Bd. 19 (N. F.), 1930, S. 80 und Triepel, ebd. S. 78, wenn er das „Nichtbestehen einer Reichszuständigkeit" als mögliche Ursache eines verfassungswidrigen, die Rechtssphäre eines Einzelstaates verletzenden Eingriffs zuläßt. 108 Grau, in: Festschrift für E. Heinitz, S. 415; vgl. auch Triepel, ebd. Weil Triepel Popularklagen der Länder durch Art. 19 W R V nicht zugelassen sieht (ebd. S. 81), ist die Annahme eines Rechtsschutzanspruchs die notwendige Konsequenz. Gleiches gilt für Grau, ebd., weil er die Länder insoweit mit dem Einzelnen, der gegenüber staatlichen Rechtsbeeinträchtigungen Schutz sucht und findet, vergleicht. Giese, Grundriß des Reichsstaatsrechts, S. 54 spricht ausdrücklich von einem „rechtlich begründeten und gesicherten Anspruch". Abwehrrechte und Rechtsschutzansprüche der Länder auf dem Gebiet der Reichsauftragsverwaltung finden sich - soweit überschaubar - nicht (explizit) anerkannt. Allerdings sah der Entwurf einer Verfassungsregelung der Reichsauftragsverwaltung von Peters (in: Reich und Länder 1928/1929, S. 372) in Art. 15 a die Anrufung des Staatsgerichtshofs durch die obersten Landesbehörden „im Rahmen des Art. 19" vor. Weil Peters nur das zu normieren vorschlug, was seine Zeit unter Reichsauftragsverwaltung verstand, ist die Anerkennung eines Abwehrrechts und entsprechenden Rechtsschutzanspruchs der Länder der Konstruktion der Reichsauftragsverwaltung gewiß nicht fremd. 109 Peters, ebd. S. 367, Fn. 2; Stein, Untersuchung der Möglichkeiten einer Erweiterung der Bundesauftragsverwaltung, S. 9, und Schäfer, D Ö V 1960, S. 641, sehen in
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reichsgesetzliche Ausnahmeregelung i n A r t . 14 W R V e i n . 1 1 0 M i t der Herausnahme des Phänomens gliedstaatlicher Reichsgesetzvollziehung, soweit i n A r t . 14 u n d 15 W R V geregelt, aus dem Bereich der Selbstverwaltung, der Ablösung des hier i n der spätkonstitutionellen Lehre geübten Auftragsdenkens u n d der Hochzonung dieser Ländertätigkeit i n die Sphäre ihrer Staatlichkeit war einem kommunalisierenden D e n k e n zur exklusiven Erfassung des reichsauftragsrechtlichen Spezialphänomens R a u m gegeben. 1 1 1 Dessen, was die Weimarer Reichsauftragsverwaltung ausmachte, versicherte sich die Lehre dieser Z e i t meistens am Paradigma der organschaftlich konstruierten und v o m Staatsgerichtshof 1 1 2 so auch ausdrücklich gebilligten ReichswasserstraßenverKoch-Weser den ersten, der den Begriff „Auftragsverwaltung" im Verhältnis von Reich und Ländern verwandt hat. Zum Begriff „Reichsauftragsverwaltung" schreibt Peters, ebd.: „Dieser Begriff ist noch ziemlich neu." Nach Wolst, Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform, S. 36 wurde der Begriff „dem Schrifttum erst in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre im Rahmen der Reichsreformbewegung geläufig." Darauf beruhen auch uneinheitliche Begriffsverwendungen und Schwierigkeiten, gegebene Phänomene staats- und verwaltungsrechtlich präzise einzuordnen. So läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, welche Fälle der durch sog. „unmittelbare Reichsauf sieht" begründeten Mediatsverwaltung unter den Begriff „Reichsauftragsverwaltung" zu ziehen sind und welche nicht. Mußgnug, in: Jeserich u.a. (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 4, S. 339 ff. hebt beide Phänomene in der Darstellung voneinander ab und verweist dazu auf noch weiterreichende Reichsbefugnisse im Fall der auftragsrechtlichen Wasserstraßenverwaltung (ebd., S. 342). Sehr eng rückt sie Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 6, S. 646 zusammen, schreibt er über die unmittelbare Reichsaufsicht: „Sie war . . . ,Reichsverwaltung' in der zum Wesen der Auftragsverwaltung gehörenden Form der Kontroll- und Weisungsgewalt der kraft des von ihr ausgehenden Auftrags übergeordneten Instanz." 110 Vgl. Heinemann, Die Reichsauftragsverwaltung, S. 11: Zu dem „,etwas anderes', das die Reichsgesetze (zu Art. 14 W R V ) bestimmen können," gehöre auch die Reichsauftragsverwaltung. Ebenso Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 14, Anm. 4. Schon Cohn, Die Reichsaufsicht über die Länder, S. 29, zog aus Art. 14 W R V „den Schluß . . . , daß auch für eine Erweiterung der Kompetenzbefugnisse des Reiches in bezug auf die Aufsichtstätigkeit nur ein einfaches Reichsgesetz notwendig sein wird, denn die Veränderung, die durch eine Erweiterung der Aufsichtsbefugnisse des Reiches in dem Verhältnis zwischen Reich und Ländern besteht, ist immer noch nicht eine so einschneidende, als wenn ein Gebiet der Landesverwaltung ganz entzogen wird." Lassar, in: Anschütz/Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Band, S. 315 rechtfertigt die Verfassungsmäßigkeit der nicht verfassungsgesetzlich eingeführten Reichsauftragsverwaltung aus einer „ständigen Staatspraxis". So auch Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 14, Anm. 3.d) a.E. mit dem Eingeständnis der Schwierigkeiten „bei einer engen Wortlautauslegung der Art. 14 und 15". In der Vorbemerkung zu Art. 15, Anm. 2 behauptet Poetzsch-Heffter, ebd., hingegen: „Die Reichsverfassung hat diese Fälle nicht ausdrücklich geregelt. Sie sind aber nach Art. 14 möglich." 111 Sollte die Reichsauftragsverwaltung ein anderes im Vergleich zur Reichsgesetzausführung nach Art. 14, 15 W R V sein, und wurde die letztere Verwaltungsform nicht mehr mit kommunalrechtlichen Begriffen beschrieben, so war dieses Vokabular zur Erfassung der neuen, andersartigen Verwaltungsform frei. 112 Staatsgerichtshof, Entscheidung vom 12. Dezember 1925, R G Z 112, Anhang S. 33 ff.; ausführlichere Tatbestandsdarstellung im Abdruck bei Lammers-Simon, Die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes, Band I, S. 115 ff. Laut StGH war das Reich berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Wasserstraßenverwaltung durch selbstgeschaf-
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waltung durch Länderbehörden: Das Reich war verfassungsrechtlich gehalten (vgl. Art. 97 und 171 WRV), die Wasserstraßen in seine Verwaltung zu übernehmen und kam dem durch einen Staatsvertrag 113 mit fünfzehn Ländern nach, der die mittelbaren und unteren Landesbehörden als zuständige Verwaltungsorgane auf Kosten des Reichs und unter Leitung des Reichsverkehrsministeriums einsetzte. Die unmittelbar vollziehenden Landesbehörden waren aufgrund der direkten Leitungsgewalt des Reichs von Willensbildungen und -einflüssen der zentralen Landesbehörden abgeschnitten und somit ihrer Funktion als Landesorgane auch in den Augen der Befürworter der Reichsauftragsverwaltung weitgehend entsetzt. Der Dienstaufsicht und Leitungsgewalt der zuständigen Reichsbehörden unmittelbar unterstellt, sollten sie so behandelt werden, „als wären sie reichseigene Behörden, nachgeordnete Stellen der Reichsregierung". 114 A n der Erledigung von Reichsauf gaben in dieser Verwaltungsform bestand kein Zweifel. 115 Die Qualität der ausgeführten Angelegenheiten als Reichsangelegenheiten im Unterschied zu den Landesangelegenheiten, die die Ausführung von Reichsgesetzen ansonsten darstellen sollte, wurde mit dem Rückgriff auf die kommunalrechtliche Tradition von Auftragsverwaltung, also mit der Abscheidung von eigenen und übertragenen Angelegenheiten erläutert. 116 Dieses Weimarer Schrifttum zu Begriff und Einordnung der Reichsauftragsverwaltung hat denn auch die kommunalrechtlichen Begriffe und Denkschemata tief in die Vorstellungen vom Wesen der staatsrechtlichen Auf tragsverwaltung eingepflanzt. fene Behörden durchzuführen (RGZ 112, Anhang S. 43). Zu Art. 97 W R V , demzufolge es „Aufgabe des Reichs" war, „die ... Wasserstraßen in sein Eigentum und seine Verwaltung zu übernehmen", stellte das Gericht die Frage, ob er „dem Reiche den Ländern gegenüber nur die Oberaufsicht über die Wasserstraßenverwaltung durch eine Zentralbehörde überträgt und die Landesbehörden nur verpflichtet, den Weisungen dieser oberen Reichsbehörde Folge zu leisten, oder ob mit der Verwaltung auch die Behördeneinrichtung auf das Reich übertragen werden sollte" (ebd. S. 39). Gemäß Art. 5 W R V und „dem Geiste der Verfassung" (ebd. S. 41) sei es zwar „das Normale" (ebd. S. 43), eigenen Verwaltungsaufgaben durch eigene Behörden nachzukommen, aber dies gelte nicht ausnahmslos (ebd.). Angesichts der besonderen „Gestaltung der in Betracht kommenden Flußläufe Deutschlands ... würde es Formalismus sein, wenn man die Wahrnehmung der Verkehrsinteressen durch eine Mediatverwaltung grundsätzlich für unstatthaft erklären wollte" (ebd.). 113
Vgl. das Reichsgesetz über den Staatsvertrag, betreffend den Übergang der Wasserstraßen von den Ländern auf das Reich vom 29. Juli 1921 (RGBl. 1921, S. 961). Zur Vor- und Nachgeschichte vgl. die Tatbestandsschilderung in der Entscheidung des StGH v. 12. Dezember 1925, abgedruckt bei Lammers-Simons, ebd., S. 115 ff.; dazu und zum Vertragsinhalt vgl. auch Lassar, JöR Bd. 14, 1926, S. 208 ff. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 97 Anm. 2 ff. und Mußgnug, in: Jeserich u.a. (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 4, S. 341 f. 114 Anschütz, ebd. Art. 14, Anm. 4. 115 Vgl. nur Heinemann, Die Reichsauftragsverwaltung, S. 10 u. 17; Peters, in: Reich und Länder 1928/1929, S. 367 und StGH, Entscheidung vom 12. Dezember 1925, R G Z 112, Anhangs. 33/41. 116 Vgl. Peters, ebd., S. 368 f.; Holtz, RuPrVBl. 1929, S. 836 und Heinemann, ebd. S. 10.
2.2. Verfassungsgeschichte und Verfassungsgenese
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Die von den Befürwortern der Reichsauftragsverwaltung abgegebenen verfassungsrechtlichen Rechtfertigungen sind auf den Widerstand vor allem von Forsthoff 117 gestoßen, für den die neue Verwaltungsform an die föderale Ordnung der Weimarer Republik rührte. Sein Bedenken war nicht, daß die Reichsauftragsverwaltung nicht wortlautgemäß die andere Bestimmung in Art. 14 W R V sein könnte, sondern die Unvereinbarkeit eines entsprechend weiten Verständnisses von Art. 14 W R V , das die Auftragsverwaltung einbeziehen würde, mit dem in Art. 15 W R V abschließend festgelegten Arsenal von Reichsingerenzen. 118 Art. 15 als Schutzvorschrift zugunsten der Länder 119 verbot ihm jede Form unmittelbarer, die Länder als geschlossene Einheiten per Durchgriff auf mittlere und untere Instanzen perforierender Aufsicht und jedes direkte A n Weisungsrecht des Reiches 120 , damit auch ein solches, wie es in der Reichsauftragsverwaltung in Anspruch genommen wurde. Hier konnten auch Art. 15 Abs. 2 W R V und die Gewalt des Reiches, allgemeine Anweisungen zu erlassen, nicht helfen. Sind diese durch eine, ob nun materiell über den Inhalt der Anweisung oder über die Zahl ihrer Adressaten oder beides vermittelte Allgemeinheit gekennzeichnet gewesen, 121 so waren sie untauglich, Einzelweisungen an ein bestimmtes Land in konkreten Fällen zu decken. Die Apologeten der Reichsauftragsverwaltung versuchten, weil die Schlacht gegen Forsthoff in Art. 15 W R V nicht siegreich geschlagen werden konnte, Art. 15 W R V dadurch zu umgehen, daß sie diesen in seiner Anwendung von dem Vorliegen des Regeltatbestandes des Art. 14 WRV, also dem „Dasein einzelstaatlicher Zuständigkeit" 122 abhängig machten. Die Länder so in die Reichsauftragsverwaltung einzubringen, als seien sie Reichsorgane und der ι " Forsthoff, AöR Bd. 19 (N.F.), 1930, S. 81 f. Forsthoff, ebd. S. 80; ders., Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, S. 125; ähnlich Gebhard, Handkommentar zur Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 14, Anm. 5.c) a.E.: „Dagegen schließt Art. 15 die sog. Auftragsverwaltung aus ... Die Aufsichtsbefugnisse des Reichs für den Normalfall des Art. 14 sind vielmehr durch Art. 15 fest umgrenzt." Gebhards Argumentationsansatz war gegenüber den Befürwortern der Reichsauftragsverwaltung hilflos, denn diese sahen in der Reichsauftragsverwaltung gerade nicht den Normalfall des Art. 14 W R V , sondern die in ihm vorgesehene andere Bestimmung (vgl. nur Heinemann, Die Reichsauftragsverwaltung, S. 11). Forsthoff, AöR Bd. 19 (N.F.), 1930, S. 80. 120 Forsthoff, ebd. S. 80 f.; ders., Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, S. 124 f. 121 Zum Streitstand Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 15, Anm. 5; Forsthoff, AöR Bd. 19 (N.F.), 1930, S. 79. 122 Anschütz, ebd. Art. 15, Anm. l.c): Die Reichsaufsicht „ h a t . . . das Dasein einzelstaatlicher Zuständigkeit zur Voraussetzung. Fehlt es hieran, . . . so bleibt für eine Aufsicht im Sinne des Art. 15 kein Raum; an Stelle der durch Art. 15 geregelten besonderen Aufsicht tritt dann die innerhalb des Reichsorganismus wirkende allgemeine Dienstaufsicht der höheren Organe . . . Dies gilt auch in dem Falle, wenn durch Reichsgesetz oder durch Vertrag des Reichs mit den Ländern Landesbehörden mit Verwaltungsfunktionen des Reichs beauftragt und zu diesem Zweck der Leitung von Reichszentralbehörden unterstellt werden"; ebenso ders., in: Anschütz/Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Band, S. 367. 118
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
direkten Leitung des Reichs unterstellt, das sollte Länder, Reich und die sie verbindende Verwaltungsform aus dem Anwendungsbereich des Art. 15 W R V herausmanövrieren. 123 Forsthoff bekämpfte diese Fiktion und ihre Nutzbarmachung für das Verhältnis von Art. 14 und 15 W R V als unzulässig, indem er die systematische Trennung beider Vorschriften gegen seine Opponenten kehrte. Handele Art. 14 W R V von der Organisation der Verwaltung als der „Tätigkeit des Staates, die die Verwaltungsaufgaben unmittelbar erledigt" 1 2 4 und bezeichne Aufsicht demgegenüber „die Gesamtheit von Handlungen des Reichs, die zum Zweck haben, das Verhalten der Länder in Übereinstimmung mit einem feststehenden Richtmaß zu setzen oder zu erhalten" 125 , dann erweise sich die den Ländern in der Reichsauftragsverwaltung zufallende Tätigkeit als Verwaltung, die dem Reiche zukommende als Form von Aufsicht 126 . Letztere aber könne die die Verwaltung und deren Organisationsform betreffende Norm des Art. 14 W R V nicht stützen 127 und Art. 15 W R V trage sie, die unmittelbare Aufsicht, auch in keiner vertretbaren Auslegung. 128 Der prinzipielle Unterschied der Thematik von Art. 14 und 15 W R V Schloß für Forsthoff auch Schlüsse a maiore ad minus 129 aus. Die Verfügungsgewalt des Reiches aus Art. 14 W R V darüber, ob den Ländern ein Verwaltungsgebiet zur Reichsgesetzvollziehung gegeben oder entzogen sei, ist ihm deswegen kein maius im Vergleich mit den einschneidenden unmittelbaren Einwirkungsbefugnissen des Reichs im Rahmen der Reichsauftragsverwaltung, weil diese ein 123 Vgl. Anschütz, ebd.; Heinemann, Die Reichsauftragsverwaltung, S. 16 f.; auch für Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Vorbemerkung zu Art. 15, Anm. 2 liegt die Reichsauftragsverwaltung „außerhalb des Anwendungsgebietes des Art. 15". 124 Forsthoff, Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, S. 125; vgl. auch ders., A ö R Bd. 19 (N. F.), 1930, S. 72: „Diejenige Behörde verwaltet, der es obliegt, die eine Verwaltungsangelegenheit unmittelbar betreffende Entscheidung zu fällen." 125 Forsthoff, A ö R Bd. 19 (N.F.), 1930, S. 67. Der Aufsicht fehle das unmittelbare Verhältnis zum Verwaltungsobjekt. „Sie wendet sich nicht dem Verwaltungsobjekt, sondern der verwaltenden Behörde zu. Objekt der Aufsicht ist also die Tätigkeit der verwaltenden Behörde, nur zu ihr besteht eine sachliche Beziehung. Diese Beziehung kann mittelbar oder unmittelbar sein" (ebd. S. 72). 126 Forsthoff, ebd. S. 73: „Jedenfalls ist es unzulässig, . . . die unmittelbare Reichsaufsicht mit reichseigener Verwaltung gleichzusetzen, die von Landesbehörden als Auftragsangelegenheit des Reiches verwaltet wird, um auf diese Weise den Art. 15 R V zu umgehen." * 2 7 Vgl. Forsthoff, ebd. i 2 * Vgl. Forsthoff, ebd., S. 80 f. 129 Ein solcher findet sich zuerst bei Cohn, Die Reichsaufsicht über die Länder, S. 29: „Infolgedessen werden wir den Schluß ziehen müssen, daß auch für eine Erweiterung der Kompetenzbefugnisse des Reiches in bezug auf die Aufsichtstätigkeit nur ein einfaches Reichsgesetz notwendig sein wird, denn die Veränderung, die durch eine Erweiterung der Aufsichtsbefugnisse des Reiches in dem Verhältnis zwischen Reich und Ländern besteht, ist immer noch nicht eine so einschneidende, als wenn ein Gebiet der Landesverwaltung ganz entzogen wird." Ex post zustimmend Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. V I , S. 483.
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2.2. Verfassungsgeschichte und Verfassungsgenese
i m aliud-Fall der reichseigenen Vollziehung nicht bestehendes verschärftes Subjektionsverhältnis zwischen Reich u n d Ländern herstellten. 1 3 0 A l s i m Rahmen der Überlegungen, Pläne u n d Diskussionen zur Reichsref o r m 1 3 1 eine erweiterte Einführung der Reichsauftragsverwaltung gefordert wurde, war der W e g einer Verfassungsänderung schon meistenteils ins A u g e gefaßt w o r d e n . 1 3 2 D i e die Beratungen abschließenden Beschlüsse des Verfassungsausschusses der Länderkonferenz v o m 21. Juni 1930 konzipierten eine F o r m v o n Reichsauf tragsverwaltung, die nicht mehr m i t der organschaftlichen alten Reichsauftrags Verwaltung u n d nicht m i t der u . a . von Peters favorisierten Lösung einer Reichsauftrags Verwaltung als Tätigwerden der „Organe der Länder für das Reich als dessen O r g a n " 1 3 3 gleichgesetzt werden konnte. Das Reich sollte „ i n den Fällen, i n denen i h m die unmittelbare
Verwaltung
zusteht, die Länder m i t der V e r w a l t u n g . . . b e a u f t r a g e n " 1 3 4 können; die nur ausnahmsweise einzelfallspezifisch u n d sonst allgemein zulässigen Anweisungen waren nach den Beschlüssen „ n u r an die obersten Landesbehörden u n d nur m i t ihrer Z u s t i m m u n g an eine ihnen untergeordnete S t e l l e " 1 3 5 zu richten. D a r i n fand eine körperschaftliche K o n s t r u k t i o n von Reichsauftragsverwaltung A u s d r u c k , die „ d i e L ä n d e r " 1 3 6 als m i t der Ausführungsaufgabe bedacht 130 Vgl. Forsthoff, AöR Bd. 19 (N.F.), 1930, S. 73: „Cohn übersieht, daß die unmittelbare Reichsaufsicht deshalb nicht als minus sondern als aliud gewertet werden muß, weil sie die generelle Überordnung des Reichs über die Landesbehörden voraussetzt, von der erst festzustellen ist, ob sie die Verfassung dem Reich nicht gerade ausdrücklich versagt." Ähnlich Peters, in: Reich und Länder 1928/1929, S. 369 f.: „Ja, man wird sogar aus dem Wortlaut des Art. 14 RV. zu schließen haben, daß das nach dem 2. Halbsatz mögliche Reichsgesetz nur bestimmen kann, daß ein Gesetz nicht durch Landesbehörden, sondern durch Reichsbehörden auszuführen ist, nicht aber - denn das wäre kein minus, sondern ein aliud - , daß die Ausführung zwar formell durch die Landesbehörden, jedoch mit über die Art. 77, 15 RV. hinausgehenden Anweisungsbefugnissen seitens der Reichsregierung, erfolgen könnte." Zustimmend auch Heinemann, Die Reichsauftragsverwaltung, S. 13, demzufolge sich „aus Artikel 14 allein ... dieser Schluß . . . nicht ziehen" läßt. 131 Die Reichsreformbemühungen wurde mit einer Länderkonferenz vom 16. bis 18. Januar 1928 in Berlin eingeleitet. Die Beratungen, die bis Juni 1930 währten, erfolgten im sog. Verfassungsausschuß und in dessen beiden Unterausschüssen. Zur Reichsreformbewegung vgl. Apelt, Geschichte der Weimarer Reichsverfassung, S. 386 ff. und Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band V I I , S. 667 ff. u. 758 f. 132 Vgl. beispielhaft die entsprechende Forderung des Hauptprotagonisten der Reichsauftragsverwaltung Koch-Wesers in Die Justiz 1927, S. 3. Die Reichsreformbewegung war auf eine Änderung der Weimarer Reichsverfassung angelegt; vgl. die einzelnen Strömungen zur Verfassungsreform bei Apelt, ebd. 133 Peters, in: Reich und Länder 1928/1929, S. 367; diese Charakterisierung der Reichsauftragsverwaltung stellte Peters nicht in Frage und knüpfte daher implizit mit seinen Verfassungsreformvorschlägen (ebd. S. 372) an sie an. 134 Beschlüsse des Verfassungsausschusses der Länderkonferenz vom 21. Juni 1930, in: Verfassungsausschuß der Länderkonferenz, Niederschrift über die Verhandlungen des Verfassungsausschusses vom 21. Juni 1930, S. 62. 135 Beschlüsse des Verfassungsausschusses der Länderkonferenz vom 21. Juni 1930, ebd.
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
ansah. Die bis in die grundgesetzliche Debatte hineingetragene Parallelisierung mit dem Kommunalrecht und die damit verbundene Idee der auftragsmäßigen Ausführung von Reichsangelegenheiten war mit der körperschaftlichen Lösung nicht angefochten. Die neue Konzeption darf auch nicht über die erheblichen Ingerenzrechte der Zentralinstanz hinwegtäuschen. Gerade dieser wegen erschien sie Ländervertretern, wie dem bayrischen Ministerpräsidenten Held, gefährlich. Sie habe „die Tendenz, die selbständige Landesverwaltung aufzufressen" 137. Daß sie von anderen Ländervertretern dennoch und dazu noch „vom Standpunkt der Länder aus" 1 3 8 akzeptiert wurde, wie besonders von dem preußischen Ministerialdirektor Brecht, hängt an deren Kalkül, „daß in Ermangelung eines solchen Instituts bisher verschiedene Verwaltungen in absolute Reichsverwaltung übernommen sind und daß, wenn wir . . . (ein solches Institut) nicht endlich schaffen, noch andere Verwaltungen in völlige Reichsverwaltung übernommen werden, ohne daß wir es hindern können" 1 3 9 . Diese Reaktion entsprach wohl den Erwartungen des die Länderfurcht schon früh treibenden Reichsministers Koch-Weser: „Gerade in diesem Punkt zeigt sich, wie schädlich es ist, wenn man nicht rechtzeitig mit der Durchführung eines maßvollen Unitarismus ernst macht. Kommt nicht rechtzeitig die Anerkennung des unitarischen Gedankens der Gehorsamspflicht der Landesbeamten, so kommt ein zentralistischer Unterbau des Reiches mit eigenen Beamten. Feindschaft gegen den Unitarismus führt auch hier zur Zentralisation, nicht zur Dezentralisation" 140 . Die Realisierung der gefaßten Reformbeschlüsse bleib aus, die Machtergreifung und anschließende Gleichschaltung hat ihnen ihre Weimarer Grundlage entzogen. Historische Wirkung scheinen die Anliegen der Länderkonferenz erst bei Entstehung des Grundgesetzes gezeigt zu haben. 2.2.2. Auslegungsertrag der Genese Die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes ereignete sich in Abkehr von den nunmehr historisch, jedenfalls vorläufig, diskreditierten Einheitsstaatsvorstellungen und war nicht nur ob eines allfälligen Diktats der Siegermächte 136 Beschlüsse des Verfassungsausschusses der Länderkonferenz vom 21. Juni 1930, ebd.: „Das Reich kann . . . die Länder" und nicht die Landesbehörden „beauftragen". Dieser Umstand belegt für Wolst die „große Affinität mit der Konstruktion der Bundesauftragsverwaltung" (Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform, S. 44). 137 Held, in: Verfassungsausschuß der Länderkonferenz, Niederschrift über die Verhandlungen der Unterausschüsse vom 5. und 6. Juli 1929 im Reichsministerium des Innern, S. 16. 138 Brecht, in: Verfassungsausschuß der Länderkonferenz, Niederschrift über die Verhandlungen der Unterausschüsse vom 20. Juni 1930, S. 16. 139 Brecht, ebd. 140 Koch-Weser, Einheitsstaat und Selbstverwaltung, S. 36. Vgl. auch ders., Die Justiz 1927, S. 1 ff. und JW 1928, S. 2761 ff.
2.2. Verfassungsgeschichte und Verfassungsgenese
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betont föderalistisch. 141 Dazu paßte es, das aus den Beratungen der Länderkonferenz durch den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee (10. - 23. August 1948) übernommene Vorhaben einer staatsrechtlichen Auftragsverwaltung unter der länderfreundlich klingenden Bezeichnung „Landesverwaltung nach Weisung" 142 zu betreiben und dieser „Verwaltungsform . . . nur für Fälle besonderen Bedürfnisses" 143 Wirklichkeit zu verschaffen. Der Bericht über den Konvent weist die „Landesverwaltung nach Weisung" als eine der vier zulässigen „Formen" 1 4 4 aus, Bundesgesetze auszuführen. Sie steht neben der landeseigenen Verwaltung, d.h. einer „Ausführung durch die Länder (Landesbehörden) als eigene Angelegenheit" 145 , neben der bundeseigenen Verwaltung sowie der bundesunmittelbaren Selbstverwaltung und ist genauerhin „die Ausführung durch die Länder (Landesbehörden) als vom Bund übertragene Angelegenheit mit Weisungsrecht des Bundes (der Bundesregierung)" 146 . Was im darstellenden Teil des Berichts zunächst mit Ausführung „als eigene Angelegenheit" 147 umschrieben ist, wird kurz darauf mit der Formulierung „die Ausführung der Bundesgesetze i s t . . . eigene Angelegenheit der Länder" aufgegriffen 148 und kehrt in Art. 114 149 der Entwurfsfassung als „die Ausfüh141 Ein föderalistisches Verfassungskonzept vertraten schon die sog. Verfassungsrechtlichen Thesen der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands (CDUD) vom 23. April 1946 (abgedruckt in Benz, „Bewegt von der Hoffnung aller Deutschen", S. 321 ff.) und auf Seiten der SPD die Richtlinien für den Ausbau der Deutschen Republik vom 13./14. März 1947 {Benz, ebd. S. 359 ff.). Das erste der sog. Frankfurter Dokumente vom 1. Juli 1948 hat „die verfassungsgebende Versammlung" auf eine „Regierungsform des föderalistischen Typs" festgelegt und ihr den Schutz der „Rechte der beteiligten Länder" aufgegeben (zitiert nach von Dömming / Füsslein / Matz, JöR N.F. Bd. 1 (1951), S. 2). Zu den Auseinandersetzungen zwischen den Alliierten und den deutschen Verfassungsgebern über das Ausmaß der föderalistischen Staatsgestaltung vgl. Erdmann, in: Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Band 22, S. 300 f. u. 310 f. 142 Vgl. Verfassungsausschuß der Ministerpräsidenten-Konferenz, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, S. 49 f. 143 Vgl. ebd. S. 50. 1 44 Vgl. ebd. S. 49. 145 Vgl. ebd. 146 Vgl. ebd. 1 47 Vgl. ebd. 148 Vgl. ebd. i 4 * Artikel 114 HChE (1) Soweit die Ausführung der Bundesgesetze eigene Sache der Länder ist, gilt für Durchführungsverordnungen Art. 113 Satz 1 entsprechend. (2) Die Bundesregierung und nach Maßgabe ihrer Geschäftsordnung die einzelnen Bundesminister üben die Aufsicht über die Durchführung der Gesetze in den Ländern aus. Die Bundesregierung kann zu diesem Zweck Beauftragte zu den obersten Landesbehörden und mit deren Zustimmung auch zu den unteren Behörden entsenden. (3) Mängel, die die Bundesregierung bei der Ausführung der Bundesgesetze in den Ländern feststellt, werden von ihr erforderlichenfalls im Bundesrat zur Sprache gebracht. Die Bundesregierung kann verlangen, daß der Bundesrat darüber beschließt,
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
rung der Bundesgesetze ( i s t ) eigene Sache der L ä n d e r " wieder. D a zudem der darstellende T e i l dem A r t . 42 H C h E 1 5 0 , welcher vorbehaltlich anderer Bestimmung oder Zulassung die Ausführung der Bundesgesetze eine „eigene Angelegenheit der L ä n d e r " nennt, die „ V e r m u t u n g für die Ausführung der Bundesgesetze durch Landesbehörden, u n d zwar i n F o r m der landeseigenen V e r w a l t u n g " e n t n i m m t 1 5 1 , sind die T e r m i n i „eigene Sache", „eigene Angelegenheit" und „als eigene Angelegenheit" synonym gesetzt u n d verwandt. Insofern u n d das heißt, weil er etwas anderes als landeseigene V e r w a l t u n g ausspricht, ist A r t . 113 H C h E 1 5 2 m i t seiner „ A u s f ü h r u n g der Bundesgesetze durch die Länder nach Weisung des Bundes" eine der anderen Bestimmungen zu A r t . 42 H C h E . W e n n nun i n A r t . 113 Satz 2 H C h E davon gesprochen w i r d , „ d i e Organisation der Behörden bleibt ( i n der Landesverwaltung nach Weisung) . . . Sache der L ä n d e r " , so w i r d m i t „Sache der L ä n d e r " eine vierte Sprachwendung e i n g e f ü h r t 1 5 3 , die sich nicht auf den nachstehenden A r t . 114 H C h E 1 5 4 u n d nicht auf den nur „ i n s o w e i t " 1 5 5 , sprich soweit die Länder die Bundesgesetze nach A r t . 114 H C h E ausführen, einschlägigen A r t . 42 A b s . 1 S. 2 H C h E bezieht. D i e sprachliche Entsprechung findet sich hingegen i n A r t . 30 H C h E 1 5 6 , der „Sache der L ä n d e r " die staatlichen Befugnisse u n d Aufga-
ob das Land durch die Art seiner Ausführung das Gesetz verletzt hat. Das Recht beider Teile, das Bundesverfassungsgericht oder nach späterer gesetzlicher Bestimmung ein anderes oberstes Bundesgericht anzurufen, bleibt unberührt. 150 Artikel 42 HChE (1) Soweit nicht dieses Grundgesetz etwas anderes bestimmt oder zuläßt, ist die Ausführung der Bundesgesetze eigene Angelegenheit der Länder. Sie regeln insoweit selbst die Organisation der Behörden und das allgemeine Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsverfahren. Der Bund überwacht gemäß den Bestimmungen über die Bundesaufsicht (Artikel 114 Abs. 2 und 3) nur die Gesetzmäßigkeit der Ausführung. 151 Vgl. Verfassungsausschuß der Ministerpräsidenten-Konferenz, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, S. 30. ι 5 2 Artikel 113 HChE Soweit die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder nach Weisung des Bundes erfolgt, bedürfen die Durchführungsverordnungen der Bundesregierung der Zustimmung des Bundesrats (Senats). Die Organisation der Behörden bleibt im Rahmen der einschlägigen Bundesgesetze Sache der Länder. Die Landesbehörden unterstehen den Anweisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden. 153 Art. 114 Abs. 1 HChE gebraucht die Wendung „eigene Sache der Länder". Vielleicht sollte mit dem Zusatz „eigene" eine innigere Verknüpfung von Ausführungskompetenz und Ländern signalisiert werden, als sie die Wendung der allgemeinen Regel des Art. 30 HChE ausdrückte. 154 Es gibt keinen inhaltlichen Anknüpfungspunkt, denn Art. 114 Abs. 1 HChE bezieht sich nur auf Art. 113, Satz 1 HChE. 155 Vgl. Art. 42 Abs. 1, Satz 2 HChE. 156 Artikel 30 HChE Soweit nicht dieses Grundgesetz die Zuweisung an den Bund anordnet oder zuläßt, sind die staatlichen Befugnisse und Aufgaben Sache der Länder und der in ihnen bestehenden Selbstverwaltungen. Dies gilt insbesondere für die Gesetzgebung, die Verwaltung, die Rechtspflege, die Inanspruchnahme von Einnahmequellen und die Bestreitung öffentlicher Ausgaben.
2.2. Verfassungsgeschichte und Verfassungsgenese
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ben, insbesondere die Verwaltung, allerdings unter dem Vorbehalt einer grundgesetzlich angeordneten oder zugelassenen Ausnahme, nennt. Nur auf den Wortlaut geschaut, ergibt sich folgender Befund: Art. 42 und 114 HChE betreffen die Verwaltungsform der landeseigenen Verwaltung, Art. 42 HChE um sie zum Regelfall zu erklären und ihr erste Gestalt zu geben, Art. 114 um sie bis auf die Stufe technischer Einzelheiten normativ durchzubilden. Art. 113 HChE bindet nicht an Art. 42 HChE an, sondern greift in Satz 2 zurück auf die Grundregel des Art. 30 der Entwurfsfassung. Da dieser unter dem Vorbehalt anderer Regelung steht, ist es plausibel, diese vor allem in Art. 113 S. 3 zu sehen 157 und demgegenüber dessen Satz 2 als das klarstellende Festhalten an der Grundregel zu interpretieren, bei der es „bleibt". Art. 113, Satz 1 und 3 HChE benennt dann das an und in der Landesverwaltung nach Weisung, was nicht „Sache der Länder" im Sinne von Art. 30 HChE ist. Dieses Verständnis der Zusammenordnung der Normen wird erhärtet durch das berichtende und darstellende genetische Material. Stimmig dazu ist der Bericht des Unterausschusses I I I (Organisationsfragen - Aufbau, Gestaltung und Funktion der Bundesorgane), „die Ausführung der Bundesgesetze (sei) grundsätzlich Sache der Länder" (Regel des Art. 30) „und zwar ihrer landeseigenen Verwaltung" 158 (Regel des Art. 42). Erklärt wird so auch die im darstellenden Teil des Berichts über den Verfassungskonvent geäußerte „gewisse Verwischung der Zuständigkeitsrechte zwischen Bund und Ländern" 1 5 9 als das Zusammenspiel von Art. 30 und 113 HChE, also von Regel und Ausnahme. Die am gleichen Ort benannte „erhebliche Herabminderung der staatlichen Selbständigkeit der Länder" in der „Verwaltungsform" Landesverwaltung nach Weisung läßt sich so normativ auf den Begriff bringen. Ist Art. 30 HChE die Regel, die die gerade „staatlichen Befugnisse und Aufgaben (zur) Sache der Länder" macht, dann ist der Abzug staatlicher Befugnisse und Aufgaben in der Ausnahmen beinhaltenden Vorschrift des Art. 113 HChE eine Herunterzonung der Länderstaatlichkeit. Sie reicht weit, soweit wie die Ingerenzrechte des Bundes, und sie hinterschreitet mit dem allen und nicht nur den zentralen Landesbehörden gegenüber eingeräumten Weisungsrecht sogar die föderalistischen Linien der Beschlußfassung der Länderkonferenz in der Weimarer Zeit. Aber der normative Ansatz, die grundsätzliche Plazierung der Länder ist diesen und ihrer sog. Staatlichkeit gewogen: Nur das, was den Ländern ausdrücklich als staatliche Kompetenz genommen ist und nur soweit es 157 Die Anweisungskompetenz im Sinne von Art. 113, Satz 3 HChE bricht dann die Regel des Art. 30 HChE, nach der staatliche Befugnisse und Aufgaben prinzipiell Sache der Länder sind. 158 Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee. Bericht des Unterausschusses I I I , In: Deutscher Bundestag (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat, Band 2, S. 306.
1 59 Vgl. Verfassungsausschuß der Ministerpräsidenten-Konferenz, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, S. 50.
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
ihnen genommen ist, geht ihrer staatlichen Betätigung ab. Ansonsten bleibt es auch im Rahmen der Landesverwaltung nach Weisung bei der Grundregel des Art. 30 HChE. Die im darstellenden Teil getroffene Charakterisierung der Landesverwaltung nach Weisung als eine Ausführung der Bundesgesetze „als vom Bund übertragene Angelegenheit" 160 scheint dem kommunalisierenden Denken noch erheblich Tribut zu zollen. Man könnte daher auf den Gedanken kommen, Art. 30 HChE würde durch Art. 113 HChE restlos gebrochen und blokkiert. Dafür gibt aber die Norm des Art. 113 HChE selber nichts her. Sie regelt einzelne Rechte und Pflichten von Bund und Ländern in der genannten Verwaltungsform. Nichts anderes ergibt sich aber auch dann, wenn die zitierte, das Normenmaterial beschreibende Charakterisierung für die Norm genommen wird. Denn ihr fehlt die von und vor Art. 30 HChE geforderte Eindeutigkeit der Aussage, die Länder nähmen insoweit eine ihnen fremde, dem Bereich ihrer Staatlichkeit entrückte Kompetenz wahr. Hinzu kommt, daß die Ausgangsnorm des Art. 30 HChE von Zuweisungen an den Bund, nicht aber an die Länder ausgeht. 161 Die Ausführung als übertragene Angelegenheit läßt sich aber auch in das Normenmaterial betten, wenn sie im Sinne einer Brechung der Regel in Art. 42 HChE verstanden wird. Ohne besonderen Verfassungs- oder Gesetzesakt fällt den Ländern die Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit, sprich in der regelmäßigen Verwaltungsform zu. Die Abweichung, die Landesverwaltung nach Weisung, verlangt nach einer besonderen verfassungsrechtlichen oder einfachgesetzlichen, allerdings von der Verfassung zugelassenen Bestimmung, sprich nach einer Übertragung. Der genetische Befund verschließt sich aber auch in dieser Richtung eindeutiger Interpretation. Aber: In der postulierten Übertragung erst die Einräumung der Verwaltungskompetenz an die Länder zu sehen, verlangt wegen Art. 30 HChE nach einer zusätzlichen, aber nicht ersichtlichen Regel, die dem Bund selber erst einmal eine an die Länder übertragbare Position verschaffte. Klarheit verschafft auch nicht der einschlägige „Bericht über die dem Parlamentarischen Rat gestellte Aufgabe an Hand der Vorarbeiten und Entwürfe". Der von Schwalber in der 3. Plenumssitzung am 9. September 1948 gegebene Rapport „über das Kapitel der Zuständigkeitsabgrenzung" 162 stellt zwar noch einmal heraus, „daß die Ausführung der Bundesgesetze Sache der Länder ist" 1 6 3 , verwertet dafür Art. 30 HChE, referiert die Herabminderung der staat160 Vgl. ebd. S. 49. 161 Wegen Art. 30 HChE kann der Bund nur solche Angelegenheiten den Ländern übertragen, die ihm selber eine Verfassungsnorm zugewiesen hat. Eine solche Norm ist aber hinsichtlich der Auftragsangelegenheiten nicht ersichtlich. 162 Schwalber, Parlamentarischer Rat, Stenographischer Bericht, 3. Sitzung 9. September 1948, S. 34. 163 Schwalber, ebd. S. 38.
2.2. Verfassungsgeschichte und Verfassungsgenese
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liehen Selbständigkeit der Länder in „der sogenannten Auftragsverwaltung" 1 6 4 , sieht die Länder insoweit in der Stellung und auf der Ebene „bloßer Selbstverwaltungskörper" 165 und spricht die vom Verfassungskonvent her bekannte Warnung gegenüber dieser Verwaltungsform aus. Tritt er dabei für die Vermeidung des Begriffs Auftragsverwaltung als Sproß des Kommunalrechts ein, nennt er ihn „von uns nicht gern gesehen, weil wir nicht wollen, daß die Begriffe durcheinander geraten" 166 , dann scheint das auf eine spezifisch staatsrechtliche Konstruktion von Weisungsverwaltung, für die erst jede benannte Bundesingerenz eine staatliche Kompetenz nicht mehr Sache der Länder sein läßt, hinzudeuten. Schwalbers eigener, alternativer Bedeutungsvorschlag „Verwaltung im Namen und nach Weisung des Bundes" 167 verunklart seinen Ansatz aber deswegen wieder, weil das Verwalten im Namen des Bundes ein vertretungsrechtliches Moment, einen Verweis auf einen eigentlich Berufenen und Berechtigten einbringt. Bei aller Unausgetragenheit und Zweideutigkeit dieser Plenarausführungen und auch der Befunde des Verfassungskonventes ist nicht zu verleugnen, daß in den jeweiligen Gremien und Beiträgen eine solche Einbeziehung der Länder gerade auch in der Verwaltung nach Weisung, die ihnen zunächst und grundsätzlich alle staatlichen Kompetenzen eine eigene Sache sein läßt, angedacht worden ist. Der Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung hat nach erstem Anschein in seiner 5. Sitzung am 29. September 1948 die Landesverwaltung nach Weisung als „das Gegenstück zum übertragenen Wirkungskreis im Kommunalrecht" 168 aufgegriffen. Genaueres Hinsehen offenbart, daß die Ausschußmitglieder an dieser Stelle im wesentlichen Verwaltungstätigkeiten in den Blick genommen hatten, die sich über den Gegenstand ihrer Tätigkeit definierten, darunter herausgehoben die Verwaltung der vormaligen Reichswasserstraßen. 169 Hatte der Herrenchiemseer Entwurf in Art. 118 formuliert, der Gewässereigentümer Bund solle „auf Antrag die Verwaltung einer solchen Wasserstraße für die Strecke, in der sie lediglich das Gebiet eines einzelnen Landes berührt, auf 164
Schwalber, ebd. Schwalber, ebd. 166 Schwalber, ebd. 167 Schwalber, ebd. 168 Laforet, Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung, 5. Sitzung 28. September 1948, in: Deutscher Bundestag (Hrsg), Der Parlamentarische Rat, Band 3, S. 242: „Es ist möglich, daß Aufgaben durch die Länder als vom Bund übertragene Angelegenheiten erfüllt werden. Das ist das Gegenstück zum übertragenen Wirkungskreis im Kommunalrecht." 169 Laforet, ebd. S. 242 f., wenn er auch mit seiner Bezugnahme auf S. 49, Ziffer l b des Berichts über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee die Ausführung der Bundesgesetze in seine Aussage mit eingeschlossen hat. Sein Augenmerk galt aber der Verwaltung der vormaligen Reichswasserstraßen, weshalb er auch dazu den Bericht über den Verfassungskonvent zitiert (ebd. S. 242). Daher auch: „Es paßt mir nicht, daß hier in den Art. 112 ff. im Anschluß an Weimar nur immer von Ausführung der Bundesgesetze gesprochen wird" (ebd. S. 243). 165
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
dieses Land übertragen", und hatte er das Land für diesen Fall den Weisungen des Bundes unterstellt, dann machte die Rede von der übertragenen Angelegenheit durchaus Sinn. Die Wasserstraßenverwaltung war danach solange eine Angelegenheit des Bundes, bis er diese Angelegenheit einem Land übertragen hatte. Ein solcher Verfassungsrechtssatz, der eine staatliche Kompetenz zunächst zu einer des Bundes macht, die dieser dann allfällig auf ein Land „übertragen" wird bzw. kann, fehlt nun aber im Bereich der Bundesgesetzvollziehung. Das entsprechend gefaßte Verständnis von „übertragener Angelegenheit" paßt nicht auf die Fälle bundesgesetzakzessorischer Weisungsverwaltung. Wie es schon der Name „Landesverwaltung nach Weisung" ankündigt, liegt die Pointe dieser Verwaltungsform im Rahmen der Ausführung von Bundesgesetzen dann nicht in Übertragungsakten von der Bundes- in die Länderkompetenz, sondern in der Weisungsmacht des Bundes. Auf diese legte die Beratung denn auch einen Schwerpunkt. 170 Hat der thematisierte Verwaltungstyp auch in der Weisungsunterworfenheit des Landes sein proprium, so ist damit noch nicht deren Intensität und Umfang bestimmt. Ein Weisungsrecht kann sich auf Rechts- wie auf Zweckmäßigkeitsfragen beziehen, kann von den Bundeszentralbehörden direkt oder nur über die obersten Landesbehörde vermittelt gegenüber den mittleren bzw. unteren Landesbehörden geübt werden, kann schließlich zu generellen Festlegungen oder auch zu Anweisungen für den Einzelfall ermächtigen. Der Zuständigkeitsausschuß hat sich schnell darüber verständigt, daß die Weisungen des Bundes nicht nur Recht - sondern auch Zweckmäßigkeit umgreifen, damit da nicht „Später etwas passiert" 171 ; mit gebrochenem verfassungsgeberischen Selbstverständnis hat er sich in die Kenntnis gesetzt, „eines der wenigen Dinge, über die sich die Juristen einig (seien, wäre), daß in Auftragsangelegenheiten im einzelnen Fall eine Anweisung gegeben werden" 1 7 2 könne. Das Bestreben von Laforet 173 , Bundesweisungen nur über die obersten Behörden des Landes in dessen Instanzenzug eingehen zu lassen, auch in seiner kompromißsuchenden Abmilderung, „bei Gefahr im Verzuge auch die untergeordneten Behörden" als Weisungsadressat zuzulassen, fand nicht die Billigung des Ausschusses. Vor allem Hoch 1 7 4 stellte sich gegen die Vorschläge von Laforet, die ihm den reibungslosen Ablauf der Verwaltung und letztlich „die ganze 170
Für die Beratung der Fünften Sitzung am 29. September 1948 vgl. ebd. S. 263 f. Strauß, Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung, 13. Sitzung 15. Oktober 1948, ebd., S. 553: „Und wir sind uns einig, daß die Aufsicht sich auch auf die Zweckmäßigkeit erstreckt. Ich möchte nicht, daß da später etwas passiert." Diese Aussage galt Strauß auch hinsichtlich der Weisungsmacht in der „Verwaltung nach Weisung, deren wesensmäßiger Inhalt auch auf Zweckmäßigkeit bedeutet" (ebd.). Ebenso Hoch, ebd. 172 Hoch, ebd. 173 Laforet, Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung, 14. Sitzung 10. November 1948, ebd. S. 577 f. unter Berufung auf die „Einheit der Verwaltung". ™ Hoch, ebd. S. 578. 171
2.2. Verfassungsgeschichte und Verfassungsgenese
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Institution der Bundesauftragsangelegenheit" 175 zu gefährden schienen. Auf die spätere Frage Laforets, „was ist denn dann noch für ein praktischer Unterschied zwischen der Bundesverwaltung und der Verwaltung nach Weisung, wenn die Bundesbehörden über den ganzen Apparat nach ihrem Belieben verfügen können" 1 7 6 , antwortete Hoch nach dem dogmatisch, gemessen am Verhandlungsstand unsauberen Einwurf von Schlör, „das ist bloß eine geliehene Verwaltung" 177 recht überraschend: „Mir gefällt eigentlich die ganze Konstruktion nicht. . . . Man sollte bundeseigene Verwaltung und landeseigene Verwaltungen haben und keine Zwischengebilde mehr. Das Zwischenglied ist unerfreulich, ist eine Konzession an beide Prinzipien. Wenn ich sie schon für notwendig halte, dann muß ich dem Bund die Möglichkeit geben, bei Dingen, die wichtig sind, bis zur untersten Behörde zu bestimmen, wie sie ausgeführt werden sollen." 178 Sein Objekt fand dieser in der 17. Sitzung am 23. November 1948 geoffenbarte Wille zur Konsequenz in der Ablehnung einer Mediatisierung 179 der unteren bzw. mittleren Landesbehörden als Weisungsadressaten, aber auch in der Ausrichtung der Weisung auf das Konkret-Individuelle sowie auf das Zweckmäßige 180 . Ob die als umfassend und im Modus der Unbedingtheit präsentierte Subordination der Länder an den Vorgaben der Bundesgesetze ihre Grenzen findet, Grenzen, die auch Weisungsmacht nicht überschreiten und überspielen kann, läßt die Diskussion im Zuständigkeitsausschuß aber offen. 175 Hoch, ebd. S. 579: „Wir gefährden die ganze Institution der Bundesauftragsangelegenheiten, wenn wir verlangen, daß Weisungen durch den Instanzenzug laufen müssen." 176 Laforet, Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung, 17. Sitzung 23. November 1948, ebd. S. 662. 1 77 Schlör, ebd. S. 662. Hoch, ebd. S. 662. 179 Mediatisierung bezeichnet dabei die Vermittlung von anweisender Bundesbehörde und ausführender unterer oder mittlerer Landesbehörde durch eine oberste Landesbehörde. Der Begriff Mediatisierung wird konkret definiert, weil seine kontextbezogene Anwendung zunächst nicht problemfrei ist. Da Mediatisierung in der Geschichtswissenschaft die Unterwerfung eines bis dahin reichsunmittelbaren Standes unter die Landeshoheit eines anderen Reichsstandes bezeichnet (vgl. Haberkern / Wallach, Hilfwörterbuch für Historiker, Zweiter Teil, S. 420), könnte man auf die Idee kommen, ihr Wesen sei die Nutzbarmachung einer Organisationseinheit als Mittel (lat.: instrumentum!) für eine andere. Dann würde Mediatisierung im Kontext der Auftragsverwaltung die unmittelbare Bereitstellung der unteren und mittelbaren Landesbehörden als Weisungsadressaten bedeuten. Medium, Stammwort von Mediatisierung, ist aber die Mitte; Mediatisierung ist das „mittelbar" machen, das in Vermittlung bringen. Mediatisierter Stand und Reich begegnen sich vermittelst eines Reichsstandes; mediatisierte untere oder mittelbare Landesbehörden begegnen dem Bund nur vermittelst einer obersten Landesbehörde. Sie steht in der „Mitte" zwischen beiden. 180 Ygi d e n Beschluß des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung vom 1. und 2. Dezember 1948, ebd. S. 751: Artikel 113 Abs. 3: „Die Landesbehörden unterstehen den Anweisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden." Anweisungen steht dabei für Weisungen im einzelnen Fall; vgl. Strauß, 13. Sitzung 15. Oktober 1948, S. 551 zu der anfänglichen Differenzierung zwischen Anweisung und Weisung.
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
Klarheit verschafft hier auch nicht Hoch in der 5. Sitzung am 29. September 1948 mit: „Hier ist ja das Land in seiner Entschließung, in der Art, wie es die Sache ausführt, nicht frei, sondern muß den Befehlen des Bundes in jeder Hinsicht im Rahmen der einschlägigen Bundesgesetze gehorchen." 181 Sollte das heißen, die Länder seien so frei, die Wahrung des Rahmens verteidigen zu können? Und wem sollte dann die verbindliche Erkenntnis des gesetzlichen Rahmens zufallen? Auf Biomeyers Vorhalt, „trotzdem kann man einen Rahmen so oder so auslegen" 182 , reagierte nur noch Wagner mit: „Wollen wir vielleicht diesmal das Mißtrauen des Bundes nicht gegenüber den Ländern betonen und wollen wir sie in ein gegenseitiges Vertrauen bringen!" 183 Wann wäre aber ein Mißtrauen des Bundes gegenüber den Ländern betont? Dann, wenn diese den Rahmen verbindlich auslegen dürften, weil in diesem Fall das Mißtrauen gerechtfertigt wäre? Oder dann, wenn diese Kompetenz den Ländern nicht zukäme, weil dann dem Mißtrauen des Bundes Rechnung getragen wäre? Die Hervorhebung des gegenseitigen Vertrauens macht die Frage endgültig unentscheidbar. Die weitere Ausführung von Hoch 1 8 4 , „die Länder sind im allgemeinen frei" und weiter, „da müßte der Bund eben den Rahmen vorschreiben", ist allein auf Art. 113 Satz 2 des Entwurfes bezogen. 185 Schlüsse von dem, was in puncto Behördenorganisation gelten sollte, auf das Weisungsverhältnis wären zumindest nicht genetisch authentisch. Eine vergleichbar leicht mißverständliche Passage findet sich in den Ausführungen von Kleindienst in der 35. Sitzung des Hauptausschusses am 12. Januar 1949: „Wenn eine solche Weisung an eine untere Behörde im konkreten Fall gegeben wird und sich auf irgendeine Beschwerde hin - in der Zeitung oder im Bundestag - herausstellt, daß die Voraussetzungen der Weisung falsch sind, muß die Weisung zurückgenommen werden." 1 8 6 Zum einen wäre es übereilt, hier einen entsprechenden Rücknahmeanspruch der Länder mitzulesen, zum anderen darf nicht übersehen werden, daß Kleindienst zu den Sonderfällen einer bundesbehördlichen Weisung im Rahmen der landeseigenen Ausführung der Bundesgesetze, so verrät es der Kontext 1 8 7 , gesprochen hat. Für Vergleichbarkeiten mit oder Analogieschlüssen für die immer öfter nun auch so bezeichnete Auftragsverwaltung 188 spricht die genetische Quelle selbst nicht. 181 Hoch, Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung, 5. Sitzung 29. September 1948, ebd. S. 263. 182 Blomeyer, ebd. S. 263. 183 Wagner, ebd. S. 263. iw Hoch, ebd. S. 263. * 8 5 Vgl. Hoch, ebd. 186 Kleindienst, Hauptausschuß, 35. Sitzung 12. Januar 1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, S. 440. 187 Aufgerufen war die Behandlung des Art. 112/2 Abs. 4; vgl. ebd., S. 436. 188 Vgl. schon Strauß, Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung, 13. Sitzung 15. Oktober 1948, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat, Band 3, S. 552.
2.2. Verfassungsgeschichte und Verfassungsgenese
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In der Behandlung der nun auch schon im Entwurf so bezeichneten Ausführung der „Bundesgesetze im Auftrage des Bundes" 189 in der 45. Sitzung vom 19. Januar 1949 haben sich die Fürsprecher eines kommunalisierenden Denkens deutlichen Ausdruck verschafft. Insbesondere Strauß 190 hat den kommunalrechtlichen Ursprung der staatsrechtlichen Auftragsverwaltung herausgestellt und deren, nach seiner Sicht ausschließlich durch diese Tradition geprägten Inhalt entwickelt: „Wenn ein Land einen Verwaltungszweig im Auftrage des Bundes führt, so ist das eine Bundesverwaltung, die aber nicht durch Bundesbehörden, sondern durch Landesbehörden ausgeübt wird." 1 9 1 Den gleichen oder einen vergleichbaren dogmatischen Ansatz hat Zinn 1 9 2 in selbiger Sitzung verfochten, wenn ihm „bei der reinen Auftragsverwaltung, ... das Land nur kraft Auftrages handelt, nicht kraft eigenen Rechts." Die Auffassungen decken sich, werden sie so verstanden, daß beide von einer nur vordergründigen, formal und nach außen geübten Landestätigkeit, aber einer eigentlich, der Sache nach, sprich materiell dem Bund zustehenden Verwaltungsangelegenheit ausgehen. Das wäre nicht Organleihe, denn diese dogmatische Figur konstruiert das ausgeliehene Organ als Organ dann des Entleihers, 193 sondern wäre eine Art von Vertretung in der Wahrnehmung eigener, hier Bundesangelegenheiten durch das „eigentlich" für einen anderen, den Bund, handelnde Land. Zinn kann aber auch so gedeutet werden, daß seine Interpretation nicht in den Jargon der Eigentlichkeit fällt. Daß das Land nicht aus eigenem Recht handele, könnte erstens so ausgelegt werden, daß es nur sagte, den Bund träfen die Rechtswirkungen aus dem vom Land getätigten Verwaltungshandeln, zweitens in der Weise, daß der Bund das Sagen in der Sache habe und drittens, daß das handelnde Land dem Bund gegenüber kein Recht auf Ausübung dieses Verwaltungshandelns überhaupt besitze. Die erste Variante kann sofort ausgeschlossen werden. Die durch Handlungen im Außenrechtskreis begründeten Rechtsbeziehungen binden das Land, nicht aber den Bund ein. Daß im Bund/Länder-Innenverhältnis in der Auftragsverwaltung eine Fülle von rechtlichen Verbindungen existieren, tut dafür nichts zur Sache. Das wird Zinn nicht anders beurteilt haben. Die zweite Lesart als maßgebliche zu wählen, hat zwar in der Sache vieles für sich, erklärte und nähme den Begriff „Landesverwaltung nach Weisung" voll auf, steht aber gegen den konventionellen Sinn von „eigenem Recht" 1 9 4 . Handeln aus eigenem Recht heißt (in Abgrenzung zu 189 Vgl. Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusse, 45. Sitzung, 19. Januar 1949, S. 594. 190 Strauß, 45. Sitzung 19. Januar 1949, ebd. S. 595. 191 Strauß, ebd. 192 Zinn, ebd. Vgl. nur Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht I I , § 75Ialß (S. 62 f.) 194 „Eigenes Recht ist für eine Person jedes Recht, dessen Subjekt sie ist." So Rosin, Annalen des Deutschen Reichs 1883, S. 280. Ähnlich Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, S. 68; zustimmend Wenzel, Der Begriff des Gesetzes,
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
anderen und anderen gegenüber), zum Handeln berechtigt zu sein. 195 Von Zinn intendiert, versucht man ihn rekonstruktiv so zu verstehen, wie er eingepaßt in dogmatische Kategorien vernünftig nur verstanden werden kann, war dann wohl die Ausschließung einer subjektiven verfassungsrechtlichen Garantie eines ländereigenen Betätigungs- und dann wohl auch Entscheidungsrechts in der Bundesauftragsverwaltung gegenüber dem Bund. Haben aber die Länder aufgrund der Grundregel, die ihnen alle staatlichen Aufgaben und Befugnisse zu ihrer Sache macht, schon eine Bastion, die ihnen ein qualifizierter Rechtssatz erst wieder nehmen muß, um sie so zu stellen, wie Zinn sie stehen haben will, dann muß hierfür die verfassungstextliche Wendung, „führen die Länder die Bundesgesetze im Auftrage des Bundes aus" mangels einer anderen einschlägigen Norm herhalten. „Verwaltung im Auftrag" wäre damit der beladenere Begriff als „Verwaltung nach Weisung" und nicht durch diesen erschöpft. 196 Diese Zugabe an inhaltlicher Aussage ist aber für jede Position unentbehrlich, die Art. 30 GG in der Bundesauftragsverwaltung über die Existenz der je einzeln benannten Ingerenzrechte des Bundes hinaus, sozusagen grundsätzlich für die gesamte Verwaltungsform, brechen will. Beides, sowohl die Rede von dem eigentlich, dem an sich berufenen Bund, die bei Strauß und je nach Lesart bei Zinn herausklingt, wie auch die inhaltliche Diskrepanz von Weisung einerseits und Auftrag andererseits, zu der die dogmatische Rekonstruktion der Ausführungen Zinns führen kann, hat maßgebliche genetische Quellenaussagen und Standpunkte gegen sich. Bundesauftragsverwaltung laut Strauß als Bundesverwaltung nur von Länderbehörden ausgeübt, hat schon die Diktion und den verfassungsjuristischen Duktus des Herrenchiemseer Entwurfes zum Widerpart. „Landesverwaltung nach Weisung" ist nicht so vordergründig und unernst gemeint gewesen, daß sie den Begriff „Bundesverwaltung" als eigenes Prädikat in sich einbegreifen könnte. Noch offenkundiger ist die Unvereinbarkeit mit der von Laforet im Zuständigkeitsausschuß für die spätere Bundesauftragsverwaltung verwandten Bezeichnung „landeseigene Verwaltung nach Weisung" 197 . Die Einführung der Terminologie „im Auftrag des Bundes" statt j,nach Weisung des Bundes" in den Verfassungstext kann hingegen nun aber so wenig angeführt werden, wie die S. 230. Es ist ein im Zivilrecht bekanntes Phänomen, daß auch der Weisungsunterworfene, etwa das Kind, aus eigenem Recht handeln kann. 195 Handeln die Länder aus eigenem Recht, dann sind (nur) sie nach außen handlungsbefugt. Das schließt interne Weisungen, die das Außenhandeln determinieren, nicht aus. 196 Das Verwalten im Auftrag implizierte dann, daß die Angelegenheit zunächst dem Bund zugewiesen war, der sie dann aber den Ländern übertragen habe. In das Verwalten nach Weisung kann eine solche Übertragungskonstruktion nicht hineingelesen werden. 197 Laforet, Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung, 20. Sitzung 2. Dezember 1948, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat, Band 3, S. 721: „Die landeseigene Verwaltung nach Weisung ist in Art. 113 aufgegliedert."
2.2. Verfassungsgeschichte und Verfassungsgenese
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Bedeutungsvarianz von „Weisung" und „Auftrag" genetisch ihrerseits nicht authentisch ist. 1 9 8 Einziger Grund dieser redaktionellen Änderung war die Bekämpfung und Vermeidung von „Mißverständnis" 199 , das darauf gründete oder gründen würde, daß auch im Bereich der Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit Einzelweisungen vom Bund, wenn auch nur in besonderen, kautelierten Fällen erteilt werden können. Wären „im Auftrag" und „nach Weisung" wirklich zwei weit auseinanderklaffende verfassungsjuristische Termini, dann dürfte der maßgebliche Unterschied von Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit bzw. im Auftrag des Bundes nicht in Bedingungen und Reichweite von Ingerenzrechten des Bundes, insbesondere des Weisungsrechts liegen, sondern müßte im grundsätzlich divergierenden konstruktiven Ansatz bestehen. Daß dem nicht so ist, zumindest nicht nach maßgeblicher Auffassung im Parlamentarischen Rat, belegt Laforet in seinem Schriftlichen Bericht über den Abschnitt V I I I . Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung: „Der entscheidende Unterschied zwischen der Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit oder als Angelegenheit, die die Länder im Auftrag des Bundes ausführen, liegt in der Befugnis der Einwirkung der Bundesregierung." 2 0 0 Und das sind ja auch erhebliche Unterschiede, die es rechtfertigen, daß Laforet im Laufe des Berichts davon spricht, in der Bundesauftragsverwaltung entscheide „allein der Wille der zuständigen obersten Bundesbehörde" 2 0 1 und sei eine „allgemeine Unterordnung" 202 der Länder gegeben. Das sind Sätze, die sich auf die in der Verfassung explizit vollzogene Abstimmung der Bundesingerenzen, nicht aber auf eine pauschale Kürzung der Länderstellung qua Auftragsbegriff oder schon fertig implantierter Auftragsdogmatik stützen. Sie halten den Raum für die Auskonstruktion der rechtlichen Grenzen der Ingerenzrechte des Bundes und allfälliger, ihre Einhaltung garantierender Rechte der Länder frei.
2.2.3. Die Essenz des historischen und genetischen Befundes Die Geschichte der Stellung der Länder in Ausführung der Bundesgesetze ist eine Geschichte ihres Ausbaues, ihrer Festigung und „Verstaatlichung". Das ist zunächst der Weg von den herrschenden, wenn auch nicht ohne Widerspruch und Anfechtung gebliebenen spätkonstitutionalistischen Positionen, denen zufolge das Land seine Staatsqualität, aber deswegen nicht jede eigene 198 Schmid , Hauptausschuß, 45. Sitzung 19. Januar 1949, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, S. 596. 199 Laforet, in: Der Parlamentarische Rat, Schriftlicher Bericht, S. 40. 200 Laforet, ebd. S. 39. 201 Laforet, ebd. S. 40. 202 Laforet, ebd.
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
und bewehrte Rechtsstellung, dann und dort verleugnet, wenn bzw. wo es Reichsgesetze vollzog, hin zu der in und mit Weimar vollzogenen grundsätzlichen Anerkennung der Länderstaatlichkeit auf gerade auch diesem Betätigungsfeld. Mit der Qualität als Landesangelegenheit bzw. Sache der Länder wurde die Reichsgesetzvollziehung sogar zu einem exponierten Gegenstand der staatlichen Existenz der Länder. Dieser erreichte Stand ist nach kurzzeitigem Verlust im Dritten Reich im Grundgesetz vor allem durch Art. 30 GG gesichert worden. Dieser Prozeß ist in Hinblick auf die sog. landeseigene Ausführung der Bundesgesetze eindeutiger und schneller abgelaufen, als es bei der Auf tragsverwaltung der Fall war. Aber es konnte auch gezeigt werden, daß sich die ländereigene Ausführung der Bundesgesetze als Teil des Gesamtphänomens der gliedstaatlichen Vollziehung von Zentralstaatsgesetzen auch erst von kommunalrechtlicher Dogmatik und dem ihr zugehörigen Vokabular freimachen mußte, um als Ausdruck der Länderstaatlichkeit erkannt werden zu können. Und erst als dies geschehen war, war diese Dogmatik und ihre Begrifflichkeit frei, um neue, durch höhere Reichsingerenz gekennzeichnete Ausführungsformen von Reichsgesetzen durch die Länder belegen und dann auch erklären zu können. Von dieser kommunalrechtlichen Tradition ist bis in die heutige Zeit noch nicht völlig Abstand genommen worden. In den Beratungen zur Schaffung des Grundgesetzes hat sich dieser Denkansatz denn auch noch deutlich gezeigt. Auf der anderen Seite ist aber auch nicht zu verkennen, daß eine mehr an dem heutigen Art. 30 GG orientierte Position das proprium der Auftragsverwaltung in einer gesteigerten Bundesingerenz, nicht aber in einer staatsrechtlich konstruktiven Andersartigkeit im Vergleich mit der landeseigenen Ausführung sah. Von diesem oft nur dürftig ausgesprochenen und in dogmatisch-konstruktiver Kargheit meist nur angedachten Ansatz aus liest sich das, was ein zu unbefangener Blick in den Quellen als totale Subordination der Länder unter den Willen des Bundes nehmen mag, wesentlich anders akzentuiert. Unbestreitbar ist das hohe Übergewicht des Bundes, die Erstreckung seiner Herrschaft in das Reich der Zweckmäßigkeit und seine Macht im und über den Einzelfall. Über Begrenzungen dieses recht großzügig geschnittenen Einflußraumes des Bundes durch technisch wie auch immer abzuleitende und zur Geltung zu bringende Rechte der Länder auf die Unverbrüchlichkeit der Kompetenzgrenzen bzw. der Rechtsordnung war damit und wurde auch anderswo nichts gesagt. Das, was die Genese offen gelassen hat, kann aber allfällig nach der Manier des dogmatischen Ansatzes verfassungsrechtlich korrekt geschlossen werden, der sich in den Beratungen in Nuancen, Tendenzen und Akzenten abzeichnete. Hier ist zudem der Rückgriff auf die staatsrechtliche Position vor allem Jellineks möglich, die Abwehrrechte und Rechtsschutzansprüche der Länder gegen den das bundesstaatliche Subordinationsverhältnis rechtswidrig ausdehnenden Zentralstaat kannte. Dies sind Aufgaben der konstruierenden Teile dieser Abhandlung.
2.3. Der Faktor „Staatlichkeit der Länder"
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Weil die zunehmende „Verstaatlichung" der Länderstellung im Rahmen der Ausführung von Zentralstaatsgesetzen zum Ertrag der historischen und genetischen Untersuchung gehört, und weil sich Art. 30 GG als eine fundamentale Norm für die Länderstellung in der Bundesauftragsverwaltung entpuppt hat, untersucht das folgende Kapitel die juristische Bedeutung der sog. Staatlichkeit der Länder und versucht sie in Verbindung mit Art. 30 GG zu setzen. Lassen sich Art. 30 GG und das Theorem „Länderstaatlichkeit" zusammenbringen, dann kann mit der in der Genese angedachten und systematisch geforderten 2 0 3 Einspielung von Art. 30 GG in die Konstruktion der Bundesauftragsverwaltung ein weiterer Schritt zur „Verstaatlichung" der Länder unternommen werden. 2.3. Der Faktor „Staatlichkeit der Länder" Der wissenschaftliche Ertrag der Diskussion über den Gehalt von Bundesstaatlichkeit darf nicht in den bundesstaatsrechtlichen Einzeldogmatiken verloren gehen. Vielmehr muß in den Einzelausgestaltungen eine für richtig befundene dogmatische Konzeption auch durchgehalten werden; Ausnahmen müssen bewiesen und Abweichungen begründet werden. Eine bundesstaatsrechtliche Einzeldogmatik betrifft die Bundesauftragsverwaltung, in der gerade die Akteure, Bund und Länder, zusammenwirken, deren Zusammenwirken den Bundesstaat konstituiert. Wo Lehre 1 und Rechtsprechung 2 Bun203 Vgl. Kapitel 2.1. 1 Vgl. Barschel, Die Staatsqualität der deutschen Länder, S. 167; Bothe, in: Kommentar zum Grundgesetz (Reihe Alternativkommentare), Art. 20 Abs. 1 - 3 1 Randnr. 20; Degenhart, Staatsrecht, Randnr. 63 f.; Frenkel, Föderalismus und Bundesstaat, Band I, S. 92 u. 95 f.; Fr owein, in: Benda, u. a., Probleme des Föderalismus, S. 57; Geiger, Mißverständnisse um den Föderalismus, S. 5; Harbich, Der Bundesstaat und seine Unantastbarkeit, S. 60 u. 85; Herzog, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 20, Randnr. I V , 7 f. (1980); ders., D Ö V 1962, S. 81 ff.; ders., Jus 1967, S. 193 ff.; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band I, S. 656 f.; Kimminich, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band I, S. 1138; Kölble, D Ö V 1962, S. 587 f. ; Maunz, Festschrift für Berber, S. 357; Maunz / Zippelius, Deutsches Staatsrecht, S. 102f.; Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 243; Rudolf, Festschrift BVerfG, Band I I , S. 240 ff.; Schmidt, A ö R Bd. 87 (1962), S. 294; H.P. Schneider, D Ö V 1987, S. 750; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, S. 666 ff.; Vogel, in: Benda, u.a., Handbuch des Verfassungsrechts, Band 2, S. 818. Die Einschätzung von Stern, ebd., S. 667, die „Staatsqualität der Länder ist nach dem Grundgesetz unstreitig", trifft allerdings nicht zu. Vgl. Hempel, Der demokratische Bundesstaat, S. 182: „Nur auf die Gesamtheit von Bund und Ländern kann der Begriff ,Staat' . . . sinnvoll angewandt werden." Ebenso Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 84, Fn. 1; Jahrreiss, Gedächtnisschrift für Hans Peters, S. 543. Merkl, Zeitschrift für öffentliches Recht I I , 1921, S. 337, spricht von dem „oft erzählten Märchen vom Staatscharakter des Oberstaates und der Gliedstaaten im Bereich des Bundesstaaten" und denen, die es „nicht mehr glauben können". 2 Vgl. BVerfGE 1, 14/34; 34, 9/19 f.; 36, 342/360 f.; 72, 330/383; wenn in BVerfGE 1, 14/51 und 13, 54/78 trotz angenommener Länderstaatlichkeit eine Überordnung des Bundes über die Länder angenommen wird, dann geschieht dies ausschließlich und aus-
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
desstaatlichkeit derart konzipieren, daß sie (ein hohes Maß) Eigenstaatlichkeit der Länder abwirft, fragt sich, warum die der herrschenden Lehre nachgewiesenen3, dem Kommunalrecht entliehenen Kategorien und Figuren in der Dogmatik der Bundesauftragsverwaltung eine Berechtigung haben sollen. 4 Denkbar ist zunächst, daß sich die heute fast als unfraglich angenommene Staatsqualität der Länder problemlos mit den genannten dogmatischen Dispositionen verträgt. Überzeugt das nicht, dann kann die Staatlichkeit der Bundesländer vielleicht immer noch für oder in Art. 85 GG in parte oder in toto zurückgenommen, also sektoral zugeschnitten werden. Für die zweite Erklärungsstrategie, welche Staatlichkeit nach Zonen und Arten ländermäßiger Betätigung proportioniert, bleibt dann aber immer noch eine Frage zu beantworten: Ist ein solcher Zuschnitt von Länderstaatlichkeit, der die Positionen der herrschenden Auffassung zu Art. 85 GG auffangen kann, noch in das von der herrschenden Lehre vertretene Konzept bundesstaatlicher Staatlichkeitsvorstellungen integrierbar? Wenn nicht, stehen entweder Korrekturen in der staatsrechtlichen Auftragsdogmatik oder Modifikationen des Konzepts von Länderstaatlichkeit oder gleich beides an. Jede dieser Lösungen braucht allererst aber Klarheit über Begriff und Bedeutung der sog. Staatlichkeit der Länder. In der deswegen hier gesuchten und im Schrifttum auffindbaren Debatte über die Staatsqualität der Länder ist es schon lange bekannt, daß signifikante Kriterien für Staatlichkeit nicht notwendig aus einem bestimmten, seinerseits ja immer schon durch gewisse Prädikate ausgewiesenen Staatsbegriff herausgezogen oder von mehr hineingelegten denn vorgefundenen Wesenszügen von Staatlichkeit abdestilliert werden müssen.5 Die Teleologie jeder und darin drücklich nach Maßgabe der Verfassungsordnung. Das Überordnungsverhältnis von Bund und Land „wird durch die bundesstaatliche Rechtsordnung bestimmt" (BVerfGE 1, 14/52). Das Maß der Überordnung kann folglich nur durch Auslegung von Verfassungsnormen, hier des Art. 85 GG, ermittelt werden. 3 Vgl. Kap. 2.1. und auch 2.2. 4 Weber, Spannungen und Kräfte im westdeutschen Verfassungssystem, S. 17 folgert unter anderem aus der Anwendung der „kommunalrechtlichen Kategorien" in der Bundesauftragsverwaltung, daß die Länder „trotz aller föderalistischen Vorkehrungen nicht mehr als Staaten, sondern als Selbstverwaltungskörperschaften mit einer sehr ausgedehnten Autonomie begriffen" werden müssen. 5 Ein Beleg dafür ist die von G. Jellinek (Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 34 ff. u. 278) und Laband (Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 1, S. 65 u. 72 ff.) vollzogene Aufgabe des Souveränitätskriteriums, um die Staatlichkeit der Länder im Reich erhalten zu können. Bezeichnend ist auch die Aussage von Thoma (in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Band, S. 177): „Die Länder Staaten, das Reich ein Bundesstaat. Wenn es, um zu diesem Ergebnis zu kommen, nicht eigentlich juristischer Untersuchungen und Schlußfolgerungen bedurfte, sondern mehr terminologischer Feststellungen und politischer Erwägungen, so darf man nicht verkennen, daß die Charakterisierung der Länder als Staaten auch mit gewissen juristischen Fragen in einem eigentümlich gegenseitig bedingten Zusammenhang steht."
2.3. Der Faktor „Staatlichkeit der Länder"
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auch juristischer Begriffsbildung ist der Wissenschaft eine bekannte Tatsache. 6 Streiten läßt sich nur über die Zweckmäßigkeit, einen Begriff so statt anders zu bilden, also über dessen Erfassungs- und Erklärungsleistung, seine Angemessenheit, gemessen anhand der die Begrifflichkeit veranlassenden Fragestellung, des wissenschaftlichen Erkenntnisinteresses und der aufzunehmenden und abzuarbeitenden Wirklichkeit. Insofern kann Herzog 7 schreiben, auf Staatslehren, die Staatlichkeit so konzipieren, daß der Bundesstaat deswegen zum juristischen Unbegriff werde, weil er gegen Wesen und Natur der Staatlichkeit zwei Ebenen derselben aufweise, könne und dürfe im Bundesstaatsverfassungsrecht nicht gehört werden. Es ist auch legitim, die in Art. 20 Abs. 1 GG getroffene Verfassungsentscheidung zugunsten des Bundesstaates für die Zwecke des Verfassungsrechts „wenn nötig begrifflich ,denkbar zu machen"' 8 . Denkbar kann aber schon ein solcher Begriff von Bundesstaatlichkeit sein, der nicht zwei Ebenen von Staatlichkeit fordert, sondern es mit dem Staatscharakter der Zentralstufe bewenden läßt. Das ist eine konsequente staatsrechtliche Position, die maßgeblich von Kelsen9 formuliert worden ist. Sie geht aber an einem nicht leicht zu vernachlässigenden Sprachgebrauch, an einer in Genese, Rechtsprechung und Literatur geübten verfassungsjuristischen Terminologie vorüber, die ihrerseits nicht ohne weiteres gehalt- und folgenlos gestellt werden darf. Deswegen hat auch Kelsen seine Leugnung der Staatsqualität der Gliedstaaten auf den rechtsformalen bzw. rechts wesentlichen Begriff von Staat und Staatlichkeit begrenzt, 10 eben jenen, dem nur eine 6 Vgl. aus neuerer Zeit Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 110 und 151; Koch / Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 280 f. sowie Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung, S. 53 ff. und 99 ff. ; vgl. für die ältere Zeit Haenel, Das Gesetz im formellen und materiellen Sinne, S. 111: „Allein in der Wissenschaft des öffentlichen Rechtes hat nun einmal jeder Schriftsteller das angeborene Recht, sich die Terminologie auf eigene Faust, nach seinem Belieben und nach dem Bedarf seiner dogmatischen Konstruktionen zu bilden. Es ist vollkommen werthlos darüber zu streiten. Aber eben darum kann es immer nur darauf ankommen, die Terminologie auf ihren sachlichen Gehalt zurückzuführen und die Richtigkeit dieses zu prüfen." Sechs Jahre zuvor hatte G. Jellinek (Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 15) vor dem „Tod der Wissenschaft" und „des Rechtslebens" durch verschwommene Begriffsbildung gewarnt: „Wo die Begriffe einmal anfangen, in den heraklitischen Fluß der Dinge zu gerathen, da hat die Jurisprudenz ihr Feld verloren." 7 Herzog, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 20, Randnr. I V , 3 (1980). 8 Herzog, ebd.; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band I, S. 657 sieht hier kein Problem: „Die Verfassungsentscheidung für die Bundesstaatlichkeit sprengt nicht, sondern organisiert moderne Staatlichkeit". 9 Vgl. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 189 ff. und ders., Das Problem der Souveränität, S. 287. 10 In der Rechtsformenlehre (Rechtswesenslehre), die „sich auf die Normen und ihre Beziehungen, ohne Rücksicht auf ihre besonderen Inhalte" (Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 18) richtet, zählen Begriffe, die auf typische Inhalte von Rechtssätzen zielen
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letzte, nicht weiter ableitbare, höchste u n d souveräne O r d n u n g genüge. 1 1 Erst eine so beschaffene O r d n u n g ermögliche die endgültige Zurechnung aller Rechtsakte i n einer Rechtsordnung und garantiere deren Einheitsbezug, läßt also die rein normlogische Operation der Zurechnung einen absoluten Ruheu n d Schlußpunkt f i n d e n . 1 2 Dieser A n f o r d e r u n g eines rechtstheoretisch gebildeten u n d ausgewiesenen Staatsbegriffs kann der Gliedstaat als vorläufiger Durchgangspunkt, als abgeleitete Teilordnung, die erst selbst normativ wieder m i t u n d zu der Einheit der Gesamtordnung vermittelt werden muß, nicht genügen. 1 3 Das schließt nicht aus u n d hat auch für K e l s e n 1 4 nicht ausgeschlossen, einen Begriff des Staates als Rechtsinhaltsbegriff zu bilden u n d zu verwenden, der ein gewisses M a ß an normativer Dezentralisation u n d Verselbständigung ausdrückt. Das geschieht dann aber u m den Preis, feste, m i t rechtstheoretischer D i g n i t ä t ausgestattete Begriffsgrenzen nicht mehr ziehen zu k ö n n e n . 1 5 Dieser Preis ist zahlbar, wenn der Verfassung hinreichende Aussagen über die jeweiligen Träger v o n Staatlichkeit, ihre Abschichtung von den K o m m u n a l verbänden und die Rechtsfolgen aus solcher Staatlichkeit abgelesen werden können. Für den i n Weimarer Perspektive stehenden H e l l e r 1 6 bot „ d i e Organisation eines solchen ,dekonzentrierten' Staates genügend positivrechtliche Bestimoder Konzessionen an rechtstheoretisch unsaubere Traditionen und Konventionen machen, nichts. Solchen Begriffen nimmt sich bei Kelsen die minder reine Rechtsinhaltslehre an, deren Unsauberkeit klare Distinktionen verhindert. 11 Vgl. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 116. Dieser Staatsbegriff ist Produkt eines streng normativen Ansatzes, der in methodischer Nachfolge Kants den Erkenntnisgegenstand „Rechtsbegriff des Staates" mittels einer rein juristischen Erkenntnismethode bestimmen will. Der Staat als die Rechtsordnung, als spezifisch normative Einheit, nimmt bei Kelsen das klassische Souveränitätsmerkmal dadurch auf, daß er die ranghöchste Normenordnung bzw. deren Einheit darstellt. Zur Entwicklung des juristischen Staatsbegriffs vgl. Kelsen, Der soziologische und der juristische Staatsbegriff, S. 75 ff. und 114 ff.; zur Einpassung des Souveränitätsdogmas in sein monistisches Völkerrechtskonzept vgl. Kelsen, Das Problem der Souveränität, S. 102 ff. und später ders., Reine Rechtslehre, S. 321 ff. 12 Vgl. Kelsen, Das Problem der Souveränität, S. 66. 13 Vgl. Kelsen, ebd. 14 Vgl. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 192 f. 15 Kelsen, ebd. S. 192: „Eine feste Grenze läßt sich eben nicht ziehen." Vgl. auch ders., Das Problem der Souveränität, S. 287: Es besteht „zwischen einer autonomen Gemeinde und dem sog. Gliedstaat daher kein qualitativer, sondern nur - wenn überhaupt - ein quantitativer Unterschied." Parameter für die Grade normativer Dezentralisation gibt Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 193. 16 Vgl. Heller, Die Souveränität, S. 117. Für Heller, ebd. S. 115 galten „alle Versuche, den Staat unter Ausschaltung des Souveränitätsmerkmals von andern Gebietskörperschaften begrifflich abzugrenzen, . . . als gescheitert". Für ihn, ebd. S. 117 war es ein „annehmbarer Vorschlag . . . , den partikularen Gebietsverband als Land oder wenigstens immer als Gliedstaat, nie als Staat schlechthin zu bezeichnen, wobei ein für allemal als ausgemacht gelten muß, daß Staat und Gliedstaat wesensverschiedene Gebilde sind." Zustimmend Quaritsch, Staat und Souveränität, S. 413, um „die unter
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mungen, welche den Ländern eine, über normale Provinzen hinausgehende, auch juristische Stellung verbürgen". D i e Verfassungslage unter dem Grundgesetz bietet nur auf den ersten B l i c k ein erhöhtes M a ß an Unschärfe. Seinen G r u n d hat dieser Befund i n der erheblich höheren Nutzung des positivrechtlichen Materials zur Ausziselierung der Länderstaatlichkeit i m Schrifttum der Weimarer Z e i t . Darüber, daß die Verfassung die Länder als Staaten auffaßte, wurde anhand einer Reihe von Verfassungsnormen Rechnung gelegt 1 7 , wohingegen die bundesrepublikanische L i t e r a t u r sich meist schon m i t der Entscheidung für den Bundesstaat i n A r t . 20 A b s . 1 G G u n d dem Gedanken einer verfassungshistorischen, d . h . chronologischen Priorität der Länder begnügt, die dieselben i n eine Stellung eingesetzt habe, der gegenüber das Grundgesetz nur noch m i t der A n e r k e n n u n g eines schon vorgefundenen, präexistenten Bestandes an Länderstaatlichkeit habe reagieren k ö n n e n . 1 8 D a b e i ist das, was W e i marer u n d heutige Diskussion an erster Stelle zum Staatskennzeichen i m B u n desstaat erhoben haben bzw. erheben, gleichlautend: Eigene, nicht v o m Reich bzw. B u n d abgeleitete, sondern v o n i h m anerkannte H o h e i t s m a c h t . 1 9 I n einer neueren Untersuchung 2 0 zur Staatsqualität der deutschen Länder w i r d nicht nur aus dem Bundesstaatsbegriff, sondern „erst recht aus der dem Blickwinkel der Souveränität unvermeidbare Einebnung des Landes auf den Status der Gebietskörperschaften, also die Gleichstellung von Land und Gemeinde, sprachlich und begrifflich zu verhindern". 17 Exemplarisch Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 1, Anm. 3 - 6 und Anm. zu Art. 5. In Anm. 5 zu Art. 1 werden als weitere Normen der Weimarer Reichsverfassung, die für die Staatsqualität der Länder sprechen, aufgeführt: Art. 17, 110 Abs. 1, 109 Abs. 5, 119 Abs. 2 u. 3, 131, 133 Abs. 1, 135, 137 Abs. 3, 142 - 144, 146 - 150, 153 Abs. 2, 154 Abs. 1 „und andere Stellen". 18 Schon wegen der besatzungsrechtlichen Bindungen des Jahres 1949 seien die alten Staaten nicht durch „revolutionären A k t " vollständig beseitigt worden (vgl. Herzog, D Ö V 1962, S. 85). Wohl deswegen ist für Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, S. 675 „ A r t . 30 GG . . . Konsequenz der Staatlichkeit der Länder und ihrer vom Bund nicht abgeleiteten Staatsgewalt" und nicht umgekehrt die Länderstaatlichkeit ein Produkt der Verfassungsordnung. Daher konsequent: „ A r t . 30 bestätigt Kompetenzen; er weist sie nicht erst zu."(ebd.) Bezeichnend ist auch die Formulierung von Gubelt, in: von Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band 2, Art. 30 Randnr. 1, die auf die Entnahme einer Vermutung für die Zuständigkeit der Länder aus Art. 30 GG folgt: „Grundlage hierfür ist die Erkenntnis der allgemeinen Staatslehre, daß die Länder als Gliedstaaten eigene, ursprüngliche Staatsgewalt haben, die nicht vom Bund als Gesamtstaat hergeleitet ist". 19 Vgl. einerseits für andere Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 1 Anm. 4 und andererseits für andere Herzog, in Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 20, Randnr. I V , 10 (1980). Das teilweise daneben geführte Kriterium eines unentziehbaren Hausgutes an Aufgaben und Befugnissen (vgl. BVerfGE 34, 9/20), eines tatsächlichen Könnens (so Forsthoff, Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, S. 93) oder einer „ausreichende(n) Substanz für staatliche Betätigung" (Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, S. 243) entfaltet als vorwiegend empirisch belegbares Spielbein keine Stoßrichtung gegen das normative Standbein eigenstaatlicher Existenz der Länder und ist bei Suche nach deren normativen Gehalt von nur untergeordneter Bedeutung. 20 Vgl. Barschel, Die Staatsqualität der deutschen Länder, S. 167.
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Bestimmung des Art. 30 GG, wonach die Länder staatliche Befugnisse ausüben und staatliche Aufgaben erfüllen, mithin mit Angelegenheiten staatlicher Gewalt befaßt sind", auf die Staatlichkeit der Gliedstaaten geschlossen. Mehr wird dafür nicht an Begründung gegeben. Aber so die Länderstaatlichkeit positivrechtlich zu fundieren, steht im Widerspruch zu dem zuletzt von Stern 21 vertretenen Lehrsatz, Art. 30 GG sei Konsequenz der Staatlichkeit der Länder und ihrer vom Bund nicht abgeleiteten Staatsgewalt. „Art. 30 bestätigt Kompetenzen; er weist sie nicht erst zu." 2 2 Der Fundus, dessen Konsequenz Art. 30 GG darstellen soll, liegt aber nicht klar zutage. Die schlichte Bundesstaatsgarantie und auch bisher ungenannte Verfassungsnormen geben ihn nicht ohne weiteres ab. Auch verfassungshistorische Konstruktionen, die mit einer vom Grundgesetz vorgefundenen und nur von ihm anerkannten Länderstaatlichkeit arbeiten, haben ihre Probleme. Für eine Verfassungsordnung, die herrschend als eine übergeordnete, die länderstaatlichen Teilordnungen integrierende gedacht wird 2 3 , heißt Anerkennung bestehender Gebilde Einordnung derselben in ein normatives System und Zuweisung eines Kompetenzrahmens, der sich tatsächlich weitgehend mit dem ihnen bis dato zustehenden decken mag. Eine Verfassung kann aber nicht das regeln, was ihrer Disposition entzogen ist, von ihr unabgeleitet und schon fertig ausgebildet besteht. Auch Anerkennung von Länderstaatlichkeit, wie sie die herrschende Auffassung meint, will verliehen sein. Das soll nicht und muß nicht heißen, daß die Länder vor ihrer normativen Einbindung in die Verfassungsordnung nicht einen Status, geprägt durch Selbständigkeiten und Kompetenzen, innegehabt haben, der ihnen unter und in der übergreifenden Ordnung nicht hätte erhalten werden können. Gerade als eine derartige bestandswahrende und verlustmindernde Verfassungsnorm kann Art. 30 GG gelesen werden. Ihn so zu lesen, entspricht auch dem genetischen Befund 24 . Da ist der Streit in der ersten Lesung des Haupt21
Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, S. 675. Stern, ebd. 23 Vgl. BVerfGE 13, 54/78: „Die bundesstaatliche Verfassung umschließt mehrere Rechtskreise: . . . , den Rechtskreis zwischen Gesamtstaat und Gliedstaaten". Daher soll der Bund „den Ländern prinzipiell übergeordnet" sein und „nur in den Bereichen, die die Bundesverfassung nicht geordnet hat," soll „Gleichordnung" bestehten. Vgl. auch Stern, ebd. S. 652 m.w.Nw.: „Ausgangspunkt für alle bundesstaatliche Festlegung ist die Verfassung als die gemeinsame Grundordnung des Bund und Länder zusammenschließenden Bundesstaates." Zustimmend Schnapp, in: von Münch, GrundgesetzKommentar, Band 1, Art. 20 Randnr. 8. Ausgangspunkt für diese Ableitung ist die verbreitete Definition: „Bundesstaat ist eine durch die Verfassung des Gesamtstaates geformte staatsrechtliche Verbindung von Staaten . . . " (Stern, ebd. S. 644 m.w.Nw., der auf S. 645 diese Definition die „herkömmliche" nennt.). 24 In den Beratungsgremien verständigte man sich schnell darauf, die Staatlichkeit der Länder zu wahren. Vgl. beispielhaft v. Mangoldt, in: Parlamentarischer Rat, Ausschuß für Grundsatzfragen, 20. Sitzung, 10. November 1948, S. 155, (Gr. 20, 29): „Wir haben gesagt, man muss davon ausgehen, daß die Länder grundsätzlich in ihrem Staats22
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ausschusses darüber, ob es in Art. 30 GG heißen solle, „die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder" 25 oder alternativ und von Seebohm26 als Abänderung vorgeschlagen, „alle Rechte, die nicht durch das Grundgesetz dem Bund übertragen sind, verbleiben den Ländern". Seebohm war es „das eine . . . , daß die Rechte den Ländern verbleiben . . . ( , ) das andere . . . , daß die Ausübung und Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder ist" 2 7 , - der Unterschied in der Formulierung „ein Unterschied an der Wurzel" 2 8 . Die Wurzel legte Laforet frei: „Wir sind der Meinung, daß der jetzige Staat die gleiche Rechtspersönlichkeit ist wie der Staat der Weimarer Zeit, und dieser ist die gleiche Rechtspersönlichkeit wie der Staat, der durch die Novemberverträge von 1870 geschaffen worden ist. Damals waren Staatsgründer die einzelnen Staaten. Sie haben bei der Gründung des Deutschen Reiches auf einen Teil ihrer Staatlichkeit zugunsten des Bundesstaates verzichtet. Soweit nicht ein Verzicht eingetreten ist, ist die Staatlichkeit bei den Ländern verblieben. Das will ausgesprochen werden." 29 Den in der Abstimmung siegreichen Opponenten des Abänderungsvorschlages war das Anliegen ihrer Gegner zum einen eine rein „historische Deklaration" 30 , die ihnen überflüssig erschien, währenddessen die von ihnen favorisierte Fassung „einfach einen Tatbestand gibt" 3 1 , also eine juristisch konstituierende Funktion aufweist. Zum anderen richtete sich die Kritik gegen die von Laforet aufgemachte historische Rechnung. Es sei nicht gut vorzustellen, „daß dadurch etwa die Rechtsnatur von Gebilden mit bestimmt sein könnte, die erst vor drei Jahren geschaffen worden sind, wie Rheinland-Pfalz oder Württenberg-Hohenzollern oder Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein." 32 Das war die Absage, in Form einer Rechtsverbleibensklausel die Staatlichkeit der Länder, ginge das überhaupt, nur deklaratorisch in das Grundgesetz aufzunehmen, statt den Ländern einen Teil der eh nur rechtsinhaltlich verstehbaren Staatlichkeit im Bundesstaat zu ihrer eigenen Sache zu machen. Folglich sind danach die deutschen Bundesländer soweit Staaten, wie ihnen Charakter nicht anders aussehen dürfen als der Bund, weil das zu ständigen Schwierigkeiten führen würde." 25 Vgl. die Formulierung des Entwurfes des Redaktionsausschusses, die die Beratungsgrundlage in der 6. Sitzung des Hauptausschusses am 19. November 1948 bildete in: Parlamentarischer Rat, Hauptausschuß, S. 74. 26 Vgl. Seebohm, ebd. 27 Seebohm, ebd. 28 Seebohm, ebd. 29 Laforet, ebd. 30 Heuss, ebd. 31 Heuss, ebd. 32 Schmid, ebd. S. 75.
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das Grundgesetz die Erfüllung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse bzw. die staatlichen Aufgaben und Befugnisse selbst33 als eine ihnen eigene Sache gibt. Was Staatlichkeit an staatlichen Kompetenzen ist, hat sich damit nicht geklärt, aber es ist auch nicht ungeklärter als im zentralisierten Einheitsstaat. Die der Literatur in diesem Zusammenhang wichtige Abgrenzung zu den Kommunalverbänden kann in Fortführung des vorgestellten Ansatzes geleistet werden: Den Ländern und nicht den Kommunalverbänden sind staatliche Kompetenzen von Verfassungs wegen zur eigenen Sache gemacht, zu einer Sache, die ihnen auch nur durch oder aufgrund einer Verfassungsvorschrift wieder genommen werden darf. Zugemessen wird den Kommunalverbänden ein nur begrenzter Kreis 34 von Angelegenheiten zur eigenen Regelung, aber im Rahmen der Gesetze von Bund und Land. Länder haben staatliche Aufgaben und Befugnisse verfassungsunmittelbar und verfassungsfest, d.h. nach Maßgabe der Verfassung, Kommunalverbände schon von Verfassungswegen nur im Rahmen der Gesetze35. Art. 30 GG so zu lesen, nimmt die Pointe von Länderstaatlichkeit im Ansatz des Bundesverfassungsgerichts aber auch weiter Teile der Literatur voll auf. Hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem ersten Urteil die Unabgeleitetheit der Länderhoheitsmacht vom Bund, nicht aber von der grundgesetzlichen Ordnung, als Signum von Länderstaatlichkeit herausgehoben 36 , so trifft sich das mit der Verfassungsunmittelbarkeit länderstaatlicher Kompetenzen. Heute, wo dem Verfassungsgerichtsleser die zweigliedrige Bundesstaatskonzeption37 vertraut geworden ist, ist es nicht stimmig, eine 33
So Maunz, in Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 30 Randnr. 6 (1982). 34 In den Kreis gehören nur die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" (Art. 28 Abs. 2, Satz 1 GG). 35 Den Gemeinden muß nur das Recht gewährleistet sein, ihre Angelegenheiten „im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln" (Art. 28 Abs. 1, Satz 1 GG). Dabei bedeuten nach BVerfGE 1, 167/175 f. „die Worte ,im Rahmen der Gesetze' nichts anderes, als daß Beschränkungen des Selbstverwaltungsrechts bis zu der aufgewiesenen Grenze «des Wesensgehaltes» nur durch Gesetz erfolgen dürfen". 36 BVerfGE 1, 14/34. 37 Noch in BVerfGE 6, 309/340 (Konkordatsurteil) wurde „die Bundesrepublik Deutschland . . . verfassungsrechtlich" noch als „Der Bund und die Länder als ein Ganzes" angesehen, eben als ein Bundesstaat, dessen „Glieder der Bund und die Länder sind" (ebd. S. 364). In BVerfGE 13, 54/77 hat das Gericht klargestellt, es habe mit seiner Formulierung im Konkordatsurteil nur ausdrücken wollen, daß die Unterscheidung von Bund und Ländern „im Innern" keine Wirkung nach außen haben, sondern „daß vielmehr nach außen alle Organe, die im Innern staatliche Befugnisse ausüben, die völkerrechtliche Einheit Bundesrepublik Deutschland darstellen." Es gebe aber nicht „neben dem Bundesstaat als Gesamtstaat noch einen besonderen Zentralstaat", sondern es gebe „nur eine zentrale Organisation, die zusammen mit den gliedstaatlichen Organisationen im Geltungsbereich des Grundgesetzes als Bundesstaat alle die staatlichen Aufgaben erfüllt, die im Einheitsstaat einer einheitlichen staatlichen Organisation zufallen." In diesem Sinne sind auch die Entscheidungen BVerfGE 36,342/360 f. und 72, 330/383 zu lesen, in denen nur noch vom Gesamtstaat und den Gliedstaaten
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Unterscheidung des Bundes als der (nunmehr so erkannten) gesamtstaatlichen Ordnung vom Grundgesetz als seiner Verfassung gerichtsauthentisch zu nennen. Das Konkordatsurteil 38 der frühen bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung des zweiten Senats belegt aber, daß es dem Gericht zunächst doch um eine Abhebung der staatlichen Einheit der Bundesrepublik Deutschland als dem in Verfassung gebrachten und stehenden Bundesstaat von den zugehörigen Gliedern, explizit dem Bund und den Ländern, ging. Dieser Bund als föderalistischer Gegenspieler der Länder unter einer übergreifenden Verfassungsordnung sollte es nicht sein, der den Ländern Hoheitsgewalt und Staatlichkeit verschaffe. Nur auf der Stufe der verfassungsrechtlichen Gesamtordnung, der das Bündnis zugrundeliege, sollten Verleihung, Verkürzung und Verschiebung von staatlichen Kompetenzen zwischen Bund und Ländern möglich sein. 39 Das nun ist aber gerade in Art. 30 GG ausgesprochen und gilt unabhängig von zwei- oder dreigliedrig konzipierten Bundesstaatstheorien. In die gelieferte Ausdeutung der frühen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts paßt es hinein, daß sich das Gericht nach Klarlegung seiner zweigliedrigen Bundesstaatskonzeption auch von seiner ursprünglichen These über Länderstaatlichkeit trennte. Ob die Länder Staaten seien, lasse „sich nicht formal danach bestimmen,... daß sie über irgendein Stück vom Gesamtstaat unabgeleiteter Hoheitsgewalt verfügen, also irgendeinen Rest von Gesetzgebungszuständigkeit,Verwaltungszuständigkeit und justizieller Zuständigkeit ihr eigen nennen. In solcher Sicht könnten die Länder in ihrer Qualität als Staaten durch Grundgesetzänderung nach und nach ausgehöhlt werden, so daß am Ende nur noch eine leere Hülse von Eigenstaatlichkeit übrig bliebe." 4 0 Was das Bundesverfassungsgericht an dieser Stelle nur noch bzw. von Bund und Ländern, aber nicht von einem dritten staatlichen Gebilde die Rede ist. Allein wegen der Wendung, „die Länder sind . . . Glieder des Bundes" (BVerfGE 1, 14/34), ist das erste Urteil nicht ein klarer Beleg für eine durchgängige zweigliedrige Bundesstaatskonzeption in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die nur zu einer außenrechtlichen Klarstellung verunklart worden sei. Auch die Formulierung im ersten Fernsehurteil, „daß der Bund die gemeinsame Verfassungsordnung nicht in einer Weise mißachtet, die die Interessen der Länder als Gliedstaaten des Bundesstaates verletzt" (BVerfGE 12, 205/259) erlaubt keine eindeutige Zuordnung. Sie kann auch so gelesen werden, daß der Bund seine, auch für die Länder geltende Verfassung, nicht so mißachten darf, daß die Länder als seine Glieder in ihren Rechten verletzt werden. 38
BVerfGE 6, 309/340 u. 364. So muß man das BVerfG verstehen, zitiert es in diesem Zusammenhang Art. 30 GG (BVerfGE 1, 14/34) und führt es in BVerfGE 13, 54/79 „die Kompetenz-Kompetenz" des Gesamtstaates an. In E 13, 54/77 führt es aus, daß das Grundgesetz als Gesamtstaatsverfassung eine Aufteilung der staatlichen Kompetenzen vornehme und ebd. S. 78 betont es, „die bundesstaatliche Verfassung umschließt mehrere Rechtskreise: . . . den Rechtskreis zwischen Gesamtstaat und Gliedstaaten, den Rechtskreis zwischen den Gliedstaaten." Dabei soll der Bund „im Verhältnis zu den Gliedstaaten den Bundesstaat" repräsentieren und nach Maßgabe der seiner Verfassungsordnung den Ländern „prinzipiell übergeordnet" (ebd.) sein. 40 BVerfGE 34, 9/19 f. 39
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eine „Sicht" nennt, war ihm zuvor das wesentliche Kriterium für Länderstaatlichkeit. Wenn das Gericht in dieser Sichtweise die Möglichkeit und Gefahr einer Aushöhlung der Länderstaatlichkeit durch Verfassungsänderungen sieht, dann ist ihm die unabgeleitete Hoheitsgewalt als Staatlichkeitskriterium wohl von Anfang an eine durch Änderung des Grundgesetzes, sprich Nutzung der Ausnahmebestimmung in Art. 30 GG manipulierbare Größe gewesen. Die mit diesem Ausspruch des Bundesverfassungsgerichts eingetretene Vakanz in der Bestimmung der Länderstaatlichkeit füllt das Gericht 41 mit einem Gemisch aus einem den Ländern als Hausgut unentziehbaren Kern eigener Aufgaben, ihrer freien Bestimmung über ihre Organisation, dem Recht, in eigener Verantwortung ihre Staatsfundamentalnorm im Rahmen der Mindestanforderungen des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG zu artikulieren, sowie der Garantie eines angemessenen und verfassungskräftig zugewiesenen Anteils am Gesamtsteueraufkommen. Das alles mögen Kennzeichen einer inhaltlich ausgewiesenen Staatlichkeit der Länder sein. Sie brauchen aber den ursprünglichen Ansatz des Bundesverfassungsgerichts nicht in Frage zu stellen und er braucht nicht deswegen aufgegeben werden, weil das Dogma der Unabgeleitetheit, formuliert als Unabgeleitetheit vom Bund, im Rahmen einer zweigliedrigen Bundesstaatskonzeption nicht konsequent gehalten werden kann. Denn das, was er intendierte, kann in Art. 30 GG wiedergefunden werden in der direkten Ableitung länderstaatlicher Gewalt und Qualität aus der Verfassung. Nur deswegen, weil die formale Struktur des Art. 30 GG die Aushöhlung von Staatlichkeit nicht hindern kann, ist ihre Untauglichkeit, derselben eine normative Verortung zu bieten, noch nicht erwiesen: Im skizzierten Modell besteht Länderstaatlichkeit nur nach Maßgabe der Verfassung. Das Bundesverfassungsgericht zitiert dort Art. 79 Abs. 3 GG, wo es die genannten inhaltlichen und änderungsfesten Füllungen von Länderstaatlichkeit liefert. 42 Art. 79 Abs. 3 GG als Vorschrift, die Verfassungsänderungen betrifft und begrenzt, kann nun gerade im Rahmen von Art. 30 GG auf den Plan gerufen werden, der Ausnahmen von der Berufung der Länder zur Ausübung staatlicher Kompetenzen nur dort zuläßt, wo sie die Verfassung selbst vorsieht oder erlaubt. Korrekturen an der Staatlichkeits vert eilung, Veränderungen im Regel/Ausnahme-Schema des Art. 30 GG haben die Prüfinstanz des Art. 79 Abs. 3 GG zu durchlaufen. Auf diese Weise rekonstruiert, liefert die Nennung des Art. 79 Abs. 3 GG durch das Bundesverfassungsgericht zugleich den normativen Behelf, die zusätzlichen Staatskennzeichen in der Verfassung zu verorten und in sie zu integrieren. Sie sind dem Bundesverfassungsgericht Essentiale einer „Gliederung des Bundes in Länder" 4 3 , die weder 41 Vgl. BVerfGE 34, 9/20; vgl. auch BVerfGE 72, 330/383 wonach es Ziel des Art. 107 GG ist, „Bund und Länder finanziell in die Lage zu versetzen, die ihnen verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben auch wahrzunehmen; erst dadurch kann die staatliche Selbständigkeit von Bund und Ländern real werden". 42 Vgl. BVerfGE 34, 9/19 f.
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in Wahrnehmung der Ausnahmekompetenz des Art. 30 GG noch durch Änderung finanzverfassungsrechtlicher Bestimmungen des Grundgesetzes zerstört werden dürfen. Die ausgeführte Plazierung und Fundierung der Länderstaatlichkeit in Art. 30 GG, flankiert und gesichert durch Art. 79 Abs. 3 GG, kann für sich weitere Zustimmung aus Genese, Verfassungsrechtsprechung und Literatur in Gegenwart und Geschichte schöpfen. Dort überall hat die zentrale und spezifisch deutsche Bundesstaatlichkeit prägende Funktion einer Norm mit dem Inhalt des Art. 30 GG Heraushebung erfahren. Das spricht dafür, daß sie mit dem ebenso zentralen und deutscher Bundesstaatstradition entsprechenden Grundsatz der Länderstaatlichkeit in enger Verbindung steht. In den die Verfassungsgebung abschließenden Beratungen des Parlamentarischen Rates, in der Plenarsitzung am 6. Mai 1949 hat Laforet 44 ausgeführt, der besagte Artikel gebe „in Erörterung der Rechtsverhältnisse zwischen Bund und Ländern die Grundlage des Bundesstaates". „Grundlegende Vorschrift" für „die bundesstaatliche Struktur unserer Verfassungsordnung" 45, „Grundentscheidung der Verfassung, die nicht zuletzt eine Entscheidung zugunsten des föderalistischen Staatsaufbaus im Interesse einer wirksamen Teilung der Gewalten ist" 4 6 , hat ihn das Bundesverfassungsgericht wiederholt 47 genannt. Das weist darauf hin, daß die Bundesstaatlichkeit, die Art. 20 Abs. 1 GG noch ohne fertige inhaltliche Füllung anordnet, eine wichtige Füllung in Art. 30 GG mit der Festlegung einer rechtsinhaltlichen Staatsqualität der Länder erhält. Das ist zugleich bundesstaatsrechtliche Tradition, die an § 5 der Paulskirchenverfassung 48 anknüpfen kann und sich bei spätkonstitutionalistischen49, Weimarer 50 und heutigen 51 43
Vgl. BVerfGE 34, 9/19 und den Verfassungswortlaut in Art. 79 Abs. 3 GG. Vgl. Laforet, zitiert nach von Doemming / Füsslein / Matz, JöR Bd. 1 (1951), S. 297 f. 4 5 BVerfGE 12, 205/244. 46 BVerfGE 12, 205/229. 47 Vgl. etwa BVerfGE 61, 149/205. 48 „Die einzelnen deutschen Staaten behalten ihre Selbständigkeit, soweit dieselbe nicht durch die Reichsverfassung beschränkt ist; sie haben alle staatlichen Hoheiten und Rechte, soweit diese nicht der Reichsgewalt ausdrücklich übertragen sind." 49 Vgl. Meyer / Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, S. 260: „Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Reich und Einzelstaaten hat in der Weise stattgefunden, daß die Kompetenz des Reiches eine beschränkte und verfassungsmäßig bestimmte ist. Alle Befugnisse, welche nicht dem Reiche überwiesen sind, bleiben den Einzelstaaten." Allerdings sei „die A r t , wie (die Kompetenzverteilung) geschieht, . . . für das Wesen des Bundesstaates nicht maßgebend" (ebd. S. 52). Vgl. auch Triepel, in Festgabe für Paul Laband, S. 251 in Bezug auf Art. 4 und 17 RV 1871: „Bei uns wie in Nordamerika galt es, eine Reihe bisher souveräner Staaten zur Veräußerung wertvoller Hoheitsrechte an eine Zentralgewalt zu überreden. . . . wer verkauft, soll sich überlegen, was er für jetzt und für später aufgibt." Folglich fiel in seiner Sicht dem Reich nur das zu, was die Länder an es verkauft hatten. Ahnlich schon Gerber, Grundzüge des Deutschen Staatsrechts, S. 24, Fn. 3: „Der Bundesstaat hat also eine eigene wirkliche Staatsgewalt; aber diese entspricht nicht dem natürlichen Umfange eines Staatswesens, 44
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Autoren ausgesprochen findet. Die auch so genannte „Grundregel" 52 des Art. 30 GG ist aber nicht nur als traditionsreicher Verfassungsrechtssatz, sondern zugleich als im geltenden Verfassungsrechtssatz festgelegter Ausdruck der Staatsqualität der Länder zu nehmen. Kann die von der herrschenden Auffassung hoch angesetzte Staatlichkeit der Länder vor allem in Art. 30 GG wiedergefunden werden, dann ist ihm ebenbürtige Achtung und Beachtung zu schenken. Mit seiner Hilfe beantworten sich auch die gestellten Ausgangsfragen. Ob sich die benannten kommunalisierenden Tendenzen in der staatsrechtlichen Auftragsdogmatik mit der Staatlichkeit der Länder vertragen, ist dahin umzuformulieren, ob sie eine Dogmatik der Art. 83 ff. GG entwerfen oder auch nur zulassen, die mit Art. 30 GG abstimmbar ist. Ob die Staatlichkeit der Länder sektoral so zugeschnitten werden kann, daß ihr in Art. 85 GG kein Gewicht mehr zukommt, ist dann eine Frage der Ausfüllung der Ausnahmebestimmung des Art. 30, 2. Halbsatz GG. Gefragt ist damit beidesmal eine präzise Bestimmung des Verhältnisses von Art. 30 zu Art. 83 GG, in dessen Folge von Art. 83 zu Art. 84 und 85 GG und dann von Art. 30 zu Art. 84 und 85 GG. Diese Verhältnisbestimmungen beantworten miteinander die verfassungsrechtlichen Fragen nach dem Zusammenspiel von Normen und nach der Funktion von Länderstaatlichkeit in der Bundesauftragsverwaltung.
2.4. Neufündierung der Länderposition in Art. 30 G G Das Problem der Orts- und Funktionsbestimmung von Landesstaatsgewalt in der Bundesauftragsverwaltung hat sich als ein Problem der Zuordnung von Verfassungsnormen gestellt. Syntax und Semantik des Sprachmaterials lassen zunächst mehrere Möglichkeiten einer Zusammenordnung der einschlägigen Art. 30, 83, 84 und 85 GG plausibel erscheinen. Der von der herrschenden Auffassung gewählten Variante konnten gravierende Schwächen nachgewiesen werden. 1 Das rechtfertigt nun nicht, eine beliebige andere zur einzig richtisondern beschränkt sich auf die durch willkürlichen Gründungsact ihr von vorn herein eingeräumten Gränzen, und jenseits dieser Gränzen besteht wieder die selbständige Staatsgewalt der verbündeten Einzelstaaten." 50 Vgl. Anschütz y Die Verfassung des Deutschen Reichs, Anm. zu Art. 5 und Art. 6 Anm. 1; Thoma, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Band, S. 180. 51 Vgl. Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 30, Randnr. 1 (1982): „ A r t . 30 GG stellt einen für das Bundesstaatssystem deutscher Ausprägung grundlegenden Verfassungsrechtssatz auf." Ähnlich v. Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, Band I I , Art. 30, Anm. I I 1 u. 2; Dennewitz, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 30, Anm. I I 1 u. 2 (1950); Gubelt, in: von Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band 2, Art. 30, Randnr. 1 und Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Randnr. 235. 52 Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 225.
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gen zu erheben. Problemlösend ist die Diskussion der Zuordnungsvarianten, die zur Selektion der dogmatisch unrichtigen führt. Wie mit einer allfälligen Mehrheit richtiger Lösungen umzugehen ist, wird erst dann zum Problem, wenn es in der Diskussion nicht bei einer einzigen richtigen Lösung bleibt. Anzufangen hat die Zuordnungsreihe mit Art. 30 GG, der alle Ausübungen staatlicher Befugnisse und jede Erfüllung staatlicher Aufgaben Sache der Länder sein läßt, soweit nicht eine andere Regelung durch das Grundgesetz getroffen oder zugelassen und dann von der zuständigen Stelle getroffen worden ist. 2 Art. 83 GG, demzufolge die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen, soweit durch das Grundgesetz oder aufgrund seiner Zulassung nichts anderes bestimmt worden ist, kann zunächst zweifach zu Art. 30 GG in Bezug gesetzt werden. Entweder er setzt die andere Regelung, von der Art. 30 GG spricht, oder er setzt sie nicht. Setzt er sie, dann ist die Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit der Länder nicht zugleich Sache der Länder. Setzt er sie nicht, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wiederholt Art. 83 GG die Regelaussage des Art. 30 GG für einen speziellen Sachbereich und bestätigt damit, daß die Ausführung der Bundesgesetze in der Regel Sache der Länder ist, oder er trifft eine neue, Art. 30 GG ergänzende Regelung. Im letzteren Fall wird die Regelaussage des Art. 30 GG durch die des Art. 83 GG nicht wiederholt und nicht gebrochen. ι Vgl. Kapitel 2.1.2. Aufgrund des Wortlautes von Art. 30 GG könnte man meinen, schon überall dort, wo das Grundgesetz eine andere Regelung nur zuläßt, sei die Kompetenzausübung nicht mehr Sache der Länder. Es liegt aber nur eine nachlässige Formulierung durch den Verfassungsgeber vor. Die gleiche Nachlässigkeit hat der Verfassungsgeber bei Abfassung des Art. 83 GG gezeigt. Dort kann sie aber leichter entlarvt werden. In Art. 83 GG ist auch die Rede vom Treffen und Zulassen einer anderen Regelung im Grundgesetz. Getroffen wird sie ζ. B. in Art. 87b Abs. 1 GG, demzufolge die Bundeswehrverwaltung in bundeseigener Verwaltung geführt wird. Da in der Bundeswehrverwaltung auch Bundesgesetze ausgeführt werden (vgl. Art. 87b Abs. 2: „ I m übrigen . . . " ) , wird damit eine von der Regelaussage des Art. 83 GG abweichende Bestimmung getroffen. Zugelassen wird eine andere Regelung z.B. in Art. 87c GG. Aber mit dem bloßen Zulassen anderer Bestimmung in der genannten Norm ist noch nicht bewirkt, daß die Gesetze nach Art. 74 Nr. I I a nicht mehr in der Regelform des Art. 84 GG ausgeführt werden. Dafür bedarf es der bundesgesetzlichen Anordnung. Das ist nicht anders im Rahmen von Art. 30 GG. Das ist auch das konsequente Ergebnis der herrschenden Meinung, denn ihr kommt es in Art. 30 GG auf eine vollständige und klare Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche, d.h. Zuständigkeiten von Bund und Ländern an (vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, S. 672 ff.; Gubelt, in: von Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band 2, Art. 30, Randnr. 1 und Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 54). Zuständig wird der Bund aber erst durch eine grundgesetzlich getroffene oder eine grundgesetzlich zugelassene und anderweitig getroffene Zuständigkeitsbestimmung. Der Meinungsstreit über die ungeschriebenen Bundeszuständigkeiten bezieht sich hingegen darauf, ob die grundgesetzliche Zulassung ausdrücklich erfolgen muß oder auch stillschweigend geschehen kann (vgl. zusammenfassend Gubelt, ebd. Randnr. 10 ff.). 2
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
Wie ist das aber bei einer Vorschrift konstruktiv möglich, die ihrer Struktur nach anscheinend in jedem Fall anderer Regelung gebrochen sein will? Die Frage läßt sich durch Auslegung des Terms „keine andere Regelung" beantworten. Konstruktiv ausgeschlossen wäre eine neue, Art. 30 GG nicht brechende, aber auch nicht wiederholende Regelung, wenn der Term jede Regelung erfaßte, die nicht die Regelaussage des Art. 30 GG hersagte. Konstruktiv möglich ist eine nicht wiederholende und nicht brechende Regelung, wenn der Term nur solche Regelungen erfaßte, die an der Festschreibung von Aufgaben und Befugnissen als Sache der Länder etwas ändern. So enthält z.B. Art. 5 Abs. 3 GG eine Regelung, die nicht bestimmte Aufgaben und Befugnisse Sache der Länder nennt, die aber auch nicht das Gegenteil festschreibt. Die Überzahl der grundgesetzlichen Normen und nahezu jede Norm der Rechtsordnung unter dem Grundgesetz könnte anstatt Art. 5 Abs. 3 GG Beispiel sein. Das ist ein Anzeichen dafür, daß Art. 30 GG unter „andere Regelung" nur eine Regelung faßt, die mit der Zuweisung von Aufgaben und Befugnissen als Ländersache bricht. Dafür sprechen auch Zweck und Struktur des Art. 30 GG: Die Gegenübersetzung eines Regel- und eines Ausnahmebereichs hat nur dann eine Pointe, wenn dem Ausnahmebereich ausschließlich solche Kandidaten zugehören, die die Aussage des Regelbereichs negieren. 3 Die Anforderungen, die Art. 30, 2. Halbsatz GG an eine „andere Regelung" stellt, sind nur für Ausnahmen von Art. 30, 1. Halbsatz GG verständlich. Nicht jede Erweiterung der Rechtsordnung um eine Regelung, die Art. 30, 1. Halbsatz GG nicht wiederholt, kann einer grundgesetzlichen Regelung oder expliziten Zulassung bedürfen. Ein hartes Argument für die favorisierte Auslegung ergibt sich aus dem Wortlaut: „Ist" die staatliche Befugnisausübung und Aufgabenerfüllung nur dann „Sache der Länder", wenn „keine andere Regelung" getroffen oder zugelassen (und einfachrechtlich getroffen ist), dann wäre die Regelaussage des Art. 30 GG bei Befolgung der abzulehnenden Auslegungsvariante aufgrund einer Unzahl von Normen konterkariert, etwa durch Art. 5 Abs. 3 GG. Folglich verhält sich Art. 5 Abs. 3 GG zu Art. 30 GG neutral; 4 er ist in einem anderen als dem in Art. 30 GG verwandten Sinne eine „andere Regelung". Damit kann Gleiches auch für Art. 83 GG gelten. Eine Art. 30 GG nicht wiederholende und nicht brechende Regelung wird im folgenden „aliud" 5 oder „weitere Regelung" genannt. Mit Anerkennung dieser Figur 6 erhöht sich die Anzahl der Zuordnungsmöglichkeiten. 3
Die Pointe ist keine rein theoretische, etwa weil es trivial sei, den Ausnahmebereich durch alle Regelungen zu bilden, die die Regelaussage des Art. 30 GG nicht wiederholen und weniger trivial zu ermitteln, wann eine Norm eine Aufgabe oder eine Befugnis nicht mehr Sache der Länder sein läßt. Es kommt ja nicht nur das schlichte, sondern auch das inzidente Wiederholen in Betracht. 4 Kunst- und Wissenschaftsfreiheit sind nicht so formuliert, daß es darauf ankommt, ob Bundes- oder Länderkompetenzausübung abgewehrt wird.
2.4. Neufundierung der Länderposition in Art. 30 GG
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Die Anzahl der Zuordnungsmöglichkeiten erhöht sich nochmals, werden die Norminhalte von Art. 30 und 83 GG in Teilaussagen aufgespalten, so daß auch Teilaussagen des Art. 30 GG mit Teilaussagen des Art. 83 GG, Teilaussagen des Art. 30 GG mit Art. 83 GG und Teilaussagen des Art. 83 GG mit Art. 30 GG in den genannten Beziehungen stehen können. Das ist das Modell der herrschenden Lehre, wonach Art. 83 GG zwei Regelaussagen beinhaltet, deren eine Art. 30 GG wiederholt, deren andere ihm neutral gegenübersteht. Daß Art. 83 GG für entsprechende Teilungen keinen Raum läßt, konnte die Kritik der herrschenden Lehre erweisen. 7 Für Art. 30 GG läßt sich aufgrund der vergleichbaren Normstruktur nur in der Weise ein anderes Ergebnis erzielen, daß zwischen der Aufgabenerfüllung und der Befugnisausübung differenziert wird. Das ist aber kein für die Zuordnung zu Art. 83 GG relevanter Unterschied, weil dieser nicht zwischen einer Ausführungsaufgabe und Ausführungsbefugnis derart unterscheidet, daß er für die eine oder andere Teilaussage des Art. 30 GG eine gesonderte Aussage trifft. Ob sich Art. 83 GG zur Regelaussage des Art. 30 GG als brechende andere oder als nicht brechende, sei es wiederholende oder sei es neutrale weitere Bestimmung verhält, hat möglicherweise Konsequenzen für das Verhältnis von Art. 83 GG zu den Art. 84 und 85 GG. Implikationen von Annahmen hinsichtlich des ersten für das zweite Norm Verhältnis, die im zweiten Normverhältnis zu Inkonsistenzen führten, zeigten zugleich die dogmatische Unstimmigkeit getroffener Zuordnungen zwischen Art. 30 und 83 GG. Daher will die Verästelung der Zuordnungsarten und -reihen von Art. 30 bis zu Art. 84 und 85 GG hin nachgezeichnet sein, bevor Einzelfestlegungen erfolgen. Dabei 5 Der Begriff ist nicht frei von Mißverständnis, weil er sich eng an die Formulierung „andere" in Art. 30 GG anlehnt. Andererseits beruht das Mißverständnis auf einer Doppeldeutigkeit des Begriffs „andere", an die mit dem gewählten Term erinnert werden soll. Er erinnert zudem an den zivilrechtlichen Problemkreis der Abgrenzung von peius und aliud bei der Gewährleistung. Dort stellt sich ein ähnliches, wenn auch nicht primär begriffliches Problem: Wann ist eine der Gattung nach bestimmte und gelieferte Ware ein schlechter Repräsentant der Gattung und wann nicht mehr der Gattung zugehörig. Der schlechte Apfel mag sich biochemisch schon mehr vom gesunden unterscheiden als der gesunde von der Birne. Trotzdem wird er noch ein Apfel, die beste Birne aber nie ein Apfel genannt. Der Birne fehlt von vornherein der Gattungsbezug. Ihr fehlt eindeutig mindestens ein Gattungsmerkmal, während sich die Nichterfüllung von Gattungsmerkmalen beim schlechten Apfel schwerer dartun läßt. Schwierig wird die Abgrenzung von peius und aliud dort, wo die Sprache weniger eindeutig Gattungsbestimmungen chiffriert und daher Auslegungsmanöver notwendig und dafür Kriterien (vgl. etwa § 378 HGB) gebraucht werden. 6 Vergleichbar ist folgende vertragsrechtliche Konstellation: In einer Lieferungsklausel haben die Parteien festgelegt, daß Ware in Berlin ausgeliefert werden soll, es sei denn, es werde etwas anderes schriftlich vereinbart. Die telefonische Abrede, die Ware solle zur Sonnenallee ausgefahren werden, bedarf der Schriftform nicht, weil damit keine andere Stadt, sondern nur eine Adresse in Berlin bestimmt wird. Das gilt auch dann, wenn die Berliner Kreuzstraße zum Leistungsort bestimmt wird, obschon es eine Kreuzstraße auch in Bonn gibt. 7 Vgl. Kapitel 2.1.2.
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
werden zuerst die Verknüpfungen unter der Annahme, Art. 83 GG breche die Regelaussage des Art. 30 GG, und dann unter der umgekehrten Annahme skizziert. Bricht Art. 83 GG die Regelaussage des Art. 30 GG, dann ist die Ausführung der Bundesgesetze „als eigene Angelegenheit" der Länder nicht zugleich „Sache der Länder". Soll die bislang unbestrittene Gleichbedeutung von „Ausführung als eigene Angelegenheit" in Art. 83 und 84 GG nicht aufgegeben werden, wofür nichts spricht, dann ist auch die Ausführung der Bundesgesetze gemäß Art. 84 GG nicht „Sache der Länder". Art. 85 GG hat als Regelung einer weiteren Form der Bundesgesetzausführung, die nun aber textlich nicht „als eigene Angelegenheit" der Länder bezeichnet wird, die Chance, als andere Bestimmung zu Art. 83 GG, als Ausnahme zur Ausnahme eine „Sache der Länder" zu betreffen. Das ist aber nicht notwendig so, da es neben „Sache der Länder" und „als eigene Angelegenheit" durchaus etwas Drittes geben kann. „ I m Auftrage" ist als dritte Kategorie, die Art. 30 und 83 GG bricht, denkbar. Und es ist möglich, daß Art. 85 GG keine Brechung von Art. 83 GG enthält, wenn er auch, anders als Art. 84 GG, die Regelaussage des Art. 83 GG nicht wörtlich aufgreift. Dann ist Ausführung „im Auftrage des Bundes" ein Unterfall zur Ausführung „als eigene Angelegenheit" und damit nicht „Sache der Länder". Bricht Art. 83 GG die Regelaussage des Art. 30 GG nicht, dann wiederholt entweder die Floskel „als eigene Angelegenheit" die Regelaussage des Art. 30 GG oder spricht etwas Neues aus, das aber an der Ausführung der Bundesgesetze als „Sache der Länder" nichts ändert. Im ersten Fall haben Art. 30 und 83 GG im Bereich der Bundesgesetzausführung einen identischen Ausnahmebereich. Was Art. 83 GG bricht, bricht auch Art. 30 GG und umgekehrt. Konsequent hat Art. 84 GG in dieser Variante die Ausführung der Bundesgesetze als „Sache der Länder" zum Gegenstand. Der der Ausführung „als eigene Angelegenheit" der Länder gegenübergestellte Art. 85 GG ist dann die andere Bestimmung sowohl zu Art. 30 als auch zu Art. 83 GG. 8 Im zweiten Fall hat Art. 83 GG einen Gehalt, der Art. 30 GG unberührt läßt. Als Inhalt bleibt ihm nur eine Präferenzentscheidung zugunsten der Ausführung von Bundesgesetzen nach Art. 84 GG und gegen eine nach Art. 85 GG. Beide zuletzt genannten Verfassungsnormen können damit die Ausführung der Bundesgesetze als „Sache der Länder" betreffen. Art. 84 GG muß es sogar. Die Festlegung auf eine Ausführung „als eigene Angelegenheit" in seinem Absatz 1 kann sowenig an der Ländersache ändern wie zuvor in Art. 83 GG. „ I m Auftrage des Bundes" in Art. 85 GG bringt aber möglicherweise den Bruch mit Art. 30 GG. Die gleichbedeutende Verwendung der Floskel „als eigene Ange8 In der Bundesauftragsverwaltung würden dann von den Ländern fremde und nicht eigene Angelegenheiten wahrgenommen, ein im Hinblick auf Art. 104 a Abs. 1 u. 2 GG problematisches Ergebnis (dazu Kap. 2.1.1., FN 1).
2.4. Neufundierung der Länderposition in Art. 30 GG
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legenheit" in Art. 83 und 84 GG heißt in dieser Lesart die Verwendung der Floskel als Verwaltungstypbezeichnung. Bezogener Typ ist die in Art. 84 GG ausgestaltete Verwaltungsform, Ausführung „als eigene Angelegenheit" ihr Name. Art. 83 GG ist nur eine Norm, die eine Typ wähl vornimmt, eine Typenpräferenz festlegt und sich dazu eines Typnamens zur Bezeichnung bedient. Es ist von diesem Ansatz aus daher auch stimmig, die Wendung „im Auftrage des Bundes" gleichfalls als reine Verwaltungstypbezeichnung aufzufassen. Die Abweichung von der Regelaussage des Art. 30 GG ist jedenfalls in den Einzelbestimmungen über das Zusammenwirken von Bund und Ländern in den Art. 84 und 85 GG auffindbar. Dort ist ausgesprochen, was in diesen Verwaltungsformen Sache des Bundes ist. Die angekündigte Selektion innerhalb der prima facie plausiblen Verknüpfungsmodelle zu den Art. 30, 83, 84 und 85 GG trifft zunächst den Ansatz, der Art. 83 GG die andere Bestimmung im Sinne von Art. 30 GG sein läßt. Er scheitert an einer von semantischer und systematischer Argumentation geschlossenen Phalanx. Der Wortlaut schneidet den Weg ab, die Brechung der regelmäßigen „Sache der Länder" in der Anordnung einer eigenen Angelegenheit erfolgt zu sehen. „Sache der Länder" und ihre „eigene Angelegenheit" sind ebensowenig kontradiktorisch wie „Sache" und „Angelegenheit" 9 . Verschiedenes, nicht Widersprechendes können diese Worte für sich ausdrükken. Also muß die postulierte Brechung im „als" des „als eigene Angelegenheit" codiert sein. Was kann ein so gefordertes „als" bedeuten? Es kann fingieren, die Länder haben die Bundesgesetze so auszuführen, „als" seien sie deren eigene Angelegenheit. Das heißt, die Länder haben die Bundesgesetze so auszuführen wie ihre Landesgesetze. Dem tritt aber systematische Argumentation damit gegenüber, daß die Ausführung der Landesgesetze dem sicheren Bereich von Landessache im Sinne von Art. 30 GG angehört. Was soll also eine andere Bestimmung zu Art. 30 GG, die sich in der Fiktion des „als ob" Art. 30 GG erschöpft? Das „als ob - Art. 30 GG" in Art. 83 und dann auch Art. 84 GG auf einen Unterschied zu Art. 85 GG abzielen zu lassen, überzeugt nicht. Der läßt sich, wird er überhaupt gebraucht, auch bei einem direkten Bezug zu Art. 30 GG herstellen. Es bleibt der Versuch, das „als" modal zu verstehen: Das Ausführen der Bundesgesetze, das soll eigene Angelegenheit der Länder sein. Da es in den Art. 83 ff. GG aber ohnehin nur noch um die Ausführungskompetenzen und -arten geht, macht diese Lesart keinen Sinn als Abweichung von Art. 30 GG. Worin soll der Unterschied zur Aussage, die Ausführung der Bundesgesetze ist Sache der Länder liegen? 9 Bei J. und W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Achter Band, Sp. 1596, erscheint der Begriff „Angelegenheit" als Bedeutungsvariante von „Sache": „etwas ist jemandes sache, ist seine angelegenheit".
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
Eine Rettungsmöglichkeit für den behandelten Ansatz besteht eventuell darin, die Floskel „als eigene Angelegenheit" als reine Bezeichnung der in Art. 84 GG ausgestalteten Verwaltungsform aufzufassen. Zwar kann die Regeltypbezeichnung, ein bloßer Name, nicht mit der Regel des Art. 30 GG brechen, aber unter Umständen die Anordnung, es gelte in der Regel ein Verwaltungstyp, in dem die Ausführung der Bundesgesetze nicht Sache der Länder ist. Die Brechung des Art. 30 durch Art. 83 GG aber schon darin zu sehen, daß er Art. 84 vor Art. 85 GG eine Präferenz gibt, ist nicht überzeugend. Es besteht kein Anlaß, Art. 85 mehr in die Nähe des Art. 30 GG zu rücken als Art. 84 GG. Daß Art. 83 GG aber überhaupt eine Verwaltungsform zum Regeltyp erhebt, die sich allfällig von Art. 30 GG entfernt, darin ist vielleicht die Auflösung gelegen. Zuerst ist daher zu fragen, enthält Art. 84 GG Brechungen des Art. 30 GG? Zur Verwaltungsform des Art. 84 GG gehören Ausnahmen von der Regel, die Bundesgesetzausführung sei Ländersache. Art. 84 gibt dem Bund das Recht, allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Steuerung der ländermäßigen Ausführung zu erlassen (Abs. 2), Aufsicht über die ausführenden Länder zu üben (Abs. 3 und 4) und unter benannten Voraussetzungen Einzelweisungen zu erteilen (Abs. 5). Diese Kompetenzen sind Sache des Bundes. Es sind also (zumindest) die Art. 84 Abs. 2 bis 5 GG, die in den genannten Fällen mit der Regelaussage des Art. 30 GG brechen. Art. 84 GG wird durch Art. 83 GG zum Regelfall. Ist die Anordnung einer Verwaltungsform, in der Art. 30 GG zumindest stückweise gebrochen wird, selbst dessen Brechung? Bricht die Norm, die Normen zur Anwendung bringt, die ihrerseits Brechungen des Art. 30 GG bringen, Art. 30 GG? Zumindest trägt Art. 83 GG durch seine Bezugnahme auf Art. 84 GG dazu bei, daß Art. 30 GG im Rahmen der Ausführung von Bundesgesetze gebrochen wird. Ohne Art. 83 GG könnte Art. 84 GG nicht zur Anwendung kommen. Art. 84 GG nennt nicht alle Bedingungen seiner Anwendung, sondern wird erst durch den Bezug zu Art. 83 GG zur Regelform. Ein ähnliches10 Phänomen findet sich bei der Rechtsfolgenverweisung: Nur durch die Verweisungsnorm wird die Rechtsfolge der in Bezug genommenen Norm, des sog. Verweisungsobjekts 11 , in einer Materie zur Geltung gebracht, die deren eigener Tatbestand nicht umfaßt. Die Verweisungsnorm ist folglich conditio sine qua non für die erweiterte Anwendung der in Bezug genommenen Rechtsnorm. Ebenso ist Art. 83 GG conditio sine qua non für die Anwendung des 10 Art. 83 GG erweitert nicht das Anwendungsfeld des Art. 84, gibt also nicht seinem Inhalt einen erhöhten Geltungsumfang, sondern bringt ihn überhaupt erst zum Einsatz. 11 Zur Terminologie zuletzt Brugger, VerwArch 78, (1987), S. 1 ff.; eine Formenlehre der Verweisung gibt Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, S. 11 ff.
2.4. Neufundierung der Länderposition in Art. 30 GG
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Art. 84 GG in Rahmen der Bundesgesetzausführung, 12 denn er setzt für den Tatbestand der Ausführung von Bundesgesetzen die Rechtsfolge, daß dies regelmäßig durch die Länder „als eigene Angelegenheit" zu erfolgen habe. Was der Inhalt der genannten Rechtsfolge ist und was sich hinter der Chiffre „als eigene Angelegenheit" verbirgt, zeigt erst Art. 84 GG. Deswegen ist aber auch erst Art. 84 GG eine Aussage zu entnehmen, in welchem Maße Art. 30 GG bei der Ausführung „als eigene Angelegenheit" gebrochen wird. Eine Aussage, die Art. 30 GG bricht, ist Art. 83 GG für sich, d. h. unmittelbar nicht zu entnehmen. Damit steht fest, daß Art. 83 GG den Art. 30 GG jedenfall nicht bricht, um ihn gebrochen Art. 84 GG zur weiteren Regelung, einschließlich Brechung, vorzulegen. Selbst Art. 84 GG in Art. 83 GG derart inkorporiert 13 zu sehen, daß sein Inhalt Element des Art. 83 GG ist, und so Art. 30 GG zu brechen, oder beide zu einer Gesamtnorm zusammenzusetzen, die Art. 30 GG bricht, kann nur eine Brechung von Art. 30 GG bringen, die für das normative Verhältnis von Art. 83 zu Art. 84 GG folgenlos ist. Für derartige Lösungsansätze kann die Frage, welche Kompetenzen bei der Bundesgesetzausführung Sache des Bundes bzw. der Länder sind, kein Thema mehr im Verhältnis von Art. 83 zu Art. 84 GG sein. Jede Bundesingerenz in Art. 84 GG bricht dann inkorporiert in Art. 83 GG oder vermittelst seiner Hilfe Art. 30 GG. Ohne den Zusammenhang zu Art. 84 GG, d.h. allein aus sich heraus, bricht Art. 83 den Art. 30 GG aber nicht. Art. 30 GG wird damit in der Ausführungsform „als eigene Angelegenheit" aber nur in dem Maße gebrochen, in dem in Art. 84 GG Bundesingerenzen formuliert sind. Im übrigen, d.h. soweit keine Brechung erfolgt ist, muß auch in den eben angedachten Konstruktionen die Regelaussage des Art. 30 GG in der genannten Verwaltungsform gelten.
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Deswegen kann das gestellte Problem nicht mit Hinweis auf die Natur des Art. 83 GG als Präferenzregel, die Art. 84 GG u. a. vor Art. 85 GG den Vorzug gibt, gelöst werden. Die Aussage, Art. 83 GG könne Art. 30 GG schon deswegen nicht brechen, weil er die im Vergleich zur Bundesauftrags- oder bundeseigenen Verwaltung länderfreundlichere Verwaltungsform zur Anwendung bringe, übersieht, daß dennoch über Art. 83 GG eine Ausführungsform gewählt wird, die Art. 30 GG zumindest partiell bricht. Insofern unterscheidet sich Art. 83 GG z.B. nicht von Art. 87c, 87d oder 90 Abs. 2 GG. 13 Die Lehre von den gesetzlichen Verweisungen nimmt eine Inkorporation des Inhalts des Verweisungsobjekts in die Verweisungsnorm an. Vgl. Brugger, VerwArch 27, (1987), S. 4 f. Das heißt aber nur, daß aus bezogener und verweisender Norm eine zusammengesetze Norm aufgebaut werden kann, die beide Ausgangsnormen zumindest zu Teilen enthält. Folglich dürfte es auch keinen Unterschied zwischen der Inkorporations- und der Gesamtnormannahme in Bezug auf Art. 83 und 84 GG geben. Inkorporation und Gesamtnorm sind Konstruktionen, deren Bildung und Gebrauch durch einen dogmatischen Bedarf veranlaßt sein sollte. Denn ansonsten macht es keinen Sinn, Gesamtnormen aus Normen zu bilden, die in der Verfassung getrennt stehen, und verfassungstextlich getrennte Normen ineinander zu transformieren und inkorporieren.
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
Die Bundesingerenzen in Art. 85 GG kann Art. 83 GG aber auch mit Hilfe dieser Konstruktionen nicht inkorporieren. 14 Für Art. 85 GG kann Art. 83 GG in den angedachten Konstruktionen nur vorgeben, daß er nicht der Regeltyp ist. Damit stellt sich auch für die angedachten Konstruktionen das Verhältnis von Art. 30 zu Art. 85 GG autonom, d.h. ohne Zwischenschaltung des Art. 83 GG. 1 5 Die eben angedachten Konstruktionen scheitern an Art. 30, 2. Halbsatz GG. Diese Norm nennt als erste Brechungsform das Treffen einer anderen Regelung im Grundgesetz. Die sich in der grundgesetzlichen Vokabel „trifft" ankündigende Präzision ist die, die eine exakte Abgrenzung von Bundes- und Ländersache braucht. Deswegen „trifft" das Grundgesetz dann eine andere Regelung, „wenn es dem Bund eine bestimmte Zuständigkeit ausdrücklich vorbehält oder zuweist". 16 Art. 83 GG verschafft dem Bund aber keinen klar umrissenen Kompetenztitel. Er läßt sich nicht auf die inhaltliche Ebene ein, auf der die Regelaussage des Art. 30 GG getroffen ist. Welche Kompetenzen dem Bund in den Verwaltungsformen, die Art. 84 und 85 GG regeln, zukommen, bestimmen nur einzelne Absätze der beiden genannten Normen ausdrücklich. Daher ist Art. 83 GG auch nicht zu entnehmen, in welchem Maße die Regelaussage des Art. 30 GG in den genannten Verwaltungsformen oder auch nur der in Art. 84 geregelten gebrochen wird. Weil die Regelaussage des Art. 30 GG in Art. 84 und 85 GG aber auch nur in Maßen, d. h. nach Maßgabe inhaltlich umrissener Bundesingerenzen, und nicht in toto gebrochen wird, kann Art. 83 GG keine präzise Auskunft über die Abgrenzung von Bundesund Landessache in den entsprechenden Verwaltungsformen geben. 17 Nicht er, sondern nur Art. 84 und 85 GG treffen andere Regelungen zu Art. 30 GG. Auch wären Art. 84 und 85 GG zu ändern, sollten Verschiebungen, in dem was Sache des Bundes und Sache der Länder in den entsprechenden Verwaltungsformen ist, vorgenommen werden. 14 Die Bundesingerenzen in Art. 85 GG haben nichts mit „Ausführung als eigene Angelegenheit" zu tun. Darüber, ob die Regelung des Art. 30 GG grundsätzlich auch in der Bundesauftragsverwaltung gilt, sagt Art. 83 GG in diesen Konstruktionen nichts. 15 Mit dem direkten Bezug zwischen Art. 30 und 85 GG wird ein Ergebnis erzielt, das dem unten gefundenen in der Sache gleichkommt. 16 Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 30, Randnr. 19 m.w.Nw. (1982); vgl. auch Gubelt, in: von Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 30, Randnr. 8 m.w.Nw. 17 Das kann auch nicht die Verweisungsnorm, denn der Inhalt der Rechtsfolge kann nur der in Bezug genommenen Norm entnommen werden. Auch im Falle der Klammerdefinition oder eines Definitionen treffenden Absatzes oder Satzes ergibt sich erst aus den in Bezug genommenen Regelungen, was Sache ist, wenn der definierte Fall vorliegt. In diesem Bild kann man sich Art. 84 in einen fiktiven Art. 83 Absätze 2 ff. umgewandelt denken. Erst die Absätze verrieten dann, was jeweils Sache des Bundes ist. Wie sich die Strafbarkeit „der" Körperverletzung auch bei Auslandstaten aus § 223 StGB ergibt, obwohl sich die Strafbarkeit des Auslandstäters z.B. erst aus den §§ 223, 7 StGB ergibt, so trifft erst der über Art. 83 GG zur Anwendung gekommene Art. 84 andere Bestimmungen zu Art. 30 GG.
2.4. Neufundierung der Länderposition in Art. 30 GG
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Art. 83 GG läßt auch keine andere Regelung zu Art. 30 GG zu, die dann Art. 84 GG träfe. Art. 84 GG braucht als Verfassungsnorm nicht die Zulassung in Art. 83 GG, um Art. 30, 1. Halbsatz GG brechen zu können. In puncto „Sache der Länder" enthält Art. 83 GG also keine Vorgabe für Art. 84 GG, sondern verweist nur auf etwas, was sich schon, aber auch erst in Art. 84 GG findet. Er knüpft an ein in Art. 84 GG gelegenes Brechungsverhältnis an, schafft aber insoweit keine normative Ausgangslage für Art. 84 GG. Es ist unrichtig zu sagen, Art. 83 GG breche selbständig und mit Folgewirkung für Art. 84 GG oder Art. 85 GG die Regelaussage des Art. 30 GG. Er ist als Präferenzregel, die in ihrer Aussage nur die Bezeichnung des Regeltyps verwendet, aussagelos für die Rechtsnatur des Ausnahmetyps. Die Aussage, Art. 83 GG sei eine andere Bestimmung im Sinne von Art. 30 GG ist unrichtig. 18 In der verbleibenden Klasse von Lösungsmöglichkeiten ist Art. 83 GG nicht als „andere Regelung" im Sinne des Art. 30 GG angesetzt. Die Klasse teilt sich in die Alternativen einer reinen Wiederholung der Regelaussage des Art. 30 in Art. 83 GG für die Materie der Bundesgesetzausführung und einer neutralen weiteren Aussage in Art. 83 GG. Die Wiederholungsalternative ist als dogmatisch inkonsistent zu eliminieren. Für sie muß in den Worten „als eigene Angelegenheit" die Sachaussage „Sache der Länder" gelegen sein. Das gilt für Art. 83 wie 84 G G . 1 9 Bedeutet aber „als eigene Angelegenheit" in Art. 84 GG soviel wie Ländersache und räumt Art. 84 GG zum Beispiel in Absatz 5 dem Bund eine Kompetenz als seine Sache ein, dann bricht Art. 84 Abs. 5 GG eine Anordnung des Art. 84 Abs. 1 GG so wie er den wiederholten Art. 30 GG bricht. Denn es soll etwas anderes als die in Art. 84 Abs. 1 ausgesprochene „Sache der Länder" gelten. Art. 84 GG ist aber so abgefaßt, daß in Absatz 1 mit der Ausführung „als eigene Angelegenheit" die Bezeichnung für das gegeben wird, was die Gesamtvorschrift als Verwaltungsform ausbildet. 20 Eben in der Verwaltungsform des Art. 84 GG, die sich selbst Ausführung „als eigene Angelegenheit" 18 Unscharf, aber deswegen nicht unrichtig, kann gesagt werden: Laut Art. 83 GG soll Art. 30 GG (regelmäßig) in der Verwaltungsform des Art. 84 GG gebrochen werden. Aber er soll es nur. Die Brechung selbst erfolgt in den Detailbestimmungen der Art. 84 und 85 GG. 19 Es gibt keinen Grund, die Gleichbedeutung von Ausführung „als eigene Angelegenheit" in Art. 83 und 84 GG aufzugeben. 20 Es ist eine wählbare Regelungstechnik, Namen an erst auszugestaltende rechtliche Phänomene zu vergeben, gegebenenfalls in Anknüpfung an den Namen Regelungen über die Anwendbarkeit der entsprechenden Institute zu treffen, und sie dann erst inhaltlich unter ihrem Namen zu regeln. So nennt § 1587 Abs. 1 BGB Anwendungsvoraussetzungen für den dort schon sog. Versorungsausgleich, obgleich erst in den §§ 1587a ff. BGB bestimmt wird, welche Positionen in den Versorgungsausgleich eingehen und wie er durchzuführen ist. Sein konkretes Gesicht findet dieses scheidungsrechtliche Institut folglich erst in Folgevorschriften.
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
nennt und so auch in Art. 83 GG genannt wird, kann z.B. die Bundesregierung unter bestimmten Voraussetzungen Einzelweisungen erteilen. Die Einzelweisungen bei der Ausführung befolgende Landesverwaltung praktiziert davon unbeschadet eine Ausführung als eigene Angelegenheit. Vorgesehene und ausgeübte Bundesingerenzen ändern nicht die Verwaltungsform, sondern sind ihr Bestandteil. Art. 84 Abs. 1 GG sagt, was ist bzw. sein soll, wenn die Länder die Bundesgesetze „als eigene Angelegenheit" ausführen: „so regeln sie die Einrichtung der Behörden . . . , soweit nicht Bundesgesetze . . . etwas anderes bestimmen." So sind auch die folgenden Absätze zu lesen: „Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so . . . kann (die Bundesregierung) . . . Verwaltungsvorschriften erlassen, (so) übt (die Bundesregierung) die Aufsicht . . . aus (und so kann ihr) durch Bundesgesetz . . . die Befugnis verliehen werden, . . . Einzelweisungen zu erteilen." Alle Absätze des Art. 84 GG zusammen sagen erst aus, was Ausführung der Bundesgesetze „als eigene Angelegenheit" der Länder ist. 2 1 Gehören zu diesem Normbündel aber auch solche Normen, die mit „Sache der Länder" brechen, und ist die Verwaltungsform des Art. 84 GG daher durch ein bestimmtes Mischverhältnis von Länder- und Bundessache gekennzeichnet, dann ist Ausführung „als eigene Angelegenheit" der Länder nicht aussageidentisch mit „Sache der Länder". Die Wiederholungsalternative ist damit gescheitert. Die Lösung ist daher auf die aliud-Alternative angewiesen. In der aliud-Alternative kommt als Aussagegehalt von Art. 83 GG nur eine Präferenzregel als weitere Regelung zu Art. 30 GG in Betracht. „Als eigene Angelegenheit" in Art. 83 GG meint die Verwaltungsform des Art. 84 GG und gibt ihr den Vorrang vor der des Art. 85 GG. Die gleichlautende Floskel in Art. 83 und 84 Abs. 1 GG ist damit nur eine Regeltypbezeichnung22 und somit nicht mit der Gefahr behaftet, die Konstruktion in die Inkonsistenz der Wiederholungsalternative zu verwickeln. Weder in Art. 83 GG noch in Art. 84 GG ordnet die Floskel etwas anderes als „Sache der Länder" an. Die Brechung der Regelaussage des Art. 30 GG liegt damit nur in den Einzelregelungen des Art. 84 GG. Es bietet sich an, diese Aussage auf Art. 85 GG zu erstrecken. Das ist das Modell von Bundesauftragsverwaltung als einer Verwaltungsform, in der die Länder solange und soweit ihre Sache betreiben, also das Ausführen der Bundesgesetze ihre Sache ist, als keine andere Bestimmung in Art. 85 GG getroffen oder in ihm zu ihr ermächtigt und sie dann von der 21 In Art. 84 Abs. 1 GG steht eben nicht: Die Ausführung der Bundesgesetze ist eigene Angelegenheit der Länder. Der Bund kann aber (ausnahmsweise) . . . 22 Damit ist ihr auch nicht e contrario zu entnehmen, bei Art. 85 GG würden von den Ländern fremde Angelegenheiten, eben solche des Bundes, wahrgenommen; eine solche Interpretation wäre zudem im Hinblick auf Art. 104 a Abs. 1 u. 2. GG problematisch (vgl. Kap. 2.1.1., FN 1).
2.4. Neufundierung der Länderposition in Art. 30 GG
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zuständigen Stelle getroffen worden ist. Die Richtigkeit dieses Modells ist durch die Richtigkeit eines Postulats bedingt: Die Passage „im Auftrage des Bundes" in Art. 85 Abs. 1 GG bringt nicht schon die andere Regelung im Sinne von Art. 30 GG. Es ist folglich zu untersuchen, ob die Rede vom „Auftrage" auf ein selbständiges Konstruktionselement der Bundesauftragsverwaltung hinweist, das den Ländern vielleicht noch eine Verwaltungszuständigkeit im Außenverhältnis beläßt, ihnen aber für den Anwendungsbereich des Art. 85 GG die Ausführung der Bundesgesetze als ihre „Sache" nimmt. Es sind drei Fragen zu beantworten: Was kann „im Auftrage" besehen im Lichte einer durch Tradition geprägten Auftragsdogmatik aussagen? Ist darunter eine Bedeutung, die die Regelaussage des Art. 30 GG zu brechen in der Lage ist? Gibt Art. 85 GG dem Auftragselement mehr Gehalt als den einer Verwaltungstypbezeichnung? Hier hat auch historisch-genetische Argumentation ihre Berechtigung. Die Vokabel „mandare" drückt im Lateinischen „in die Hand geben", „übergeben" und „anvertrauen" neben „anweisen" und „befehlen" aus. Auch im Wort „Auftrag" bzw. „(be)auftragen" liegt das Moment der Übertragung eines bestimmten Geschäfts und das Moment des Befehls, das Geschäft in definierter Weise auszuführen. So ist auch dem Zivilrecht der Auftragsbegriff geläufig. Der verbindliche Auftrag bringt für den Beauftragten die Verpflichtung, „ein ihm von dem Auftraggeber übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen" (§ 662 BGB). 2 3 Im Auftrag liegt die Übertragung eines Geschäfts und dieses ist der Beauftragte auszuführen verpflichtet. Geschäft ist ein Handlungskomplex. Es kann dem Beauftragten Spielraum geben, etwa großzügig festlegen, ein bestimmter Erfolg sei herbeizuführen (z.B. Besorgung einer Stereo-Anlage gewünschter Qualität), aber über die Mittel schweigen oder aber auch die Handlungen vorschreiben, mit denen der Erfolg herbeizuführen ist (z.B. die Anlage kaufen und nicht stehlen). Darin besteht dann „das Geschäft". Besteht für das Geschäft eine Ausführungspflicht und ist der Geschäftsherr in der Lage, den Geschäftsinhalt über Weisungen zu determinieren, dann ist der Ausführende auch weisungsgebunden. Übertragung ist daran die Herstellung der Ausführungsverpflichtung für den Beauftragten. Das kann direkt vertraglich, wie in § 662 BGB vorgesehen, aber auch aufgrund einer schon begründeten Weisungsmacht, etwa aus arbeitsrechtlicher Direktionsgewalt, erfolgen. 23
Der B G H ( B G H Z 16, 95/99) will „die Auftragsverwaltung im Raum des öffentlichen Rechts . . . in den entscheidenden Merkmalen in keiner Weise mit dem bürgerlichrechtlichen Auftragsverhältnis" vergleichen, weil „innerhalb dessen ein Einstehenmüssen des Auftraggebers für Handlungen des Beauftragten in Betracht kommen kann"; vgl. auch H.H. Klein, DVB1 1968, S. 131. Dieses Bedenken zählt nicht, geht es um die Ermittlung der Wortbedeutung von „Auftrag" und um einen allgemeinen Rechtsbegriff des Auftrages (so schon Triepel, Delegation und Mandat im Öffentlichen Recht, S. 134).
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
Was in einem Auftrags Verhältnis ist nun Sache des Auftraggebers, was Sache des Beauftragten? Ein spezifisches Interesse am Geschäftserfolg ist kein Maßstab. Der Beauftragte kann mehr als der Auftraggeber am Geschäft und dessen Erfolg interessiert sein, so eine beauftragte Tochter im Auftragsbeispiel, die den Geschäftsgegenstand später als Geschenk erhalten soll. Ihr fremd, dem Vater eigen ist, daß dieser aufgrund eines verbindlichen Auftrages von der Tochter die Vornahme von Handlungen verlangen kann. Der Tochter eigen, dem Vater fremd ist, daß es sich um von ihr oder unter ihrer Regie vorzunehmende Ausführungsakte handelt. Sache des Auftraggebers, hier des Vaters, ist es, die Einhaltung der Ausführungsverpflichtung zu verlangen, Sache des Beauftragten, hier der Tochter, die Ausführung zu leisten. Die Rede von dem, was Sache des einen oder des anderen ist, ist also normativ, ist an dem Auftragsrechtsverhältnis orientiert. Diese normative Ausrichtung dessen, was eines Sache ist, zeigt sich auch in der Figur der Stellvertretung 24 : Sache des Stellvertreters ist die Abgabe einer Willenserklärung, Sache des Vertretenen, Vollmacht zu erteilen und die ihn unmittelbar treffenden Rechtswirkungen aus dem Vertreterhandeln zu tragen (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Einen normativ geprägten Auftragsbegriff hat Triepel mit seinem Begriff des öffentlich-rechtlichen Mandats 25 gegeben. „Mandat ist entweder der Auftrag an ein Organ, seine eigene Kompetenz auszuüben, oder . . . es ist der Rechtsakt, durch den der Inhaber einer Zuständigkeit einem anderen Subjekte die Vollmacht erteilt, seine, des Mandanten Kompetenz in seinem, des Mandanten Namen auszuüben." 26 Unter den letzteren 27 und in Triepels Schrift „Delegation und Mandat im Öffentlichen Recht" dann auch allein weiter verfolgten Begriff des Mandats läßt der Autor die Auftragsverwaltung im Bundesstaat, die im Namen des Reichs erfolgt, fallen. 28 Diese Einordnung ist für 24 Zur Entwicklung der Rechtsfigur der Stellvertretung und der Theorie der Vertretung vgl. Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 2. 25 Triepels Begriff von Delegation ist hier nicht nur deswegen nicht von Interesse, weil es „besonders verfehlt" sei, „die Zuweisung von Funktionen durch die Verfassung als Delegation zu bezeichnen" (Triepel, Delegation und Mandat im Öffentlichen Recht, S. 61 f.). Zwar erfaßt der Delegationsbegriff Fälle von Kompetenzübertragung (vgl. Triepel, ebd. S. 26 und zu ihm Barbey, Rechtsübertragung und Delegation, S. 17 ff.), d.h. von „Abschiebung eigener Zuständigkeit" (vgl. Triepel, ebd. S. 85), und könnte somit ein bestimmtes Bild von Auftragsverwaltung entwerfen helfen. Ein Delegationskonzept von Auftragsverwaltung kann aber ohne verfassungstextlichen Anhalt nur schwerlich entworfen werden. In der Wendung „im Auftrage" kann ein Delegationskonzept sprachlich nicht codiert sein. Anders als der Mandatsbegriff steht der Delegationsbegriff nicht in Sprachverwandtschaft zum Auftragsbegriff. 26 Triepel, ebd. S. 26. 27 Ihm ähnlich ist der Begriff des organisationsrechtlichen Mandats bei Schenke, VerwArch 68, (1977), S. 167: „Ein organisationsrechtliches Mandat ist dann gegeben, wenn der Inhaber einer Zuständigkeit in . . . Einzelfällen oder auch abstrakt ein anderes öffentlich-rechtliches Subjekt beauftragt, die Kompetenzen des Mandanten in dessen Namen auszuüben." Vgl. zu dieser Rechtsfigur auch Horn, N V w Z 1986, S. 808 ff.
2.4. Neufundierung der Länderposition in Art. 30 GG
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Formen organschaftlicher Auftrags Verwaltung, also Auftragsverwaltungen in denen Landesorgane für Reich oder Bund deren Kompetenzen in deren Namen ausüben, richtig. In der unbestreitbar körperschaftlich konstruierten Bundesauftragsverwaltung, die Landesverwaltung durch Landesorgane ist, geht dieser Begriff fehl. In ihr üben die Länder nicht Bundeskompetenzen aufgrund einer Bevollmächtigung durch den Bund im Namen des Bundes aus. 29 Interesse findet der andere Mandatsbegriff Triepels. Zuvor sind zwei vorgeschlagene Auftragsbegriffe abzuhandeln. Der Bundesgerichtshof 30 hat „Auftrag" in der öffentlich rechtlichen Auftragsverwaltung als „Übertragung von Zuständigkeiten . . . auf den Beauftragten" definiert. Nach den hier gelegten Weichenstellungen kann es an der Schwelle des Art. 85 GG nicht darum gehen, dem Land, das die Regel des Art. 30 GG für sich hat, etwas zu übertragen, sondern ihm allenfalls etwas zu nehmen. Bundesgesetzausführung ist Sache der Länder, bis ein anderes durch oder aufgrund des Grundgesetzes bestimmt worden ist. „ I m Auftrage" in Art. 85 Abs. 1 GG als Zuwachs an Zuständigkeiten zu verbuchen, ist ausgeschlossen. In seiner Studie zur Bundesauftragsverwaltung hat Wolst 31 auf den hier abgelehnten zweiten Mandatsbegriff Triepels zurückgegriffen, ihn aber neu definiert. Das Mandat als rechtssatzmäßige Übertragung einer Wahrnehmungskompetenz an die gesetzesausführenden Länder soll die Bundesauftragsverwaltung kennzeichnen. Diese Lösung scheitert, wie schon der Ansatz des Bundesgerichtshofes, daran, daß die Annahme einer Kompetenzübertragung in Art. 85 Abs. 1 GG verfehlt ist. 28
Vgl. Triepel, Delegation und Mandat im Öffentlichen Recht, S. 133 und 145 f. In der Auftragsverwaltung sei den Ländern qua Bevollmächtigung durch Gesetz die Wahrnehmung von Rechten des Reichs übertragen gewesen. Zur kommunalrechtlichen Auftragsverwaltung vgl. Triepel, ebd. und S. 25; zu Triepels Einordnung vgl. Schwabe, DVB1 1974, S. 71. 29 Eine solche Konstruktion der Bundesauftragsverwaltung läge nicht nur völlig neben der herrschenden Auffassung (vgl. Kapitel 2.1.) und der Verfassungswirklichkeit, sondern übersähe, daß gem. Art. 85 Abs. 1 GG die Länder die Bundesgesetze ausführen, wenn auch im Auftrag des Bundes. Dafür, daß sie im Namen des Bundes zu handeln hätten oder dieses auch nur dürften, findet sich keine Stütze im Verfassungstext. „ I m Auftrage des Bundes" heißt nicht im Namen des Bundes. Der sprachliche Unterschied ist nicht vernachlässigbar. Auch gibt der Verfassungstext keinen Anhalt für eine Bevollmächtigung der Länder. Es wäre mehr als gewagt, jedem Auftragsbegriff sofort die zweite Mandatsdefinition als impliziten Regelungsgehalt zu unterschieben. Dafür müßten, hier nicht ersichtliche, Anhaltspunkte gegeben sein. Art. 104 a Abs. 1 u. 2 GG ist vielmehr das Gegenteil zu entnehmen, sprich daß die in der Bundesauftragsverwaltung wahrgenommenen Aufgaben (und Angelegenheiten) nicht des Bundes sind (vgl. Kap. 2.1.1., FN 1). 30 Β G H Z 16, 95/99; 73, 1/2. 31 Vgl. Wolst, Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform, S. 75. Die mangelnde Berechtigung seiner Unterscheidung von echtem und unechtem Mandat zur Scheidung von fakultativer und obligatorischer Bundesauftragsverwaltung erweist sich am Kapitelende.
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
Mandat hingegen als Auftrag an eine Stelle, von ihren Kompetenzen Gebrauch zu machen, verweist auf ein Verpflichtungsverhältnis. Der Mandant kann den Mandatar zur Kompetenzausübung bestimmen, der Mandatar ist zu ihr verpflichtet. Übersetzt in die Bundesauftragsverwaltung ist das die Verpflichtung des Landes gegenüber dem Bund, die Bundesgesetze auszuführen. „Führen die Länder die Bundesgesetze im Auftrage des Bundes aus . . . " wird zu: „Sind die Länder dem Bund gegenüber zur Ausführung der Bundesgesetze verpflichtet . . . " . Diese Verpflichtung bezieht sich auf das Ausführen überhaupt, erstreckt sich aber nicht auf Ausführungsmodalitäten. Die vorgestellte Interpretation greift die im spätkonstitutionalistischen Staatsrechtsschrifttum aufgefundene Bedeutung von auftragsweiser Reichsgesetzausführung als Gesetzesausführungsverpflichtung 32 der Länder auf. Dieser Begriff von „Auftrag" ist keiner, der aus sich heraus mit der Regelaussage des Art. 30 GG bricht. Das Land wird gerade darauf verpflichtet, seine „Sache", nämlich die Bundesgesetzausführung wahrzunehmen. Gegen diese Deutung des Auftragsbegriffs scheint zu stehen, daß auch in der Verwaltungsform des Art. 84 GG die Ausführung der Bundesgesetze den Ländern eine Pflicht ist. Aber die Wendung „im Auftrage" hat aus sich heraus keine von Art. 84 GG trennende Kraft, sondern spricht nur etwas aus, was in Art. 84 GG nicht auszusprechen wert befunden wurde. Diese inhaltliche Blaßheit des Auftragsbegriffs führt zu einem Verständnis von „im Auftrage" als bloßer Verwaltungstypbezeichnung, ein Verständnis, das für die Wendung „als eigene Angelegenheit" schon als richtig aufgewiesen werden konnte. Es ist stimmig anzunehmen, in Art. 84 und 85 GG seien die Eingangsfloskeln bloße Bezeichnungen für die erst in den nachfolgenden Normen ausgeformten Verwaltungstypen. Dort finden sich dann auch zahlreiche Unterschiede der Verwaltungstypen festgelegt. Diese Interpretation wird durch die Genese abgesichert. „Nach Weisung des Bundes" ist, wie berichtet 33 , im Verfassungsgebungsprozeß nicht deswegen durch „im Auftrage des Bundes" ersetzt worden, weil mit dieser Wendung eine inhaltlich andere Aussage getroffen werden sollte. Die Weisungsunterworfenheit hat Art. 85 Abs. 3 GG ausreichend gesichert. „Landesverwaltung nach Weisung" war aber dem Mißverständnis ausgesetzt, in Art. 84 GG fände sich eine Landesverwaltung ohne jede Weisungsmöglichkeit des Bundes. Die ursprüngliche Fassung trägt deutlich den Bezeichnungscharakter. Die gesondert festgeschriebene Weisungsmacht des Bundes gab der Verwaltungsform den Namen. „ I m Auftrage" nun als eigenständige Konstruktionsaussage aufzufassen, stellte ein neues Mißverständnis an die Stelle eines vermiedenen alten. 32 Vgl. Kapitel 2.2.1.1. 33 Vgl. Kapitel 2.2.2.
2.4. Neufundierung der Länderposition in Art. 30 GG
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Der durch Mißverständlichkeit eingeladene Interpretationsansatz hat gegen sich, der hier gewählte für sich, daß Art. 85 GG in gleicher Weise wie Art. 84 GG strukturiert ist. Für Art. 84 GG zeigte sich, daß die Floskel „als eigene Angelegenheit" nur eine Verwaltungsformbezeichnung ist, an die erst, den Verwaltungstyp ausbildende Normen anknüpfen. Auch Art. 85 GG präsentiert im ersten Absatz eine Wendung, auf die bezogen nachfolgende Detailbestimmungen den Verwaltungstyp ausprägen. Art. 85 GG läßt sich in ein seine Aussage verdeutlichendes Äquivalent umformulieren: „Führen die Länder die Bundesgesetze im Auftrage des Bundes aus, so bleibt die Einrichtung der Behörden Angelegenheit der Länder, . . . (so) kann (die Bundesregierung) mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen . . . ( , so) unterstehen (die Landesbehörden) den Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden . . . (und so) erstreckt sich (die Bundesaufsicht) auf Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Ausführung . . . " . Die reine Verwaltungsformbenennung kann die Sachaussage des Art. 30,1. Halbsatz GG nicht brechen, wohl aber können dies die Detailvorschriften, die inhaltlich den Verwaltungstyp ausformen. Allgemeine Verwaltungsvorschriften mit Zustimmung des Bundesrates erlassen, Weisungen erteilen, Rechtsund Fachaufsicht üben, ist nach diesen Vorschriften nicht Sache der Länder, sondern des Bundes. Folglich findet sich die andere Regelung im Sinne des Art. 30 GG jeweils nur in den Normen innerhalb des Art. 85 GG, die Bundesingerenzen formulieren. Die Ausführung der Bundesgesetze ist somit in der Bundesauftragsverwaltung soweit Sache der Länder, als nicht der Bund über seine abgesteckten Bundesingerenzen Einfluß nimmt. Die rechtstechnische Verzahnung und Zuordnung von grundsätzlicher Ländersache und einzelnen Bundesingerenzen, darunter vor allem des Weisungsrechts gemäß Art. 85 Abs. 3 GG, ist an späterer Stelle zu untersuchen. Dafür muß geklärt sein, was sich hinter „Sache der Länder" in Art. 30 GG verbirgt. Dort allfällig versteckte Rechte auf Kompetenz sind dann nach den Vorgaben einer allgemeinen Dogmatik der Weisungsverhältnisse und ihres Umgangs mit subjektiven Rechtspositionen mit dem Weisungsrecht des Bundes in der Bundesauftragsverwaltung in Beziehung zu setzen. Abschließend ist zu fragen, ob die hier gefundene Lösung für alle Formen der Bundesauftragsverwaltung Geltung beanspruchen kann. Es ist der Einwand denkbar, die hier vorgetragene Interpretation des Art. 85 GG könne nur die Fälle obligatorischer, aber nicht die fakultativer Bundesauftragsverwaltung aufnehmen. Dort, wo schon das Grundgesetz die Verwaltungsform des Art. 85 GG vorschreibe, möge es sein, daß die Bundesgesetzausführung a priori Sache der Länder sei und es bleibe, bis Bundesingerenzen damit brächen. Dort, wo es dem Bundesgesetzgeber, sprich dem Bund, offenstehe, den Ländern Materien zur Ausführung in der Form des Art. 85 GG zuzuschreiben, erhielten die Länder etwas übertragen, was eigentlich nicht ihre Sache
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2. Die Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsform
ist. Diese Aussage kann zunächst nur für die Fälle faktultativer Auftragsverwaltung gelten, in denen der Bund nicht nur zwischen der Ausführung nach Art. 84 und 85 GG wählen kann, etwa gemäß Art. 87c GG. In beiden Verwaltungsformen ist die Ausführung der Gesetze, die auf Grund des Artikels 74 Nr. 11 GG ergangen sind, Ländersache. In Betracht kommt die Fallgruppe, in der der Bundesgesetzgeber den Wechsel von bundeseigener bzw. -mittelbarer Verwaltung in die Bundesauftragsverwaltung vornimmt. So ist die Luftverkehrsverwaltung in bundeseigener Verwaltung gemäß Art. 87d Abs. 1 GG nicht Sache der Länder. Wenn es in Art. 87 d Abs. 2 GG heißt, „durch Bundesgesetz . . . können Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung den Ländern als Auftragsverwaltung übertragen werden", stimmt es dann noch, daß diese Aufgaben in der Bundesauftrags Verwaltung Sache der Länder sind? Solange die Luftverkehrsverwaltung aufgrund grundgesetzlicher Anordnung in bundeseigener Verwaltung geführt wird, liegt darin eine andere Bestimmung zu Art. 30 GG. Jede Abweichung von Art. 87d Abs. 1 GG, die nicht durch oder aufgrund des Grundgesetzes mit der Regelaussage des Art. 30 GG bricht, stellt die Regel dieser Norm wieder her. Art. 87d Abs. 2 GG bricht Art. 30 GG deswegen nicht, weil er schlicht auf eine Verwaltungsform verweist, die laut Systematik die Aufgaben und Befugnisse bis zu ihrer Brechung in speziellen Ingerenznormen Sache der Länder sein läßt. Die verfassungsrechtliche Ermächtigung in Art. 87d Abs. 2 GG zur Aufgabenübertragung ist formgebunden. Aufgaben können den Ländern nur „als Auftragsverwaltung übertragen" werden. Der Bund hat also nur ein Formenwahl-, aber kein Formenumgestaltungsrecht. Daß eine Aufgabenverlagerung von der Bundes- auf die Landesebene stattfindet, ist für die Dogmatik insofern irrelevant. Denn ob eine Angelegenheit Sache der Länder ist oder nicht ist, richtet sich nicht daran aus, ob die Angelegenheit einmal (zeitweise) Sache des Bundes gewesen ist. Will sich der Bund der Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung entledigen, kann er das gemäß Art. 87d Abs. 2 GG, nicht anders als auch etwa gemäß Art. 89 Abs. 2 Satz 3 GG hinsichtlich der Verwaltung der Bundeswasserstraßen, nur formgebunden und damit in der Weise, daß er eine Verwaltungsform anordnet, die schon von Verfassungswegen die Verwaltungsaufgaben und -befugnisse als Sache der Länder gestaltet. Die fakultative Bundesauftragsverwaltung fügt sich nahtlos in das hier entworfene dogmatische Konzept zu Art. 85 GG. Probleme ergeben sich desgleichen nicht mit der Form von Bundesauftragsverwaltung, in der nicht nur Bundesgesetze ausgeführt, sondern auch gesetzesfreie Verwaltung geübt wird. Hier sind gemäß Art. 30 GG die Verwaltungsaufgaben und -befugnisse, etwa die „Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung" gemäß Art. 87d Abs. 2 GG oder die Verwaltung der „Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs", Sache der Länder, bis in Art. 85 GG festgelegte Bundesingerenzen damit brechen.
3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz Fundamentalnorm für die Stellung der Länder in der Bundesauftragsverwaltung ist Art. 30 GG. Aber was gibt er ihnen? Dem Wortlaut nach regelmäßig jede Ausübung staatlicher Befugnisse und jede Erfüllung staatlicher Aufgaben zur Sache; aber was ist das in den Kategorien öffentlich-rechtlicher Dogmatik? Die Beantwortung verlangt zunächst Klärungen, wo die Norm unklar scheint und dann erst dogmatische Einordnung. Da ist unsicher, ob die Norm Zuständigkeiten verteilt, weil sie Aufgaben und Befugnisse einem Subjekt zuweist, oder ob sie nur ein Subjekt zur Erfüllung fremder Aufgaben und Ausübung ihm nicht gehöriger Befugnisse heranzieht. Auszuleuchten ist weiter, was es mit der „Sache der Länder" auf sich hat. Meint „Sache" eine rein objektiv-rechtliche Zuständigkeit, meint sie Pflicht oder verleiht sie zudem oder allein Rechte? Wenn sie Rechte verleiht, dann können das nur subjektive öffentliche Rechte, worauf auch immer gerichtet, sein. Subjektive öffentliche Rechte haben aber spezifische Voraussetzungen, um deren Festlegung sich vielfältige Theorien bemühen. A n ihnen werden sich allfällige subjektive öffentliche Rechte in Art. 30 GG ausweisen lassen müssen. Subjektive Rechte in Art. 30 GG finden, heißt sie in die Rechtskonstruktion grundgesetzlicher Bundesstaatlichkeit einzubauen. Das verlangt Klarheit darüber, ob sich und wie sich subjektive Rechte in eine bundesstaatsrechtliche Ordnung einfügen lassen. Es kann aber auch sein, daß es gerade Spezifica von Bundesstaatlichkeit sind, die Begriffsmerkmale des subjektiven öffentlichen Rechts, wie es in Art. 30 GG gesucht wird, erfüllen helfen und damit dort, wo sie in dem Artikel nur schwach anklingen, verstärken und abstützen können. Diese Fragen und Möglichkeiten sind in der Reihenfolge aufgeführt worden, in der sie beantwortet bzw. ausgeschieden oder zur Gewißheit erhärtet werden. Art. 30 GG gibt den Ländern wörtlich nicht die staatlichen Aufgaben und staatlichen Befugnisse, sondern nur deren Erfüllung bzw. Ausübung als ihre regelmäßige Sache. Das ist kein Unterschied in der Sache, wenn Aufgaben und Befugnisse nicht von Erfüllung bzw. Ausübung isoliert bei einem anderen als dem zur Erfüllung bzw. Ausübung berufenen Subjekt stabil existent sind, oder wenn das „Sach"kennzeichen der Zuweisung notwendig auf die hinter Erfüllung und Ausübung gelegenen Aufgaben bzw. Befugnisse durchgreift, oder wenn die Regelaussage der Norm alle Aufgaben und Befugnisse regelmäßig zu den Ländern herüberzieht. Zur letzteren Aufstellung lautet die Hypothese: Wessen in der Regel die Erfüllung aller staatlichen Aufgaben ist, der hat auch, soweit die Regel reicht, alle staatlichen Aufgaben. Und wessen in 7 Pauly
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
der Regel die Ausübung aller staatlichen Befugnisse ist, der hat auch nach der Regel alle staatlichen Befugnisse. Denn Aufgaben wollen gestellt und Befugnisse zugewiesen sein. Aufgaben stellen ist aber selbst Aufgabe, Befugnisse zuweisen, braucht wieder Befugnis. Sind Erfüllung und Ausübung dieser höheren Art von Aufgaben und Befugnissen nun aber auch gemäß Art. 30 GG Sache der Länder und gilt es als ausgemacht, daß die Länder im Bundesstaat nicht unvermittelt dem Bund Aufgaben stellen und Befugnisse zuweisen, dann stellen sie sich, abgesehen von Übertragungen an Dritte, eigene Aufgaben, weisen sie sich, abgesehen vom Genannten, eigene Befugnisse zu. Wer der Regel nach alle Aufgaben sich als eigene stellt, weil das eine ihm der Regel nach zur Erfüllung und Ausübung zugewiesene Aufgabe bzw. Befugnis ist, und wer in der Regel sich alle Befugnisse gemäß übergeordneter Aufgabenund Befugniswahrnehmung zuschreibt, der hat auch in der Regel alle Aufgaben und Befugnisse. Erst dort, wo das Grundgesetz anordnet oder die Anordnung zuläßt, Aufgaben und Befugnisse seien des Bundes, ist die Regel gebrochen. Wie ist es aber dort, wo es durch Grundgesetz oder aufgrund Grundgesetzes Sache des Bundes ist, Aufgaben zu stellen und Befugnisse zu verteilen? Ist es nicht denkbar, daß der Bund dort nicht nur Aufgaben stellt, sondern auch innehat, nicht nur Befugnisse verteilt, sondern auch besitzt, und den Ländern allein die Erfüllung und Ausübung der fremden Aufgaben bzw. fremden Befugnisse gegeben ist? Ausgeschlossen ist es dann, wenn gemäß der ersten einleitenden Aufstellung Aufgaben und Befugnisse nicht isoliert von ihrer Erfüllung bzw. Ausübung bei einem zweiten Subjekt juristisch haltbar sind. Eine formale 1 Argumentation könnte lauten: Aufgaben erfüllen ist selbst immer eine Aufgabe und Befugnisse ausüben, braucht der Befugnis dazu. Aufgaben erfüllen, bedarf zudem der Befugnis dazu, Befugnisse ausüben, ist zudem eine Aufgabe. Also haben die Länder, erfüllen sie vom Bund gestellte Aufgaben und üben sie von ihm ausgeteilte Befugnisse aus, immer eine Erfüllungsaufgabe und -befugnis sowie eine Ausübungsaufgabe und -befugnis. Dennoch bleibt eine Frage: Gibt es daneben nun noch eine Sachaufgabe bzw. -befugnis, die dem Bund so zusteht, daß sie den Ländern fremd und durch sie nur in Vertretung des Bundes zu erfüllen bzw. auszuüben ist? Oder hat der, dem die Aufgaben gestellt und Befugnisse zugewiesen sind, der also die Erfüllungs- bzw. Ausübungskompetenz trägt, auch die Aufgabe und die Befugnis? Oder ist die Sachaufgabe keine isolierte, sondern einem Subjekt immer nur zur Erfüllung zugewiesene juristische Erscheinung und die Sachbefugnis einem Subjekt nie anders als denn zur Ausübung zugeordnet?
1 Diese Argumentation nutzt die Relativität von Aufgaben und Befugnissen. Sie ist problematisch, weil sie in einen infiniten Re- und Progress führt, der den Sinn der Unterscheidung von Aufgaben und Befugnissen verunklart. Es wird sich zeigen, daß sie auch nur einen bescheidenen Ertrag hat.
3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
Aufgabe ist das, was aufgegeben worden ist. Aufgegebenheit hat Adressaten. Aufgegeben wird diesen eine Aufgabe zu einem in einer Richtung festgelegten Umgang mit derselben. Das ist die Erfüllung. Welche Handhabungen geeignet, welche Mittel zur Aufgabenerfüllung geboten sind, das ist eine gesonderte Fragestellung. Aufgaben arbeiten mit Zielfestlegungen: sie beschreiben entweder anzustrebende Zustände, etwa die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie oder die Welt verhüteter oder entschärfter polizeilicher Gefahren, oder sie nennen Tätigkeitsbereiche, wie das Erzeugen und Nutzen der Kernenergie und die Gefahrenabwehr. Die Tätigkeiten sind aber auf Erfolgszustände ausgerichtet und können entsprechend substantiviert formuliert werden. Erfolgszustände als ein Aufgabenkennzeichen werden aber nur dann zu Zielvorgaben für Subjekte, wenn diese auf deren Herbeiführung festgelegt werden. Die Festlegung eines Subjekts auf Erfüllung ist Inhalt der Rede, jemand habe eine Aufgabe. Aufgaben hat man folglich nicht anders als zur Erfüllung und Aufgaben hat nur der, der zur Erfüllung berufen ist. Das schließt einerseits nicht aus, sich bei der Erfüllung von anderen helfen zu lassen, schließt andererseits aber auch nicht jeden Weg der Erfüllung ein. Kann man auch Befugnisse nicht anders als zur Ausübung haben? Befugnisse enthalten Ermächtigungen zur Vornahme staatlicher Akte. Die Ermächtigung verleiht Rechtsmacht zur Ausübung von Tätigkeit, etwa zur Vornahme von Gesetzgebungs- und Verwaltungsakten. Wer diese Tätigkeiten vornehmen darf und kann, und nur der, hat die Befugnis dazu. Befugnisse weist die Rechtsordnung ihren Subjekten folglich nicht anders als zur Ausübung zu. Das läßt dennoch Raum, andere helfend zur Tätigkeitsausübung heranzuziehen. Eine Vorschrift, die die Erfüllung von Aufgaben und Ausübung von Befugnissen zur Sache der Länder macht, zieht die Länder nicht zur Erfüllungs- und Ausübungshilfe heran. Läßt sie sich aber als Vertretungsvorschrift lesen, nach der die Länder den Bund in seiner Erfüllung seiner Aufgaben und seiner Ausübung seiner Befugnisse vertreten? Erfüllung und Aufgabe, Ausübung und Befugnis bleiben dann ungeteilt, allein die Länder erfüllen und üben aus für den Bund. Auch der Erlaß und die Ausführung von Landesgesetzen ist in dieser Konstruktion vertretungsweise Wahrnehmung von Bundesaufgaben und -befugnissen. Die Art. 73 ff. GG grenzten danach nicht Bundes- von Landesgesetzgebungskompetenzen, sondern das ab, was der Bund durch eigene Organe direkt an Aufgaben erfüllt und Befugnissen ausübt, und was er durch die Länder in seiner Vertretung erledigen läßt. Die Vertretung wäre eine verdeckte, weil sie nicht offen im Namen des Bundes geführt wird. Sache der Länder ist in diesem Modell die Vertretung des Bundes. So steht es aber nicht in Art. 30 GG. Wem die Erfüllung und Ausübung seine „Sache" „ist", der handelt, erfüllt und übt aus nicht für einen anderen. Das „Sach"kennzeichen der Zuweisung von Aufgabenerfüllung und BefugnisT
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
ausübung an die Länder blockiert die vertretungsrechtliche Lösung. Daß Art. 30 GG als Verfassungsvorschrift des Bundes die Länder mit einer generellen Erfüllungs- und Ausübungskompetenz versieht, verweist zwar auf einen Delegationszusammenhang, in dem es nur relativ 2 „eigene" Aufgaben und Befugnisse der Länder geben kann. Dennoch werden selbst delegierte Aufgaben und Befugnisse nicht in Vertretung des Delegierenden ausgeübt. Daher ist es für die Zurückweisung des vertretungsrechtlichen Modells nicht entscheidend, welches genau die Relation ist, für die Art. 30 GG Aufgaben und Befugnisse „eigene" der Länder sein läßt und welches nicht. 3 Die Erfüllungs- und Ausübungskompetenzen aus Art. 30 GG sind Sache der Länder und nicht des Bundes, obgleich sie auch auf einer bundesverfassungsrechtlichen Zuweisung beruhen. Der Ertrag der Diskussion deckt sich mit Art. 30 Satz 1 des Herrenchiemseer Entwurfes: „Soweit nicht dieses GG die Zuweisung an den Bund anordnet oder zuläßt, sind die staatlichen Befugnisse und Aufgaben Sache der Länder . . . " Insofern hat Matz recht, schreibt er, die heutige und durch den Redaktionsausschuß vorgeschlagene Fassung des Art. 30 GG habe „die Vorlage mit leichter redaktioneller Änderung wiedergegeben" 4. Und so gelesen, liegt die Vorschrift auch auf der Linie deutscher bundesstaatsrechtlicher Tradition: § 5 RV 1849 bestimmte, „die einzelnen deutschen Staaten . . . haben alle staatlichen Hoheiten und Rechte, soweit diese nicht der Reichsgewalt ausdrücklich übertragen sind"; Meyer/Anschütz schrieben zur Verfassungsrechtslage unter der Reichsverfassung von 1871 „alle Befugnisse, welche nicht dem Reiche überwiesen sind, bleiben den Einzelstaaten" 5 , und für Thoma galt unter der Weimarer Reichsverfassung zur „Verteilung der staatlichen Aufgaben und also auch der staatlichen Kompetenzen zwischen Reich und Ländern" das Prinzip, „daß den Ländern alle Kompetenzen verbleiben" 6 . Daran, daß alle staatlichen Aufgaben und Befugnisse in der Regel den Ländern zustehen, hat Art. 30 GG nichts geändert; er hat diesen Rechtszustand vielmehr festgeschrieben. Offen ist aber immer noch, ob die Zuweisung von Aufgaben und Befugnissen an die Länder in Art. 30 GG diesen auch ein subjektives öffentli2 Die delegierende Stelle kann es in der Hand haben, Aufgaben und Befugnisse umzuverteilen. Solchen Zugriff eröffnet Art. 79 GG, wenn auch mit Beschränkungen in Abs. 3. Der delegierenden Stelle sind die Aufgaben und Befugnissen insofern eigen, als sie in gewissem Maße über sie verfügen kann. Will sie die Aufgaben und Befugnisse vollkommen zu eigen haben, muß sie diese an sich heranziehen. 3 Eine Entscheidung dieser Frage setzte die sofortige Beschäftigung mit der zweioder dreigliedrigen Konstruktion des Bundesstaates voraus. Sie ist aus genanntem Grunde an dieser Stelle entbehrlich. 4 Matz, in: von Doemming, Füsslein, Matz, JöR N.F. Bd. 1 (1951), S. 296. 5 Meyer I Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, S. 260. 6 Thoma, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Band, S. 180. Dem Reich fallen nach Thoma nur die Kompetenzen zu, die „durch die Reichsverfassung oder durch verfassungsmäßiges Reichsgesetz dem Reiche überwiesen sind, oder ihrer Natur nach nur das Reich angehen" (ebd.).
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ches Recht auf Wahrnehmung und auch gerade auf ausschließliche und autonome Erfüllung bzw. Ausübung dieser Aufgaben und Befugnisse garantiert. Das zu entscheiden, bedarf zunächst der Klärung, wie subjektive öffentliche Rechte und insbesondere solche auf Kompetenz nachzuweisen sind. 3.1. Begriff und Voraussetzungen subjektiver öffentlicher Rechte und insbesondere solcher auf Kompetenz Durch Art. 30 GG werden den Ländern Aufgaben und Befugnisse und damit auch Aufgaben/Befugnis-Zusammenhänge, also Kompetenzen, zugeschrieben. Die normative Beziehung dieser Gegenstände auf die Länder als Rechtssubjekte begründet deren Zuständigkeit. Sind die Länder nun schlicht organisationsrechtlich zuständig, soweit die Regel des Art. 30 GG reicht, oder vermittelt ihnen diese Verfassungsnorm allein oder in Verbindung mit einer oder mehreren anderen ein subjektives öffentliches Recht auf die ausschließliche und autonome Wahrnehmung der ihnen verliehenen Kompetenzen, also auf alleinige und selbständige Erfüllung bzw. Ausübung der ihnen aufgetragenen Aufgaben und ihnen zugewiesenen Befugnisse? Das zu entscheiden, verlangt allererst herauszupräparieren, was Recht zu einem subjektiven Recht auf wirft, was organisationsrechtliche Zuweisungen von Aufgaben, Befugnissen und deren Konglomeraten zu einer subjekteigenen Rechtsposition verstärkt. Die für dieses „was" signifikanten Kriterien wird die Untersuchung vom Feld der Dogmengeschichte einfahren. Einfach wäre es, hier auf die schon in der spätkonstitutionellen Staatsrechtslehre vertretene Anerkennung subjektiver Rechte der Länder auf Wahrung und Verteidigung ihres Eigenbereichs zu verweisen. 1 Diese Rechte verdankten ihre Existenz aber nicht einer subjektiv-rechtlich gedeuteten Norm im Gesamtstaats verfassungsrecht, sondern dem Postulat unabgeleiteter Landesstaatsgewalt. Wer diese Vorstellung von Eigenstaatlichkeit der Länder verabschiedet,2 schneidet zugleich die eben vorgetragene Begründung einer subjektiven Rechtsstellung ab. Fällt die These der Unabgeleitetheit und tritt an ihre Stelle die der normativen Dezentralisation, dann stellt sich die Frage, ob und wie eine dezentrale Einheit eigene Rechte gegenüber der zentralen oder einer zentraleren Einheit haben kann. Es sind damit Rechte auf Kompetenz im Rahmen abgeleiteter Ausübung von Staatsgewalt zu suchen, und sie finden sich dogmengeschichtlich in der Debatte um die Rechtsstellung von Staatsorganen und deren Teilen. Dort ist zu suchen. Angesichts der prinzipiellen Rela1 Vgl. dazu Kapitel 2.2.1.1. Dies geschieht in Kapitel 2.3. aus rechtstheoretischen Gründen. Zugleich wird dort Art. 30 GG in das Modell rechtsinhaltlicher Landesstaatsgewalt, die eben nicht unabgeleitet ist, integriert. 2
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tivität der Rechtsfähigkeit 3, also auch der der Länder und aber auch der der Staatsorgane, Organteile und eingeschlossen der Behörden ist es kein Einwand gegen, sondern im Gegenteil ein Argument für diese Vorgehensweise, daß die Länder als vorläufiger Zurechnungsendpunkt zahlreicher Rechtssätze hochgradiger Rechtssubjektivität besitzen als etwa die Behörden. Seit wann und seit wann mit welcher Klarheit und in welcher Reflexionshöhe die Rechtswissenschaft darüber diskutiert, ob und unter welchen Voraussetzungen Normen des objektiven Rechts zugleich subjektive Rechtspositionen begründen, besteht rechtshistorisch Streit. 4 Für die Zwecke einer Untersuchung allfällig subjçktiv-rechtlicher Qualität von Rechtssätzen des Organisationsrechts genügt es, erst ab der Zeit die alte Literatur zu konsultieren, ab der sie sich zumindest auch der Frage nach Rechten auf Kompetenz zugewendet hat. 3.1.1. Dogmengeschichte des Spätkonstitutionalismus Die damit aufgerufene Literatur der spätkonstitutionellen Epoche deutscher Staatsrechtslehre konnte denn auch in den allgemeinen Fragen des subjektiven Rechts auf fest bezogene Positionen in der Zivilrechtswissenschaft ihrer und früherer Tage des neunzehnten Jahrhunderts zurückgreifen. Aber nicht nur aus dem Privatrecht, sondern auch durch den großen dogmatischen Streit um die Rechtsnatur des Staates erfuhren die Staatsrechtler erste Festlegungen. So wie der allgemeinen Diskussion um das subjektive öffentliche Recht die Winscheid'sche Willenstheorie 5 , die von Ihering entworfene Zweck3 Die frühe Erkenntnis dieser Gegebenheit auch bei Autoren der Wissenschaft vom Öffentlichen Recht beweisen Labands Beiträge zur Dogmatik der Handelsgesellschaften, ZfdgHR 30 (1885), S. 473: „Die Theorie, daß die juristische Persönlichkeit auf der staatlichen Anerkennung beruhe, gibt demnach keine Lösung, sondern führt lediglich zu der Frage zurück: welche Rechtssätze muß der Staat als anwendbar auf eine Vereinigung anerkennen, damit die letztere den juristischen Charakter einer Person erhalte?" 4 Einen ausführlichen dogmengeschichtlichen Überblick gibt Fezer, Teilhabe und Verantwortung, Die personale Funktionsweise des subjektiven Privatrechts, 1986. Speziell zur öffentlich-rechtlichen Sparte der Dogmengeschichte des subjektiven Rechts vgl. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986. 5 Vgl. Ψ inscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Erster Band, § 37, S. 156: „Recht ist eine von der Rechtsordnung verliehene Willensmacht oder Willensherrschaft." Damit setzte Winscheid einen schon von Savigny (System des heutigen Römischen Rechts, Erster Band, S. 7: „ . . . die der einzelnen Person zustehende Macht: ein Gebiet, worin ihr Wille herrscht, und mit unsrer Einstimmung herrscht. Diese Macht nennen wir ein Recht dieser Person, gleichbedeutend mit Befugnis: Manche nennen es das Recht im subjektiven Sinn.") eingeschlagenen und auch von Puchta (Pandekten, § 29, S. 47: „Das Resultat dieser Unterwerfung, sofern sie ein Ausfluß der rechtlichen Freiheit . . . ist, ist eine rechtliche Macht über den Gegenstand, ein Recht an demselben, welches der Person zusteht.") beschrittenen Weg fort. Vgl. zur (Hintergrund-) Entwicklung Fezer, Teilhabe und Verantwortung, S. 205 ff. und auch Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 381 ff., Larenz, Methodenlehre der Rechtswissen-
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oder Interessentheorie 6 und entsprechende Kombinationstheorien 7 Vorgaben waren, so waren der speziellen Diskussion über subjektive öffentliche Rechte auf Kompetenz die durch Albrecht initiierte und mittlerweile zu Gestalt gekommene Theorie vom Staat als juristischer Person 8 und diverse organistische Staatskonzepte9 feste Ausgangsdaten. Wie zum Aufweis subjektiver öffentlicher Rechte überhaupt entweder nach einer durch die Rechtsordnung verliehenen Willensmacht oder nach vom Gesetzgeber verfolgten Zwecken bzw. von ihm rechtlich unter Schutz gestellten Interessen oder nach Interessenschutz und Rechtsmachtverleihung kumulativ gefragt wurde, so wurden die Kompetenzträger entweder in ein für gesonderte Rechte und Rechtsstellungen unzugängliches, impermeables 10 und als juristische Person gedachtes Staatswesen eingesenkt oder mit Teil- bzw. Organpersönlichkeit in die Gesamtpersönlichkeit des aus der Vielfalt der Glieder lebenden und bewirkten Staates integriert. Entscheidend ist bei Laband seine Festlegung auf die Konstruktion des Staates als juristische Person. 11 Behörden als „Apparate des Staates" 12 sollen neben und in dieser Rechtsperson keine eigene Persönlichkeit beanspruchen können. 13 Die juristische Staatsperson in der Tradition der Auffassung von juristischer Person als „persona ficta" 1 4 , also in Analogiebildung zur menschlichen Persönlichkeit, läßt in dieser Vorstellung so wenig wie die menschliche Natur Separierungen eigenständiger und eigenwilliger Organe im Personeninneren und gegenüber dem Personenganzen zu. Aber ohne Willenssubjekte im Innenkreis sind für Laband Innenrechtsbeziehungen ausgeschlossen. Sein schaft, S. 11 ff. sowie Wilhelm, Zur juristischen Mehodenlehre im 19. Jahrhundert, S. 17 ff. 6 Vgl. Ihering, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, Dritter Theil, Erste Abteilung, § 60, S. 328: „Rechte sind rechtlich geschützte Interessen." 7 Vgl. deren ausführliche aber zugleich kritische Darstellung bei Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, S. 593 ff. 8 Vgl. Albrecht, Göttingsche gelehrte Anzeigen 1837, S. 1489 ff.; Gerber, Grundzüge des Deutschen Staatsrechts, S. 1 ff. u. 217 ff. sowie Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 1, S. 94 ff. m.w.Nw. in Fn. 1, S. 94 f. Zu Albrechts Leistung vgl. Wyduckel, lus Publicum, S. 230 f. m.w.Nw. 9 Vgl. Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, S. 29 ff.; Bernatzick, A ö R Bd. 5 (1890), S. 169 ff.; Preuß, Jb. f. Gesetzgeb., Verw. u. Volkswirtschaft im Dt. Reich 1902, S. 103 ff.; Mayer, in: Festgabe für Paul Laband; Kaufmann, Über den Begriff des Organismus in der Staatslehre des 19. Jahrhunderts sowie Schmitt, Hugo Preuss, S. 10 ff. 10 Zum Gehalt der sog. Impermeabilitätstheorie in der spätkonstitutionellen Epoche vgl. zusammenfassend Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 57 ff. 11 Vgl. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 1, S. 94 ff. 12 Laband, ebd. S. 366. 13 Laband, ebd. S. 366 f. und Band 2, S. 181 f. 14 Zum Ursprung dieser Figur vgl. Wolff, Organschaft und Juristische Person, Band 1. S. 3.
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vom kantischen Willensdogma 15 geleiteter Rechtsbegriff, der Recht durch die Abgrenzung von Willenssphären bestimmt, findet dort keinen Ansatzpunkt, wo sich „Regeln . . . innerhalb der Verwaltung selbst halten,... in keiner Richtung einem außerhalb derselben stehenden Subjekte Beschränkungen auferlegen oder Befugnisse einräumen, ihm nichts gewähren und nichts entziehen, ihm nichts gebieten und nichts verbieten" 16 . Solche Regeln „sind keine Rechtsvorschriften" und stehen so außerhalb der „Sphäre des Rechts . . . , als wenn ein Privatmann Anordnungen über die Führung seines Haushalts . . . erteilt" 17 . Ohne Innenrechtskreis gibt es aber auch keine subjektiven Rechte der Behörden auf Kompetenz: „Allein auch die Behörde ist niemals selbständig berechtigtes Subjekt, sondern nur der Staat selbst ist das wirkliche Rechtssubjekt aller Hoheitsrechte. . . . Sie fungieren äußerlich so, als wären sie Subjekte von Befugnissen, welche in der Staatsgewalt enthalten sind; in Wirklichkeit sind sie aber nicht berechtigte Subjekte, sondern nur der Staat selbst ist das alleinige Subjekt der gesamten und ungeteilten Staatsgewalt. Amtsgewalt ist nichts anderes als Staatsgewalt. Es folgt hieraus, daß niemals eine Behörde dem Staate gegenüber ein subjektives Recht hat." 1 8 Daraus läßt Laband folgen, daß der Eingriff der einen Staatsbehörde in den Kompetenzkreis einer anderen „nicht die Verletzung eines subjektiven Rechts dieser Behörde oder ihrer Mitglieder, sondern eine Verletzung der objektiven Rechtsordnung" 19 ist. Konsequent wäre die Ablehnung einer Verletzung von objektiver wie subjektiver Rechtsordnung gewesen. Es wird bei Laband freilich anders, geht es um die Stellung ausgewählter Staatsteile. So gibt es Rechte der Einzelstaaten auf Hoheitsmacht 20 und Rechte des Kaisers auf Ausübung von Staatsgewalt21, gerade letzteres, wie Carl Schmitt berichtet, ein Indiz für die „Singularität, Abnormität, Unzeitgemäßheit einer Monarchie" 22 . Singuläre Erwägungen begründen auch die abnorme Behandlung der Gliedstaaten; immerhin werden sie als selbständige juristische Personen und Mitglieder in das Reich eingereiht. 23 Kompetenzberechtigte Staatsglieder, die gibt es unter den sog. Positivisten schon bei Gerber, dem frühen Organologen wie dem späten Lehrer von der 15 Das Dogma entspringt Kants Rechtsbegriff. „Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann." (Kant, Metaphysik der Sitten, Einleitung in Rechtslehre, § Β a. E.). 16 Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 2, S. 181. 17 Laband, ebd. ι» Laband, ebd. Band 1, S. 366. 19 Laband, ebd. S. 367. 20 Laband, ebd. S. 114. 21 Laband, ebd. S. 219 ff. 22 Schmitt, Der Hüter der Verfassung, S. 67. 23 Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 1, S. 87.
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juristischen Staatsperson. 24 „Über öffentliche Rechte", das ist auch über des Königs eigenes staatsrechtliches Herrschaftsrecht 25, und in den „Grundzüge(n) des deutschen Staatsrechts" wird ein Kapitel über den „Rechtsschutz des Staats und seiner Organe" 26 gehandelt. Streiten können Ständeversammlungen und Regierung, wenn sie „unter einander über die Gränzen ihrer Rechtskreise uneins sind. Beide Organe stehen sich dann als streitende Parteien gegenüber und benutzen wohl ihre allgemeine Machtstellung, um ihre Ansprüche zur Geltung zu bringen." 27 Es ist aber ein Streit, für den eine richterliche Instanz eingerichtet werden könnte, „vor welcher solche Streitigkeiten durch Urtheilspruch ihre definitive Lösung fänden" 28 . Das deutet auf eigene und streitbare Rechte dieser Organe. Nicht nur dem Prinzip nach, sondern ohne Ausnahme verleugnet Georg Jellinek subjektive Organrechte auf Kompetenz. Er geht aus von einer Kombination der Interessen- und Willenstheorie zur Konstruktion des subjektiven Rechts, läßt „die Willensmacht . . . das formale, das Gut oder Interesse das materiale Element im subjektiven Rechte" 29 sein, erhält so das subjektive Recht als „die von der Rechtsordnung anerkannte und geschützte auf ein Gut oder Interesse gerichtete menschliche Willensmacht" 30 und definiert das subjektive öffentliche Recht über ein reines „Können" 3 1 , sprich die „Fähigkeit, Rechtsnormen im individuellen Interesse in Bewegung zu setzen" 32 . Solches Können, solche Willensmacht kann dem Staatsorgan nach Jellinek deswegen nicht zukommen, weil „der Staatswille selbst . . . niemals gespalten werden" 33 könne. Hinorganisiert auf die Hervorbringung eines einheitlichen und letztinstanzlich definierten staatlichen Willens seien die Staatsorgane keine selbständigen Persönlichkeiten, in deren Interesse und für deren Belange ihnen Willensmacht verliehen sein könnte. Ihnen, auch dem Monarchen, auch dem Parlamente bleiben bei Jellinek nur die Kompetenzen 34 , und sie sind „stets (nur) objektives Recht" 35 : „Der Monarch hat nicht das Recht der Gesetzessanktion, 24
Zu Gerbers Entwicklung vgl. von Oertzen, Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus, S. 163 ff. und Wilhelm, Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, S. 91 ff. u. 129 ff. 25 Gerber, Über öffentliche Rechte, S. 42 ff. 26 Gerber, Grundzüge des Deutschen Staatsrechts, § 59, S. 198 ff. 27 Gerber, ebd. S. 199. 28 Gerber, ebd. 29 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 45. 30 G. Jellinek, ebd. S. 44. 31 G. Jellinek, ebd. S. 51. 32 G. Jellinek, ebd. 33 G. Jellinek, ebd. S. 229. 34 G. Jellinek, ebd. S. 227 ff. 35 G. Jellinek, ebd. S. 227; vgl. auch ders., Allgemeine Staatslehre, S. 560 f.: „Niemals aber werden die Organe . . . zu Personen. . . . alle Rechtsstreitigkeiten zwischen ihnen sind Zuständigkeitsstreite innerhalb ein und desselben Rechtssubjekts. Es sind stets Streitigkeiten über objektives, nie über subjektives Recht."
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sondern die Kompetenz hiezu, ebenso hat das Parlament nicht das Recht der Ministeranklage, sondern die Kompetenz hiefür." 36 Der negative Status der Gemeinden, „kraft dessen sie selbsteigene Entschlüsse fassen, innerhalb dessen sie bis zu einem gewissen Grade den Umfang ihrer Tätigkeit bestimmen" 3 7 können, ist demgegenüber möglich, weil den Kommunalverbänden als „selbständige ( n ) Staatsglied (ern), . . . Körperschaft ( e n ) " 3 8 und damit Personen durch den Staat „Imperium" 3 9 verliehen sei. Den Gliedstaaten ein Eigenrecht auf einen Tätigkeitsbereich zu sichern, gelingt Jellinek, weil diese bei ihm Staaten und nicht bloße Staatsorgane, Mitglieder im Bundesstaat und nicht nur Organe des Bundesstaates sind. 40 Die Gegenauffassung ist im Lager der staatsrechtlichen Organologen entwickelt worden. Gierke hat in seiner „Genossenschaftstheorie" zwar nicht die staatlichen Organe zu Trägern einer „eignen gemeinheitlichen Rechtsfähigkeit" 4 1 hochgezont, hat sie aber „trotzdem Subjekte von Rechten und Pflichten" 4 2 sein lassen. „Denn sie haben in ihrer gliedmäßigen Stellung verfassungsmäßige Kompetenzen, welche subjektive Rechte in sich schliessen. Als ständige Träger eines besonders organisirten Stückes gemeinheitlicher Willensmacht haben sie ein mehr oder minder geschütztes Recht und eine mehr oder minder erzwingbare Pflicht auf Ausübung bestimmter Funktionen des Verbandsganzen und auf Vertretung von Rechten desselben gegen andere Organe, gegen die eignen jedesmaligen Organglieder und gegen dritte Personen." 4 3 Diese Rechtspersönlichkeit „besteht indess als blose Organpersönlichkeit in keiner Richtung für sich, sondern erscheint durchweg nur als relativ verselbständigtes Element innerhalb der Willensorganisation einer vollen Verbandspersönlichkeit". 44 Was in dieser Fassung 1887 knapp ausgesprochen worden ist, hatte Gierke 1883 in seinem Aufsatz „Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft" ausführlicher, d.h. ausgehend von einem neu bestimmten Organbegriff und einem gerade nicht durch die zivilistische Korporationstheorie geprägten Begriff der Staatsperson entwickelt. „Jenes gespensterhafte Schattenwesen (die juristische Person), das im Privatrecht nicht leben und nicht sterben" 45 könne, dürfe nicht - hier mit den Worten Gerbers gegen Gerber gesprochen - „als Sparren- und Holzwerk zur Construction des gesamten 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45
G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 231. G. Jellinek, ebd. S. 289. G. Jellinek, ebd. S. 288. G. Jellinek, ebd. Vgl. G. Jellinek, ebd. S. 295 ff. Gierke, Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, S. 173. Gierke, ebd. Gierke, ebd. Gierke, ebd. S. 173 f. Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, S. 30.
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staatsrechtlichen Gebäudes" 46 nun in das Staatsrecht seinen Einzug halten. 47 Gierke fordert einen Begriff von Staat, der „die Gesamtheit ,so wie sie ist und lebt, als Rechtssubjekt" anerkennt und sie nicht, um sie „als Subjekt in das Recht eintreten" lassen zu können, „vermöge einer Fiktion zum Einzelwesen umgestaltet und so als etwas (denkt), was sie in Wirklichkeit nicht ist." 4 8 Bloßes Einzelwesen müsse das in der Realität bunt gefächerte und sich in Vielfalt präsentierende Gemeinwesen in einer privatrechtlichen Begriffs- und Theoriebildung bleiben, die nur die äußeren Beziehungen der ihr „in ihrem inneren Leben unerreichbaren Einzelwesen" 49 regeln, aber nicht wie das neu, gemäß seinen eigenen Sachgesetzlichkeiten und zur Erfassung der ihm gegebenen Phänomene zu gestaltende Öffentliche Recht auch die „Normen für das innere Leben der Gemeinwesen" 50 aufstellen könne. Den Staat adäquat und damit als soziales Lebewesen begreifen, heißt bei Gierke einerseits durchaus, „das Verbandsganze in seiner realen Einheit als Gesamtpersönlichkeit auffassen", andererseits aber auch „den Verbandstheilen in ihrer Stellung zum Ganzen eine Gliedpersönlichkeit wahren" 51 . Das dem Privatrecht seiner Zeit unfaßliche und für das Öffentliche Recht seines Verständnisses grundlegende Nebeneinander von einerseits Zusammenordnung der Teile zu einem Ganzen und andererseits wechselseitiger Berechtigung und Verpflichtung von Teilen und Ganzem, erfordere aufgrund der „dem reinen Privatrechte völlig unbekannten Verhältnisse einer inneren Daseinsordnung auch eine ganz neue Reihe von Rechtsbegriffen" 52 . Zu diesen gehöre der des Organs, der mehr erfassen müsse, als die halbe Wahrheit einer „Stellvertretung für die willens- und handlungsunfähige juristische Person" 53 . Stellvertretung habe ihren Platz in der Rechtssphäre „äußere(r) Daseinsordnung geschlossener individueller Willenseinheiten" 54 , in der ein „Ganzes an Stelle eines anderen Ganzen" 55 agiere. Sollen aber Einheit und Vielheit auf den Begriff gebracht werden, dann müsse die Vertretung der Gesamtperson durch die Gliedperson als Organ derselben juristisch so gedacht werden, wie die Vertretung des Menschen im Sehen durch das Auge und im Schreiben durch die Hand. 5 6 Wie der Mensch durch das Organ des Auges sieht, so will Gierke das Gemeinwesen durch das verfas46 Hier wird ein frühes Zitat Gerbers (Über öffentliche Rechte, S. 39) gewählt, um eine Kritik zu verdeutlichen, die Gierke der Sache nach auch an den späteren Gerber richtete. 47 Gierke , Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, S. 30. 48 Gierke, ebd. S. 31. 49 Gierke, ebd. 50 Gierke, ebd. Gierke, ebd. S. 31 f. 52 Gierke, ebd. S. 32. 53 Gierke, ebd. S. 42. 54 Gierke, ebd. 55 Gierke, ebd. S. 43. 56 Vgl. Gierke, ebd.
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sungsmäßig berufene Organ wollen und handeln lassen. Zu bestimmen, wann welches Organ dem Gemeinwesen in Wille und Handlung Ausdruck verleihe, verlange Abgrenzung der Wirkungssphären der einzelnen Glieder und Gliedkomplexe. 57 Der Rechtsbegriff „Kompetenz" erhält bei Gierke die Aufgabe, die Rolle des „Fürsichsein(s)" der beteiligten Individuen und die Rolle des „Werkzeugs" 58 , sprich Organs, abzuschichten. Die kompetenzregelnden Normen sind „zunächst Begriffe des objektiven Rechtes" 59 , ihnen „korrespondiren . . . (aber) subjektive Rechtsverhältnisse, die nicht deswegen verkannt werden dürf(t)en, weil sie sich keiner privatrechtlichen Kategorie füg( t ) e n . " 6 0 Organe bzw. Organteile in den „Zustand von Theilpersönlichkeit in der Gesamtpersönlichkeit" zu setzen, soll daher und das „in verschiedenen Stärkegraden eine Pflicht oder ein Recht auf eine derartige Stellung" 61 mit sich führen. Es entsteht so „ein publizistisches Verhältnis, vermöge dessen das Gemeinwesen an seinem Theilwesen ein Recht auf Erfüllung bestimmter Aufgaben und das Theilwesen am Gemeinwesen ein Recht auf Ueberlassung der damit gesetzten Tätigkeitssphäre hat" 6 2 . Zwar seien „die Rechte und Pflichten, welche das Organ kraft seiner Kompetenz gegen andere Organe, gegen seine Organtheile und gegen die einzelnen Staatsglieder auszuüben und wahrzunehmen" habe, „Rechte und Pflichten des Gemeinwesens", aber „es besteh(e) auch in dieser Richtung ein subjektives Recht auf Ausübung der fraglichen Rechte" 63 . Jedes Organ, nicht nur der Kaiser, Bundesrat und Reichstag, sondern auch das von anderen abhängige, das sog. mittelbare, etwa Ausschüsse der Legislativorgane und Behörden, habe „zugleich eine staatsrechtliche Befugnis, die ihm anvertrauten staatlichen Rechte auszuüben und Eingriffe unbefugter Organe in seine Kompetenz mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln abzulehnen" 64 . Um eigene Rechte handele es sich deswegen nicht, „da alle Organkompetenz nur ein Bestandtheil der einheitlichen Machtsphäre des Staates" sei, sprich den Organen nicht „Vollpersönlichkeit" 65 gegeben sei. Aber ihre „Organpersönlichkeit in der Gesamtpersönlichkeit", ihre Teilrechtsfähigkeit, mache sie zum „geeignete(η) Subjekt publizistischer Rechte und Pflichten" 66 . Die entsprechenden subjektiven Rechte beruhten zwar auf objektivem Recht und könnten mit dessen Abänderung hinfällig werden, „ohne, daß sie darum weniger die Natur subjektiver Rechte hätten" 67 . Solange 57 Vgl. Gierke , ebd. 58 Gierke , ebd. 59 Gierke , ebd. S. 44. 60 Gierke , ebd. 61 Gierke , ebd. 62 Gierke , ebd. 63 Gierke, ebd. 64 Gierke , ebd. S. 47. 65 Gierke, ebd. 66 Gierke, ebd. 67 Gierke, ebd. S. 48.
3.1. Begriff und Voraussetzungen subjektiver öffentlicher Rechte
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die Organe diese Rechte hätten, seien ihre Kompetenzstreitigkeiten „wahre Rechtshändel, in denen Organe desselben Staates einander als Parteien gegenübertr ( ä ) ten" 6 8 . Zusammengefaßt findet sich bei Gierke Rechtssubjektivität der Organe, genannt Organpersönlichkeit, Abgrenzung und Kontrastierung der Wirkungssphäre von Organen und die objektiv-rechtliche Zuweisung von relativ verselbständigten, wenn auch von der Gesamtperson abgeleiteten, subjektiven Rechtspositionen auf Wahrung und Achtung des eigenen Kompetenzraumes. Möglich werden diese Rechte, weil Organe nicht ohne Ansehen ihrer Typik und Funktion in der Gesamtperson aufgehen, wie ja auch das Auge nicht ohne Typik und Funktion unterschiedslos mit der Hand im menschlichen Organismus zu einem undifferenzierten, abstrakten Ganzen zusammengeht. Die organische Ausdifferenziertheit bewirkt erst die reale Erscheinung der Gesamtheit und erhält sich in ihr. Wie die Fähigkeit zum Sehen beim Auge monopolisiert ist und das Schreiben i.d.R. der Hand zugewiesen ist, so will Gierke funktionstypisch und strukturgerecht ausdifferenzierte Aufgaben und Befugnissphären den berufenen Organen mit der Fähigkeit, diese Kompetenzen im Staatsorganismus gegen Übergriffe zu verteidigen, überweisen. Gierkes Ansatz ist in der spätkonstitutionellen Epoche durch Haenel und Preuß fortgeschrieben worden. Der um die Vermittlung der Organismuslehre und Theorie des Staates als juristischer Person bemühte Bernatzick kennt hingegen nur das Recht weniger Organe auf Organstellung. Konnte für Haenel „die Realität des Staates . . . nur bestehn mit der Abgrenzung und mit der Zusammenordnung ,einer Mehrheit von Willensträgern 4, als seinen Organen, Behörden oder Beamten, welche miteinander ,in Kontakt kommen 4 , unter welchen ,wechselweiser Eingriff, eine Collision . . . möglich i s t 4 , . . . (weshalb) denn auch diese seine Organe . . . untereinander subjektive Rechte und Pflichten . . . in durchaus eigenthümlicher, nämlich in organischer Weise446 9 hätten, so war die Konstruktion von Bernatzick von Grund auf anders. Recht - und das meint an dieser Stelle subjektives Recht - ist bei Bernatzick „ein menschliches Interesse, dessen Verwirklichung durch ein Wollen-Dürfen sichergestellt ist 4470 . Interessens- umd Willenstheorie werden aber nicht so kombiniert, daß Zweck- bzw. Interessensubjekt und Willensträger koinzidieren müßten: „Recht ist ein menschlicher Zweck, behufs dessen Realisierung die Rechtsordnung die Möglichkeit einer Willensherrschaft dadurch anerkennt, dass sie rechtliche Wirkungen an dieselbe knüpft, gleichviel wem dieser Wille gehört. 4 4 7 1 Es sind daher Willensträger denkbar, die fremde subjektive Rechte ausüben: Sie geben den Willen, die Interessen hingegen, behufs 68 69 70 71
Gierke , ebd. Haenel, Das Gesetz im formellen und materiellen Sinne, S. 231 f. Bernatzik, AöR Bd. 5 (1890), S. 263. Bernatzik, ebd.
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dessen sie den Willen tragen und einsetzen, liegen bei einem anderen. Willensträger zugunsten fremder Rechte sind für Bernatzick die Staatsorgane: „Auch sie üben nicht eigene Rechte aus, denn keinem Unbefangenen wird es beifallen, ein Gericht für das Subject des Rechtes zu strafen, zu richten, ein Steueramt für das Subject des Rechtes Steuern zu heben, eine politische Behörde für das Subject des Rechts Soldaten einzuziehen halten! Ein oder mehrere Willen realisieren eben hier ein fremdes Recht: das ist das ganze Räthsel." 72 Wessen sind aber die Zwecke und was sind das für welche? In Einsicht der Relativität von Zweck/Mittel-Beziehungen, also der Mittelhaftigkeit von Zwecken und Zweckhaftigkeit von Mitteln schneidet Bernatzick die Zweck/Mittel-Kette bei sog. Staatszwecken im juristischen Sinne ab. Das sind die „concreten Zwecke" jedes „concreten Staates", die sich „mit der Gesamtheit der sachlichen Competenz seiner Organe decken" 73 . Und diese Zwecke bilden bei Bernatzick „das Substrat der juristischen Persönlichkeit, nicht aber jene weiteren Zwecke, zu denen diese als Mittel dienen" 74 . Staatliche Organe realisieren durch ihren Willen also die Zwecke und Rechte der Staatsperson, und was diese Zwecke sind und worin diese Rechte bestehen, ist an den Organkompetenzen ablesbar. Die Willensherrschaft der Organe ist also „nicht zur Verwirklichung egoistischer Interessen ihres Subjectes, sondern eines über den Interessen aller Theile stehenden Gesamtinteresses gegeben" 75 . Aber in einigen Fällen könnten Willensträger eigene Rechte auf ihre Kompetenzen haben und dennoch Organe sein, weil ihnen neben dem Staat dasselbe, geteilte subjektive Recht an ihren Befugnissphären zustehe.76 Hierhin gehörten vor allem der Monarch und die Selbstverwaltungskörper mit ihren Rechten auf Kompetenz. „So zweifellos nun der Monarch hier Organ des Staates ist, der neben ihm und über ihm seinen rechtlichen Bestand als Rechtssubject hat, ebenso zweifellos übt der Monarch die staatlichen Hoheitsrechte doch aus kraft ,eigenen Rechts 4 " 77 . Und ebenso sind die Competenzbereiche eigene Rechte der Selbstverwaltungskörper, weil die Gesetze diesen „die Möglichkeit eigener, wenn auch beschränkter, Disposition und Rechtsverfolgung gewähren", und sie folglich „dem Staate gegenüber hinsichtlich ihrer Competenz als Parteien' 478 auftreten. Dennoch fallen die Rechte von Staat und Selbstverwaltungskörper nicht auseinander: „Die Rechtsordnung des Staates behandelt die Zwecke der Selbstverwaltungskörper innerhalb dieser Competenz als staatliche Zwecke, es nimmt eine Interesseneinheit an und der Ausdruck dieser Einheit der Zwecke ist die Anerkennung ihrer Competenz als ihres Rechtes. 4 4 7 9 72 73 74 75 76 77 78
Bernatzik, ebd. S. 230 f. Bernatzik, ebd. S. 236. Bernatzik, ebd. Bernatzik, ebd. S. 279. Vgl. Bernatzik, ebd. S. 297. Bernatzik, ebd. S. 301. Bernatzik, ebd. S. 304.
3.1. Begriff und Voraussetzungen subj ektiver öffentlicher Rechte
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Demnach sind auch für Bernatzick staatliche Organe mit eigenem Recht auf Kompetenz dann möglich, wenn die Rechtsordnung staatliche Interessen bzw. Zwecke und Organinteressen bzw. -zwecke zur Deckung bringt und die Organe mit einer entsprechenden Dispositions- und Rechtsverfolgungsmacht bezüglich der Kompetenzrechte ausrüstet. Bernatzicks Trennung von Staatsorganen mit und ohne eigene Rechte auf Kompetenz bleibt dennoch schwierig. Seine Feststellungen von Interessenidentität sind mehr frei gegriffen als begründet. Die reine Dispositionsbefugnis und Chance zur Rechtsverfolgung gehören zudem zur Willens- und nicht zur notwendigen Zwecksubjektivität. Entscheidend kann konsequenterweise nur sein, ob die herausgestellte Dispositionsbefugnis auch gerade gegenüber dem Staat besteht und es so im Interesse des Staates liegt, wenn Organe ihm gegenüber ihr Interesse artikulieren und behaupten. Wohl auch aus der Erkenntnis der sachlichen Schwierigkeiten, so eigene und fremde Kompetenzrechte zu scheiden, hat Preuß die ganze Unterscheidung abgelehnt. 80 Sei „die Einheit der staatlichen Gesamtperson nicht der Gegensatz, sondern der Inbegriff der Vielheit ihrer Gliedpersonen", dann sei „die Einheit der staatlichen Gesamtkompetenz kein Gegensatz, sondern der Inbegriff der Einzelkompetenzen" 81 und dann könnten auch Organcharakter und Rechtspersönlichkeit im Begriff „Organpersönlichkeit" 82 zusammengedacht werden. Als organischer Teil der Staatsperson übe die Organperson dann auch nicht fremde, obschon auch dem Staat zustehende Rechte aus. 83 Zu unterscheiden sei nur das Recht auf Organstellung von dem der Organe auf die Organkompetenz. 84 Letzteres Recht ist Preuß ein Wesenszug rechtlicher Organisation von Gemeinwesen, ein Recht, „welches stets unmittelbar in der rechtlichen Organisation eines Gemeinwesens wurzelt, mag diese nun im Einzelfall durch die Verfassung selbst oder durch Gesetz auf Grund der Verfassung oder durch Verordnung auf Grund des Gesetzes umschrieben sein." 85 79
Bernatzik, ebd. Vgl. Preuß, Jb. f. Gesetzgeb., Verw. u. Volkswirtschaft im Dt. Reiche 1902, S. 138. 81 Preuß, ebd. S. 137. S2 Dazu Preuß, ebd. S. 109, 129 ff. u. 136 ff. 83 Preuß, ebd. S. 136: „auch die Kompetenz ist subjektives Recht, aber ein besonders qualifiziertes; auch ihr Subjekt ist eine Person, aber eine besonders qualifizierte; kurz: die Kompetenz ist das subjektive Recht der Organpersonen als solcher."; S. 137: „Daß das Subjekt aller staatlichen Rechte der Staat selbst ist, das ist selbstverständlich eine Tautologie. Dem widerspricht es jedoch nicht, daß das Subjekt eines organischen Teiles dieser staatlichen Rechte die Organperson ist, welche ja selbst ein organischer Teil der Staatsperson ist. Deshalb übt sie in ihrer Kompetenz auch kein fremdes Recht aus, da die Gesamtperson den Teilpersonen nicht fremd ist; und ebenso wenig kann von einem geteilten Recht die Rede sein, da die Teilung eines Rechts eben zwei einander fremde Personen voraussetzt." 84 Vgl. Preuß, ebd. S. 138. 8 5 Preuß, ebd. S. 138 f. 80
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
Eine derart engagierte Bejahung hat das subjektive Recht der Organe auf Kompetenz in der nachfolgenden Epoche der Staatsrechtslehre nicht mehr gefunden. Kelsen und Bühler sind Autoren an der Epochenschwelle. O. Mayer auch, aber er hat die Diskussion in diesem Punkt nicht bereichert. 86 Kelsen formuliert in seinen „Hauptprobleme ( n ) der Staatsrechtslehre" ein für rechtschaffene Dogmatik folgenreiches rechtstheoretisches Programm, mit dessen Hilfe er die alten Probleme, auch das des subjektiven Rechts, einschließlich des auf Kompetenz, reproblematisiert und einer Lösung zuführt. Bühler findet in seinem pragmatisch orientierten Werk über „Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung" dem Titel gemäß durch gründliche Rechtsprechungsdurchsicht einen zwar eklektisch gewonnenen, aber bis in die heutige Zeit maßgebenden Begriff derselben. Kelsen tritt an mit einem von materialen Elementen gereinigten Rechtsbegriff. Rechtssätze im weiteren Sinne sind „hypothetische Urteile über einen Willen des Staates zu einem bestimmten eigenen Verhalten" 87 , Rechtssätze im engeren Sinne solche, bei denen der bedingte Willen des Staates auf Strafe oder Exekution geht. 88 Laut Kelsen 89 taugen für einen solchen formal-juristischen Ansatz alle materialen Kriterien der Interessens-, Willens- und Kombinationstheorien nichts zur Bestimmung des subjektiven Rechts. Kein Rechtssatz mache die Existenz eines subjektiven Rechts vom Nachweis individualpsychischer Tatbestände wie Interesse, Wille oder deren Kombinaten abhängig. Aus dem methodischen Dilemma der genannten Theorien könnten auch Hilfskonstruktionen, hier die eines fingierten Willens, dort die eines Durchschnittsinteresses nicht führen. „Das Hauptgewicht ruht auf einer richtigen Problemstellung!" 90 Der Begriff des subjektiven Rechts habe entgegen den früheren Theorien nicht ein substantielles Moment zu eigen, also das, was das Recht schütze oder anerkenne, sondern das „Wie", die „Form" 9 1 des Schutzes in Betracht zu nehmen. „Denn das Recht ist Form und nicht Inhalt, ist Schutz und nicht Geschütztes."92 Oder anders: „Ein Recht ist nicht ein Interesse, das geschützt wird, sondern selbst das Schutzmittel eines Interesses." 93 86
Dabei wird nicht übersehen, daß sich O. Mayer häufig mit Problemkreisen an der Peripherie unseres Problèmes beschäftigt hat, u. a. mit der Rechtsnatur des von „deutschen Professoren . . . zur juristischen Person ernannt ( e n ) " Staates (Festgabe für Paul Laband, S. 59) und Ausschnitten der Organlehre (ebd. S. 57 ff.). 87 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, S. 268. 88 Kelsen, ebd. S. 212: „Unter bestimmten Umständen . . . will der Staat gewisse Handlungen bezw. Unrechtsfolgen setzen (d. i. strafen oder exequieren), charakterisiert sich durch die Aufnahme der Nachteilsdrohung in den Wortlaut der Rechtsnorn." 89 Vgl. Kelsen, ebd. S. 567 ff. 90 Kelsen, ebd. S. 618. 91 Kelsen, ebd. 92 Kelsen, ebd. S. 619. 93 Kelsen, ebd. S. 623.
3.1. Begriff und Voraussetzungen subj ektiver öffentlicher Rechte
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Wie erfährt aber bei Kelsen ein Rechtssatz seine besondere Beziehung auf ein Subjekt, so daß das Subjektive am subjektiven Recht seinen Sinn erhält? Der Weg, auf welchem sich die Subjektivierung des Rechtssatzes zur Berechtigung vollzieht, liegt in der Einführung einer weiteren Bedingung in den Rechtssatzbegriff: „Es ist sehr naheliegend, daß ein die Rechtspflicht irgend jemandes statuierender Rechtssatz insoferne als mein Recht zu gelten hat, als ich auf Grund der Bestimmung dieses Rechtssatzes zu diesem in einem solchen Verhältnisse stehe, daß er als der meinige, als mir zugehörig bezeichnet werden kann. Das ist dann der Fall, wenn dieser Rechtssatz zu meiner Verfügung steht, d.h. wenn der in dem Rechtssatze ausgedrückte bedingte Wille des Staates zu einem bestimmten Verhalten unter anderem auch von mir abhängig gemacht, u.a. auch durch eine Äußerung meiner Person bedingt wird. Bei den Rechtssätzen im engeren Sinne ist es dann die Klage, von der die Realisierung von Exekution und Strafe abhängig gemacht wird." 9 4 Wer ein Recht aus einem Rechtssatz im engeren Sinne habe, habe dann auch aus dem gleichen Rechtssatz, nur eben in einer anderen Relation, ein weiteres Recht: das gegenüber dem Staat auf Exekution. 95 Der Staat hingegen hat ein Recht gegenüber den Personen, die aus demgleichen Rechtssatz verpflichtet werden auf Pflichterfüllung. 96 Diese Rechte erhalten sich bei Ausdehnung auf die Rechtssätze im weiteren Sinne, die nicht nur den bedingten Staatswillen auf Strafe oder Exekution, sondern auch auf andere Arten von Staatshandeln enthalten. 97 Nur was vorher die Klage, als weitere Bedingung des staatlichen Willens war, wird zum Anspruch. Die Änderung wurde notwendig, weil auf der einen Seite Klagen im traditionellen Begriffsverständnis 98 gegen den Staat in Kelsens Konstruktion so problematisch sind, wie „ein Unrecht des Staates juristisch nicht denkbar" 99 . Wie soll auch der wollende und wollend handelnde Staat in Widerspruch mit der über seinen Willen definierten Rechtsordnung treten können? Rechtsverletzungen sind allein durch Staatsorgane möglich, die aber immer dann, wenn sie Recht verletzen, nicht mehr für den Staat, nicht mehr dem Staat zurechenbar handeln. 100 Zu ihrer Korrektur und Anhaltung zur Pflichterfüllung kann der Staat aber angesprochen werden. 101 Auf der anderen Seite sollen mit dem Anspruchsbegriff auch die Fälle von bedingtem Staatswillen erfaßt werden, in denen Personen nicht mit der Klage, sondern durch andere Arten der Ansprache an den Staat, eine Bedingung setzen. Hierunter fallen z.B. Anträge, wenn die „Leistung des Staates in der Rechtsordnung von 94 Kelsen, ebd. S. 619. 95 Vgl. Kelsen, ebd. S. 620. 96 Vgl. Kelsen, ebd. S. 663. 97 Vgl. Kelsen, ebd. S. 655 ff. 98 Das meint Rechtsverfolgung gegenüber dem sich unrecht Verhaltenden. 99 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, S. 658. 100 Vgl. Kelsen, ebd. S. 659. ιοί Vgl. Kelsen, ebd. S. 659 ff. 8 Pauly
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
der Verfügung (eines) Berechtigten abhängig gemacht ist" 1 0 2 . Es gilt: „Das subjektive Recht des Untertanen ist der Rechtssatz in seinem Verhältnis zu derjenigen Person, von deren Anspruch der im Rechtssatz erklärte Wille des Staates zu irgendeinem Handeln abhängig gemacht ist." 1 0 3 So gerüstet unterzieht Kelsen in den Hauptproblemen die Frage nach den subjektiven Rechten der Staatsorgane auf Kompetenz der Untersuchung. Er muß sie anerkennen, findet er eine „Rechtspflicht des Staates . . . , auf deren Erfüllung dem Organe dadurch ein Recht zustände, daß die Realisierung des im Rechtssatz erklärten, die Staatspflicht darstellenden Willens von dem Ansprüche des Organs abhängig gemacht ist" 1 0 4 . Das Recht auf Kompetenz als ein Recht des Organs auf eigenes Verhalten zu konstruieren, lehnt Kelsen ab, weil vom formaljuristischen Standpunkt ein Recht auf etwas nicht anders ausgegeben werden könne, als durch den Anspruch auf fremde Pflichterfüllung. 105 Verwiesen auf ein Recht auf eine Pflicht des Staates, komme nur die auf Duldung der Tätigkeit des Organs, also auf Unterlassung störender Eingriffe in Betracht. Eine Unterlassungspflicht des Staates sei aber nicht konstruierbar: Der den Rechtssatz konstituierende „Wille des Staates ist lediglich für ein Tätigwerden der Staatsorgane maßgebend, für ein Handeln, da ein Unterlassen der Staatsorgane nur auf einem Nichtwollen des Staates beruht" 1 0 6 . Ist demnach ein Recht auf eigenes Verhalten ebenso wenig wie ein Recht auf Unterlassenspflicht des Staates zu konstruieren, scheidet von einer Ausnahme 107 abgesehen für Kelsen ein subjektives Organrecht auf Kompetenz aus. „Die Rechtsstellung des Staatsorgans läßt sich in der Regel nur als Pflichtverhältnis charakterisieren." 108 Die Ausnahme bildet die Stellung des Monarchen, weil die Monarchenfunktion „Voraussetzung für die Tätigkeit des Staates, Bedingung des im Rechtssatze erklärten Willens und der damit statuierten Rechtspflicht des Staates" 109 sei. Es lasse „sich nicht leugnen, daß der Staat in der Rechtsordnung verpflichtet (werde), gewisse Handlungen gerade durch den individuell bestimmten Monarchen vorzunehmen, daß der Staat in gewissen Rechtssätzen gerade durch den Monarchen - oder auch durch den Monarchen handeln w i l l . " 1 1 0 Damit fielen beim Monarchen als Staatsorgan zwei Rechtssätze in einen zusammen, die bei allen übrigen Staatsorganen getrennt blieben: Der Monarch wird durch denselben Rechtssatz zum zuständigen Staatsorgan beru102 Kelsen, ebd. S. 661. ι 0 3 Kelsen, ebd. S. 663. 104 Kelsen, ebd. S. 664 f. i° 5 Vgl. Kelsen, ebd. S. 593, 664, 677 u. 691. 106 Kelsen, ebd. S. 255. 107 Vgl. Kelsen, ebd. S. 665, Fn. 1 und den folgenden Absatz. los Kelsen, ebd. S. 665. io9 Kelsen, ebd. S. 693. HO Kelsen, ebd. S. 692.
3.1. Begriff und Voraussetzungen subjektiver öffentlicher Rechte
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fen, der die durch den Monarchen zu realisierende Staatspflicht enthalte. Daher sei der zu realisierende Rechtssatz auch dem Monarchen zugewiesen, er also in bezug auf diesen Rechtssatz eine Rechtspersönlichkeit neben der Person des Staates. 111 Das sind für Kelsen andere Staatsorgane nie. In Bezug auf die von ihnen zu realisierenden Rechtssätze blieben sie bloße Durchgangspunkte einer endgültigen Zurechnung an die im Rechtssatz Willen artikulierende Staatsperson. 112 Rechtspersönlichkeit würden Staatsorgane erst gegenüber dem Disziplinarrechtssatz gewinnen, der ihre Amtspflichten und darin auch ihre Kompetenzen festlege. 113 Dieser Satz könne dem verpflichteten Staatsorgan keine Rechte geben. Enthalten sie durch ihn keine Rechte und erscheinen sie in dem von ihnen zu realisierenden Rechtssatz nicht als Rechtsperson, dann schieden sie, anders als der Monarch, auch als kompetenzberechtigtes Subjekt aus. Was aber für Kelsen konstruktiv möglich bleibt, sind einmal Disziplinarrechtssätze, die Kompetenzbegrenzungsregeln enthalten und auf deren Befolgung Staatsorgane untereinander einen Anspruch haben. Kelsen behandelt sie nicht, weil es sie im Staats- und Verwaltungsrecht seiner Zeit nicht gegeben hat. Sein formaljuristischer Ansatz verbietet sie nicht, seinem Begriff des subjektiven Rechts genügen sie. Weiterhin möglich müßte ihm die positivrechtliche Einsetzung von Staatsorganen in eine monarchengleiche Stellung gewesen sein. Rechtssätze verlangten dann das Handeln individuell bestimmter Organe. Das schien Kelsen, abgesehen von der Person des Monarchen abwegig. Seit der von Wolff 1 1 4 getroffenen, aber schon Georg Jellinek 115 bekannten Unterscheidung von Organ und Organwalter lassen sich der individuell bestimmte Organwalter sowie das individuell bestimmte Organ in den Rechtssatz aufgenommen denken. Solche Rechtssätze kannte Kelsen nicht; sie sind aber theoretisch nicht mehr oder minder ausgeschlossen als der im Falle des Monarchen. Seine hier vorgetragene Auffassung zu den Kompetenzrechten der Staatsorgane hat Kelsen in seiner Allgemeinen Staatslehre und seiner Reinen Rechtslehre nicht wiederholt und nicht aufgegeben, aber er hat die Fundamente, auf denen seine ursprüngliche Konstruktion ruht, im wesentlichen beibehalten. Die Rede vom subjektiven Recht erhält ihren „rechtstheoretisch zulässigen Sinn", wenn in einer „Norm die Äußerung meines Willens als Bedingung für eine dem Inhalt meiner Willensäußerung entsprechende Rechtspflicht eines 111
Vgl. Kelsen, ebd. S. 693. 112 Vgl. Kelsen, ebd. S. 528. h 3 Vgl. Kelsen, ebd. S. 531. 114 Vgl. Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 2, S. 224 ff. 115 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 559: „ U m die Rechtsstellung der Staatsorgane zu erkennen, ist scharf zu unterscheiden zwischen den Organen und den sie tragenden Menschen." Vgl. auch O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band 2, S. 143, Fn. 17. 8+
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
anderen aufgenommen ist" 1 1 6 , also die Rechtsmacht verliehen ist, „an der Erzeugung der individuellen Norm mitzuwirken, durch welche die an die Nichterfüllung geknüpfte Sanktion angeordnet wird" 1 1 7 . Das Staatsorgan 118 wird als arbeitsteiliges Werkzeug des Staates gedacht, dessen Akte gemäß Zurechnungsnormen Akte des Staates sind. Im Rahmen der Zurechnung handelt das Organ für den Staat und ein Individuum als Organ des Staates. Hierfür kann Rechtsmacht verliehen sein, z.B. wenn Finanzbehörden Steuerleistungen eintreiben. Die Entgegennahme erfolgt dennoch für den Staat. Wenn überhaupt ein Problem darin liegt, diese Rechtsmachtverleihungen auf Rechtsbeziehungen im Kreise der Organe fortzuschreiben, dann das, wie diese dann gegenseitigen und gegenläufigen Rechtspositionen einen gemeinsamen Zurechnungsendpunkt in dem nunmehr mit der Rechtsordnung identifizierten Staat finden sollen. Aber ist der Staat mit der Rechtsordnung ineins zu setzen, 119 dann kann er auch all das an Spannungen und Gegenläufigkeiten in sich aufnehmen und aushalten, was als sein Wille in der Rechtsordnung an einzelne ihm zuzurechnende Organe an Rechtsmacht ausgegeben worden ist. Insofern kann die Frage nach den subjektiven Rechten der Organe auf Kompetenz bei Kelsen nicht eine rechtsformale, sondern nur eine rechtsinhaltliche sein. Diese Frage kann nicht Kelsen, sondern nur die Untersuchung der jeweiligen Rechtsordnung beantworten. Wie Kelsen, so hat auch Bühler seine Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht an der Neige einer monarchischen Rechtsordnung geschrieben und an ihr auch dann noch festgehalten, als anders strukturierte Rechtsordnungen Geltung erlangt hatten. Das wundert bei Bühler auf den ersten Blick mehr als bei Kelsen. Es ist kein Qualitätsnachweis für eine Rechtstheorie, wenn sie ihr Lehrer mit dem Wandel von Rechtsordnungen aufgeben muß. Wenn aber ein Dogmatiker, der seine Theorie aus der Durchsicht von Rechtsprechungsmaterial eklektisch zusammengestellt hat, an ihr über die Geltung von Rechtsordnungen hinaus festhält, ist das ein Hinweis auf die Kontinuität dieser Ordnungen und ihrer Dogmatik. Dabei kann auch in diesem Fall Qualität, nämlich die der Dogmatik, Grund für die Kontinuität sein. Subjektives öffentliches Recht ist bei Bühler immer 1 2 0 eine durch drei Merkmale gekennzeichnete Rechtsstellung eines Untertanen gegenüber dem Staat gewesen: Sie beruht auf einem zwingenden, kein Ermessen kennenden Rechtssatz. Dieser Rechtssatz dient dem Schutz des Individualinteresses des 116
Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 57. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 149. 118 Dazu Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 262 ff. 119 Vgl. Kelsen, ebd. S. 16 ff., 71 ff. und ders., Der soziologische und der juristische Staatsbegriff, S. 75 ff. 120 Ygi Bühler, Gedächtnisschrift für Walter Jellinek, S. 274 vor Wiedergabe seiner Definition: „Meine Definition des subjektiven öffentlichen Rechts . . . hatte gelautet und lautet heute unverändert". Ähnlich schon ders., Festschrift für Fritz Fleiner, S. 26 f. 117
3.1. Begriff und Voraussetzungen subjektiver öffentlicher R e c h t e 1 1 7
Untertanen. Der Untertan kann sich der Verwaltung gegenüber auf den Rechtssatz berufen, gestützt auf ihn etwas vom Staat verlangen oder ihm gegenüber etwas tun. Zwingende Rechtssätze, die einem Staatsorgan seine Kompetenzen und zugleich Rechtsmittel geben, sie zu verteidigen, kann man nach Bühler in entsprechenden Rechtsordnungen finden. Bei Bühler 1 2 1 findet sich kein Impermeabilitätstheorem: „Rechte einer Behörde gegen eine andere" sind möglich, im Staatsinneren fehlt es „nicht an der Verschiedenheit der Rechtssubjekte . . . , wie man sie sich für das Zustandekommen wirklicher Rechtsbeziehungen als nötig denkt" und Kompetenzen werden als „von der Rechtsordnung abgegrenzte Machtbefugnisse" gedacht. „Wenn man sich (des) Abstandes auch von den übrigen subjektiv öffentlichen Rechten bewußt bleibt . . . wird man auch hier gegen die Übertragung des Ausdruckes Recht nichts Stichhaltiges einwenden können." Das läßt fragen, ob Bühler von den Erfordernissen eines Individualinteresses und einer Untertanenstellung in diesen Sonderfällen subjektiv öffentlicher Rechte absah, oder ob er diese kritischen Merkmale großzügig verstand und handhabte. Dazu schweigt Bühler und beläßt es bei dem Hinweis, er habe das Sonderproblem „nicht ex professo behandelt" 122 . Auch seine Einzelergebnisse verschaffen keine Klärung der gestellten Frage. Gibt Bühler 1 2 3 den Gemeinden ein verteidigungsfähiges subjektives öffentliches Recht auf Ausübung ihnen zugewiesener Hoheitsrechte, dann schließen sich entweder Hoheitsmacht und Individualinteresse nicht apriorisch und kategorisch aus und ist der Untertanenbegriff mit dem der hoheitlichen Institution kompatibel oder es ist auf die Qualifikationsanforderungen der Ausgangsdefinition verzichtet. Daß Bühler den Gemeinden, handeln sie im übertragenen Wirkungskreis, „ebensowenig Rechte gegen die höheren Instanzen" gibt, wie „untere(n) Behörden gegen eine höhere Staatsbehörde" 124 , ist nicht Ausdruck und Beleg eines Standpunktes der prinzipiellen Ablehnung subjektiv öffentlicher Rechte im zwischenbehördlichen Raum, sondern Ausfluß des von Bühler erkannten Fehlens eines für dieses Verhältnis geschaffenen und dieses Verhältnis regierenden subjektiv-rechtlich zu%nennenden Rechtssatzes. Die Bilanz der Auffassungen im spätkonstitutionellen Schrifttum ist für die Annahme subjektiver Rechte der Staatsorgane auf Kompetenz insgesamt positiv. Widerstand hat die Annahme dieser Rechte nur bei solchen Autoren gefunden, die sich ganz oder zu Teilen auf die Theorie des Staates als juristi121 Vgl. für die folgenden Zitate Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtssprechung, S. 145, Fn. 239; allerdings meinte Bühler (ebd.), für diese Rechte der Staatsorgane seien die damaligen verwaltungsgerichtlichen Institutionen nicht geschaffen gewesen. 122 Bühler, ebd. S. 146, Fn. 239. 1 23 Vgl. Bühler, ebd. S. 254 f. 124 Bühler, ebd. S. 254.
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
sehe Person eingelassen haben. Das war zunächst Laband, dem innerhalb der juristischen Staatsperson überhaupt kein Raum mehr für Rechtsbeziehungen und damit auch subjektive Rechte gegeben schien. Daß auch juristische Personen rechtlich permeabel gehalten werden können, in sich weitere Rechtspersönlichkeiten zu bergen imstande sind und sogar als Handlungssubjekte nicht auf Innenrechtsbeziehungen zur Gestaltung von Zuständigkeiten und Festlegungen von Handlungszurechnung verzichten können, entzog sich Laband nicht deswegen, weil er Rechtsfähigkeit anders als von der Rechtsordnung verliehen gedacht hätte, oder weil sein vom kantischen Willensdogma geleiteter Rechtsbegriff entgegengestanden hätte. Zum einen hat Laband in seinen „Beiträge(n) zur Dogmatik der Handelsgesellschaften" die Rechtspersönlichkeit als „Schöpfung der Rechtsordnung" 125 erkannt und zum anderen wäre Recht als Abgrenzung von Willenssphären im Staatsinternum schon mit einem zweiten und erst recht mit jedem weiteren neben der Staatsperson stehenden und in sie eingebundenen Willenssubjekt möglich geworden. Grund war vielmehr die Überschätzung der Vereinheitlichungskraft der Figur der juristischen Person und die Unvertrautheit der Vorstellung einer relativen, rechtssatzspezifischen Rechtsfähigkeit. Zwar wissend, daß jede Person eine juristische Person sei, aber gebunden an eine Vorstellung von Person in Anlehnung an die natürliche Person und insofern in der Tradition der Lehre von der persona ficta, hat Laband in den Organen der juristischen Person des Staates ebensowenig zu eigener Persönlichkeit fähige Einheiten erblickt, wie etwa in Körperorganen gegenüber dem Gesamtmenschen: „Versteht man unter einem Organismus ein einheitliches, von einem Lebensprinzip durchdrungenes und beherrschtes Ganzes, so ist der Organismus mit der Person identisch; er ist der Gegensatz zu der zu einem gemeinsamen Zweck verbundenen Vielheit von Subjekten." 126 Da war dann auch nicht mehr der Ansatz, in einigen Rechtssätzen die Organe als Subjekte im Staatsinneren anzuerkennen, möglich. Erst wieder als Mitglieder und nicht als bloße Organe gefaßte Gliedstaaten und der durch individuelle Persönlichkeit gekennzeichnete Monarch konnten als eigene Personen und Kompetenzberechtigte ausgegeben werden. »
Aus der Erkenntnis, daß auch Mitgliedschaft und Monarchenstellung in einem Zurechnungszusammenhang zur juristischen Person stehen und eine Einbindung von Mitgliedern bzw. Monarch in die juristische Staatsperson voraussetzen, können die von Laband getroffenen Ausnahmen als der Regel gegenüber inkonsequent, und/oder die Regel wegen Stimmigkeit der Ausnahme als widerlegt angesehen werden. Labands Ausnahmen sind inkonsequent, aber gegenüber einer unrichtigen Regel. Die Impermeabilitätstheorie Laband'scher Fassung fällt mit der vollständigen Lösung des juristischen Personbegriffs vom natürlichen. Der Vielgliedrigkeit von Rechtssubjektivität im 125 Laband, ZfdgHR 30 (1885), S. 471. 126 Laband, ebd. S. 479.
3.1. Begriff und Voraussetzungen subjektiver öffentlicher R e c h t e 1 1 9
Staatsinneren steht nach diesem Fall kein prinzipielles Hindernis mehr entgegen. Für Organrechte auf Kompetenz müssen damit nur noch Rechtssätze aufgewiesen werden, die Organen Kompetenzen in einer den Anforderungen der allgemeinen Lehren von den subjektiven Rechten genügenden Weise zuweisen. Die Einheit des Staates und der Staatsperson wahrt sich dennoch über den Zusammenhang der einzelnen, auch Organe berechtigenden Rechtssätze in einem gemeinsamen Zurechnungsendpunkt. Staatspersönlichkeit zeigt ihre Einheitsfunktion in der systembildenden Zusammenbündelung von Rechtsnormen. Vielfältigkeit im Rechtssystem schließt nicht die Einheit der Rechtsordnung aus. Das Zusammendenken von Normen zur Ordnung und deren Geschlossenheit verhindern nicht die Existenz von Normen, die eingerichteten Stellen im Staatsinternum Kompetenzen so zuweisen, daß diese anderen Organen gegenüber auf die Wahrung dieser Zuweisung juristisch insistieren können. Ähnlich liegt es mit G. Jellineks Idee eines einheitlichen staatlichen Willens. Einheit kann der Staatswille juristisch gewinnen, ist er der Wille, der dem Einheitsphänomen der Rechtsordnung als einer willenbedingten Ordnung zugrundeliegt. Das schließt aber genausowenig den Staatswillen aus, der auf die selbständige Willensbildung und -Vertretung seitens der Staatsorgane gerichtet ist, wie das eigene Wollen und die von G. Jellinek anerkannten eigenen Kompetenzrechte der Gemeinden bei G. Jellinek nicht wegen der zugrundeliegenden Verleihung von staatlichem Imperium ausgeschlossen werden. Der Staat kann in der Rechtsordnung den eigenen Willen seiner Organe wollen. Diesem Wollen in Kompetenzbereichen Geltung zu verschaffen und gegenüber den Übergriffen anderer Organe dadurch zu erhalten, daß dem Organ Verteidigungsmöglichkeiten eröffnet werden, ist eine dem Staat mögliche Rechtsmachtverleihung. Auch an Staatsorgane verliehenes Imperium verbietet nicht subjektive Rechte dieser Stellen auf ihr kompetenzbegrenztes Imperium. Im gleichen Maße wäre es für Bernatzik nicht notwendig gewesen, in den Organkompetenzen nur Zwecksetzungen für das Staatsganze, aber nicht auch für die Organe zu sehen, die mit eigenen Zwecken versehen in seiner Theorie der subjektiven Rechte zu kompetenzberechtigten Instanzen hätten aufsteigen können. Bernatziks eigene Ausnahmefälle, Monarch und Selbstverwaltungskörperschaften, geben Beispiel, wie Organinteresse und Staatsinteresse bzw. Organzweck und Staatszwecke nebeneinander, wenn auch in der Sache dekkungsgleich, bestehen können. Auch hier darf es nur eine rechtsinhaltliche, also von der jeweiligen Rechtsordnung abhängige Frage sein, ob Organe gegenüber anderen Organen mit verteidigungsfähigen Kompetenzrechten ausgerüstet sind.
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
Auch für den formaljuristischen Ansatz Kelsens zeigte sich, daß es keine Schwierigkeiten macht, einen als bedingten Staatswillen definierten Rechtssatz Staatsorganen zur Verfügung zu stellen. Eine plausible Konstruktion wäre die Annahme von Disziplinarrechtssätzen gewesen, die den bedingten Disziplinierungswillen des Staates gegen kompetenzüberschreitende Organe enthielten und dem verletzten Organ einen Handlungsanspruch gegenüber den zur Kompetenzwahrung verpflichteten, die Pflicht aber verletzenden Staatsorganen zuschrieben. Gierke, Haenel und Preuß haben sich als Autoren erwiesen, denen subjektive Organrechte auf Kompetenz eine Selbstverständlichkeit, Bühler als einer, dem sie eine Möglichkeit, also je nach Rechtslage gegeben, waren. Es spricht viel dafür, Gerber Bühler gleichzustellen. 3.1.2. Positionen und Begriffe in der Weimarer Diskussion Weimarer Staats- und Verwaltungsrechtslehre hat ihr Interesse kaum auf die allgemeine Theorie subjektiv öffentlicher Rechte gelegt, sondern hat sich um deren mögliche Inhalte und deren besondere Probleme bemüht. Die Grundrechtsdebatte 127 und die Auseinandersetzung mit dem Problem subjektiver Rechte im Organverhältnis wurden von einer Wissenschaft geführt, die sich ihrer Grundlagen durch Übernahme der Lehren Georg Jellineks und Bühlers gewiß war. Repräsentativ für diese Traditionswahrung sind W. Jellinek, der subjektiv öffentliche Rechte als „eine dem öffentlichen Rechte angehörige Willensmacht, die dem Willensträger in seinem eigenen Interesse verliehen ist" 1 2 8 , definierte, und Mayer, dem sich öffentliche Rechte auch noch in der Weimarer Auflage seines Deutschen Verwaltungsrechts „darstell(t)en als Macht über ein Stück öffentliche Gewalt, dem Berechtigten durch die Rechtsordnung zugeteilt um seines Vorteils willen" 1 2 9 . Im Streit um die Organkompetenz als subjektives Recht hat die organologische Argumentationslinie sich nicht fortsetzen können. Nur „der richtige Kern" 1 3 0 dieser laut Triepel „lange Zeit durch eine überkonstruktive Methode verschüttet ( e n ) " 1 3 1 Lehre ist aufgenommen worden. Ein Fürsprecher subjektiver Organrechte wie Jerusalem hat zu dieser Position gefunden, wenn und weil „die Rechtsordnung eine Sphäre der Selbständigkeit in der Vollziehung (der) Organtätigkeit eingeräumt" 132 habe. Staatlichen Organen könne es 127 Vgl. dazu Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, S. 90 ff. 128 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 201. 129 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, S. 104. 130 Triepel, Delegation und Mandat im Öffentlichen Recht, S. 89. 131 Triepel, ebd. S. 90, Fn. 26. 132 Jerusalem, Die Staatsgerichtsbarkeit, S. 53.
3.1. Begriff und Voraussetzungen subjektiver öffentlicher R e c h t e 1 2 1
durch die Rechtsordnung überlassen sein, „selbständig für die Erhaltung der verfassungsmäßig übertragenen Funktionen zu sorgen und sie gegen andere Organe zu verteidigen" 133 . Obwohl das Organ keine selbständige juristische Stellung habe und es „lediglich in bezug auf die Persönlichkeit des Staates" 134 existiere, dürfe von einem klagbaren subjektiven Recht desselben gesprochen werden, wo eine entsprechende, auf Selbstinitiative ausgerichtete „Befugnis zum Handeln" 1 3 5 bestehe, sprich entsprechende Klageverfahren installiert seien. 136 Staatstheoretisch und rechtsdogmatisch war die Kritik an Jerusalem. Staatstheoretisches Gegenargument war bei Schmitt wie Löwenthal die Perhorreszierung einer durch Jerusalems Lehre angeblich beförderten „Auflösung der einheitlichen Staatspersönlichkeit" 137 . Die „pluralistische Auflösung des Staates" 1 3 8 verkenne die Verfassung (im positiven Sinne) „als politische Entscheidung des in sich einheitlichen, ganzen Volkes" 1 3 9 ; die „Verteilung der einheitlichen Staatsgewalt auf die verschiedensten Gremien" 1 4 0 bedeute „einen bedenklichen Rückschritt in die Gedankengänge des vorkonstitutionellen Staates" 141 . Rechtsdogmatisch war Löwenthals Einwand, Jerusalem irre damit, „daß ein gerichtlicher, auch staatsgerichtlicher Streit nur über subjektive Rechte möglich sei" 1 4 2 . Fiktive Justizförmigkeiten implizierten nicht subjektive Rechte. Duktus in Schmitts Ausführungen ist die Restringierung gerichtsförmiger Kompetenzstreitigkeiten über die Verneinung des subjektiven Rechts 143 ; Löwenthals Absicht ist ihre juristische Hegung: „Verfassungsstreitigkeiten sind . . . Streitigkeiten derjenigen Stellen, denen die Verfassung Zuständigkeiten zur Teilnahme an der obersten Willensbildung des Staates zugewiesen hat, über die ihnen hierbei nach der Verfassung zustehenden Befugnisse. Verfassungsstreitigkeiten sind darum immer Zuständigkeitskonflikte, niemals Streit über subjektive Rechte." 1 4 4 Dennoch war die Verfas133
Jerusalem, ebd. Jerusalem, ebd. S. 52. 135 Jerusalem, ebd. 136 Jerusalem, ebd. S. 53 macht die Verteidigungsfähigkeit zum Kriterium für subjektive Rechte der Organe und fährt fort: „Das ist aber durch die Einsetzung der StG. der Fall. Indem diese verfassungsmäßig über Streitigkeiten zwischen Organen wegen ihrer Kompetenz entscheidet, hat die RV. die Betätigung der staatlichen Organe insoweit als Gegenstand subjektiver Rechte anerkannt, als jene die Befugnis haben, ihre Kompetenzen gegenüber anderen Organen durch entsprechende Anträge bei der StG. zu verteidigen." 1 37 Löwenthal, RuPrVBl. 1930, S. 748. 138 Schmitt, Der Hüter der Verfassung, S. 68. 139 Schmitt, ebd. S. 70. 140 Löwenthal, RuPrVBl. 1930, S. 748. 141 Löwenthal, ebd. 142 Löwenthal, ebd. 143 Vgl. Schmitt, Der Hüter der Verfassung, S. 68 ff. 1 44 Löwenthal, RuPrVBl. 1929, S. 526. 134
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
sungsstreitigkeit bei Löwenthal ein Streit um „Rechte", aber nicht um solche, „die gegen die Staatsgewalt geltend gemacht werden" 145 und für ihn subjektive Rechte katexochen darstellten, sondern um „Recht(e) an der Staatsgewalt" 1 4 6 . In dieser Konstruktion, also ohne Aufsplittung und Konfrontation einheitlich begriffener Staatsgewalt, war anscheinend auch Löwenthals staatstheoretisches Bedenken gegen Kompetenzstreitigkeiten ausgeräumt. Rechte an dem Monolith schienen Löwenthal wohl nicht jene „außerordentliche Gefahr" 147 einer Dissoziation der Staatsperson zu bergen, aus der sich die Kritik an Jerusalem genährt hatte. Die Abkoppelung der Klagbarkeit von Organrechten von deren subjektivrechtlichem Gehalt entschärft den darum geführten Streit. In der Sache wird das gleichbehandelt oder einer Gleichbehandlung eröffnet, was die Terminologie scheidet. „Die staatsorganschaftliche Zuständigkeit steht dem subjektiven Rechte hier gleich" 1 4 8 , für die eigene und dem Staat gegenüber verselbständigte Rechtspersönlichkeit der Organe genüge es, daß „das Verfassungsrecht die Aufgaben der inneren Staatswillensbildung unter mehrere Organe verteilt, ihnen einen selbständigen Bereich zuweist oder ihr Zusammenspiel mit anderen ordnet" 1 4 9 . Auch Thoma hat es genügt, von „,Teilpersonen 4 oder ,Organpersönlichkeiten' oder innerkörperschaftliche(n) Rechtsubjekte(n) oder wie sonst man sie nennen w i l l " 1 5 0 zu handeln. Wichtig ist ihm nur die Einsicht in die Relativität aller Rechtspersönlichkeit, die mit „dem Blick (auf) die Vielheit der mit abgegrenzten Kompetenzen . . . ausgestatteten Staatsorgane" den Blick auf „Träger von Rechten und Pflichten und also ,Personen', wiewohl gewiß . . . nicht ,Vollpersonen'" 151 freigebe. Staatstheoretisch ist die darin ausgedrückte „Pluralisierung der Staatsperson durch Verteilung von Kompetenzen an mehrere" 152 für Thoma kein Problem, sondern im Gegenteil praktisch „unvermeidlich" und ein Essential des „gewaltenteilenden Verfassungsstaat ( e s ) " 1 5 3 . Trotz der Personhaftigkeit der Staatsorgane wird bei Thoma die graduierbare Pluralisierung im Staatsinneren in Abhängigkeit von der jeweiligen Rechtsordnung gedacht. Als „klagbare subjektive öffentliche Rechte (im strengen Sinne des Begriffes)" 154 seien die Rechtsbefugnisse der Organpersonen in der Regel nicht ausgestaltet, aber diese Ausgestaltung 145
Löwenthal, ebd. Löwenthal, ebd. 147 Löwenthal, RuPrVBl. 1930, S. 748. 148 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 19, Anm. 7. 149 Friesenhahn, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Zweiter Band, S. 525. 150 Thoma, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Zweiter Band, S. 610. 151 Thoma, ebd. 152 Thoma, ebd. S. 612. 1 53 Thoma, ebd. 1 54 Thoma, ebd. S. 614. 146
3.1. Begriff und Voraussetzungen subjektiver öffentlicher R e c h t e 1 2 3
bleibt der Rechtsordnung bei Thoma unbenommen. Organrechte stoßen bei Thoma nicht deswegen auf Bedenken, weil sie Rechte „gegen eine Körperschaft aus einer von ihr selbst erlassenen und durch sie selbst aufhebbaren . . . Rechtsnorm" seien „und sowohl durch diese Körperschaft (vertreten durch die eine Behörde) verletzt, als auch durch diese selbe Körperschaft (vertreten durch andere Behörden, z.B. durch ein Gericht und eine vollstreckende Zentralbehörde) geschützt werden" 155 könnten; „reichsbehördlich geschützte Rechte gegen das Reich und landesrechtliche, landesbehördlich geschützte Rechte gegen das Land solle es geben können" 1 5 6 . In den Gedanken der Staatsperson legt Thoma nicht den Gedanken der Impermeabilität dieser Person, sondern denkt diesselbe als einer innerkörperschaftlichen Differenzierung rechtlicher Art zugänglich. Terminologische Erwägungen waren auch für Wolff und seine Konstruktion bestimmend. Das Organ als Person anzussprechen, vermied Wolff in seiner „Theorie der Vertretung", dem zweiten Band seiner „Organschaft und Juristische Person", weil die Ansprache mit der Gefahr von Mißverständnis einhergehe und der Personbegriff seine Unterscheidungskraft einbüßen würde. 1 5 7 Gedacht ist an die Verwechslung mit Subjekten, denen bereits vor der Allgemeinen Rechtsordnung und nicht nur in bezug auf Organisationsrechtssätze Persönlichkeit zukommt. Aber „daß von ,Rechtspersonen 4 nur relativ bestimmter Normen die Rede sein kann" 1 5 8 , konzediert Wolff, wie er auch bestimmten in den Staat eingegliederten Institutionen, z.B. Selbstverwaltungsverbänden und rechtsfähigen Anstalten, genannt Glieder, einige Rechtsfähigkeit und „das Recht auf ihre eigene Zuständigkeit" 159 zuerkennt. Anders als bei den Gliedern liege es bei den übrigen Organen: „Träger oder vielmehr Titulär der Kompetenz ist . . . die Juristische Person selbst. Das Organ ist es relativ der Allgemeinen Rechtsordnung nur dann, wenn es als ,Glied 4 relativ verselbständigt ist. Sonst sind die Kompetenzen auf das Organ ausschließlich vorläufig (zu ihrer Wahrnehmung) bezogen." 160 Kompetenzstreitigkeiten sind daher bei Wolff keine Streitigkeiten um subjektive Rechte, „sondern um die im Rechtssicherheitsinteresse gebotene Klärung einer Meinungsverschiedenheit über objektives Recht. 4416 1 In Wolffs Konstruktion stehen die Kompetenzen also endgültig der Juristischen Person und nur transitorisch den Organen zu, wie auch dem Vertretenen und nicht dem Vertreter das Recht aus dem Vertretungsgeschäft und das 155
Thoma, ebd. S. 610. Thoma, ebd. 157 Wolff ; Organschaft und Juristische Person, Band 2, S. 247 ff. iss Wolff. ; ebd. S. 249. 159 Wolff, ebd. S. 252. 160 Wolff, ebd. S. 275. 161 Wolff, ebd. S. 276. 156
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
Recht, in dem er vertreten wird, zusteht. Wie aber der Vertretene seinen Vertreter und nicht sich selbst ermächtigt und verpflichtet, so gibt es bei Wolff „organisatorische Berechtigungen und Verpflichtungen" 162 , die auf das Organ und nicht auf die Juristische Person bezogen sind. Die Berechtigungen und Verpflichtungen der Organe gegeneinander würden sich gegenseitig aufheben, ließe man sie in der Juristischen Person koinzidieren. 163 Also gibt es auch bei Wolff neben den Kompetenzen stehende „,relative subjektive Rechte und Pflichten 4 der Organe 44164 , die diese, wo es die Rechtsordnung vorsehe, auch gegenüber anderen Organen verteidigen könnten. Woran Wolff hierbei gedacht hat, bleibt in seiner „Theorie der Vertretung 44 allerdings unklar, wird aber durch die Bezugnahme in seinem „Verwaltungsrecht 44 auf die einschlägige Passage der früheren Schrift erhellt. Der Vorgriff auf das spätere Werk ist statthaft, weil Wolff an seiner alten Lehre, zumindest dort, wo sie uns interessiert, festgehalten hat. So ist es dabei geblieben, daß „organisationsrechtliche Wahrnehmungszuständigkeiten . . . keine subjektiven Rechte in materiellrechtlichem oder prozessualem Sinne 44165 abgeben. Sie seien transitorisch und daher nicht auf den Schutz eigener Interessen der Organe angelegt. Selbst wenn transitorische Wahrnehmungszuständigkeiten prozessual durch ihre Subjekte verteidigt werden könnten, weil „die verfassungsrechtliche Hemmung und Balancierung der Organe und Organteile . . . untereinander die Wahrung der ZuständigkeitsVerteilung 44166 gebiete, so bestünden sie doch nur im Interesse der Organisation, für die sie ausgeübt würden. In diesen Fällen einer im Innenbereich zu gewährleistenden „Funktions- (und Macht-) Verteilung 4 4 1 6 7 durch Wahrung einer ausschließlich verstandenen Kompetenzzuweisungsordnung spricht Wolff in seinem „Verwaltungsrecht 44 von „intrapersonal e ( n ) subjektive(n) Quasi-Rechte(n) 4 4 1 6 8 der Kontrastorgane und beruft sich auf die unklar gebliebene Passage seiner Weimarer Schrift. Pointe der „Berechtigungen und Verpflichtungen der Organe gegeneinander 44169 ist demnach die treuhänderische Verteidigung einer gewaltenteiligen Ordnung, deren Aufrechterhaltung nicht im Interesse der Organe, sondern um der Gesamtordnung willen, den Organen in die Hände gelegt ist. Verteidigungsfähigkeit können die Organe aber nur erlangen, wenn Rechtssätze sie ihnen verleiht. Dafür braucht es neben einer verfahrensrechtlichen Apparatur der „organisatorischen Berechtigungen und Verpflichtungen" als Verfahrensgegenstand. 170 162 Wolff, ebd. S. 279. 163 Vgl. Wolff, ebd. 164 Wolff i ebd. 165 Wolff! Bachof\ Verwaltungsrecht I I , § 72 Id5 (S. 17). 166 Wolff! Bachof\ ebd. ι 6 7 Wolff! Bachof, Verwaltungsrecht I, § 24 l i d i (S. 118). 168 Wolff! Bachof, ebd. ι 6 9 Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 2, S. 279. 170 Vgl. auch Wolff! Bachof, Verwaltungsrecht I I , § 72 IVc3 (S. 27).
3.1. Begriff und Voraussetzungen subjektiver öffentlicher Rechte
Die Berechtigungen sind nicht Ausdruck individuellen Interessenschutzes ihrer Träger, sondern reines Mittel der Rechtstechnik. Ebenfalls aus technischen Gründen bindet Wolff die organisatorischen Berechtigungen nicht an die Juristische Person zurück. Seine Vorstellung war, was in der Juristischen Person zusammenfalle, könne auf Organebene nicht die Kraft zu gewaltenteilender Konfrontation entfalten. Resümee: Abgesehen von der mehr rechtspolitisch motivierten 171 , mehr staatstheoretisch als staatsrechtlich ausgewiesenen Position Carl Schmitts hat das verteidigungsfähige Recht des Organs auf Wahrung seiner Kompetenz Anhänger gefunden. Die alte Streitfrage nach der subjektivrechtlichen Qualität der Kompetenzrechte ist meistenteils und offen auf den Rang terminologischer Abklärung relegiert worden.
3.1.3. Stand der Forschung und Kriterienauswahl Wissenschaft erreicht ihren Forschungsstand nicht immer durch kopernikanische Wenden. Auf eine solche hat auch die Nachkriegswissenschaft im Öffentlichen Recht für das Problem des subjektiven öffentlichen Rechts und darunter des Rechts der Organe auf Achtung ihrer Kompetenzsphäre verzichten müssen. Dazu hat allein die personelle Kontinuität, hier schon gezeigt an Bühler, Kelsen und Wolff, das ihre getan. Das heißt nicht, daß die Qualität der Überlieferung oder ihre Rezeption und Resonanz im neueren Schrifttum zu beanstanden wären. Und gerade wenn schon Forschung der Problemlösung nahe auf der Spur ist, sind kopernikanische Wenden nicht zu erwarten und subtile Ziselierarbeiten an Begriffen und Systematik nützlicher. So hat auch die neuere Lehre 1 7 2 die Fäden der alten aufgenommen und in den Bereichen akribisch ausgeflochten, in denen die alte Lehre zu grob und undicht geblieben war. Mit Bachofs „Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht" 1 7 3 hat die bundesrepublikanische Beschäftigung ihren Einstieg gefunden und ihren klassischen Text erhalten. Bachof seinerseits hat die Begriffsbestimmung des subjektiven öffentlichen Rechts durch Bühler „mit gewissen 171 So auch die Einschätzung der Position Schmitts durch Wolff, Organschaft und juristische Person, Band 2, S. 279, Fn. 2. 172 Vgl. zur neueren Lehre zum subjektiven Recht neben den unten genannten Krebs, FS C.-F. Menger, S. 191 ff.; Larenz, FS J. Sontis, S. 129 ff.; Pietzcker, FS O. Bachof, S. 138 ff.; Rödig, Einführung in eine analytische Rechtslehre, S. 97 ff.; Ruiter, Rechtstheorie Bd. 17 (1986), S. 478 ff.; Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, S. 10 ff., 60ff. u. 144 ff.; J. Schmidt, Rechtstheorie Bd. 10 (1979), S. 71 ff.; Κ Schmidt, Kartellverfahrensrecht - Kartellverwaltungsrecht - Bürgerliches Recht, S. 311 ff.; Schwabe, D Ö V 1973, 623; Zuleeg, DVB1 1976, S. 509 ff. 173 Bachof, Gedächtnisschrift für Walter Jellinek, S. 287 ff., zit. nach Bachof, Wege zum Rechtsstaat, S. 127 ff.
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
Modifikationen auch heute noch für maßgeblich" 174 erklärt und entsprechend seine Abhandlung an den drei Bühlerschen Kriterien, d.h. dem Erfordernis eines zwingenden Rechtssatzes, der Individualinteressen schützt und auf den sich der objektivrechtlich Begünstigte berufen kann, ausgerichtet. Er hat das Erfordernis des zwingenden Rechtssatzes konkretisiert und dabei erstens die Einbeziehung von Verwaltungsvorschriften vorsichtig erwogen, zweitens auf die Lockerungen der Verwaltungsbindung durch unbestimmte Rechtsbegriffe hingewiesen und drittens den Grad der Lockerung und damit den Mangel an zwingender Natur eines Rechtssatzes von der jeweiligen Reichweite der Ermessenseinräumung abhängig gemacht. 175 Für die Voraussetzung des Interessenschutzes hat er den Schutz von Individualinteressen in Gemengelagen mit dem von Gemeininteressen genügen lassen und die Zahl der einbezogenen Interessenten unerheblich genannt. 176 Sich auf einen Rechtssatz berufen können, wird als „,Rechtsmacht' zur Durchsetzung seines Interesses" 177 ausgewiesen, wird aber von der Klagemöglichkeit getrennt, da Art. 19 Abs. 4 GG diese gerade vom Vorliegen eines „Rechtes" abhängig gemacht habe. 178 Schlüsse aus Art. 19 Abs. 4 GG auf subjektive Rechte führten folglich zu einer petitio principii. „Da die gerichtliche Verfolgbarkeit kein Wesensmerkmal des subjektiven Rechts ist, so bedeutet ihr Ausschluß auch nicht notwendig die Verneinung eines solchen Rechts" 179 und es „könnte trotz bestehender Klagemöglichkeit ein subjektives Recht verneint werden, wo der Klageberechtigte kein Eigeninteresse wahrnimmt, sondern - ζ. B. im Wege einer Popularklage - sich zum Sachwalter fremder Interessen . . . aufzuwerfen ermächtigt ist" 1 8 0 . Klagbarkeit ist also hinreichende, aber nicht notwendige Bedingung für das Rechtsmachtkriterium, aber weder hinreichende noch notwendige Bedingung für das subjektive Recht. Das Rechtsmachtkriterium füllt sich für Bachof „aus der Gesamtkonzeption des GG mit seinem Bekenntnis zum Primat der menschlichen Persönlichkeit und der menschlichen Freiheit, zu ihrem Vorrang vor den Staatsinteressen, mit seiner Sozialstaatserklärung, sowie schließlich mit seiner Tendenz einer durchgängigen Beschränkung und Kontrolle staatlicher Machtäußerung" 181 und erlaubt so „einen Rechtsschutz aller bislang nur objektivrechtlich geschützten Individualinteressen" 182 . Für „Klagbarkeit genügt... die Geltendmachung eines objektivrechtlich geschützten Interesses, einer von der Rechtsordnung gewährten und gewollten Begünstigung, denn solche geschütz174
Bachof ebd. S. 134. 175 Vgl. Bachof, ebd. S. 135 f. 176 Vgl. Bachof, ebd. S. 137 f. 177 Bachof, ebd. S. 139. 178 Vgl. Bachof, ebd. S. 140 f. ι79 Bachof, ebd. S. 144. 180 Bachof, ebd. S. 141. 181 Bachof, ebd. 182 Bachof, ebd.
3.1. Begriff und Voraussetzungen subjektiver öffentlicher Rechte
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ten Interessen bzw. gewollten Begünstigungen sind heute von Verfassungswegen ,subjektive Rechte'." 1 8 3 Im Staatsinnern läßt Bachof subjektive Rechtspositionen solcher juristischer Personen des öffentlichen Rechts problemlos gelten, die Verlängerungen von Positionen der ihnen inkorporierten Einzelnen sind. 1 8 4 Ansonsten könnten Verwaltungsbereiche als juristische Personen verselbständigt werden, „ohne daß ihnen jedoch wesensmäßig eine Eigenständigkeit im Sinne eines ,Gegenüberstehens' gegenüber der Staatsgewalt zukommt . . . Hier scheint es mir möglich zu sein - weil es die grundgesetzliche Konzeption des Verhältnisses von Mensch und Staat garnicht berührt - , daß solchen rechtstechnisch verselbständigten Verwaltungsbereichen zwar objektivrechtliche Begünstigungen gewährt werden, daß ihnen aber ein Recht auf Einhaltung derselben vorenthalten wird." 1 8 5 Daß diese Überlegung a fortiori für die Staatsorgane und ihre objektivrechtlich bestimmte Kompetenzsphäre gilt, zeigt die von Bachof mitgetragene und schon referierte Sicht weise im Wolff/ Bachofschen „Verwaltungsrecht". 186 Bachofs Lehre vom subjektiven Recht ist in zwei Schritten gefunden worden: In einem ersten hat er sich für eine Theorie entschieden, die bestimmte Eigenschaften von Rechtsnormen verlangt, wollen sie subjektivrechtliche sein. In einem zweiten hat er aufbauend auf dem ersten und damit ausgehend von der rechtsformalen Bestimmung die geforderten Kriterien in einer konkreten Rechtsordnung gesucht und anhand ihrer und für sie bestimmt, wann subjektive öffentliche Rechte, einschließlich derer staatlicher Teilverbände, vorliegen. Was Bachof verbindet, findet sich der Tendenz nach im weiten Feld der ihm nachfolgenden Autoren getrennt: Die einen bemühen sich auf normtheoretischer Ebene um einen Begriff des subjektiven und darunter des subjektiven öffentlichen Rechts, der Geltung für alle möglichen Rechtsordnungen beanspruchen kann, andere verlagern sich darauf, meist gestützt auf das gängige Theorierepertoire, konkrete Aussagen über subjektiv öffentliche Rechte in der geltenden bundesrepublikanischen Rechtsordnung zu treffen. Abseits stehen rechtssoziologische Ansätze einer Begriffsbestimmung. 187 Im folgenden werden daher nur der rechtsinhaltliche, also für eine bestimmte Rechtsordnung arbeitende und der normtheoretische oder rechtsformale 183
Bachof; ebd. S. 142. 184 Bachof ebd. S. 147. iss Bachof ebd. S. 148. 186 Vgl. Kapitel 3.1.2. ι 8 7 Rechtssoziologische Ansätze einer Bestimmung des subjektiven Rechts liefern u. a. Luhmann, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Band 1,1970, S. 321 ff.; / . Schmidt, ebd., S. 299 ff. und Preuss, Die Internalisierung des Subjekts. Diese Ansätze und ihre Begriffe (z.B. Reziprozität und Internalisierung) lassen sich nicht unmittelbar rechtsdogmatisch oder normtheoretisch nutzen. Sehr streng Neumann, Der Staat, Bd. 21 (1982), S. 571 gegen Preuss: „Dogmatik tut not!"
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
Ansatz vorgestellt. Dabei ist zu untersuchen, inwieweit die Ansätze, was die Wahl der einschlägigen Kriterien angeht, in einem Ausschließungs- und inwieweit sie in einem Ergänzungsverhältnis stehen. Was sich nach diesem Durchgang an Kriterien für subjektive Rechte nennen läßt, wird dann in die Diskussion um die subjektiven Rechte der Organe auf Achtung ihrer Kompetenzsphäre eingeführt. Die rechtsinhaltliche Beschäftigung mit dem subjektiven öffentlichen Recht, also mit dem am Öffentlichen Recht „quod nostrum est" 1 8 8 , hat mehrere Möglichkeiten anzusetzen: praktisch bei jeder Norm, die in irgendeiner Weise auf subjektive Rechte rekurriert oder Anforderungen eines schon gebildeten Begriffs von subjektivem Recht ganz oder teilweise erfüllt. Solche Normen sind in der unsrigen Rechtsordnung etwa Art. 19 Abs. 4 GG und § 42 VwGO, die Klagbarkeit bzw. Voraussetzungen für Klagbarkeit für Rechtspositionen herstellen, die sich schon zuvor als subjektivrechtliche haben ausweisen müssen. Es läßt sich in dieser Situation ein „großer" Begriff des subjektiven Rechts bilden, der die Rechtsmachtverleihung qua Rechtsschutzbewehrung in Normen dieser Art als constituens mit hereinnimmt, und ein auf den Kontext dieser Normen beschränkter „kleiner" Begriff, der ausspricht, was subjektives Recht im Tatbestand der jeweiligen Rechtsnorm meint. Zirkulär wäre es nur, den „kleinen" Begriff nach der gleichen Manier wie den „großen", also unter Verwendung der Rechtsmachtverleihung durch die besagte Art von Normen, zu bestimmen. Will der „kleine" Begriff auch auf Rechtsmacht aufbauen, muß er sie gesondert suchen. Weil Rechtsmacht außerhalb des Gerichtsschutzes eine erheblich niedere Rechtsbewehrungseffiziens aufweist und weil es merkwürdig wäre, für eine Norm, die Rechtsmacht durch Rechtsbewehrung verleiht, eine schon durch Rechtsmacht bzw. Rechtsbewehrung ausgezeichnete Position zu verlangen, ist dieser Weg nur schwer gangbar. Daher hat die herrschende Lehre das Rechtsmachtkriterium beim kleinen Begriff abgewertet und sich vorwiegend an anders gelagterten Kriterien orientiert. Anhand dieser Kriterien wird in der Regel abgemessen, ob eine Rechtsposition vorliegt, die Rechtsschutz durch Rechtsmachtverleihung verdient. So findet sich bei Henke ein Begriff von Rechtsstaat, der dem einzelnen, „dessen Angelegenheiten in einem Gesetz mit den öffentlichen Angelegenheiten zum Ausgleich und zur höheren Einheit gebracht worden sind, und den darum das Gesetz betrifft, und dessen Angelegenheiten ferner durch ein Verhalten der Verwaltung, das dieses Gesetz verletzt, betroffen werden" 1 8 9 , Schutz zukommen läßt. Er erhält bei Henke ein (kleines) subjektives öffentliches Recht und dieses eröffnet ihm dann den Rechtsweg. 190 Bei anderen Auto188
Donellus, zit. nach Henke, Das subjektive öffentliche Recht, S. 4. Henke, ebd. S. 60. Vgl. auch ders., Festschrift für Werner Weber, S. 495 ff., D Ö V 1980, S. 621 ff. und 1984, S. 1 f. 1 90 Vgl. Henke, ebd. 189
3.1. Begriff und Voraussetzungen subj ektiver öffentlicher Rechte
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ren ist es die „insbesondere an Art. 1 GG und den materiellen Grundrechten evident werdende Aufwertung des Bürgers vom passiven Objekt staatlichen Handelns zum aktiven Subjekt", die grundsätzlich „dort, wo das objektive Recht die Interessen von Personen schützt . . . diesen hiermit zugleich eine Rechtsmacht zur Verteidigung dieser Interessen einräumt, d.h. eine subjektive Rechtsstellung" 191 zuweist. Die angesprochene Rechtsmachteinräumung erfolgt durch Verleihung eines kleinen subjektiven Rechts, d.h. durch Eröffnung von Gerichtsschutz, weil die entsprechenden Sachurteilsvoraussetzungen, etwa Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, als erfüllt betrachtet werden. Diesen Ansätzen und der von der Ebene des einfachen Rechts her bekannten Schutznormtheorie 192 geht es um die Ermittlung von juristischen Zuweisungsgehalten. Deren Aufspürung gestaltet sich als Auslegungsproblem und damit im Einzelfall schwierig und oftmals nur mit der Chance zur vagen Lösung. Ist ein entsprechender Zuweisungsgehalt aber diagnostiziert, ist er Anknüpfungspunkt für die Rechtsmachtzuweisung über Prozeßrechtsnormen bzw. Art. 19 Abs. 4 GG. Damit stellt sich im gegebenen Rechtssystem das volle subjektive Recht dann her, wenn rechtsschutzunabhängig, für Rechtsschutz qualifizierte Positionen aufgewiesen sind. Wegen der automatischen Komplettierung kleiner subjektiver Rechte zu großen mag es für die Arbeit im Rechtssystem und mit seinen Begriffen zweckmäßiger sein, den kleineren Begriff als den genaueren Ort des rechtsinhaltlichen Problems für den rechtstechnisch maßgeblichen zu halten. Diese Aussage kann aber nur für eine Rechtspraxis und ihre Technik, nicht aber für rechtstheoretische Distinktionen gelten. Der normtheoretische Ansatz versucht das subjektive Recht rein normativ zu erfassen; ihn beschäftigt „die Frage, welches die rechtsformale, d.h. normative Struktur des Sachverhalts ist, wenn eine wie auch immer beschaffene Rechtsordnung ein wie auch immer beschaffenes subjektives Recht verleiht" 1 9 3 . Es wird nicht nach Rechtsinhalten, Gerechtigkeit oder danach gefragt, warum eine Rechtsordnung subjektive Rechte verleiht und welche konkrete Funktion sie ihnen gibt, sondern wie überhaupt in einer reinen Normenordnung es möglich sein kann, subjektive Rechte zu installieren. Was subjektive Rechte sind, kann nur im Rückgang auf den selbst als nicht hintergehbar hingestellten Normbegriff herausgefunden werden. Subjektive Rechte könnten nichts anderes als Produkte objektivrechtlicher Normen sein, könn191
Für andere Schenke, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 19 Abs. 4, Randnr. 288 m.w.Nw. 192 Vgl. zu ihr Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, S. 140 ff., Ramsauer, VerwArch. Bd. 72 (1981), S. 89 ff. und ders., AöR Bd. 111 (1986), S. 509 ff. 193 Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, S. 2. 9 Pauly
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
ten nur auf deren besonderen Erscheinungsformen oder Verknüpfungen beruhen. 1 9 4 Zwei Modelle seinen vorgestellt. Bei Kelsen wurde das subjektive Recht als Konglomerat einer objektiven begünstigenden Norm und einer objektivrechtlichen Klagemachtverleihung erklärt. 195 Dem ist Aicher gefolgt und hat das subjektive Recht zusammengebaut aus einem Reflexrecht des objektiven Verhaltensrechts, sprich Gebotsund Verbotsrecht, und einer Klageermächtigung aufgrund einer an die Staatsorgane adressierten Norm, dann zu verurteilen, wenn ein Subjekt Gebote nicht erfüllt oder Verbote verletzt und ein Klageberechtigter Klage erhoben hat. 1 9 6 Abgerückt von Klageverfahren und -ermächtigungen hat Bucher seine Begriffsbestimmung geleistet. Auch ausgehend von einer objektivrechtlichen Verhaltensordnung 197 hat er einen Stufenbau von übergeordneten generellabstrakten und untergeordneten individuell-konkreten Normen konstruiert, in dem die Pflichtsubjekte durch die generell-abstrakten Normen nur potentiell, durch die individuell-konkreten Normen direkt verpflichtet werden. 198 Individuell-konkrete Normen im Rahmen der generell-abstrakten Normen zu setzen, bedürfe aber einer Ermächtigung, solle die individuell-konkrete Norm in das Rechtssystem eingebunden sein. 199 Diese Macht werde durch Kompetenznormen als Normsetzungsbefugnis an Berechtigte delegiert. 200 Das subjektive Recht ist nun die einem Rechtssubjekt vom objektiven Recht verliehene Befugnis zur Setzung konkret-individueller Rechtsnormen in einem durch die abstrakt-generelle Rechtsnormenordnung definierten Umfange. 201 Diese Rechtssetzung heißt bei Bucher Anspruchserhebung. 202 Demgegenüber sekundär ist die Durchsetzung der einmal gesetzten individuell-konkreten Norm in einem staatlichen Verfahren. Sie gehört nicht zum Begriff des subjektiven Recht. 203 Obwohl Bucher die subjektiven Rechte anders als Kelsen und Aicher vom Klageverfahren ablöst, ist den Ansätzen gemeinsam, daß sie mit Kompetenzzuweisungen an die Berechtigten arbeiten: Das eine Mal die zur Normsetzung, das andere Mal bei schon unterstellter direkter Pflichtnorm die zur Klageerhebung. Das ist in beiden Fällen nichts anderes als das alte Rechtsmachtkrite194
Das hat zuletzt Scherzberg, DVB1 1988, S. 130 klargestellt. Vgl. Kapitel 3.1.1. 196 Aicher, Das Eigentum als subjektives Recht, S. 55 f. 197 Vgl. Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, S. 14. 198 Vgl. Bucher, ebd. S. 49, 61 ff. i " Vgl. Bucher, ebd. S. 46 ff. 200 Vgl. Bucher, ebd. S. 48. 201 Vgl. Bucher, ebd. S. 191. 202 Vgl. Bucher, ebd. S. 67. 203 Vgl. Bucher, ebd. S. 80 ff., 110 ff. u. 190. 195
3.1. Begriff und Voraussetzungen subjektiver öffentlicher Rechte
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rium. Der Unterschied ist nur, daß sich die Rechtmacht das eine Mal auf die primäre Rechtspflichtenordnung erstreckt und das andere Mal auf das staatliche Sanktionenverfahren gerichtet ist. Entsprechend unterschiedlich sieht auch der Zuweisungsgehalt der objektiven Kompetenzrechtssätze aus. Dabei gehen die rechtsinhaltlich möglichen Begriffe des subjektiven Rechts voll in den normtheoretisch denkbaren auf. Die rechtsinhaltliche Beschäftigung sucht nach den Kompetenzzuweisungen in der Rechtsordnung, die von normtheoretischen Ansätzen der einen oder anderen Richtung erklärt werden können. Wo es Klagbarkeit ist, muß Klagbarkeit für Rechtspositionen in der Rechtsordnung aufgewiesen werden können. Wo auf Klagbarkeit verzichtet wird und andere Arten von Zuweisungsgehalt erwogen werden, sind diese Gegenstand rechtsinhaltlicher Suche. Ein abschließendes Urteil über mögliche Zuweisungsgehalte objektiver Rechtssätze an Subjekte kann hier nicht gegeben werden. Welches Maß an Zuweisung genügt, ist eine Sache entweder von allgemeiner rechtswissenschaftlicher Konvention oder von Einzelrechtsdogmatiken. Wo es aber um die Verteidigungsfähigkeit von Rechten in ausgestalteten Klageverfahren geht, die als Sachurteilsvoraussetzungen schon fertige subjektivrechtliche Positionen oder zumindest die Möglichkeit ihrer Existenz verlangen, da ist das Klagbarkeitskriterium Folge und nicht Grund der Qualifikation als subjektives Recht. Aus sich heraus, zunächst ohne den Gedanken der Klagbarkeit, müssen die Positionen erst das Prädikat verdienen, über das sie Klagbarkeit gewinnen. Was aber ist das Kriterium für die subjektivrechtliche Qualifikation? Welcher Zuweisungsgehalte braucht es? Wenn nur der soll klagen können, der ein eigenes Recht aufweisen kann, dann wird ein schon fertiges, klageunabhäniges Recht mit Klagbarkeit belegt. Dennoch fragt eine folgenorientierte 204 , funktionale und teleologische Auslegung einer entsprechenden Klagbarkeitsvorschrift, wie etwa der des § 42 Abs. 2 VwGO, danach, ob bestimmte Rechtspositionen über die Prädizierung als subjektives Recht klagbar gemacht werden sollen. Also koppelt sich im Wege der Auslegung der Sachurteilsvoraussetzung die Klagbarkeit im Gewände der Klagewürdigkeitserwägung zurück. Die Frage nach der Klagewürdigkeit zu bejahen oder zu verneinen, ist eine Interpretationsfrage, solange die Rechtsordnung nicht explizit angibt, welche Rechtspositionen es verdienen, verteidigt zu werden. Bei den Grundrechten und manchen Normen des einfachen Rechts ist diese Interpretationsfrage positiv beantwortet und die Antwort unstreitig. So sind Grundrechte denn auch subjektive Rechte par excellence. 205 In allen anderen Fällen ist die Interpretation der Rechtssätze, die die Rechtspositionen des all204 Ygi z u r juristischen Folgenerwägung und zu ihrem methodischen Wert LübbeWolff, Rechtsfolgen und Realfolgen, S. 9 ff.; Schlink, Der Staat Bd. 19 (1980), S. 103 ff. und Koch / Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 227 ff. 205 So zurecht Pietzcker, Jus 1982, S. 109. 9"
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fällig Berechtigten beschreiben, unumgänglich und hat im Blick auf die Rechtsfolge der Klagbarkeit zu erfolgen. Interesse und Zweck können als zu vage Begriffe nur Orientierungen geben, werden die Rechtsstellungen auf Zuweisungsgehalte abgeklopft. Hier kann Rechtswissenschaft nicht exakter werden. Der Mangel an Exaktheit und die nur grobe Orientierung an Interessen, Zwecken, Zuweisungsgehalten und Klagewürdigkeit, allfällig eingebettet in Ordnungsmodelle wie das eines gewaltenteiligen Systems, schleppt sich in die Diskussion der subjektiven Organrechte auf Achtung ihrer Kompetenzsphäre fort. Rechtsschutzverfahren bestehen, ob nun für den Organstreit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG oder im Verwaltungsstreitverfahren gemäß §§40 ff. VwGO. Immer sind aber schon streitfähige subjektive Rechtspositionen vorausgesetzt. Der dogmengeschichtliche Abriß hatte zeigen können, daß die Rechtstradition der Anerkennung des Streits der Organe um ihre Kompetenzen eher zugeneigt als abgeneigt ist. Darüber, ob der Streit ein Streit um subjektive Rechte zu nennen ist, war man indessen stets uneins. Das Bundesverfassungsgericht hat früh in diesem Streit votiert. Ihm, dem Rechte im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG immer eigene Rechte, wenn auch nicht subjektiven Privatrechten vergleichbare Rechte waren, 206 hat den „Streit um Kompetenzen" im Verfassungsbereich - Triepel zitierend - einen „Streit um geltend gemachtes und bestrittenes Recht" 2 0 7 genannt. „Die materiell- und prozeßrechtliche Subjektivierung in eigene, dem Organ zur selbständigen Geltendmachung übertragene Rechte" 208 hat sich die Literatur mit dem Gedanken einer bereichsspezifischen normativen Eigenverantwortlichkeit der auf politische Spannungen hin angelegten Verfassungsorgane erklärt. Der Gedanke, Kompetenzen überhaupt dort, wo sie machtpolitische Ausbalancierungen enthalten, die auf gewaltenteilende Kontrastierungen angelegt sind, klagbar zu stellen und sie dazu den subjektiven Rechten gleichzustellen oder sie als solche anzuerkennen, ist heute herrschend. 209 Zwar ist der Sprach206 Vgl. BVerfGE 2, 143, (152); 207 BVerfG, ebd. S. 155. 208 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I I , S. 980. 209 Vgl. neben den unten genannten Bethge, Die Verwaltung, Bd. 8 (1975), S. 459 ff., ders., DVB1 1980, S. 309 ff. u. S. 824 f.; Erichsen, FS C.-F. Menger, S. 211 ff.; Krebs, Jura 1981, S. 569 ff.; Lorenz, AöR Bd. 93 (1968), S. 308 ff.; Löwer, VerwArch Bd. 68 (1977), S. 327 ff.; Papier, D Ö V 1980, S. 292; Schnapp, A ö R 105 (1980), S. 275 ff.; selbst Rupp, dem „subjektive Rechte des Organs gegenüber der Organismusperson oder gegenüber anderen Organen auf Ausübung der zugeteilten Organschaft . . . schlechterdings ausgeschlossen" (Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 99) sind, nennt es eine „ganz andere Frage, ob trotz dieser materiell-rechtlichen Situation gerichtliche . . . Streitigkeiten zwischen Organen ein und derselben Verbandsperson zur verbindlichen Klärung einer Organkompetenz denkbar sind" (ebd. S. 100); vgl. weiter Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 64 ff.
3.1. Begriff und Voraussetzungen subjektiver öffentlicher Rechte
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gebrauch zur Bezeichnung der Kriterien für das Vorliegen derartiger Organstellungen uneinheitlich, ist noch nicht einhellig anerkannt, daß der Begriff des subjektiven Rechts der angemesene210 ist und wird die Konstruktionsaufgabe im Detail noch verschiedenartig bewältigt. Einigkeit besteht darüber, daß im Normalfall den Organen kein Recht auf Achtung ihrer Kompetenzsphäre zusteht, sondern zur schlichten Kompetenzzuweisung weitere Kriterien hinzutreten müssen. 211 Ohne deren Existenz wird das Organ als reines Pflichtsubjekt, als zur Wahrnehmung der überwiesenen Aufgaben und Befugnisse aufgerufenes und nur im Außenrechtskreis dazu auch berechtigtes Subjekt gedacht. Auseinander gehen die Konstruktionen, ist zu bestimmen, wem der allfällig hinzutretende Zuweisungsgehalt in Kompetenzzuweisungsvorschriften zufällt: dem Organ oder dem Organträger. Nach Kisker kann „die Rechtsordnung . . . Organe in eine Rolle einweisen, in der sie ihre Funktion gerade dadurch erfüllen, daß sie den von ihnen zu betreuenden Aspekt des Gesamtinteresses wie ein eigenes partikulares Interesse gegen die Beeinträchtigung durch andere Organe derselben Korporation verteidigen. In derartigen Fällen liegt es nahe, aus der Rollenzuweisung auch auf die Zuweisung der Befugnis zu rollenmäßiger Durchsetzung des quasi-eigenen Interesses, also auf deren Bewehrung mit subjektiven Rechten zu schließen." 212 Für die Gegenauffassung ist „die Rechtsstellung der Organe selbst nicht Nährboden für die Entwicklung subjektiver Rechte" 2 1 3 , weil am Primat der Pflichtsubjektivität festzuhalten und die Inadäquanz der Rede von partikularen Interessen und Interessenssphären im Organbereich deutlich sei. Vorgeschlagen wird die Verortung des Interessenmerkmals beim Organträger, der Juristischen Person. Das in seinem Funktionsbereich durch das Verhalten anderer Organe gestörte Organ verteidige das Interesse des Organträgers an „der Zusammenordnung der organschaftlichen Handlungen zu einem einheitlichen Wirkungszusammenhang" 214 und mache als Prozeßstandschafter aufgrund einer besonderen organisationsrechtlichen Wahrnehmungszuständigkeit „innerorganisatorische Erfüllungsund Störungsbeseitigungsansprüche der juristischen Person" 215 gegen die störenden Organe geltend. Aber woher kommt die Prozeßstandschaft und woher die besondere Wahrnehmungszuständigkeit? Sind sie dem Zuweisungsgehalt nach nicht exakt das, was bei Kisker Rolleneinweisung genannt wird? Aber 210
Vgl. z.B. Böckenförde, Festschrift für Hans Julius Wolff, S. 302 f. und Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 452. 211 So schon Goessl, Organstreitigkeiten innerhalb des Bundes, S. 54. 212 Kisker, Insichprozeß und Einheit der Verwaltung, S. 37; vgl. auch ders., Jus 1975, S. 704 ff. 213 Hoppe, NJW 1979, S. 1019; vgl. auch ders., Organstreitigkeiten vor den Verwaltungs- und Sozialgerichten, S. 171 ff. 2 4 * Hoppe, NJW 1979, S. 1019; vgl. auch S. 1021. 2 *5 Hoppe, ebd. S. 1019.
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
selbst wenn ja, taugen sie dazu, den Einwand zu umgehen, das Organ verfüge über eine eigene, normativ anerkannte Interessensphäre, in der es Freiheiten des Umgangs und der Entscheidung genieße, wie Privatpersonen im Rahmen des subjektiven Privatrechts. Es bleibt ein Bedenken. Organ ist ein relati ver,, auf Organträger, Organträger ein relativer, auf Organe bezogener Begriff. Organe können Träger niederer Organe und Organträger, Organe höherer Organträger sein. Diese Relativität deckt sich mit der des Begriffs der Juristischen Person und der Rechtsperson überhaupt. Personhaftigkeit kann Adressaten immer nur im Hinblick auf ausgewählte Normen zukommen, sei es, daß diese Normen explizit die Subjekte der in ihnen verliehenen Rechte und begründeten Pflichten nennen, sei es, daß Spezialrechtssätze die Subjektiqualität für ganze Klassen von Rechtssätzen erst herstellen, wie etwa § 1 BGB. Im Gesamtbereich der abgeleiteten, auf Delegation im Stufenbau der Rechtsordnung beruhenden, Staatsgewalt sind alle, auch herkömmlich als evidente Juristische Personen bekannte Stellen, dies nur relativ. Es gibt immer den dahinter stehenden Rechtsträger, der die Kompetenzen und Rechte ausgeschüttet hat und auf den, dessen Willen und dessen Interesse, Kompetenz- und Rechtsausübung seitens der Organe im Zurechnungszusammenhang letztlich zurückfällt. Daran ist nicht vorbeizukommen. Deswegen ist es aber noch nicht ausgeschlossen, daß die Rechtsordnung bzw. der für ihren Zusammenhalt gedachte Rechtsträger und Zurechnungsendpunkt aller untergeordneten Rechtsakte will und verfügt, daß gewisse abgeleitete Organe sich in der Wahl ihrer Entscheidungsinhalte, innerhalb von Rechtsgrenzen und unbeschadet der Zurechnung zum Träger, verselbständigen. Wer dann bei Verteidigung dieser Freiräume als Klagegegner, wer als Prozeßstandschafter und wer als Berechtigter im konkreten Verfahren fungiert, ist eine Frage prozeßrechtlicher Ausgestaltung. Aber ob die Rechtsordnung bei Zuweisung von Kompetenzräumen überhaupt solche Eigenständigkeiten an die Organe weitergibt, und ob sie das in der Form der Zuschreibung von klagbaren Organrechten tut, ist eine Frage ihrer Auslegung. Für diese Auslegung, für die Suche nach solchen Zuweisungsgehalten ist die Kontrastierung von Organen nur ein, allerdings ein nicht mehr bestrittenes Kriterium. 2 1 6 Sie ist es zurecht, wenn und weil Kontrastierung die Schaffung 216 Es handelt sich beim Kriterium der Kontrastierung um einen Auslegungstopos und um ein mögliches Auslegungsergebnis. Kontrastierung wird nicht anders als durch Rechtsverteilung bewirkt und besteht nach Maßgabe der Rechtsordnung. Das Maß der Kontrastierung ist durch Auslegung zu ermitteln. Dafür muß das Stichwort Kontrastierung aber bekannt sein. Kontrastierung hat rein phänomenologisch einen sachlichen Gehalt, auf den hin sich Normen befragen lassen können. Mit den konventionellen Auslegungsmethoden ist herauszufinden, ob und in welchem Maße Rechte an bestimmte Subjekte unter Ausgrenzung von und in Entgegensetzung zu anderen Subjekten verliehen sind. Kontrastierung bezeichnet dabei eine „scharfe" Form von Rechtszuweisung. Nicht mit- und füreinander, sondern gegeneinander und das Gegen-
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v o n Organkonstellationen bezeichnet, die durch die Eigenbestimmung der jeweiligen Organe i m Gesamtbild etwas spezifisch durch die Eigenbestimmtheit Bewirktes hervorbringen. Kontrastierung hat eine Pointe darin, dem einen etwas zu geben, was sie dem anderen vorenthält u n d arbeitet so m i t spezifischen Zuweisungsgehalten. 2 1 7 D a z u kann es gehören, Organe auf den gegenseitigen K o n f l i k t h i n anzulegen. Diese Auffassung hält sich für den Ansatz v o n B ö c k e n f ö r d e 2 1 8 dadurch offen, daß sie seinen Gedanken der organisatorischen Differenzierung durch Schaffung v o n „eigenständigen Handl u n g s s u b j e k t e n " 2 1 9 , die erst i m Konzert einen „einheitlichen Wirkungszusamm e n h a n g " 2 2 0 ergeben, integriert. O b den abgeleitete Staatsgewalt übenden L ä n d e r n ein entsprechender A k t i o n s r a u m durch das Grundgesetz zugewiesen ist, ist damit Auslegungsfrage. Diese Auslegung, i n erster L i n i e des A r t . 30 G G , hat ein sicheres K r i t e r i u m für Zuweisungsgehalte i n der allfälligen Kontrastierung v o n B u n d u n d Ländern i n einem M o d e l l vertikaler Gewaltenteilung.
über ausschließend soll die Rechtsausübung durch den Berechtigten erfolgen. Die damit gezeichneten juristischen Frontlinien haben nur dann einen bleibenden Wert, wenn sie verteidigt werden können. Dafür braucht es der subjektiven Rechte und darin liegt der Zusammenhang von Kontrastierung und subjektivem Recht. 217 Ob das Kriterium dazu führt, jede Zuständigkeitszuweisung zu versubjektivieren und erst über einen Katalog von Negativbedingungen Organrechte, etwa bei hierarchischer Vermittlung der Organe, auszuscheiden, kann für die Zwecke der Untersuchung offen bleiben, scheint aber plausibel. Damit könnte die Unverwechselbarkeit der Bedingungen, unter denen unterschiedliche Funktionsträger die ihnen anvertraute Staatsgewalt auszuüben haben, effektiv garantiert werden. Zu diesen Bedingungen zählen u.a. Sachkunde des personellen Substrats und normierte Verfahrensweisen (vgl. Zimmer, Funktion - Kompetenz - Legitimation, S. 235; Ossenbühl, D Ö V 1980, S. 548 f. und auch BVerfGE 68, 1/86). Zuständigkeitsnormen sind im Innenrecht nur dann mehr als bloße Ordnungsvorschriften, wenn ihre Einhaltung weitgehend garantiert und ihre Verletzung nicht folgenlos ist. Steht über Organen, die um Zuständigkeiten streiten, eine höhere und im Zuständigkeitsstreit entscheidungsbefugte Instanz, dann ist eine gewisser Garantie für die Zuständigkeitsordnung gegeben. Solange die unteren Organe aber von der höheren Instanz nicht auch die Herstellung einer legalen Zuständigkeitsverteilung verlangen können, ist der Garantiegehalt ein deutlich beschränkter. Klagerechte der Organe bedeuten demgegenüber eine Optimierung. Es ist aber denkbar, daß sich die gegebene Rechtsordnung mit der hierarchischen Vermittlung bescheiden wollte (so wohl Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 425). Mit welcher Intensität die Rechtsordnung getroffene Zuständigkeitsverteilungen garantiert, und wem sie die Wahrung innerstaatlicher Gewaltenteilungen im Einzelfall anvertraut, ist eine hier nicht anzugehende Auslegungsfrage. 218 Vgl. Böckenförde, Festschrift für Hans Julius Wolff, S. 300 ff.; Böckenfördes terminologisches Bedenken (ebd. S. 302 f.) ist wie alle Terminologie eine Frage der Zweckmäßigkeitserwägung und die beantwortet sich auch aus Gesetzessprache und Tradition. Klagevoraussetzung ist nun einmal der Aufweis möglicher subjektiver Rechte. 219 Böckenförde, ebd. S. 299. 220 Böckenförde, ebd. S. 303.
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
3.2. Rechtszuweisung an die Länder 3.2.1. Wortaussage und Systematik des Art. 30 GG Die Auslegung von Art. 30 GG in Richtung einer Zuweisung von Kompetenzrechten an die Länder hat neben einem obita dictum des Bundesverfassungsgerichts1 zunächst für sich, daß im Wortlaut der Verfassung die Länder namentlich als „Länder", und das ist als Subjekt 2 , exponiert werden. Noch deutlicher spricht sich die Subjektqualität in der Überweisung von Aufgaben und Befugnissen an die Länder als ihre „Sache" aus. Dem Wortgebrauch nach ist jemandes Sache mehr als seine Pflicht. Die älteste etymologische Bedeutung des Wortes „Sache" ist „Streitigkeit" und „Zwist". 3 Im allgemeinsten Sinn ist jemandes Sache seine Angelegenheit 4 , die Angelegenheit aber das, was jemand derart angelegen ist, daß er es nicht notwendig pflichtveranlaßt und pflichtgebunden, sondern weitgehend autonom wahrnimmt. Eigene Angelegenheiten bezeichnen Sphären von Personen, - eigene Sachen und darunter Sachen der Länder auch. Und die alte Bedeutung von Sache als Zwist zeigt, daß die Sache häufig im Streit steht und im Rechtshandel ihre Verteidigung erfährt. Die Aufgaben- und Befugniszuweisung an die Länder erfolgt mit der Formulierung „ist" (Sache der Länder) schlicht aber nachdrücklich. Den Ländern muß nicht etwa bloß, strukturverwandt zu Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, ein Recht auf Befugnisausübung und Aufgabenerfüllung gewährleistet werden, und beides soll auch nicht nur Sache der Länder sein, sondern „ist" es von Verfassungswegen. Die semantisch angelegte Intensität der Rechtszuweisung indiziert eine subjektivrechtliche Position. Die Wortlautauslegung wird durch die Betrachtung der Genese verstärkt. Die Zuweisung von Eigenbereichen an die Länder war allseitig gewollt. Repräsentativ hierfür ist die folgende Ausführung von Hoch: „Er (Art. 30 GG) ist der Grundsatz, der im Unterabschnitt ,Bund und Länder 4 die Zuweisung unserer Staatsgewalt festlegt, also nicht nur für die Verwaltung, 44 sondern „für alles, auch für alle Funktionen der Staatsgewalt . . . Also ist es ein Stück aus dem Art. 30 GG, wenn Herr Dr. Laforet hier betont hat: soweit nicht dieses GG etwas Besonderes sagt, sind eben die Länder in ihrer eigenen Verwaltung völlig selbständig.445
1 Vgl. BVerfGE 21, 312/328: „Der Bund verletzt also, wenn er diese Schranke nicht beachtet, das Land in ,seinem Recht'. Er verletzt Art. 30 GG." 2 Subjekt meint hier Rechtssubjekt und nicht Subjekt im grammatischen Sinne. 3 Vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Achter Band, Sp. 1593. 4 Vgl. Grimm, ebd. Sp. 1596. 5 Vgl. von Doemming / Füsslein / Matz, JöR N.F. Bd. 1 (1951), S. 296.
3.2. Rechtszuweisung an die Länder
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Flankiert wird diese Auslegung durch ein systematisches Argument. Enthält Art. 30 GG subjektive Rechte, dann findet er in Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG eine verfahrensrechtliche Ergänzung, die ihrerseits gerade Rechte der Länder voraussetzt.6 Und Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG sagt, daß es überhaupt „Rechte ... der Länder" und explizit solche „bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht" gibt. Es ist aber nicht nur die Existenz eines geeigneten Streitverfahrens, die die Konstruktion subjektiver Organrechte der Länder aus Art. 30 GG stützen hilft, sondern gerade auch das Fehlen einer hierarchischen Vermittlung der um Kompetenzen streitenden Bundes- und Landesorgane. Kompetenzkonflikte können im Weisungswege dort entschieden werden, wo eine übergeordnete Instanz dem einen Organ verbindlich sagen kann, was seine Aufgaben und Befugnisse und dem anderen Organ, was nicht seine Aufgaben und Befugnisse sind. In der Reichweite der Bundesaufsicht können nur Länderorgane auf Einhaltung ihrer Kompetenzgrenzen hin kontrolliert werden, währenddessen gegenüber Bundesorganen eine entsprechende Kontrolle durch ein übergeordnetes Organ letztlich ausfällt. So besteht Bedarf, Kompetenzen auf andere Weise zu bewehren, sprich deren Unverbrüchlichkeit durch ein neutrales Organ zu sichern. Diese Garantiefunktion können Gerichte übernehmen, wenn sie auch aus dem Β und/Länder-Verhältnis selbst nicht ausbrechen können. Gerichte und darunter das Bundesverfassungsgericht in Bund/Länder-Streitigkeiten werden aber nur beim Streit um subjektive Rechte sichernd tätig. 7 Auch das spricht für die Ausgabe subjektiver Rechte auf Kompetenz an die Länder. Die Auslegung des Art. 30 GG gewinnt ein weiteres und gravierendes Argument zugunsten der Länderkompetenzrechte, ist Art. 30 GG Fundamentalnorm eines gewaltenteiligen Zuordnungsverhältnisses von Bund und Ländern. Sollte sich zeigen, daß die Kontrastierung von Bundes- und Landesstaatsgewalt ein anerkanntes Element deutscher Bundesstaatlichkeit ist, dann hat dies Auswirkungen auf die Interpretation der Norm, die die Grundregel zur Aufteilung der Kompetenzen im Bundesstaat gibt. Immerhin hat sich Kontrastierung als signifikantes Merkmal für subjektive Kompetenzrechte erwiesen. 8 Vorrangig ist in diesem Zusammenhang die Frage, wie Kontrastierung im Bundesstaatsrecht überhaupt nachgewiesen werden kann. Weil Bund und Länder juristisch nicht anders als durch Auferlegung von Pflichten und Einräumung von Rechten in Kontrast gesetzt werden können, und folglich Kon6 Ein weiteres, auch subjektive Rechte voraussetzendes Streitverfahren ist durch die §§ 40 ff. VwGO, insbesondere § 50 VwGO, installiert. 7 Anerkanntermaßen setzt auch das Streitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG subjektive Berechtigungen und Verpflichtungen voraus; vgl. nur Stern, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 93 Randnr. 337 (1982) und Schiaich, Das Bundesverfassungsgericht, S. 53. 8 Vgl. Kapitel 3.1.3.
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
trastierung nach Maßgabe der Rechtsordnung erfolgt, kann bundesstaatliche Kontrastierung nur im Wege der Auslegung von Rechtssätzen aufgewiesen werden. Wenn Kontrastierung aber ein Produkt von Auslegung ist, kann sie dann im Fortgang der Untersuchung im Rahmen der Auslegung von Art. 30 GG herangezogen werden? Sicherlich kann sie nicht einfach in Art. 30 GG hineingelegt werden. Aber es kann eine Auslegung betrieben werden, die fragt, ob Art. 30 GG Kontraste erzeugen und erhalten soll, ob er Teil eines auf Kontrastierung angelegten Systems ist. So finden sich Normen, die an Art. 30 GG anknüpfen und zu dessen Grundregel etwas anderes bestimmen, indem sie dem Bund Aufgaben und Befugnisse zuweisen; z.B. Art. 70 ff., 83 ff. und 92 ff. GG. Das so gebildete ausgeklügelte System von Regelzuständigkeit und Sonderzuweisungen spricht schon aus sich heraus zugunsten einer Kontrastierung der Beteiligten. Erst recht tut es dies, wenn sich nachweisen läßt, daß die Träger der geschiedenen Gewalten in Spannung zueinander angelegt sind und sich durch gegenseitige Mitsprachemöglichkeiten und Kontrollrechte die Waage halten sollen. Für diesen Nachweis kann der dogmengeschichtlich geprägte und in Art. 20 Abs. 1 GG verwandte Begriff „Bundesstaat" genutzt werden. Sollte sich zeigen, daß Bundesstaatlichkeit ihre oder zumindest eine ihrer Pointen gerade in der gewaltenteiligen Entgegensetzung von Bund und Ländern hat, dann ist das System der Aufgaben- und Befugnisverteilung auf Kontrast angelegt, und das gelingt nur dann mit Verbindlichkeit, wenn die getroffene Kompetenzverteilung mittels subjektiver Rechte rechtsschutzbewehrt ist. Damit ist eine dogmengeschichtliche und dogmatische Untersuchung von Bundesstaatlichkeit gefordert. Diese Untersuchung bliebe aber zu unspezifisch, würde sie nur den Nachweis erbringen, daß im Bundesstaat eine vertikale Gewaltenteilung besteht. Denn was wäre bei diesem pauschalen Befund der Gehalt bundesstaatlicher Kontrastierung? Ein subjektives Recht welchen Inhalts ließe sich auf eine so gefundene Kontrastierung stützen? Hingegen lassen sich bei einer präzisen Bestimmung von Inhalt und Umfang vertikaler Gewaltenteilung bzw. bundesstaatlicher Kontrastierung auch genauere Aussagen über den Inhalt eines allfälligen subjektiven Länderrechts aus Art. 30 GG treffen. Diese Überlegung läßt sich anhand der Thematik der Untersuchung verdeutlichen: Nicht jedes Verständnis von Art. 30 GG als subjektives Länderrecht garantierte in gleichem Maße die Abwehr rechtswidriger Bundesweisungen in der Bundesauftragsverwaltung. Beschränkte sich der subjektivrechtliche Gehalt des Art. 30 GG darauf, daß die Länder vom Bund nur verlangen könnten, nicht ohne jede grundgesetzlicher Ermächtigung zu ingerieren, dann könnten rechtswidrige Weisungen möglicherweise auf Art. 85 Abs. 3 GG gestützt werden; das würde sich durch Auslegung des Art. 85 Abs. 3 GG zu entscheiden haben. Art. 30 GG spielte insofern, d.h. vor allem im Kontext dieser Auslegungsfrage, keine Rolle. Würde sich hingegen zeigen lassen, daß die Rechtsgewährung in Art. 30 GG nicht nur irgendwie, vage und schwach, einen Autonomiebereich der
3.2. Rechtszuweisung an die Länder
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Länder konstituierte, sondern um seines wirksamen Schutzes willen auch jede rechtswidrige Beeinträchtigung desselben abwehrbar machte, würde sich der Weisungsfall schon aufgrund von Art. 30 GG anders lösen lassen. In diesem Fall könnten die Länder die rechtswidrige Weisung abwehren, es sei denn Art. 85 Abs. 3 GG würde dies ausdrücklich ausschließen und damit in diesem Punkt eine spezielle Regelung im Verhältnis zu Art. 30 GG treffen. Das müßte Art. 85 Abs. 3 GG aber in diesem Fall deutlich ablesbar sein. Die Auslegungsfrage stellt sich hinsichtlich des Art. 85 Abs. 3 GG zwar auch in diesem Fall, aber mit dem angedeuteten Verständnis von Art. 30 GG unter anderen Vorzeichen. Die Gestalt allfälliger sekundärer Rechte aus Art. 30 GG, die die Abwehr von Beeinträchtigungen des Länderfreiraums besorgen, prägt diesen Raum, und die in der genannten Norm primär getroffene Kompetenzverteilung ist so gesichert, wie sie mit Hilfe von sekundären Rechten verteidigt werden kann. 9 Eine Autonomie der Länder, die darauf baut, daß die Länder grundsätzlich alle staatlichen Aufgaben und Befugnisse zu ihrer Sache haben, gewinnt an Sicherung, wenn der illegale Aufgaben- und Befugnisentzug, die sich in den Autonomiegebrauch einmischende rechtswidrige Weisung und eine das Länderhandeln unerlaubt unterminierende Parallelaktion des Bundes von den Ländern judiziell abgewehrt werden können. Die Untersuchung zur vertikalen Gewaltenteilung wird aus diesem Grund die Frage nach der Absicherung der Autonomiebereiche der Länder thematisieren. Soweit die Untersuchung dabei dogmengeschichtlich arbeitet, kommt sie nicht umhin, sich auf Grundlagen und Eigenarten vergangenen deutschen Bundesstaatsrechts einzulassen. Die Erschließung des dogmengeschichtlichen und rechtshistorischen Terrains wird sich aber nicht von der übergeordneten Aufgabenstellung der Untersuchung entfernen müssen. Die eigentliche dogmatische Arbeit zur Bestimmung und Bewehrung der Grenzlinien zwischen Reichs- und Ländergewalt ist thematisch auf dem Gebiet der Reichsgesetzvollziehung durch die Länder, einschließlich Reichsaufsicht und Reichsexekution geleistet worden. In dieser Rechtsmaterie wurde traditionell die Frage traktiert, was sich die Länder vom Reich gefallen lassen müssen, wo also Aufsicht und Exekution ihre Grenzen finden und wie diese Grenzen gesichert sind. In den folgenden Kapiteln wird einerseits die Dogmatik der durch Bundesstaatlichkeit bewirkten Gewaltenteilung interessieren. Andererseits wird 9 Zur Fruchtbarmachung der Kategorie primäres und sekundäres Recht bei der Inhaltsbestimmung von Freiheitsrechten vgl. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 42. Ob das primäre Recht wirklich ein Recht ist oder nur ein Effekt der sog. sekundären Rechte, ist eine terminologische Frage. Rigoros Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, S. 619: „Denn das Recht ist Form und nicht Inhalt, ist Schutz und nicht Geschütztes." Hier wurden die genannten Begriffe nur bemüht um aufzuzeigen, wie wesentlich der Inhalt der Schutzrechte ist.
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
deren Fruchtbarmachung bei der Konstruktion von Länderrechten gegenüber der Reichs- bzw. Bundesaufsicht und Reichs- bzw. Bundesexekution zu analysieren sein. 10 3.2.2. Bundesstaatliche Kontrastierung qua vertikaler Gewaltenteilung 3.2.2.1. Spätkonstitutionelle Lehren
Die Staatsrechtslehre des Spätkonstitutionalismus hat sich mit der dogmengeschichtlichen Untersuchung von Brie 1 1 ihrerseits ihrer bundesstaatsrechtlichen Grundlagen im Rückgriff auf Altertum, Mittelalter und Neuzeit, auf Lehren, die das Heilige Römische Reich deutscher Nation, den Rheinbund, den Deutschen Bund, die deutschen Reformversuche 1848 - 50, den Norddeutschen Bund und das neugegründete Deutsche Reich zu erklären, stützen oder zu beeinflussen suchten, und schließlich auf Lehren im Umfeld der nordamerikanischen Bundesverfassung, der Schweizerischen Eidgenossenschaften und der entsprechenden Reformansätze gründlich versichert. Sorgfältig zeichnet die Schrift die beiden großen Linien nach, auf denen sich die zwei Pole der spätkonstitutionalistischen Bundesstaatsdiskussion entwickelt haben: Hier die bundesstaatsfreundliche, die Staaten aus Staaten kennende und dafür Souveränität oder Staatsgewalt teilende Ansicht, erstmals aufzuweisen bei Hugo 1 2 (1661), zu finden auch bei Leibniz 13 , bekämpft durch Pufendorf, vergessen und dann durch Pütter 14 (1777) neu entdeckt und aufgelegt, von v. Gagern 10
Demgegenüber interessiert die Rechtsstellung, welche die Länder in den verschiedenen Formen der Mediatsverwaltung, darunter Frühformen der Auf tragsverwaltung, eingenommen haben, in diesem Zusammenhang nicht (zu diesen Verwaltungsformen vgl. Kap. 2.2.1.) Dort überall waren die Länder nicht mehr als mittelbare Reichsorgane und daher grundsätzlich anders positioniert als in der heutigen Auftragsverwaltung. Kapitel 2.4. hat gezeigt, daß die Bundesauftragsverwaltung landeseigene Verwaltung ist, und daß in ihr die Rechtsstellung der Länder nicht anders als in der Verwaltungsform des Art. 84 GG fundiert ist. Deswegen ist die historische Linie zu verfolgen, die die Länder als Träger eigener Kompetenzen kennt. 11 Brie, Der Bundesstaat. Eine historisch-dogmatische Untersuchung, 1874. Zur Entwicklung des Bundes- und Bundesstaatsbegriffs vgl. aus neuerer Zeit Kosellek: Bund, in: Brunner / Conze / Kosellek, Geschichtliche Grundbegriffe, Band 1, S. 582 ff.; zur Geschichte der Idee des Föderalismus vgl. neben Kosellek, ebd., Gierke, Johannes Althusius, S. 226 ff. und Dreyer, Föderalismus als ordnungspolitisches und normatives Prinzip, S. 17 ff. 12 Zu dessen Einordnung vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Erster Band, S. 238. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I , S. 655 sieht in Hugos Dissertation „De statu regionum Germaniae et regimine principium summae imperii rei publicae aemulo, nec non de usu et auctoritate iuris civilis privati, quam in hac parte iuris publici obtinet" von 1661 die erste deutsche „eigentliche wissenschaftliche Begründung einer Bundesstaatslehre". 13 Zu dessen Bundesstaatstheorie vgl. auch Schneider. Gottfried Wilhelm Leibniz, in: Stolleis, Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, S. 205 ff.
3.2. Rechtszuweisung an die Länder
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geteilt, von Tocqueville, Welcker, v. Mohl, Treitschke und anderen Zeitgrößen fortgeführt, - dort die bundesstaatskritische, auf die Einheit der Staatsgewalt rekurrierende und deswegen Staaten aus Staaten ausschließende, wenn auch immer kleiner und einsamer werdende Lehre, die sich von Pufendorf über Calhoun zu Seydel hinzieht. Im Fortgang der Untersuchung werden die beiden genannten Linien aufgegriffen und wird zunächst dargestellt, wie sich ihre spätkonstitutionellen Autoren zur Konzeption einer vertikalen Gewaltenteilung verhalten haben. Im Anschluß daran ist zu untersuchen, wie stark und mit Hilfe welcher Konstruktionen gegebenenfalls anerkannte gewaltenteilende Grenzlinien zwischen Reich und Ländern gesichert worden sind. Im Rahmen dieser Fragestellung wird auf die zur Reichsauf sieht und -exekution entwickelte Dogmatik zurückgegriffen. In ihr finden sich die ausgereiftesten Antworten auf die gestellten Fragen. Nicht ohne Grund konnte Triepel daher erwägen, „ein deutsches Reichsstaatsrecht sub specie der Reichsauf sieht zu schreiben." 15 Kein Vertreter der bundesstaatsfreundlichen Linie hat die Existenz vertikaler Gewaltenteilung im Bundesstaat geleugnet. 16 Differenz bestand nur in der Frage, wie die angenommene Doppelung von Staatlichkeit im Bundesstaat konstruktiv zu bewältigen sei. Die einen wollten das Problem durch Nebeneinanderstellung zweier souveräner Staatsgewalten gelöst sehen. Andere favorisierten das Modell der Teilung von Staatsgewalt, nicht aber von Souveränität. Noch andere wollten nur die Ausübung der einheitlichen Staatsgewalt aufgeteilt sehen. Die Lehre, daß „nur da . . . ein Bundesstaat vorhanden (ist), wo die Souveränität nicht dem einen und nicht dem andern, sondern beiden, dem Gesamtstaat . . . und dem Einzelstaat . . . , jedem innerhalb seiner Sphäre, zusteht" 17 , gab den Ansatz für eine stark verstandene Kontrastierung von Reichs- und Landesstaatsgewalt. Immerhin sollten im Bundesstaat Reich und Länder souveräne Staaten sein, und war es „für jeden Staat ein erstes Erfor14 Zu dessen Bundesstaatstheorie vgl. auch Link: Johann Stephan Pütter, in: Stolleis, Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, S. 320 f. 15 Triepel, Die Reichsauf sieht, S. 6. In der Sache hat er dies auch weitgehend getan, unterließ aber, dies zu „sagen", weil es „zu anspruchsvoll klänge". 16 Das Programm einer freiheitssichernden vertikalen Gewaltenteilung findet sich schon im Vorfeld des gewählten Berichtszeitraumes bei Welcker. „Bund", in: Rotteck / Welcker, Das Staatslexikon, Zweiter Band, S. 716 verkündet: „So wie vielmehr im Recht eine jede Gewalt, so ist vollends auch alle rechtliche Oberregierungsgewalt im Bundesstaate begränzt. Sie ist es theils durch die allgemeine Natur des Reichsgesetzes, theils durch die besondere Begründung und die besondere rechtliche Natur des Bundesstaats. . . . Ja die Regel wird so, wie es im freien nordamerikanischen Bundesstaat ebenfalls anerkannt ist, die rechtliche Freiheit, die der Einzelnen und die Selbständigkeit der einzelnen Bundesstaaten bilden. Die rechtliche Vermuthung wird also im Allgemeinen für sie, sie wird für die Freiheit streiten." 17 Waitz, Grundzüge der Politik, S. 166.
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
dernis, daß er selbständig sei, unabhängig von jeder ihm selbst fremden Gewalt." 18 Geteilte Souveränität haben Laband und G. Jellinek als contradictio in adjecto verworfen. 19 Souveränität als suprema potestas war ihnen „eine Eigenschaft absoluten Charakters . . . , die keine Steigerung und keine Verminderung zuläßt" 20 . Souveränität war für diese Autoren aber auch kein notwendiges Staatskennzeichen. Staaten könnten höhere Gewalten über sich haben, wenn sie nur selbst „eigene Herrschaftsrechte behufs Durchführung (ihrer) Aufgaben und Pflichten und einen selbständigen Herrschaftswillen" 21 hätten. Das eigene Herrschaftsrecht definierte G. Jellinek zunächst unter heftiger Kritik 2 2 als „rechtlich uncontrolierbares Recht" 2 3 , stellte dann aber zunehmend auf die Unabgeleitetheit des staatlichen Imperiums ab, mit dem die Länder ihre Zwecke verfolgten. 24 Die Unabgeleitetheit stellte auch Laband in den Vordergrund. Zu eigen ist den Gliedstaaten das Herrschaftsrecht bei Laband, weil sie es „nicht durch Übertragung, nicht als Organe" des Gesamtstaates haben, „sondern als selbständige Rechtssubjekte mit eigener Rechtssphäre, mit eigener Willens- und Handlungsfreiheit" 25 Von dieser Prämisse ausgehend nennt Laband es „für die juristische Entwicklung des Bundesstaatsrechts . . . notwendig, den Staat als Subjekt von Rechten aufzufassen", weiterhin „die 18 Waitz, ebd. S. 164. In konziserer Darstellung ist Gerber den Überlegungen von Waitz in der Sache gefolgt. Dem Gesamtstaat wird „eigene wirkliche Staatsgewalt" (Grundzüge des Deutschen Staatsrechts, S. 24, Fn. 3) gegeben, entspreche diese auch „nicht dem natürlichen Umfange eines Staatswesens" (ebd.). Jenseits dieser Grenze „besteht wieder die selbständige Staatsgewalt der verbündeten Einzelstaaten" (ebd.). In der Reichweite der Bundeskompetenz habe „der Machtinhalt der Staatsgewalt der einzelnen . . . verbundenen Staaten eine materielle Minderung erfahren; in den ihr verbliebenen, jenseits jener Kompetenz liegenden Theilen ist sie nach wie vor souverän" (ebd. S. 26). Ganz unrichtig sei es, „wenn Manche in jüngster Zeit behauptet haben, dass eine Theilung der souveränen Staatsgewalt zwischen Bund und Einzelstaaten, und dass eine fragmentarische souveräne Staatsgewalt prinzipiell unmöglich sei, - eine nicht begründbare Behauptung" (ebd. S. 25, Fn. 3). 19 Vgl. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 1, S. 63; Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 35. 20 So Laband, ebd. S. 73. Jellinek, ebd.: „ein ausschliessliches Recht kann nicht getheilt werden, sonst wäre es nicht ausschliesslich." Die Konstruktion von Waitz (Grundzüge der Politik, S. 166), nicht den Inhalt, sondern nur den Umfang der Souveränität im Bundesstaat zu beschränken, hat Laband (ebd. S. 62 f., Fn. 4) zurückgewiesen, weil bei der Souveränität jede Umfangsbeschränkung zugleich eine Inhaltsbeschränkung bedeute. Inhalt der Souveränität ist danach also gerade auch ihr unbeschränkter Umfang. 21 Laband, ebd. S. 57 und weiter S. 65 und 105. Vgl. auch Jellinek, Über Staatsfragmente, S. 12. 22 Vgl. nur Laband, ebd. S. 66 m.w.Nw. 23 Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 42. 24 Vgl. Jellinek, Über Staatsfragmente, S. 12 und ders., System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 295. 25 Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 1, S. 65; vgl. auch S. 105.
3.2. Rechtszuweisung an die Länder
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Abgrenzung der beiderseitigen Rechtssphäre" von Bundesstaat und jeweiligem Gliedstaat zu leisten und schließlich beide „einander gegenüber zu stellen" 2 6 . Mit der Scheidung der Rechtssphären, mit der Annahme einer Mehrzahl von Trägern eines eigenen Herrschaftsrechts und der Zuordnung von Reich und Einzelstaaten „in mannigfachen Rechtsverhältnissen" 27, also mittels einer Vielzahl von Rechtspositionen und Pflichtenstellungen, wird ein System von Gewaltenteilungen und Gewaltenzuordnungen, von checks und balances entworfen. 28 Die Lehre, daß im Bundesstaat nur die Ausübung der Staatsgewalt und nicht diese selbst geteilt sei, haben vor allem Gierke und Mayer vertreten. Unter Berufung auf Haenel wollte Gierke mit der Aufrechterhaltung der „in ihrer Substanz ungetheilten Staatsgewalt"29 die Zerreißung der genossenschaftlich gedachten organischen Totalität von Gesamtstaat und Gliedstaat verhindern. 30 Obgleich sich „die Staatsgewalt ihrer Substanz nach . . . im ungetheilten Gemeinbesitze des Gesamtstaates und der Gliedstaaten" befinde, „so ist sie der Ausübung nach unter die einzelnen Mitträger der Gemeinschaft zu Sonderrecht vertheilt." 31 Diese besitzen laut Gierke insoweit „ein eigenes staatliches Machtrecht, welches sie selbständig für sich haben." 32 Ist auch bei Gierke die Staatsgewalt den beteiligten Staaten nur in Gesamtheit gegeben, so üben sie trotzdem gesondert die ihnen zur Wahrnehmung zugewiesenen 26 Laband., ebd. S. 82. 27 Laband, ebd. 28 Bei Laband eine gewaltenteilige Konzeption von Bundesstaatlichkeit ausgeführt zu sehen, wird nicht dadurch gehindert, daß für ihn der Gliedstaat „nach unten Herr, nach oben Unterthan" (ebd. S. 59) sein sollte. Auch dem Rechtsunterworfenen können eigene Rechte zukommen, mit denen er der übergeordneten Ebene entgegentreten kann. Die Überordnung des Reiches entnahm Laband in erster Linie Art. 78 R V (1871). Im Wege der Verfassungsänderung stünde „die gesamte Rechtssphäre der Einzelstaaten zur Disposition . . . des Reiches. Durch diesen Satz aber ist die Souveränität des Reiches anerkannt" (ebd. S. 93 f.). Die Unterordnung der Einzelstaaten unter das Reich hat Laband (ebd., S. 102 ff.) streng an verfassungsrechtlichen Kompetenzeinräumungen zugunsten des Reiches festgemacht; sie erfolgte für Laband so nach Maßgabe der Verfassung wie auch die Gewaltenteilung. 29 Gierke , Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, S. 72. 30 Zurecht schreibt Gierke , ebd. S. 71, insoweit habe Hänel den richtigen Weg gewiesen. Für Hänel (Die vertragsmässigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung, S. 63) waren weder der Einzelstaat noch der Gesamtstaat „Staaten schlechthin", sondern Staat schlechthin sei „nur der Bundesstaat als die Totalität beider". „Organische Totalität" soll durch die Bewahrung der „Einheit in der Vielheit" zur Erscheinung gebracht werden (ebd. und ff.). Andererseits hat Haenel (Deutsches Staatsrecht, S. 207) Gierkes Konstruktion eigenartig genannt. Schreibt Haenel (ebd. S. 799), außerhalb der Kompetenzsphäre des Reichs liege die selbständige Rechtssphäre der Einzelstaaten, in der ihnen ihre Rechte vom Reiche oder Dritten vollkommen unabgeleitet zustünden, dann vertritt er nicht die Lehre, nach der die Einzelstaaten nur die eine ungeteilte Staatsgewalt ausüben. Zu Hänels Bundesstaatsbegriff vgl. auch S. Graf Vitzthum, Linksliberale Politik und materiale Staatsrechtslehre, S. 187 ff. 31 Gierke, ebd. S. 73. 32 Gierke, ebd.
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
Befugnisse aus. Vertikale Gewaltenteilung ist bei Gierke zwar konstruiert als A u f t e i l u n g der A u s ü b u n g von souveräner u n d unteilbarer Staatsgewalt, aber deswegen nicht minder präsent. 3 3 A m deutlichsten hat M a y e r 3 4 die bundesstaatliche Gewaltenteilung betont. Reich und Ländern sei die volle Staatsgewalt zu A n t e i l e n , d . h . gemeinschaftlich zugewiesen. 3 5 Das Gemeinschaftsverhältnis selbst sei n u n entweder „ i n F o r m eines unvertheilten Rechts, so dass jedes seinen ideellen A n t e i l hat und die A u s ü b u n g gemeinschaftlich
geschieht",
oder i n F o r m
„gesonderter
A n t h e i l e " vorstellbar. 3 6 Das K o n d o m i n i u m der ersten Vorstellungsart scheide als ein der W i r k l i c h k e i t nicht entsprechendes M o d e l l aus. I n der konstruktiven Alternative w i r d „ d i e i n j e d e m deutschen Lande bestehende Staatsgewalt . . . zwischen Reich u n d Gliedstaat v e r t e i l t . " 3 7 D a b e i sei die K o n s t r u k t i o n nicht auf zivilrechtliche Pendants, etwa die Realteilung, angewiesen, sondern finde i n der v o m neuzeitlichen Staatsrecht entwickelten Trennung der Gewalten ein V o r b i l d . D o r t habe man „eine eigene F o r m dafür ausgebildet, wie die einheitliche öffentliche Gewalt als geteilt sich darstellen k a n n . " 3 8 W i e sich schon die öffentliche Gewalt i m Einheitsstaat „ d u r c h das M i t t e l verschieden gearteter Wirkungskräfte, Gewalten" herstelle, „ d i e durch gesonderte, aber einander auch wieder verbundene Willensträger in Bewegung gesetzt w e r d e n " 3 9 , so 33 Ähnlich ist es bei Rümelin (Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Bd. 39, 1883, S. 202): Die Staatsgewalt und das heißt bei ihm die Souveränität liegt in den Händen der Gesamtheit der im Bundesstaat verbündeten Staaten, währenddessen „die endgiltige Ausübung der Souveränitätsrechte, d. h. die positive unmittelbare Durchführung der staatlichen Aufgaben . . . den Partikularstaaten unter Aufsicht des Ganzen" zugewiesen sei. Die Durchführung, insbesondere die Verwaltung hätten die Einzelstaaten „kraft des ihnen verfassungsmäßig zustehenden Rechts" inne (ebd. S. 203). 34 Grundlegend ist der später weggefallene Anhang zur Erstausgabe seines Deutschen Verwaltungsrechts. Vgl. aber auch ders., Republikanischer und monarchischer Bundesstaat, in: Kleine Schriften zum öffentlichen Recht, Band I I , S. 57. 35 Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band I I , 1. Aufl., Anhang, S. 462 ff. setzt an mit einer Definition des Bundesstaates, die das Dilemma der hergebrachten Bundesstaatslehre einbringt. Das Wesen der bundesstaatlichen Verfassung bestehe „darin, daß sie die Gliedstaaten zu einem . . . Gesamtstaat vereinigt, ohne sie selbst als Staaten aufzuheben" (ebd., S. 462). Und das heißt in Beschreibung der damaligen Verfassungslage: „Zweierlei Staatsgewalt sehen wir in Deutschland thätig" (ebd.). Nun sei aber einerseits in ein und demselben Machtbereich nur immer eine volle Staatsgewalt denkbar, andererseits der Ausweg, eine der bundesstaatlichen Staatsgewalten soweit herunterzuzonen bis die andere eine volle genannt werden könne, dem Bundesstaatsbegriff nicht adäquat. Die Abwertung der Gesamtstaatsgewalt gegenüber der dann vollen Gliedstaatsgewalten überführe den verfassungsrechtlichen Verband des Bundesstaates in den völkerrechtlichen eines Staatenbundes; die Herabminderung der Gliedstaatengewalten bis zum vollen Hervortreten der Gesamtstaatsgewalt ergebe den allenfalls graduell dezentralisierten Einheitsstaat. Damit sind aber für Mayer die konstruktiven Möglichkeiten noch nicht erschöpt: Als Ausweg bleibt die genannte gemeinschaftliche Zuweisung der vollen Staatsgewalt an Reich und Länder. 36
Mayer, ebd. S. 463. Mayer, ebd. 38 Mayer, ebd. S. 463 f. 37
3.2. Rechtszuweisung an die Länder
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erscheine auch die öffentliche Gewalt im Bundesstaat durch die separierten, aber im Verhältnis der Ergänzung stehenden Staatsgewalten. Bestimmt sei die Scheidung der bundesstaatlichen Gewalten in der Reichsverfassung. Es stünden „sich hier Mitträger der einen, aber verteilten Staatsgewalt gegenüber in verfassungsrechtlich bestimmtem Verhältnis." 40 Deswegen sei auch der Streit darüber, ob einer von ihnen seine Schranken überschritten habe ein Verfassungskonflikt und kein Fall von Untertanenungehorsam. Scheidung der Gewalten bedeutet bei Mayer nicht notwendig ihre vollständige Spaltung und Inkooperativität. In einzelnen Verwaltungszweigen könne die Scheidung so glatt erfolgen, „daß je eine der Gewalten damit zu thun hat", in anderen „findet dagegen ein Zusammenarbeiten der beiden Gewalten statt... vor allem in der Form, daß das,Reich die Gesetzgebung, die Gliedstaaten die Vollziehung liefern." 41 Die gruftdgesetzliche Aufteilung der Kompetenzen im Bereich der Bundesgesetzvollziehung durch die Länder kann somit als ein Unterfall von bundesstaatlicher, auf Kooperation und dennoch strikte Absonderung der Rechtssphären angelegter Gewaltenteilung im Sinne Mayers aufgefaßt werden. Antipode zu allen Positionen in der spätkonstitutionellen Bundesstaatsdebatte war Seydel. 42 Trotz seiner bundesstaatsfeindlichen Theoriebildung und nicht bundesstaatlichen Rekonstruktion dessen, was den anderen gute Beispiele für praktizierte Bundesstaatlichkeit waren, ist er kein Gegner vertikalgewaltenteiliger Vorstellungen in solchen Staatsordnungen gewesen, die zwar nicht er, aber seine Kollegen Bundesstaaten genannt haben. Den Begriff Bundesstaat lehnte Seydel ab, weil er im Widerspruch stünde zu dem Begriff des Staates.43 Die Staatsgewalt sei als höchste Gewalt einig und unteilbar. Wie das Eigentumsrecht sei sie als absolutes Recht nicht an ein und demselben Gegenstand verdoppelbar; wie das Eigentumsrecht sei sie auch nicht bloße Summe einzelner Befugnisse, sondern eine umfassende, der Möglichkeit nach keine Befugnis ausschließende Rechtsstellung.44 Bei diesem Befund scheint jede Art von Kompetenzverteilung und binnenstaatlicher Kontrastierung ausgeschlossen. Aber es scheint nur so, denn „wohl aber können mehrere Willensträger in Einem sich vereinen, es gibt Miteigentümer, es gibt Mitherrscher. Allein diese haben nicht verschiedene Rechte, sondern ein und dasselbe Recht." 45 Hierbei kann Seydel46 wieder auf die „Stimme von jenseits des atlantischen Oceans" hören, die ihn schon zu seinen Prämissen leitete. Er referiert Cal39
Mayer, ebd. S. 464. Mayer, ebd. S. 466. „Das Verhältnis zwischen Reichsgewalt und Gliedstaatsgewalt ist nicht das zwischen Herrscher und Unterthan" (ebd. S. 465). 41 Mayer, ebd. S. 467. 42 Vgl. Seydel, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Bd. 28 (1872), S. 185 ff. 43 Vgl. Seydel, ebd. S. 198. 44 Vgl. Seydel, ebd. S. 189 ff. 4 5 Seydel, ebd. S. 189. 4 6 Seydel, ebd. S. 198. 40
10 Pauly
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
houn: „ D i e Souveränität theilen heisst sie vernichten . . . . N u r die A u s ü b u n g von Souveränitätsrechten kann Verschiedenen übertragen w e r d e n . " 4 7 U n d so gelingt Seydel dann auch die Rekonstruktion bundesstaatlicher Systeme, darunter des des Deutschen Reiches. „ D i e V e r m u t h u n g spricht dafür, dass alle Souveränitätsrechte, soweit sie nicht nachweisbar v o m Reich ausgeübt werden dürfen, zur Selbstausübung den Einzelstaaten z u s t e h n . " 4 8 U n d weil souverän derjenige sei, „ d e m die Gesamtheit der Hoheitsrechte als solche zusteht, derjenige nicht, dem einzelne Rechte zur A u s ü b u n g anvertraut s i n d " 4 9 , sind es die zum Staatenbund zusammengeschlossenen deutschen L ä n d e r . 5 0 A r t . 4 R V (1871) erklärt sich als eine N o r m , die dem Reich Ausübungsrechte i n Einzelmaterien zuweist. 5 1 A l l e s , was das Reich könne u n d dürfe, habe es den Einzelstaaten zu d a n k e n , 5 2 aber es kann und darf es bei Seydel darum nicht minder. M i t anderer Begrifflichkeit erklärt Seydel i n der Sache all das, was i n einem bundesstaatlichen System an Rechten u n d Pflichten zu verzeichnen ist. K o m petenzteilung i n F o r m v o n Ausübungsteilung, Vertrags- bzw. Verfassungsbindung der föderalen Gewalten, Kompetenzkonflikte als Verfassungskonflikte bzw. Vertragsstreitigkeiten u n d deren judizielle Entscheidung sind i n Seydels System nicht apriori unmöglich. Sie reichen hin, u m vertikale Gewaltenteilung i n ein Staatensystem zu i m p l a n t i e r e n . 5 3 47
Seydel, ebd. Seydel, ebd. S. 229. 4 9 Seydel, ebd. S. 218. 50 Vgl. Seydel, Bayerisches Staatsrecht, S. 72. 51 Vgl. Seydel, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Bd. 28 (1872), S. 229. 52 Vgl. Seydel, ebd. 53 Natürlich ist es ein anderer Ansatz, Souveränität oder Staatsgewalt statt nur ihre Ausübung zu verteilen. Und von anderen Ansätzen aus ist es immer möglich, Kritik zu üben, Kritik wie sie dann auch Seydel immer wieder, im Betrachtungszeitraum zuletzt, d. h. im ersten Weltkriegsjahr, durch Hausmann (AöR Bd. 33 (1915), S. 82 ff.) erfahren hat. Dessen Einwände gegen Seydel, die den Rückgriff auf die Waitzsche Lehre freimachen sollten, sind in erster Linie staatstheoretisch und nicht staatsrechtlich gewesen. Warum soll nicht „wie durch die Teilung des räumlichen Anwendungsfeldes der Souveränität (=höchste Gewalt, Herrschergewalt) die Staaten als solche entstehen und unterschieden werden, . . . durch die Teilung des sachlichen Anwendungsgebietes der Souveränität, d.i. durch die Differenzierung der den Staatszwecken korrespondierenden materiellen Hoheitsrechte und ihre Verteilung unter die mehreren - innerhalb eines Gesamtgebietes historisch gegebenen - Herrschaftssubjekte der zusammengesetzte Staat" (ebd. S. 114) und das ist der aus Staaten zusammengesetze Staat möglich werden? Mit dem gleichen Recht, mit dem Seydel ausgehend von feststehenden Begriffen des Staates, der Staatsgewalt und der Souveränität den Bundesstaatsbegriff ad absurdum geführt hat, bricht Hausmann die alten Bedeutungen von Staatlichkeit und Souveränität auf, um das staatsrechtliche Faktum des Bundesstaates erklären zu können. Hausmann will den Bundesstaat mit Begriffen erklären, die sich am Einheitsstaat ausgebildet haben und daher erst der Modifikation bedürfen, Seydel hält an der Begrifflichkeit, die den Einheitsstaat als Prototyp des Staates erklärt, fest, um alle, auch von anderen als nicht einheitsstaatlich bezeichneten Staatsordnungen zu erfassen. Und mit den konsequent eingesetzten Begriffen aus den Kreisen des Einheitsstaates kann auch im söge48
3.2. Rechtszuweisung an die Länder
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Als erstes Fazit läßt sich damit festhalten, daß alle spätkonstitutionellen Autoren in den Staaten, die die Tradition Bundesstaat nannte, vertikale Gewaltenteilung verwirklicht und einen durch sie bestimmten Typus von Staatlichkeit gegeben sahen. Ausgehend von diesem Befund ist nun zu untersuchen, wie stark und mit Hilfe welcher Konstruktionen die zeitgenössische Rechtswissenschaft die gewaltenteilenden Grenzlinien zwischen Reich und Ländern gesichert hat. Für den bundesstaatskritischen Seydel war die Konstruktion fester Rechtsgrenzen zwischen Reich und Ländern vergleichsweise einfach. Die Länder waren für ihn souveräne Staaten und einem „souveränen Staat hat Niemand zu befehlen, er kann nur um die Erfüllung seiner vertragsmässigen Verbindlichkeiten angegangen werden." 54 Der Bundesrat als Beschlußorgan in Aufsichts- und Exekutionsverfahren war Seydel nur eine „diplomatische Versammlung" 55 und seine Entscheidung im Rahmen der Reichsaufsicht nur „ein bundesfreundliches Avertissement" 56 , das „lediglich den Gegenstand diplomatischer Erörterung zwischen Reich und Staaten (bildete), wobei allerdings Art. 19 der Anschauung des Reiches ein Übergewicht sichert." 57 Die Einzelstaaten hätten sich vertraglich verpflichtet, bei Feststellung von rechtlichen Mängeln ihrer Reichsgesetzvollziehung Abhilfe zu schaffen. Die Nichterfüllung dieser Bundespflicht, nicht aber der Streit um die Zweckmäßigkeit einer bestimmten Vollziehung, eröffne den Weg zur Bundesexekution gemäß Art. 19 RV (1871). Eine weitere Stärkung der Rechtsposition der Länder erreichte Seydel dadurch, daß er dem Bundesrat die Kompetenz bestritt, neben Tatbestandsfragen auch streitige Rechtsfragen im Aufsichts- und Exekutionsverfahren zu entscheiden. Rechtsstreitigkeiten müßten im Wege der sog. authentischen Gesetzesauslegung, das heißt durch klärendes einfaches oder verfassungsänderndes Reichsgesetz, entschieden werden. 58 Nach nannten Bundesstaat nicht mehr an Staatlichkeit gefunden werden, als im Einheitsstaat. Und mit auf doppelte Staatlichkeit und Souveränitätsteilung getrimmten Begriffen findet sich im Bundesstaat auch mehr als eine Ebene von Staatlichkeit. Die Begriffe, vor allem Souveränität und Staatlichkeit, meinen bei Seydel und Hausmann nicht mehr dasselbe. Beispiel dafür ist die Herunterzonung von Souveränität als „suprema potestas" noch bei Seydel (ebd. S. 190) auf „die (Rechts-)Subjektivität des öffentlichen Rechts" bei Hausmann (ebd. S. 87). Dennoch setzen beide Seiten ihre Begriffe ein, um in aller terminologischer Unterschiedenheit das unbestrittene Doppelungs- und Kontrastierungsmoment im nun rein phänomenologisch so genannten Bundesstaat zu erfassen. Seine Erfassung war angesagt, weil für beide Autoren entsprechendes bundesverfassungsrechtliches Normenmaterial existierte, z.B. Art. 4 R V (1871). 54 Seydel, ebd. S. 238. 55 Seydel, ebd. S. 236. 56 Seydel, Der Deutsche Bundesrat, in: Staatsrechtliche und politische Abhandlungen, S. 108. 57 Seydel, Commentar zur Verfassungs-Urkunde für das Deutsche Reich, Art. 4, Anm. I I , S. 62. 58 Vgl. Seydel, ebd. Art. 7, Anm. V , S. 145 und Art. 19, Anm. I I , S. 189. 1*
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dieser Lehre konnten die Einzelstaaten jede Aufsichtssache durch Bestreiten der Auslegung des von ihnen zu vollziehenden Reichsgesetzes der Entscheidung des Bundesrates vorläufig entwinden und der Reichsgesetzgebung zuleiten. 5 9 Die spätkonstitutionellen Vertreter jener bundesstaatsfreundlichen Lehre, die im Bundesstaat eine Souveränitätsteilung verwirklicht sahen, haben sich, soweit überschaubar, nicht zum momentanen Gegenstand der Untersuchung geäußert. Unter Berufung auf die einzelstaatliche Souveränität hätten sie eine ähnliche Position wie die von Seydel begründen können. Daß es nicht zur Ausführung dieser Lehre in den bundesstaatlichen Einzeldogmatiken gekommen ist, liegt daran, daß keiner ihrer Vertreter das Bundesstaatsrecht nach Inkrafttreten der Reichsverfassung von 1871 ausführlich bearbeitet hat. Vor allem hat Gerber seine „Grundzüge des Deutschen Staatsrechts" in der dritten Auflage von 1880 nur um eine zweiseitige Beilage zum Deutschen Reich und seiner Verfassung ergänzt. 60 Auch Hausmann als später und dann einziger Verteidiger der Waitzschen Bundesstaatstheorie hat sich nur knapp geäußert. Zwar spricht er von einer Willens- und Handlungsfreiheit der Einzelstaaten 61 und einem „rechtliche ( n ) Halt" 6 2 , das die Reichsgewalt an den Individualrechten der Einzelstaaten finde, aber er sagt nicht, wie die Willens- und Handlungsfreiheit der Einzelstaaten geschützt sei und wann genau das rechtliche Halt für die Reichsgewalt einsetze. Ebenfalls karg fällt die Auswertung bei den Autoren aus, die im Bundesstaat die Ausübung der einheitlichen Staatsgewalt geteilt sahen. Gierke schweigt darüber, wie gut und wogegen das von ihm angenommene eigene staatliche Machtrecht der Gliedstaaten auf Ausübung der Staatsgewalt geschützt ist. Für Mayer verletzt jeder Träger der einen, aber verteilten Staatsgewalt „die Rechte der anderen, kommt (er) seiner Gebundenheit, seinen Pflichten diese(n) gegenüber nicht nach, überschreitet (er) seine Schranken." 63 Das sei dann aber nicht ein Fall zu brechenden Untertanengehorsams, 64 sondern löse einen Verfassungskonflikt aus, der an die Grenzen 59
Vgl. Seydel, ebd. Die zweite Auflage von 1869 weist eine auch noch in der dritten Auflage erhaltene Beilage zum Norddeutschen Bund auf. In ihr wird das Aufsichtsrecht kurz angesprochen; zur juristischen Bewehrung der Gewaltenteilung im Bundesstaat findet sich aber auch in ihr nichts. Vgl. Hausmann, A ö R Bd. 33 (1915), S. 99. 62 Hausmann, ebd. S. 102. 63 Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band 2, Anhang, S. 466. 64 Vgl. Mayer, ebd.; vgl. auch Mayer, JW 1918, S. 159: „die Bundesstaaten sind als Staaten grundsätzlich frei und in ihrer Wirksamkeit der Aufsicht des Reiches, ihres Bundes, nur für die ihm zugewiesenen gemeinsamen Angelegenheiten und so weit unterstellt, als sie nötig gefunden haben. Man mag sich dieses Grundverhältnis zwischen Reich und Bundesstaaten anders zurechtlegen; ein einfaches Untertanenverhältnis wird es niemals". 60
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der (zeitgenössischen) Rechtsordnung führe: „spärliche Ansätze eines geordneten Rechtsschutzes, überall Machtfrage und Selbsthülfe." 65 Auch die Bundesexekution sei nichts anderes „als geordnete Selbsthülfe." 66 Die dogmatische Konzeption einer geteilten Staatsgewalt sah Mayer also nicht für ungeeignet an, Rechte der Gliedstaaten zu konstruieren und zu bewehren, - auch gegenüber unberechtigten Exekutionsakten; aber für ihn war der Schutz dieser Rechte durch den bei Bundespflichtverletzungen gemäß Art. 19 RV (1871) zur Exekution berufenen Bundesrat zu politisch und das heißt kein befriedigender Rechtsschutz. Wahrscheinlich fehlte Mayer deswegen ein Anreiz, eine Dogmatik der Rechtsverletzungen im Bundesstaat auszuarbeiten. G. Jellinek und Laband als Vertreter einer im Bundesstaat geteilten Staatsgewalt haben die Dogmatik weiter vorangetrieben. Das mag zum Teil daran gelegen haben, daß im Modell geteilter Staatsgewalt mehr dogmatisch umsetzbare Polarität zwischen Reich und Ländern steckte als im Modell einer nur in der Ausübung geteilten Staatsgewalt. Aber auch Haenel, auf dessen Vorbild sich Gierke zwar berufen hatte, 67 der sich aber nicht eindeutig in die hier gebildeten Kategorien einordnen läßt, 68 hat einen entsprechend fortentwickelten dogmatischen Entwurf vorgelegt. Die drei genannten Autoren haben einen Rechtsanspruch der Einzelstaaten gegen die Reichsgewalt darauf anerkannt, daß sich diese jedes Übergriffs in das jenseits der Reichskompetenz liegende Gebiet enthalte. Jellinek hat das in einer sehr allgemeinen Weise getan; Laband und Haenel haben diesem Anspruch weitere Konturen durch ihre Ausführungen zur Reichsaufsicht und Reichsexekution gegeben. Bei allen drei Autoren ist zu klären, ob sich der besagte Rechtsanspruch gegen jede Art rechtswidriger Reichssingerenz richtet, oder ob er enger gefaßt ist. 69 Auch im Bundesstaatsrecht arbeitet G. Jellinek mit seiner Statuslehre. Im status libertatis seien die Gliedstaaten von der Bundesstaatsgewalt gänzlich befreit, im status passivus kämen sie bundesstaatsrechtlich ausgesprochenen 65
Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Band 2, Anhang, S. 466. Mayer, ebd. 67 Vgl. Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, S. 71. 68 Haenel, Deutsches Staatsrecht, S. 206 f. rechnet sich insofern zur Schule Gierkes, als es auch ihm um eine organische Lehre vom Staat und Bundesstaat geht, die „die Einzelstaaten nicht nur von einzelnen Seiten her . . . , sondern in ihrer Totalität als eingefügt in eine staatliche Gesamtordnung, die der Bundesstaat, das Reich selber ist, erachtet." Andererseits distanziert er sich von Gierkes „eigenartiger Konstruktion" (ebd. S. 207). Gibt er den Einzelstaaten eine selbständige Rechtssphäre, in der diesen „das ausschließliche Recht" und das weder „vom Reich oder sonst wem abgeleitete Recht" gebührt, dann kann er schwerlich vertreten, die Einzelstaaten übten insofern nur abgeleitet eine ungeteilte Staatsgewalt aus. 69 Vgl. zum Folgenden schon Kapitel 2.2.1.1. 66
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Verpflichtungen nach und im status positivus könnten sie Ansprüche gegenüber der Bundesgewalt erheben. 70 Dabei bestimme sich der Grad der Unterwerfung im status passivus anhand der Bundesgesetze, also nach Maßgabe der Bundesverfassung und der einfachen Reichsgesetze. Aber nur wenn diese Grenzen der Unterwerfung ernstgenommen würden, ließe sich der status libertatis schützen: „Also Anerkennung der bundesrechtsfreien Sphäre, welche daher den Anspruch auf Unterlassung, beziehentlich Aufhebung der das Subjektionsverhältnis rechtswidrig ausdehnenden bundesstaatlichen Anordnungen in sich schließt" 71 . So bewehrt der status positivus, flankiert durch einen Rechtsschutzsanspruch, 72 die Grenze, die dem status passivus gegenüber dem status libertatis gesetzt ist. G. Jellinek erklärt sich nicht ausdrücklich dazu, ob der so konstruierte Abwehranspruch schon durch jede reichsgesetzwidrige Anordnung einer Reichsinstanz gegenüber einem - etwa ein Reichsgesetz vollziehenden Gliedstaat ausgelöst wird, weil darin die Überschreitung des bundesstaatlichen Subjektionsverhältnisses gelegen sei. Eine ausdrückliche Erklärung war hierzu aber auch nicht notwendig. Denn beschreibt G. Jellinek den status passivus der Gliedstaaten als einen durch bundesgesetzliche Normen in seiner Reichweite festgelegten Bereich, 73 dann ist er überall dort verlassen, wo die verfassungsrechtlichen oder -mäßigen Gesetze Anordnungen der Bundesgewalt nicht mehr tragen. Nur dieses Verständnis stimmt mit G. Jellineks Verweis auf das ihm parallel erschienene und von ihm parallel konstruierte Verhältnis von Bürger und Staat zusammen.74 In diesem Verhältnis soll das Individuum „vom Staat zu keiner gesetzwidrigen Leistung herangezogen werden und hat demnach einen auf Anerkennung seiner Freiheit beruhenden Anspruch auf Unterlassung und Aufhebung der diese Norm überschreitenden obrigkeitlichen Befehle." 75 Auch dort ist „alle Freiheit... Freiheit von gesetzwidrigem Zwang." 7 6 Den von ihm konstruierten bundesstaatlichen Rechtmäßigkeitsanspruch sieht G. Jellinek in seiner Zeit noch „nicht bereits überall durch entsprechende Einrichtungen garantiert" 77 , aber „von dem Nichtdasein eines geregelten Rechtsverfahrens" dürfe kein Rückschluß auf die Existenz von Ansprüchen gestattet werden. 78 Der Mangel einer Verfassungsgerichtsbarkeit im 70
Vgl. G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 296 ff. G. Jellinek, ebd. S. 298. Knappe Zustimmung bei Anschütz, Deutsches Staatsrecht, in: Kohler (Hrsg.), Enzyklopädie der Rechtswissenschaft, Vierter Band, S. 74. 72 Vgl. G. Jellinek, ebd. 73 Vgl. G. Jellinek, ebd. S. 296. 74 Vgl. G. Jellinek, ebd. S. 298 und auch ders., Allgemeine Staatslehre, S. 780. 75 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 103. 76 G. Jellinek, ebd. 77 G. Jellinek, ebd. S. 298. 78 G. Jellinek, ebd. S. 360. 71
3.2. Rechtszuweisung an die Länder
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Deutschen Reich und in der Schweiz biete einen „Fingerzeig für den Ausbau dieser Verfassungen" 79. In seiner Lehre von den Staatenverbindungen hat G. Jellinek allerdings den Bundesrat als eine bundesstaatliche Institution angesprochen, „welche die verfassungsmässigen Grenzen sowohl zwischen Bundes· und Gliedstaat einerseits, als auch andererseits der Gliedstaaten untereinander zu wahren hat." 8 0 Dabei nennt es G. Jellinek in aller Knappheit einen Mangel der Reichsverfassung, daß die Entscheidung über die Bundesexekution, welche „keinen anderen Zweck habe, als die Herstellung des verfassungsmäßigen Zustandes", nicht dem „unparteiischen Spruche des Richters überwiesen" 81 sei. Auch Laband und Haenel haben Abwehransprüche der Gliedstaaten gegenüber rechtswidrigen Bundesingerenzen anerkannt: „Solange die Rechtssphäre des Reiches durch eine bestimmte Linie abgegrenzt ist," kann laut Laband „jeder einzelne Staat verlangen, daß sich die Reichsgewalt eines Übergriffs in das jenseits dieser Linie liegende Gebiet enthalte." 82 Die Reichweite dieses Anspruchs bestimmt Laband, fährt er fort: „Dies gilt nicht nur von der verfassungsmäßig festgestellten Kompetenz, über welche hinaus auch die Reichsgesetzgebung nicht sich erstrecken darf, ohne daß den Erfordernissen der Verfassungsänderung Rechnung getragen wird; sondern ebenso auch von der durch gewöhnliche Reichsgesetze näher bestimmten Sphäre der Selbstverwaltung und Landesgesetzgebung, welche der Bundesrat bei seinen Verordnungen und der Reichskanzler sowie alle übrigen Reichsbehörden bei ihren Verfügungen respektieren müssen." 83 Neben der Reichsverfassung sind es für Laband die kompetenzgerechten Reichsgesetze, welche „das Mass der den Einzelstaaten überlassenen Selbstverwaltung auf den verschiedenen Gebieten der staatlichen Tätigkeit" bestimmen. 84 Dabei ist es für Laband zwar Sache des Reiches, die von den Ländern zu befolgenden Normen aufzustellen und die Befolgung durch die Länder zu kontrollieren, aber nicht minder ist für ihn das Reich an diese Normenordnung gebunden und können die Länder vom ingerierenden Reich deren Einhaltung fordern. Das Gremium, vor dem der Streit um die Rechtmäßigkeit auszutragen war, war für Laband der Bundesrat. 85
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G. Jellinek, ebd. G. Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 310. Die Bezugnahme auf den Bundesrat ergibt sich aus der Fußnote 88, die Art. 76 RV (1871) zitiert. Dieser Artikel bezieht sich allerdings nur auf Streitigkeiten zwischen Gliedstaaten und innerhalb von Gliedstaaten. si G. Jellinek, ebd. S. 310 f. mit Fn. 90. 82 Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 1, S. 128. 83 Laband, ebd. 84 Laband, ebd. S. 104. ss Laband, ebd. S. 111. 80
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
Eine grundsätzliche Stellungnahme zum Anspruch der Gliedstaaten auf rechtmäßige Behandlung durch die Reichsgewalt hat Haenel schon in einer kurz nach Inkrafttreten der Reichsverfassung erschienenen Studie abgegeben. 86 Wie schon Jellinek, so erschienen auch ihm die Rechtsverhältnisse zwischen Reichsgewalt und Einzelstaat einerseits und Reichsgewalt und Bürger andererseits darin parallel, daß „alle Gehorsamspflichten . . . nur verfassungsmäßige" 87 sind. Dort, wo der Staat Gehorsam auch gegenüber einer rechtswidrigen Ausübung seiner Gewalten fordern dürfe, müsse er im Gedanken der Rechtsordnung, die er verwirklichen solle, gleichzeitig ein geordnetes Verfahren und funktionierende Organe bereitstellen, um die Wiederherstellung des verletzten Rechts zu gewährleisten. 88 Zentral sei deswegen „die Frage nach den Rechtsmitteln, welche den Einzelstaaten gegenüber Rechtsverletzungen durch die Reichsgewalten zustehn." 89 In der Reichsverfassung fand Haenels frühe Studie als ausschließliches Rechtsmittel, „um die Behauptung einer Rechtsverletzung durch eine Anordnung, Massregel oder Einrichtung des Reiches zum Austrage zu bringen, die Berufung an den Bundesrath." 90 Diese Rechtsschutzform hat Haenel in seinem neunzehn Jahre später erschienenen Deutschen Staatsrecht zwar beibehalten, 91 aber zugunsten einer anderen in den Hintergrund treten lassen. Auch der neue Rechtsschutz war vom Bundesrat zu leisten. Haenel und Laband stimmten also nicht nur darin überein, den Gliedstaaten ein Recht auf rechtmäßige Behandlung durch die Reichsgewalt zuzugestehen, sondern auch darin, daß dieses Recht durch den Bundesrat zu schützen sei. Es bleibt die Frage, von welcher Art dieser Rechtsschutz war und in welchem Umfang er das benannte Gliedstaatenrecht schützte. Bei ihrer Beantwortung wird sich zeigen, daß Laband und Haenel in der hier interessierenden Frage zu gleichlautenden Ergebnissen gelangten, obwohl sie zur föderalen Rechtsschutzfunktion des Bundesrates ansonsten erheblich differierende Auffassungen vertraten. 92 Die Untersuchung der gestellten Frage setzt eine Skizzierung der maßgeblichen verfassungsrechtlichen Verfahren und Befugnisse voraus. 93 86
Vgl. Haenel, Die vertragsmässigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung, S. 260 ff. 87 Haenel, ebd. S. 261. 88 Vgl. Haenel, ebd. S. 262. 89 Haenel, ebd. 90 Haenel, ebd. S. 266 unter Berufung auf Art. 7 R V (1871), demzufolge jedes Bundesglied befugt war, dem Bundesrat Beratungsvorschläge zu machen, und auf Art. 19 RV (1871), weil der Reichsexekution eine Rechtsprüfung hätte vorausgehen müssen (ebd. S. 267). 91 Vgl. Haenel, Deutsches Staatsrecht, S. 769. 92 In der Frage, ob der Bundesrat ein geeignetes Organ sei, streitige Rechtsfragen in der Reichsaufsicht zu entscheiden, vertraten sie gegensätzliche und im Fortgang zu referierende Standpunkte.
3.2. Rechtszuweisung an die Länder
153
Nach der Reichsverfassung v o n 1871 hatte der Bundesrat über Mängel, welche bei der Ausführung der Reichsgesetze hervortraten ( A r t . 7 Z i f f . 3) u n d über die E x e k u t i o n gegen ein Bundesglied, das seine verfassungsmäßigen Bundespflichten nicht erfüllte ( A r t . 19), zu entscheiden. I n beide Verfahren konnte ein Gliedstaat dann gelangen, wenn er nicht bereit war, eine Rechtsauffassung des Reiches zu übernehmen und ihr entsprechend zu handeln. D a b e i war es anerkannter Z w e c k der Reichsauf sieht, nachzuprüfen u n d festzustellen, ob der Beaufsichtigte die i h m obliegenden Pflichten richtig erfüllte oder ob er sie handelnd oder unterlassend verletzte. 9 4 Pflichtwidrig war jeder Ungehorsam
gegenüber den Reichsgesetzen sowie die Gefährdung
von
Reichsinteressen; 9 5 letzterem lag eine Pflicht zugrunde, die S m e n d 9 6 i n der Figur der Bundestreue auf einen noch heute verwandten juristischen Begriff gebracht hat. W e n n ein Gliedstaat i m R a h m e n der Reichsgesetzvollziehung von einer Gesetzesauslegung ausging, die einer zuständigen Reichsbehörde fehlerhaft erschien, konnte sie ein konkretes Aufsichtsverfahren i n i t i i e r e n . 9 7 D a b e i war sie dem Gliedstaat u n d seinen Behörden gegenüber i n der Sache grundsätzlich nicht weisungsbefugt. 9 8 W o l l t e das L a n d freiwillig nicht einlen93 Ausführliche neuere Darstellungen zur Reichsaufsicht und Reichsexekution geben Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band I I I , S. 1022 ff. und 1029 ff. sowie Mußgnug, in: Jeserich / Pohl / von Unruh, Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 3, S. 199 ff. 94 Vgl. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 1, S. 109; Meyer I Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, S. 941 und Haenel, Deutsches Staatsrecht, S. 301 ff. Als weiterer Zweck der Reichsaufsicht war die Vorbereitung der Reichsgesetzgebung anerkannt. Zu diesem Zweck sollte das Reich von allem Kenntnis nehmen dürfen, „was im Reichsgebiet in solchen Angelegenheiten, die zu seiner Kompetenz gehören, vorgeht". So für andere Rönne, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Zweiter Band, Erste Abtheilung, S. 65. 95 Vgl. nur Laband, ebd. S. 109. Dabei meinte die Pflicht zur richtigen Anwendung der Reichsgesetze mehr als Legalität, sondern sollte auch Fragen der Zweckmäßigkeit einbegreifen. Deswegen sollte die Reichsaufsicht auch mehr als reine Rechtskontrolle sein. Vgl. Laband, DJZ 1910, S. 910; zum Aufsichtsmaßstab rechts- und dogmengeschichtlich Frowein, Die selbständige Bundesaufsicht, S. 23 ff. 96 Vgl. Smend, Ungeschriebenes Verfassungsrecht im monarchischen Bundesstaat, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 39 ff. 97 Dazu Triepel, Die Reichsauf sieht, S. 649 ff. 98 Das Reich hatte das Recht der Beanstandung. In ihr wurde ausgesprochen, daß sich eine Maßnahme des betreffenden Einzelstaates in Widerspruch zu berechtigten Anforderungen des Reiches befinde und der Einzelstaat deswegen zur Abhilfe verpflichtet sei. Der Beanstandung wurden drei Rechtswirkungen zuerkannt: Erstens verpflichtete sie den Einzelstaat zu der Einlassung, ob ihm die Beanstandung berechtigt erscheine und er sich deswegen zur Abhilfe verpflichtet und bereit halte. Zweitens verbot sie dem Einzelstaat endgültige Maßnahmen in der Angelegenheit, die eine nachträgliche Korrektur verunmöglichten. Drittens verpflichtete sie das Reich im Falle des Bestreitens der Beanstandung durch den Einzelstaat die Sache vor den Bundesrat zu bringen. Vgl. Haenel, Deutsches Staatsrecht, S. 311 f.; vgl. auch Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 1, S. 113; Triepel, Die Reichsauf sieht, S. 643 und 646 sowie Dambitsch, Die Verfassung des Deutschen Reiches, S. 232: „Soweit aber die Ausführung den Landesbehörden obliegt, können natürlich unmittelbare Anweisungen von keinem Reichsorgan gegeben werden."
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
ken, dann stand es der Reichsexekutive offen, ihr Recht vor dem Bundesrat zu suchen. Zog der unterlegene Gliedstaat aus dem Bundesratsbeschluß nicht die richtigen Konsequenzen," dann konnte er im Wege der Reichsexekution, die auch vom Bundesrat zu beschließen war, zum Gehorsam gezwungen werden. Die entscheidenden Akte, mit denen das Reich seine Rechtsauffassungen zur Geltung brachte, ergingen folglich erst nach Rechtsprüfung durch den Bundesrat. Die Gliedstaaten waren also nicht in der Situation, ihres Erachtens rechtswidrige Reichsweisungen mit Hilfe des Bundesrates abwehren zu müssen, sondern die Reichsexekutive war gezwungen, ihre Rechtsansichten mit Hilfe und nach Überzeugung des Bundesrates gegenüber den Gliedstaaten durchzusetzen. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Situation in den Weisungsfällen im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung, wo es an den Ländern liegt, sich gegenüber zunächst zu befolgenden Weisungen zu verteidigen. 100 Aufgrund des betonten Situationsunterschiedes mußte es der zeitgenössischen Dogmatik nicht überaus wichtig erscheinen, Rechte der Länder auf rechtmäßige Behandlung durch das Reich zu konstruieren. Die Beschränkung dessen, was die Reichsgewalt von den Gliedstaaten verlangen und der Bundesrat daher beschließen durfte, auf das Rechtmäßige, hatte den gleichen Effekt wie die Gewährung von Abwehrrechten an die Gliedstaaten. Im Verfahren der Reichsaufsicht waren Abwehrrechte der Länder und Rechtsbindung des Reiches insoweit funktionale Äquivalente, wenn auch rechtstechnisch etwas Verschiedenes. Daher bedeutete es einen weitreichenden Schutz für die Rechtssphäre der Länder und darin das eigene Rechte der Länder, oder wie Haenel 101 es sagte, die „Sache" der Länder, die Reichsgesetze auszuführen, 102 erklärte er: „Nie99 In der zeitgenössischen Literatur war ungeklärt, ob der Bundesratsbeschluß eine befehlende Einzelfallentscheidung enthielt (so vor allem Triepel, Die Reichsauf sieht, S. 638 ff.), oder ob er nur eine Belehrung darstellte, „welche der Bundesrat den einzelnen Regierungen über den Inhalt ihrer allgemeinen verfassungsmäßigen Bundespflicht, die Reichsgesetze zu beobachten, für den besonderen Fall, erteilt" (so Laband, ebd. S. 112; ähnlich Rümelin, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Bd. 39 (1883), S. 213, Fn. 2 und Bd. 40, S. 658). Aber auch für die zweite Meinung war der Bundesratsbeschluß verbindlich. Auf ihn konnten ein kaiserlicher Mängelberichtigungsbefehl und die Reichsexekution gestützt werden. Vgl. auch Arndt, Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 7, Anm. 11), S. 131 zur mangelnden direkten Vollstreckbarkeit des Mängelfeststellungsbeschlusses . 100 So die ganz herrschende Meinung; vgl. nur Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Art. 85, Randnr. 53, (1987). Zwang wird allerdings auch hier nur im Rahmen eines Exekutionsverfahrens zur Anwendung kommen, aber zur Auslösung von Zwangsmaßnahmen soll hier schon der schlichte Nichtvollzug einer (möglicherweise später abwehrbaren) Weisung genügen; vgl. Lerche, ebd., Randnr. 53 und 64. 101 Haenel, Deutsches Staatsrecht, S. 306. 102 Dieses Recht war allgemein anerkannt. Vgl. nur Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 1, S. 102; Zorn, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Erster Band, S. 110 mit Fn. 7 wandte sich nur dagegen, daß dieses Recht den Einzelstaaten verblieben und nicht übertragen sein solle.
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mais aber kann hier das Recht und das Interesse des Reiches dahin gehen, den Einzelstaat zu zwingen oder zu ermächtigen, irgend etwas zu thun oder zu lassen, was mit seiner Verfassung oder seinen Gesetzen, seinen Rechts Verordnungen oder Verträgen in Widerspruch steht." 1 0 3 Den gleichen Schutz sieht Laband gewährleistet, dient ihm die Reichsauf sieht, wenn auch neben anderen Zielen, so doch in erster Linie der richtigen Anwendung der Reichsgesetze 104 , und war daher auch für ihn der Bundesrat berufen, den Streit zwischen der Reichsexekutive und Gliedstaaten um die Richtigkeit einer Rechtsmeinung zu entscheiden. 105 Auch Triepel hat in seinem grundlegenden Werk zur Reichsauf sieht diesen Schutzgehalt deutlich herausgestellt: „Das Reich kann von keinem Einzelstaat verlangen, daß er das Recht breche!" 106 Das galt ihm „für jede Art der Reichsaufsicht" 107 . Das galt aber nicht minder im Bereich der Reichsexekution. Durfte das Reich von den Einzelstaaten keinen Rechtsbruch verlangen, dann konnte der Einzelstaat durch Gehorsamsverweigerung gegenüber einem Unrechten Verlangen 108 auch keine verfassungsmäßigen Bundespflichten verletzen. Jeder Exekutionsbeschluß des Bundesrates involvierte für die zeitgenössiche Dogmatik „eine richterliche Sentenz" 109 , die die Frage der Rechtmäßigkeit des den Ländern von der Reichsexekutive angesonnenen Verhaltens mit einbegriff. Aus diesem Grunde konnte Haenel 110 die Herbeiführung eines Exekutionsfalles durch einen Einzelstaat zurecht „eine qualifizirte Berufung des in seinem verfassungsmässigen Rechte angeblich verletzten Bundesstaates auf die Entscheidung des Bundesrathes" nennen. Der Bundesrat war also zum Schutz der Integrität der gliedstaatlichen Rechtssphäre als Rechtsinstanz gefordert. 111 Deswegen hat ihm die zeitgenös103
Haenel, Deutsches Staatsrecht, S. 306. Vgl. Laband, DJZ 1910, S. 910. tos Vgl Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 1, S. 111 und Band 2, S. 208. Vgl. auch von Mohl, Das deutsche Reichsstaatsrecht, S. 272, der den Bundesrat dazu bestimmt sah, die verfassungsrechtliche Stellung der Gliedstaaten gegenüber versuchten Übergriffen des Reichs zu bewahren. 104
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Triepel, Die Reichsauf sieht, S. 510 unter Rückgriff auf S. 450. Triepel ebd. Auch für Triepel war die richtige Anwendung der Gesetze zentraler Zweck der Reichsauf sieht. Damit war aber nicht nur an den Schutz der Einzelstaaten, sondern ebenso an den der Gesetzgebungskompetenz des Reiches gedacht: „Ohne das Recht der Beaufsichtigung würde das Recht der Gesetzgebung ein Messer ohne Klinge sein" (Triepel, Festgabe für Paul Laband, Zweiter Band, S. 303). 108 Die Exekution wurde erst nach Ermahnung zur Erfüllung der dann auch bezeichneten Bundespflicht eingeleitet. Vgl. nur Zorn, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Erster Band, S. 139. 109 Laband, Annalen des Deutschen Reiches, Bd. 6 (1873), Sp. 405. Meyer / Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, S. 937, Fn. 18 und Haenel, Deutsches Staatsrecht, S. 446 und 448. 110 Haenel, Die vertragsmässigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung, S. 267. 111 Auch im Ausnahmezustand (sog. Reichsbelagerungszustand), in dem der Kaiser einen Teil des Reiches „in Kriegszustand" erklärte (vgl. Art. 68 RV 1871), mußten die 107
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
sische Literatur mehr 1 1 2 oder weniger 113 nachhaltig die Wahrnehmung rechtsprechender Funktionen zugeschrieben. Aber weil der Bundesrat im Aufsichtsund Exekutionsverfahren nicht nur über Rechtsfragen zu entscheiden hatte, sondern auch Fragen der Zweckmäßigkeit beantworten und politische Gesichtspunkte berücksichtigen mußte, wurde ihm die Qualität eines Gerichtshofes abgesprochen. 114 Und weil der Bundesrat nach Zusammensetzung und Verfahren, als sog. curia parium, für manche Rechtslehrer ungeeignet schien, Rechtsfragen richtig und unbefangen zu entscheiden, 115 forderten sie seine getroffenen Verfügungen vor dem Bundesrat gerechtfertigt werden (vgl. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 4, S. 51). 112 Vgl. Meyer / Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, S. 937, Fn. 18 und S. 943, wo von dem „Charakter eines Richterspruches" bzw. von einer „einem verwaltungsgerichtlichen Urteil vergleichbare(n), formell rechtskräftige(n) . . . Entscheidung", die Rede ist. Demgegenüber ist Anschütz, in: Verhandlungen des Dreißigsten Deutschen Juristentages, Erster Band, S. 495 die Vergleichung des Bundesrates mit einem obersten Verwaltungsgericht „eben nur ein Gleichnis." Für Kiefer, Das Aufsichtsrecht des Reiches über die Einzelstaaten, S. 59 entscheidet der Bundesrat im Falle des Art. 7 Ziff. 3 RV (1871) „als richterliche Behörde". 113 Vgl. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 1, S. 267: Die Beschlußfassung des Bundesrates gemäß Art. 7 Ziff. 3 RV (1871) schließe „in gewissem Maße eine Verwaltungsjurisdiktion in sich"; vgl. auch S. 262. In DJZ 1910, S. 910 und A ö R Bd. 20 (1910), S. 364 f. betont Laband die Verschiedenheit von Aufsicht und Verwaltungsjurisdiktion bzw. von Aufsicht und Rechtsprechung überhaupt. Vgl. weiter Schoenborn, Das Oberaufsichtsrecht des Staates im modernen deutschen Staatsrecht, S. 28 ff. und Triepel, Die Reichsaufsicht, S. 663: „Das Aufsichtsverfahren i s t . . . nicht als ein verwaltungsgerichtliches Verfahren im technischen Sinne angelegt." 114 So schon 1873 von M ohi, Das deutsche Reichsstaatsrecht, S. 273 und etwa Sievert, Die Zuständigkeit des deutschen Bundesrates zur Erledigung von Verfassungs- und Thronfolgestreitigkeiten, S. 75; nur Kiefer, Das Aufsichtsrecht des Reiches über die Einzelstaaten, S. 59 hat vom Bundesrat als einer „richterliche(n) Behörde" gesprochen; dabei ist sehr fraglich, ob richterliche Behörde, als Ausdruck der rechtsprechenden Funktion einer Institution, mit Gerichtshof, als durch Zusammensetzung und Verfahren gekennzeichnetem Spruchkörper, gleichgesetzt werden kann. 115 Die behauptete Ungeeignetheit des Bundesrates wurde mehrfach belegt: Unverträglich für eine richtige Rechtsfindung sei zum einen, daß der „Angeklagte" mit auf der Richterbank sitze, daß die „Richter" nicht nach ihrer Überzeugung und aus dem Inbegriff der Verhandlung ein Urteil fällen würden, sondern nach Instruktionen ihrer Regierungen, daß sie mit unterschiedlichem Stimmgewicht ausgestattet wären und daß ihr „Urteil" ohne Begründung bliebe. Vgl. Triepel, Die Reichsauf sieht, S. 697 und Binding, DJZ 1899, 72 ff., der deswegen den Bundesrat „als Richter ein welthistorisches Unikum" nennt (S. 72). Auch in Labands Frühschriften finden sich Zweifel an der Eignung des Bundesrates zur Rechtsfindung; vgl. Laband, Annalen des Deutschen Reiches, Bd. 6 (1873), Sp. 486 und ders., Das Budgetrecht, S. 49, wenn auch zum Bundesrat des Norddeutschen Bundes. Kritik rührte auch daher, daß der Bundesrat sich häufig als reines „Kommunikationsorgan" (so Triepel, Unitarismus und Föderalismus, S. 74) aufführte, das bis zur Entmutigung des Reichskanzlers eine Entscheidung umging und die Verständigung suchte. Manches Aufsichtsverfahren wurde zu einer „klägliche(n) Geschichte" (so Thoma, Verhandlungen des Dreißigsten Deutschen Juristentages, Erster Band, S. 67, Fn. 30 und Triepel, Die Reichsauf sieht, S. 695). Robinson (Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Bd. 53 (1897), S. 626), ein amerikanischer Beobachter, sah sogar die „Verteidigung der Reichsverfassung . . . an ihre natürlichen Feinde ausgeliefert". Smend (Ungeschriebenes Verfassungsrecht im monarchischen
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Ablösung in der rechtsfindenden und -sprechenden Funktion durch einen Gerichtshof 116 und beriefen sich dabei zum Teil auf den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. 117 Diese Forderung zeigt, wie ernst es der damaligen Rechtswissenschaft um die Bewehrung der gewaltenteiligen Grenzlinien zwischen Reich und Ländern und die Garantie der Rechtmäßigkeit im Umgang beider Gewalten miteinander zu tun war. Der Ertrag der spätkonstitutionellen Dogmatik ist daher nicht auf eine facettenreich konstruierte bundesstaatliche Gewaltenteilung beschränkt, sondern umfaßt ebenso die Konstruktion juristisch verbindlich abgegrenzter und verteidigbarer Rechtsräume von Reich und Ländern. Dabei konnte ein allgemeiner Abwehranspruch der Länder gegenüber rechtswidrigen Reichsingerenzen aufgezeigt werden. Es konnte auch gezeigt werden, daß die besondere Verfahrensweise in der Reichsaufsicht und -exekution garantierte, daß die Länder unter anderem bei Ausführung der Reichsgesetze nicht zu rechtswidrigem Handeln gezwungen werden konnten. 118 Dieser Ertrag eines Länderrechtes auf rechtmäßige Reichsgesetzausführung spricht dafür, in Art. 30 GG entsprechende Garantien hineinzulesen. Transferüberlegungen soll aber nicht Raum gegeben werden, bevor der Ertrag der Weimarer Dogmatik erarbeitet ist. 3.2.2.2. Staatsrechtliche Lehren der Weimarer Zeit
Mit der Kontinuität des Deutschen Reiches beim Übergang von der Verfassung des Kaiserreiches zur Weimarer Verfassung ging die der Staatsrechtslehre einher. Personelle Kontinuität und das später nur selten überschrittene Niveau der vor dem und im Umbruch des Jahrhunderts entwickelten Lehren bürgten für die Anknüpfung und Übernahme. Erträge aus Diskussionen in der konstruktiven Epoche der deutschen Staatsrechtswissenschaft sind in Weimarer Debatten dann auch mehr als theoretische Fundierung und Reservoir an Bundesstaat, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 46, Fn. 9) schrieb über die Kennzeichnung des Bundesratsbeschlusses als bundesfreundliches Avertissement: „Staatsrechtlich kann das Verhältnis nicht unrichtiger, tatsächlich-politisch nicht zutreffender geschildert werden." 116 Vgl. vor allem Binding , DJZ 1899, S. 74 ff. unter Berufung auf das Vorbild des § 126 RV (1849) und Triepel, Die Reichsauf sieht, S. 702 ff., die einen Staatsgerichtshof forderten; demgegenüber ablehnend Laband, DJZ 1901, S. 3 unter Berufung auf den dann eintretenden Verlust föderaler Elemente der Reichsverfassung; warnend auch Thoma, ebd. S. 106. In DJZ 1910, S. 910 hat Laband dargelegt, daß das Vorhaben eines Reichs-Verwaltungsgerichts die Funktionen des Bundesrates in der Reichsaufsicht nicht mehr beeinträchtigen könne, als es jede andere Gerichtsbarkeit auch tue; dazu Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 1, S. 112. 117 Haenel, Die vertragsmässigen Elemente Deutschen Reichsverfassung, S. 269; vgl. auch ders., Deutsches Staatsrecht, S. 769 f. und Binding, DJZ 1899, S. 72. 118 Jedenfalls nicht in höherem Maße als das immer bei letztinstanzlichen Rechtsentscheidungen, die befolgt werden müssen, der Fall ist.
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
Argumentationsschablonen zur Lösung vorwiegend verfassungstextbezogener Interpretationsprobleme genutzt, denn aus theoretischen Überlegungen destruiert und verworfen worden. 119 Die dogmatische Arbeit aus der Zeit des Spätkonstitutionalismus half aber nicht nur, die durch das neue Sprachgewand der Verfassung gestellten Probleme abzuarbeiten, sondern hatte schon bei der Formulierung der neuen Verfassung Berücksichtigung gefunden. Und gerade für das Rechtsgebiet der Reichsauf sieht wurde hervorgehoben, daß bei der Verfassungsgebung „die Forschungen der modernen Staatsrechtswissenschaft . . . in dankenswerter Weise verwertet" 120 worden seien. Angesichts dieser Lage kann der Nachweis nicht überraschen, daß auch die Weimarer Dogmatik von einer verbindlich verstandenen bundesstaatlichen Gewaltenteilung ausgegangen ist, daß sie Rechte der Länder auf rechtmäßige Behandlung durch das Reich kannte und daß sie diese auch in der Reichsaufsicht und Reichsexekution geschützt sah. Der ausstehende Nachweis wird in zwei Etappen erbracht. In der ersten Etappe werden die Weimarer Konzeptionen einer bundesstaatlichen Gewaltenteilung und die in sie konstruktiv eingepaßten Länderrechte auf rechtmäßige Behandlung durch das Reich vorgestellt. Die zweite Etappe widmet sich dem Schutz des Rechtmäßigkeitsanspruches gegenüber Maßnahmen der Reichsaufsicht und Reichsexekution. Beide Rechtsinstitute eröffneten dem Reich den Zugriff auf das Länderhandeln in Materien einzelstaatlicher Zuständigkeit, 121 etwa durch Weisungen im Rahmen der Ausführung der Reichsgesetze durch die Länder. Das angeführte Weisungsbeispiel hat mit den Weisungsfällen in der Bundesauftragsverwaltung gemein, daß es sich beidesmal um Landesverwaltung handelt, daß in beiden Fällen die Ausführung der Gesetze grundsätzlich Sache der Länder ist. 1 2 2 Diese Gemeinsamkeit besteht demgegenüber nicht im Verhältnis zur Weimarer Reichsauftragsverwaltung, die eine Reichsverwaltung war. In ihr agierten nicht die Länder als Rechtsträ119
Allein Kelsen, der allerdings mit seinen „Hauptproblemen der Staatsrechtslehre" den Pflock seines Ansatzes noch in der spätkonstitutionellen Epoche geschlagen hatte, hat nahezu alle im spätkonstitutionellen Schrifttum traktierten Problemstellungen erschlossen, aufgelöst und dafür die schon herangereiften Lösungen zu schnittigen, teils schroffen, aber konsequenten Auffassungen und Ergebnissen vorangetrieben. Davon hat auch die Bundesstaatslehre profitiert, wenngleich sich, wie im Fortgang zu zeigen ist, unter die weiterführenden Erkenntnisse für das Kelsensche Konzept so überflüssige wie dogmatisch unergiebige Festlegungen gemischt haben. 120 Cohny Die Reichsauf sieht über die Länder, S. 64 121 Für Maßnahmen der Reichsaufsicht war „das Dasein einzelstaatlicher Zuständigkeit" sogar Voraussetzung. So Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 15 Anm. l.c) 122 Das hat für die Bundesauftragsverwaltung Kapitel 2.4. ergeben. Insofern steht die Bundesauftragsverwaltung dem landeseigenen Vollzug der Bundesgesetze gleich und hat wie dieser in der Regelung der Art. 14, 15 W R V seinen Vorläufer. Dazu, daß die Ausführung der Reichsgesetze gemäß Art. 14 W R V Sache der Länder war, vgl. Anschütz y ebd. Art. 14 Anm. 1.
3.2. Rechtszuweisung an die Länder
159
ger und föderale Gegenspieler des Reiches, sondern das Reich unter Nutzung von sächlichen und personellen Ressourcen der L ä n d e r v e r w a l t u n g e n . 1 2 3 I n der Reichsauftragsverwaltung wie überhaupt i n der Reichsverwaltung spielten die Länder aufgrund verfassungsrechtlicher
Ermächtigung der Reichsgewalt 1 2 4
keine gewaltenteilende Rolle. Für die Untersuchung des Garantiegehalts einer N o r m , die Aufgaben u n d Befugnisse grundsätzlich zur Sache der Länder bestimmt, ist die D o g m a t i k einer Verwaltungsform, i n der die Länder keine Sachaufgaben und Sachbefugnis haben, i n der Regel ohne Interesse. 1 2 5 Sie bleibt daher i n diesem K a p i t e l unberücksichtigt. Daß Bundesstaatlichkeit u n d vertikale Gewaltenteilung zusammengehören, war den Weimarer A u t o r e n unfraglich. D i e Mehrzahl dieser A u t o r e n nahm dabei ein „Nebeneinanderbestehen zweier selbständiger echter Staatsgewalten i m Bundesstaat" 1 2 6 an, die Minderzahl, die „das oft erzählte Märchen v o m Staatscharakter des Oberstaates u n d der Gliedstaaten i m Bereich des Bundesstaates nicht mehr g l a u b e n " 1 2 7 konnte, paßte die vertikale Gewaltenteilung i n ein M o d e l l v o n Bundesstaatlichkeit ein, i n dem die Länder nur noch als abgeleitete Hoheitsträger aufgrund abgeleiteten Rechts agierten. 1 2 8 Daß sich bun123 Zum Charakter der Reichsauftragsverwaltung als mittelbarer Reichsverwaltung und Mediatverwaltung vgl. Kap. 2.2.1.2. und Heinemann, Die Reichsauf tragsverwaltung, S. 17, Molls, Auftragsverwaltung in Reich und Ländern, S. 53 ff., StGH, v. 12. Dezember 1925, R G Z 112, Anhang S. 33/43, sowie aus neuerer Zeit Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 6, S. 483 f.,645 f. und Mußgnug, in: Jeserich u. a. (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Band 4, S. 339 ff. 124 Das Vorliegen einer verfassungsrechtlichen Ermächtigung zur Schaffung einer Reichsauftragsverwaltung in Art. 14 W R V war allerdings umstritten. Vor allem Forsthoff, AöR Bd. 19 N.F. (1930), S. 81, wandte sich entschieden gegen die Zulässigkeit einer solchen Verwaltungsform ohne Verfassungsänderung. Zum Streitstand vgl. Kap.
2.2.1.2.
125 Ein anderes würde nur dann gelten, wenn sich zeigen ließe, daß den Ländern in der Reichsauftragsverwaltung eine ebenso starke Rechtsstellung zukam wie in der reichsgesetzvollziehenden Landesverwaltung. Abwehrrechte der Länder gegenüber rechtswidrigen Maßnahmen in der Reichsauftragsverwaltung sind aber nie diskutiert worden. Daraus kann der Schluß gezogen werden, sie hätten auch nicht existiert. Andererseits wurde Art. 19 W R V , demzufolge der Staatsgerichtshof in allen „Streitigkeiten nichtprivatrechtlicher A r t . . . zwischen dem Reiche und einem Lande" entschied, weit ausgelegt und als Auffangtatbestand für alle föderalen Rechtsstreitigkeiten angesehen (vgl. beispielhaft die extensive Auslegung des Art. 19 W R V in StGH, v. 9. 12. 1929, R G Z 127, Anhang S. 25/33 f. und StGH, v. 11. 7. 1930, R G Z 129, Anhang S. 9/18). Jede Folgerung in der einen oder anderen Richtung bliebe aber angesichts der dünnen Materiallage spekulativ. 126 Fleiner, WDStRL 6 (1929), S. 3. Vgl weiter Grau, Festschrift für E. Heinitz, S. 358 u. 415; Nawiasky, Der Bundesstaat als Rechtsbegriff, S. 63 und 67 („Man könnte bildlich von einer vertikalen an Stelle der horizontalen Teilung sprechen."); Anschütz W D S t R L 1 (1924), S. 1 ff. ; Bilfinger, W D S t R L 1 (1924), S. 41; Schmitt, Verfassungslehre, S. 389 zur Gewaltenteilung im „Bundesstaat ohne bündische Grundlage". Vgl. auch ders., Das Problem der innerpolitischen Neutralität des Staates, in: Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 53. 127 Merkl, Zeitschrift für öffentliches Recht, Band I I (1921), S. 337. Vgl. auch Heller, Die Souveränität, S. 115 ff.
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
desstaatliche Gewaltenteilung auch im Rahmen eines solchen Bundesstaatsmodells konstruieren läßt, soll im Nachvollzug des Kelsenschen Ansatzes gezeigt werden. Einen irreversiblen Umbruch in der Architektonik des Bundesstaates hat Kelsen mit dem rechtstheoretischen Aufweis vollzogen, daß jede sogenannte staatenverbindende Gesamtordnung, ob Staatenbund oder Bundesstaat, nur eine Form von dezentralisierter Rechtsordnung darstellen könne, in welcher dann auch den Bundesgliedern nur noch der Stellenwert abgeleiteter Hoheitsträger zugeschrieben sei. 129 Wem staatliche Organe gehörten und wessen die von ihnen geübte Gewalt sei, ist für Kelsen eine Frage normativer Zurechnung. Normative Zurechnung richte sich aus an der geltenden Rechtsordnung. Organe, Gewalt und Akte könnten nur insofern und insoweit als Staatsorgane, Staatsgewalt und Staatsakte erfaßt werden, als Rechtsnormen diese Zurechnung erlaubten. 130 Rechtsordnung ist aber bei Kelsen keine wähl- und zusammenhanglose Anhäufung von Normen, sondern verlangt deren gegenseitige Zuordnung in einem System. Normenzuordnung erfolgt durch Aufeinanderbeziehung von Normen. Diesen gegenseitigen Normbezug stellt Kelsen durch den Bau einer Normenpyramide her, in der jede Norm ihre Geltung aus dem Ableitungszusammenhang mit einer übergeordneten, sie tragenden und an sie Normativität weitergebenden und Rechtsgewalt delegierenden Norm erhält. 131 Die Spitze der Pyramide bildet die sog. Grundnorm, mit der Kelsen den Sprung in die normative Sphäre, in die Welt des Sollens schafft und die dem Inhalte nach den Ableitungszusammenhang durch Nennung der obersten zur Delegation berufenen Stelle eröffnet. 132 Die die Gliedstaaten verfassenden Normen muß Kelsen folgerichtig in eine übergeordnete Rechtsordnung einbinden und er muß die Rechtsordnung zur Erklärung von Bundesstaat wie Staatenbund bis auf die bündische Ebene derselben mitwachsen lassen, 133 anderenfalls könnten der Bund, seine Organe, Gewalt und Akte juristisch überhaupt nicht erfaßt werden. Der normative Einheitsbezug verhindert für Kelsen aber nicht die Aufteilung von Organen, Staatsgewalt und Kompetenzen auf mehrere Rechtsträger im Bundesstaat. Unverzichtbar ist für ihn nur deren normative Integration, die Erkenntnis ihrer auf normativer Dezentralisierung beruhenden Natur und ihrer auch nur relativen Rechtsfähigkeit, sowie ihr Durchgangscharakter im Prozeß normativer Zurechnung. 134 Das schließt für eine rechtsformale 128
Vgl. Merkl, ebd. S. 337 f., Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 190 ff. und Heller, ebd. S. 110 ff. 129 Vgl. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 193 ff. 130 Vgl. Kelsen, ebd. S. 192. 131 Vgl. Kelsen, ebd. S. 98 f. 132 Vgl. Kelsen, ebd. S. 84. 133 Vgl. Kelsen, ebd. S. 165. 1 34 Vgl. Kelsen, ebd. S. 190 ff.
3.2. Rechtszuweisung an die Länder
161
Betrachtung der Bundesstaatsglieder Prädikate wie Souveränität und Staatlichkeit aus. Drei Bestandteile unterscheidet Kelsen im Bundesstaat: zunächst „die Verfassung, durch die die Einheit der Gesamtordnung konstituiert wird. Diese Norm (oder dieser Normenkomplex) muß sowohl in territorialer wie in sachlicher Hinsicht mit Geltung für das Gesamtgebiet der Totalordnung auftreten, wenn sie auch, ja gerade weil sie die gesamte sachliche Kompetenz auf eine Zentralordnung und mehrere Lokalordnungen aufteilt . . . Auf Grund der Gesamtverfassung und von ihr delegiert, stehen . . . zwei weitere Normkreise, die - der delegierenden Gesamtverfassung gegenüber - als delegierte Teilordnung erscheinen: eine mit räumlicher Geltung für das Gesamtgebiet und mehrere mit räumlicher Geltung für Teilgebiete. Bezeichnet man die erstere als Oberstaat und die letzteren als Gliedstaaten, so sind beide tatsächlich einander koordiniert, besteht tatsächlich zwischen beiden kein Delegationsverhältnis. Es sind somit die sog. Gliedstaaten dem Oberstaat nicht untergeordnet... Diese Gesamtverfassung ist es, die als Bundesstaat im eigentlichen Sinne zu bezeichnen ist." 1 3 5 Kelsen erhält so eine Gesamtverfassung, der als Gesamtstaat der Bundesstaat entspricht, und zwei normative Teilordnungen, die des sog. Oberstaates oder Bundes und die der sog. Gliedstaaten, wobei die Gesamtverfassung „die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Gliedstaaten als Minimalgehalt notwendig enthalten muß" 1 3 6 . Die von Kelsen konstruierte Kompetenzaufteilung ist als Gewaltverteilung unter einander koordinierte und nicht subordinierte Stellen streng gewaltenteilig. Der gewaltenteilende Effekt braucht aber nicht die dreigliedrige Bundesstaatskonzeption und Kelsens normativer Ansatz fordert sie auch nicht. Zwar hat die Annahme gleichrangiger Teilordnungen es für sich, bundesstaatliche Kontrastierung nicht durch Befehlsgewalt bzw. Unterworfenheit konterkarieren zu können, aber auch gegenüber prinzipiell überlegenen oder genauer gesagt, sektoral übergeordneten Gewaltträgern kann Gewaltenteilung und kompetenzgebundene Kontrastierung juristisch eingerichtet werden und funktionieren. Es hätte für Kelsen nicht die Notwendigkeit bestanden, aus dem übergeordneten Träger der Gesamtverfassung einen mit delegierten Rechten ausgestatteten Oberstaat auszugliedern. Ein Gesamtstaat hat die Macht und Möglichkeit, sich mit verfassungskräftiger Bindung auf gewissen, in Katalogen der Gesamtverfassung festlegbaren Kompetenzfeldern zurückzunehmen, anderen Subjekten dort Handlungsmöglichkeiten, auch soweit sie den Einsatz von Hoheitsgewalt erfordern, zu eröffnen bzw. Hoheitsgewalt zu delegieren und für die Einhaltung dieser Ordnung Rechtsschutzverfahren zu installieren. Wie es dem Staat gegenüber den Grundrechtsträgern und Selbstverwaltungskörpern gelingt, sich bestimmter Handlungen zu enthalten und die 135 136
11 Pauly
Kelsen, ebd. S. 199 f.; vgl. auch ders., Festschrift für Fleiner, S. 130 ff. Kelsen, Festschrift für Fleiner, S. 134 f.
162
3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
Betätigung den genannten Subjekten freizuhalten, ohne sich gleich zu verdoppeln, so kann er sich auch unverdoppelt Gliedstaaten entgegensetzen und mit ihnen vertikale Gewaltenteilung praktizieren. Die Gewalt des sog. Oberstaates oder Bundes ist dabei keine von der Kompetenzordnung als übergeordneter Rechtsstufe delegierte, sondern sie ist das, was an Gewalt auf der gesamtverfassungsrechtlichen Stufe überbleibt, wenn die Kompetenzverteilungsnormen ihre Zuweisungen an die Gliedstaaten getätigt haben. Es ist daher unrichtig, wenn Kelsen sagt, „die Koordination der Rechtsordnungen von Bund und Gliedstaaten setzt eine dritte (höhere) Ordnung voraus; denn es ist nicht vorstellbar, daß zwei Rechtsgemeinschaften Teile eines Ganzen sind, wenn nicht angenommen wird, daß eine darüberstehende Ordnung die Teilung vornimmt." 1 3 7 Das Ganze ist in der Lage, sich das ohne Schaffung einer neuen Einheit zu erhalten, was es nicht an ausgegliederte Teile weitergibt. 138 Die konstruktive Verkomplizierung des Bundesstaates bei Kelsen ist also entbehrlich. Bundesstaatliche Gewaltenteilung ist auch außerhalb einer dreigliedrigen Bundesstaatskonzeption vorstellbar. Auch vom Kelsenschen Grundansatz her ist damit die Konstruierbarkeit einer zweigliedrigen bundesstaatlichen gewaltenteiligen und -teilenden Staats- und Verfassungsordnung gegeben. In den Bundesstaatskonzeptionen der Mehrheit und Minderheit Weimarer Autoren wurde aber nicht nur vertikale Gewaltenteilung konstruiert, sondern zugleich ein Recht der Länder auf rechtmäßige Behandlung durch das Reich angenommen. Kelsen 139 handelt vom Fall des „rechtswidrigen und sohin das Recht der Einzel- bzw. Gliedstaaten mittelbar oder unmittelbar verletzenden Aktes des Bundes" und Anschütz 140 von den negativen Rechten der Länder, die den Freiheitsrechten der Individuen entsprächen. Dabei sieht Anschütz 141 einen Unterlassungsanspruch der Länder gegenüber „widerrechtlichen Eingriffen des Reichs" in ihre Freiheitssphäre gegeben. Dieser inhaltliche Rückgriff auf Georg Jellineks Lehre vom status libertatis der Länder hat in der zeitgenössischen Literatur keine Anfechtung, sondern im Gegenteil Bestätigung gefunden. 142 Beide, Kelsen 143 und Anschütz 144 , sahen den Staatsgerichtshof 137
Kelsen, V V D S t R L 6 (1929), S. 57. Darin liegt sogar eine Pointe des normativen Ansatzes von Kelsen. Bundesstaatstheorien, die Bundes- und Landesgewalt unabgeleitet nebeneinanderstellen, verleiten dazu, beide Gewalten zu einer dritten Gesamtgewalt zu addieren. Dieser Anreiz fehlt bei einer Bundesstaatstheorie, die der Landesgewalt nur die Rolle eines abgeleiteten Hoheitsträgers zubilligt und den Endpunkt der normativen Zurechnung auf die Bundesebene verlegt. 139 Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 220. 140 Anschütz, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Band, S. 299. 1 41 Ebd. 142 Vgl. nur Grau, in Festschrift für E. Heinitz, S. 414 f. und Nawiasky, Der Bundesstaat als Rechtsbegriff, S. 91 ff. und 99 ff. 143 Vgl. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 221: Kelsen nennt den Staatsgerichtshof nicht namentlich, spricht aber von dem zur Entscheidung berufenen Gericht. Für den 138
3.2. Rechtszuweisung an die Länder
163
für das Deutsche Reich zur letztinstanzlichen Entscheidung über das genannte Länderrecht berufen. In welchen Situtationen und Verfahren der Staatsgerichtshof hierbei zu entscheiden hatte, wird nachfolgend in der angekündigten zweiten Etappe geschildert. Dabei steht der Schutz der Länderrechte gegenüber Maßnahmen der Reichsaufsicht und -exekution im Vordergrund. Aufgrund der Generalklausel des Art. 19 W R V hatte der StGH grundsätzlich über alle Streitigkeiten nichtprivatrechtlicher Art zwischen dem Reiche und einem Lande zu entscheiden. Jede Streitpartei konnte ihn anrufen. Nur die Zuständigkeit eines anderen Gerichtshofes des Reichs nahm dem StGH die Entscheidungsgewalt. Trotz dieser Generalkompetenz traf die W R V in ihren Artikeln 15 Abs. 3 Satz 2, 90 Satz 2,170 Abs. 2 und 171 Abs. 2 weitere, aber überflüssige 145 Kompetenzzuweisungen an den StGH in föderalen Streitigkeiten. Diese Rechtslage bestätigt die eben aus der Literatur berichteten Aussagen zum umfassenden gerichtlichen Schutz der Länderrechte. Diese Rechtslage veränderte und verunklarte sich nicht in der Reichsaufsicht. Zwar hatten die Landesregierungen dort den Mängelrügen, d.h. Weisungen der Reichsregierung Folge zu leisten 146 und die gerügten Mängel zu beseitigen (Art. 15 Abs. 3 Satz 1 WRV), aber sie konnten „bei Meinungsverschiedenheiten" die Aufsichtssache vor den StGH bringen (Art. 15 Abs. 3 Satz 2 W R V ) . 1 4 7 Die zeitgenössische Dogmatik sah die Aufgabe des StGH in einer Rechtskontrolle, die der Rechtsstaatlichkeit willen erfolge. 148 Dazu (nach der W R V nicht gegebenen) Fall, daß weder das Institut einer Bundesexekution noch eine entsprechende Gerichtsbarkeit gegeben sei, billigt Kelsen den Ländern gegenüber rechtswidrigen Reichsakten ein Nullifikationsrecht zu. Vgl. auch ders., W D S t R L 5 (1929), S. 81: „Die größte Bedeutung aber erlangt die Verfassungsgerichtsbarkeit im Bundesstaat. Man geht nicht zu weit, wenn man behauptet, daß dessen politische Idee rechtlich überhaupt erst mit der Institution des Verfassungsgerichts vollendet wird." 144 Vgl. Anschütz, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Band, S. 298 f. 145 Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band 6, S. 549: „Angesichts dieser weiten Kompetenzregelung des Art. 19 W R V hätte es einer besonderen Zuweisung einzelner Klagearten aus dem Reich-Länder-Verhältnis an den Reichsstaatsgerichtshof nicht bedurft." Vgl. auch Anschütz, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Band, S. 377 m.w.Nw. 146 Vgl. nur Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 15, Anm. 7 m.w.Nw.: Was die Verfassung Ersuchen nenne, sei „in Wahrheit eine Anweisung im konkreten Falle, ein Befehl" und habe die Rechtsform eines Verwaltungsaktes. 147 Zur analogen Anwendung von Art. 15 Abs. 3 W R V oder hilfsweise Art. 19 W R V zur Abwehr rechtswidriger allgemeiner Anweisungen im Sinne von Art. 15 Abs. 2 W R V vgl. Triepel, Festgabe für W. Kahl, S. 85 f. 148 Vgl. Cohn, Die Reichsaufsicht über die Länder, S. 63. Diese rechtsstaatliche Funktion paßt sich nahtlos ein in die allgemein anerkannte Zweckbestimmung der Reichsauf sieht, für die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung zu sorgen; vgl. nur StGH, Entscheidung vom 9. Dezember 1929, R G Z 127, Anhang S. 25/30. Die Aufsichtsgewalt ist dabei zum Teil ausdrücklich „als Bundesfunktion, d.h. als Funktion der Gemeinschaft der im Reich vereinigten Staaten" verstanden worden; vgl. Jerusalem, Die Staatsgerichtsbarkeit, S. 138 f. 11*
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
sollte der StGH entscheiden, ob das gerügte Landesverhalten wirklich rechtswidrig und die Rüge auf Grund dessen begründet war, 1 4 9 sowie „über die Rechtmäßigkeit einer reichsauffsichtlichen Forderung oder Anordnung" 1 5 0 . Das Prüfungsrecht des StGH sollte auch die inzidente Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von Reichsgesetzen umfassen, 151 weil verfassungswidrige und daher nichtige Reichsgesetze keine Rechtsgrundlage für Aufsichtsmaßnahmen sein könnten. Das Reich konnte die Länder also nicht mittels der Reichsaufsicht zwingen, rechtswidrige Anordnungen ohne juristische Gegenwehr zu befolgen 152 und damit rechtswidrige Zustände auf Dauer bestehen zu lassen. Weniger einhellig war die Rechtsbeurteilung im Falle der Reichsexekution und der ihr verwandten 153 Diktaturgewalt des Reichspräsidenten. Gestritten wurde aber nicht darüber, ob der StGH in Bezug auf Maßnahmen gem. Art. 48 Abs. 1 und 2 W R V überhaupt, sondern nur in welchem Umfang er zur Nachprüfung berufen sei. Nach herrschender 154 und vom StGH 1 5 5 geteilter Auffassung hatte der StGH die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 1 W R V bei Anrufung im Exekutionsfalle voll nachzuprüfen. Danach mußte der StGH darüber befinden, ob wirklich eine exekutionsfähige und -reife Pflichtverletzung eines Landes vorlag. Auch hatte er nach dieser Auffassung vollen Umfanges die rechtliche Zulässigkeit von Mitteln und Modalitäten der Exekutions zu überprüfen. Nur darüber, ob einzelne Exekutionsmaßnahmen notwendig und zweckmäßig waren, sollte der StGH nicht befinden dürfen. Diese Restriktion der Nachprüfung wurde damit begründet, daß der StGH eine reine Rechtskontrolle zu üben hätte. 156 Es handelte sich hierbei also nicht um eine Beschneidung der juristischen Überprüfung durch den StGH, sondern Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit stellten den zeitgenössischen Lehren zufolge keine rechtlichen Anforderungen an Exekutionsmaßnahmen. Anders als die herrschende Auffassung wollten Triepel und Schmitt die Nachprüfung durch den StGH beschnitten sehen. Dabei gingen beide aber 149
Vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 15, Anm. 9. Anschütz, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Band, S. 376. 151 Vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 15, Anm. 9; Gebhard, Die Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 15, Anm. 10. e). 152 Umstritten war, ob die Anrufung des StGH nach Art. 15 Abs. 3 Satz 2 W R V aufschiebende Wirkung hatte. Ablehnend Anschütz, ebd., Art. 15, Anm. 7 m.w.Nw. und bejahend vor allem Triepel, Festschrift für W. Kahl, S. 82, der insbesondere die Einleitung der Reichsexekution vor Abschluß des staatsgerichtlichen Verfahrens für unzulässig hielt, ebd. S. 61 ff. und Mayer, Die Justiz, Band V I I (1931 - 32), S. 553. 153 Zum inneren Zusammenhang beider Rechtsinstitute vgl. Triepel, DJZ 1932, Sp. 1503. 154 Vgl. Flad, Verfassungsgerichtsbarkeit und Reichsexekution, S. 109 u. 116; Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 4 und 5; PoetzschHeffter, Handkommentar der Reichs Verfassung, Art. 48 Anm. 1.3. 155 Vgl. StGH, Entscheidung vom 25. 10. 1932, R G Z 138, Anhang S. 1/33. 156 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 4. 150
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verschiedene Wege. Schmitt 157 stellte die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 48 W R V dem politischem Ermessen des Reichspräsidenten anheim. Dessen unbeschadet sollte der StGH dort der Hüter der Verfassung sein, wo diese justizförmig zu schützen sei. 158 Aber dort, wo die Verfassung politisch geschützt werden müsse, sei der Reichspräsident ihr Hüter. Art. 48 W R V sei die Norm, die die Rolle und Befugnisse des Reichspräsidenten als Hüter der Verfassung konstituiere. Deswegen habe er die in ihrem Kontext anfallenden politischen Entscheidungen „innerhalb gewisser Grenzen" 159 eigenständig und unanfechtbar zu treffen. Schmitt sagt allerdings nicht, wo die gewissen Grenzen der politischen Entscheidungsgewalt des Reichspräsidenten exakt verlaufen, 160 und er begründet nicht, warum die Voraussetzungen der Norm, die durchaus eine politische Entscheidungsgewalt des Reichspräsidenten fundierte, einer umfassenden justizförmigen Überprüfung nicht zugänglich sein sollten. Auch politische Gewalt kann umfassend an rechtliche und rechtlich nachprüfbare Voraussetzungen gebunden sein. Triepel 161 hat demgegenüber eine dogmatisch ausgearbeitete Position bezogen. Für ihn hatte der Reichspräsident weitgehend unüberprüfbar darüber zu entscheiden, ob die Pflichtverletzung eines Landes eine derartige Schwere erreicht habe, daß sie eine Gefährdung der bundesstaatlichen Ordnung darstelle. Diese Voraussetzung findet sich allerdings nicht in Art. 48 Abs. 1 W R V und die Lehrer der herrschenden Auffassung haben sie auch nicht gestellt. Hinsichtlich des in Art. 48 Abs. 1 W R V formulierten Tatbestandes, d.h. der Pflichtverletzung eines Landes, gab auch Triepel dem StGH ein unbeschränktes Prüfungsrecht. Und dort, wo der Reichspräsident nach Ermessen über die Schwere der Pflichtverletzung zu entscheiden gehabt habe, wollte Triepel dessen Entscheidung durch den StGH auf Ermessensüberschreitung und -mißbrauch überprüft sehen. Folglich lockerte Triepel den Prüfungsmaßstab des StGH nur dort, wo er zusätzliche Anforderungen an die Exekution stellte. Zugleich erhöhte Triepel die Kontrolldichte insofern, als der StGH bei ihm auch über die Nachvollziehbarkeit oder Willkürlichkeit der Annahme einer schweren Pflichtverletzung zu entscheiden hatte. Soweit ein Land durch eine Diktaturmaßnahme betroffen war und deren Rechts-, insbesondere Verfassungswidrigkeit behauptete, stand ihm aner157 Vgl. Schmitt, Schlußrede vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig, in: Positionen und Begriffe, S. 183. 158 Schmitt, ebd. Zur Frage, wer Hüter der Verfassung sei vgl. Schmitt, Der Hüter der Verfassung, und dazu Kelsen, Die Justiz, Band V I (1930 - 31), S. 576 ff. 159 Schmitt, Schlußrede vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig, in: Positionen und Begriffe, S. 183. 160 Bilfinger, DJZ 1932, Sp. 1024, hatte Schmitt vor dessen Schlußrede vor dem StGH sogar dahingehend verstanden, daß er dem StGH die Nachprüfung der Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 1 W R V stillschweigend zugestand. 161 Vgl. zum folgenden Triepel, DJZ 1932, Sp. 1503 f.
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kanntermaßen der Weg zum StGH gem. Art. 19 W R V offen. 162 Dabei konnte der StGH jedenfalls nachprüfen, ob sich Maßnahmen nach Art. 48 Abs. 2 W R V in den Grenzen hielten, die sich „aus dem Zusammenhang jener Vorschrift mit den anderen Bestimmungen der Reichsverfassung" ergaben. 163 Wie diese Grenzen im einzelnen zu bestimmen waren, war eine Frage der Interpretation des verfassungsrechtlichen Diktaturrechts. 164 Vor Ergehen der Hauptsacheentscheidung des StGH zum Preußenschlag 165 war es herrschende Meinung, daß der StGH in einem solchen Verfahren nicht das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 W R V nachzuprüfen hätte. 166 Ob die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Deutschen Reich erheblich gestört oder gefährdet sei, könne kein Gericht, sondern nur eine politische Instanz beurteilen, „die einen ständigen, genauen Überblick über die politische Lage des Reichs und seiner Teile besitzt, und mit einer durch höchste politische und moralische Verantwortlichkeit geschärften Aufmerksamkeit die Entwicklung der Geschehnisse beobachtet." 167 Aus den gleichen Gründen sollte der StGH auch nicht beurteilen dürfen, welche Maßnahmen zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung notwendig und welche nicht notwendig seien. Vereinzelt blieb demgegenüber die Auffassung, die Einhaltung von Ermessensgrenzen bei der präsidialen Feststellung einer Störung bzw. Gefahr und die sachliche Gebotenheit einer Diktaturmaßnahme würden der richterlichen Beurteilung unterliegen. 168 162 Ygi Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 18; Heckel, AöR Bd. 23 N.F. (1933), S. 200. 163
StGH, Entscheidung vom 25. 10. 1932, R G Z 138, Anhang S. 1/39. Wie immer die richtige Auslegung aussah, konnte sie keine verfassungsrechtlichen Länderrechte verletzen! 165 StGH, Entscheidung vom 25. 10. 1932, R G Z 138, Anhang S. 1 ff. Zur Reichsintervention in Preußen und zum „Preußen-Urteil" vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Band V I I , S. 1015 ff. und 1120 ff. 166 y g i Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48, Anm. 10 u. 18.d); Gerhard, Die Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 48, Anm. 10.e); Grau, Die Diktaturgewalt des Reichspräsidenten und der Landesregierungen, S. 153 ff. und RGSt 57, S. 384 f. Zu gegenteiligen Tendenzen in der Rechtsprechung vgl. Thoma, Festgabe zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts, Erster Band, S. 187 ff. und Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Nachträge S. 782, Fn. 1 unter Hinweis auf RGSt 66, S. 260 f. Hinzuweisen ist auch auf die Arbeit von Enz, Richterliche Kontrolle von Massnahmen nach Art. 48 I I der Weimarer Reichsverfassung, der nach Durchforstung der zeitgenössischen Rechtsprechung schreibt: „ A r t . 48 I I W R V erwies sich als justitiable Norm" (S. 137). 164
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Gerhard, ebd. mit der Fortsetzung: „Daß ein Gerichtshof, auch der höchsten Instanz, diese Vorbedingungen für die Gewähr einer sachgemäßen Beurteilung nicht erfüllen kann, liegt auf der Hand." 168 Apelt, JW 1931, S. 701; vgl. auch Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 48, Anm. 10: Ihmzufolge lag die Entscheidung über die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 W R V im pflichtgemäßen Ermessen des Reichspräsidenten und war „innerhalb der dadurch gezogenen Grenzen der Nachprüfung durch ein Gericht... entzogen." Danach waren die Gerichte wohl befugt, die Einhaltung der Grenzen pflichtgemäßen Ermessens durch den Reichspräsidenten nachzuprüfen.
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In der genannten Entscheidung hat der StGH die Frage, ob er im Streitfall das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 W R V nachprüfen könne oder ob er insofern die Auffassung des Reichspräsidenten zu übernehmen habe, ausdrücklich als offen hingestellt. 169 Er hat diese Frage dann aber auch nicht (explizit) beantwortet, sondern mangels Entscheidungsbedarfes offen gelassen, denn im zu entscheidenden Fall seien alle Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 W R V offenkundig erfüllt gewesen. 170 Zudem stellte der StGH in seinem Urteil fest, daß der Reichspräsident sein Ermessen, eine notwendige Maßnahme zur Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung zu treffen, weder überschritten noch mißbraucht habe. 171 Diesen Passagen der Entscheidung hat die Rezensionsliteratur den behutsamen Hinweis auf ein weitverstandenes richterliches Prüfungsrecht entnommen: „Die mit Gründlichkeit vorgenommene Prüfung (zu Art. 48 Abs. 1 W R V ) wie auch später die Erörterungen über die Voraussetzungen und Mittel der Diktatur zeigen, wie wenig der Staatsgerichtshof geneigt ist, sich aus seiner Rolle als Hüter der Verfassung verdrängen zu lassen. Auf dieser Prüfung beruht der Eindruck, den das Urteil als lebendige Funktion unserer rechtsstaatlichen Ordnung hinterlassen hat." 1 7 2 Die Rezensionsliteratur hat aber nicht nur eine entsprechende Auffassung beim StGH diagnostiziert, sondern selber Position bezogen, d.h. sich ebenfalls für ein richterliches Prüfungsrecht ausgesprochen oder es unter scharfer Kritik an der Entscheidung des StGH abgelehnt. Unter denen, die sich für ein Prüfungsrecht des StGH aussprachen war Kelsen am rigorosten. Für ihn konnte „ernstlich nicht bezweifelt werden" 1 7 3 , daß der StGH die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 W R V genauso umfassend zu prüfen berechtigt sei wie die des Art. 48 Abs. 1 WRV. Daß der StGH dabei neben Rechtsfragen auch Tatfragen zu beurteilen habe, möge man de lege ferenda kritisieren. Aufgrund der in Art. 19 W R V getroffenen Zuweisung der „Entscheidung des totalen Verfassungsstreites ohne jede Einschränkung" 174 an den StGH gebe es aber de lege lata keine Zweifel daran. W. Jellinek wäre „es einer Verhöhnung der Verfassung gleichgekommen, wenn der Staatsgerichtshof die Prüfung der Tatfrage uneingeschränkt dem Reichspräsidenten überlassen und damit ein von einer Diktaturmaßnahme betroffenes Land so gut wie völlig ohne Rechtsschutz" 175 gelassen hätte. Andererseits wollte er dem Reichspräsidenten dennoch einen „Spielraum unüberprüfbaren politi169 StGH, Entscheidung vom 25. 10. 1932, R G Z 138, Anhang S. 1/36. ™ StGH, ebd. S. 36 f. 171 StGH, ebd. S. 37 ff. 172 Poetzsch-Heffter, Reich und Länder, V I . Jahrgang (1932), S. 314. Vgl. auch ders., DJZ 1932, Sp. 1376 f.; Triepel, DJZ 1932, Sp. 1504; Kelsen, Die Justiz, Band V I I I (1932), S. 69. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Nachträge S. 782, Fn. 1. 173 Kelsen, ebd. S. 70. 1 74 Kelsen, ebd. S. 70 f. 175 W. Jellinek, RuPrVBl. 1932, S. 682.
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
sehen Ermessens" bewahren, der aber sofort wieder verengt wird: „Wohl aber hat der Staatsgerichtshof zu prüfen, ob der Reichspräsident... die Dinge, wie geschehen, beurteilen durfte oder ob er hierbei die äußersten Grenzen vernünftigen Ermessens überschritten hat." 1 7 6 Scharfe Ablehnung hat die Befassung des StGH mit den Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 W R V seitens Huber erfahren. Der StGH dürfe nur über die „abstrakte Rechtsfrage, was überhaupt zur ,Sicherheit und Ordnung' gehört" 1 7 7 , entscheiden. Was aber eine Verletzung, Störung oder Gefährdung sei, könne nur in Bezug auf eine konkrete Situation festgestellt werden und sei der Messung an einer allgemeinen Norm und damit der richterlichen Kontrolle wesensmäßig entzogen. Die geforderte Einzelfallentscheidung werde daher vom Reichspräsidenten abschließend getroffen. 178 Die polizeirechtliche Dogmatik lehrte aber auch schon zur damaligen Zeit, daß auch die Begriffe Verletzung, Störung und Gefährdung definiert werden können und ihr Vorliegen im Einzelfall juristisch und damit richterlich beurteilt werden kann. 1 7 9 Der Hintergrund dieser damit dogmatisch unbefriedigenden Position war ein politischer und von Huber selbst benannter: Die Ausnahmebefugnisse, die zum Schutz von Einheit und Bestand des Reiches „in die Hand des obersten Reichsorgans gegeben" 180 seien, sollten nicht durch richterlichen Eingriff unterminiert werden können. Zudem dürfe man „den Reichspräsident nicht in die Rolle einer ersten Instanz hinabdrücken und den Staatsgerichtshof zur übergeordneten zweiten Instanz erheben." 181 Das politische Prestige des Reichspräsidenten als oberstem Hüter der Verfassung sollte nicht durch seine Unterordnung unter ein Verfassungsgericht geschmälert werden. In der Bilanz der Rechtsauffassungen zu den einzelnen Reichsingerenzen waren die Länder gegenüber Diktaturmaßnahmen am schlechtesten geschützt. Der vergleichsweise dürftige Rechtsschutz traf aber nicht nur die Länder, sondern ebenso andere Rechtssubjekte. 182 Schon daran zeigt sich, daß die Rechtsstellung gegenüber der Reichsgewalt in Not- und sonstigen Ausnahmefällen für die Beschreibung der Alltagslage nicht repräsentativ ist. 1 8 3 U m so beachtlicher ist der in der Dogmatik zu Art. 48 Abs. 2 W R V zu 176
W. Jellinek, ebd. S. 683. Huber, Reichsgewalt und Staatsgerichtshof, S. 39. Aber laut Schmitt (DJZ 1932, Sp. 957), mit dem Huber in der Streitsache „Preußenschlag" kooperierte (vgl. Huber, in: Complexio Oppositorum, S. 37 ff. u. 43 ff.) war in diesem Fall „alles Wesentliche . . . Tat- und Ermessensfrage". 178 Huber, Reichsgewalt und Staatsgerichtshof, S. 64. Das war auch die Position von Schmitt im Preußen-Prozeß, vgl. Schmitt, Schlußrede vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig, in: Positionen und Begriffe, S. 183. 179 Vgl. beispielhaft W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 437 f. 180 Huber, Reichsgewalt und Staatsgerichtshof, S. 63. « ι Huber, ebd. S. 64. 182 Vgl. nur Grau, Die Diktaturgewalt des Reichspräsidenten und der Landesregierungen, S. 150 ff. zu den Grenzen der Rechtskontrolle, die ein Bürger initiieren konnte. 177
3.2. Rechtszuweisung an die Länder
169
verzeichnende Gewinn an Rechtsstaatlichkeit und Rechtskontrolle, der mit und in der Folge der Entscheidung des StGH zum Preußenschlag eingetreten ist. Die, wie gesehen, mehr politisch als dogmatisch fundierten restriktiven Positionen können diesen Gewinn für eine dogmengeschichtliche Betrachtung nicht schmälern. Die Bilanz im Bereich der Reichsaufsicht fällt uneingeschränkt positiv für den Schutz der Länderrechtssphäre aus. In der Reichsaufsicht genoß das Recht der Länder auf rechtmäßige Behandlung durch den Bund umfassenden Schutz. Die Stellung der Länder in der landeseigenen Reichsgesetzvollziehung ist damit ein Beispiel par excellence für eine verbindlich verstandene und rechtlich bewehrte bundesstaatliche Gewaltenteilung. 3.2.2.3. Ergebnisse und Konsequenzen der neueren Diskussion
Unter dem Grundgesetz ist die in den vorangegangenen Kapiteln referierte Dogmatik einer verbindlich verstandenen bundesstaatlichen Gewaltenteilung fortgeschrieben worden. Das begonnene Kapitel wird diese Kontinuität belegen, indem es zunächst den Stellenwert des Gewaltenteilungselements in neueren Bundesstaatslehren, und das heißt in Lehren zu einem Verfassungsbegriff (vgl. Art. 20 Abs. 1 GG), aufzeigt. Dabei wird sich zeigen, daß nach einhelliger Meinung Art. 30 GG die Zentralnorm des bestehenden bundesstaatlichen Gewaltenteilungssystems ist. Damit ist zugleich der Nachweis, daß Art. 30 GG ein subjektives öffentliches Recht der Länder enthält, komplett gelungen. In Kapitel 3.2.1. war die Fundierung eines subjektiven Länderrechts in Art. 30 GG nur noch vom Aufweis einer bundesstaatlichen Kontrastierung qua vertikaler Gewaltenteilung abhängig gemacht worden. Die Struktur und der Schutzgehalt von Art. 30 GG sind aber auch nach der Erkenntnis seines subjektivrechtlichen Charakters zunächst noch unbestimmt. Aber aufbauend auf der Erkenntnis, daß Art. 30 GG ein subjektives Recht enthält, lassen sich weitere präzise Aussagen zu seinem juristischen Gehalt treffen. Das zu tun, ist Aufgabe des zweiten Teils dieses Kapitels. Angesichts des eindeutigen Befundes 184 kann der Nachweis des Gewaltenteilungselementes im modernen Bundesstaatsbegriff zügig erbracht werden. 183 Darüber wird nicht vergessen, wie wichtig der Schutz von Rechtspositionen gegenüber den einschneidenden Sonderkompetenzen eines Ausnahmefalles ist. Daß aber der Ausnahmefall rechtlich in vielem anders als der Normalfall geregelt ist, entspricht seiner Eigenart. 184 Vgl. Böckenförde, FS Friedrich Schäfer, S. 186 ff.; Bothe, in A K , Art. 20 Abs. 1 3 I, Randnr. 12; ders., Die Kompetenzstruktur des modernen Bundesstaates in rechtsvergleichender Sicht, S. 128 ff.; Ebke, Bundesstaat und Gewaltenteilung, Diss, iur., passim; Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, S. 187; Hempel, Der demokratische Bundesstaat, S. 223 mit terminologischer Klarstellung; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 89 ff.; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band I, S. 657; Jahrreiss, in
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
Bis in die sechziger Jahre, d.h. bis zum Aufkommen der Lehre vom unitarischen Bundesstaat und in ihrem Gefolge der des kooperativen Föderalismus, haben die Bundesstaatslehren die Figur der vertikalen Gewaltenteilung der Tradition gehorchend, aber auf ihre Berechtigung unbefragt, mitgeschleppt. 185 Die Lehre vom unitarischen Bundesstaat hat zwar keine Grundsatzkritik an der vertikalen Gewaltenteilung vorgetragen, hat ihr aber in einem neuen Modell von Bundesstaatlichkeit einen entsprechend veränderten Platz eingeräumt. Das neue Modell 1 8 6 beschreibt eine gravierende Politikverlagerung von der Länder- auf die Bundesebene. Wegen der Politikkonzentration auf der Bundesebene will Hesse die vertikale, auf zwei Ebenen spielende Gewaltenteilung in die Horizontale umdrehen, damit sie dort, wo die Politik gemacht werde, also auf der Bundesebene, effizient zur Geltung komme: „Aus der Zuordnung einer Mehrzahl von Gliedstaaten in ihrer mannigfaltigen Individualität ist mehr und mehr eine Zuordnung gesamtstaatlicher Kräfte ... geworden. Die vertikale Gewaltenteilung hat sich in wachsendem Maße in eine neue Form der horizontalen Gewaltenteilung verwandelt." 187 Es geht also nicht die alte vertikale in der alten horinzontalen Gewaltenteilung auf, sondern die Ländermacht hat sich auf der Gesamtstaatsebene ein neues Aktionsfeld gesucht, weil sie für die isolierte Auseinandersetzung mit dem Bund zu schwach geworden ist. Gewaltenteilende Wirkung werde vor allem durch unitarische Einrichtungen entfaltet, d.h. einmal dort, „wo die Länder durch Selbstkoordinierung und besonders durch Schaffung gemeinsamer Einrichtungen zusammenwirken und damit Ordnungsformen schaffen, die denen einheitGedächtnisschrift für Hans Peters, S. 543; Kägi, in: Rausch (Hrsg.), Zur heutigen Problematik der Gewaltenteilung, S. 307; Kimminich, in: Isensee / Kirchhof, ebd., S. 1139 f.; Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 867; Leisner, FS Maunz, S. 275; Loeser, Theorie und Praxis der Misch Verwaltung, S. 28; Steff ani, in Rausch (Hrsg.), ebd., S. 340 ff.; Feters, Die Gewaltentrennung in moderner Sicht, S. 25; Salzwedel, W D S t R L 22 (1965), S. 232; Schnapp, N W V B L 1987, S. 41 und W. Weber, Spannungen und Kräfte im westdeutschen Verfassungssystem, S. 63, 169 f. und 294, der von einer „zernierenden Wirkung" (S. 63) der bundesstaatlichen Gewaltenteilung und einer dadurch bewirkten „Temperierung des staatlichen Machtzugriffs" (S. 294) spricht. Terminologische Kritik findet sich bei Achterberg, Probleme der Funktionenlehre, S. 109, die auf der Annahme gründet, Staatsgewalt könne nicht geteilt werden. Mit Schlink, Die Amtshilfe, S. 62 ff. ist jedoch das Dogma von der Einheit der Staatsgewalt gefallen. Inhaltliche Kritik findet sich bei Scheuner ( D Ö V 1962, S. 645 f., D Ö V 1966, S. 520 u. D Ö V 1972, S. 591) und Lerche ( W D S t R L Bd. 21 (1964), S. 78 ff. u. 141) daran, die vertikale Gewaltenteilung dominierend in den Mittelpunkt von Bundesstaatlichkeit zu stellen. Beide Autoren streiten sie aber nicht als Moment von Bundesstaatlichkeit ab, sondern relegieren sie nur auf den Platz eines Nebeneffektes. 185 y g i Friedrich, Der Verfassungsstaat der Neuzeit, S. 254 f.; Ritter von Lex, Festschrift für Hans Nawiasky, S. 240; Nawiasky, Allgemeine Staatslehre, Dritter Teil, S. 151 und auch Usteri, Theorie des Bundesstaates, S. 273. 186
Grundlegend Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 12 ff., sowie ders., Festschrift Gebhard Müller, S. 141 ff. und zusammenfassend ders., Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 86 ff. und aus neuester Zeit Bleckmann, D Ö V 1986, S. 131. 187 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 32.
3.2. Rechtszuweisung an die Länder
171
licher Regelung durch den Bund nicht nachstehen" 188 , dann durch den Bundesrat, über den sich in erster Linie die Sachkunde der Länderministerien Gehör verschaffe, und schließlich über die Mitwirkungs- und Kontrollbefugnisse, welche in den rechtlichen Formen der Kooperation von Bund und Ländern angelegt seien. Neben dieser neuen Form bundesstaatlicher Gewaltenteilung geht die konventionelle Form vertikaler Gewaltenteilung aber nicht verloren. Zum einen sind den Ländern Kompetenzfelder, z.B. im Kulturbereich verblieben, in denen sie weitgehend unabhängig vom Bund wirkungsvoll eigenständige Landespolitik betreiben könnnen. Zum anderen braucht jede Selbstkoordinierung der Länder und jede Kooperation der Länder mit dem Bund den Einsatz von Länderkompetenz. Es wäre aber nicht Kooperation, sondern Subordination, gingen den Ländern in der Zusammenarbeit mit anderen Ländern oder mit dem Bund die die Mitwirkung und die Kontrolle sichernden Rechte verloren. Kooperativer Föderalismus funktioniert daher nur mit klaren und verbindlichen Kompetenzscheidungen.189 Zeichnen sich konzertierte Aktionen von Bund und Ländern auch durch noch so komplizierte und komplexe Verflechtungen aus, das Geflecht ist juristisch nicht mehr als die Summe der einzelnen Berechtigungen und Verpflichtungen der föderalen Akteure. Solche verbindlichen Rechtsabgrenzungen und Rechtszuweisungen begründen aber Gewaltenteilung. Pointiert hat die Lehre vom kompetitiven oder Konkurrenzföderalismus herausgestellt, daß der Bundesstaat eine „Organisationsform der ,vertikalen Gewaltenteilung 4 " 190 ist. Dieser Ansatz betont mit dem sog. Alternanzprinzip 191 die Elemente der sachlichen Vielfalt, die Chance zum Experiment in überschaubaren Dimensionen und den politischen Wettbewerb zwischen den Entscheidungszentren im polyarchischen Bundesstaat. Nicht weniger pointiert hat die Rechtsprechung den Grundsatz der bundesstaatlichen Gewaltenteilung herausgehoben. Für das Bundesverwaltungsge188 Hesse, ebd. S. 27. ι 8 9 Vgl. dazu aus neuester Zeit Pietzcker, in: Starck (Hrsg.), Zusammenarbeit der Gliedstaaten im Bundesstaat, S. 55 ff. mit Fn. 125 m.w.Nw. und Goerlich, „Formenmißbrauch" und Kompetenzverständnis, S. 13 ff. und 87 ff. Trotz aller föderaler Politikverflechtung, Aufgabeninterdependenz und durch Bundestreue gebotener Courtoisie kommen bundesstaatliche Kooperations- und Koordinationsmodelle nicht ohne klare Kompetenzscheidungen und die Vergabe der Fähigkeit zur kompetenzverteidigenden Auseinandersetzung aus. Würde in zu hohem Maße auf Kontrast, Disharmonie und Intransigenz verzichtet und würden die zentrifugalen die zentripetalen Kräfte zu deutlich übersteigen, wäre das Ergebnis politisch eine zentralstaatliche Monokulturpflege und juristisch der allenfalls schwach dezentralisierte Einheitsstaat. 1 90 H.-P. Schneider, in: Klönne u.a., Lebendige Verfassung - das Grundgesetz in Perspektive, S. 98. 191 Vgl. Schneider, ebd., S. 97. Bestandteil dieses Alternanzprinzips ist auch die von Pestalozzi N V w Z 1987, S. 745 f. betonte Funktion der Landesverfassungen als Alternative und Reformmodelle.
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
rieht ist „der wesentliche Grund des bundesstaatlichen Aufbaues die wirksame Teilung der Gewalten" 192 und dem Bundesverfassungsgericht ist die in den Art. 30, 70 ff. und 83 ff. GG getroffene „Grundentscheidung der Verfassung . . . nicht zuletzt eine Entscheidung zugunsten des föderalistischen Staatsaufbaus im Interesse einer wirksamen Teilung der Gewalten" 193 . Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur wird dabei Art. 30 GG zurecht als die Zentralnorm des bestehenden bundesstaatlichen Gewaltenteilungssystems bezeichnet. 194 Im Zusammenspiel mit den Normen, die eine andere Regel im Sinne von Art. 30, 2. Halbsatz GG vorsehen, verteilt Art. 30 GG die Staatsgewalt zwischen der Bundes- und Landesebene und erst durch ihn als Residualklausel verstehen sich einzelne Kompetenzzuweisungen an den Bund als Elemente eines in der Verfassung angelegten Gewaltenteilungssystems. Es ist daher konsequent, wenn das Bundesverfassungsgericht in Art. 30 GG ein subjektives öffentliches Recht der Länder gegeben 195 und durch Art. 30 GG einen gliedstaatlichen Freiheitsbereich 196 eröffnet sieht. Wogegen dieses Recht aber schützt und wie gut der eröffnete Freiheitsbereich gesichert ist, ist damit noch nicht beantwortet. Überhaupt ist noch offen, wie dieses Recht zu konstruieren ist. Der dogmengeschichtliche Rückblick hatte gezeigt, daß der Schutz der gliedstaatlichen Freiheitssphäre häufig in betonter Parallele zu den Abwehrrechten der Individuen konstruiert wurde. Das Bundesverfassungsgericht ist daher traditionswahrend, wenn es das Länderfreiheitsrecht in Art. 30 GG in Anlehnung an die Grundrechtsdogmatik konstruiert: Obwohl in Art. 30 GG nichts von Eingriffen geschrieben steht, spricht das Bundesverfassungsgericht 192 BVerwGE 22, 299/308. 1 93 BVerfGE 12, 205/229. Dem widerspricht nicht, daß das BVerfG (E 13,54/78) von einer prinzipiellen Überordnung des Bundes über die Länder ausgeht. Das Gericht meint dabei eine Überordnung nach Maßgabe von Verfassungsnormen und zitiert die Art. 24 und 79 GG (S. 79). Deswegen sind die Länderverwaltungen für das BVerfG (E 26, 338/397) im Bereich der Bundesgesetzausführung auch nicht nachgeordnet. Hierfür zitiert das Gericht (ebd.) die Art. 30 und 83 GG und nennt die Art. 84 Abs. 2 und 85 Abs. 2 GG strikt auszulegende Ermächtigungsnormen zugunsten des Bundes. 194 Vgl. BVerfGE 12, 205/229; 55, 274/318; 61, 149/205; BVerwGE 22, 299/307 f.; Schmidt, A ö R Bd. 87 (1962), S. 258; Bothe, in A K , GG, Art. 30, Randnr. 10 („allgemeine Regel"); Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 225 („Grundregel"). v. Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, Band I I , Art. 30 Anm. II.2. („Hauptnorm", „allgemeine Grundnorm"); Maunz, in Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 30, Randnr. 1 (ein „für das Bundesstaatssystem deutscher Ausprägung grundlegende(r) Verfassungsrechtssatz"). 1 95 Vgl. BVerfGE 21, 312/328: „Der Bund verletzt also, wenn er diese Schranke nicht beachtet, das Land in ,seinem Recht'. Er verletzt Art. 30 GG." Wegen des engen Zusammenhanges von Art. 20 Abs. 1 und 30 GG ist es richtig, wenn das BVerfG (E 63,1/43) ausführt, in Fällen unzulässigen Eingreifens in die Verwaltungshoheit eines Landes werde „letztlich das bundesstaatliche Prinzip (Art. 20 Abs. 1 GG" verletzt. 1 96 Vgl. BVerfGE 13, 54/74: „Die im Grundgesetz enthaltene Bundesverfassung, die den Bereich der gliedstaatlichen Freiheit (grundsätzlich Art. 30 GG) . . . umschreibt II
3.2. Rechtszuweisung an die Länder
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im Kontext dieser Norm von einem „Eingreifen in die Landeshoheit" 197 . In der aus der Grundrechtsdogmatik vertrauten und hier rechtstechnisch nutzbaren 1 9 8 Terminologie ist danach der Schutzbereich des Art. 30 GG die Landeshoheit 199 . Von einem Eingriff in die Landeshoheit kann dann gesprochen werden, wenn eine Maßnahme des Bundes diese Hoheit verkürzt, sprich die Erfüllung von staatlichen Aufgaben oder die Ausübung von staatlichen Befugnissen nicht mehr Sache der Länder sein läßt. Das kann in der Weise geschehen, daß den Ländern Aufgaben oder Befugnisse entzogen werden, daß sich der Bund in den Autonomiegebrauch der Länder bei Wahrnehmung ihrer „Sache" einmischt, oder daß er Länderhandeln durch Parallelaktionen unterminiert. 2 0 0 Art. 30, 2. Halbsatz GG erfüllt demgegenüber die Funktion einer Schrankenregelung, die festlegt, unter welchen Bedingungen ein Eingriff in die Landeshoheit gestattet ist. Schranke ist dabei die im Grundgesetz getroffene oder zugelassene und dann aufgrund der Zulassung getroffene andere Regelung, die eben staatliche Aufgabenerfüllung und Befugnisausübung nicht Sache der Länder sein läßt, sondern zur Sache des Bundes macht. Trotz der konstruktiven Aufbereitung des Art. 30 GG bleibt die Frage bestehen, ob durch die Schrankenregelung des Art. 30, 2. Halbsatz GG den Ländern Schutz vor rechtswidrigem ingerierendem Verhalten des Bundes gewährt ist. Das wäre dann der Fall, wenn die jeweilige „andere Regelung" im Sinne des Art. 30, 2. Hs. GG dem Bund nur die rechtmäßige Aufgabenerfüllung und rechtmäßige Befugnisausübung zu seiner Sache machte. In diesem Fall wäre jeder rechtswidrige Ingerenzakt 201 des Bundes schrankenmäßig nicht 197
BVerfGE 21, 312/328. Die Begriffe Schutzbereich und Eingriff erfüllen Hilfsfunktionen bei der interpretativen Aufbereitung des Textes von Normen, die Freiräume sichern. Sie sind sachgeprägt, denn die Erhaltung von Freiheitssphären erfolgt juristisch durch ihren Schutz gegen unberechtigte Eingriffe. Der Begriff Schutzbereich hat sich in der Grundrechtsdogmatik etabliert, obwohl ihn die Verfassung nicht kennt. Auch die Vokabel „eingreifen" verwendet das Grundgesetz sparsam. Deswegen sind diese Begriffe für die dogmatische Arbeit nicht ungeeignet. Trotz fehlender verfassungstextlicher Veranlassung wird der Begriff „Eingriff" auch im Kontext des Schutzes der kommunalen Selbstverwaltung durch Art. 28 Abs. 2 GG verwendet. 199 Die Landeshoheit reicht so weit, wie die Erfüllung staatlicher Aufgaben und die Ausübung staatlicher Befugnisse Sache der Länder ist. Zur Landeshoheit als Verwaltungshoheit gehört damit auch, daß jedes Land „über seine personellen und sächlichen Verwaltungsmittel unangetastet von - bundesverfassungsrechtlich nicht vorgesehenen Eingriffen des Bundes verfügen kann." (so BVerfGE 63, 1/43 f.). Nach der formulierten Eingriffstypologie sind entsprechende Eingriffe solche in den ländereigenen Autonomiegebrauch. 200 Vgl schon oben Kap. 3.2.1. U m eine unzulässige Parallelaktion des Bundes handelte es sich in BVerfGE 21, 312 ff.: Den Eingriff in die Landeshoheit erblickte das BVerfG im „Hinübergreifen und Inanspruchnehmen eines Landesgesetzes durch eine Bundesbehörde" (328). 198
201 Aber auch nur jeder rechtswidrige Ingerenzakt und nicht jedes rechtswidrige Bundeshandeln kann eine Verletzung des Art. 30 GG zur Folge haben. Rechtsverstöße im Verhältnis der Bundesorgane untereinander oder in der Bundesverwaltung verlet-
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
gerechtfertigt u n d verletzte das subjektive Länderrecht aus A r t . 30 G G . W e i l einschlägige Rechtsschutzverfahren bereitstehen, 2 0 2 könnte diese Rechtsverletzung von den Ländern grundsätzlich, d . h . sofern keine Spezialvorschrift das ausschließt, judiziell abgewehrt werden. O b aber eine „andere Regelung" i m Sinne von A r t . 30, 2. Hs. G G dem B u n d nur die Kompetenz zu rechtmäßigem H a n d e l n gibt, ist eine Frage der Auslegung v o n A r t . 30 G G u n d der jeweils i m Grundgesetz getroffenen oder zugelassenen anderen Regelung. I n diesem K a p i t e l w i r d die Auslegungsarbeit für A r t . 30, 2. Hs. G G , i m nachfolgenden Abschnitt 4. für A r t . 85 A b s . 3 Satz 1 G G geleistet. Erst dort w i r d die Frage gestellt, ob der Weisungsbegriff des A r t . 85 A b s . 3 G G auch rechtswidrige Weisungen umfaßt und ob die genannte N o r m die Anfechtung rechtswidriger Bundesweisungen seitens der Länder ausschließt. Daraus, daß A r t . 30, 2. Hs. G G die Länderhoheit unter den Vorbehalt einer anderen Regelung stellt, folgt nicht, daß jeder beliebige, möglicherweise sogar rechtswidrige A k t der Bundesgewalt legitimiert u n d von den Ländern hinzunehmen ist. I m m e r h i n muß die andere Regelung nach der Verfassung i m Grundgesetz selbst getroffen oder zumindest zugelassen sein. D a f ü r , daß das Grundgesetz i m Wege einer anderen Regelung Bundeskompetenzen
zu
rechtswidrigem H a n d e l n schafft, spricht nichts. W e i l es i n einem Rechtsstaat zen Art. 30 GG in der Regel nicht. In diesen Materien besteht kein Rest von Länderzuständigkeit, in den der Bund, solange er seine entsprechenden Sach- und Kompetenzgebiete nicht verläßt, eingreifen könnte. Der Aufgabenentzug hat hier schon aufgrund korrekter Ausschöpfung des Art. 30, 2. Hs. GG stattgefunden. So ist etwa der Auswärtige Dienst gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG restlos in die bundeseigene Verwaltung überwiesen. In dieser Sachmaterie kann sich der Bund nicht mehr in einen legalen Länderautonomiegebrauch einmischen, kann er den Ländern nicht noch einmal Aufgaben und Befugnisse entziehen, und veranstaltet er auch nie eine Parallelaktion. Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG überweist das Sachgebiet Auswärtiger Dienst komplett in die Bundeszuständigkeit und schließt die Länder komplett aus ihm aus, d.h. die Länder stehen insofern, liegen nicht besondere Voraussetzungen vor, in keinem Rechtsverhältnis zum Bund. Art. 86 und 87 Abs. 1 Satz 1 GG erlauben dem Bund zwar kein rechtswidriges Handeln im Außenamt, aber ereignet sich ein solches trotzdem, dann gibt es wegen der ausschließlichen Sachkompetenz des Bundes auch kein rechtmäßiges Alternativhandeln des Landes. Landeshoheit ist demnach durch das rechtswidrige Bundeshandeln nicht verletzt. Darin liegt ein erheblicher Unterschied zur Bundesauftragsverwaltung, die zwar auch nach Sachgebieten thematisch eingegrenzt ist, aber in der Bundes- und Länderzuständigkeit zusammentreffen. Die Zuständigkeit des Bundes in der Bundesauftragsverwaltung ist nicht thematisch, d.h. durch Benennung eines Sachgebietes bestimmt, sondern durch Einräumung einer Handlungsform, mittels derer er ingerieren kann. Es kann gefragt werden, ob die grundgesetzliche Einräumung von Handlungsformen, etwa der der Weisung, nur jeweils deren rechtmäßige Variante meint. Ist eine getroffene Bundesweisung rechtswidrig, bleibt immer noch als Alternative ein rechtmäßiges Eigenhandeln der Länder bestehen. 202 Lückeloser Rechtsschutz für alle die Länder treffenden Rechtsverletzungen besteht laut BVerfG (vgl. nur E 11, 6/13 f.) durch die Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 und 4 sowie § 50 VwGO.
3.2. Rechtszuweisung an die Länder
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keine zuständige Stelle zum Erlaß rechtswidriger Akte gibt, 2 0 3 hat eine Kompetenzverteilungsklausel wie Art. 30 GG auch nicht die Aufgabe, rechtswidrige Aufgaben und Befugnisse zwischen Bund und Ländern zu verteilen. Rechtmäßig sind sowohl die Aufgaben und Befugnisse, die nach Art. 30, 1. Hs. GG Sache der Länder sind, als auch die Aufgaben und Befugnisse, die aufgrund anderer Regelung nach Art. 30, 2. Hs. GG Sache des Bundes sind. Rechtmäßig hat in beiden Fällen auch die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben zu sein. Art. 20 Abs. 3 GG verbietet 204 es Bund und Ländern rechtswidrig zu handeln. Daher ist jede Kompetenzverteilung nur die Verteilung rechtmäßiger Kompetenzen. Sie enthält ihrerseits zwar das Gebot an die jeweils inkompetente Seite 205 , die gezogenen Kompetenzgrenzen zu achten, aber darin steckt keine Ermächtigung der kompetenten Seite zu rechtswidrigem Handeln in der zugewiesenen Materie. Ergebnis dieser Überlegungen ist, daß dem Bund grundsätzlich nicht die rechtswidrige Aufgabenerfüllung und Befugnisausübung im Rahmen von Art. 30, 2. Hs. eingeräumt wird. Daraus folgt nicht als argumentum ad absurdum, daß wegen der Residualkompetenz aus Art. 30, 1. Hs. GG die Länder zum rechtswidrigen Handeln berufen wären. Im Rechtsstaat ist keine Stelle zu rechtswidrigem Handeln berufen. Folge eines rechtswidrigen Bundeshandelns, das den Ländern Aufgaben oder Befugnisse entzieht, das sich in die ländereigenen Entscheidungsspielräume einmischt oder kompetentes Länderhandeln durch paralleles Handeln zu unterminieren versucht, ist seine prinzipielle Abwehrbarkeit. 206 Jeder nicht von Art. 30, 2. Hs. gedeckte Ingerenzakt verletzt das subjektive Recht der Länder aus Art. 30 GG und kann daher grundsätzlich judiziell abgewehrt werden. 203 w e r ist nach dem Grundgesetz für den Erlaß grundrechtswidriger Paßgesetze zuständig? Zwar hat der Bund gemäß Art. 73 Nr. 3 GG die ausschließliche Kompetenz zur Regelung des Paßwesens, aber das ist nur eine Kompetenz zur verfassungsmässigen Regelung. Für verfassungswidrige Paßgesetze sind weder Bund noch Land kompetent, denn sie sind verboten; darüberhinaus ist es den Ländern überhaupt verboten, Paßgesetze zu erlassen und seien sie inhaltlich noch so korrekt. Daran zeigt sich, daß aufgrund der Prämisse, keine Stelle sei für rechtswidriges Handeln zuständig, die dogmatische Unterscheidung von Kompetenznormverstößen und anderen Normverstößen nicht verlorengeht. 204 Was geschieht, wenn es dennoch zum Rechtsverstoß gekommen ist, ist eine andere, der Regelung zugängliche Frage. Fehlerfolgeregelungen sind etwa die §§46 und 48 VwVfG. 205 Das Gebot richtet sich auch an die kompetente Seite. Weil die kompetente Seite in ihrer Kompetenzmaterie exklusiv zuständig ist, könnte man auf die Idee kommen, die alleinige Kompetenz decke auch rechtswidriges Handeln. 206 Diese Aussage steht unter dem Vorbehalt einer ausdrücklichen anderen Regelung, die die Abwehrbarkeit ausschließt. Ob eine solche Regelung in Art. 85 Abs. 3 GG getroffen ist, wird in Abschnitt 4. untersucht. Abwehrbarkeit wäre demgegenüber dort entbehrlich, wo der Bundesakt wegen evidenter und gravierender Rechtsverletzung nichtig und das heißt ohne Rechtswirkung wäre.
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
Das gefundene Ergebnis wahrt die referierte dogmengeschichtliche Tradition, weil es den Ländern eine rechtmäßige Behandlung durch den Bund sichert. 207 Es bestätigt sich aber auch am bundesstaatlichen Gewaltenteilungsgrundsatz. Bundesstaatliche Kontrastierung wird durch jeden rechtswidrigen Übergriff in die zur autonomen Handlungsbestimmung reservierte Hoheit des Gegenspielers gestört. Jenseits der Legalität gibt es keine zulässigen Kontraste und jede illegale Ingerenz nimmt dem föderalen Gegenspieler legale Kontr astierungschancen. Das gefundene Ergebnis erfährt weitere Bestätigung aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. So hat das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich konkreter föderaler Rechtsverhältnisse wiederholt ausgesprochen, daß im grundgesetzlich verfaßten Bundesstaat „für alle ihrer Natur nach einer Rechtsentscheidung zugänglichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht eröffnet ist." 2 0 8 Diese umfassende Justitiabilität der Rechtsverhältnisse zwischen Bund und Ländern, spricht nicht nur dafür, daß alle Rechtsverhältnisse zwischen Bund und Ländern subjektivrechtlich geprägt sind, sondern auch dafür, daß alle sich in ihnen ereignenden Rechtsstreitigkeiten zum Austrag gebracht werden können und d.h. alle sich in ihnen ereignenden Rechts verstoße gerichtlich gerügt werden können. Betont das Bundesverfassungsgericht, daß es von den Ländern nur dann angerufen werden kann, wenn deren subjektive Rechte auf dem Spiel stehen, 209 dann liegen den weit bemessenen juristischen Rügeund Kontrollmöglichkeiten weitgefaßte subjektive Länder rechte zugrunde. Warum die Länder vom Bund generell rechtmäßige Behandlung fordern können, beantwortet die zu Art. 30 GG entwickelte Auffassung genauso grundsätzlich, wie die strukturgleiche Frage, warum der Bürger gegenüber dem eingreifenden Staat auf umfassend rechtmäßige Behandlung dringen kann, ihre grundsätzliche Antwort in den Grundrechten findet. 210 In beiden Fällen muß nicht jeder einzelne Rechtssatz auf seine subjektivrechtliche Qualität befragt werden, sondern weil sich gewährte Freiräume nur durch die Garantie der Legalität jeden Eingriffs sichern lassen, kann jede Illegalität grundsätzlich gerügt werden. Damit läßt sich auch erklären 211 , warum die herrschende dog207 Die dogmengeschichtliche Betrachtung hat gezeigt, daß auch der Rechtsstaatsgrundsatz in diesem Zusammenhang kein neues Argument darstellt. 208 BVerfGE 11, 6/13 f.; vgl. auch BVerfGE 3, 267/279; 4, 250/267. 209 Vgl. BVerfGE 13, 54/81. Das ist in der Dogmatik anerkannt; vgl. nur Leisner, FS BVerfG I, S. 263 und Löwer, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band I I , S. 760. Diese Eingrenzung der Verfassungsstreitigkeiten wird nicht durch die Eröffnung des Streites um Pflichten in Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG aufgesprengt. Nicht jeder (behauptete) Rechtsverstoß begründet einen justitiable Pflichtenstreit. Es muß sich um Pflichten handeln, auf deren Erfüllung die Gegenseite einen Anspruch hat. 210 Die Parallelität von Grundrechten und Länderrechten, die in der Tradition kontinuierlich betont wurde, besteht auch in diesem Punkt. Sie wird im Abschnitt 4., der eine Untersuchung der sog. Elfes-Dogmatik liefert, analysiert.
3.2. Rechtszuweisung an die Länder
177
matische A n s i c h t 2 1 2 den Ländern zurecht ein umfassendes judizielles Rügerecht gegenüber Maßnahmen des Bundeszwanges einräumen kann, o b w o h l A r t . 37 G G nicht als subjektives Recht formuliert i s t . 2 1 3 Jede Zwangsmaßnahme nach dieser Vorschrift greift i n die Landeshoheit ein u n d muß von den Ländern daher nur dann hingenommen werden, wenn sie k o m p l e t t rechtmäßig ist, d . h . alle an sie gestellten rechtlichen Anforderungen erfüllt. A u f b a u e n d auf den geschaffenen dogmatischen Grundlagen untersucht der nachfolgende Abschnitt 4. das Zusammenspiel v o n A r t . 30 u n d 85 A b s . 3 G G . B e k a n n t l i c h 2 1 4 lehnt ein T e i l der Lehre ein subjektives Abwehrrecht der Länder gegenüber rechtswidrigen Bundesweisungen ab. Dafür lassen sich drei Begründungswege denken. Erstens könnte A r t . 30 G G i n der Bundesauftrags211 Einer entsprechenden Erklärung bedarf es nicht im Hinblick auf die Abwehrbarkeit verfassungswidriger Bundesgesetze und rechtswidriger Aufsichtsmaßnahmen im Bereich der landeseigenen Verwaltung. Für beide Fälle hält das Grundgesetz eine Spezialvorschrift bereit, die den Weg zum BVerfG eröffnet; vgl. Art. 84 Abs. 4 Satz 2 und 93 Abs. 1 Nr. 2 GG. Demgegenüber ist eine Erklärung dafür gefragt, warum das BVerfG (seit E 2, 213/224f.) das Vorliegen eines Bedürfnisses nach bundesgesetzlicher Regelung gemäß Art. 72 Abs. 2 GG nur eingeschränkt nachprüft. Zurecht sieht das Gericht in der genannten Norm unbestimmte Rechtsbegriffe verwandt. Über deren Konkretisierung läßt es den Bundestag deswegen unter Zubilligung eines Beurteilungsspielraumes entscheiden, weil die Begriffe erst durch zu treffende politische Entscheidungen an Gestalt gewännen. So bedürfe das, was die Verfassung „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" nenne, erst der politischen Festlegung. Das BVerfG beschränkt sich auf die Nachprüfung, „ob der Bundesgesetzgeber die in Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG verwendeten Begriffe im Prinzip richtig ausgelegt und sich in dem dadurch bezeichneten Rahmen gehalten hat" (E 13, 230/234). Man kann dieses Vorgehen rechtstheoretisch und dogmatisch kritisieren, aber eine vergleichbare Prüfungstechnik des BVerfG ist zum Gleichheitsrecht bekannt und auch das BVerwG kennt Beurteilungsspielräume, etwa bei Prüfungen, noch da, wo Grundrechte, d.h. subjektive Rechte par excellence, auf dem Spiel stehen. Es handelt sich dort wie bei Art. 72 Abs. 2 GG um ein eigengeartetes Phänomen, das keine generellen Folgerungen zur Qualität der Grundrechte bzw. des Rechtes aus Art. 30 GG trägt. 212 Vgl. nur Maunz } in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Art. 37, Randnr. 62 (1960); Schäfer, AöR Bd. 78 (1952 / 53), S. 48 f. Der Bundesregierung und dem Bundesrat wird dem Wortlaut des Art. 37 Abs. 1 GG folgend ein rechtlich umgrenztes Ermessen dazu eingeräumt, ob bei gegebenen Voraussetzungen Zwang angewendet oder nicht angewendet wird. Dessen ungeachtet, ist der Bund an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden; vgl. nur Evers, in: Kommentar Bonner zum Grundgesetz, Art. 37, Randnr. 68 ff. (1967) und Gubelt, in: v. Münch, GrundgesetzKommentar, Art. 37 Randnr. 11. 213 Es handelt sich beim Bundeszwang nicht um eine Pflicht, die gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG („Meinungsverschiedenheiten über ... Pflichten") justitiabel wäre. Art. 37 GG begründet keine neuen Pflichten für ein betroffenes Land, sondern gibt dem Bund die Handhabe, auf die Pflichtverletzung durch ein Land mit Zwang zu reagieren. Folglich könnte zwar ein Streit um die Pflichtverletzung des Landes, aber nicht um den auf ihr basierenden Bundeszwang geführt werden. Im Exekutionsfall kann wegen Einschlägigkeit von Art. 30 GG aber ein Verfassungsrechtsstreit wegen „Meinungsverschiedenheiten über Rechte . . . der Länder" (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG) geführt werden. 214 Vgl. nur Steinberg, AöR Bd. 110 (1985), S. 443; Lerche, BayVBl 1987, S. 322 f.; Wagner, DVB1 1987, S. 923 und die weiteren Nachweise zur Diskussion in Kapitel 1, Fn. 1.
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3. Das subjektive öffentliche Recht der Länder auf Kompetenz
Verwaltung überhaupt nicht zum Zuge kommen. Das ist die Position der herrschenden Lehre 2 1 5 , die Art. 30 GG in der Bundesauftragsverwaltung vernachlässigt und ihn auch nicht als mögliches subjektives Recht der Länder gegenüber rechtswidrigen Bundesweisungen diskutiert. Zweitens könnte es sein, daß Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung keine Eingriffe in Art. 30 GG darstellen. Schließlich könnte drittens der Weisungsbegriff des Art. 85 Abs. 3 GG rechtswidrige Weisungen derart einbeziehen und gegenüber der Länderhoheit legitimieren, daß ihre Abwehr durch die Länder ausgeschlossen wäre. Daß der erste Weg nicht gangbar ist, hat Kapitel 2.4 erwiesen. Daher bleiben in Abschnitt 4 der zweite und dritte Weg zu untersuchen. Dabei wird die Untersuchung dieses Kapitels exemplarisch vertieft werden.
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Zu ihr Kapitel 1 und 2.1.
4. Das subjektive öffentliche Recht der Länder im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis 4.1. Problemexposition und denkbare Einwände Die Erkenntnisse der vorangegangenen Abschnitte enthalten Vorgaben für die juristische Konstruktion des bundesauftragsrechtlichen Weisungsverhältnisses: Art. 85 Abs. 3 GG, also die Norm, die das auftragsrechtliche Weisungsverhältnis begründet, hat sich als eine andere Regelung im Sinne von Art. 30, 2. Halbsatz GG erwiesen. Den Ländern kommt die ihnen in Art. 30 GG zugeschriebene regelmäßige staatliche Befugnisausübung und Aufgabenerfüllung als subjektives öffentliches Recht zu. Dieses Recht baut sich grundrechtsähnlich auf: Ein definierter Schutzbereich ist gegen Eingriffe abgesichert, die sich nicht auf eine im Grundgesetz getroffene oder zugelassene Regelung stützen können, wobei grundsätzlich nichts dafür spricht, daß das Grundgesetz dem Bund im Wege anderer Regelung eine rechtswidrige Befugnisausübung und Aufgabenerfüllung gestattet oder gar zu seiner Sache macht. Abwehrrechte der Länder gegenüber rechtswidrigen Bundesweisungen in der Bundesauftragsverwaltung sind mit diesen Erkenntnissen aber noch nicht gewonnen. Weder ist die Eingriffsqualität einzelner Weisungen erwiesen, noch ist die These widerlegt, derzufolge Art. 85 Abs. 3 GG rechtswidrige Weisungen unanfechtbar stellt. Die benannten Untersuchungsdefizite zu beheben, ist wesentliche Aufgabe des neuen Abschnittes. Sind Weisungen keine Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 30 GG, dann scheidet ein auf Art. 30 GG gestütztes Abwehrrecht gegen rechtswidrige Weisungen aus. Weisung als Eingriff bezeichnet dabei ein Problem, das auch andere öffentlich-rechtliche Einzeldogmatiken beschäftigt: Die Frage nach dem Umgang mit subjektiven öffentlichen Rechten in Weisungsverhältnissen stellt sich für das Kommunalrecht, weisen staatliche Behörden die selbstverwaltungsberechtigten Gemeinden an. Im Beamtenrecht ist es ein Problem zu bestimmen, wann Vorgesetztenweisungen in die Grundrechtssphäre des angewiesenen Beamten eingreifen. In beiden Rechtsmaterien wird das bezeichnete rechtliche Problem schon lange diskutiert und aus beiden Materien sind starke Meinungen bekannt, die nicht in jeder Weisung zugleich einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie bzw. die Beamtengrundrechte sehen.1 Die Parallelität der Problemstellung eröffnet die Chance, von der Dogmatik 1
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Vgl. dazu Kapitel 4.2.1. und 4.2.2.
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
dieser Einzelmaterien zu lernen. Wie weit die Parallelität reicht und inwiefern in den Einzeldogmatiken gefundene richtige Lösungen im Kontext des Art. 85 Abs. 3 GG verwertbar sind, untersuchen die beiden anschließenden Kapitel. Die Frage, ob Weisungen in der Bundesauftrags Verwaltung in den Schutzbereich des Art. 30 GG eingreifen, wird aber erst in der Nachfolge dieser Kapitel endgültig beantwortet werden. Das zweite zu behebende Untersuchungsdefizit betrifft Art. 85 Abs. 3 GG. Selbst wenn sich Weisungen als Eingriffe erwiesen hätten, wären rechtswidrige Weisungen für die Länder dann unanfechtbar, wenn die weisungsbedingten Eingriffe auch in diesem Fall durch Art. 85 Abs. 3 GG gerechtfertigt wären. Eine solche Rechtfertigungswirkung des Art. 85 Abs. 3 GG wird in der Literatur vertreten, wenn auch nicht deutlich ausgesprochen. Deutlich wird ausgesprochen, daß das Weisungsrecht des Art. 85 Abs. 3 GG gerade auch zur Durchsetzung der Bundesauffassung bei Meinungsverschiedenheiten über die Rechtmäßigkeit eines Ausführungsaktes geschaffen sei, und daß die Länder deswegen auch Weisungen vollziehen müßten, die ihres Erachtens auf einen rechtswidrigen Vollzug gerichtet sind. 2 Aber bei dieser Erkenntnis bleibt es nicht, sondern gerade „infolgedessen" 3 sollen die Länder über keine subjektive Rechtsposition verfügen, die sie im Weisungsstreit ins Spiel bringen könnten. Dahinter steckt folgender Gedanke: Liegt eine Pointe des Weisungsrechts darin, dem Bund in Rechtsfragen das letzte Wort in der Auftragsverwaltung zu geben, dann soll ein angewiesenes Land auch nicht in einem gerichtlichen Verfahren die inhaltliche Rechtswidrigkeit einer Weisung rügen können. Demnach ist es Art. 85 Abs. 3 GG, der die Abwehr rechtswidriger Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung ausschließen soll. Diese Auffassung ist aber nur dann richtig, wenn eine entsprechende Normaussage wirklich in Art. 85 Abs. 3 GG codiert ist. Das kann nur im Wege der Auslegung überprüft werden. Dabei ist zu fragen, ob die Landesbehörden gemäß Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG nur den rechtmäßigen oder auch den rechtswidrigen Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden unterstehen, und ob der Vollzug nur der rechtmäßigen oder auch der rechtswidrigen Weisungen durch die obersten Landesbehörden gemäß Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG sicherzustellen ist. Zu klären ist also, was Weisung im Zusammenhang beider Sätze meint. Zu klären ist aber auch, was die Vokabeln „unterstehen" und „sicherstellen" bedeuten, und genauerhin, ob sie etwas zur Anfechtbarkeit 2 Vgl. Lerche, BayVBl 1987, S. 321 u. 323 und auch Steinberg, AöR Bd. 110 (1985), S. 433 sowie Wagner, DVB1 1987, S. 921. 3 Lerche, ebd. S. 323. Zwar greift der Bund laut Lerche mit seinen Weisungen in den Hoheitsbereich und damit in die Rechtssphäre eines angewiesenen Landes ein (ebd. S. 322), aber für Lerche ist die „Möglichkeit einer . . . subjektiven Rechtsverletzung . . . insoweit ausgeschlossen" (ebd.); das „folgt" für ihn aus der Erwägung, „daß das Land prinzipiell auch eine solche Weisung zu vollziehen hat, die seiner Rechtsansicht nach auf einen rechtswidrigen Vollzug gerichtet ist" (ebd. S. 322 f.).
4.1. Problemexposition und denkbare Einwände
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und Verbindlichkeit der Bundes Weisungen besagen. Es ist ein sachlicher Unterschied, ob die Länder rechtswidrige Weisungen nur zunächst, d.h. bis zum Ergehen eines gerichtlichen Spruches, befolgen müssen, oder ob sie erst gar nicht in der Lage sind, einen gerichtlichen Spruch über eine rechtswidrige 4 Weisung herbeizuführen. Im ersten Fall ist die Weisung verbindlich, im zweiten unanfechtbar. Sind also nach Art. 85 Abs. 3 GG rechtswidrige Weisungen verbindlich und unanfechtbar? Auslegungsergebnis kann sein, daß rechtswidrige Weisungen gemäß Art. 85 Abs. 3 GG zwar anfechtbar, aber verbindlich, anfechtbar und zudem unverbindlich, unverbindlich und daher unanfechtbar und schließlich unanfechtbar und verbindlich sind. Die Untersuchung nähert sich ihrem Ergebnis hierzu nicht sofort im Wege klassicher Auslegung. Wiederum versucht sie, aus den Entwicklungen und Erträgen problemverwandter Einzeldogmatiken zu lernen. Hierfür bietet sich aber nicht nur die Weisungsdogmatik im Beamten- und Kommunalrecht an, also die Analyse der dortigen Lehren zum Umgang mit rechtswidrigen Weisungen, sondern ebenso die Dogmatik rechtswidriger Eingriffsakte im Grundrechtsbereich. Immerhin ist seit dem Elfes-Urteil des Bundesverfassungsgerichts 5 aus dem Grundrechtsbereich hinlänglich vertraut, daß subjektive öffentliche Rechte des Verfassungsrechts gegen unrechtmäßige staatliche Akte Schutz verleihen können. Inwieweit hier Parallelen gezogen werden können, bleibt an dieser Stelle offen und ist Frage eines gesonderten Kapitels. Die Mühe, verwandte Einzeldogmatiken zu durchmustern und anschließend eine Auslegung des Art. 85 Abs. 3 GG zu liefern, lohnte nicht, würde sich aus grundgesetzlichen Vorschriften klar ergeben, daß Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung unanfechtbar sind. Das ist aber nicht der Fall. So sind Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung nicht etwa deswegen unanfechtbar, weil sie den Rechts- wie Zweckmäßigkeitsbereich betreffen können. Das schließt ein Recht darauf, daß Weisungen in Rechtsfragen richtig und in Zweckmäßigkeitsfragen rechtmäßig sind, nicht aus. Weiter ist es für die Anfechtbarkeitsfrage unerheblich, daß nach Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG der WeisungsVollzug durch die obersten Landesbehörden sicherzustellen ist. Es sind zwei Fragen, ob eine Weisung als zunächst verbindlich zu vollziehen und ihr Vollzug durch Instanzenspitzen sicherzustellen ist, und ob die Weisung aufgrund eines entsprechenden subjektiven Rechtes wegen ihrer Rechtswidrigkeit in einem besonderen Verfahren bekämpft werden kann. Auch das von der Rechtsordnung als (vorläufig) verbindlich Angesetzte kann kassatorischen oder feststellenden Rechtsverfahren ausgesetzt werden. Für eine endgültige 4
Sollte Anfechtbarkeit bestehen, so genügt prozeßrechtlich die substantiierte Behauptung der Weisungsrechtswidrigkeit zur Initiierung einer gerichtlichen Überprüfung. 5 BVerfGE 6, 32 ff.
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
und unangreifbare Verbindlichkeit der Weisungen spricht der Verfassungstext aber an keiner Stelle. Von gleicher Wertigkeit wie der Einwand aus Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG ist ein denkbarer aus Art. 37 GG: Aber selbst wenn der Bund die Weisungsdurchsetzung direkt im Wege des Bundeszwanges betreiben kann, ist ein korrigierendes Verfahren und ein entsprechendes subjektives öffentliches Recht deswegen nicht ausgeschlossen. Die Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung sind auch nicht deswegen unanfechtbar, weil dem Bund in Art. 85 Abs. 4 GG die Aufsicht über die Gesetzmäßigkeit der Ausführung zugewiesen ist. Man könnte auf die Idee kommen, dem Rechtsaufsicht führenden Bund obliege die endgültige und unangreifbare Entscheidung über Recht und Unrecht in allen Streitfragen und daher auch im Rahmen seiner Weisungsgewalt. Die Prämisse, der Bund habe im Aufsichtsverfahren die letztverbindliche Entscheidungsmacht, stimmt aber nicht. Gegen sie spricht die Nennung der Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern „bei der Ausübung der Bundesaufsicht" in Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG. Schließlich steht auch Art. 84 Abs. 4 GG nicht dafür, daß im Weisungsverhältnis des Art. 85 Abs. 3 GG ein Kampf um die Rechtmäßigkeit ausgeschlossen ist. Art. 84 Abs. 4 GG trifft seine Regelung für das Mängelrüge verfahren in der Bundesaufsicht und nicht für Weisungsverhältnisse. Seine wesentliche Regelung und eine länderfreundliche Geste6 des Grundgesetzes ist die Dazwischenschaltung des Bundesrates im Aufsichtsverfahren (Satz 1). Demgegenüber spricht Satz 2 nur zur Vermeidung von Mißverständnis aus, daß gegen den Bundesratsbeschluß das Bundesverfassungsgericht angerufen werden kann. 7 Folglich kann aus dieser Vorschrift nicht e contrario der Ausschluß eines gerichtlichen Streitverfahrens im Rahmen der Bundesauftrags Verwaltung entnommen werden. Die neuere Literatur neigt im Gegenteil sogar dazu, Art. 84 Abs. 4 GG im Rahmen der Auftragsverwaltung analog anzuwenden, also dort die Anwendung des in der Vorschrift skizzierten Verfahrens zumindest fakultativ anzubieten.8 6
Soweit die Bundesratsentscheidung eine Rechtsentscheidung ist, findet das betroffene Land im Bundesrat in der Regel einen verständnisvollen und wohlwollenden Richter. Soweit der Bundesrat im Mängelrügeverfahren eine Vermittlungsfunktion wahrnimmt, kann ihn ein betroffenes Land in der Regel als ehrlichen Makler ansehen. Zu den Funktionen des Bundesrates im Rahmen von Art. 84 Abs. 4 GG vgl. H. v. Mangoldt, Vom heutigen Standort der Bundesaufsicht, S. 6 ff. und Dux, Bundesrat und Bundesaufsicht, S. 105 ff. 7 Damit ist nicht ausgeschlossen, daß Art. 84 Abs. 4, Satz 2 GG eine selbständige Zuständigkeitszuweisung an das Bundesverfassungsgericht enthält. Vgl. zum streitigen Verhältnis von Art. 84 Abs. 4, S. 2 GG und Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG H. v. Mangoldt, ebd. S. 4 f. und Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Art. 84, Randnr. 178 ff. (1985). 8 Vgl. Bull, in: Kommentar zum Grundgesetz (Reihe Alternativkommentare), Art. 85, Randnr. 18 und Lerche, ebd. Art. 85, Randnr. 81 (1987) m.w.Nw., der das Mängelrügeverfahren des Art. 84 Abs. 4 GG sogar für obligatorisch hält.
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
183
D i e dem Abschnitt gestellten Aufgaben erledigen sich also nicht durch die eben beleuchteten N o r m e n . D i e Untersuchung beginnt, wie angekündigt, m i t der Analyse der bezeichneten Einzeldogmatiken.
4.2. D e r Ertrag verwandter Einzeldogmatiken 4.2.1. Weisungen und Selbstverwaltungsgarantie im Kommunalrecht Was den Ländern A r t . 30 G G als subjektives öffentliches Recht gegenüber dem B u n d ist, das ist den Gemeinden der A r t . 28 A b s . 2 Satz 1 G G gegenüber B u n d u n d Ländern. Genauso wie bei den Ländern die Innehabung staatlicher Funktionen m i t der subjektivrechtlichen Bewehrung ihrer Kompetenzräume zusammengeht, so sind die K o m m u n e n als dezentralisierte hoheitliche Handlungssubjekte Träger einer primär institutionell- u n d sekundär subjektiv- 1 , wenn auch nicht grundrechtlich 2 gesicherten
Selbstverwaltungskompetenz.
U n d wie die Länder gemäß A r t . 85 A b s . 3 G G den Weisungen der obersten Bundesbehörden unterstehen, so sind die Gemeinden i m R a h m e n der k o m munalen Auftragsangelegenheiten u n d der sog. Pflicht auf gaben nach Weisung aufgrund einfachgesetzlicher A n o r d n u n g den Weisungen der zuständigen staatlichen Behörden unterstellt. 3 B e i den klassischen Selbstverwaltungsangelegenheiten 4 gibt es den Weisungsrechten vergleichbare Anordnungsrechte. 1 Vgl. nur Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, S. 408 ff. m.w.Nw. Laut Verfassungstext muß den Gemeinden das Recht der Selbstverwaltung gewährleistet sein. Das ist ihr Recht aus der Verfassung. Darin liegt die Anforderung an die Rechtsordnung, den Gemeinden das Selbstverwaltungsrecht als subjektives Recht zu gewährleisten. Diese Anforderung und somit auch das Recht der Gemeinden aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sind immer dann verletzt, wenn ein Rechtsakt dem in der Verfassung geforderten subjektiven Selbstverwaltungsrecht nicht genügt. 2 Dazu vgl. schon Hoch in der zehnten Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung am 8. Oktober 1948, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat, 1948 - 1949, Akten und Protokolle, Band 3, S. 414: „Die Grundrechtler haben sich geeinigt, nur die klassischen Grundrechte aufzunehmen. Alle diese Dinge betrachten sie nicht als klassisch." Im Hinblick auf Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b. GG kann von einem grundrechtsähnlichen Recht der Gemeinden gesprochen werden. Zur grundrechtlichen Natur des § 184 der Reichsverfassung von 1849 vgl. Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, S. 433 ff. sowie Schmitt, Verfassungslehre, S. 171 und zum institutionellrechtlichen Gehalt von Art. 127 W R V Schmitt, ebd., S. 173. 3 Vgl. z. B. § 2 Abs. 2 der rheinland-pfälzischen und § 3 Abs. 2 der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung. 4 Klassische Selbstverwaltungsaufgaben das sind die Aufgaben, die schon vor dem Weinheimer Entwurf Selbstverwaltungsaufgaben waren und es heute in den dualistischen Gemeindeordnungen sind, also die freiwilligen Aufgaben und einfachen (weisungsfreien) Pflichtaufgaben, nicht aber die Auftragsangelegenheiten und die aus ihnen hervorgegangenen Pflichtaufgaben nach Weisung. Vgl. zur Entwicklung der Aufgabenmodelle Dehmel, Übertragener Wirkungskreis, Auftragsangelegenheiten und Pflichtaufgaben nach Weisung, S. 37 ff. und 83 ff. und zur Unterscheidung von (klassischen) Selbstverwaltungsaufgaben und Fremdverwaltungsaufgaben Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, S. 161 ff. und Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I I , S. 54 ff. und 89 ff.
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
So kann z.B. gemäß § 109 Abs. 1 GO NW die Kommunalaufsichtsbehörde gegenüber einer Gemeinde, die ihren gesetzlichen Pflichten nicht nachkommt, anordnen, binnen gesetzter Frist das zur Pflichterfüllung Erforderliche zu veranlassen. Bei allen genannten Arten gemeindlicher Aufgabenerledigung können Aufsichtsstreitigkeiten auftreten. Ihre dogmatische Behandlung wird daraufhin untersucht werden, ob sie die im vorausgegangenen Kapitel angesprochenen Probleme lösen hilft, d. h. ob sie insoweit inspirieren oder sogar die Grundlage einer einheitlichen Weisungsdogmatik abgeben kann. Es geht dabei zum einen um die Frage nach der Eingriffsqualität von Weisungen und zum anderen um solche Rechtmäßigkeitsanforderungen an Weisungen und Eingriffe, die der Angewiesene bzw. das Eingriffsopfer geltend machen kann. Begonnen wird die Untersuchung mit einem Abriß der Rechtsprechung zu den kommunalen Aufsichtsstreitigkeiten. Die gefestigte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte gewährt nicht gegenüber allen Aufsichtsmaßnahmen gleichermaßen Rechtsschutz. Nur bei Selbstverwaltungsangelegenheiten, mit denen die Gemeinden immer Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft wahrnehmen würden, sollen Aufsichtsmaßnahmen grundsätzlich anfechtbare Verwaltungsakte darstellen, die im Falle ihrer Rechtswidrigkeit wegen Verletzung des grundgesetzlichen Selbstverwaltungsrechts nach § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben seien.5 Nach der gleichen Rechtsprechung sollen aber Aufsichtsmaßnahmen im Rahmen der Auftragsverwaltung und der Pflichtauf gaben zur Erfüllung nach Weisung, einschließlich der fachaufsichtlichen Weisungen, grundsätzlich keine Verwaltungsakte darstellen und grundsätzlich nicht angefochten werden können. 6 Ausnahmsweise sollen nur solche Maßnahmen der Fachaufsicht anfechtbar sein, die den Rahmen der Fachaufsicht überstiegen, sei es, weil sie auch auf den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden unmittelbar oder schwerwiegend einwirkten, und damit in ihn eingriffen, 7 sei es, weil sie gesetzliche und zugunsten der Gemeinden erlassene Beschränkungen des fachaufsichtlichen Weisungsrechts mißachteten.8 Diese Ausnahmen beruhen folglich nicht darauf, daß Auftragsangelegenheiten und Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung nach Auffassung der Rechtsprechung am Schutz des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG teilhaben. Im Gegenteil werden diese Angelegenheiten als staatliche, als solche der Fremdverwaltung bezeichnet und als Angelegenheiten eines 5 Vgl. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung BVerwGE 19, 121/122 f.; 52,151/ 153 ff. 6 Vgl. BVerwGE 6, 101/102 f.; BVerwG, N V w Z 1983, S. 610/611; O V G Münster, OVGE 7, 138/139; BayVGH, DVB1 1977, S. 152 f. u. DVB1 1978, S. 148 f. und V G Köln, DVB1 1985, S. 180/181. 7 Dazu BVerwG, N V w Z 1983, S. 610/611 f.; V G Köln, DVB1 1985, S. 180/181; vgl. auch BVerwG, D Ö V 1970, S. 605/606. 8 Vgl. Art. 109 Abs. 2 der bayrischen Gemeindeordnung und dazu BayVGH, BayVBl 1985, S. 368/369.
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
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übertragenen Wirkungskreises in Gegensatz zu einem in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten eigenen Wirkungskreis gerückt. Und hier liegt auch der Grundansatz der Rechtsprechung: Eine Gemeinde kann „bei Eingriffen in den übertragenen Wirkungskreis in der Regel nicht Klage erheben, weil sie insoweit nicht eigene Angelegenheiten, sondern solche des Staates wahrnimmt" 9 . Angesichts der Fassung von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG kann die zitierte Auffassung möglicherweise auf zweierlei Weise erklärt werden: Daß die Gemeinden im übertragenen Wirkungskreis laut Rechtsprechung keine eigenen Angelegenheiten wahrnehmen, könnte erstens darauf beruhen, daß diese Angelegenheiten schon tatbestandlich keine der örtlichen Gemeinschaft sind. Es könnte aber zweitens auch darauf beruhen, daß die Staatlichkeit dieser Angelegenheiten erst das Ergebnis einer gesetzlichen Zuordnung ist, einer Zuordnung, die den in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Rahmen der Gesetze ausschöpfte. In dieser Konstruktion entstünden Fremdverwaltungsaufgaben auch dadurch, daß der Gesetzgeber den Rahmenvorbehalt zur Umwandlung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in solche des Staates nutzte. Der Rechtsprechung ist nicht klar zu entnehmen, welche der beiden Erklärungen sie bevorzugt. 10 Eines kann der Rechtsprechung aber schon jetzt entnommen werden. Sie nennt fachaufsichtliche Weisungen Eingriffe, wenn zumeist auch in den übertragenen Wirkungskreis, 11 und nur ausnahmsweise in den eigenen Wirkungskreis, sofern dieser unmittelbar oder schwerwiegend genug durch die Weisung tangiert werde. 12 Weisungen sind für die Rechtsprechung Eingriffe, weil sie im übertragenen bzw. eigenen Wirkungskreis die gemeindliche Autonomie verkürzen. Eingriffe in den übertragenen Wirkungskreis faßt die Rechtsprechung aber grundsätzlich nicht als Eingriffe in Art. 28 Abs. 2 GG auf, sei es, weil der übertragene Wirkungskreis außerhalb der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft steht, sei es, weil der Gesetzgeber die Auftragsangelegenheiten und Pflichtaufgaben nach Weisung aus dem Schutzbereich 13 des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ausgesondert hat. 9 BVerwG, N V w Z 1983, S. 611. 10 Dahin, daß Fremdverwaltungsaufgaben dem Verfassungsbegriff „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" nicht unterfallen, tendieren BVerwGE 6, 19/23 und BayVGH, DVB11978, S. 148/149. Der BayVGH führt aus, Fremdverwaltungsaufgaben nehme die Gemeinde nicht kraft ihres Selbstverwaltungsrechts aus Art. 28 Abs. 2 GG, sondern aufgrund staatlicher und d. h. gesetzlicher Verleihung wahr. Auch BVerfGE 8, 122/134 bezieht die Auftragsangelegenheiten, denen es die Pflichtaufgaben nach Weisung gleichstellt (so BVerfGE 6, 104/116), schon tatbestandlich nicht in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG ein. Demgegenüber schreibt BVerwG, N V w Z 1983, S. 610/611, hinsichtlich der Angelegenheit „Regelung des Straßenverkehrs" bestimme sich die konkrete Aufgabenzuordnung nach dem Rahmen der Gesetze. 11 Vgl. nur BVerwG, N V w Z 1983, S. 610/611. 12 Vgl. nur BVerwG, ebd., und V G Köln, DVB1 1985, S. 180/181.
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
Sollte sich im Fortgang zeigen, daß den Gemeinden bei Erfüllung der Auftragsangelegenheiten und Pflichtaufgaben nach Weisung schon tatbestandlich nicht der Schutz des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zukommt, dann sind die dortigen Weisungsfälle für die Zwecke der Untersuchung nicht mit denen in der Bundesauftragsverwaltung vergleichbar. Immerhin wurde schon gezeigt, daß die Länder in der Bundesauftragsverwaltung eine in Art. 30 GG fundierte subjektivrechtliche Position innehaben. Sollten die fachaufsichtlichen Weisungen im Kommunalrecht erst gar nicht auf eine subjektivrechtliche Kompetenzsphäre der Gemeinden stoßen, weil sie Angelegenheiten betreffen, die zur staatlichen aber nicht örtlichen Gemeinschaft gehören, dann ist ihre Dogmatik für die Dogmatik der Bundesauftragsverwaltung ohne verwertbaren Ertrag. 14 Ein Ertrag bleibt dann aber immer noch aus dem Bereich der klassischen Selbstverwaltungsaufgaben zu erhoffen. Zunächst ist aber eine Untersuchung dazu gefordert, ob die Angelegenheiten, mit denen die Gemeinden im Rahmen der Auftragsverwaltung und der Pflichtaufgaben nach Weisung befaßt sind, solche der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sind. Was die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind, ist nicht erst in den siebziger Jahren unseres Jahrhunderts in Streit geraten. Schon die Staatsund Verwaltungsrechtswissenschaft des deutschen Spätkonstitutionalismus hat über die Unterscheidbarkeit von eigenen und übertragenen Angelegenheiten der Gemeinden gestritten. So war etwa Loening der Meinung, die Unterscheidbarkeit beider Klassen von Gemeindeangelegenheiten sei im modernen Staat deswegen entfallen, weil die Gemeinden in ihm „keinen Wirkungskreis (hätten), der ihnen nicht durch den Staat übertragen wäre" 15 . Bestimme das Staatsgesetz den gemeindlichen Wirkungskreis, dann seien auch alle gemeindlichen Aufgaben staatliche. Und zur Verlagerung der alten Unterscheidung in den staatlichen Aufgabenkreis der Gemeinden, also zur Unterscheidung zweier entsprechender Arten staatlicher Gemeindeaufgaben, fehle es an einem „allgemeinen Prinzip" 16 . Demgegenüber haben die Autoren der zeitgenössischen herrschenden Lehre an der Unterscheidung eigener und übertragener Angelegenheiten der Gemeinden festgehalten und meistenteils dabei anerkannt, daß alle gemeindlichen Aufgaben staatliche und alle gemeindlichen Befugnisse vom Staat abgeleitet sind. 17 Lorenz vom Stein spricht insofern von „örtlich begränzten Aufga13 Diesen aus der Grundrechtsdogmatik entliehenen Terminus verwendet zurecht das BVerfG im Kontext von Art. 28 Abs. 2 GG, z. B. in E 76, 107/116. 14 Ausgenommen des Rechtsprechungsbefundes hinsichtlich der Eingriffsnatur von Weisungen. 15 Loening, Lehrbuch des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 32. 16 Loening, ebd. unter Zustimmung von Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Zweiter Band, S. 363, Fn. 21, der aber dennoch „tiefgehende rechtliche Verschiedenheiten" betont und daher den abgeleiteten vom eigenen Wirkungskreis getrennt sehen will.
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
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ben des Staats" 18 , womit sich schon die Trennlinie zeigt, der folgend die herrschende Lehre eigene von übertragenen Aufgaben abschichtete. So wurde unterschieden zwischen der Befriedigung solcher Interessen, „welche das nachbarschaftliche auf örtlicher Ansiedelung beruhende Leben hervorbringt" 1 9 , die sich aus den „besonderen lokalen Verhältnissen" 20 ergeben würden, und der Wahrnehmung solcher Angelegenheiten, die über den örtlichen Interessenkreis hinausragten. Die eigenen Angelegenheiten der Gemeinden wurden weiterhin dadurch gekennzeichnet, daß die Gemeinden sie innerhalb ihrer Grenzen und durch ihre eigenen Kräfte besorgen könnten. 21 Die Unterscheidungskraft der ganannten Kriterien verdeutlichen Beispiele übertragener Angelegenheiten, die Gerber 22 anführt: So konnte weder die Publikation von Staatsgesetzen, das Einsammeln von Staatssteuern noch die Militäreinquartierung für das deutsche Heer durch die Pflichtigen Gemeinden als deren eigene Angelegenheit gelten, denn diese Angelegenheiten resultierten nicht aus dem nachbarschaftlichen Zusammenleben. Erkennbar wurde in diesen Angelegenheiten ein negotium alienum geführt. Unter Zugrundelegung der genannten Kriterien hat auch das preußische Oberverwaltungsgericht einschlägige Streitfälle gelöst, so zum Beispiel einen Aufsichtsstreit um die Gewährung von finanziellen Reisevergünstigungen durch eine Stadt an ihre Wahlmänner, die sich zur Beteiligung an der Wahl der Landtagsabgeordneten an einen entfernten Wahlort begeben mußten. Die Zweckbindung des städtischen Vermögens sah das Gericht deswegen überschritten, weil den Wahlmännern das Wahlrecht „lediglich in ihrer Eigenschaft als Preußische Unterthanen und unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gemeinde" zustehe, und weil „der Gewählte . . . weder unmittelbar noch mittelbar die Gemeinden seines Wahlkreises" 23 vertrete, sondern gemäß Art. 83 der Preußischen Verfassungsur künde von 1850 Vertreter des ganzen Volkes sei. Deswegen sei es bei der Wahl nicht um „die Wahrung der Interessen der örtlichen Gemeinschaft" gegangen und habe die Verfügung über das Korporationsvermögen nicht „von der Besonderheit der Verhältnisse der örtlichen Gemeinschaft ihren Ausgangspunkt" genommen und nicht „in dem Schutze und der Förderung dieser Verhältnisse ihr Ziel" 2 4 gehabt. 17 Zur Kritik an naturrechtlichen Auffassungen vgl. Loening, ebd. mit Fn. 1 und später Peters, Grenzen der kommunalen Selbstverwaltung in Preußen, S. 32 u. 189. 18 Lorenz von Stein, Die Verwaltungslehre, Erster Theil, Zweite Abtheilung, Die vollziehende Gewalt, Zweiter Teil, S. 128. 19 Gerber, Grundzüge des Staatsrechts, S. 60. 20 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 295; vgl. auch Meyer / Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, S. 420. 21 Vgl. Rosin, Annalen des Deutschen Reichs, 1883, S. 292 m.w.Nw. 22 Gerber, Grundzüge des Staatsrechts, S. 63, Fn. 6. 23 PreußOVG, E 14, 76/84. 24 PreußOVG, ebd., S. 87.
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
Trotz der beträchtlichen Unterscheidungskraft der genannten Kriterien verkannte die zeitgenössische herrschende Lehre nicht, daß Zweifelsfälle blieben; G. Jellinek 25 sprach aus, es ließen sich „a priori keine festen Schranken ziehen, da der Begriff der lokalen Interessen ein flüssiger" sei. Aber spätestens durch seinen Sohn 26 war der Rechtswissenschaft seiner Zeit in der Sache bekannt, daß bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe neben positiven und negativen früher oder später auch neutrale Kandidaten auftreten. 27 Vergleichbare Vagheit kennzeichnet heute den Verfassungsterm „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft". Ein Teil der Literatur bestreitet diesen fünf Wörtern überhaupt einen Aussagegehalt, mit dessen Hilfe sich eine brauchbare Abgrenzung von eigenem und übertragenem Wirkungskreis der Gemeinden leisten ließe. 28 Vor allem Burmeister hat die Unmöglichkeit der Abschichtung von örtlichen und überörtlichen Angelegenheiten behauptet und zur Entlastung der zitierten Verfassungsstelle vorgetragen, sie verlange die unmögliche Abgrenzung auch nicht. Die Verfassung verwende das Merkmal „örtlich" nicht als Attribut der „Angelegenheiten", sondern kennzeichne damit eine bestimmte Gemeinschaft, einen Personenkreis. 29 Um deren bzw. dessen Angelegenheiten gehe es überall dort, wo die Rechts- und Interessensphäre der Bürgerschaft unmittelbar betroffen sei, „gleichgültig, ob die Angelegenheit zugleich auch für das überregionale Einzugsgebiet, möglicherweise gar für das Staatsganze, von Bedeutung ist." 3 0 In praxi heißt dies bei Burmeister, daß von Verfassungswegen „grundsätzlich alle ausführungsbedürftigen und in die Vollziehungszuständigkeit der Länder fallenden Verwaltungsgesetze, deren materielle Regelungen die Rechts- oder Interessensphäre des Individuums unmittelbar berühren, als Selbstverwaltungsangelegenheiten umzusetzen" 31 seien. Angesichts der Weite, die Burmeister dem Verfassungsterm in der Auslegung gibt, überraschen seine Ableitungen nicht: Die Unterscheidung zwischen einem eigenen und einem übertragenen Wirkungskreis der Gemeinden sei verfassungsrechtlich unhaltbar, Auftragsangelegenheiten, 25
G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 646. W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 37 ff. spricht unter Anlehnung an die Terminologie in Kants Kategorienlehre von positiven wie negativen assertorischen und problematischen Urteilen. 27 Dazu vgl. Koch / Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 194 ff. 28 Vgl. vor allem Burmeister, Verfassungstheoretische Neukonzeption der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, S. 24 ff. und passim m.w.Nw.; einen kritischen Überblick zu den Neukonzeptionen der kommunalen Selbstverwaltung, die Abstand vom Verfassungstext nehmen, und ihn wie etwa Roters (in v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Band 2, Art. 28, Randnr. 31) als „substanzschwache Regelung" hinstellen, gibt Knemeyer, FS Scupin, S. 801 ff.; krit. zu einer Abgrenzung mit Hilfe des Kriteriums „Örtlichkeit" aber auch Grawert, W D S t R L Bd. 36 (1978), S. 286 ff. 29 Burmeister, ebd., S. 70 f. 30 Burmeister, ebd., S. 74. 31 Burmeister, ebd., S. 75. 26
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
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die für sich Staatlichkeit und Überörtlichkeit reklamierten, seien angesichts der entwickelten Systematik perplex und verfassungswidrig. 32 Gegenpol zur eben berichteten Auffassung und Zielpunkt ihrer Kritik ist die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts. In der Tat spricht es nicht verfassungstextnah von den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, sondern von den „Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises", definiert es, dazu gehörten „nur solche Aufgaben, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf die örtliche Gemeinschaft einen spezifischen Bezug haben und von dieser örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich und selbständig bewältigt werden können." 33 Keine Angelegenheit des örtlichen Wirkungskreises sei das, was in Bund und Land an Politik betrieben werde, solange es eine Gemeinde „nicht als einzelne Gemeinde besonders trifft, sondern der Allgemeinheit - ihr nur so wie allen Gemeinden - eine Last aufbürdet oder sie allgemeinen Gefahren aussetzt." 34 Die von den Gemeinden wahrgenommenen Auftragsangelegenheiten „(Staatsaufgaben, mit deren weisungsgebundener Durchführung die Gemeinde beauftragt ist)" 3 5 , die in Nordrhein-Westfalen unter der Bezeichnung Pflichtaufgaben nach Weisung firmierten, 36 versteht das Bundesverfassungsgericht nicht als Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises. 37 Zu diesen Fremdverwaltungsangelegenheiten gehören u.a. Aufgaben im Bereich des Personenstands- und Paßwesens, der Wehrerfassung, des zivilen Bevölkerungsschutzes und der breitgefächerten Ordnungsverwaltung. 38 Im Wege der Auslegung kann gezeigt werden, daß das Bundesverfassungsgericht recht hat, wenn es die Fremdverwaltungsaufgaben nicht in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG einbezieht. Es handelt sich um Aufgaben, die die Gemeinden für einen anderen, Bund oder Land, aber nicht als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft wahrnehmen. Die in Fremdverwaltung wahrgenommenen Angelegenheiten lassen sich als Angelegenheiten überörtlicher Gemeinschaften ausweisen. Dabei entspricht es dem Verfassungswortlaut,
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Burmeister, ebd., S. 116 ff. BVerfGE 8, 122/134. Teils wiederholend, teils konkretisierend ist BVerfG, Beschl. v. 23. 11. 1988, DVB1 1989, S. 300/303: Auf die Verwaltungskraft der Gemeinden, d.h. darauf ob die jeweilige Gemeinde die entsprechende Angelegenheit genauso rationell, praktikabel und kostengünstig wie eine überörtliche Stelle wahrnehmen kann, kommt es nicht an. Zu einer ordnungsgemäßen Aufgabenerledigung müsse die Gemeinde allerdings in der Lage sein. Zu dieser Rechtsprechungsentwicklung und zu Unterschieden zur Rspr. des BVerwG vgl. Frers, DVB1 1989, S. 449 ff. 34 BVerfGE 8, 122/134. BVerfGE 6, 104/116. 36 BVerfG, ebd. 37 BVerfGE 8, 122/134. 38 Vgl. die Zusammenstellung bei Wolff I Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I I , § 86, Randnr. 192. 33
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
Angelegenheiten der örtlichen und überörtlichen Gemeinschaften zu unterscheiden. Gemeinschaften, d.h. Personenmehrheiten, 39 die etwas gemeinschaftlich, also zumindest gemeinsam haben, und die daher ein oder mehrere Kennzeichen verbindet, gibt es zuhauf. Das, was Angehörige einer örtlichen Gemeinschaft verbindet, ist der ihnen gemeinsame Ort, das Gemeindegebiet, in dem sie wohnen. 40 Entsprechend rekrutieren sich überörtliche Gemeinschaften aus übergeordneten Gebietseinheiten, z.B. aus dem Landes- oder Bundesgebiet. Daß die Angelegenheiten einer ausschließlich über das Gebiet definierten Gemeinschaft einen Gebietsbezug aufweisen, kann nicht verwundern. Angelegen ist der Ortsgemeinschaft nur das, was mit ihrem Gebiet zu tun hat. Sie ist eine Gemeinschaft des Ortes und nur des Ortes, d.h. nicht durch weitere Personenkennzeichen verbunden. Die Angelegenheiten einer Gemeinschaft bestimmen sich aber danach, was die Gemeinschaft verbindet, im Fall der Gemeinde also nach dem Ort. Was Angehörige der Ortsgemeinschaft in anderen Rollen als der des Ortsansässigen betrifft, sei es als Mitglied eines überregionalen Vereins oder als Bundesbürger, ist selbst dann keine Angelegenheit mit Ortsbezug, wenn alle Ortsangehörigen Vereinsmitglieder bzw. Bundesbürger sind. Die Rolle, in der die Gemeindeangehörigen in diesen Fällen betroffen sind, hat nichts mit dem Gebiet der Gemeinde zu tun, sondern trifft die Gemeindeangehörigen in einer Rolle, die sie auch als Angehörige einer anderen Ortsgemeinschaft einnehmen könnten oder müßten. So fragt die Einkommenssteuerpflicht nicht danach, ob ein Bürger in Köln oder Bonn wohnt. Sie richtet sich i.d.R. ebenso wenig nach dem Wohnort, wie den preußischen Wahlmännern ihr Wahlrecht nicht als Bürger eines bestimmten Ortes, sondern in ihrer Eigenschaft als preußische Untertanen verliehen war. Daran zeigt sich, daß auch traditionell unter Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nur solche Angelegenheiten verstanden wurden, die aus der Zugehörigkeit zu einem bestimmten und nicht zu irgendeinem Ort erwachsen. Darin liegt auch die Pointe der verfassungsgerichtlichen Formel: Angelegenheiten, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, weisen Bezug zu einem bestimmten Ort auf. Ausgehend von diesem Erkenntnisstand läßt sich auch beantworten, warum z.B. das Paßwesen und die Wehrerfassung für die Gemeinden keine eigenen, sondern übertragene Angelegenheiten sind. Die Gemeindebehörden stellen keine Gemeindepässe aus, die die Zugehörigkeit zur Ortsgemeinschaft dokumentieren, sondern deutsche Pässe. Sie erfüllen Aufgaben der Wehrerfassung 39 Vgl. Loschelder, Kommunale Selbstverwaltung und gemeindliche Gebietsgestaltung, S. 40. 40 Zur räumlichen Komponente des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vgl. Knemeyer, FS von Unruh, S. 221 f.; ders., D Ö V 1988, S. 398 und v. Mutius, FS von Unruh, S. 227 ff. und bes. 244 ff.
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
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auch nicht für ein Stadtkorps, sondern für die Bundeswehr als Armee des Bundes. Die Gemeinden handeln somit für einen anderen. Der denkbare Einwand, die Gemeinden handelten insofern doch auch für sich und damit zur Erfüllung eigener Angelegenheiten, als sie durch Gesetz zur Wehrerfassung und Paßverwaltung verpflichtet sind, sticht nicht. Wie H. J. Wolff in seiner „Theorie der Vertretung" herausgearbeitet hat, enthält jedes Handeln für einen anderen, jede Wahrnehmung einer fremden Angelegenheit, egal ob in Form der Stellvertretung, der Geschäftsführung ohne Auftrag oder auf öffentlich-rechtlicher Basis, die Besorgung einer eigenen Angelegenheit: Die Besorgung eines fremden Geschäfts ist das eigene Geschäft, die Erfüllung einer Besorgungspflicht ist die Angelegenheit des Verpflichteten. Die Trivialität, daß jede Erfüllung fremder Angelegenheiten die Erfüllung eigener Angelegenheiten impliziert, ist keine tragfähige Grundlage zur Auslegung des Art. 28 Abs. 2 G G . 4 1 Eine Frage bleibt in diesem Zusammenhang. Woher soll der Rechtsanwender wissen, was die Angelegenheit eines anderen ist? Konkret gefragt: warum ist die Wehrerfassung und Paßverwaltung eine Angelegenheit des Bundes, warum wird die Landesverteidigung nicht durch Stadtkorps geleistet, und warum existiert in der Bundesrepublik kein Gemeindepaßsystem? Die Antwort gibt die Rechtsordnung und dort, wo die Rechtsordnung auch den Gesetzgeber, wie im Falle des Art. 28 Abs. 2 GG bindet, die Verfassung. So lehrt Art. 87 a GG, daß der Bund Streitkräfte aufstellt und zeigt Art. 73 Nr. 2 GG, daß der Bund befugt ist, eine Staatsangehörigkeit im Bunde einzuführen und zu regeln. Eine Staatsangehörigkeit im Bunde ist aber nicht ortsgemeindespezifisch und eine Bundesarmee erst recht nicht. 42 Werden die Gemeinden im Kontext dieser Angelegenheiten tätig, so nehmen sie folglich keine Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft wahr. 43 Der Verfassung sind eine Vielzahl von Kompetenzmaterien zu entnehmen, die nicht zur gemeindegebietsbegrenzten und -spezifischen Wahrnehmung ausgeschrieben sind. So ergibt sich aus Art. 92 GG, daß die Judikative ausschließlich durch Gerichte des Bundes und der Länder wahrgenommen wird. Es gibt keine Gemeindegerichtsbarkeit, auch nicht bei Streitigkeiten innerhalb der örtlichen Gemeinschaft. Für den Bereich der Normsetzung sind den Art. 73 bis 75 GG Kompetenzfelder zu entnehmen, die dem Zugriff des Bun41
Vgl. Wolff, Organschaft und Juristische Person, Band 2: Theorie der Vertretung, S. 170; vgl. auch Wollenschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 66. 42 Entsprechendes zeigt Art. 74 Nr. 2 GG für das Personenstandswesen und zeigen Art. 73 Nr. 1 sowie Art. 87 b Abs. 2 GG für das Gebiet der zivilen Verteidigung, beides Materien, die oben als Beispiele für Fremdverwaltungsangelegenheiten genannt worden sind. 43 Hier zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zwischen Art. 30 und 28 Abs. 2 Satz 1 GG: Art. 30 GG kennt keine entsprechende Beschränkung des Kompetenzkreises und -schutzes der Länder auf gebietsspezifische Angelegenheiten.
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des- oder Landesgesetzgebers offenstehen, d.h. überregional unter Ausschluß und Verdrängung gemeindlicher Rechtssetzung geregelt werden dürfen. Auch für den Exekutivbereich trifft das Grundgesetz klare Regelungen im achten Abschnitt. So liegt z.B. die Verwaltung der Bundeswasserstraßen gemäß Art. 89 Abs. 2 Satz 1 GG auch dann beim Bund 4 4 , wenn die Bundeswasserstraße eine Gemeinde zerschneidet. Dem genannten Abschnitt ist weiter zu entnehmen, daß die Ausführung der Bundesgesetze den Ländern obliegt. Sollten die Gemeinden in die Ausführung involviert werden, handeln sie demnach nicht zur Erfüllung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Art. 30 GG ist zu entnehmen, daß die Ausführung der Landesgesetze grundsätzlich den Ländern obliegt. Das, was die Landesgesetze landesweit regeln, ist nicht ortsspezifisch und damit auch in der Ausführung keine Angelegenheit im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. 4 5 Eine andere Frage ist, welche Angelegenheiten die Länder landesweit regeln dürfen und welche sie für die ortsspezifische Regelung und Umsetzung aussparen müssen. Daß das Polizei- und Ordnungswesen landesgesetzlicher Regelung unterliegt und gemeindliches Tätigwerden, das diese Gesetze nicht nur beachtet, sondern ausführt, Fremdverwaltung ist, hat nicht nur historische Gründe. Gefahrenabwehr soll nicht von Gemeinde zu Gemeinde mit unterschiedlicher Sorgfalt, sondern ausgerichtet an einheitlichen, zum Teil technisch formulierten Sicherheitsstandards und unter Einsatz landeseinheitlich geregelter Befugnisse betrieben werden. Hinzu kommt, daß heute viele Gefahren und Störungen, z.B. Emissionen, nicht ortsbegrenzt sind. Die überregionalen Folgen zeigen, daß hier keine ortsspezifischen Angelegenheiten wahrgenommen werden. Ein weiteres kommt hinzu: Viele Aufgaben der Ordnungsverwaltung, deren Erfüllung den Einsatz von wissenschaftlich und technisch geschultem Personal und teurer Apparaturen voraussetzt, übersteigen die Leistungskapazität der Durchschnittsgemeinden. Aber das, was man nicht mehr aus eigener Kraft ordnungsgemäß bewältigen kann, ist nicht mehr die eigene Angelegenheit. Das Bundesverfassungsgericht hat recht, wenn es gemeindeeigen nur solche Angelegenheiten nennt, die die Gemeinden eigenverantwortlich und selbständig in ordnungsgemäßer Weise erledigen können. Das, was Angelegenheiten der Gemeinden sind, und das, was an Angelegenheiten „örtlich" ist, „wird von den Anforderungen beeinflußt, welche an die Art und Weise des Aufgabenvollzugs im Hinblick auf die Notwendigkeiten des modernen Sozial- und Leistungsstaates, der ökonomischen Entwicklung und der ökologischen Vorsorge gestellt werden müssen." 46 Damit wird in die 44
Vorbehaltlich Art. 89 Abs. 2 Satz 3 GG. Daß demgegenüber die Ausführung der Bundesgesetze grundsätzlich Sache der Länder ist, liegt an der Regelung in Art. 30 GG. Den Gemeinden kommen eben anders als den Ländern nicht alle staatlichen Kompetenzen der Regel nach zu. 46 BVerwGE 67, 321/323. Instruktiv zur veränderten Gemeindekompetenz im Umweltschutz Salzwedel, WiVerw 1987, S. 1 ff. 45
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
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Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eine Dynamik gebracht, die Wanderungsprozesse im Bereich der Gemeindeaufgaben ermöglicht. Die Rastede-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 47 ist dafür ein Lehrstück: Die Entörtlichung der Müllbeseitigung ist Folge davon, daß die heutigen Gesetze unter Abfallbeseitung mehr verstehen als das Einsammeln, Abtransportieren und mehr oder minder wahllose Ablagern der angefallenen Abfälle. Mit zunehmender und zunehmend erkannter Gefährlichkeit der anfallenden Abfälle ist die Abfallbeseitigung aus den Bezügen des lokalen Raums hinausgewachsen, und mit den gewachsenen ordnungsrechtlichen Anforderungen an die Abfallbeseitigung sind die Leistungsgrenzen der Durchschnittsgemeinden überschritten worden. Aus diesem Befund durften die Landesgesetzgeber die Konsequenz ziehen und die Zuständigkeit für die Müllabfuhr im Gemeindegebiet von den Gemeinden auf die Landkreise übertragen. Mit welchem Spielraum der Gesetzgeber darüber entscheiden darf, ob eine bestimmte Aufgabe eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft ist, kann hier offen bleiben. 48 Gezeigt hat sich, daß es durchaus Kriterien gibt, um darüber zu entscheiden. Anhand dieser Kriterien wurden typische 49 gesetzgeberische Zuordnungen von Aufgaben zum Bereich der Fremdverwaltung als richtig erwiesen; es handelte sich jeweils nicht um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Angelegenheiten, die eindeutig keine der örtlichen Gemeinschaft sind, können dies aber auch nicht mehr durch gesetzgeberische Zuordnung werden. Der Rahmen vorbehält, unter dem die Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG steht, deckt Einschränkungen des Schutzbereiches, 50 47
BVerwGE 67, 321 ff. mit weitgehender Bestätigung durch BVerfG, DVB1 1989, S. 300 ff. Vgl. weiter Berg, FS 75 Jahre Bayerischer Gemeindetag, S. 150 ff. Die Aufgabenwanderungsprozesse schließen aber nicht aus, daß das, was bis dato einer Gemeinde eine Angelegenheit war, in Zukunft ihr ein Anliegen ist. 48 Für einen gesetzgeberischen Spielraum Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 529. Seine Grenzen können möglicherweise in Anlehnung an die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 72 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 13, 230/233) gewonnen werden. Die Rechtsprechung zieht Grenzen aus dem Wesensgehalt (dazu Blümel, FS von Unruh, S. 265 ff.), aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerwGE 67, 321/323 ff.) und stellt an sog. Abwägungsentscheidungen formelle Anforderungen, u.a. an die Sachverhaltsermittlung (vgl. BVerfGE 76, 107/121). Für einen Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers, der vor allem Typisierungen zuläßt, jetzt BVerfG DVB1 1989, S. 300/304. 49 Sollte sich im Rahmen einer breit angelegten Untersuchung der Fremdverwaltungsangelegenheiten die Fehlerhaftigkeit einer einzelnen gesetzgeberischen Zuordnung herausstellen, so bedeutete das eben nur einen Fehler des Gesetzgebers aber keinen der Dogmatik. 50 Mittlerweile ist wieder eine Lehre im Vordringen begriffen, die den Rahmenvorbehalt in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nur auf die Art und Weise der Aufgabenerfüllung, nicht aber auf den Aufgabenbestand bezieht (vgl. Richter, Verfassungsprobleme der kommunalen Funktionalreform, S. 127 ff., Knemeyer, FS v. Unruh, S. 224, Brohm, DVB1 1984, S. 295 und für ihre alten Vertreter H.P. Ipsen, D Ö V 1955, S. 227 und W. Weber, Staats- und Selbstverwaltung in der Gegenwart, S. 50). Diese Lehre hat den 13 Pauly
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
nicht aber Ausweitungen. Hier zeigt sich ein im Verfassungstext angelegter Unterschied zu Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG: Die Gemeindeverbände haben einen gesetzlichen Aufgabenbereich, in dessen Rahmen sie sich zu bewegen haben. Selbstverwaltung können sie dabei nur nach Maßgabe der Gesetze üben. Die Gemeinden haben von Verfassungswegen alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zur eigenverantwortlichen Regelung, müssen sich dabei aber Einschränkungen im Rahmen der Gesetze gefallen lassen. Der Rahmenvorbehalt kann nicht dazu gebraucht werden, den Gemeinden Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu überweisen oder gar Angelegenheiten überörtlicher Gemeinschaften in Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umzudefinieren. Den Schutzbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung bestimmt die Verfassung selbst: es muß sich der Sache nach um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft handeln. In diesen Schutzbereich läßt die Verfassung Eingriffe zu, erlaubt aber nicht seine Ausweitung durch Gesetze. Es bleibt also dabei, daß es sich bei den untersuchten Fällen von Fremd Verwaltung um Gemeindeauf gaben, die nicht dem Schutz des Art. 28 Abs. 2 GG unterstehen, handelt. 51 Mit dem gefundenen Ergebnis steht fest, daß den Gemeinden in den fremdverwaltungsrechtlichen Weisungsverhältnissen kein verfassungsrechtlich gesichertes subjektives öffentliches Recht zur Seite steht. Das gilt auch für die sog. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung. Daß dem monistischen System folgende Gemeindeordnungen diese Aufgaben als Selbstverwaltungsaufgaben kennzeichnen, hat nur für die Systematik dieser Gemeindeordnungen, nicht aber für Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG Konsequenzen. Die Position der Gemeinden in den fremdverwaltungsrechtlichen Weisungsverhältnissen ist mangels subjektivrechtlicher Fundierung ihrer Rechtsposition nicht mit der Stellung der Länder in der Bundesauftragsverwaltung vergleichbar. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gibt den Gemeinden nicht den breiten subjektivrechtlichen Kompetenzschutz, den Art. 30 GG den Ländern vermittelt.
Verfassungswortlaut für sich: Im Unterschied zu den Gemeindeverbänden haben die Gemeinden keinen gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbestand, sondern von Verfassungs wegen alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Ebenso wie sich „nach Maßgabe der Gesetze" in Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG sinnvollerweise nur noch auf die Art und Weise der Aufgabenerfüllung bezieht, ist auch „im Rahmen der Gesetze" nur noch auf das „Wie" der Aufgabenerfüllung zu beziehen. Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG hätte sich die Formulierung „im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenkreises" sparen können, wäre der Vorbehalt der gesetzlichen Maßgabe auch auf den Aufgabenbestand bezogen. 51 Dieses Ergebnis stimmt mit dem genetischen Befund zusammen. Im Parlamentarischen Rat war man der Auffassung, mit Art. 28 Abs. 2 GG keine Regelung hinsichtlich der Auftragsverwaltung getroffen zu haben. Vgl. Laforet, 5. Sitzung des Hauptausschusses am 18. November 1948, Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, S. 60, Greve, ebd., S. 61 und Renner, 27. Sitzung des Hauptausschusses am 15. Dezember 1948, ebd., S. 326.
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
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Schon zu Kapitelbeginn wurde ein allfälliger Ertrag für die Zwecke der Untersuchung im Bereich der klassischen Selbstverwaltungsaufgaben angekündigt, also dort, wo die Gemeinden Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erfüllen und durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützt sind. In diesem Bereich können Aufsichtsstreitigkeiten und Anforderungen an gesetzgeberische Eingriffe untersucht werden. Diese Untersuchung wird allerdings kaum Erkenntnisse zur Eingriffsnatur von Weisungen erbringen können. Wie zu Kapitelbeginn erwähnt gibt es im Bereich der klassischen Selbstverwaltungsauf gaben nur weisungsähnliche Anordnungsrechte. Gegen die Eingriffsqualität dieser Aufsichtsmaßnahmen sind allerdings bislang noch keine Bedenken erhoben worden. Das fügt sich hinsichtlich der Rechtsprechung in den schon festgestellten Befund, daß die Verwaltungsgerichte kein Problem darin sehen, von Weisungen als Eingriffen zu sprechen. 52 Die Untersuchung im Bereich der klassischen Selbstverwaltungsaufgaben wird aber möglicherweise einen dogmatischen Ertrag zu dem Problem erbringen, welche Rechtmäßigkeitsanforderungen an Akte zu stellen sind, die in subjektiv-öffentliche Kompetenzrechte eingreifen. Wie zu Beginn des Abschnittes dargelegt, stellt sich dieses Problem im Rahmen von Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG, wenn zu bestimmen ist, ob diese Norm die Länder nur rechtmäßigen oder rechtmäßigen wie rechtswidrigen Bundes Weisungen unterstellt. Der Befund für die Aufsichtsstreitigkeiten ist eindeutig. Nicht nur die schon oben referierte Rechtsprechung, sondern auch die Literatur 53 verlangt von jeder Aufsichtsmaßnahme, daß sie komplett rechtmäßig ist, will sie denn Bestand haben. Rechtswidrige Aufsichtsmaßnahmen seien wegen Verletzung der Gemeinden in ihrem Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 GG aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dabei werden Aufsichtsmaßnahmen als Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewertet. Eine Eingriffsrechtfertigung soll aber nur im Rahmen der Gesetze, d.h. gesetzesgerecht funktionieren. Rechtswidrige Aufsichtsmaßnahmen halten sich danach also nicht im Rahmen der Gesetze, verletzen damit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und sind deswegen aufzuheben. Diese Auffassung leuchtet schon wegen des Verfassungswortlautes ein. Muß den Gemeinden nach der Verfassung das Selbstverwaltungsrecht im Rahmen der Gesetze gewährleistet sein, dann ist diese Forderung schon dann verletzt, wenn Gemeinden aufgrund von Auf52 Als Eingriff werden die kommunalen Weisungen auch im Schrifttum betrachtet. Vgl. etwa Jesch, D Ö V 1960, S. 746; Schmidt-Jortzig, JuS 1979, S. 491, aber auch Knemeyer, in: Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Band 1, S. 278 f. und in der Sache Erichsen, DVB1 1985, S. 947 f. 53 Vgl. Stern, in Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 28, Randnr. 115 (1964): „Jede nicht gesetzlich fundierte Ingerenz in den Bereich der kommunalen Selbstverwaltung ist verfassungswidrig." Zur Einordnung der Aufsichtsmaßnahmen als Verwaltungsakte und zu prozessualen Einzelheiten Knemeyer, ebd., S. 275 f., Bickel, FS für v. Unruh, S. 1037 ff. und Leidinger, FS für C.-F. Menger, S. 261 ff. m.w.Nw.
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
sichtsakten Selbstverwaltung nur noch in einem Rahmen üben dürfen, der enger ist, als der gesetzlich gesteckte. Ihr Abwehrrecht gegenüber rechtswidrigen Aufsichtsmaßnahmen verdanken die Gemeinden dem klaren Verfassungswortlaut. Ein entsprechend klares Ergebnis bringt die Wortlautauslegung des Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG nicht. „Weisungen" könnte als Oberbegriff für rechtmäßige wie rechtswidrige Weisungen verwandt sein. Der klare Wortlautbefund bei Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG hilft bei der Auslegung des Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG nicht unmittelbar weiter. Er zeigt aber, daß es der Verfassung nicht fremd ist, im Bereich einer subjektivrechtlichen Kompetenzgarantie ein umfassendes Legalitätserfordernis für eingreifende Aufsichtakte zu stellen. Einen über diese Erkenntnis hinausreichenden Ertrag verspricht die Untersuchung der Anforderungen, die an gesetzgeberische Eingriffe in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gestellt werden. Dazu, welche Anforderungen an selbstverwaltungsbegrenzende Gesetze zu stellen sind, trifft die Verfassung in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG keine besondere Aussage. Damit ist aber nicht gesagt, daß die Verfassung hier unter Gesetzen beliebige und verfassungsrechtlich nicht weiter ausgewiesene Gesetze versteht. So bedeuten auch dem Bundesverfassungsgericht zunächst „die Worte ,im Rahmen der Gesetze' nichts anderes, als daß Beschränkungen des Selbstverwaltungsrechts bis zu der aufgewiesenen Grenze (eines unantastbaren Kernbereichs) nur durch ein Gesetz erfolgen dürfen" 54 . „Nur durch ein Gesetz" heißt aber schon beim Bundesverfassungsgericht des ersten Bandes mehr als durch irgendein beliebiges Gesetz. Es bleibt auch nicht dabei, daß die Gemeinden allein die die Selbstverwaltungsgarantie aushöhlenden Gesetze nicht hinzunehmen brauchen. Sie sollen auch die Unvereinbarkeit eines rahmengebenden Gesetzes mit einer anderen Norm des Grundgesetzes rügen können, aber aus prozessualen Gründen 55 nur dann, „wenn diese Norm ihrem Inhalt nach das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen geeignet ist." 5 6 Diese Formel hat das Bundesverfassungsgericht in der Fluglärm-Entscheidung variiert. 57 Das Gericht unterscheidet dort Verletzungen des Art. 28 Abs. 2 GG durch gesetzgeberische Eingriffe aus formellen und aus materiellen Gründen. Eine Verletzung der Selbstverwaltungsgarantie aus formellen Gründen hält das Gericht bei 54
BVerfGE 1, 167/175 f. Das BVerfG wählte die Formel aus prozessualen Gründen: Weil § 91 BVerfGG nur die Rüge von Art. 28 GG zulasse, gehe es grundsätzlich nicht an, im Rahmen der Kommunalverfassungsbeschwerde beliebige Verfassungsverstöße zu rügen (ebd., S. 181). Es fehlte die Erkenntnis der späteren Elfes-Entscheidung zu Art. 2 Abs. 1 GG (E 6, 32 ff.), daß die Verletzung von Anforderungen, die die Verfassungsordnung an Eingriffsgesetze stellt, auch das betroffene Grundrecht bzw. subjektive Recht verletzen und daher nicht separat, sondern als Verletzung des Grundrechts bzw. subjektiven Rechts gerügt werden können. 56 BVerfGE, ebd., S. 181. 57 BVerfGE 56, 298/310 ff. 55
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
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Verstößen des eingreifenden Gesetzes gegen die Art. 70 ff. GG für möglich. Welche weiteren Formen formeller Verletzungen existieren, sagt das Gericht nicht. Die Art. 70 ff. GG prüft das Gericht aber daraufhin, ob sie ihrem Inhalt nach das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen geeignet sind. Knapp judiziert das Verfassungsgericht: „Dies ist der Fall." 5 8 Eine entsprechende Prüfung anhand der Formel des ersten Bandes nimmt das Gericht im Bereich der Verletzung des Art. 28 Abs. 2 GG aus materiellen Gründen nicht vor. Es beruft sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf die alte Formel. Als materielle Anforderungen an gesetzliche Eingriffe in die Selbstverwaltungsgarantie nennt es den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Rechtsstaatsprinzip, einschließlich des Willkürverbotes. 59 Mit diesem Ansatz des Bundesverfassungsgerichts hat die in der Formel gelegene Restriktionswirkung an Substanz verloren: Materielle Verfassungsmaßstäbe müssen sich an der Formel nicht ausweisen, die Gesetzgebungskompetenzen haben als wichtigster formeller Prüfungsmaßstab die Prüfung bestanden. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1987 hat das Bundesverfassungsgericht von den gesetzlichen und überhaupt von normativen Eingriffen in Art. 28 Abs. 2 GG verlangt, daß sie nicht „der verfassungsrechtlichen Ordnung widersprechen." 60 Mit diesem Ausspruch hat das Gericht die ihm von Pestalozza61 diagnostizierte stetige Annäherung an die Dogmatik des Elfes-Urteils vollendet. Mit dem Aufgreifen der Elfes-Dogmatik kann das Bundesverfassungsgericht an die Auffassung von Stern herangerückt werden, demzufolge in „Parallelisierung von Art. 28 I I und 2 I " 6 2 der Gesetzesvorbehalt die kommunale Selbstverwaltung nicht nur gegen nicht gesetzlich gedeckte Eingriffe, sondern „darüber hinaus auch gegen solche gesetzlichen Eingriffe schützt, die aus anderen als selbstverwaltungsbezogenen Gründen verfassungswidrig sind. Die einschränkenden Normen müssen in jeder Hinsicht verfassungsmäßig sein." 63 Das Gericht kann damit nicht auf die Linie von Bethge gerückt werden, der die Elfes-Dogmatik insoweit mitmacht, als sie in den Prüfungsrahmen formelle und materielle Verfassungswidrigkeiten hineinnimmt, 64 aber insoweit 5
8 BVerfGE, ebd., S. 310. 9 BVerfGE, ebd., S. 313. 60 BVerfGE 76, 107/121 f. Verlangt das BVerfG bei gesetzgeberischen Eingriffen in Art. 28 Abs. 2 GG eine Abwägung im Einzelfall, die es u. a. daraufhin überprüft, ob bei „Wertungen und Prognosen" die „Einschätzungen und Entscheidungen . . . der verfassungsrechtlichen Ordnung widersprechen", so ist damit der Schlußstein zur Übernahme der Elfes-Dogmatik in Art. 28 Abs. 2 GG gesetzt. Verfassungswidrige Gesetze enthalten immer Wertungen, die der verfassungsrechtlichen Ordnung widersprechen. 61 Pestalozza, FS für ν. Unruh, S. 1065, der aber zugleich auch unübersehbare „Differenzierungsbemühungen" feststellt. 62 Stern, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 28, Randnr. 177 (1964). 63 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, S. 415. Vgl. auch Sachs, BayVBl 1982, S. 42 mit Fn. 57 und Pestalozza, FS für v. Unruh, S. 1060 u. 1065. 64 Vgl. Bethge, DVB11981, S. 914. 5
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
zurückschneidet, als die zur Prüfung herangezogenen Verfassungsnormen zusätzlich prägend für die kommunale Selbstverwaltung wirken müssen.65 Was sich hinter dieser schon vom Bundesverfassungsgericht nie ausgefüllten Formel verbirgt, läßt auch Bethge weitgehend offen, disqualifiziert aber in Abweichung vom BVerfG die Art. 70 ff. GG anhand dieser Formel. Die Art. 70 ff. GG hätten nur eine bundesstaatliche, aber keine kommunalrechtliche Pointe. 66 A n dieser Beurteilungsdiskrepanz von Bundesverfassungsgericht und Autor zeigt sich die Untauglichkeit der Formel. Mit ihr wird eine Schutznormlehre entworfen, die nach der Prägkraft von Verfassungsnormen für die kommunale Selbstverwaltung fragt. Ist aber nicht jeder Eingriff und sind nicht alle ihn begrenzenden verfassungsrechtlichen Eingriffsanforderungen für die konkrete Gestalt der Selbstverwaltung prägend? Gestaltet sich nicht das Bild von Selbstverwaltung nach Maßgabe aller verfassungsrechtlichen Modalitäten eines Selbstverwaltung ausgestaltenden gesetzgeberischen Eingriffs? Wie anders soll ein Bild von Selbstverwaltung entworfen werden, als durch Einbeziehung all der Verfassungsnormen, die dem selbstverwaltungsprägenden und -begrenzenden Gesetzgeber Grenzen ziehen? Und wie anders lassen sich Kompetenzgrenzen verbindlich ziehen, wenn Eingriffsakte nicht all den Bedingungen genügen müssen, die die Verfassung an Eingriffsakte stellt, und der in seinen Rechten beschnittene Kompetenzträger entsprechende Verfassungsverstösse nicht rügen kann? Eine Gesetzgebung zu Gemeindeangelegenheiten, die in den Händen der Länder liegt, sieht eben anders aus, als eine, die in den Händen des Bundes liegt. Sei es, daß die Ländergesetzgeber besser um die Wichtigkeit der kommunalen Selbstverwaltung Bescheid wissen, weil Landtagsabgeordnete mehr als Bundestagsabgeordnete in entsprechenden kommunalen Vertretungen ein Mandat wahrnehmen, sei es, daß auf der selber (gegenüber dem Bund) dezentralisierten Landesebene mehr Verständnis für die Lage eines dezentralisierten Rechtsträgers besteht oder sei es, daß die Länder und nicht der Bund traditionellerweise die Aufsicht über die Kommunen führen und daher sachnäher sind: Es gibt sachliche Gründe dafür, daß der Grundgesetzgeber, das Kommunalrecht grundsätzlich in die Hände der Länder gelegt hat, und diese sachlichen Gründe bewirken, daß die kommunale Selbstverwaltung in einer unverwechselbaren Richtung geprägt wird. Aber auch die Grundrechte und ζ. B. die Verfassungsvorschriften, die dem Beamtenrecht Vorgaben machen, prägen die kommunale Selbstverwaltung. Die Grundrechte sind von Bedeutung für den Umgang der kommunalen Stellen mit Bürgern und Vorschriften wie Art. 33 Abs. 2 GG für den Umgang der Personalhoheit übenden Kommunen mit ihrem Beamten. 67 Für alle Verfassungsvorschriften, die durch selbstverwal65 Vgl. Bethge, ebd., S. 914 f.; vgl. auch ders., Die Verwaltung Bd. 15 (1982), S. 213 f. 66 Vgl. Bethge, DVB11981, S. 915. 67 Laut BVerGE 1, 167/184 sollten die Gemeinden Art. 33 Abs. 2 GG nicht rügen können, weil er nur dem Einzelnen, nicht aber der Gemeinde ein Recht gegen den
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
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tungsbeschränkende Gesetze verletzt werden, läßt sich ein entsprechender Zusammenhang mit der kommunalen Selbstverwaltung finden. Das Bundesverfassungsgericht hat anscheins schon in der Fluglärmentscheidung gemerkt, daß es der Formel des ersten Bandes an Aussagekraft mangelt. Mag in dieser Entscheidung die Gerichtsautorität noch einmal das Festhalten an der eigenen Schöpfung diktiert haben, die Beschränkung der Formel auf die formelle Seite und die knappe und fraglose Qualifizierung der Art. 70 ff. GG anhand der Formel zeigen, daß dies nur ein Übergangsschritt war, um 1987 vollends von ihr abzurücken. Ergebnis der Untersuchung zu den Anforderungen an gesetzgeberische Eingriffe in Art. 28 Abs. 2 GG ist, daß die herrschende dogmatische Auffassung nicht beliebige, sondern nur komplett verfassungsmäßige Gesetze als gerechtfertigte Eingriffe in die genannte Norm akzeptiert. Es bedurfte in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG keiner weiteren Klarstellungen, um den Verfassungsausdruck „Gesetze" zurecht in einem bestimmten Sinn, nämlich im Sinn von „verfassungsmäßige Gesetze" zu interpretieren. Mit der Vokabel „Gesetze" meint Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG folglich nicht nur die Handlungsform „Gesetz", sondern deren recht- und das heißt verfassungsmäßige Variante. Dieser Befund spricht dafür, daß auch andere in der Verfassung genannte Handlungsformen, nur in ihrer rechtmäßigen Variante gemeint sind, so auch die Handlungsform „Weisung" in Art. 85 Abs. 3 Satz 1 G G . 6 8 Neben diesem Ergebnis stehen als Ertrag des Kapitels drei weitere Einsichten. Erstens hat sich gezeigt, daß auch Einzelakte, die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG eingreifen, umfassend legal sein müssen. Diese Legalitätsanforderung findet sich in der Verfassung selber ausgesprochen, Legalitätsanforderungen an Eingriffe sind der Verfassung also keineswegs fremd. Zweitens konnte festgestellt werden, daß in Judikatur und Lehre fachaufsichtliche Weisungen immer wieder als Eingriffe bezeichnet werden. Es bestand allerdings kein Anlaß die Richtigkeit dieses Wortgebrauchs nachzuprüfen, weil fachaufsichtliche Weisungen den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG grundsätzlich nicht berühren. Drittens hat sich gezeigt, daß die Unanfechtbarkeit von Weisungen im Bereich der Fremdverwaltung, d.h. der Auftragsverwaltung und Pflichtaufgaben nach Weisung, keine dogmatischen Implikationen für die Anfechtbarkeit von Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung enthält. Es stellte sich heraus, daß sich die kommunale Fremdverwaltung außerhalb des SchutzStaat geben würde (zust. Bethge, D Ö V 1972, S. 157). Nach dem heute erreichten Stand verfassungsgerichtlicher Dogmatik müßte Art. 33 Abs. 2 GG als Anforderung an selbstverwaltungsbegrenzende Gesetze geprüft werden. Die Gewährung von gleichem Zugang zu den öffentlichen Ämtern ist ein Verfassungsgebot, das die Gemeinden auch aufgrund einer verfassungswidrigen Gesetzesnorm nicht verletzen dürfen. 68 Es liegt keine Stellungnahme der Autoren, die sich über rügbare Rechtmäßigkeitsanforderungen an Rahmengesetze bei Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG streiten, zum Parallelproblem bei Art. 85 Abs. 3 GG vor.
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bereichs von A r t . 28 A b s . 2 Satz 1 G G bewegt. Sie ist daher m i t der grundsätzlich i m Schutzbereich von A r t . 30 G G piazierten Bundesauftragsverwaltung unvergleichbar.
4.2.2. Grundrechte und Weisungen im Beamtenrecht D i e Untersuchung der staatlichen Weisungen i m Beamtenrecht u n d ihres Verhältnisses zu den Grundrechten der Beamten soll gleichfalls an allfälligen Parallelstellen die D o g m a t i k von A r t . 30 u n d 85 G G weiterbringen. Das Beamtenrecht gibt nicht nur Gelegenheit die Eingriffsqualität v o n Weisungen zu analysieren u n d Legalitätsanforderungen an Eingriffsakte zu studieren, sondern es erlaubt zudem die Betrachtung v o n N o r m e n 6 9 , die die Verbindlichkeit von rechtswidrigen Weisungen anordnen. Wahrung seiner A u t o n o m i e u n d Eingriffsfreiheit kann der Beamte gegenüber staatlichen Weisungen nach Maßgabe der Grundrechte fordern.
Die
Reichweite des grundrechtlichen Schutzes i m Beamtenrecht ist i n der Dogmat i k aber noch nicht abschließend geklärt. Grundrechtlicher Schutz w i r d für den Bereich der Amtsausübung überwiegend abgelehnt; 7 0 i m Dienstverhältnis soll nach verbreiteten Auffassungen A r t . 33 A b s . 5 G G den Grundrechten entweder als lex specialis vorgehen, 7 1 oder sie auf Schrankenebene begrenzen oder grundrechtsbegrenzende Gesetze rechtfertigen helfen; 7 2 dem Beamten
69 Das einschlägige beamtenrechtliche Normenmaterial sei anhand des Bundesbeamtengesetzes vorgestellt: Nach § 52 Abs. 1 Satz 2 B B G hat der Beamte sein A m t zu führen, seine Aufgaben zu erfüllen und das unparteiisch und gerecht. § 54 Satz 2 B B G verpflichtet ihn zu einer uneigennützigen und gewissenhaften Verwaltung seines Amtes. Laut § 55 Satz 2 BBG ist der Beamte verpflichtet, die Anordnungen seiner Vorgesetzten auszuführen, „sofern es sich nicht um Fälle handelt, in denen er nach besonderer gesetzlicher Vorschrift an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen ist." § 56 Abs. 1 B B G legt dem Beamten die volle persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen auf. Hat der Beamte Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen, so hat er sie gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 BBG bei seinem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen. Mit Rechtmäßigkeitsbedenken gegenüber der aufrechterhaltenen Anordnung hat sich der Beamte an den nächsthöheren Vorgesetzten zu wenden (Satz 2). Bestätigt auch dieser die Anordnung, „so muß der Beamte sie ausführen," sofern nicht das ihm aufgetragene Verhalten - für ihn erkennbar - strafbar oder ordnungswidrig ist oder die Würde des Menschen verletzt; von der eigenen Verantwortung ist er dann befreit (Satz 3). 70
Vgl. aus der neueren Literatur Isensee, in: Benda / Maihofer / Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 1188; Hager, Freie Meinung und Richteramt, S. 8 u. 21 f.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I I I / l , S. 1386 m.w.Nw. 7 * Vgl. Isensee, ebd.,S. 1188 f. 72 Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I I I / l , S. 1386 f.; Lecheler, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band I I I , S. 744. Vgl. auch Rottmann, Der Beamte als Staatsbürger, S. 16 ff., S. 172 ff. und Ronellenfitsch, D Ö V 1981, S. 933 ff. jeweils mit dogmengeschichtlichen Ausführungen zur Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis.
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
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im Privatbereich spricht niemand den Grundrechtsgenuß ab. 73 Aber auch der grundrechtliche Schutz des Beamten in allen genannten beamtenrechtlichen Sphären wird vertreten. 74 Niemand bezweifelt, daß eine Weisung, die die Freiheit des Beamten in seinem Privatbereich, d.h. außerhalb von Amt und Dienst, verkürzt, einen Eingriff in seine Grundrechte, seine allgemeine Handlungsfreiheit oder einschlägige Spezialgrundrechte, darstellt. Ein solcher Eingriffsakt bedarf der schrankendogmatischen Rechtfertigung, der alle Grundrechtseingriffe bedürfen und die Gegenstand des nachfolgenden Kapitels 4.2.3. ist. Bei den sog. dienstlichen Weisungen 75 , die das Dienstverhältnis des Beamten, verstanden als das beamtenrechtliche Grund- und Anstellungsverhältnis, betreffen, herrscht Einigkeit, daß sie in Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte (Art. 33 Abs. 5 GG) des Beamten eingreifen. Diese Eingriffe sind nur aufgrund Gesetzes zulässig und dem Beamten ist Rechtsschutz gegenüber gesetzeswidrigen dienstlichen Weisungen gegeben.76 Keinen Rechtsschutz gibt die herrschende Auffassung dem Beamten gegenüber amtlichen (fachlichen) Weisungen.77 Diese Weisungen beträfen den Beamten nicht persönlich, sondern nur als Glied der Verwaltung. Amtliche Weisungen habe der Beamte nicht als Privatperson, sondern in seiner Rolle als Amtswalter zu vollziehen. Diese dem Betriebsverhältnis 78 zugeordnete Rolle werde von einem objektiven Prinzip, dem Amtsprinzip, 79 beherrscht, das keine Beziehung zu den Grundrechten 73
Vgl. nur Stern, ebd., S. 1387 m.w.Nw. Vgl. v. Münch, Freie Meinungsäußerung und besonderes Gewaltverhältnis, S. 48 ff., der dem Beamten in allen genannten Sphären den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG einräumt. 75 Z u ihrem Begriff, zu Beispielen und zu der streitigen Frage, ob und wie sie von den amtlichen Weisungen zu scheiden sind vgl. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 145 ff.; Rottmann, Z B R 1983, S. 82 u. 87, Wolff/ Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht I I , S. 619 m.w.Nw. Für die Zwecke dieser Untersuchung ist die Abgrenzungsfrage ohne Bedeutung. 76 Zumeist werden dienstliche Weisungen als Verwaltungsakte eingestuft, gegen die die Anfechtungsklage erhoben werden kann. Vgl. Wolff / Bachof / Stober, ebd., S. 577. Gegen „die Umsetzung als dienstliche Weisung" halten Wolff / Bachof / Stober, ebd., S. 555 f. unter Berufung auf BVerwGE 60,144 die allgemeine Leistungsklage für gegeben. Zur Einordnung der Umsetzung und zum Rechtsschutz gegen sie vgl. auch Teufel, Z B R 1981, S. 20 ff., Erichsen, DVB1 1982, S. 95 ff. und Rottmann, Z B R 1983, S. 89 ff. 77 Vgl. Isensee, in: Benda / Maihofer / Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 1188; Loschelder, Vom besonderen Gewaltverhältnis zur öffentlich-rechtlichen Sonderbindung, S. 420 ff.; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 44 ff.; Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Dienst, S. 96 ff. und passim sowie Schenke, in: Kommentar zum Grundgesetz (Bonner Kommentar), Art. 19 Abs. 4, Randnr. 201 (1982); vgl. auch BVerwGE 14, 84. 78 Diese von Ule. V V D S t R L 15 (1957), S. 133 ff., entwickelten Kategorien sind für die Rechtsarbeit heute noch von klärendem Wert; dazu Püttner, DVB1 1987, S. 190 ff. 79 Zu den historischen Grundlagen des Amtsbegriffs vgl. jetzt Henke, Recht und Staat, S. 387 ff. 74
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des Amtswalters, sondern nur zu den Grundrechten derer aufweise, die von den Amtsakten im Außenverhältnis betroffen seien. Mit den amtlichen Weisungen sind Weisungen im Beamtenrecht gegeben, denen gegenüber die herrschende Auffassung Rechtsschutz und insbesondere Grundrechtsschutz ablehnt. Dieser Befund hat möglicherweise Bedeutung für die Dogmatik der Art. 30 und 85 GG. Er könnte immerhin darauf beruhen, daß die amtlichen Weisungen und damit eine Gruppe von Weisungen keinen Eingriffscharakter haben. Ob das der Fall ist, wird im Anschluß untersucht. Davor werden zunächst die Argumente vorgestellt, mit Hilfe derer die Vertreter der herrschenden Ansicht Rechts- und insbesondere Grundrechtsschutz des Beamten gegenüber amtlichen Weisungen ablehnen. Verbreitet ist das Argument, dem Beamten fehle es insoweit an der Grundrechtsfähigkeit; 80 in der Rolle des Amtswalters sei der Beamte Adressat von Grundrechten und nicht ihr Träger. 81 Dieses Argument hat in der neueren Diskussion die alten Verzichtstheorien 82 verdrängt. Vereinzelt wird eine Lösung auf Schutzbereichsebene versucht: Weil Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG jeden nur in der Äußerung seiner eigenen Meinung schütze, bewegten sich amtliche Stellungnahmen, zu denen der Beamte angewiesen werden kann, im grundrechtsfreien Raum. Denn nicht „schlechthin jede persönliche, sondern nur die dem Grundrechtsträger ausschließlich persönlich zurechenbare Meinung kann geschützt sein." 83 Und wie es dem Beamten nach herrschender Auffassung an grundrechtlichem Schutz fehlt, so fehlt es ihm dieser Auffassung zufolge auch an einfachgesetzlichen Rechten. 84 Das Amtsrecht verleihe dem Beamten keine subjektiven öffentlichen Rechte. Es gehe im amtlichen Kontext nicht um ihn, 80 A m deutlichsten ausgesprochen bei Isensee, in: Benda / Maihofer / Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 1188; vgl. auch Loschelder, Vom besonderen Gewaltverhältnis zur öffentlich-rechtlichen Sonderbindung, S. 420 ff., 459 f.; Hager, Freie Meinung und Richteramt, S. 21 f.; Fangmann / Zachert, Gewerkschaftliche und politische Betätigung von Richtern, S. 33; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I I I / l , S. 1387; 81 So Isensee, ebd. 82 Zurecht kann im Eintritt in das Beamtenverhältnis kein Grundrechts- oder Grundrechtsausübungsverzicht gesehen werden; vgl. beispielhaft Erichsen, VerwArch 71 (1980), S. 437 und Robbers, JuS 1985, S. 926. Dafür fehlt es schon an einer entsprechend klar und eindeutig gefaßten Verzichtserklärung. Möglicherweise kann aber im Beamtenverhältnis in Einzelfällen eine Verfügung über Grundrechtspositionen stattfinden; vgl. etwa BVerwG, NJW 1982, S. 840. Gegen eine völlige Ausklammerung solcher Verfügungen Pietzcker, Der Staat Bd. 17 (1978), S. 547 f. Anschauung für einen mit der Verzichtskonstruktion gelösten beamtenrechtlichen Weisungsfall gibt Bayer.VerfGH, Z B R 1960, S. 381. 83 Lerche, Grundrechte der Soldaten, in: Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, I V , 1, S. 481. Es stellt sich aber dennoch die Frage nach dem Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG. 84 Weil und soweit es dem Beamten an einer eigenen Rechtsstellung fehlt, wird traditionellerweise von innerdienstlichen Weisungen im Unterschied zu Verwaltungsakten gesprochen; vgl. schon Bachof, FS Laforet, S. 285 ff.
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sondern um die Ausübung staatlicher Kompetenzen, die er nur treuhänderisch 85 wahrzunehmen habe. Der Aufriß der herrschenden Auffassung zeigt, daß sie den Eingriffscharakter von Weisungen nicht in Frage stellt, sondern Grundrechtsschutz gegenüber amtlichen Weisungen aus anderen, der Eingriffsfrage prüfungssystematisch vorgelagerten Gründen, ablehnt. Ebenso enthält ihre Versagung einfachgesetzlichen Schutzes gegenüber amtlichen Weisungen kein Verdikt gegen den Eingriffscharakter dieser Weisungen. Es gibt auch keinen Grund, am Eingriffscharakter amtlicher Weisungen zu zweifeln, wenn es denn nur in diesem Zusammenhang ein den Beamten schützendes und durch die Weisung verkürztes Recht gibt. Ein solches Recht entnimmt eine neuere Lehre den Grundrechten, in der Regel Art. 2 Abs. 1 GG, und diese Lehre hat amtliche Weisungen als Eingriffe in die grundrechtliche Freiheit des Beamten eingestuft. 86 Ihre Annahme, auch bei amtlichen Weisungen sei zumindest die Handlungsfreiheit des Adressaten aus Art. 2 Abs. 1 GG betroffen, ist nicht voraussetzungslos. Sie stützt sich auf eine Konstruktion, die Amt und Person zusammenbringt und dennoch nicht Amtsbereich, Dienstverhältnis und Personalität des Beamten unzulässig vermischt. Es bleibt auch in dieser Konstruktion 87 dabei, daß das Amtsrecht eine Stelle in der Staats- und Verwaltungsorganisation beschreibt, die umrissene staatliche Funktionen erfüllt. Die Stellenbeschreibung wird durch das Organisationsrecht in Verbindung mit dem auszuführenden und die Ausführung steuernden Recht geleistet. Das so beschriebene Amtsprogramm ist ein Arbeitsprogramm. Zur Arbeitserfüllung braucht es des Amtswalters, d.h. eines menschlichen Subjekts. Die zentrale, weil Amt und Person verbindende Norm des Dienstrechts ist die Amtswahrnehmungspflicht. Sie weist die Person des Beamten ein in den unabhängig von der Beamtenperson bestimmten und sich daher zunächst zu den Beamtengrundrechten neutral verhaltenden Amtsbereich. Aber die Norm, die den Beamten auf das Amt verpflichtet, kann von der grundrechtsfreundlichen Auffassung herangezogen werden, geht es um die Grundrechtsrelevanz amtlicher Weisungen. Normen, die den Beamten zum 85
Vgl. Isensee } in: Handbuch des Verfassungsrechts, S. 1188. Vgl. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 157, der Art. 2 Abs. 1 GG heranzieht. Von einem „Eingriff in die grundrechtlich geschützte Freiheit des Bediensteten zur Selbstentfaltung" spricht Lecheler, Die Personalgewalt öffentlicher Dienstherren, S. 141. Schon Obermayer, Verwaltungsakt und innerdienstlicher Rechtsakt, S. 164 wies darauf hin, daß der Beamte jeden Dienstbefehl in eigener Person befolgen müssen. Vgl. auch Menger, VerwArch 68 (1977), S. 177: „Zumindest dürfte . . . bei einem internen Dienstbefehl die Handlungsfreiheit des Adressaten aus Art. 2 Abs. 1 GG betroffen sein." Zu Grundrechtskonkurrenzen, die in diesem Zusammenhang auftreten können vgl. Rottmann, Der Beamte als Staatsbürger, S. 245 ff. Für die Zwecke dieser Untersuchung spielt die Abgrenzung der einzelgrundrechtlichen Schutzbereiche keine Rolle. 87 Vgl. dazu Schnapp, ebd., S. 83 ff., S. 119 ff. und Rottmann, Z B R 1983, S. 77 ff. 86
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Gehorsam gegenüber Vorgesetzten Weisungen verpflichten, gehören dem Dienstrecht an und zielen auf seine Person. Sie können dabei so gebaut sein, daß sie direkt den Beamten verpflichten, der konkreten Weisung Folge zu leisten, oder sie fügen sich derart in das Normensystem, daß sie den Beamten zur Wahrnehmung der in seiner Rolle als Amtswalter gebündelten Pflichten anhalten. Im letzten Fall gestalten Weisungen das konkrete Amt aus, und das ist dann auch in der Gestalt, die es durch die Weisung erhalten hat, vom Beamten auszuführen. Die Gehorsamspflicht stellt dann bloß einen Ausschnitt der Amts Wahrnehmungspflicht dar. In der ersten Konstruktion wäre jede amtliche, d.h. das Amt und die Amtsführung betreffende Weisung eine dienstliche, weil die Person des Beamten in Spiel bringende. In der zweiten Konstruktion ist die amtliche Weisung nur auf das Amt bezogen. Erst die Amtswahrnehmungspflicht setzt die Beamtenperson in ihrer Rolle als Amtswalter der Weisung aus. In der ersten Konstruktion verkürzt jeder gegenüber einer amtlichen Weisung verlangte Gehorsam zumindest die allgemeine Handlungsfreiheit des Beamten unmittelbar, in der zweiten Konstruktion nur vermittels der Amtswahrnehmungspflicht. Amtliche Weisungen stellen danach Grundrechtseingriffe, zumindest mittelbarer A r t 8 8 , dar. 89 Auch nach dem vorgestellten Ansatz ist staatliche Kompetenzausübung nicht Gebrauch grundrechtlicher Freiheit. So ist es ein Unterschied zu sagen, der ein Urteil sprechende und begründende Richter äußere im Urteil nicht seine Meinung, sondern handle „ I m Namen des Volkes", und zu sagen, dieser Richter werde dadurch in seiner Freiheit beschnitten, daß er im amtlichen Kontext seine Meinung zurückzustellen habe und nichts anderes tun dürfe, als „ I m Namen des Volkes" zu sprechen. 90 Es ist den Amtswaltern grundrechtlich nicht gesichert, amtliche Entscheidungen weisungswidrig nach ihrer Meinung, ihrem Gewissen oder ihrer politischen Präferenz zu treffen. Es gibt kein Recht des Beamten auf eine bestimmte Amtsausübung, denn die amtlichen Entscheidungen und Ausführungsakte werden der juristischen Person „Staat" und nicht dem Amtswalter endgültig zugerechnet. 91 Sie gehen den Beamten erst 88 Es ist anerkannt, daß Grundrechtseingriffe auch mittelbar erfolgen können; vgl. aus neuerer Zeit Pieroth / Schlink, Die Grundrechte, S. 64 ff. und Heintzen, DVB1 1988, S. 621 ff. Dabei handelt es sich hier nicht um einen faktischen Grundrechtseingriff, sondern um einen normativ vermittelten Eingriff. 89 Die Annahme eines Grundrechtseingriffs scheitert nicht daran, daß der Beamte nach erfolgter Remonstration von seiner persönlichen Verantwortung freigestellt ist, d. h. ihn keine haftungs- oder disziplinarrechtlichen Folgen treffen; dazu Ronellenfitsch, D Ö V 1984, S. 786. Entscheidend ist für den Eingriff nur, daß der Beamte zum Handeln verpflichtet ist. 90 Vgl. aber im Zusammenhang des richterlichen Tätigkeit Art. 97 GG. Entsprechend hat das BVerfG (E 60, 374/379 f.) ausgesprochen, daß die Redefreiheit des Abgeordneten im Parlament durch Art. 38 und nicht durch Art. 5 oder 2 GG geschützt ist; vgl. auch Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände, S. 45 f. und Starck, in: v. Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, Art. 5, Randnr. 116.
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
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dann und nur insofern etwas an, als er sie fällen bzw. ausführen s o l l . 9 2 Diese Pflichtigkeit muß der Staat wegen der durch keine erkennbare N o r m 9 3 ausgeschlossenen Grundrechtsfähigkeit des Beamten grundrechtlich rechtfertigen. D e r Staat muß rechtfertigen können, w a r u m der Beamte einen bestimmten Verwaltungsakt zu unterschreiben u n d eine konkrete amtliche Stellungnahme zu verlesen hat. D a m i t ist es aber nicht das grundrechtlich geschützte Belieben des Beamten, Verwaltungsakte zu erlassen u n d den Inhalt von amtlichen Stellungnahmen zu bestimmen. D i e Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs erfolgt auf der Schrankenebene. Eine Mindestanforderung an Grundrechtseingriffe ist, daß sie durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes erfolgen. D i e Amtswahrnehmungs-
bzw.
Gehorsamspflicht w i r d durch Gesetz auferlegt, konkreter Gehorsam und konkrete A m t s w a h r n e h m u n g werden aufgrund Gesetzes verlangt. Ergeht aber auch eine rechtswidrige amtliche Weisung aufgrund Gesetzes? K a n n der W e i sungsunterworfene hier die Rechtswidrigkeit der Weisung judiziell rügen? Laut Bundesverfassungsgericht muß auch jeder konkrete u n d aufgrund Gesetzes erfolgende Grundrechtseingriff m i t der verfassungsmäßigen Rechtsordnung vereinbar sein. 9 4 Diesem, i m nächsten K a p i t e l genauer zu untersuchenden, Ansatz folgend erscheint die rechtswidrige amtliche Weisung nicht m i t der verfassungsmäßigen Rechtsordnung vereinbar u n d ist daher grundrecht91
Zwar trägt der Beamte die persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner Amtshandlungen; er kann sich aber im Wege des Remonstrationsverfahrens insoweit entlasten (vgl. dazu Battis , Bundesbeamtengesetz, § 56 und aus neuester Zeit Loschelder, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band I I I , S. 555 ff.). 92 Es geht auch nicht darum, daß der Beamte überhaupt tätig werden, ζ. B. Verwaltungsakte unterschreiben und polizeiliche Maßnahmen ausführen muß, sondern daß er konkrete Akte vorzunehmen und konkrete Weisungen zu befolgen hat. Der Eingriff liegt darin, daß von ihm ein konkretes Handeln verlangt wird. 93 Die Grundrechtsfähigkeit des Beamten im amtlichen Kontext könnte nur durch eine Verfassungsnorm ausgeschlossen sein. Das einfach Dienstrecht, auf das sich z.B. Erichsen, DVB1 1982, S. 99 beruft, ist m.E. dazu ungeeignet. Aber auch Art. 33 Abs. 4 und 5 GG ist eine Restriktion der Grundrechtsfähigkeit der Beamten entgegen Loschelder, Vom besonderen Gewaltverhältnis zur öffentlich-rechtlichen Sonderbindung, S. 420 ff., 459 f. nicht zu entnehmen. Art. 33 Abs. 4 GG formuliert nur einen Funktionsvorbehalt, Abs. 5 enthält einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber. Eine Transformationsnorm beschneidet nicht die Grundrechtsfähigkeit. Vgl. zum Gehalt des Art. 33 Abs. 5 GG Rottmann, Der Beamte als Staatsbürger, S. 172 ff. und zu seinem grundrechtsdogmatischen Stellenwert S. 254. Schließlich ist auch den Grundrechten der amtsbetroffenen Bürger, die gegenüber dem handelnden Staatsorgan Geltung beanspruchen, kein Ausschluß der Grundrechtsfähigkeit des handelnden Beamten zu entnehmen. 94 Dies gilt laut BVerfG für alle Grundrechte, zuerst wurde es aber hinsichtlich Art. 2 Abs. 1 GG im Elfes-Urteil (BVerfGE 6, 32 ff.) ausgesprochen und dann immer wieder, sehr prägnant in BVerfGE 9, 83/88: „Die Freiheit der Entfaltung der Persönlichkeit . . . umfaßt . . . den grundrechtlichen Anspruch, durch die Staatsgewalt nicht mit einem Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet ist." Damit werde „die Freiheit von unberechtigten - also auch von nicht rechtsstaatlichen - Eingriffen der Staatsgewalt geradezu" vorausgesetzt.
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
lieh abwehrbar. D i e rechtswidrige amtliche Weisung erfolgt nicht aufgrund Gesetzes, denn soweit die Weisung gegen Gesetze verstößt u n d daher rechtswidrig ist, erfolgt der Eingriff neben dem Gesetz. 9 5 N i c h t überzeugend wäre die A r g u m e n t a t i o n , nur das angewiesene Verhalten, aber nicht die Weisung selber liege neben dem Gesetz. 9 6 D i e i n A r t . 20 A b s . 3 G G ausgesprochene B i n d u n g der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht fordert, daß jede i n der Hierarchie der Staatsverwaltung ausgegebene Weisung nur Verhaltensweisen i m E i n k l a n g m i t Gesetz u n d Recht anordnet. 9 7 D e r Eingriff qua rechtswidriger Weisung erfolgt auch nicht deswegen unabwehrbar, weil das Beamtenrecht i m Remonstrationsverfahren bestätigte, aber 95
Es wird mit der Weisung für den Beamten eine Ausführungspflicht begründet, die der Anweisende und die im Remonstrationsverfahren bestätigenden Vorgesetzten nicht hätten begründen dürfen. Die Ausführungspflicht beruht zwar auf einschlägigen beamtenrechtlichen Normen, dennoch ist die Weisung als pflichtbegründender A k t rechtlich fehlerhaft. Dieser, die Ausführungspflicht initiierende A k t enthält einen nicht aufgrund Gesetzes ergangenen Eingriff. Durch ihn werden ungesetzlich Pflichten begründet. Daher ist es ungenau, wenn Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 157, pauschal darauf hinweist, das Amt markiere die Grenze des Freiheitsrechts. Sicherlich ist das Institutionen- und Ämtersystem Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung, denn es ist ein Teil der verfassungsmäßigen Rechtsordnung. Aber dieses System kann unrechtmäßige Einzelakte nicht zu Bestandteilen der verfassungsmäßigen Ordnung aufwerten. Der Fall ist dem in § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geregelten Fall einer unaufschiebbaren Anordnung von Polizeivollzugsbeamten vergleichbar. Auch das rechtswidrige polizeiliche Ge- oder Verbot, demgegenüber grundrechtliche Abwehransprüche bestehen, ist zunächst verbindlich und muß befolgt werden. Die Befolgungspflicht ergibt sich auch hier aufgrund eines Gesetzes. Im einen wie anderen Fall entfällt die Befolgungspflicht spätestens (vgl. hinsichtlich des § 80 Abs. 2 den Abs. 5 VwGO) mit dem gerichtlich angeordneten Wegfall der Weisung bzw. polizeilichen Anordnung. Ist die Weisung schon vollzogen bzw. der Anornung Folge geleistet worden, so kommt immer noch Rechtsschutz nach den Grundsätzen, die für erledigtes Verwaltungshandeln entwickelt worden sind, in Betracht; dazu zusammenfassend Kopp, VwGO, § 113 Randnr. 47 ff. 96 Vor allem erlauben es die einschlägigen beamtenrechtlichen Verbindlichkeitsvorschriften den Vorgesetzen nicht, den untergegebenen Beamten rechtswidrige Weisungen zu erteilen. Obgleich der untergebene Beamte durch die rechtswidrige Weisung gebunden ist, handeln die Vorgesetzten rechtswidrig. Was für ein Interesse kann der Beamte aber, der im Falle der erfolglosen Remonstration in der Regel von der persönlichen Verantwortung für sein Amtshandeln entbunden ist, an der Legalität seines und seiner Vorgesetzten Handeln haben? Zunächst liegt es im Interesse der eigenen Freiheit, von ungesetzlich begründeten Pflichten verschont zu bleiben. Ein weiteres kommt hinzu: Wie ein ausgebildeter verbeamteter Lehrer nicht vor leeren Klassen unterrichten will und muß, so entspricht es nicht dem Interesse des pflichtbewußten Beamten an adäquater Beschäftigung, rechtswidrig zu handeln, und er hat infolgedessen zurecht ein Abwehrrecht gegenüber rechtswidrigen amtlichen Weisungen. Daß er sein Recht bei schnell zu vollziehenden Weisungen aus übergeordneten Gründen allenfalls nachträglich festgestellt bekommen kann, ändert daran nichts. 97
Im Ergebnis ebenso Freund, Innenrecht und Außenrecht, S. 252 und Stein, Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 43 unter Hinweis auf die herrschende Meinung. Die Lehre von Rupp (Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 44 ff.), nach der eine gesetzesinkongruente Weisung innenrechtlich rechtmäßig ist, ist überholt; vgl. dazu Rottmann, Z B R 1983, S. 81 f. m.w.Nw.
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
207
unter Umständen dennoch rechtswidrige Weisungen verbindlich sein läßt. Das Gesetz verpflichtet den Beamten nur, eine verbindlich getroffene, aber möglicherweise rechtswidrige Weisung auszuführen, verbietet ihm aber nicht, sich judiziell gegen diese Weisung zur Wehr zu setzen. Die genannten beamtenrechtlichen Verbindlichkeitsvorschriften nehmen ihrem Regelungsgehalt nach dem Beamten nicht das grundrechtliches Abwehrrecht gegenüber rechtswidrigen Weisungen. 98 Dem Beamten, der zur Ausfertigung eines Verwaltungsaktes angewiesen ist, ist es nach dem Gesetz unbenommen mit der gleichen Tinte, mit der er den Verwaltungsakt auszufertigen hat, eine Klage an das zuständige Verwaltungsgericht niederzuschreiben. 99 Das Beamtenrecht stellt rechtswidrige Weisungen nicht unanfechtbar, 100 sondern nur verbindlich. Dieses Ergebnis entspricht durchaus dem Anliegen der beamtenrechtlichen Verbindlichkeitsvorschriften für Weisungen. Ihr Sinn ist es, die Handlungsfähigkeit des Staates auch dann zu garantieren, wenn Amtswalter Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des von ihnen geforderten Verhaltens haben. Funktionieren muß die Hierarchie in der Verwaltung schon des Demokratieprinzips willen. Der demokratisch stärker als der Amtswalter legitimierten Regierung und Organisationsspitze muß ein effektives Regieren und Verwalten gesichert sein. 101 Ihr Prä an Legitimation 102 verliert die Spitze der Hierarchie im Einzelfall aber dann, wenn sie von den Amtswaltern gesetzeswidriges Handeln verlangt. Sie bricht in diesem Fall mit den normativen Vorgaben, die das seinerseits noch stärker legitimierte Parlament, der gesamten Verwaltung gegeben hat. Ob dieser kritische Fall eingetreten ist, überläßt das Gesetz aber nicht der Beurteilung des einzelnen Amtswalters. Er hat grundsätzlich 103 bis auf weiteres zu gehorchen. 104 Diesen Gehorsam verletzt er aber nicht durch Initiierung einer gerichtlichen Kontrolle. Es sind gerade die Gerichte, denen 98
Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines gesetzlichen Ausschlusses grundrechtlicher Abwehrrechte ist im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG mehr als fraglich. Die Frage spielt in unsererm Zusammenhang allerdings keine Rolle. 99 Offen bleiben hier prozessuale Fragen; zu ihnen Rottmann, Z B R 1983, S. 87 ff. Insbesondere wäre zu klären, welchen Rechtsschutz der Beamte bei mittlerweile eingetretener Erledigung erhält, und ob der Beamten schon vor Absolvierung des Remonstrationsverfahrens ein Rechtsschutzbedürfnis hat. 100 So wohl auch Thiele, Z B R 1983, S. 349; vgl. aber auch Kellner, D Ö V 1963, S. 420 ff., der schon die Parallele von beamtenrechtlichen Verbindlichkeitsvorschriften und § 80 VwGO sieht; Siegmund-Schultze, DVB1 1962, S. 509 ff. und Paetzold, DVB1 1974, S. 455 ff. 101 Darauf weist Isensee, in: Handbuch des Verfassungsrechts, S. 1153 f. zurecht hin. 102 Zu Art und Gewicht der einzelnen Legitimationsformen zusammenfassend Bökkenförde, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. I, S. 894 ff. 103 Gehorchen muß der Beamte nur dann nicht, wenn das ihm aufgetragene Verhalten strafbar oder ordnungswidrig ist oder die Würde des Menschen verletzt (vgl. z.B. §56 Abs. 2 Satz 3 BBG). 104 Die Rechtslage ist der nach § 80 Abs. 2 VwGO vergleichbar und sie ist im einen wie anderen Fall verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich. Zur Wirkung von Art. 19 Abs. 4 in diesem Zusammenhang vgl. BVerfGE 69, 220 ff.
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
das Grundgesetz 105 die Entscheidung über Recht und Unrecht in letzter Instanz anvertraut hat. Sollte ein Gericht die Rechtswidrigkeit eines angewiesenen Verhaltens feststellen, kann es unter dem Gesichtspunkt des Demokratieprinzips kein Interesse am Weisungsvollzug, sondern nur an der Weisungsstornierung geben. Die vorgetragene Rechtsauffassung wird auch dem Bedeutungsgehalt gerecht, den Art. 33 Abs. 5 GG den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gibt. Weder wird die Pflicht zum Gehorsam gegenüber dem Dienstherrn 106 abgeschwächt, noch werden andere von der Verfassung anerkannte Eigenarten und Gesetzlichkeiten des Beamtenverhältnisses 107 in Frage gestellt. Neu ist, daß der Beamte auch im Amtsbereich als eine Person gesehen wird, die zum Handeln verpflichtet ist und von daher grundrechtlich eine rechtlich korrekte Pflichtbegründung verlangen kann. A n der Grundrechtsrelevanz der beamtenrechtlichen Dienstpflicht ist dogmatisch nicht vorbeizukommen. 108 Die Eröffnung einer Rechtsschutzmöglichkeit gegenüber amtlichen Weisungen beruht auf folgerichtiger Anwendung der allgemeinen grundrechtlichen Lehren. Das Untersuchungsergebnis zum Beamtenrecht lautet demnach, daß alle Weisungen an den Beamten Eingriffe in seine Grundrechtssphäre darstellen, und daß er deswegen rechtswidrige Weisungen judiziell abwehren kann. Aufgrund spezieller beamtenrechtlicher Verbindlichkeitsvorschriften ist der Beamte allerdings in der Regel gehalten, Vorgesetztenweisungen zunächst auszuführen. Das Beamtenrecht gibt damit kein Beispiel für Weisungen, die für den Weisungsadressaten auch im Falle ihrer Rechtswidrigkeit unanfechtbar sind. Das Gegenteil ist der Fall. Insbesondere hat sich gezeigt, daß auch im Beamtenrecht Weisungen als Eingriffe verstanden werden. Lehrreich für die Dogmatik der Bundesauftragsverwaltung ist das beamtenrechtliche Phänomen rechtswidriger und daher anfechtbarer, aber dennoch zunächst verbindlicher Weisungen. Dieser Befund gibt Anlaß, Art. 85 Abs. 3 GG daraufhin zu untersuchen, ob er nicht in ähnlicher Weise zwar eine Verbindlichkeitsanordnung für rechtswidrige Weisungen ausspricht, aber dessen unbeschadet eine judizielle Abwehr rechtswidriger Weisungen zuläßt. Der Untersuchung des Art. 85 Abs. 3 GG geht die angekündigte Analyse der sog. Elfes-Dogmatik im allgemeinen Gewaltverhältnis voraus. Das anschließende Kapitel ergänzt und vertieft die eben schon angewandte Lehre, 105 Vgl. Art. 92 GG. i°6 Zu dieser BVerfGE 9, 268/286. i° 7 Den Artikeln 33 Abs. 4 und 5 GG kann die grundgesetzliche Anerkennung besonderer Gesetzlichkeiten des Beamtenverhältnisses entnommen werden. Vgl. dazu Loschelder, Vom besonderen Gewaltverhältnis zur öffentlich-rechtlichen Sonderbindung, S. 379 und passim sowie Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Randnr. 325. i° 8 Vgl. dazu auch Merten, FS K. Carstens, S. 736.
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
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derzufolge Grundrechtseingriffe nur im Falle ihrer Rechtmäßigkeit gerechtfertigt werden können. 4.2.3. Grundrechte und rechtswidrige Eingriffsakte Die Weisungsdogmatik im Kommunal- und Beamtenrecht hat zur ElfesDogmatik des Bundesverfassungsgerichts hingeführt. Schon deswegen ist ein Grund zu ihrer Durchleuchtung gegeben. Ein weiterer Grund dafür ist die generelle Bedeutung dieser Dogmatik für die Abwehr von Grundrechtseingriffen, denn immerhin stellt sie strenge Rechtmäßigkeitsanforderungen an alle staatlichen Akte, die schutzbereichsverkürzend wirken. Die Untersuchung der Elfes-Dogmatik kann Erkenntnisse dazu liefern, in welchem Maße und warum staatliche Eingriffsakte strengen Rechtmäßigkeitsanforderungen unterliegen. Die Bedeutung solcher Erkenntnisse für die Dogmatik des Art. 85 Abs. 3 GG liegt auf der Hand. In beiden Fällen, dem grundrechtlichen und dem auftragsrechtlichen, benennt die Verfassung die Form, in der der Staat bzw. der Bund ingerieren darf: im ersten Fall durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes, im zweiten durch Weisungen. Sollte sich zeigen lassen, daß die an grundrechtliche Eingriffsakte im Rahmen der Elfes-Dogmatik gestellten Rechtmäßigkeitsanforderungen auf einer bestimmten Interpretation der Wendungen „durch Gesetz" und „aufgrund eines Gesetzes" beruhen, dann liegt es nahe, parallel dazu auch im Weisungsbegriff des Art. 85 Abs. 3 GG Rechtmäßigkeitsanforderungen mitzudenken. Folglich ist nicht nur die Untersuchung der Ergebnis-, sondern ebenso der Begründungsrichtigkeit der Elfes-Dogmatik gefragt. Zu der Frage, ob Bundesweisungen in der Auftragsverwaltung ebenso Eingriffe darstellen wie die kommunal- und beamtenrechtlichen Weisungen, kann die grundrechtliche Untersuchung im Vergleich zu den vorausgegangenen Untersuchungen nichts Neues verraten. Auch der Eingriffsbegriff der allgemeinen Grundrechtsdogmatik stellt auf Schutzbereichsverkürzungen ab. 1 0 9 Ob Bundesweisungen in entsprechender Weise Art. 30 GG verkürzen, untersucht erst das folgende Kapitel. Das begonnene Kapitel beschränkt sich auf die Untersuchung von Rechtmäßigkeitsanforderungen. Es beginnt mit der Darstellung der Elfes-Dogmatik. Seit 110 dem Elfes-Urteil ist „die verfassungsmäßige Ordnung" des Art. 2 Abs. 1 GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „die allge109 Dazu aus neuester Zeit Pieroth / Schlink, Die Grundrechte, Randnr. 238 ff. u. 258 ff. und Lübbe-WolffDie Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 25 ff. 110 In seiner dem Elfes-Urteil vorangegangenen Rechtsprechung prüfte das Bundesverfassungsgericht von Amts wegen, ob eine Norm, durch die sich ein Beschwerdeführer in seinen Grundrechten verletzt fühlte, wegen irgendeines Verstoßes gegen das Grundgesetz nichtig sei (vgl. BVerfGE 1, 264/271; 3, 58/74). Materiellrechtlich wurde
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
meine Rechtsordnung . . . , die die materiellen und formellen Normen der Verfassung zu beachten hat, also eine verfassungsmäßige Rechtsordnung sein muß." 1 1 1 Es wird verlangt, daß jeder Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit von der verfassungsmäßigen Ordnung gedeckt ist. Art. 2 Abs. 1 GG umfasse „den grundrechtlichen Anspruch, durch die Staatsgewalt nicht mit einem Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet ist." 1 1 2 Gewährleistet sei „die Freiheit von unberechtigten also auch von nicht rechtsstaatlichen - Eingriffen der Staatsgewalt" 113 . Aber was das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner Elfes-Dogmatik bei Eingriffen in Art. 2 Abs. 1 GG verlangt, das verlangt es nicht minder bei Eingriffen in spezielle Grundrechte: 114 Grundrechtseingreifende Gesetze müssen verfahrensrichtig 115 und kompetenzgemäß zustande gekommen sein und dürfen auch inhaltlich gegen keine Verfassungsnorm verstoßen; jeder eingreifende Einzelakt muß dem Gesetz entsprechen. 116 Obwohl nicht alle Grundrechtsartikel aussprechen, daß Eingriffe nur „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes" 117 erfolgen dürfen, hat die Grundrechtsdogmatik diese Anforderung als allgemeine Mindestanforderung an Grundrechtseingriffe herausgearbeitet. 118 Gestützt auf die verfassungstextlichen Wendungen „durch Gesetz" und „auf Grund eines Gesetzes" kann die Elfes-Dogmatik reformuliert werden: Grundrechtseingriffe können nur durch formell und materiell qualifizierte, der Verfassung nach Form und Inhalt entdamit schon Elfes-Dogmatik praktiziert, denn wie will ein nichtiges Gesetz wirksam Grundrechte begrenzen können? 111 BVerfGE 6, 32/38. Zur Unterscheidung von materieller und formeller bzw. modaler Verfassungswidrigkeit vgl. Schmidt, AöR 91 (1966), S. 65 ff. und Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 23 ff. 112 BVerfGE 9, 83/88. 113 BVerfG, ebd. Vgl. auch BVerfGE 19, 253/257; 29, 402/408; 42, 20/27 f. 114 Vgl. nur BVerfGE 13,237/239 hinsichtlich Art. 12 GG und E 44,308/313 hinsichtlich Art. 14 GG. 115 Z u Restriktionen der Prüfungsintensität in diesem Bereich vgl. Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, S. 21 ff. m.w.Nw. aus der Rspr. des BVerfGs. Diese Beschränkungen haben Tradition. So wollte auch Gerber, Grundzüge des Staatsrechts, S. 159, Fn. 2 manche Form Widrigkeiten von Gesetzen und Gesetzgebungsverfahren „ihre Erledigung als interne Reclamationsfälle finden" lassen. 116 Die Elfes-Dogmatik ist in der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 100 Abs. 1 GG nicht aufgegeben worden. Laut Gericht soll es für die Entscheidungserheblichkeit nicht genügen, daß bei Leistungsgewährungen die Verletzung von Gleichheitsrechten Dritter behauptet wird. Das ist stimmig, denn mit Feststellung der Ungleichbehandlung entfällt nicht die Rechtsgrundlage für die Leistungsgewährung an ein klagendes Mitglied der bislang privilegierten Gruppe (vgl. BVerfGE 67,239/244; mit anderer Begründung E 66, 100/106 f.; zurecht kritisch hinsichtlich des Leitsatzes Sachs, DVB1 1985, S. 1110). 117 Vgl. Art. 8 Abs. 2, 11 Abs. 2, 12 Abs. 1. 118 Vgl. aus neuerer Zeit Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Randnr. 314 und Schlink, EuGRZ 1984, S. 457.
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
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sprechende Gesetze 119 und nicht durch mangelhafte Normen erfolgen. Einzeleingriffe sind nur auf Grund verfassungsmäßiger Gesetze möglich. Dabei muß der Eingriff all den Anforderungen genügen, die das Gesetz an ihn stellt. Er darf nicht neben dem Gesetz und muß nicht nur irgendwie, sondern exakt auf Grund des Gesetzes erfolgen. Die Elfes-Dogmatik beruht danach auf einer Auslegung des Verfassungstextes, deren Hintergründe und Richtigkeit im Fortgang untersucht werden. Wichtig ist, daß diese Dogmatik die im Grundrechtsteil der Verfassung genannte Handlungsform „Gesetz" nur in ihrer verfassungsmäßigen Variante gelten läßt, also darunter nicht rechts- und d.h. verfassungswidrige Gesetze versteht. Wichtig ist auch, daß diese Dogmatik die verfassungstextliche Wendung „auf Grund eines Gesetzes" gleichfalls streng interpretiert. Sollte sich die Richtigkeit dieser strengen Auslegungen erweisen lassen, dann spricht das dafür, auch den Begriff „Weisungen" in Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG streng, also im Sinne von „rechtmäßige Weisungen" zu interpretieren. Warum sollte diese in der Verfassung benannte Handlungsform dann rechts- und verfassungswidrige Exemplare einbegreifen? Ohne hinlängliche Begründung ist die Elfes-Dogmatik aber für die Zwecke der Untersuchung unverwertbar. Im Elfes-Urteil wird die Elfes-Dogmatik nur knapp begründet und der knappen Begründung ist in späteren Urteilen keine ausführlichere gefolgt. Das Bundesverfassungsgericht 120 stützt sich auf die Genese des Art. 2 Abs. 1 GG und legt in einem schon oft kritisierten zirkulären Verfahren 121 den Schutzbereich des Grundrechts im Hinblick auf seine Schranken weit und die eine Schranke im Hinblick auf den geweiteten Schutzbereich weit aus. Die Begründung ist auf Art. 2 Abs. 1 GG zugeschnitten und es trifft sich für das Bundesverfassungsgericht gut 1 2 2 , daß der Terminus „verfassungsmäßige Ordnung" sprachlich dem der „verfassungsmäßigen Rechtsordnung" recht nahekommt. Aber spätestens seit der Erstreckung der ElfesDogmatik auf alle Grundrechtseingriffe ist eine bessere Begründung gefragt. Die die Elfes-Dogmatik rechtfertigenden Ansätze in der Literatur 1 2 3 haben zumeist nur formal und assertorisch argumentiert, etwa damit, daß „jedes 119 Zu formalen und materialen Elementen im Gesetzesbegriff des Grundgesetzes vgl. Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 210 ff. 120 Vgl BVerfGE 6, 32/36 ff. 121 Vgl. beispielhaft Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Randnr. 426. ι 2 2 Schwabe, D Ö V 1973, S. 624 spricht von der Zufälligkeit des Adjektivs „verfassungsmäßig" in Art. 2 Abs. 1 GG. 123 Zustimmend etwa Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 2 Abs. 1, Randnr. 26 (1958); Püttner, A ö R 95 (1970), S. 610 ff.; Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen im Verwaltungsprozeß, S. 60 f., Schenke, Jus 1987, L 67; Schiaich, Das Bundesverfassungsgericht, S. 134; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I I I / l , S. 632 f.; Vogel, W D S t R L 24 (1966), S. 150 f.; Zuleeg, DVB11976, S. 514.
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
Grundrecht . . . über seine institutionelle Seite unlösbar mit der objektiven Verfassungsordnung verbunden" und daher „eine Einschränkung nur durch ein gültiges Gesetz möglich" 1 2 4 sei. Oder es sei „Freiheit zwar relativierbar, aber eben nur durch staatliche Entscheidungen, die spezifischen formell-rechtlichen Anforderungen entsprechen. Maßnahmen des Staates, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, besitzen hingegen nicht die rechtliche Kraft, in diesen Bereich hineinzuwirken. . . . Auf diese Weise legt sich um die Zone substantiell geschützter Freiheit... eine weitere, gewissermaßen formelle Schutzzone, in der Freiheitsbeeinträchtigungen unzulässig sind, wenn sie den übrigen Vorschriften über die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns nicht genügen." 125 Oder „das Grundgesetz als Grundlage konstituierter und damit begrenzter Staatsgewalt" kenne „keine allgemeine Gehorsamspflicht des Bürgers, sondern grundsätzlich nur eine Pflicht zu Gehorsam gegenüber der verfassungsmäßigen, mithin kompetenzmäßigen . . . Staatsgewalt." 126 Den Befürwortern der Elfes-Dogmatik stehen ihre Kritiker 1 2 7 gegenüber, die teilweise noch der Persönlichkeitskerntheorie verbunden sind, teilweise aber auch nur einen allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch und die Überdehnung des Klage- und Verfassungsbeschwerdeverfahrens fürchten. In jüngerer Zeit ist vor allem Alexy 1 2 8 der Elfes-Dogmatik mit einer „Freiheitsschutzthese" entgegengetreten. Gestützt auf diese These verlangt Alexy, „daß die Verfassungsnormen, die im Rahmen einer Grundrechtsprüfung zu prüfen sind, eine für die jeweilige individuelle Freiheit freiheitsschützende Funktion haben." 1 2 9 Nach dieser These „verletzt ein Eingriff in ein Grundrecht, der unter Verstoß gegen Kompetenznormen erfolgt, dies Grundrecht deshalb, weil die Kompetenznormen der Verfassung ebenso wie die sonstigen Verfahrensnormen und Formvorschriften des organisatorischen Teils des Grundgesetzes neben anderen Funktionen jedenfalls auch eine die individuelle Freiheit schützende Funktion haben." 1 3 0 Hingegen fielen Grundrechte Dritter aus dem Kanon einer Grundrechtsprüfung heraus. 131 Für die Herausnahme der Dritt124 Maiwald, NJW 1969, S. 1425; vgl. auch Rupp, NJW 1966, S. 2039 und zu seinem Ansatz Steinbeiß-Winkelmann, Grundrechtliche Freiheit und staatliche Freiheitsordnung, S. 557 ff. 125 Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, S. 50. 126 Wülfing, Grundrechtliche Gesetzesvorbehalte und Grundrechtsschranken, S. 127. 127 Vgl. Lerche, DVB11961, S. 693; E. Hesse, Die Bindung des Gesetzgebers an das Grundrecht des Art. 2 I GG bei der Verwirklichung einer „verfassungsmäßigen Ordnung", S. 111 ff.; Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 78; Scholz, A ö R 100 (1975), S. 106 ff Randelzhof er, BayVBl 1975, S. 575 u. 609 m.w.Nw.; 128 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 346 ff. 129 Alexy, ebd., S. 348. 130 Alexy, ebd. 131 Ebenso fielen wegen der selbständigen positivrechtlichen Normierung in Art. 3 GG und der Unzweckmäßigkeit einer zusammengezogenen Prüfung die Gleichheitsrechte desselben Grundrechtsträgers aus dem Kanon einer Grundrechtsprüfung heraus (Alexy, ebd.,S. 352 f.).
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grundrechte wird eine „Relativierung des Begriffs Grundrechtswidrigkeit" angeführt: 132 „Aus der Rechtswidrigkeit in einer juristischen Relation folgt nicht die in einer anderen. . . . Dem einzelnen stehen die auf ihn bezogenen Grundrechte zu, nicht aber ein Grundrecht auf einen unbeeinträchtigten grundrechtlichen Gesamtzustand, das ein Grundrecht auf Nichtbeeinträchtigung der Grundrechte anderer einschlösse." Grundrechte hätten eben nicht den Zweck, „individuelle grundrechtliche Positionen anderer Grundrechtsträger zu schaffen". Abgelehnt wird die sog. „Rechtsstaatsthese", derzufolge es ein Recht auf Rechtsstaatlichkeit und damit Rechtlichkeit aller staatlicher Eingriffe gibt. 1 3 3 Mit entsprechenden Schutznormtheorien versuchen andere Autoren 1 3 4 den Kreis der rügbaren Rechtsverletzungen im Falle rechtswidriger eingreifender Einzelakte zu beschränken. Um eine „Versubjektivierung des Art. 20 Abs. 3 G G " 1 3 5 zu verhindern, soll der Eingriffsbelastete nur Verstöße gegen solche Normen rügen können, die dazu bestimmt sind, seine Freiheit zu schützen. Weder die Befürworter noch die Kritiker der Elfes-Dogmatik haben für ihre Rechtsansichten in jeder Hinsicht überzeugende Begründungen vorgetragen. Warum die Grundrechte über ihre institutionelle Seite unlösbar mit der objektiven Verfassungsordnung, einschließlich des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in Art. 20 Abs. 3 GG, verbunden sind, bleibt genauso offen wie die Frage, nach welchen Maßstäben der freiheitsschützende Charakter von Rechtsnormen zu beurteilen ist. Vor allem scheint es nicht fernliegend, daß alle Normen, gegen die ein Eingriffsakt verstößt, freiheitsschützenden Charakter haben. Die Untersuchung kommt angesichts der festgestellten Begründungsdefizite nicht umhin, nach einer grundrechtsdogmatischen Rechtfertigung der Elfes-Dogmatik zu suchen. Der hier verfolgte Lösungsansatz wurde schon bei Reformulierung der Elfes-Dogmatik mit Hilfe der verfassungsrechtlichen Wendungen „durch Gesetz" und „auf Grund eines Gesetzes" angedeutet: Gesetz im Sinne dieser Wendungen sind keine juristisch mangelhaften Normen, sondern nur formell und materiell verfassungsmäßige Gesetze. Auf Grund eines Gesetzes ist ein Eingriff nur dann erfolgt, wenn er all den Anforderungen genügt, die das Gesetz an ihn stellt. Diese Ableitungen sind ihrerseits begründungsbedürftig. Die Begründung gelingt im Wege der Auslegung der genannten Wendungen. Diese wird eingeleitet mit einem dogmengeschichtlichen Rückgriff. 132 Alexy, ebd., S. 355. 1 33 Alexy, ebd.,S. 347 f. 1 34 Vgl. Ramsauer, AöR 111 (1986), S. 509 ff.; Krebs, FS Menger, S. 202 ff. und Pietzcker, FS Bachof, S. 138 ff.; vgl. dazu auch Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, S. 140 ff. 135 Diese Wendung gebraucht Erichsen, Jura 1987, S. 368 u. ders., in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V I , S. 1193.
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
Der „Siegeszug" 136 des Gedankens, daß jeder Eingriff in Freiheit und Eigentum einer Rechtsgrundlage bedarf, ist vielfach beschrieben worden. 137 Hier genügt ein knapper Abriß. Einen wichtigen Markstein setzte Anschütz, waren ihm die grundrechtlichen Bestimmungen der Preußischen Verfassungsurkunde auch „Ausdruck jenes allgemeinen formalen Prinzips, welches . . . als das der gesetzmäßigen Verwaltung bezeichnet wurde". 1 3 8 Mayer 1 3 9 sprach von der „klassischen Form", daß den Bürgern mittels Grundrechten „persönliche Freiheit, Unverletzlichkeit des Eigentums und sonstiger Rechte gewährleistet werden mit ausdrücklichem oder stillschweigendem Vorbehalt der durch das Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes . . . zu machenden Eingriffe." Unter Zustimmung 140 hat G. Jellinek ausgesprochen, daß „die Unterwerfung des Individuums unter den Staat nur so weit reicht, als das Recht es anordnet" 141 und jeder Person einen Anspruch auf Aufhebung aller diese Freiheit verletzenden staatlichen Verfügungen zuerkannt. 142 Die Staatsrechtswissenschaft hat sich aber nicht damit beschieden, dem Eingriffsbetroffenen ein Recht auf die Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zuzuerkennen, sondern sie hat auch Anforderungen an das Eingriffsgesetz gestellt. Schon zu Beginn der spätkonstitutionellen Epoche hat Gerber darauf hingewiesen, daß einem Gesetz, das form widrig, vor allem ohne die vorgeschriebene Mitwirkung des Parlaments, zustandegekommen sei, „rechtsverbindliche Wirksamkeit nicht zukommt" 1 4 3 . Die kompetenzrechtliche 136
SoJesch, Gesetz und Verwaltung, S. 167. Vgl. Jesch, ebd., S. 102 ff.; Erichsen, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt und seiner Aufhebung im Prozeß, S. 146 ff.; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, S. 16 ff., aber auch Neumann, Die Herrschaft des Gesetzes, S. 77 ff. von den Anfängen entwickelt, Wahl, in: Böckenförde (Hrsg.), Moderne deutsche Verfassungsgeschichte, S. 350 und passim, Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, S. 134 ff. und Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, S. 185 ff. Zum Streit um die Ableitung des Rechts auf Freiheit von ungesetzlichem Zwang und die Bedeutung der Grundrechte vgl. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, S. 67 ff., besonders S. 126 ff. und W. Jellinek, A ö R 32 (1914), S. 585 ff. 138 Anschütz, Die Verfassungsurkunde für den Preussischen Staat, S. 101. Vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, S. 511 zur Geltung „jenes allgemeinen formalen Prinzips" unter der WRV. 139 Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Erster Band, 3. Aufl., S. 70. 140 Vgl. Thoma, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Erster Band, S. 15 f.; ders., in Triepel (Hrsg.), Verwaltungsrechtliche Abhandlungen, 185; und Schmitt, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Zweiter Band, S. 585 f. 141 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 419. 142 G. Jellinek, ebd., S. 420 und ders., System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 103 u. 105. Gegen den Einwand, die Bezugnahme auf G. Jellinek durch die heutige Dogmatik verfassungsrechtlicher Freiheitsrechte sei unstatthaft, weil G. Jellinek Grundrechte als verfassungsgarantierte Rechte abgelehnt habe, vgl. Kupp, D Ö V 1974, S. 194. 137
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
215
Pointe der Freiheits- u n d Eigentumsklausel lag gerade darin, Freiheitsschutz gegenüber der monarchischen Exekutive durch das v o m B ü r g e r t u m erkämpfte und besetzte Parlament zu garantieren. 1 4 4 Das war aber nur dann sichergestellt, wenn eingreifende oder Eingriffe erlaubende Gesetze w i r k l i c h Parlamentsgesetze w a r e n . 1 4 5 Es blieb aber nicht bei dieser formellen Schutzgarantie. Z u n e h m e n d wurde verlangt, daß Eingriffsgesetze als rechtsstaatliche Gesetze auch gewisse sachliche Eigenschaften aufweisen. 1 4 6 Überspitzt formulierte H u b e r , „ w e n n man jeden A k t des Gesetzgebers, gleichviel welchen Inhalt er besitzt, als Gesetz a n e r k e n n t , . . . so hat das allgemeine Freiheitsrecht offenbar keinen Sinn m e h r . " 1 4 7 E i n e n wirklichen Schutz des Bürgers könne es nur bei A n n a h m e gewisser materieller Anforderungen an Gesetze geben. Welche materiellen Anforderungen an Gesetze zu stellen waren, läßt sich der ständig vordringenden Auffassung 1 4 8 , die ein richterliches Prüfungsrecht hinsichtlich von Gesetzen bejahte, entnehmen: „ W i e die Verfassung als Ganzes den Prüfungsmaßstab abgibt, w i r d auch der U m f a n g des Prüfungsrechts durch die Möglichkeit ihrer Verletzung bestimmt, mag der Verstoß ein solcher des Verfahrens oder Inhalts s e i n . " 1 4 9 Sollte die Feststellung der Verfassungs143 Gerber, Grundzüge des Deutschen Staatsrechts, S. 158. Streitig war in der zeitgenössischen Wissenschaft Existenz und Reichweite eines richterliches Prüfungsrechts hinsichtlich Formverletzungen. Dazu zusammenfassend Meyer / Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, S. 736 ff. 144 Vgl. Schmitt, Verfassungslehre, S. 130 f., 138 ff. und Grimm, Recht und Staat in der bürgerlichen Gesellschaft, S. 26 u. 308 ff. Vgl. auch Heller, Staatslehre, S. 273 zum Zusammenhang zwischen organisatorischen und grundrechtlichen Verfassungsbestimmungen. 145 Nicht zufällig definierte Anschütz („Gesetz", in: Fleischmann (Hrsg.), Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Zweiter Band, S. 214) das Gesetz im materiellen Sinne unter Heranziehung der „Freiheit und Eigentum"-Formel. Zum Gesetzesbegriff bei Anschütz vgl. Roellecke, Der Begriff des positiven Gesetzes und das Grundgesetz, S. 178 ff. und zu den zeitgenössischen Gesetzesbegriffen und ihrer Funktion vgl. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 210 ff. 146 Schmitt, Verfassungslehre, S. 176. 1 47 Huber, A ö R Bd. 23 N.F. (1933), S. 35. 148 Diese Auffassung war in Weimar die herrschende. Vgl. die ausführliche Darstellung des Meinungsstandes bei Hippel, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Zweiter Band, S. 554 f., Fn. 32 u. 33. 149 Hippel, ebd., S. 557. Vgl. aber auch schon Anschütz, Kritische Studien zur Lehre vom Rechtssatz und formellen Gesetz, S. 79: „Einmal haben die Unterthanen des Staates, die Gesellschaft und jeder Einzelne, die doch das ,reale' Substrat des Staates bilden, ein Recht darauf, daß die obersten Staatsorgane . . . verfassungsmäßig funktionieren, daß z.B. Niemand ein Gesetzgebungsrecht ausübt, dem es nicht zusteht." Schon 1887 hatte Jellinek (Gesetz und Verordnung, S. 397) geschrieben: „Dem Richter sollte kraft des Satzes, dass er nur das anzuwenden habe, was wirklich Recht sei, ein Prüfungsrecht der materiellen und formellen Verfassungsmässigkeit der Gesetze zustehen und er sollte dem Scheingesetze die materielle Gesetzeskraft aberkennen." Zum Rechtsbegriff des „verfassungsmässigen Gesetzes", als Gesetz des Staates „im höchsten und eigentlichen Sinne des Wortes" vgl. L. von Stein, Zeitschr. f. d. Privat- und öffentliche Recht (Grünhuts-Zeitschrift), Band V I (1879), S. 44. Vgl. auch Kelsen, VVDStRL 5 (1929), S. 57, der von Akten spricht, „die subjektiv mit dem Anspruch
216
4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
Widrigkeit eines Gesetzes zur Folge haben, daß das Gesetz „außer A n w e n dung zu lassen ist" 1 5 0 , dann war das Ausdruck des traditionsreichen deutschen Nichtigkeitsdogmas, demzufolge alle gegen höherrangiges Recht verstoßenden N o r m e n nichtig w a r e n . 1 5 1 A n diesen zu Ende der Weimarer R e p u b l i k erreichten Stand der D o g m a t i k hat der Parlamentarische Rat a n g e k n ü p f t . 1 5 2 Bezeichnend ist die i m Hauptausschuß geäußerte und unwidersprochen gebliebene Rechtsauffassung
von
Strauß: D e r Richter „stellt, wenn er ein Gesetz anwendet, fest, ob dieses Gesetz formell oder materiell Gesetz ist. E r h a t . . . zu prüfen, ob ein Bundesgesetz entsprechend den Vorschriften der Bundesverfassung zustande gekommen ist - das ist die formelle Prüfung - u n d ob es sich i m materiellen R a h m e n des Grundgesetzes hält. D i e letzteren Fälle werden insbesondere akut werden, wenn es sich u m die Geltendmachung des Einwandes handelt, daß ein Bundesgesetz m i t Vorschriften der Grundrechte unvereinbar ist." D e r Richter habe „ i n jedem Rechtsstreit zu prüfen, ob das Gesetz, das er anwendet, w i r k lich Gesetz ist. W i r glauben nur aus G r ü n d e n der Zweckmäßigkeit u n d Einheitlichkeit, daß diese Fragen nicht v o n j e d e m einzelnen Richter unterer Instanz entschieden werden sollen, sondern . . . daß diese Fälle einem obersten Gericht zugewiesen w e r d e n . " 1 5 3 I n diesen Ausführungen k o m m t klar zum auftreten, Gesetze zu sein, es mangels irgendeines wesentlichen Erfordernisses objektiv nicht sind". Im Falle der Verfassungswidrigkeit fehle ein wesentliches Erfordernis. 150 Hippel, ebd., S. 558 unter Berufung auf R G Z 111, 322. 151 Zu diesem C. Böckenförde, Die sogenannte Nichtigkeit verfassungswidriger Gesetze, S. 21 ff.; / . Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt, S. 23 ff.; Pestalozza, FS BVerfG, Band I, S. 520 ff., Ossenbühl, NJW 1986, S. 2806 ff.; Pietzcker, DVB1 1986, S. 806 ff. Das Nichtigkeitsdogma kam beim Verstoß von Reichsgesetzen gegen die Reichsverfassung von 1871 nicht zur Anwendung, weil die Verfassung nicht als übergeordnete Rechtsquelle begriffen wurde. Vgl. Meyer / Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, S. 644 und Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band 2, S. 38 ff. unter Berufung auf Art. 78 der Reichsverfassung. Mit Art. 100 GG gab der Verfassungsgeber zu erkennen, daß er von der Geltung des Nichtigkeitsdogmas hinsichtlich formeller Gesetze ausging. Eine spitzfindige Interpretation des Art. 100 Abs. 1 GG, die die Entscheidungserheblichkeit im Sinne der Norm gerade von der Geltung einer bestimmten Nichtigkeitslehre abhängig machte, wäre zumindest nicht genetisch authentisch (vgl. dazu den Fortgang des Haupttextes). Die Elfes-Dogmatik in ihrer ganzen Anwendungsbreite läßt sich nicht auf eine Nichtigkeitslehre stützen. Dem steht die positive Rechtsordnung, die z.B. im Verwaltungsrecht nicht alle rechtswidrigen Akte nichtig sein läßt, entgegen. Ein solcher Versuch entspräche auch nicht der dogmengeschichtlichen Tradition. In der Urteilslehre und der Lehre vom Verwaltungsakt ist schon früh der Gedanke einer materiellen Rechtskraft entwikkelt worden; vgl. Mayer, A ö R 21 (1907), S. 1 ff. und Bernatzik, Rechtsprechung und materielle Rechtskraft. 152 Vgl. die ausdrückliche Bezugnahme auf die Weimarer Dogmatik zum richterlichen Prüfungsrecht bei Strauß, Der Parlamentarische Rat, Hauptausschuß, 23. Sitzung vom 8. 12. 1948, S. 274. 153 Der Antrag von Strauß, dem Obersten Bundesgericht und nicht dem Bundesverfassungsgericht diesbezüglich Spruchgewalt zu geben, setzte sich nicht durch. Vgl. Hauptausschuß, ebd., S. 275.
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
217
Ausdruck, daß unter Gesetzen im Sinne der Verfassung nur formell und materiell verfassungsmäßige Gesetze zu verstehen sind. Folglich ist es eine genetisch authentische Interpretation, wenn dieser Gesetzesbegriff den Wendungen „durch Gesetz" und „auf Grund eines Gesetzes" zugrundelegt wird. Genetisch authentisch ist es aber auch, die Wendung „auf Grund" eines Gesetzes ernst zu nehmen und ungesetzliche Eingriffe als verfassungswidrig anzusehen. Immerhin wurde von der Fassung des Art. 2 GG, in die Freiheit zu tun und zu lassen „darf die Verwaltung nur im Rahmen der Rechtsordnung eingreifen", nur aus redaktionellen Gründen abgesehen.154 Es wurde die Absicht betont, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in Verbindung mit der Freiheit festzulegen, weil dieses Prinzip einen wesentlichen Schutz der menschlichen Freiheit darstelle. 155 Nur die hier vorgetragene, dogmengeschichtlich getragene und genetisch authentische Auslegung der zitierten verfassungstextlichen Wendungen vermag den demokratischen 156 und rechtsstaatlichen Garantiegehalt der Grundrechte aufzunehmen. Umfassend demokratisch legitimiert ist nur das verfassungsmäßige Gesetz und der rechtmäßige Einzelakt. Das Demokratieprinzip 1 5 7 des Art. 20 Abs. 1 GG und die Textaussage des Art. 20 Abs. 2 GG, „alle Staatsgewalt geht vom Volke aus", besagen, daß jede Emanation staatlicher Gewalt demokratisch legitimiert und das heißt auf Entscheidungen des Staatsvolkes rückführbar sein muß. 1 5 8 Die in demokratischer Ableitung stehende
154
Vgl. die Darstellung bei v. Doemming / Füsslein / Matz, JöR Bd. 1 (1951), S. 54 ff. 155 v g l v Mangoldt, in: v. Doemming / Füsslein / Matz, ebd., S. 55. 156 Ein demokratischer Gehalt der Grundrechte wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß Grundrechte und Demokratie auch in einer polaren Beziehung, wie sie Isensee (Der Staat, Bd. 20 ,1981, S. 161 ff.) beschrieben hat, stehen. Grundrechte können auch dann noch Mindestpositionen gegenüber demokratischen Entscheidungen sichern, wenn sie einen Anspruch des Grundrechtsträgers beinhalten, nicht mehr als demokratischen Entscheidungen entsprechend belastet zu werden. 157 Es geht hier methodisch nicht darum, unter Anwendung von Elfes-Dogmatik das Demokratieprinzip zur grundrechtsdogmatischen Schranken-Schranke zu erklären, um dann Elfes-Dogmatik unter Einsatz von Elfes-Dogmatik zu begründen. Es geht um einen den Grundrechten innewohnenden demokratischen Gehalt, der sich in den Gesetzesvorbehalten verfassungstextlich niedergeschlagen hat. Deswegen stellt sich auch nicht die Frage, ob und wie sich Jedermann-Grundrechte mit dem Demokratieprinzip verknüpfen lassen. Gegen eine solche Verknüpfung könnte sprechen, daß man mit ihr auch dem im status activus Unberechtigten im status negativus die Rechtsmacht zuweist, die Wahrung des im status activus gelegenen Prinzips verlangen zu können. Mit den demokratischen Gesetzesvorbehalten hat die Rechtsordnung aber auch dem die Verteidigung der demokratischen Ordnung zugeschrieben, dem die demokratische Mitwirkung ansonsten versagt ist. Zum Zusammenhang von Grundrechten und Demokratie vgl. Schuppert, EuGRZ 1985, S. 525 ff. und Grimmer, Demokratie und Grundrechte, S. 38 ff. zur deutschen Verfassungsentwicklung und S. 105 ff. zur Rechtslage unter dem Grundgesetz. Zum Zusammenhang von Grundrechten und dem Verfahren parlamentarischer Gesetzgebung vgl. Degenhart, D Ö V 1981, S. 479 ff. 158 Zur demokratischen Legitimation vgl. Böckenförde, in Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band I , S. 892 ff. und zur Bedeutung von Gesetz und Recht als
218
4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
und in demokratischen Verfahren erzeugte Rechtsordnung ist wegen der ihr eigenen demokratischen Legitimation aufgrund der genannten staatsfundamentalen Bestimmungen des Art. 20 Abs. 1 und 2 GG unverbrüchlich. Die demokratische Fundierung der Verfassung, des Gesetzes und der hierarchisch nachfolgenden Normenordnung verlangt die Achtung dieser Normen. Damit ist aber mehr als eine rein objektiv-rechtliche Forderung angesprochen. Jedermann kann deswegen die volle demokratische Legitimation jedes Eingriffsaktes in seine Grundrechte verlangen, weil den Grundrechten ein demokratischer Gehalt traditionell 159 innewohnt. So war es gerade die Pointe der Freiheits- und Eigentumsklausel, das Bürgertum nur solchen Eingriffen in Freiheit und Eigentum auszusetzen, denen das vom Bürgertum mitgewählte Parlament eine Rechtsgrundlage verschafft hatte. Diesen demokratischen Gehalt hat das Grundgesetz in den Wendungen „durch Gesetz" und „auf Grund eines Gesetzes" fest- und fortgeschrieben. In einer Verfassungsordnung, in der nicht nur das einfache Gesetz demokratisch, sondern ebenso die Verfassung und gesamte Rechtsordnung eine demokratische ist, ist der demokratische Schutzgehalt der Grundrechte entsprechend verbreitert. In einem Staat, in dem alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, ist die Wahrung der demokratischen Rechtsordnung alles andere als eine fernliegende Anforderung an Grundrechtseingriffe. Der Zusammenhang von Grundrechten und Rechtsstaatlichkeit 160 ist entsprechend eng. Die Grundrechte prägen nicht nur die Rechtsstaatlichkeit des Grundgesetzes, sondern die als Ausfluß von Rechtsstaatlichkeit verstandenen Prinzipien, etwa das der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und die Gewaltenteilung, haben „letztlich nur ein Ziel und Zentrum, nämlich die Freiheit des Bürgers" 161 . Die letzte Relation weist die Rechtsstaatlichkeit als freiheitsschützend aus. Sie zieht das zusammen, was Alexy mit Rechtsstaats- und Freiheitsschutzthese getrennt hat, gibt also Freiheitsschutz durch Rechtsstaatlichkeit. Und sie sichert den Fortbestand dieses Freiheitsschutzes dadurch, daß sie Rechtsquellen im demokratischen Rechtsstaat Ossenbühl, in Isensee / Kirchhof, ebd., Band I I I , S. 281 ff. 159 Dazu der vorangegangene dogmengeschichtliche Rückgriff und Rottmann, EuGRZ 1985, S. 281 ff. 160 Es geht hier um den rechtsstaatlichen Gehalt der Grundrechte, der insoweit in den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten, in den Wendungen „durch Gesetz" und „aufgrund eines Gesetzes" seinen Niederschlag gefunden hat. Daneben ist die Anwendung des Rechtsstaatsprinzips als Schranken-Schranke, laut Schmidt, A ö R Bd. 106 (1981), S. 505 m.w.Nw., eine Standardfigur in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, nicht ausgeschlossen. Vgl. zur grundrechtstheoretischen und -dogmatischen Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit Böckenförde, NJW 1974, S. 1530 ff., Bleckmann, JöR Bd. 36 (1987), S. 1 ff.; Brugger, JZ 1987, S. 635 ff., Gick, Jus 1988, S. 585 ff. und Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 241 f. und S. 326 ff. Zu vergleichen ist auch Schmitt, Verfassungslehre, S. 158 und passim, der mit seinem rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip einen unübersehbaren rechtsstaatlichen Gehalt in die Freiheitsrechte gelegt hat. 161 Herzog, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 20, V I I Randnr. 12 (1980).
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
219
die Rüge v o n Rechtsstaatsverletzungen samt Verstößen gegen das Gewaltenteilungsprinzip dem eingriffsbetroffenen
Grundrechtsträger eröffnet.
Wird
Rechtsstaatlichkeit heute übereinstimmend so definiert, „daß die A u s ü b u n g staatlicher Macht nur auf der Grundlage der Verfassung und von formell u n d materiell verfassungsmäßig erlassenen Gesetzen . . . zulässig i s t " 1 6 2 , dann kann der Staat auch nur auf den Wegen voller Legalität juristisch erfolgreich Zugriff auf die individuelle Freiheitssphäre nehmen. D i e i n den Grundrechten gesicherte Kompetenzverteilung zwischen Individuen u n d Staat muß i n jeder Hinsicht rechtsordnungskonform vorgenommen werden. M i t diesem Ergebnis w i r d weder A r t . 20 G G unbegrenzt subjektiviert, noch Popularklagen T ü r u n d T o r geöffnet. A u c h w i r d weder eine quasi-Prozeßstandschaft für fremde Grundrechtsverletzungen, noch eine Verabschiedung der verwaltungsrechtlichen Schutznormlehre 1 6 3 befürwortet. Eine Rügemöglichkeit hinsichtlich Rechtsverletzungen ist immer nur dann eröffnet, wenn u n d soweit ein Eingriff i n Grundrechte vorliegt. Voraussetzung ist also, daß die Verkürzung eines grundrechtlichen Schutzbereiches geltend gemacht werden kann. Folglich erfolgt eine erhebliche Restriktion der Rügemöglichkeiten durch die Bestimmung der Schutzbereiche und i m Rahmen der Eingriffsdogmatik.164
162
Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, S. 781 mit umfassenden Nachweisen. 163 Unangetastet bleibt die Bedeutung der Schutznormlehre außerhalb des Eingriffsbereichs. Im Eingriffsbereich ist allerdings die Frage, ob eine Rechtswidrigkeit des Eingriffsaktes Rechte des Betroffenen verletzt, eindeutig zu bejahen. Das in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verlangte „dadurch" kann und muß entsprechend gelesen werden. Im Eingriffsbereich kann die Schutznormlehre aber möglicherweise auf der Ebene der Eingriffsdogmatik weitgehend rekonstruiert werden. Es muß präzise beantwortet werden, ob die jeweilige Rechtswidrigkeit wirklich eine Rechtswidrigkeit des Eingriffsaktes ist. So liegt z.B. die Eingriffswirkung einer Schankerlaubnis für Nachbarn allenfalls in Geräuchsimmissionen, wohl aber nicht in beanstandenswerten hygienischen Verhältnissen in der Gaststätte (Fall nach Bernhardt, JZ 1963, S. 302). Deswegen kann die Rechtswidrigkeit der Schankerlaubnis möglicherweise nur insofern gerügt werden, als sie die quasi-Lärm-, aber nicht die quasi-Hygieneerlaubnis betrifft. Dieser angedachte Ansatz bedürfte einer dogmatischen Ausarbeitung, die hier nicht geleistet werden kann. Seine Bedeutung für das Nachbarschutzrecht liegt auf der Hand. Z u fragen wäre insbesondere, ob das Gesetz verschiedene Genehmigungsthemen und -Voraussetzungen nur zufällig verklammert, und ob in entsprechenden Verklammerungen sich der Gedanke eines Nachbarrechtes andeutet, von allen nicht komplett legalen Störungen und Belastungen verschont zu bleiben. Bei der Verletzung von Verfahrensbestimmungen im Bereich der gebundenen Verwaltung könnte gefragt werden, ob die Freiheitsverkürzung nicht ausschließlich im Inhalt der Sachentscheidung liegt. Ob diese Rekonstruktion gelingt und berechtigt ist, kann hier nicht beantwortet werden. Zur Wirkung der Elfes-Dogmatik im Planungsrecht vgl. Löwer, DVB11981, S. 528 ff. m.w.Nw. und Schwabe, DVB1 1984, S. 140 ff. und zur unterschiedlichen Behandlung von formellen und materiellen Fehlern Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 334 ff. und Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, S. 333 ff. 164 Nicht jeder staatliche A k t , der den Einzelnen entfernt berührt, ist ein Eingriff und nicht jedes staatliche Verhalten begrenzt Jedermanns allgemeine Handlungsfreiheit.
220
4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
Deswegen ist es irreführend, wenn A l e x y v o n einem „ G r u n d r e c h t auf einen unbeeinträchtigten
grundrechtlichen
Gesamtzustand" 1 6 5
spricht.
Niemand
kann ohne weiteres verlangen, daß der Staat die Grundrechte eines anderen w a h r t . 1 6 6 W o h l kann jedermann verlangen, daß der Staat seine Eingriffe nur auf solche N o r m e n stützt, die nicht wegen Grundrechtswidrigkeit nichtig sind oder auch nur dem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt nicht genügen. D i e Berechtigung der Elfes-Dogmatik auch i n diesem Zusammenhang sei am Beispiel eines v o n den E l f e s - K r i t i k e r n 1 6 7 gerne angeführten Falles zum Ladenschlußgesetz 1 6 8 verdeutlicht: E i n Ladenschlußgesetz, das auf die Ladeninhaber erdrosselnd w i r k t e , aber für die Ladenbesucher belastungsmäßig noch hinnehmbar wäre, könnte bei konsequenter A n w e n d u n g der Elfes-Dogmatik v o n den Ladenbesuchern erfolgreich angegriffen werden. W a r u m sollten auch die Ladenbesucher, i n deren allgemeine Handlungsfreiheit das Ladenschlußgesetz e i n g r e i f t , 1 6 9 diese Freiheitsbeschränkung solange hinnehmen müssen, bis auf die Verfassungsbeschwerde eines Ladeninhabers oder i n einem anderen verfassungsgerichtlichen Verfahren das Gesetz suspendiert wird? D e r freiheitsmehrende Effekt der inzidenten Berufung auf Grundrechte D r i t t e r liegt auf der H a n d . 1 7 0 Einen allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch produziert die Elfes-Dogmatik nur dann, wenn dieses Restriktionspotential nicht genutzt wird. 165 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 355. 166 So zurecht BVerfGE 77, 84/101: Unter Berufung auf das prozeßrechtliche Kriterium der Selbstbetroffenheit stellt das BVerfG im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung fest, daß sich Beschwerdeführer nicht in beliebiger, laut BVerfG „unzulässiger Weise" auf Grundrechte Dritter berufen können. Mit Recht sieht das Gericht auch in Art. 2 Abs. 1 GG nicht den Schlüssel, jede Verletzung von Grundrechten Dritter rügen zu können. Das BVerfG sagt an dieser Stelle aber nicht, welche Prüfungsmaßstäbe an Eingriffe in Grundrechte des jeweiligen Beschwerdeführers anzulegen sind, wenn erst die Zugangshürden der Zulässigkeitsprüfung überwunden sind. Hierzu hatte das BVerfG schon deswegen keinen Anlaß, weil die Träger der Drittgrundrechte selbst zulässig (aber unbegründet) Verfassungsbeschwerde erhoben hatten. 167 Vgl. Alexy, ebd., S. 353 ff. und E. Hesse, Die Bindung des Gesetzgebers an das Grundrecht des Art. 2 I GG bei der Verwirklichung einer „verfassungsmäßigen Ordnung", S. 119 ff. 168 Die Entscheidung des Ladenschlußgesetzfalles durch das Bundesverfassungsgericht (E 13, 230 ff.), ohne den Art. 12 der Ladeninhaber im Rahmen der Prüfung, ob Grundrechte der Landenbesucher verletzt sind, anzusprechen, kann nicht als Beleg für eine Restriktion der Elfes-Dogmatik seitens des Bundesverfassungsgerichts gewertet werden (anders wohl Alexy, ebd., S. 355 f.). Das Gericht mußte sich nicht veranlaßt sehen, eine Grundrechtsverletzung der Ladeninhaber zu prüfen, denn für eine solche lagen ersichtlich keine Anhaltspunkte vor. 169 Von einem mittelbaren Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG ist auch das BVerfG (ebd., S. 233) ausgegangen. 170 Die Freiheit der Ladenbesucher reicht nicht weiter als die der Ladeninhaber. Die Freiheit der Ladenbesucher nimmt Schaden, wenn es die der Ladeninhaber tut. Die Schadenszusammenhänge sind vielfältig. Nicht nur die unzulässige Verkürzung der Zeit, die man sich als Kaufmann und Kunde gegenübertreten kann, schadet beiden Seiten, sondern auch wirtschaftliche Belastungen die aus der Zeitverkürzung resultieren. So muß der Kunde unter Umständen über Preiserhöhungen an der erdrosselnden Wir-
4.2. Der Ertrag verwandter Einzeldogmatiken
221
Im Fall der Verletzung von Grundrechten Dritter profitieren andere Grundrechtsträger genauso von der verfassungsmäßigen Rechtsordnung im Sinne einer Freiheitsordnung, wie im Fall des kompetenzwidrigen Gesetzes. Zwar ist auch die Kompetenzwahrung zunächst ein Recht der Kompetenzträger, 171 aber dennoch profitiert der Grundrechtsträger von der Verfassungswidrigkeit des Eingriffsgesetzes. Warum sollten die Art. 70 ff. GG im Unterschied zu den Grundrechten Dritter freiheitsschützend sein? 172 Der sachliche Zusammenhang zwischen Grundrechtsschutz und Kompetenzschutz ist nicht enger als der zwischen dem Grundrechtsschutz des einen und des anderen Grundrechtsträgers. Als Sachgrund 173 für die Rügbarkeit von Kompetenzverstößen läßt sich nennen, daß das Eingriffsgesetz eben nicht von dem Gesetzgeber kommt, den man für eine kompetenzgerechte Gesetzgebung auf bestimmten Sachgebieten gewählt hat. So kann z.B. niemand durch seine Wahlentscheidung bei Landtagswahlen auf die Schulgesetzgebung Einfluß nehmen, wenn diese kompetenzwidrig plötzlich von Bundesseite aus erfolgt. Der Zusammenhang ist hier ein ebenso vermittelter und gelockerter, wie im Fall Grundrechte Dritter. Auf den Grad der Vermittlung und Lockerung des sachlichen Zusammenhanges kann es aber nicht ankommen. Ein juristischer Zusammenhang besteht immer: In irgendeiner Hinsicht rechtswidrige Eingriffsakte sind mangelhaft demokratisch legitimiert. Aus den oben dargelegten Gründen kann jeder Grundrechtsträger im Eingriffsfall 174 dieses Legitimationsdefizit rügen.
kung der Ladenschlußgesetze auf den Ladeninhaber mitleiden. Daran zeigt sich, daß die Unversehrtheit der Grundrechte Dritter nicht nur einen zufälligen freiheitsmehrenden Effekt hat, sondern einen spezifischen Schutzgehalt. Für die Grundrechtswidrigkeit von Eingriffsakten, die Grundrechte Dritter verletzen, deswegen auch zurecht Bleckmann, Staatsrecht I I , Allgemeine Grundrechtslehren, S. 281. 171 Wie dem verletzten anderen Grundrechtsträger ist auch dem Kompetenzträger im Fall des kompetenzwidrigen Gesetzes verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz gegeben (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG). 172 Alexy, ebd., S. 348, schätzt den freiheitsschützenden Charakter von Drittgrundrechten und den Art. 70 ff. GG unterschiedlich ein. 173 Bei manchen Gesetzgebungsmaterien kann auch eine besondere Sachnähe des zuständigen Gesetzgebers gegeben sein, etwa eine der Länder im Schulbereich. Mit Schulrecht sind die Länder traditionell beschäftigt und sie kennen die Sachprobleme aus der Landesschulverwaltung. Der Zusammenhang von Sachkompetenz und Freiheitsschutz ist ebenfalls ein gelockerter. Das Argument, ohne Kompetenzwahrung im Bundesstaat ginge letztlich die freiheitsschützende Wirkung der vertikalen Gewaltenteilung verloren, hat die gleiche Wertigkeit wie das demokratische Argument: Jeder Rechtsbruch stellt die freiheitsschützende demokratische Staatsform in Frage. 174 Das Eingriffskriterium ist auch in diesem Kontext genau zu nehmen. Die Grundrechtswidrigkeit in einer Drittrelation muß exakt den A k t betreffen, der in einer anderen Relation in Grundrechte eingreift. Wird z.B. mehreren gleichheitswidrig eine unterschiedliche Belastung auferlegt, so kann der niedriger Belastete nicht die gleichheitswidrige Höherbelastung des Dritten rügen. Die Eingriffsakte sind unterschiedliche, auch wenn der Eingriff normativ erfolgt. Grundrechtswidrig ist nur die Klausel, die dem Dritten eine Mehrbelastung auferlegt, nicht aber die Grundbelastung wegen der gleichheitswidrigen Mehrbelastung.
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
Die Untersuchung der Elfes-Dogmatik hat ihr wesentliches Ergebnis darin, daß Eingriffe in Grundrechte nur bei umfassender Rechtmäßigkeit gerechtfertigt werden können. Dabei zeigte sich, daß die Elfes-Dogmatik auf einer bestimmten Auslegung der verfassungstextlichen Wendungen „durch Gesetz" und „auf Grund eines Gesetzes" beruhen. Wichtig für den Fortgang der Untersuchung ist das Ergebnis, daß nur rechtmäßige und das heißt verfassungsmäßige Gesetze, Gesetze im Sinne dieser Wendungen sind. Die in der Verfassung benannte Handlungsform „Gesetz" meint im Grundrechtsbereich, also dort wo eine verbindliche Abscheidung von individueller und staatlicher Kompetenzsphäre getroffen ist, eben nicht beliebige, nichtige wie wirksame, rechtswidrige wie rechtsmäßige Gesetze. Das spricht dafür, auch in Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG die Handlungsform „Weisungen" nur im Sinne von rechtmäßigen Weisungen zu interpretieren. Dieser Auslegungsfrage widmet sich das anschließende Kapitel.
4.3. Die normative Zuordnung von Art. 30 und 85 Abs. 3 G G Weisungen werden auf ihre Rechtmäßigkeit anhand der ihre formellen Voraussetzungen (Weisungsvoraussetzungen) 1 und möglichen Inhalte, 2 also die Grenzen der Weisungsmacht regelnden Normen beurteilt. So dürfen Bundesweisungen nur dann an die grundsätzlich autonomen3 Länder ergehen, wenn den Voraussetzungen einer Norm genügt ist, die dem Bund entsprechende Weisungen erlaubt. Art. 85 Abs. 3 GG ist eine solche Norm. Sie gestattet dem Bund aber nur Weisungen im Rahmen der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder in Form obligatorischer oder fakultativer Bundesauftragsverwaltung. Sie gestattet zudem auch nur den zuständigen obersten Bundesbehörden, Weisungen auszusprechen (Satz 1), und erlaubt nur im Dringlichkeitsfall, Weisungen direkt an untere oder mittlere Landesbehörden zu adressieren (Satz 2). Darüber, welche Inhalte die Bundesweisungen haben dürfen, sagt die Norm explizit nichts. Art. 85 Abs. 4 Satz 1 GG wird aber zurecht entnommen, daß sich Weisungen auf Rechtmäßigkeitsfragen wie Zweckmäßigkeitsfragen beziehen können. 4 Die Verfassung spricht aber weder in Art. 85 Abs. 3 noch Abs. 1 Die formellen Weisungsvoraussetzungen stehen nicht zusammenhanglos neben dem Weisungsinhalt. So verrät der Weisungsinhalt, ob die zuständige Bundesbehörde gehandelt hat und ob die Weisung auf dem Gebiet der Bundesauftragsverwaltung erfolgt ist. 2 Vgl. die entsprechende Unterscheidung von eigen- und fremdbestimmter Rechtswidrigkeit in der Literatur bei Steinberg, A ö R Bd. 110 (1985), S. 439 ff. und Winter, DVB1 1985, S. 993. 3 Vgl. Kap. 3.2.2.3. und 4.1.
4.3. Die normative Zuordnung von Art. 30 und 85 Abs. 3 GG
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4 aus, daß der Bund befugt ist, inhaltlich rechtswidrige Weisungen zu erteilen. Sie sagt dort aber auch nicht explizit, daß es dem Bund nur erlaubt ist, inhaltlich rechtmäßige Weisungen zu erteilen. Einer solchen expliziten Aussage in Art. 85 GG bedurfte es aber auch angesichts Art. 20 Abs. 3 GG nicht mehr. Die in der letztgenannten Norm ausgesprochene Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht gilt auch für die obersten Bundesbehörden. Sie werden dieser Bindung dann nicht mehr gerecht, wenn sie von Weisungsadressaten ein rechtswidriges Handeln verlangen, denn damit initiieren sie rechtswidriges Verwaltungshandeln. Rechtswidrige Weisungen sind dem Bund verboten. 5 Die Frage, wann rechtswidrige Weisungen überdies Rechte der Weisungsadressaten verletzen und von diesen judiziell abgewehrt werden können, richtet sich nach dem Rechtsverhältnis zwischen Weisungsgeber und -empfänger. Für das Verhältnis von Bund und Ländern hat die Untersuchung 6 schon herausgefunden, daß Art. 30 GG den Ländern ein subjektives öffentliches Recht auf Kompetenz gegenüber dem Bund einräumt. Art. 30 GG schützt die Länder vor allen Bundesmaßnahmen, die die Erfüllung von staatlichen Aufgaben oder die Ausübung von staatlichen Befugnissen nicht mehr Sache der Länder sein lassen. Eingriffe in die Landeshoheit dürfen nur nach Maßgabe der Verfassung erfolgen, wobei grundsätzlich nichts dafür spricht, daß das Grundgesetz dem Bund rechtswidrige Befugnisausübungen und Aufgabenerfüllungen gestattet oder gar zu seiner Sache macht. 7 Wenn gezeigt werden kann, daß Bundesweisungen an die Länder Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 30 GG darstellen und der in ihnen gelegene Eingriff im Falle ihrer Rechtswidrigkeit nicht durch Art. 85 Abs. 3 G G 8 gerechtfertigt wird, dann sind rechtswidrige Bundesweisungen über Art. 30 GG abwehrbar. Damit ist der Fortgang der Untersuchung bestimmt: Zuerst wird nach der Eingriffsqualität von Bundesweisungen gefragt, dann nach der Rechtfertigungswirkung des Art. 85 Abs. 3 GG hinsichtlich rechtswidriger Bundesweisungen. In den analysierten Einzeldogmatiken 9 haben sich Eingriffe als schutzbereichsverkürzende Maßnahmen erwiesen, und hat sich der Eingriffscharakter 4 Vgl. Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 85, Randnr. 54 (1987); so schon Laforet, D Ö V 1949, S. 224 f. und Zinn, D Ö V 1950, S. 524. 5 Zu der entsprechenden Rechtslage im Beamtenrecht vgl. Kap. 4.2.2.; a.A. im Beamten- wie Auftragsrecht wohl Ossenbühl, Der Staat Bd. 28 (1989), S. 45 f. 6 Vgl. Kap. 3.2.2.3. 7 Vgl. dazu schon Kap. 3.2.2.3. 8 Im Ausnahmefall des Art. 84 Abs. 5 GG ist eine Rechtfertigung von Weisungen ebenso möglich. Diese Norm enthält aber strengere Weisungsvoraussetzungen als Art. 85 Abs. 3 GG; er legitimiert solche Weisungen beim Bundesgesetzvollzug durch die Länder, die außerhalb der Autragsverwaltung ergehen und für deren Erlaß ein Bundesgesetz der Bundesregierung die Befugnis verliehen hat. Enstsprechendes gilt für andere spezielle Weisungstatbestände, z.B. den in Art. 119 Satz 2 und 3 GG. 9 Vgl. Kap. 4.2.
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
von kommunal- und beamtenrechtlichen Weisungen gezeigt. Auch Bundesweisungen an die Länder haben eingreifenden Charakter; sie verkürzen den Schutzbereich des Art. 30 GG. Bei dessen Untersuchung 10 war festgestellt worden, daß gerade auch solche Maßnahmen schutzbereichsverkürzend wirken, die sich in die grundsätzlich autonome Aufgabenerfüllung und Befugnisausübung durch die Länder einmischen. Weil die Länder auch in der Bundesauftragsverwaltung aus eigenem, in Art. 30 GG niedergeschriebenen Recht handeln, 11 greift jede Weisung, die ihnen eine bestimmte Aufgabenerfüllung oder Befugnisausübung vorschreibt, in ihre Landeshoheit ein. 1 2 Sie verkürzt den Entscheidungsspielraum der Länder und nimmt ihnen Kompetenzen. Das ist auch nicht etwa deswegen anders, weil jede Weisung den Ländern automatisch ihr subjektives Kompetenzrecht restlos entziehen würde. 13 Es gibt viele Beispiele für Weisungsverhältnisse, in denen der Angewiesene als Bürger, Beamter oder als Selbstverwaltungskörperschaft kompetenzberechtigt bleibt und die Weisung bei Fehlerhaftigkeit abwehren kann. Mit der verfassungsrechtlichen Einrichtung eines Weisungsverhältnisses und mit einzelnen Weisungen wird das Kompetenzrecht der Länder zwar eingeschränkt, aber ebensowenig ausgeschlossen wie die allgemeine Handlungsfreiheit eines Bürgers durch eine polizeiliche Weisung. In beiden Fällen ist die Weisung ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff. Mit dieser Erkenntnis ist aber noch kein Abwehrrecht der Länder gegenüber rechtswidrigen Weisungen gewonnen. Es muß geklärt werden, welche Weisungseingriffe den Länder gegenüber qua Art. 85 Abs. 3 GG gerechtfertigt sind. Dazu sind die Regelungsinhalte des Art. 85 Abs. 3 GG im Wege der Auslegung zu entfalten. Ein Ertrag des zweiten Abschnittes 14 war die Erkenntnis, daß Art. 85 Abs. 3 GG eine „andere Regelung" im Sinne von Art. 30, 2. Hs. GG enthält. Soll der Bund in Abweichung von Art. 30, 1 Hs. GG gegenüber den Ländern das letzte Wort behalten, dann braucht es dafür einer Norm, die ihm das letzte 10 Vgl. Kap. 3.2.2.3. 11 Vgl. Kap. 2.4. 12 So ausdrücklich Lerche, BayVBl 1987, S. 322 und ders., in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 85 Randnr. 52 (1987). Eine andere Frage ist es, ob auch die Regelung des Art. 85 Abs. 3 GG als Eingriff in Art. 30 GG bezeichnet werden kann, weil der Artikel Einschränkungen der Länder autonomie vorsieht. Richtigerweise ist Art. 85 Abs. 3 GG als eine Norm zu verstehen, die Eingriffe vorsieht, aber nicht selbst vornimmt. Zur vergleichbaren Lage bei Gesetzen vgl. Pieroth l Schlink, Die Grundrechte, Randnr. 239. Verfassungssystematisch richtig ist die Charakterisierung des Art. 85 Abs. 3 GG als „andere Regelung" im Sinne von Art. 30, 2. Hs. GG. 13 So Ossenbühl, Der Staat Bd. 28 (1989), S. 37 u. 48, demzufolge „die prinzipielle Landesausführungskompetenz durch die unbeschränkte (potentielle) Weisungsbefugnis des Bundes überlagert" wird. Dem Wortlaut von Art. 85 Abs. 1 u. 3 GG kann aber kein Ausschluß von Art. 30 GG entnommen werden; die Verfassung statuiert hier nur, anders als im Fall des Art. 84 GG, ein prinzipielles Weisungsrecht des Bundes. ι 4 Vgl. Kap. 2.4.
4.3. Die normative Zuordnung von Art. 30 und 85 Abs. 3 GG
225
Wort sichert. Daß der Bund interne Sachentscheidungen in der Bundesauftragsverwaltung abschließend treffen kann, und daß die Länder entsprechende Weisungen endgültig hinzunehmen haben, ergibt sich aus Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG. Weisungen „unterstehen" heißt, Weisungen ausführen und endgültig hinnehmen müssen. In der gleichen Weise verwendet die Verfassung die Vokabel „unterstehen" in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG: Unterstehen die Ersatzschulen den Landesgesetzen, dann haben sie die in den Landesgesetzen zulässigerweise 15 getroffenen Entscheidungen als endgültige Entscheidungen hinzunehmen und nicht nur vorläufig zu beachten oder auszuführen. Nicht anders untersteht der Bürger dem Steuergesetz: Er ist verpflichtet an die Staatskasse Geld zu entrichten und es ihr zu belassen, sofern und soweit er die Voraussetzungen eines Abgabentatbestandes erfüllt. Daß der Steuerpflichtige darüberhinaus verpflichtet ist, auch falsch festgesetzte Steuerleistungen vorläufig zu erbringen, ist eine andere Sache. Zwar untersteht der Bürger auch insoweit einem Gesetz, 16 aber nicht dem, das seine Steuerleistung festlegt, sondern dem, das das Steuerverfahren regelt. Parallel liegen alle Fälle, in denen das Gesetz, die vorläufige Verbindlichkeit von Entscheidungen anordnet. Festzuhalten ist, daß sich ein „Unterstehen" nicht im vorläufigen Vollzug, nicht im einstweiligen Befolgen erschöpft. Wer Gesetzen oder Weisungen untersteht, hat sie in letzter Konsequenz zu befolgen, solange die Rechtsordnung keine andere Bestimmung trifft. Lehrreich sind die herangezogenen Beispiele aber nicht nur zum Verständnis der Vokabel „unterstehen". Sie helfen auch weiter bei der zentralen Auslegungsfrage, ob „Weisungen" in Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG nur rechtmäßige, oder als Oberbegriff rechtmäßige wie rechtswidrige Weisungen meint. In den Beispielsfällen gilt das, was im Kapitel zur Elfes-Dogmatik 17 herausgearbeitet wurde: Gesetze, die in Grundrechte eingreifen oder eine Eingriffsgrundlage bieten, sind nur verfassungsmäßige Gesetze. Verfassungswidrigen Gesetzen unterstehen die Ersatzschulen nicht und jedermann kann sich judiziell wehren, wenn er aufgrund verfassungswidriger Steuergesetze oder aufgrund falscher Gesetzesanwendung zu Geldleistungen herangezogen wird. Entsprechend hatte sich gezeigt, daß Beamte rechtswidrige Weisungen angreifen können und daß Gemeinden gegenüber rechtswidrigen Weisungen, die in Art. 28 Abs. 2 GG eingreifen, Rechtsschutz genießen. Weil Bundesweisungen an die Länder immer in deren Kompetenzrecht aus Art. 30 GG eingreifen, liegt die Übertragung des dogmatischen Ansatzes nahe, der in den angeführten Fallkonstellationen die genannten Ergebnisse 15 Dazu Pieroth / Schlink, Die Grundrechte, Randnr. 771 und auch Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 7 Randnr. 79 (1980). 16 Vgl. § 361 Abs. 1 A O . Vgl. dazu Tipke, Steuerrecht, S. 651. Eine ähnliche Konstellation findet sich in § 80 Abs. 2 Nr. 1, aber auch Nr. 2 bis 4 VwGO. 17 Vgl. Kap. 4.2.3.
15 Pauly
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
produziert. Es liegt von daher nahe, 18 unter „Weisungen" in Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG nur rechtmäßige Weisungen zu verstehen. 19 Es läßt sich weitergehend sogar zeigen, daß nur diese Interpretation dem Bedeutungsgehalt des Art. 30 G G 2 0 gerecht wird, ebenso wie nur die entsprechenden Interpretationen den Grundrechten und Art. 28 Abs. 2 GG gerecht werden. Art. 30 GG ist die Grundnorm der bundesstaatlichen Gewaltenteilung im Verfassungssystem des Grundgesetzes. Bundesstaatliche Gewaltenteilung 18 Zudem spricht dafür, daß das Bundesverfassungsgericht (E 26, 338/398) die in Art. 84 und 85 GG vorgesehenen Einwirkungsmöglichkeiten des Bund strikt ausgelegt wissen will. Zu den genetischen Argumenten zugunsten einer Beschränkung des Bundes auf gesetzmäßige Weisungen vgl. Kap. 2.2.2. Unergiebig sind allerdings die Debatten im Parlamentarischen Rat um den Weisungsbegriff. So führt die Diskussion um die Wortwahl „Weisung" oder „Anweisung" nicht weiter; vgl. zu dieser Diskussion Laforet und Strauß, 13. Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung am 15. Oktober 1948, in: Der Parlamentarische Rat, Akten und Protokolle, Band 3, S. 551 sowie Hoch, Schmid und Laforet, 16. Sitzung des Hauptausschusses am 13. Dezember 1948, in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, S. 194. Unergiebig sind insoweit auch die in der Literatur gegebenen Definitionen für „Weisung"; vgl. solche bei Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 85 Randnr. 49 ff. (1987); Tschentscher, Inhalt und Schranken des Weisungsrechts des Bundes aus Art. 85 I I I GG, S. 54 ff.; Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, S. 245 ff.; Depenbrock, D Ö V 1970, S. 235 und auch Loschelder, in Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band I I I , S. 539 ff. und Kirchhof, ebd., S. 192 f. jeweils m.w.Nw.; vgl. auch Barfuß, Die Weisung, S. 11 ff. u. 62 ff. und Lengheimer, Die Gehorsamspflicht der Verwaltungsorgane, S. 1 f. 19 Dies ergibt sich nicht notwendig aus der folgenden Überlegung: Inhaltlich rechtswidrige Bundesweisungen dienen nicht der Ausführung der Bundesgesetze, auf deren Ausführung hin die Bundesauftragsverwaltung und das in ihr dem Bund verliehene Weisungsrecht angelegt sind. Weil aber die Weisungsrechtswidrigkeit zugleich Nichtausführung der auftragsmäßig auszuführenden Gesetze ist, ist auch Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG nicht einschlägig. Daran ist richtig, daß Art. 85 Abs. 3 GG nur solche Weisungen erfaßt, die in dem durch Art. 85 Abs. 1 GG gesteckten Rahmen erfolgen. Dieser Anforderung ist aber schon dann genügt, wenn die Weisung im Kontext einer Bundesgesetzausführung, also mit thematischem Bezug zum auszuführenden Gesetz ergeht. Einbegriffen ist also die Weisung auf dem Gebiet der Verwaltung der Bundesautobahnen oder der Erzeugung und Nutzung der Kernenergie, gleich ob nun rechtmäßig oder rechtswidrig. Aus dem gleichen Grund kann auch die modale Theorie von Winter, DVB1 1985, S. 996 in der vorgetragenen Form nicht überzeugen: Es wird nicht begründet, warum der Bereich der Bundesauftragsverwaltung neben einer gegenständlichen Begrenzung eine modale auf rechtmäßiges Länderhandeln erfährt. 20 Art. 30 GG kann ein Abwehrrecht gegen rechtswidrige Weisungen aber nicht schon durch folgende Konstruktion entnommen werden: Aus der Einräumung von Weisungsmacht in Art. 85 Abs. 3 GG kann nicht mehr als die Verpflichtung der Länder zum angewiesenen Vollzug im Außenverhältnis herausgelesen werden. Nimmt aber die Bundesingerenz des Art. 85 Abs. 3 GG den Ländern nicht die Rechtsmacht, die zunächst als verbindlich hinzunehmenden Weisungen anzufechten, dann ist ihnen diese Macht aufgrund von Art. 30 GG als eigene Sache verblieben. Diese Ableitung ist problematisch, weil es keine natürliche staatliche Aufgabe oder Befugnis (der Länder) ist, rechtswidrige Bundesweisungen abzuwehren. Staatliche Aufgabe oder Befugnis im Sinne von Art. 30 GG ist die Abwehr rechtswidriger Weisungen nicht nach Maßgabe der geschilderten Subtraktionsmethode, sondern nur dann, wenn ein entsprechendes Abwehrrecht existiert.
4.3. Die normative Zuordnung von Art. 30 und 85 Abs. 3 GG
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braucht Spielregeln. Ohne deren Einhaltung und ohne deren Rügbarkeit durch den Gegenspieler funktioniert sie nicht. Zur dogmengeschichtlich aufgewiesenen und in Art. 30 GG hineinprojizierten vertikalen Gewaltenteilung gehört die Garantie dieser Regeln. Hat bundesstaatliche Kontrastierung ihre Pointe in der Wahrung und Sicherung föderaler Vielfalt, dann muß die Möglichkeit zum Kontrast auch rechtlich abgesichert sein. Diese Absicherung ist aber nur dann perfekt, wenn dem föderalen Gegenspieler der Länder, dem Bund, bleibende Eingriffe in die Kompetenzsphäre der Länder nur im Fall ihrer umfassenden Legalität gestattet sind. Jenseits der Legalität gibt es einerseits keine zulässigen Kontraste, und nimmt andererseits der legale Kontrastierungsschancen, der erfolgreich illegal befehlen kann. Das Kompetenzrecht der Länder zu legalem eigenbestimmten Handeln gerade auch im Bereich der Bundesauftragsverwaltung wäre wertlos, wenn der Bund hier grenzenlos 21, d.h. gegen die Bindungen der Rechtsordnung, Weisungen ohne Abwehrmöglichkeit der Länder treffen könnte. Alle Regeln der Rechtsordnung nimmt das subjektive Kompetenzrecht der Länder in seinen Schutzgehalt auf und ihre Einhaltung können die Länder vom weisenden Bund verlangen. Daher kann der Bund auch nur mit Weisungen zu legalem Verhalten den Ländern eine unangreifbare Handlungsvorgabe machen. Nur insoweit ist er gemäß Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG kompetent, d.h. in der Lage, das Kompetenzrecht der Länder zu eigenbestimmtem Handeln in der Bundesauftragsverwaltung zu überlagern. Deswegen darf der Bund z.B. nicht mit inhaltlich rechtswidrigen Weisungen, sondern nur mit inhaltlich rechtmäßigen Weisungen die atomrechtliche Genehmigungspraxis und -politik der Bundesländer bleibend verändern. Nur diese Auslegung wird dem Bezug gerecht, in dem die Länder zur Legalität im bundesstaatlichen Verfassungsstaat stehen. Die Länder stehen eben nicht bezuglos zu der Legalität, deren Wahrung sie im Ingerenzbereich verlangen dürfen, sondern haben an ihrer Entstehung mitgewirkt. So ist jedes in der Bundesauftragsverwaltung auszuführende Bundesgesetz unter Einschaltung des Bundesrates 22 und mit der Offerte an die Länder, seine Verfassungsmäßig21 Weitgehend ist das Länderrecht bei den Autoren (vgl. Abschnitt 1) entwertet, die nur Weisungen außerhalb des auftragsrechtlichen Weisungsverhältnisses, d.h. bei Fehlen der verfassungsrechtlichen Weisungsvoraussetzungen, für abwehrbar halten. Nach der Konstruktion dieser Autoren kann der weisende Bund durchaus jenseits der Legalität eine Alternative zu einem legalen Länderhandeln finden. Den illegalen Befehl müßten die Länder als unabwehrbar hinnehmen und befolgen, obwohl er gegen die Rechtsordnung den Ländern eine legale Handlungsmöglichkeit versperrte und ihre sachpolitische Alternative zerstörte. Insoweit hätte die Rechtsordnung keine juristische Maßstabsfunktion beim Austrag des Weisungskonfliktes. Von vertikaler Gewaltenteilung nach Maßgabe fester Regeln könnte dann insoweit keine Rede mehr sein. 22 Vgl. Art. 77 GG. Dabei ist es unerheblich, daß nicht bei allen Gesetzen die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist. Auch die Mitwirkungsrechte des Bundesrates bei Einspruchsgesetzen belegen den Bezug der Länder zur Rechtsproduktion und gesamten Bundesrechtsordnung. Dieser Bezug wird auch nicht dadurch aufgehoben,
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
keit in einem abstrakten Normenkontrollverfahren überprüfen zu lassen, zustandegekommen. So bedarf nach Art. 80 Abs. 2 GG regelmäßig jede Rechtsverordnung „auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden" der Zustimmung des Bundesrates. Selbst die allgemeinen Verwaltungsvorschriften in der Bundesauftrags Verwaltung, Rechtsnormen niederster Stufe, 23 brauchen gemäß Art. 85 Abs. 2 GG die Zustimmung des Bundesrates; für Organisationsgesetze gilt gemäß Art. 85 Abs. 1 GG das gleiche. A n der Entstehung der für die Auftragsverwaltung maßgebenden Verfahrensgesetze sind die Länder über den Bundesrat ebenfalls beteiligt. 24 Es gibt keinen plausiblen Grund dafür, daß der Bund im Bereich der Gesetzesausführung mit Hilfe von rechtswidrigen Weisungen ohne Rügeoption der Länder die gemeinsame und gemeinsam geschaffene Rechtsordnung soll ausschalten können. Vertikale Gewaltenteilung fällt auf der Ausführungsstufe nicht aus, sondern eröffnet den Kampf um die Rechtmäßigkeit. Wurde schon bei Untersuchung des Garantiegehaltes von Art. 30 G G 2 5 festgestellt, daß es keinen einleuchtenden Grund dafür gibt, daß das Grundgesetz über Art. 30, 2. Hs. Bundeskompetenzen zu rechtswidrigem Handeln schaffen oder zulassen will, so gibt es ebenso wenig einen Grund zur Annahme, Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG verschaffe dem Bund die Kompetenz zum Erlaß rechtswidriger Weisungen. 26 Immerhin verschafft diese Norm dem Bund die Möglichkeit, bleibende Eingriffe in die Landeshoheit vorzunehmen. Das Zwischenergebnis lautet: Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG betrifft nur rechtmäßige Weisungen. Diese enthalten gerechtfertigte Eingriffe in Art. 30 GG. Sie sind unanfechtbar und damit auch verbindlich. Landesbehörden der oberen, mittleren und unteren Stufe unterstehen ihnen. Rechtswidrige Weisungen daß der Bundesrat ein Bundesorgan ist, denn über dieses Bundesorgan wirken laut Art. 50 GG „die Länder bei der Gesetzgebung" mit. Schon daran zeigt sich die Schutzfunktion der Bundesratsbeteiligung für die einzelnen Bundesländer. 23 Ossenbühl, in: Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 93 f. m.w.Nw. 24 Nach herrschender Meinung besteht allerdings keine Zustimmungsbedürftigkeit. Vgl. Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 85 Randnr. 28 (1987); Bull, in Alternativ Kommentar zum Grundgesetz, Art. 85, Randnr. 10; v. Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, Band I I I , Art. 85 Anm. I I I 3.b) und zum genetischen Befund Haun, Die Bundesaufsicht in Bundesauftragsangelegenheiten, S. 112 ff. 2 * Vgl. Kap. 3.2.2.3. 26 Dieser Interpretation steht nicht entgegen, daß das Gesetz zuweilen auch die rechtswidrigen Exemplare einer Handlungsform unter dem Namen der Handlungsform regelt. Solche Regelungen, wie z.B. in § 48 Abs. 1 VwVfG, sind Sonderregelungen. So spricht das Gesetz in § 48 VwVfG ausdrücklich vom rechtswidrigen Verwaltungsakt und gibt ihm in Einklang mit der Tradition, die den Verwaltungsakt in Anlehnung an das Urteil konstruierte (vgl. Mayer, AöR 21,1907, S. 1 ff.), Bestandskraft.
4.3. Die normative Zuordnung von Art. 30 und 85 Abs. 3 GG
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sind nicht rechtfertigbare Eingriffe i n A r t . 30 G G . Deswegen können die Länder sie abwehren. 2 7 Offen ist die Frage, ob die Länder Weisungen, die sie für rechtswidrig erachten, aus eigener Kompetenz verwerfen und damit unbeachtet lassen können. E i n e Verbindlichkeitsanordnung für rechtswidrige Weisungen ist A r t . 85 A b s . 3 Satz 1 G G nicht zu entnehmen, denn er erfaßt diese Weisungen nicht. Eine solche Verbindlichkeitsanordnung findet sich aber i n A r t . 85 A b s . 3 Satz 3 G G , der die obersten Landesbehörden verpflichtet, den Weisungsvollzug sicherzustellen. Nach dieser N o r m müssen die obersten Landesbehörden die Sicherheit dafür gewähren, daß jede Weisung i m Sinne von A r t . 85 A b s . 3 Satz 1 G G , also jede rechtmäßige 2 8 Bundesweisung, vollzogen wird. D e n V o l l zug rechtmäßiger Bundesweisungen haben diese Behörden i n j e d e m Fall zu garantieren. D e r V o l l z u g rechtmäßiger Weisungen darf nicht deswegen unterbleiben, weil Landesbehörden eine ergangene Weisung i r r t ü m l i c h für rechtswidrig halten. W i e aber können die obersten Landesbehörden der ihnen auferlegten Garantiepflicht vollen Umfanges genügen, solange sie nicht m i t Sicherheit wissen, ob eine Weisung rechtmäßig oder rechtswidrig ist? D a sie nicht anders als die Bundesbehörden - nur über Rechtsmeinungen zur Legalität einer Weisung verfügen, die richtig wie unrichtig sein können, genügen sie ihrer Vollzugssicherstellungspflicht
nur dann v o l l k o m m e n , wenn sie auch
27 Der Bund kann die Länder nicht aufgrund von Art. 85 Abs. 3 GG anweisen, ergangene Sachweisungen nicht anzufechten. Das ist nicht deswegen so, weil die Nichtanfechtungsweisung wiederum und so fortlaufend in infinitem Regreß angefochten werden könnte. Zwar ist ein solcher theoretisch denkbar, aber sollte es eine Weisungsmacht geben, die Weisungsanfechtung zu untersagen, dann kann sie sinnvollerweise nur so verstanden werden, daß sie Folgeanfechtungen ausschließt. Aber die Weisungsmacht, Nichtanfechtung anordnen zu können, verleiht Art. 85 Abs. 3 GG dem Bund deswegen nicht, weil sie nicht zur Ausführung von Bundesgesetzen im Auftrage des Bundes gehört. Gesetze werden ausgeführt durch ihren Vollzug in Außenverhältnissen. Durch die Anfechtung von Weisungen oder ihr Unterlassen führen die Länder keine Bundesgesetze aus. 28 Die Verfassung verwendet den Weisungsbegriff in Art. 85 Abs. 3 GG einheitlich im Sinne rechtmäßiger Weisung. Daher scheidet folgende denkbare Konstruktion aus: Weisungen im Sinne des Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG sind rechtmäßige wie rechtswidrige Weisungen. Folglich ist auch der Vollzug rechtswidriger Weisungen sicherzustellen. Anders als Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG, der von „Weisungen" als einer Handlungsform im Plural spricht, spricht Satz 3 von „der Weisung" als der ergangenen Weisung im Singular. In Satz 2 ist die Rede von ergehenden „Weisungen". Die Nichteinbeziehung rechtswidriger Weisungen im einen und die Einbeziehung im anderen Fall erklärt sich aus der unterschiedlichen Regelung, die in beiden Sätzen getroffen wird. Dort wo es um bleibende Eingriffe in die Landeshoheit mittels „Weisungen" als Handlungsform geht (Satz 1), werden rechtmäßige Weisungen verlangt, dort wo es nur um den einstweiligen Vollzug von Weisungen geht, ist die ergangene Weisung angesprochen. Die angedachte Konstruktion scheitert aber daran, daß der verfassungstextliche Unterschied von Singular und Plural zu schwach ist, einen so tiefgreifenden Unterschied der Weisungsbegriffe zu tragen. Zudem ist es nach dem bisher Ausgeführten folgerichtig, daß die Verfassung den Vollzug allfällig rechtswidriger Weisungen nur um des Vollzuges aller rechtmäßigen Weisungen willen anordnet, darin aber keinen Selbstzweck sieht.
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
gegen die eigene Rechtsmeinung den Vollzug einer Weisung, die der Bund für rechtmäßig erachtet, garantieren. Im Vollzugsstadium ist, solange keine Bundes- wie Landesbehörden bindende gerichtliche Entscheidung vorliegt, die Rechtsauffassung des Bundes grundsätzlich maßgebend. Die Frage des „quis iudicabit" ist damit in Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG entschieden. Es ist ein wichtiger Inhalt des Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG, die Frage des „quis iudicabit" solange zugunsten des Bundes zu entscheiden, bis ein Gericht im Weisungsstreit gesprochen hat. Dieses Auslegungsergebnis greift nicht nur das in der Literatur 2 9 oft betonte Anliegen auf, dem Bund in der Bundesauftragsverwaltung die vorläufige Entscheidungsmacht zu sichern, sondern entspricht auch dem genetischen Befund: „Hier entscheidet allein der Wille der zuständigen obersten Bundesbehörden." 30 Die Entscheidungsmacht des Bundes reicht so weit, daß er durch Weisungen zu Rechtsfragen Rechtsstreitigkeiten im Vorfeld des Vollzuges beenden kann. 31 In diesem Stadium ist es Sache des Bundes zu entscheiden, ob ein auszuführendes Verhalten, sprich ob ein Weisungsinhalt rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Ihrer Vollzugssicherungspflicht 32 kommen die obersten Landesbehörden zunächst durch Weiterleitung ergangener Weisungen an die zuständige, das Bundesgesetz konkret ausführende Stelle nach. Verweigert diese Stelle die Ausführung, dann verlangt die Sicherstellungpflicht den Einsatz von Aufsichtsmitteln gegenüber ungehorsamen mittleren und unteren Landesbehörden. Sie verlangt die Weiterleitung, den Einsatz von Aufsichtsmitteln und den Weisungsvollzug auch dann, wenn Landesbehörden eine ergangene Weisung für rechtswidrig halten. Denn wie soll der Vollzug aller rechtmäßiger Weisungen sichergestellt sein, wenn die Länder Weisungen mit dem Einwand der Rechtswidrigkeit stoppen können. U m des Vollzuges aller rechtmäßiger Weisungen willen, muß grundsätzlich der Vollzug aller ergangener Weisungen erfolgen. Ob und welche Gerichte einzelne Weisungsfälle entscheiden können, wann die Sicherstellungspflicht endet und ob sie justiziell ausgesetzt werden kann, untersucht das nachfolgende Rechtsschutzkapitel. Diesem Kapitel bleibt eine Frage zu klären: Sind auch solche Weisungen zunächst verbindlich, die deswegen rechtswidrig sind, weil es schon an den for29
Vgl. nur Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 85 Randnr. 53 (1987); Steinberg, A ö R 110 (1985), S. 433; Tschentscher, Inhalt und Schranken des Weisungsrechts des Bundes aus Artikel 85 I I I GG, S. 298 ff. 30 So Laforet, Schriftlicher Bericht über den Abschnitt V I I I . Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung, in: Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Entwurf zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, S. 40. 31 Das gilt auch im Fall offenkundiger Weisungsrechtswidrigkeit. Die Verfassung läßt keinen Raum für die Anwendung von § 44 VwVfG. Es gibt auch keinen entsprechenden allgemeinen Rechtsgrundsatz, der hier die Verfassung überlagern könnte; a.A. Tschentscher, Inhalt und Schranken des Weisungsrechts des Bundes aus Artikel 85 I I I GG, S. 301 ff. und ähnlich Lerche, BayVBl 1987, S. 322. In diesem Fall wird das angewiesene Land aber unproblematischer einstweiligen gerichtlichen Schutz erhalten. 32 Zum Inhalt des Sicherstellungsgebotes vgl. Tschentscher, ebd. S. 305 ff.
4.3. Die normative Zuordnung von Art. 30 und 85 Abs. 3 GG
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mellen Weisungsvoraussetzungen fehlt. Gedacht ist an Weisungen unzuständiger Bundesbehörden und an Weisungen, die den Rahmen der Bundesauftragsverwaltung verlassen und auch keinem anderen Weisungstatbestand der Verfassung unterfallen. 33 Ist auch der Vollzug solcher Weisungen von den obersten Landesbehörden gemäß Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG sicherzustellen, damit keine rechtmäßige Bundesweisung im Sinne von Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG unvollzogen bleibt? Die Beantwortung dieser Frage knüpft an die Unterscheidung der herrschenden Auffassung 34 zwischen den verfassungsrechtlichen Weisungsvoraussetzungen und den Rechtmäßigkeitsanforderungen, die an den Inhalt von Weisungen gestellt sind, an. Die Weisungsvoraussetzungen verleihen qualifizierten Bundesstellen in bestimmten Sachmaterien Weisungsmacht, d.h. sie eröffnen überhaupt erst den Weisungsraum, in dem Bundesbehörden Landesbehörden befehlen können. Die Rechtmäßigkeitsanforderungen an Weisungsinhalte legen den Bund dann auf eine bestimmte Ausübung seiner Weisungsmacht und auf ein bestimmtes Verhalten und Bewegen im Weisungsraum fest. Befinden sich Bund und Länder außerhalb dieses Weisungsraumes, dann verpflichtet auch die Vollzugssicherstellungspflicht, die die Stellung des Bundes im Weisungsraum stärkt, die Länder nicht zum Vollzug erteilter Weisungen. Art. 85 Abs. 3 GG ist einschließlich seines Satzes 3 in seiner Anwendung durch das Vorliegen der Weisungsvoraussetzungen bedingt. Daher verpflichtet Satz 3 die obersten Landesbehörden nicht, wenn es an einer Weisungsvoraussetzung mangelt. Wenn die Verfassung in Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG die Landesbehörden explizit nur den Weisungen der „zuständigen obersten Bundesbehörden" unterstellt, dann sollen die Landesbehörden gerade nicht von beliebigen, sondern nur von qualifizierten Bundesbehörden in die Pflicht genommen werden können. Die Verfassung benennt in dieser Norm die Stellen, die überhaupt nur in der Lage sind, rechtlich wirksam Weisungen zu erteilen. Der Streit zwischen Bund und Land um die Zuständigkeit einer obersten Bundesbehörde, ist ein Streit um eine verfassungsrechtliche WeisungsVoraussetzung, also um die Eröffnung des Weisungsraumes. Aus Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG kann nicht herausgelesen werden, daß auch der Vollzug von Weisungen unzuständiger Behörden durch die obersten Landesbehörden sicherzustellen ist. Im Fall des 33 Zuständigkeitsverfehlungen hinsichtlich Art. 85 Abs. 3 Satz 2 GG heben die Verbindlichkeit der Weisung nicht auf. Räumt das Grundgesetz hier der Bundesregierung einen Einschätzungsspielraum ein, dann sollen die Länder gewiß nicht unter Berufung auf den nicht gewahrten Instanzenzug den Weisungsvollzug verweigern können. Es ist Sache des zuständigen Gerichts, Überschreitungen dieser Einschätzungsprärogative durch den Bund festzustellen (vgl. Kap. 4.4.). 34 Vgl. nur Steinberg, AöR Bd. 110 (1985), S. 433 u. 439 ff.; Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz: Grundgesetz. Kommentar, Art. 85 Randnr. 53; ders., BayVBl 1978, S. 323 f.; Wagner, DVB1 1987, S. 920 ff. und auch Winter, DVB1 1985, S. 993 ff.
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
Zuständigkeitsstreites steht daher nicht nur die Rechtmäßigkeit einer Bundesweisung im Streit, sondern diesem Streit vorgelagert auch die Anwendbarkeit des Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG. Liegen dessen Voraussetzungen nicht vor, werden die obersten Landesbehörden auch nicht durch ihn verpflichtet. Es ist Sache des Bundes, in entsprechenden Verfahren das Vorliegen der Weisungsvoraussetzungen darzutun und so die obersten Landesbehörden zur Vollzugssicherstellung zu zwingen. 35 Weisungen unzuständiger Bundesbehörden sind also unverbindlich und im Streit um die Zuständigkeit einer obersten Bundesbehörde findet sich keine Norm, die die obersten Landesbehörden zur prompten Vollzugssicherstellung verpflichtet. So sind die obersten Landesbehörden nicht aufgrund von Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG verpflichtet, den Vollzug von Weisungen der Bundesbank oder des Bundesministers der Justiz in atomrechtlichen Genehmigungsverfahren sicherzustellen. Das liegt nicht nur im Interesse der Länder, sondern ebenso im Interesse der jeweilig zuständigen obersten Bundesbehörde. 36 Weisungen außerhalb der Bundesauftragsverwaltung sind ebenfalls unverbindlich. 37 Schon in Kapitel 2.4. wurde herausgefunden, daß alle Bundesingerenzen in Art. 85 Abs. 3 GG bedingt sind durch den Tatbestand des Art. 85 Abs. 1 GG: „Führen die Länder die Bundesgesetze im Auftrage des Bundes aus, so . . . " . Deswegen bezieht sich die Vollzugssicherstellungspflicht des Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG nur auf solche Weisungen, die im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung, d.h. im Kontext obligatorischer oder fakultativer 38 Bundesauftragsverwaltung, ergehen. Andere Weisungen sind für die Länder unbeachtlich. So sind die Länder z.B. nicht verpflichtet, auf eine schulrechtliche Bundesweisung zu reagieren. Auch hier ist es Sache des Bundes, in entsprechenden Verfahren das Vorliegen der Weisungsvoraussetzungen, d.h. hier von Bundesauftragsverwaltung, und damit das Bestehen einer Vollzugssicherungspflicht darzutun.
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Dazu Kapitel 4.4. und die nachfolgende FN. Für eine Anwendung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften ist angesichts der klaren und abschließenden verfassungsrechtlichen Regelung kein Raum. Gegen den Unzuständigkeitseinwand kann sich der Bund im Wege des Bund/Länder-Streits oder des Bundeszwanges wehren (zu beidem Kap. 4.4.). Beide Vorgehensweisen setzen die bundesinterne Klärung der Zuständigkeitsfragen voraus, denn sie können nur von der Bundesregierung initiiert werden. Vgl. dazu Art. 37 Abs. 1 und BVerfGE 6, 309/ 323 zum Bund/Länder-Streitverfahren. 37 Es sei denn, es greift ein anderer verfassungsrechtlicher Weisungstatbestand, ζ. B. der des Art. 84 Abs. 5 GG. 38 Die Auftragsverwaltung muß durch ein wirksames Gesetz angeordnet sein; die Länder können folglich die Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzes zum Streitpunkt machen. Α . A . nur Lerche, BayVBl 1987, S. 324 und gegen ihn Tschentscher, Inhalt und Schranken des Weisungsrechts des Bundes aus Artikel 85 I I I GG, S. 361 Fn. 2. Im Fall der Nichtigkeit des Gesetzes, das die fakultative Auftragsverwaltung anordnet, besteht keine Weisungsunterworfenheit und keine Vollzugssicherstellungspflicht. 36
4.4. Anfechtbarkeit und Verbindlichkeit von Weisungen
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4.4. Anfechtbarkeit und Verbindlichkeit von Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung Den Ländern steht erstens gegen Weisungen, die nicht den formellen verfassungsrechtlichen Anforderungen an Weisungen genügen, d.h. entweder die Zuständigkeitsbestimmung des Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG mißachten oder nicht zur Ausführung von Bundesgesetzen im Auftrage des Bundes ergehen, und zweitens gegen Weisungen, die inhaltlich rechtswidrig sind, ein Abwehrrecht aus Art. 30 GG zu. Befolgen müssen die Länder die Weisungen nur im zweiten Fall aufgrund der besonderen Anordnung in Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG. Im ersten Fall schulden sie dem Bund keinen Gehorsam. Schwierige Rechtsschutzfragen wirft der Fall auf, in dem Anfechtbarkeit und Gehorsamspflicht zusammentreffen. Wie auf der einen Seite Anfechtbarkeit der Weisung qua Abwehrrecht prozessual umgesetzt werden kann und was auf der anderen Seite Verbindlichkeit der Weisung qua verfassungsrechtlicher Bestimmung prozessual heißt, beschäftigt das Schlußkapitel. Ist die Weisung erlassen, müssen die Länder gehorchen, liegen nur die verfassungsrechtlichen WeisungsVoraussetzungen vor. Gehorchen sie nicht, dann kann der Bund den verfassungsrechtlich geschuldeten Gehorsam entweder im Bund/Länder-Streitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, notfalls mittels einstweiliger Anordnung gemäß § 32 BVerfGG, einfordern 1 oder die Befolgungspflicht aus Art. 85 Abs. 3 GG mit Bundeszwang (Art. 37 GG) durchsetzen. Mögliche Maßnahme im Bundeszwang ist der Weisungs Vollzug durch den Bund, etwa durch Genehmigungserteilung. 2 Weil der Bundeszwang von der ungesicherten Zustimmung des Bundesrates abhängt, kann es dem Bund nicht verwehrt sein, im Wege des verfassungsgerichtlichen Streites, samt Möglichkeit einstweiliger Anordnung, sein Recht zu suchen.3 Maßnahmen des Bun1 Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Verfahren gemäß §§ 67, 69 BVerfGG festzustellen, ob Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG von Seiten des betreffenden Landes verletzt wurde. Das ist dann der Fall, wenn die zuständige oberste Landesbehörde den Vollzug einer Weisung, die den formellen Weisungsvoraussetzungen genügte, nicht sichergestellt hat. Auf die Legalität oder Illegalität der Weisung im übrigen kommt es nicht an. 2 So auch Steinberg, A ö R 110 (1985), S. 438 m.w.Nw. Streng betrachtet ist die Genehmigungserteilung aber keine notwendige Maßnahme im Sinne von Art. 37 Abs. 1 GG, um das Land zur Erfüllung seiner Pflicht anzuhalten. Die Genehmigungserteilung ersetzt Länderhandeln. Eine erweiternde Auslegung ist hier aber zulässig. Schon bei der Reichsexekution war die Ersatzvornahme zulässig; vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 48 Anm. 5. Sie entspricht auch dem Zweck der Bundesexekution, den bundesstaatsrechtlich geforderten Zustand wiederherzustellen. Schließlich ist die Genehmigungserteilung auch die das Land mehr schonende Maßnahme, als etwa Zahlungseinstellungen zur Erwirkung der ausstehenden Genehmigungserteilung. 3 Teilweise wird der Bund auf die Einleitung eines Bund/Länder-Streitverfahrens verwiesen, weil der Bundeszwang das einschneidendere Mittel darstelle. So Steinberg, AöR 110 (1985), S. 438 und Tschentscher, Inhalt und Schranken des Weisungsrechts des Bundes aus Artikel 85 I I I GG, S. 327 ff. Eine solche Restriktion der verfassungs-
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
deszwanges können die Länder im Bund/Länder-Streitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG anfechten; sie können dabei versuchen, eine einstweilige Anordnung zu erwirken. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Prozeß nur zu prüfen, ob ein Land die ihm nach dem Grundgesetz oder einem Bundesgesetz obliegende Bundespflicht unerfüllt gelassen hat. Liegen die formellen verfassungsrechtlichen WeisungsVoraussetzungen vor, ist diese Frage schon zu bejahen. 4 Beim Rechtsschutz gegen die Weisung selber ist zu differenzieren. Die Abwehr von Weisungen, die nicht den verfassungsrechtlichen Weisungsvoraussetzungen genügen, erfolgt im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG. Der Streit wird aus einem rein verfassungsrechtlich bestimmten Rechtsverhältnis heraus ausgetragen. Er wird entweder um die Einhaltung der Zuständigkeit des Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG oder um die Zuordnung der Weisung zur Bundesauftragsverwaltung geführt. 5 Obwohl die Länder durch Weisungen, die nicht den verfassungsrechtlichen Weisungsvoraussetzungen genügen, und die auch nicht durch Art. 84 Abs. 5 GG aufgefangen werden, nicht verpflichtet werden, haben sie an der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Weisung wegen Verstoßes gegen Art. 30 GG ein Klarstellungsinteresse. Liegen die formellen verfassungsrechtlichen Weisungs Voraussetzungen vor,
ist weiter zu differenzieren. Verstößt die Weisung gegen Art. 85 Abs. 3 Satz 2 GG, können die Länder einen verfassungsgerichtlichen Bund/Länder-Streit eröffnen. 6 Verletzt die inhaltlich rechtswidrige Weisung sonstiges Verfassungsrecht, gilt das gleiche. Wird nur eine einfachrechtliche Rechtswidrigkeit vorgetragen, ist ungeklärt, ob sie als Vor- oder Hauptfrage vom Bundesverfastextlichen Befugnisse des Bundes unter Berufung auf Verhältnismäßigkeitserwägungen und Bundestreue ist unzulässig. Mit dem Erfordernis der Bundesratszustimmung hat die Verfassung ein erhebliches Korrektiv in das Bundeszwangsverfahren eingebaut. Für weitere Korrektive ist kein Platz. Zudem ist es den Ländern unbenommen, gegen Maßnahmen nach Art. 37 GG das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Keinesfalls kann der Bund auf ein Mängelrügeverfahren unter analoger Anwendung des Art. 84 Abs. 4 GG verwiesen werden. Art. 85 stärkt die Bundesposition gerade dadurch, daß er dem Bund ein solches Verfahren nicht auferlegt; es besteht andererseits aber kein Grund, es dem Bund zu verwehren, das Mängelrügeverfahren einzuschlagen. 4 Das Bundesverfassungsgericht wird dann gemäß §§ 67, 69 BVerfGG feststellen, daß der Bund Art. 37 GG nicht verletzt hat. In der Sache hat der Bund im Wege des Bundeszwanges nur den Zustand hergestellt, der bestehen würde, wenn die zuständige oberste Landesbehörde ihrer Vollzugssicherstellungspflicht Folge geleistet hätte. Dem Land bleibt es unbenommen, gegen die Weisung Rechtsschutz zu suchen. Gelingt das, kann es die Vollzugsfolgen korrigieren. 5 Handelt es sich um fakultative Bundesauftragsverwaltung, kann auch die Nichtigkeit eines Bundesauftragsverwaltung anordnenden Gesetzes Gegenstand des Streites sein. Dazu Wagner, DVB1 1987, S. 921. 6 Vgl. hierzu schon Kap. 4.3., FN 33. Die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts gemäß §§ 67, 69 BVerfGG, daß eine Dringlichkeitsweisung formell verfassungswidrig ist, muß den Bund veranlassen, die materiell, d.h. in der Sache rechtmäßige Weisung im zweiten Anlauf richtig zu adressieren.
4.4. Anfechtbarkeit und Verbindlichkeit von Weisungen
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sungsgericht im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG zu prüfen ist, oder ob der richtige Platz ihrer Erörterung der Verwaltungsrechtsweg ist. 7 Zurecht begrenzt die ganz herrschende Meinung 8 im Wege der Auslegung Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG auf Streitigkeiten über verfassungsrechtliche Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder. Diese Begrenzung geht bei den mit einem „insbesondere" eingeführten und damit als Unterfälle präsentierten Meinungsverschiedenheiten „bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht" nicht verloren. Verfassungsnormen stehen aber dann nicht im Streit, wenn es nur um die Auslegung des einfachen Rechts geht. 9 Ist allerdings das Verhältnis von Art. 30 zu 83, 84 und 85 GG oder der Regelungsgehalt dieser Normen im Streit, ist also die Mechanik des Zusammenspiels dieser Normen oder ihr Inhalt umstritten, dann ist das ein Verfassungsstreit. Herrscht über diese verfassungsrechtlichen Fragen Rechtseinigkeit, ist die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts nicht schon in jedem Streit möglich, in dem letztlich der Rückgriff auf den in seiner Anwendung und Wirkung unstreitigen Art. 30 oder 85 GG gebraucht wird. 1 0 Mit einer ähnlichen Konstruktion wird auch verhindert, daß jeder Fall der eingreifenden Verwaltung letztendlich zu einem Verfassungsbeschwerdefall wird. 1 1 Es ist nur Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, den Inhalt und die Systematik der Art. 30, 83, 84 und 85 GG klarzulegen; nicht aber hat das Bundesverfassungsgericht alle Fälle einfachrechtswidriger Weisungen zu entscheiden. Die vorgeschlagene Abschichtung kann funktionellrechtlich 12 genannt 7 Für den Verwaltungsrechtsweg Winter, DVB11985, S. 997 sowie Lange, NJW 1986, S. 2461 und für den Verfassungsrechtsweg Tschentscher, Inhalt und Schranken des Weisungsrechts des Bundes aus Artikel 85 I I I GG, S. 368 sowie Bender, D Ö V 1988, S. 818; vgl. zu dieser Frage auch Wagner, NJW 1987, S. 417. 8 Vgl. Stern, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 93, Randnr. 337 (1982); Löwer, in Isensee / Kirchhof, Handbuch des Verfassungsrechts, Band I I , S. 761 ff.; Leisner, FS BVerfG, Band I, S. 268 ff. u. 274 ff.; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, S. 74; Schiaich, Das Bundesverfassungsgericht, S. 53; aus der Rspr. vgl. BVerfGE 4, 115/122 f.; 20, 18/23 f.; 41, 291/303; a. A . nur Schachtschneider, Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht in Bund-Länder-Streitigkeiten, S. 119 ff. Die herrschende Auffassung hat nicht nur für sich, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4,1. Alt. GG ein Anwendungsfeld zu sichern, sondern sie wahrt dem Bundesverfassungsgericht seine Funktion als Verfassungsgericht. 9 So ausdrücklich auch Leisner, FS BVerfG, Band I, S. 269. 10 Das verkennt Tschentscher, Inhalt und Schranken des Weisungsrechts des Bundes aus Art. 85 I I I GG, S. 367 f. 11 Zur Restriktion im Bereich der Verfassungsbeschwerde mit Hilfe des Topos „spezifisches Verfassungsrecht" vgl. BVerfGE 18, 85/92 und dazu Klein, A ö R 108 (1983), S. 595 ff. sowie Steinwedel, „Spezifisches Verfassungsrecht" und „einfaches Recht", S. 17 ff. 12 Zur Richtigkeit des funktionellrechtlichen Ansatzes vgl. Ossenbühl, FS H. P. Ipsen, S. 137 und Schenke, Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, S. 28 und passim sowie Schuppert, DVB1 1988, S. 1191 ff. Der vertretene Ansatz findet in BVerfGE 42,103/115 Bestätigung, wenn dort mit prozeßrechtlichen Konsequenzen der Unterschied von verfassungsrechtlichem Fundament des Staatshandelns und seiner ver-
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
werden, weil sie nach der F u n k t i o n des Gerichts, sprich Verfassungs- oder Verwaltungsgerichts, für die Entscheidung des eigentlichen Rechtsstreits fragt u n d nicht einfach nur auf die Palette der anzuwendenden N o r m e n , die auch Verfassungsnormen enthält, schaut. A l s nicht verfassungsrechtlicher Streit gehört der Streit u m das einfache Recht i m R a h m e n der Weisungsanfechtung vor das Bundesverwaltungsgericht ( A r t . 93 A b s . 1 N r . 4, §§ 40 A b s . 1 und 50 A b s . 1 N r . 1 V w G O ) . W e i l die Bundesweisung die hoheitliche Regelung v o n Einzelfällen seitens der Behörde eines Rechtsträgers gegenüber Organen eines zweiten Rechtsträgers, also m i t A u ß e n w i r k u n g , enthält, ist sie V e r w a l t u n g s a k t . 1 3 D i e Länder haben sie m i t der Anfechtungsklage abzuwehren u n d sind vermittelst ihres subjektiven öffentlichen Rechts aus A r t . 30 G G klagebefugt, wenn sie die Rechtswidrigkeit der Weisung rügen. D a die Weisungen von Verfassungs wegen durch oberste Bundesbehörden erlassen werden, scheidet gemäß § 68 A b s . 1 N r . 1 V w G O ein Widerspruchsverfahren aus. E i n Suspensiveffekt k o m m t der Anfechtungsklage gegen die Weisung nicht z u . 1 4 A r t . 85 A b s . 3 Satz 3 G G verlangt v o n den Ländern den zunächst unbedingten Weisungsvollzug, gleich ob sie ein Rechtsmittel eingelegt haben oder nicht. D i e unterverfassungsrechtliche
A n o r d n u n g eines Suspensiveffektes
waltungsrechtlichen Natur betont wird: „Man muß also das allgemeine verfassungsrechtliche Fundament, auf dem die Tätigkeit der Länder ruht, von den vom Land unternommenen selbständigen, in herkömmlichen Rechtsfiguren des Handelns bestehenden Schritten zur Verwirklichung einer verfassungsmäßigen Rechtsordnung unterscheiden. Diese selbständigen Schritte (hier die Vertragsschließung) sind rechtlich auf ihren eigenen verfassungsrechtlichen oder nichtverfassungsrechtlichen Gehalt zu untersuchen. Ihre Qualität in dieser Hinsicht teilen sie nicht ohne weiteres mit der des verfassungsrechtlichen Fundaments." 13 A . A . Tschentscher, Inhalt und Schranken des Weisungsrechts des Bundes aus Artikel 85 I I I GG, S. 72 für den „Regelfall". Die Bundesweisungen seien nicht, wie es § 35 Satz 1 VwVfG verlange, „nach außen gerichtet". Sicherlich sind Bundesweisungen insofern nicht nach außen gerichtet, als es um das Verhältnis zum Bürger, der im Außenrechtskreis steht, geht. Nur wenn Außenwirkung als „Eindringen in die Rechtssphäre der Bürger" (so Lerche, in Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz Kommentar, Art. 85 Randnr. 52 (1987)) verstanden wird, sind Bundesweisungen keine Verwaltungsakte. Für eine derartige Beschränkung des Merkmals Außenwirkung gibt es aber keinen Grund. Die Länder sind Rechtsträger, die von Bundesweisungen interund nicht intrapersonal betroffen werden (zur Maßgeblichkeit dieser Unterscheidung vgl. Erichsen, in: Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 190). Weisungen erfüllen als Einzelweisungen (dazu Lerche, ebd. Randnr. 50 f. mit überzeugender systematischer Argumentation aus Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG) auch das Erfordernis der Einzelfallregelung. Zurecht qualifizieren daher Lange, NJW 1986, S. 2451 und Winter, DVB1 1985, S. 998 Bundesweisungen in der Bundesauftragsverwaltung als Verwaltungsakte. Zur Verwaltungsaktsqualität von Weisungen nach Art. 84 Abs. 5 GG vgl. Bruns, Artikel 84 Absatz V GG, Eine Studie zur Problematik dieser Norm, S. 50 ff. 14 A . A . Winter, ebd. und Lange, ebd., die sich nicht mit der Wirkung von Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG beschäftigen. Die Berufung Winters (ebd., FN 41) auf Triepel, FS Kahl, S. 61 u. 82 kann angesichts der positivrechtlichen Verfassungsrechtslage kein anderes Ergebnis begründen.
4.4. Anfechtbarkeit und Verbindlichkeit von Weisungen
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könnte daran nichts ändern. Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG ist aber über § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in das System dieses Paragraphen integrierbar. Gilt damit automatisch § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Halbs. VwGO? 1 5 Hat es das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag in der Hand, vor Entscheidung der Hauptsache aufschiebende Wirkung anzuordnen? Dagegen scheint der Vorrang der Verfassung zu sprechen. Es scheint aber nur so. Die Verfassung verlangt von den obersten Landesbehörden zwar auch dann die Sicherstellung des Weisungsvollzuges, wenn das Land die Anfechtungsklage erhoben hat, sie verbietet aber nicht dem Bundesverwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anzuordnen, und den obersten Landesbehörden nicht, gemäß dieser Anordnung den Vollzug ruhen zu lassen. Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG entscheidet die Frage des „quis iudicabit" nur für das Verhältnis von Bundes· und Landesbehörden. Diese Interpretation ist nicht nur genetisch authentisch, 16 sondern berücksichtigt, daß Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG die Vollzugssicherstellungspflicht ausschließlich an die obersten Landesbehörden adressiert. Diese Auslegung wird auch dem Zweck der Vollzugssicherstellungspflicht gerecht. Die genannte Pflicht bezweckt, daß Landesbehörden nicht aufgrund eigener rechtlicher Würdigung Bundesweisungen im Sinne des Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG deswegen verwerfen, weil sie sie für inhaltlich rechtswidrig halten. In dem Moment aber, in dem das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, ist eine neue Situation eingetreten. Nicht aus eigener Macht, sondern der juristischen Einschätzung eines Bundesgerichts folgend, können die obersten Landesbehörden den Vollzug stornieren. Es hat dann das Gericht entschieden, das es in der Hauptsacheentscheidung sogar in der Hand hat, eine Bundesweisung aufzuheben, und es hat von den Entscheidungsfolgen her betrachtet nicht mehr getan als ein Verwaltungsgericht, das in einem dem Weisungsfall zugrundeliegenden Außenrechtsfall auf Antrag eines Betroffenen die aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt hat. In der der Vollzugsstornierung vorausgehenden Entscheidung prüft das Bundesverwaltungsgericht die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage. Es ordnet die aufschiebende Wirkung regelmäßig bei offensichtlicher Erfolgsaussicht der Hauptsacheklage an und verwirft den Anordnungsantrag bei deren offensichtlicher Aussichtslosigkeit. 17 In der Zone zwischen beiden Offensichtlichkeitsextrema 15 § 80 VwGO scheidet nicht deswegen aus, weil er im erstinstanzlichen Verfahren vor dem BVerwG nicht gelten würde. Es gelten dort alle Vorschriften, die auch sonst in der ersten verwaltungsgerichtlichen Instanz gelten; vgl. Eyermann / Fröhler, § 50 VwGO, Randnr. 11 und Redeker / v. Oertzen, § 50 VwGO, Randnr. 6. 16 Vgl. z.B. Strauß, Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, S. 595 und Hoch, Der Parlamentarische Rat, Band 3: Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzung, S. 263. Die Entscheidungsmacht von Gerichten wurde in diesem Zusammenhang gerade nicht erörtert. 17 Zu den Beurteilungsmaßstäben vgl. Kopp, VwGO, § 80 Randnr. 81 ff. mit umfassenden Nachweisen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Es spricht viel dafür in den Weisungsfällen § 80 Abs. 4 Satz 3, 1. Alt. entsprechend anzuwenden. Die Anord-
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4. Das subjektive Recht im auftragsrechtlichen Weisungsverhältnis
wägt das Bundesverwaltungsgericht unter Folgenberücksichtigung Aussetzungs- und Vollziehungsinteresse ab. Dabei wird eine Aussetzung bei Bundesweisungen zu irreversiblem Handeln eher in Betracht kommen als bei Weisungen zu reversiblem Handeln.
nung wäre danach dann zu treffen, „wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen". Zu den Entscheidungsmaßstäben im Verfahren nach § 32 BVerfGG vgl. Tschentscher, Inhalt und Schranken des Weisungsrechts des Bundes aus Artikel 85 I I I GG, S. 405 ff.
5. Ergebnis der Untersuchung Die Bundesingerenzen in den Art. 84 und 85 GG, unter ihnen das Weisungsrecht aus Art. 85 Abs. 3 GG, sind andere Regelungen zu Art. 30 GG. Art 83 GG trifft nur eine Präferenzentscheidung zwischen den Verwaltungstypen des Art. 84 und 85 GG. Art. 30 GG gibt den Ländern ein subjektives öffentliches Recht auf Kompetenz. Rechtswidrige Eingriffsakte in ihre Kompetenz, auch rechtswidrige Weisungen, können sie abwehren. Nach Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG unterstehen sie nur rechtmäßigen Weisungen. Weisungsabwehr durch die Länder ist dann im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG vor dem Bundesverfassungsgericht möglich, wenn es um die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der Weisungen geht, dann im Verfahren nach den §§ 40 Abs. 1, 42, 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO vor dem Bundesverwaltungsgericht, wenn die Abwehr von einfachrechtlichen Fragen abhängt. Trotz Anfechtung ist die Weisung gemäß Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG für die Länder zunächst verbindlich, liegen nur die formellen Weisungs Voraussetzungen, also Zuständigkeit gemäß Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG und Bundesauftragsverwaltung im Sinne von Art. 85 Abs. 1 GG vor. Abhilfe gegen die Verbindlichkeit schafft nur die einstweilige Anordnung gemäß § 32 BVerfGG im verfassungsgerichtlichen Verfahren und die Anordnung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Achten die Länder die Weisungs Verbindlichkeit nicht, kann der Bund Bundeszwang gemäß Art. 37 GG einsetzen, aber auch einen Bund/Länder-Streit vor dem Bundesverfassungsgericht mit der Möglichkeit einstweiliger Anordnung eröffnen. Weisungsverbindlichkeit tritt aber nur ein, wenn die formellen Weisungs Voraussetzungen vorliegen und kann folglich in einem Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG zur Abwehr des Bundeszwanges, wieder mit der Möglichkeit einstweiliger Anordnung, als fehlend gerügt werden.
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