Fernsehen und Wohnkultur: Zur Vermöbelung von Fernsehgeräten in der BRD der 1950er- und 1960er-Jahre 9783839442531

TV furniture bridges the gap between technical equipment and the ambience of living. Monique Miggelbrink shows why media

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German Pages 378 Year 2018

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Table of contents :
Danksagung
Inhalt
Einleitung
Teil I. Fernsehmöbel zwischen den Orten
1. Fernsehen und Häuslichkeit
2. Theorieangebote zur Verhäuslichung von Fernsehgeräten als Möbel
Teil II. Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk
1. Fernsehmöbel als gestaltete Artefakte: Eine Design-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln
2. Unsichtbare Mikronetze: Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln
Teil III. Analyse der geschlechts- und schichtspezifischen Gehäuse-/ Interface-Designs und Einrichtungspraktiken
1. Archivmaterial zum Wohnen mit Fernsehmöbeln
2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten in den 1950er-/60er-Jahren
3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel
Fazit und Ausblick
Quellenverzeichnis
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Fernsehen und Wohnkultur: Zur Vermöbelung von Fernsehgeräten in der BRD der 1950er- und 1960er-Jahre
 9783839442531

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Monique Miggelbrink Fernsehen und Wohnkultur

Edition Medienwissenschaft  | Band 51

Monique Miggelbrink (Dr. phil.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medienwissenschaften an der Universität Paderborn. Von 2012 bis 2017 war sie assoziierte Kollegiatin im Graduiertenkolleg »Automatismen« an der Universität Paderborn. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit dem Möbel-Werden von Medien, Kulturtechniken des Wohnens, der Medialität von Gehäusen und den Einrichtungen des Computers.

Monique Miggelbrink

Fernsehen und Wohnkultur Zur Vermöbelung von Fernsehgeräten in der BRD der 1950er- und 1960er-Jahre

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Universität Paderborn. Zugl.: Paderborn, Univ., Diss., 2017.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2018 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Umschlagabbildung: © Silke Pielsticker, Berlin (2018)/silkepielsticker.com Layout & Satz: Silke Pielsticker, Berlin/silkepielsticker.com Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4253-7 PDF-ISBN 978-3-8394-4253-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Danksagung Das vorliegende Buch hätte ich ohne den Einsatz und die Loyalität weiterer Personen nicht schreiben können. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die mich und meine Arbeit unterstützt haben. Mein größter Dank gilt hier Christina Bartz, ohne die es dieses Dissertationsprojekt nicht gegeben hätte. Sie hat das Projekt als Erstgutachterin inhaltlich geprägt wie niemand sonst und mir gezeigt, welche Denkhorizonte medienkulturwissenschaftliches Arbeiten ermöglicht. Eva Warth möchte ich danken für ihr Vertrauen in das Projekt, den guten Zuspruch und die Motivationswünsche zum Endspurt. Neben meinen Gutachterinnen danke ich auch den weiteren Mitgliedern der Promotionskommission, Hartmut Winkler, Ralf Adelmann und Andrea Nolte dafür, dass sie meine Arbeit so kritisch und wach aufgenommen und mir beim Einhalten meiner Fristen in der Endspurt-Phase geholfen haben. Ralf Adelmann gilt zudem besonderer Dank für seine Unterstützung im wissenschaftlichen Austausch. Judith Keilbach danke ich für die Möglichkeit, mein Projekt im Rahmen eines Besuchs am medienwissenschaftlichen Institut an der Universität Utrecht vorstellen zu dürfen; das Feedback hat mir bei der Vorbereitung meiner Disputation sehr geholfen. Zudem danke ich allen Zuhörern, denen ich das Projekt und daran anknüpfende Forschung bereits in der Anfangsphase präsentieren durfte, insbesondere in Frankfurt am Main, Berlin, Lüneburg und Wien. Mareike Donay, Timo Kaerlein, Christian Köhler, Andrea Nolte und Sebastian Ostermann waren als Leser und Berater während der ganzen Dissertationsphase unersetzbar. Insbesondere Timo Kaerlein und Christian Köhler waren im täglichen Austausch vor Ort eine große Inspiration. Elena Fingerhut danke ich für die guten Gespräche. Anna-Lena Berscheid stand mir mit wertvollen Tipps in der Überarbeitungsphase zur Seite. Nicht zuletzt möchte ich allen am Graduiertenkolleg Automatismen Beteiligten danken, die sich immer die Mühe gemacht haben, meine Arbeit voranzubringen und mit ihrem Input inhaltlich zu bereichern. Besonders hervorzuheben ist hier Hartmut Winkler, der die Projekte mit beeindruckendem Einsatz kritisch verfolgt und unterstützt hat. Mirna Zeman hat die Arbeit mit ihrem Einfallsreichtum inhaltlich sehr bereichert. Christoph Neubert war mir in schwierigen Situationen ein kluger Ratgeber. Während der Materialrecherche war Ursula Ries von der Bibliothek des Instituts für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster eine freundliche und kompetente Hilfe.

Meiner Familie und meinen Freunden gebührt besonderer Dank für ihre Liebe und Verlässlichkeit. Meinen Eltern, Jan und Claudia Miggelbrink, danke ich für ihre bedingungslose Unterstützung und das unendliche Vertrauen, das sie in mich setzen. Meine Geschwister Sandra Miggelbrink, Michelle und Meik Halka haben mir den Rücken freigehalten und mit ihrem Humor schwierige Phasen besser gemacht. Alena Kummerow und Miguel Heilker danke ich für die erholsamen Wochenenden in Köln. Mareike Donay und Silke Pielsticker danke ich für ihre Freundschaft seit der siebten Klasse, ihre scharfsinnigen Kommentare in allen Lebenslagen sowie für ihre Kreativität. Silke ist zu verdanken, dass das Buch ein schönes Äußeres erhalten hat. Hasus danke ich dafür, dass er mir ein Haus ist. Paderborn, Juni 2018 Monique Miggelbrink

Inhalt Einleitung | 9

T eil I F ernsehmöbel zwischen den O rten 1. Fernsehen und Häuslichkeit  | 35 1.1 Hybride Orte und Gestaltungen von Fernsehmöbeln | 37 1.2 Fernsehmöbel als Haushaltsgegenstände | 56 2. 2.1 2.2

Theorienangebote zur Verhäuslichung von Fernsehgeräten als Möbel  | 69 Der Domestizierungsansatz: Zur Verhäuslichung von Medien(-technologien) | 70 Grenzen des Domestizierungsansatzes im Hinblick auf Fernsehmöbel | 80

T eil II G ehäuse -/I nterface -D esign und W ohnzimmer -N etzwerk 1. Fernsehmöbel als gestaltete Artefakte: Eine Design- Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln | 95 1.1 Design/Gestaltung/Entwurf und Gebrauch | 98 1.2 Vermittlungen zwischen Design und Gebrauch: Gehäuse/Interface | 102 1.3 Designgeschichte und die Praktiken des Einrichtens | 114 a) Fallstudie I: Allianzen – Couchtisch und Fernsehgerät (Judy Attfield) | 119 b) Fallstudie II: Konkurrenzen – Von der Couchecke zur Fernsehecke (Martin Warnke) | 124 2. Unsichtbare Mikronetze: Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln | 133 2.1 Das Fernsehmöbel als Akteur im Netzwerk Wohnzimmer | 138 2.2 Übersetzung: Operationsketten häuslichen Wandels | 142 2.3 Blackbox(ing)/Störung | 155 2.4 Von der Konnektivität zum Mediengebrauch: ANT und die Dynamisierung von Geschlechterdichotomien | 167



T eil III A nalyse der geschlechts - und schichtspezifischen G ehäuse -/I nterface -D esigns und E inrichtungspraktiken 1. 1.1 1.2 1.3

Archivmaterial zum Wohnen mit Fernsehmöbeln | 175 Diskursive Aushandlungen zu Fernsehmöbeln | 177 Quellentypen | 182 Zum Verhältnis von Dingen, Praktiken und Diskursen | 197

2. 2.1 2.2

Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten in den 1950er-/60er-Jahren | 205 Zum Möbel-Werden von Fernsehgeräten | 209 Erweiterungen und Grenzen der Vermöbelung(sthese) | 248 a) Zum Möbel-Werden des Telefons | 250 b) Mobile Medien als Verkofferung | 259

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel | 267 3.1 Einrichtungspraktiken mit Fernsehmöbeln als Strukturentstehungen jenseits geplanter Prozesse | 271 a) Offenes Wohnen und fließende Grundrisse | 274 b) Horizontale Einrichtungen: Gemütliches Wohnen | 278 3.2 Die Fernsehecke: Häusliche Medien-/Möbelanordnungen und Machtverhältnisse im Wohnraum | 289 a) Konkurrenzen von Fernsehmöbeln: Wohnzimmertisch und Kamin | 290 b) Allianzen von Fernsehmöbeln: Inseln bilden | 297 c) verbinden/trennen: Rollenzuweisungen der Akteure | 318 Fazit und Ausblick | 337 Quellenverzeichnis | 349

Einleitung „Unter den Möbeln eines Wohnraums steht eine Kiste.“ Vilém Flusser1

Zur Aktualität von Fernsehmöbeln Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einem Gegenstand, der intuitiv erst einmal als ein historisches Phänomen anmutet: dem Fernsehmöbel. Gegenwärtige fernsehwissenschaftliche Diskussionen scheinen sich wenig für diese ‚Kiste‘ zu interessieren. Vielversprechender erscheint derzeit die Frage, wie sich das Fernsehen angesichts von Digitalität und Medienkonvergenz verflüchtigt.2 Aus dieser Perspektive, die ein ‚Ende des Fernsehens‘ heraufbeschwört, ist es einigermaßen verblüffend, dass der schwedische Möbelhersteller Ikea im Jahr 2012 das Medienmöbel Uppleva auf den Markt bringt und gerade die materielle Dimension eines vermeintlich verschwindenden Mediums zu seinem Mehrwert erhebt: Das Besondere am Uppleva-System ist laut Herstellerinformation, dass es „Fernsehen, Soundsystem und Möbelstück […] endlich vereint“.3 Interessierte Kunden4 stehen jedoch erst einmal vor der Aufgabe, diese technische Basisausstattung – bestehend aus einem LED-Fernseher sowie einem 1 | Flusser, Vilém: Für eine Phänomenologie des Fernsehens. In: ders.: Lob der Oberflächlichkeit. Für eine Phänomenologie der Medien [1993]. 2., durchges. Auflage. Mannheim: Bollmann 1995, S. 180-200, S. 183. 2 | Beispielhaft hierfür steht der medienwissenschaftliche Diskurs zum Ende des Fernsehens, der vor allem im anglo-amerikanischen Raum geführt wird. Siehe etwa Spigel, Lynn; Olsson, Jan (Hg.): Television after TV. Essays on a Medium in Transition. Durham: Duke UP 2004, sowie – als scheinbare Gegenbewegung – Keilbach, Judith; Stauff, Markus: When Old Media Never Stopped Being New. Television’s History as an Ongoing Experiment. In: de Valck, Marijke; Teurlings, Jan (Hg.): After the Break: Television Theory Today. Amsterdam: Amsterdam UP 2013, S. 79-98. 3 | Ikea Deutschland. Uppleva System. http://www.ikea.com/de/de/catalog/categries/depart ments/living_room/23136/#, abgerufen am 30.11.2016. 4 | Aus Gründen der Lesbarkeit wird im Weiteren die grammatikalisch männliche Form gewählt. Wenn nicht anders gekennzeichnet, sind damit Personen aller Geschlechter gemeint.

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Soundsystem mit integriertem CD-, DVD- und Blu-Ray-Player – mit einem selbstgewählten Gehäuse zu verkleiden. Ohne ein Gehäuse, etwa in Form von BESTÅ-Aufbewahrungsmöbeln oder der HIMNA-TV-Bank, ist der Ikea-Fernseher schlicht nicht vollständig. Erst integriert in einen Wandschrank oder mittels eines TV-Halters auf eine Kommode montiert, die wahlweise auf Füßen steht, ist das Gerät gebrauchsfertig. Je nachdem, für welches Gehäuse man sich entscheidet, kommt der LCD-Bildschirm mit einer Spanplatte in Holzoptik verkleidet oder optional zusätzlich mit einer weißen, schwarzbraunen oder schwarzen Kunststofffolie daher. Gemein ist allen Varianten, dass sie Lautsprecher und den obligatorischen Kabelsalat hinter Holz- und Kunststoffblenden verschwinden lassen und nur die nötigsten technischen Details, wie etwa einige wenige Knöpfe zur Bedienung und Schlitze für den DVD-Player, sichtbar lassen. Das Ikea-Fernsehmöbel kommt mit dem Versprechen ins Haus, dass es sich in jedes Wohnzimmer integrieren lässt. „Fully customizable“5 passt es sich den Wünschen und Bedürfnissen der Konsumenten im Hinblick auf das Wohnen mit Medien an – insbesondere, wenn die Wohnung bereits mit Ikea-Möbeln ausgestattet ist. Der Wohnzimmer-Einrichtung entsprechend, die entweder gemütlich auf Holzmöbel setzt oder sich sachlich kühl einem Apple-Design verschreibt, verspricht die Geräte-Kombination eine reibungslose Einpassung in die heimische Ikea-Wohnwelt. Ikea ist nicht der einzige Hersteller, der solcherlei Möbel zur Einhegung des Technischen anbietet. So führt etwa der ostwestfälische Möbelfabrikant Musterring eine Produktlinie namens Q-Media in seinem Sortiment. Auch hier wird erneut der Kabelsalat, den TV- und Hi-Fi-Geräte mit sich bringen, als das zentrale Problem im Wohnraum benannt, dem die Möbelkombination entgegenzuwirken verspricht. „Schöne Vitrinen, Sideboards und Hängeelemente, je nach Wunsch mit Glaseinlagen und Beleuchtung, geben Ihrem ‚Heimkino‘ eine wohnliche Note“,6 heißt es in der werblichen Beschreibung. Die gemütliche Atmosphäre im Wohnzimmer wird in diesem Szenario nicht länger von technischen Signifikanten bedroht; „verschiebbare Oberböden, TV-Funktionspaneele, Klappfächer mit Gasdruckfeder, unsichtbare Kabeltunnel“7 und ein ästhetisch glattpoliertes Äußeres versprechen uneingeschränkten „Wohngenuss“ dank „unsichtbare[r] Technik“.8 Der Wunsch nach der Unsichtbarmachung der apparativ-technischen Dimension des Fernsehens, den die Industrie in diesen beiden Beispielen meint antizipieren zu können, ist nicht neu. Auch wenn Ikea damit wirbt, endlich eine 5 | Ikea Sverige. Ikea Uppleva. 16.04.2012. http://www.youtube.com/watch?v=0Nm7- EuctOs, abgerufen am 30.11.2016. 6 | Musterring: Wohnen. Q-Media. http://www.musterring.com/de-DE/programme/q-media/, abgerufen am 30.11.2016. 7 | Ebd. 8 | Finke Paderborn: Musterring – Kinospot 2014. 06.05.2014. https://www.youtube.com/wat ch?v=UC_uZQqKels, abgerufen am 30.11.2016.

Einleitung

Lösung für die Integration technischer Unterhaltungsmedien in den Wohnraum gefunden zu haben, kann hier mehr von Kontinuität denn von Innovation die Rede sein.9 Wie noch zu zeigen sein wird, bieten bereits frühe populäre Mediendiskurse Lösungen zur störungsfreien Integration von Fernsehapparaten in die heimische Wohnwelt an, indem sie das Medium als ein Möbel verhandeln. Zwar stellt der Übergang von analogen zu digitalen Geräten einen Wendepunkt in der Design- und Mediengeschichte dar, der nicht nur die erwähnten Diskurse zum Ende des Fernsehens, sondern auch die Gestaltungen von Fernsehapparaten selbst beeinflusst. Aktuelle Formen der Integration von Fernsehapparaten in den Wohnraum weisen jedoch eine zuweilen beharrliche Kontinuität zu früheren Entwürfen des Wohnens mit Medien auf. Auch wenn allerorts das Ende des Fernsehens beschworen wird, sprechen die Standhaftigkeit der Schrankwand und der Couchecke in bundesdeutschen Wohnzimmern10 für einen divergenten Status Quo des Fernsehens. In einer historischen Perspektive wird ersichtlich, dass etwa der Aspekt der Gemütlichkeit, der aktuell relevant ist für das Wohnen mit dem Medium Fernsehen, bereits konstitutiv ist für frühere Aushandlungen zu Fernsehapparaten als Möbel. Dass es sich bei „Gemütlichkeit“ um ein urdeutsches Wort und Einrichtungsphänomen handelt, weist bereits in die Richtung, dass kulturelle Differenzen ein zentraler Aspekt in der Analyse des Gegenstands Fernsehmöbel sind.11 Auffällig ist zudem die Beharrlichkeit von Fernsehmetaphern, die in der Frühphase der Inbetriebnahme von TV-Apparaten in bundesdeutschen Haushalten geprägt werden, wie die Bezeichnung des Fernsehens als „Heimkino“.12 Interessant ist daran nun, warum sich gerade diese Metapher durchsetzen konnte – schließlich bezeichnet Vilém Flusser diese Verwechslung des Fernsehspezifischen 9 | Das Innovationspotential des neuen, beworbenen Mediums (etwa im Verweis auf ältere Medientechnologien) ist ein zentrales Kennzeichen von Werbung für Medien. Vgl. Bartz, Christina; Miggelbrink, Monique: Einleitung in den Schwerpunkt. In: dies. (Hg.): Zeitschrift für Medienwissenschaft (2/2013), H. 9, Themenschwerpunkt „Werbung“, S. 10-19, S. 18. Zum Status von Anzeigenwerbung für die Materialanalyse der vorliegenden Arbeit siehe auch Teil III, Kapitel 1.2. 10 | Vgl. die Meinungsforschungsstudie „Deutschland privat – So wohnen und leben die Deutschen 2012“, durchgeführt von TNS Emnid Medien- und Sozialforschung GmbH im Auftrag des ostwestfälischen Möbelherstellers Interlübke. Siehe Altemeier, Katharina: Wohnstudie 2012. Wie wohnen die Deutschen? Januar 2013. https://www.goethe.de/ins/lt/de/kul/ mag/20378699.html, abgerufen am 30.11.2016. 11 | Zum Begriff der Gemütlichkeit und einer gemütlichen Wohnkultur in den 1950er-/60erJahren siehe Teil III, Kapitel 3.1 der vorliegenden Arbeit. 12 | Vgl. Elsner, Monika; Müller, Thomas; Spangenberg, Peter: Der lange Weg eines schnellen Mediums: Zur Frühgeschichte des deutschen Fernsehens. In: Uricchio, William (Hg.): Die Anfänge des Deutschen Fernsehens. Kritische Annäherung an die Entwicklung bis 1945. Tübingen: Niemeyer 1991, S. 153-207, S. 179f., S. 193.

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Fernsehen und Wohnkultur

mit dem Spezifischen des Kinos als verhängnisvoll.13 Und in der Tat ergeben sich daraus weitere Fragen: Warum hat sich die Metapher des Heimkinos durchgesetzt und nicht etwa die Metapher des Fernsehens als „Fenster zur Welt“, die in der Nachkriegszeit die Verhäuslichung des Fernsehens in der Bundesrepublik prägt? Gerade im Vergleich mit den USA, wo sich zu Beginn der 1950er-Jahre die Metapher des Fernsehens als Heimtheater etabliert,14 erscheint diese Frage ebenso spannend wie klärungsbedürftig. Zudem sind solche Metaphern im Hinblick auf die Rolle von Fernsehgeräten im Wohnraum interessant, weil sie ein bestimmtes Rezeptionssetting, d.h. Stellplätze und Gebrauchsweisen signifizieren, die mitwirken an einer Vermöbelung des Fernsehens.

Was macht Fernsehapparate zu Möbeln? Die vorliegende Arbeit nimmt eine historische Phase in den Blick, in der das Medium Fernsehen noch nicht in den Routinen des Alltags verankert ist. Gegenstand dieser Arbeit sind Fernsehmöbel der 1950er-/60er-Jahre und damit einhergehend die medienwissenschaftliche Frage nach der Gestaltung und dem Gebrauch von Fernsehapparaten als Möbel zu Beginn ihrer Integration in den Wohnraum. Diese Arbeit beschäftigt sich also mit dem Medium Fernsehen als Teil des Möbelensembles der häuslichen Sphäre. Was genau ist nun mit dem Gegenstand der vorliegenden Arbeit, dem Fernsehmöbel, gemeint? Zum einen (1) sind damit Möbel zur Aufbewahrung des technischen Apparats benannt, wie etwa Regale und Schrankwände. Zum anderen (2) bezeichnet der Begriff Fernsehapparate, die – sichtbar beispielsweise durch Füße und schrankmöbelähnliche Verkleidungen aus Holz – selbst die Form eines Möbels annehmen. Darüber hinaus fallen (3) auch solche Möbel darunter, die an die Peripherie des Fernsehers grenzen, wie etwa Fernsehsessel, Couchtisch und Couchecke.15 Zusammenfassend lässt sich als grundlegendes Kennzeichen von Fernsehmöbeln festmachen, dass sie sich in die häusliche Inneneinrichtung einpassen. Die 1950er- und 1960er-Jahre sind im Hinblick auf die Geschichte von Fernsehmöbeln besonders interessant, da in diesem Zeitraum die Funktionslogiken des Mediums Fernsehen institutionell und diskursiv entscheidend geprägt werden. In der Rede des NWDR-Fernsehintendanten Werner Pleister, die er anlässlich der Eröffnung des offiziellen Sendebetriebs am 25.12.1952 hält, wird deutlich, dass 13 | Vgl. Flusser: Für eine Phänomenologie des Fernsehens, S. 189. 14 | Vgl. Spigel, Lynn: Medienhaushalte. Damals und heute. In: Bartz, Christina; Miggelbrink, Monique (Hg.): Zeitschrift für Medienwissenschaft (2/2013), H. 9, Themenschwerpunkt „Werbung“, S. 79-94, S. 79f. Übersetzt von Mareike Donay und Monique Miggelbrink. 15 | Wenn nicht anders markiert, ist mit Fernsehmöbeln im Weiteren insbesondere der zweite Fall angesprochen.

Einleitung

dieses Ereignis die Phase des heimischen Privatempfangs initiiert: „Der NWDR sucht den Fernsehzuschauer in seinem Familienkreise und unter seinen Freunden auf.“16 Als „das neue geheimnisvolle Fenster in Ihrer Wohnung, das Fenster in die Welt“17 stehen Fernsehempfänger nun nicht länger für Kollektivempfang im öffentlichen Raum, etwa in Form von Fernsehstuben, sondern für den privaten Empfang zuhause. Fernsehen meint von nun an Kollektivierung qua live Dabeisein, aber eben von zuhause aus. Die vorliegende Arbeit geht der Fragestellung nach, warum Fernseher während des benannten Zeitraums in erster Linie nicht als technische Geräte erscheinen, sondern als Möbel. Hierzu wird das Möbelgehäuse als Schnittstelle zwischen Nutzer und technischem Artefakt modelliert. Der Fragestellung liegt die Annahme zugrunde, dass eine medienkulturwissenschaftliche bzw. mediengeschichtliche Beschreibung der Verhäuslichung von Fernsehapparaten als Möbel nicht ohne diese Perspektive auf das Gehäuse auskommt. Eine Überführung technischer Medien von der Sphäre der Produktion in den privaten Raum funktioniert nur, wenn sie Schnittstellen zu eben diesem anderen sozialen Zusammenhang aufweisen. Die These ist, dass das Gehäuse des Fernsehapparats eben eine solche Schnittstelle darstellt. In dieser Perspektive sind Gehäuse ein integraler Teil der Verfasstheit von Medien. Erst mit Blick auf das Gehäuse lassen sich Einrichtungspraktiken plausibel machen; eine reine Technikgeschichte würde hier an ihre Grenzen stoßen. Eines der Ziele des Analyseteils ist es zu zeigen, dass sich viele normative Vorgaben seitens der Gerätehersteller auf der Ebene der Praktiken nicht durchsetzen lassen. In diesem Sinne stellt das Gehäuse immer auch eine Reibungsfläche dar, an der zwei unterschiedliche Sphären zusammenprallen. Daran anknüpfend lässt sich schließlich einer differenzierteren Fragestellung nachgehen: Welche Alltagspraktiken bilden sich im Gebrauch von Fernsehapparaten als Möbel heraus? Inwiefern funktionieren diese geschlechtsund schichtspezifisch? Die weiteren Ausführungen folgen der Prämisse, dass die technischen Eigenschaften von Fernsehgeräten nicht vorgeben, in welcher Gestalt sie auftauchen. Ihre Gestaltung ist weitestgehend von technischen Vorgaben entkoppelt. Ausschlaggebend ist vielmehr der Zusammenhang, in dem eine bestimmte Medientechnik auftaucht. Vermittelt über sein Gehäuse fügt sich das technische Medium in die Einrichtung des Hauses ein, was Fernseher als Möbel beobachtbar macht. Durch ihre Möbelhaftigkeit wird die Technik von Fernsehapparaten verdeckt. Die Tragweite dieses Arguments zeigt sich nicht zuletzt an seiner Aktualität: Schließlich müssen heutige Ikea-Kunden in Kauf nehmen, dass Ikea-Fernsehmöbel weniger leistungsstark sind als preislich vergleichbare 16 | Pleister, Werner: Deutschland wird Fernsehland [1953]. In: Grisko, Michael (Hg.): Texte zur Theorie und Geschichte des Fernsehens. Stuttgart: Reclam 2009, S. 87-93, S. 90. 17 | Grisko, Michael: Einleitung: Werner Pleister: Deutschland wird Fernsehland. In: ders. (Hg.): Texte zur Theorie und Geschichte des Fernsehens. Stuttgart: Reclam 2009, S. 85-86, S. 85.

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Fernsehen und Wohnkultur

Geräte auf dem Markt.18 Alleinstellungsmerkmal ist hier weniger die technische Leistung des Fernsehgeräts, sondern vielmehr seine Gehäusegestaltung sowie Inneneinrichtungspraktiken, die es als Möbel kennzeichnen. Im weiteren Verlauf wird es auch darum gehen, die Grenzen der hier aufgestellten Vermöbelungsthese auszuloten. Schließlich lassen sich nicht alle Aspekte von Fernsehapparaten dauerhaft mit einem Möbelgehäuse verkleiden, wie etwa Bildschirme und herauslugende Bedienelemente. In welchem Verhältnis stehen also die Interfaces technischer Medien zu ihren Gehäusen? Der Fokus auf den häuslichen Raum, der sich durch die Betrachtung des Mediums Fernsehen als Möbel ergibt, legt eine Gender-Perspektive nahe. Das Zuhause ist in der feministischen (fernsehwissenschaftlichen) Forschungsliteratur immer wieder als Ort geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung – in Form einer repetitiven Hausarbeit – und Freizeitgestaltung beschrieben worden.19 In diesem Sinne möchte die vorliegende Arbeit Korrelationen zwischen der gut sichtbaren Gestaltung sowie dem Gebrauch von Fernsehapparaten als Möbel und ihren eher unsichtbaren Implikationen für die Konstitution von Geschlechterrollen herausstellen. Wie noch zu zeigen sein wird, sind Gestaltung und Gebrauch von Fernsehgeräten neben der Kategorie Geschlecht auch an Aspekte der sozialen Schicht geknüpft. Mit diesem Unterfangen sind erst einmal Fragen nach dem Apparatedesign und der Möbelanordnung im häuslichen Raum angesprochen. (1) Welche Designs von Fernsehapparaten sind im angegebenen Zeitraum prävalent? (2) Welche Möbel- und Geräteanordnung in der Wohnung ist vor Einzug des Fernsehens gegeben? (3) Wie ändert sich diese räumliche Anordnung im Hinblick auf die Stellplätze, die dem Fernsehgerät zugesprochen werden? Zudem wird (4) danach gefragt, welcher Wandel sich in den Praktiken/Nutzungsmodalitäten vollzieht. (5) In welcher Hinsicht lässt sich von Fernsehmöbeln eingeschriebenen Gender-Codierungen qua Design sprechen und (6) inwiefern bilden sich Geschlechternormen im Mediengebrauch heraus? Diesen Fragen wird anhand der Gestaltung von und Einrichtungspraktiken mit Fernsehmöbeln nachgegangen. Damit sind unweigerlich aktuelle Geschlechterfragen angesprochen: Was heute hinter der glatten Fassade von Ikea- und Musterring-Fernsehmöbeln vermeintlich zurücktritt, sind geschlechtsspezifische Codierungen in der Gestaltung und im Gebrauch des Mediums Fernsehen als Möbel. In den Fernsehwissenschaften gibt es zahlreiche Arbeiten zur Verhäuslichung des Mediums Fernsehen. Wie konstitutiv der Möbel-Aspekt für das Fern18 | Darüber zeigt sich auch das Feuilleton erstaunt. Vgl. Richter, Peter: Du riechst so gut. Liebe auf den ersten Blick, aber dann, aber dann… Das Ikea-Fernsehmöbel ist da. Eine Erstbesteigung. In: Süddeutsche Zeitung (2012), Nr. 154, S. 11. 19 | Siehe etwa Modleski, Tania: Die Rhythmen der Rezeption. Daytime-Fernsehen und Hausarbeit. In: Adelmann, Ralf; Hesse, Jan O.; Keilbach, Judith; Stauff, Markus; Thiele, Matthias (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft. Theorie – Geschichte – Analyse. Konstanz: UVK 2002, S. 376-387. Übersetzt von Eva-Maria Warth und Noll Brinckmann.

Einleitung

sehen ist, zeigt sich darin, dass er in fast allen Arbeiten, die im Folgenden bereits schlaglichtartig genannt und in Teil I dann weiter ausgeführt werden, eine Rolle spielt. Wie eine solche Hinführung verdeutlicht, verfahren diese Studien jedoch viel breiter, als dies in der vorliegenden Arbeit der Fall sein soll; Formen und Funktionen von Fernsehmöbeln werden darin nicht weiter systematisiert und Einrichtungspraktiken nur dann ausgeführt, wenn sie in Bezug auf die Stellplätze von Fernsehapparaten relevant sind. Dies gilt insbesondere für Arbeiten aus dem Umfeld des anglo-amerikanischen Domestizierungsansatzes, auf den auch in der deutschsprachigen medien- und kommunikationswissenschaftlichen Forschung zur methodisch-theoretischen Beschreibung der Verhäuslichung von Medien häufig zurückgegriffen wird.20 Der Ansatz modelliert das Zuhause als den zentralen Kontext der Medienrezeption, d.h. als einschlägigen Ort der Etablierung neuer Medien und deren Aneignung (insbesondere des Mediums Fernsehen).21 Wie eine kritische Auseinandersetzung mit einschlägigen Begriffen und Konzepten des Ansatzes in der vorliegenden Arbeit zeigt, eignet er sich jedoch nur bedingt, um die Möbelhaftigkeit des Mediums Fernsehen zu perspektivieren. Fragen nach dem Gehäuse als Schnittstelle von Gestaltungs- und Einrichtungsaspekten von Medien als Möbel spielen darin keine tragende Rolle. Statt den Auftritt des Mediums Fernsehen im Wohnraum an seinen technischen Eigenschaften festzumachen, wie es im Domestizierungsansatz der Fall ist, verfolgt eine im Weiteren zu entwickelnde Möbel-Perspektive das Ziel, die Verhäuslichung des Fernsehens aus der Logik der Inneneinrichtung neu zu denken. Für das vorliegende Projekt stellen Lynn Spigels Arbeiten einen wesentlichen Referenzpunkt in der Analyse der Verhäuslichung des Fernsehens dar. Schon in den 1990er-Jahren hat Spigel mit Make Room for TV 22 eine einschlägige historische Studie vorgelegt, in der sie die Verhäuslichung des Fernsehens in den USA der Nachkriegsjahre, genauer im Zeitraum 1948-1955, nachzeichnet.23 In diesem 20 | Siehe etwa Röser, Jutta: Der Domestizierungsansatz und seine Potenziale zur Analyse alltäglichen Medienhandelns. In: Röser, Jutta (Hg.): MedienAlltag. Domestizierungsprozesse alter und neuer Medien. Wiesbaden: VS Verlag 2007, S. 15-30, S. 21. 21 | Siehe etwa Silverstone, Roger; Hirsch, Eric; Morley, David: Information and Communication Technologies and the Moral Economy of the Household. In: Silverstone, Roger; Hirsch, Eric (Hg.): Consuming Technologies. Media and Information in Domestic Spaces. London [u.a.]: Routledge 2003, S. 15-31. 22 | Spigel, Lynn: Make Room for TV: Television and the Family Ideal in Postwar America. Chicago [u.a.]: Chicago UP 1992. 23 | Neben Make Room for TV setzt sich Spigel insbesondere in der Studie Welcome to the Dreamhouse mit der Integration des Mediums Fernsehen in den häuslichen Raum auseinander. Spigel, Lynn: Welcome to the Dreamhouse. Popular Media and Postwar Suburbs. Durham [u.a.]: Duke UP 2001. Diese Publikation schließt thematisch an Make Room for TV an und führt die Überlegungen weiter in die Gegenwart und beschreibt das Medium Fernsehen als smart home-Technologie. Darüber hinaus sind zahlreiche Aufsätze zum Thema in deutscher Übersetzung erschienen: Spigel, Lynn: Fernsehen im Kreis der Familie. Der populäre Empfang

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Standardwerk 24 geht Spigel ausführlich auf den Aspekt ein, dass Fernsehapparate als Möbel verhäuslicht werden. Wie weiter unten aufgeführt, schließt die vorliegende Arbeit insbesondere dahingehend an Spigel an, dass sie den Gestaltungen und Gebrauchsweisen von Fernsehmöbeln anhand von populären Mediendiskursen nachgeht und hierzu – ähnlich wie Spigel – auf Artikel aus (Einrichtungs-) Zeitschriften und Werbeanzeigen zurückgreift. Im Unterschied zum vorliegenden Projekt beschränken sich Spigels Ausführungen jedoch auf den US-amerikanischen Raum, wobei sie zuweilen auf Großbritannien als Vergleichsfolie zurückgreift. Zudem geht es in ihrer Arbeit nicht dezidiert um Designaspekte bzw. die Frage nach der Gehäusegestaltung, sondern auch um den Beitrag, den Familienserien an der Verhäuslichung des Fernsehens leisten.25 Einen Grenzbereich zum vorliegenden Untersuchungsgegenstand stellt die Studie Ambient Television: Visual Culture and Public Space von Anna McCarthy dar, in der sie in Bezug auf Spigel Formen des außerhäuslichen Fernsehens untersucht. Gleichzeitig sind McCarthys Ergebnisse an dieser Stelle dahingehend wegweisend, dass sie verdeutlichen, dass Medien immer auch aus ihren Räumen entstehen. „[S]eeing television as a site-specific form“26 bedeute demzufolge, dass es das eine Fernsehen nicht geben kann; dem Medium kommen in den verschiedenen Räumen und Verwendungszusammenhängen, in denen es auftaucht, immer auch unterschiedliche Funktionen zu. Diesen Aspekt verdeutlicht sie gerade daran, dass Fernsehen eben nicht nur ein häusliches Phänomen darstellt, sondern ebenso in öffentlichen Räumen relevant ist. McCarthy widmet sich Fernsehern in nicht-häuslichen Umgebungen, wie Flughäfen, Wartezimmern, Waschsalons, Kaufhäusern und Sportsbars. Solche Räume zeichnen sich dadurch aus, dass sie weder eindeutig öffentlich noch privat sind. Statt der Dichotomie öffentlich/privat als Etikette zur Beschreibung von Fernsehumwelten schlägt sie vor, zwischen heimischen und nicht-heimischen Orten des Ferneines neuen Mediums. In: Adelmann, Ralf; Hesse, Jan O.; Keilbach, Judith; Stauff, Markus; Thiele, Matthias (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft. Theorie – Geschichte – Analyse. Konstanz: UVK 2002, S. 214-252. Übersetzt von Simon Kleinschmidt; dies.: Der suburbane Hausfreund. Fernsehen und das Ideal von Nachbarschaft im Nachkriegsamerika. In: Ortlepp, Anke; Ribbat, Christoph (Hg.): Mit den Dingen leben. Zur Geschichte der Alltagsgegenstände. Stuttgart: Steiner 2010, S. 187-217; dies.: Medienhaushalte; dies.: Tragbares Fernsehen. Studien in häuslicher Raumfahrt [2001]. In: Peters, Kathrin; Seier, Andrea (Hg.): Gender & Medien-Reader. Zürich [u.a.]: Diaphanes 2016, S. 365-384. Übersetzt von Mareike Donay und Monique Miggelbrink. 24 | Cecilia Tichi hat mit Electronic Hearth: Creating an American Television Culture eine ähnliche Studie zur Verhäuslichung des Fernsehens in den USA vorgelegt, die im Analyseteil in einigen Punkten als Ergänzung zu Spigels Ergebnissen herangezogen wird. Siehe Tichi, Cecilia: Electronic Hearth: Creating an American Television Culture. New York: Oxford UP 1991. 25 | Vgl. Spigel: Make Room for TV, S. 136-180. 26 | McCarthy, Anna: Ambient Television: Visual Culture and Public Space. Durham [u.a.]: Duke UP 2001, S. 3.

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sehens zu unterscheiden.27 Zwar vertritt die vorliegende Arbeit die These, dass gerade die Logiken des häuslichen Raums Fernseher zu Möbeln werden lassen. Gleichzeitig wird es aber auch darum gehen, inwiefern das Unheimische kennzeichnend ist für die Vermöbelung des Fernsehens. Wie es sich im Laufe der Arbeit verdeutlicht, stellt das Medium Fernsehen im Hinblick auf den häuslichen Raum ein unheimliches Medium dar, das erst qua entsprechender Gestaltung und Einrichtungspraktiken heimisch wird. Wenn eine Möbelverkleidung die unwohnliche Technik wohnlich macht, so verweist dieser Aspekt auf die Bedeutung der Materialität des Mediums Fernsehen, sobald es im Zuhause auftaucht. David Morley moniert, dass sich die Fernsehwissenschaft mehr auf Inhalte und institutionelle Rahmenbedingungen des Fernsehens denn auf seine Qualität als materielles und gestaltetes Artefakt konzentriere.28 Morley, der im Rahmen der Cultural Studies mit zahlreichen Arbeiten zur Konturierung des Domestizierungsansatzes beigetragen hat, fordert eine programmatische Wende für die Fernsehwissenschaft: „Television may well still be understood as a symbolic and partly (if not mainly – pace McLuhan) visual medium – but it is also with a physical materiality all of its own, and a wide range of material effects in and on its primary physical setting, in the home, all of which, I would suggest, must be given a far more central place in the study of the medium than they have, thus far, been granted.“29

Diesem Desiderat will das Projekt mit der oben skizzierten Fragestellung begegnen. Im Sinne von Morleys Aufruf zu einer tiefergehenden Beschäftigung mit dem Medium Fernsehen als Artefakt im häuslichen Raum30 wendet sich auch die vorliegende Arbeit der materiellen Dimension des Mediums Fernsehen wie auch Formen seines Gebrauchs zu und vernachlässigt dabei die Institutionenperspektive.31 Hierbei wird jedoch ein anderer Weg vorgeschlagen, als Morley ihn stark macht. Programmatisch geht die vorliegende Arbeit davon aus, dass es weiterer Ansätze und Methoden bedarf als derer des Domistizierungsansatzes, 27 | Vgl. ebd., S. 3f. Im englischsprachigen Original unterscheidet McCarthy zwischen domestic und nondomestic. 28 | Vgl. Morley, David: Television. Not So Much a Visual Medium, More a Visible Object. In: Jenks, Chris (Hg.): Visual Culture. Reprint. London [u.a.]: Routledge 2006, S. 170-189, S. 180f. 29 | Ebd. (Hervorh. im Orig.) 30 | Morley selbst hat Ende der 1980er-Jahre eine einschlägige ethnografische Studie zur Verhäuslichung des Fernsehens in Großbritannien vorgelegt, die sich mit der Familieninteraktion im Hinblick auf die Fernsehrezeption beschäftigt. Darin geht es bereits vereinzelt um die materielle Dimension des Mediums, etwa im Hinblick auf die Möblierung des Wohnzimmers. Vgl. Morley, David: Family Television. Cultural Power and Domestic Leisure. London [u.a.]: Routledge 1988. 31 | Zur Genese von Sender- und Programmstrukturen des bundesdeutschen Fernsehens siehe etwa Hickethier, Knut: Geschichte des deutschen Fernsehens. Stuttgart [u.a.]: Metzler 1998.

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um das Medium Fernsehen in seiner Gestaltung und seinem Gebrauch als Möbel in den Blick zu nehmen. Um auf dieses Desiderat zu antworten und die Rolle von Design-Merkmalen von Fernsehmöbeln und Gebrauchsfragen zu systematisieren, rekurriert die vorliegende Arbeit u.a. auf medien- und technikgeschichtliche Vorarbeiten zum Gehäuse/Interface technischer Artefakte, wie sie Andreas Fickers und Heike Weber vorgelegt haben. Während Fickers einen kulturwissenschaftlichen Blick auf Inno­vationsprozesse in der Apparategestaltung des Radios wirft,32 stellt Weber Benutzer­gesten im Hinblick auf Alltagstechnik wie etwa die Waschmaschine heraus.33 Da Fernsehapparate in beiden Aufsätzen nur eine marginale Rolle spielen, werden diese Vorüberlegungen für die skizzierte Forschungsfrage produktiv gemacht und ausgebaut. Ein Ansetzen am Gehäuse des Fernsehgeräts – und damit am Zusammenspiel von Technik, Material und Form – rückt neben der Ästhetik des Apparats selbst seine Nutzungsweisen und potentiale in den Vordergrund. Als Schnittstelle im Mensch-Technik-Verhältnis besteht die Medialität des Gehäuses34 gerade darin, dass es einen gesellschaftlichen Austausch zu Formen des Mediengebrauchs bündelt, etwa wenn Fernseher nicht in erster Linie als technische Objekte, sondern als Möbel in Erscheinung treten. Neben Morleys, McCarthys und Spigels Arbeiten gibt es weitere fernsehwissenschaftliche Ansätze, die sich zur Beschreibung des Forschungsgegenstands Fernsehmöbel über die USA und Großbritannien hinaus heranziehen lassen. Im deutschsprachigen Raum sind hier allem voran die Arbeiten von Knut Hickethier zu nennen, der sich neben den technikgeschichtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen auch intensiv mit der Verhäuslichungsphase des Mediums Fernsehen beschäftigt hat.35 Zwar skizziert Hickethier vor allem in seinem Aufsatz zu einem Dispositiv Fernsehen Mensch-Technik-Verhältnisse im häuslichen Raum und geht dabei insbesondere auf die apparative Anordnung im Wohnraum ein.36 Allerdings ist sein Ansatz breiter angelegt, als dass er damit eine spezifische Möbel-Per­spektive einnehmen könnte. 32 | Fickers, Andreas: Design als ‚mediating interface‘. Zur Zeugen- und Zeichenhaftigkeit des Radioapparats. In: Berichte zur Wissensgeschichte (2007), 30. Jg., H. 3, S. 199-213. 33 | Vgl. Weber, Heike: Stecken, Drehen, Drücken. Interfaces von Alltagstechniken und ihre Bediengesten. In: Technikgeschichte (2009), 76. Jg., H. 3, S. 233-254. 34 | Dieses Verständnis von Gehäusen als Orte der Vermittlung lässt sich thematisch einordnen in den Sammelband Gehäuse: Mediale Einkapselungen, in dem eine medienkulturwissenschaftliche Perspektive auf Gehäuse entwickelt wird. Bartz, Christina; Kaerlein, Timo; Miggelbrink, Monique; Neubert, Christoph: Zur Medialität von Gehäusen. Einleitung. In: dies. (Hg.): Gehäuse: Mediale Einkapselungen. Paderborn: Fink 2017, S. 9-32. 35 | Hickethier hat u.a. an den fünf Bänden zur Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland mitgewirkt. Hickethier, Knut (Hg.): Institution, Technik und Programm. Rahmenaspekte der Programmgeschichte des Fernsehens. München: Fink 1993 (=Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland.; 5 Bde., 1993-1994). 36 | Hickethier, Knut: Dispositiv Fernsehen. Skizze eines Modells. In: montage AV (1995), H. 1, S. 63-84, S. 64ff.

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Aufbauend auf Hickethiers Arbeiten hat es weitere Vorschläge für bzw. Auseinandersetzungen mit einem Dispositiv Fernsehen gegeben. Karl Sierek stellt in seiner Abhandlung zum televisionären Dispositiv die These auf, dass ein solcher Vergleich zwischen dem Kino-Dispositiv und dem Dispositiv Fernsehen nicht so nahe liege, wie es in der fernsehwissenschaftlichen Literatur oft angenommen werde. In seiner Argumentation hebt Sierek explizit auf das Fernsehgerät als Möbel und damit als Teil des häuslichen Ensembles ab,37 widmet aber Formen des Mediengebrauchs des Fernsehers als Möbel und Einrichtungspraktiken wenig Aufmerksamkeit. Auf Hickethier und Sierek Bezug nehmend, schlägt Thomas Steinmaurer in seiner Technik- und Sozialgeschichte des Fernsehempfangs das Modell einer „televisuellen Disposition“ vor.38 Zwar erweitert Steinmaurer Hickethiers Modell wesentlich, er konzentriert sich dabei jedoch mehr auf die Rezeptionssituation, für die die Qualität des Fernsehers als Möbel aus kulturgeschichtlicher Perspektive zwar nebenher mitläuft, aber nicht weiter ausdifferenziert wird. Dieser blinde Fleck im Hinblick auf die Möbel-Frage ist kennzeichnend für die genannten deutschsprachigen Auseinandersetzungen mit einem Dispositiv Fernsehen. Zwar nehmen sie allesamt den Fernsehapparat als Möbel bzw. Teil der häuslichen Inneneinrichtung in den Blick. Gleichzeitig wird diese Feststellung jedoch nicht weiter ausgeführt. In keinem der Texte werden Fernsehapparate systematisch mit der zeitgenössischen Wohnkultur in Beziehung gesetzt. Genau hier setzt die vorliegende Arbeit an, indem sie die Gestaltung von Fernsehgeräten als Möbel aus der Perspektive der Inneneinrichtung nachvollzieht. In Siegfried Zielinskis einschlägiger Publikation Audiovisionen,39 in der er die Geschichte des Bewegtbilds im häuslichen wie im öffentlichen Raum nachzeichnet, findet sich eine Textpassage, die wegweisend ist für dieses Vorhaben. Darin denkt Zielinski den Aufstieg des Televisuellen in der Nachkriegszeit zusammen mit dem Wandel des Wohnens. Die ersten Empfänger, die in der BRD der unmittelbaren Nachkriegsphase angeschafft werden, sind noch als schwere und abschließbare Truhen gestaltet, „liebevoll umstellt von Gummibäumen, leuchtenden venezianischen Gondeln oder der Chiantiflasche mit Tropfkerze aus dem ersten Italienurlaub“ und „geschmückt mit abstrakten Miniskulpturen“.40 Gleichzeitig kündigt sich bereits ein Wandel in der Wohnkultur an: 37 | Vgl. Sierek, Karl: Geschichten am Schirm. Ein nützliches Vademekum aus der Theorie des televisionären Dispositivs. In: Haberl, Georg; Schlemmer, Gottfried (Hg.): Die Magie des Rechtecks. Filmästhetik zwischen Leinwand und Bildschirm. Wien [u.a.]: Europaverlag 1991, S. 59-70, S. 62ff. 38 | Vgl. Steinmaurer, Thomas: Tele-Visionen. Zur Theorie und Geschichte des Fernseh-Empfangs. Innsbruck [u.a.]: Studien-Verlag 1999, S. 15. 39 | Zielinski, Siegfried: Audiovisionen. Kino und Fernsehen als Zwischenspiele in der Geschichte. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1989. 40 | Ebd., S. 204.

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Zwar geht Zielinski an dieser Stelle nicht weiter darauf ein, wie sich dieser Wandel bundesdeutscher Möblierungen zur Gestaltung von und Einrichtung mit Fernsehapparaten verhält. Dennoch legt er an dieser Stelle eine Spur, der die vorliegende Arbeit nachzugehen gedenkt. Eine im Weiteren zu entwickelnde Möbel-Perspektive setzt genau hier an, indem sie die Einrichtungs- und Dekorationsgegenstände des Wohnraums als Referenzpunkt in der Verhäuslichung des Mediums Fernsehen setzt. Über die vorgestellten Arbeiten hinaus gibt es weitere Analysen zur Geschichte der Verhäuslichung des Mediums Fernsehen für den europäischen Raum, an die die vorliegende Arbeit anknüpfen kann. So hat etwa Monika Bernold herausgestellt, dass Fernsehapparate in Österreich als Konsumobjekte mittels eines Versprechens von Sicherheit und gesellschaftlicher Partizipation ihren Platz im häuslichen Raum erringen konnten.42 Bernold geht jedoch mehr dem Beitrag nach, den televisuelle Repräsentationsformen von Familie an der Verhäuslichung des Fernsehens haben, als sie nach der Gestaltung und dem Gebrauch von Fernsehapparaten als Möbel fragt. Die Architekturwissenschaftlerin Els de Vos geht in ihrer Studie zum Wohnen in Flandern in den 1960er- und 1970er-Jahren auch auf die Einführung des Fernsehens in flämische Haushalte ein. Im Rahmen ihrer Diskursanalyse von Zeitschriften soziokultureller Organisationen kann de Vos die weitreichenden Ambivalenzen in Bezug auf das Wohnen mit dem Fernsehgerät herausstellen. Auf der Suche nach einem geeigneten Stellplatz sind sich Architekten unsicher: Handelt es sich um einen Gebrauchsgegenstand oder ein Möbel?43 Zwar stellt de Vos’ Studie mehr eine breit angelegte Kulturgeschichte des Wohnens dar, in der es eben nur am Rande um Fernsehmöbel geht und die Frage nach der Möbelhaftigkeit des technischen Apparats weniger zentral ist. Gleichzeitig sind ihre Beobachtungen sehr aufschlussreich für eine interkulturell vergleichende Möbel-Perspektive auf das Medium Fernsehen. Neben Spigels Ergebnissen, die die maßgebliche Vergleichsfolie darstellen, sind sie ein weiterer Bezugspunkt, um kulturelle Differenzen in der Vermöbelung des Fernsehens herauszustellen. Im weiteren Verlauf konzentriert sich die vorliegende Arbeit bewusst auf die USA als zentrale Vergleichsfolie in der Verhäuslichung des Fernsehens als 41 | Ebd., S. 202. 42 | Vgl. Bernold, Monika: Das Private Sehen. Fernsehfamilie Leitner, mediale Konsumkultur und nationale Identitätskonstruktionen in Österreich nach 1955. Wien [u.a.]: Lit 2007, S. 12. 43 | de Vos, Els: Hoe zouden we graag wonen. Woonvertogen in Vlaanderen in de jaren zestig en zeventig. Leuven: Universitaire Pres Leuven 2012, S. 162. [Übersetzung des Titels: Wie würden wir gerne wohnen. Auseinandersetzungen mit dem Wohnen im Flandern der 1960erund 1970er-Jahre].

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Möbel. Dies liegt vor allem darin begründet, dass sich die BRD in Fragen der Haushaltsausstattung und des Konsums bereits seit dem 19. Jahrhundert an den USA orientiert.44 Im Hinblick auf das Medium Fernsehen ist der Vergleich mit den USA noch offenkundiger. Wie Jens Ruchatz feststellt, wirken sich entsprechende US-amerikanische Diskurse auf eine Fernseh-Kino-Debatte in der BRD aus und haben von Beginn an Teil an der Etablierung des Mediums Fernsehen.45 Die Medienkonkurrenzen des Fernsehens um 1950 betreffen folglich nicht ausschließlich Medien wie Kino und Hörfunk, sondern funktionieren zudem transnational. Nicht zuletzt ist diese Konkurrenzsituation auch in der weiter oben bereits erwähnten Eröffnungsrede des Sendebetriebs des deutschen Nachkriegsfernsehens von Werner Pleister ganz offenkundig, macht er die Dringlichkeit eines baldigen Sendebetriebs doch auch daran fest, „wie rasch sich das Fernsehen andere Kontinente erobert hat“.46 Wie im Analyseteil der Arbeit deutlich wird, ist diese Konkurrenz gekennzeichnet von Widersprüchen. Neben ihrer Vorbildfunktion in der Verhäuslichung des Fernsehens kommt den USA ebenso die Rolle als Abschreckungsbeispiel zu. Ein solch internationaler Vergleich ist insbesondere dann angebracht, wenn es um Einrichtungspraktiken geht. Wie die oben aufgeführten Bezüge auf Forschungsliteratur zur Verhäuslichung des Fernsehens klarmachen, trifft das Medium immer auch auf unterschiedliche Wohnkulturen. Am Forschungsgegenstand Fernsehmöbel kommen kulturelle Differenzen im Hinblick auf Einrichtungsstile und -moden zum Tragen. In diese Richtung weist schon Zielinskis Zitat weiter oben, in dem er auf einen italienischen Dekorationsstil in bundesdeutschen Wohnzimmern eingeht, der in den unmittelbaren Nachkriegsjahren kennzeichnend wird für die Verhäuslichung des Fernsehens. Dieser Spur möchte die vorliegende Arbeit weiter folgen, indem insbesondere im Analyseteil immer wieder auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Integration von Fernsehapparaten in die entsprechende Wohnumwelt zwischen den angesprochenen Kulturkreisen eingegangen wird.

Medien(kultur)wissenschaftliche Perspektiven auf Fernsehmöbel Methodisch-theoretisch schließt die Arbeit an eine medienkulturwissenschaftliche Perspektive an, wie sie vor allem Spigel in ihren Studien verfolgt. Spigels Rekonstruktion der Verhäuslichung des Fernsehens stellt unweigerlich ein me44 | Vgl. Heßler, Martina: „Mrs. Modern Woman“. Zur Sozial- und Kulturgeschichte der Haushaltstechnisierung. Frankfurt a.M. [u.a.]: Campus 2001, S. 102f. 45 | Vgl. Ruchatz, Jens: Konkurrenzen – Vergleiche. Die diskursive Konstruktion des Felds der Medien. In: Schneider, Irmela; Spangenberg, Peter M. (Hg.): Medienkultur der 50er Jahre. Westdeutscher Verlag 2002 (=Diskursgeschichte der Medien nach 1945, Bd. 1), S. 137-153, S. 143ff. 46 | Pleister: Deutschland wird Fernsehland (1953), S. 89.

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dienhistorisches Unterfangen dar. So sind einige ihrer Arbeiten davon gekennzeichnet, dass sie synchrone Schnitte setzt – vor allem die 1950er-/60er-Jahre modelliert sie als Zäsur der Frühphase der Verhäuslichung des Mediums.47 In anderen Publikationen verfährt sie zuweilen diachron, eben wenn sie beispielsweise die Entwicklung von Fernseh-Metaphern in den unterschiedlichen Mediendiskursen zu verschiedenen historischen Epochen herausarbeitet.48 Die weiteren Ausführungen orientieren sich an der synchronen Vorgehensweise, und zwar in einem Vergleich der Verhäuslichung des Fernsehens insbesondere zwischen den USA und der Bundesrepublik unter dem dargelegten Möbel-Aspekt. Gleichzeitig wird es darum gehen, Verschiebungen herauszustellen, die etwa in der jeweils unterschiedlichen Wohnkultur begründet liegen. Ihre „sozialhistorische Fragestellung“49 führt Spiegel über die Analyse korrelierender Mediendiskurse nah an die kulturellen Praktiken im Hinblick auf das Medium Fernsehen. Unter dieser Vorgehensweise „nimmt sie gerade nicht die empirische Kategorie des Zuschauers in den Blick, deren methodische Erfassung bzw. Erfassbarkeit in der Rezeptionstheorie umstritten ist. Vielmehr gilt ihr Interesse den Praktiken der kulturellen Aneignung des Fernsehens. Dabei geht sie von einer Wechselwirkung zwischen Mediendiskursen und Gesellschaft aus, über die ein indirekter Zugang zu den Vorstellungen ‚der Leute‘ möglich ist.“50

Die von ihr analysierten Mediendiskurse funktionieren als Schnittstelle zwischen Technik und Gesellschaft, an der Einschreibungen sichtbar werden. Hierbei geht es Spigel immer auch um die Wünsche und Bedürfnisse, die die Verhäuslichung des Fernsehens antreiben und begleiten.51 Im Anschluss an ein solches Unterfangen scheint für die vorliegende Arbeit eine solche Prägung der Mediendiskursanalyse am besten geeignet, die weniger streng im Anschluss an Michel Foucault Medien als Träger von Diskursen beleuchtet, sondern undogmatischer Medien als Gegenstand von Diskursen untersucht.52 Es geht also darum, diskursive Aushandlungen zum Gegenstand 47 | Siehe besonders Spigel: Make Room for TV. 48 | Neben den Metaphern des Heimtheaters (1950er-Jahre) und des mobilen Zuhauses (späte 1960er-Jahre) beschreibt Spigel die Mediendiskurse der 1990er-Jahre bis in die Gegenwart als geprägt von der Metapher des intelligenten Zuhauses. Vgl. Spigel: Medienhaushalte, S. 79f. 49 | Anonymus: Geschichten des Fernsehens. In: Adelmann, Ralf; Hesse, Jan O.; Keilbach, Judith; Stauff, Markus; Thiele, Matthias (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft. Theorie – Geschichte – Analyse. Konstanz: UVK 2002, S. 208-213, S. 212. 50 | Ebd. 51 | Mit diesem Unterfangen verfährt Spigel nah an einer Fernsehgeschichtsschreibung, wie sie Raymond Williams geprägt hat. Williams, Raymond: Television. Technology and Cultural Form [1974]. New York: Schocken Books 1975. 52 | Markus Stauff beschreibt diese beiden Zugänge als die dominanten Formen diskursanalytischer Mediengeschichtsschreibung. Vgl. Stauff, Markus: Mediengeschichte und Diskurs-

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Fernsehmöbel zu sondieren. Über die Hinwendung zum materiellen Objekt lassen sich immaterielle Diskurse und diskursive Praktiken im foucaultschen Sinne einfangen. Hierbei handelt es sich gewissermaßen um eine Zuspitzung der Forschungsinteressen der Material Culture Studies53 in einer bestimmten (medien-)theoretischen Perspektive, und zwar auf den Fernsehapparat als Teil der Praktiken des Einrichtens. Die Medialität seines Möbel-Gehäuses begründet sich darin, dass es als ein Ort beschrieben werden kann, an dem sich soziokulturelle Konflikte abspielen, und zwar in Form von Aushandlungen, in denen den Nutzern von Fernsehmöbeln bestimmte geschlechts- und schichtspezifische Rollen zugewiesen werden. Im Sinne einer solchen dingbasierten Diskursanalyse werden einerseits wissenschaftliche Forschungsergebnisse und Texte zum Gegenstand – also historische Rezeptionsanalysen und Befunde ethnografischer Medienforschung, wie sie mit den Vorarbeiten bereits kurz genannt wurden – einbezogen. Andererseits wird maßgeblich auf das Wissen in Bildern und Design zurückgegriffen. Das Bildmaterial setzt sich maßgeblich aus Artikeln in (Einrichtungs-)Zeitschriften und Werbeanzeigen aus dem Zeitraum der 1950er-/60er-Jahre zusammen. Ergänzt werden diese Befunde um Ratgeberliteratur aus dieser Zeit und um Studien der empirischen Sozialforschung zum Fernsehgebrauch. Gemeinsam hat dieses Material, dass das Fernsehgerät darin oft als Teil des häuslichen Möbelensembles entworfen wird. Die Illustrationen werfen somit Licht auf Fernsehgeräte als gestaltete sowie gender- und schichtspezifische Objekte.

Methodisch-theoretische Erweiterungen im Blick auf Fernsehmöbel Die folgenden Ausführungen dienen in erster Linie einem kurzen Überblick über die einzelnen Stationen der vorliegenden Arbeit. Gleichzeitig scheint eine methodisch-theoretische Legitimierung nötig zu sein, da die Arbeit interdisziplinäre Referenzen eröffnet, die aus medienwissenschaftlicher Perspektive erst einmal wenig intuitiv erscheinen. Mit ihnen wird das Ziel verfolgt, bestehende Vorarbeiten zum Forschungsgegenstand Fernsehmöbel zu erweitern, indem mit interdisziplinären Theorieangeboten ein neuer Blick darauf geworfen wird. Aus diesem Grund fällt der Überblick an dieser Stelle etwas breiter aus. Die vorliegende Studie stellt eine Materialanalyse zu Fernsehmöbeln dar, die theoretisch gerahmt ist. Die Arbeit gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil wird eine historische Perspektive verfolgt, die vor die 1950er-Jahre zurückgeht zu den analyse. Methodologische Variationen und Konfliktlinien. In: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften (2005), H. 16, S. 126-135, S. 126f. 53 | Tischleder, Bärbel; Ribbat, Christoph: Material Culture Studies. In: Nünning, Ansgar (Hg.), Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. 4. Auflage. Stuttgart [u.a.]: Metzler 2008, S. 464.

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frühen Entwürfen und Apparaturen eines Mediums Fernsehen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Ziel dieser Ausführungen ist es herauszuarbeiten, dass die Vermöbelung des Mediums Fernsehen früher einsetzt, als es die Forschungsliteratur im Hinblick auf die Möbelhaftigkeit des Fernsehens in den Blick nimmt. Der Fernsehapparat wird bereits vor seiner Integration in den Wohnraum zum Möbel und nicht erst mit seiner Ankunft – ein Aspekt, der in der deutschsprachigen und anglo-amerikanischen Forschungsliteratur zur Verhäuslichung des Fernsehens nicht hinreichend beachtet wird. Diese Verkürzung trifft insbesondere auf den Domestizierungsansatz zu, der in den Medien- und Kommunikationswissenschaften häufig in der Beschreibung der Verhäuslichung von Medien, insbesondere des Fernsehens, als methodisch-theoretische Referenz aufgeführt wird. Dort ist das Medium Fernsehen immer schon zuhause und es bleibt weitestgehend unhinterfragt, wie es überhaupt dorthin kommt.54 Im weiteren Verlauf des Kapitels werden zentrale Begriffe und Konzepte des Ansatzes systematisch erarbeitet, wie etwa das der geschlechts- und schichtspezifischen Aneignung von Medien(-technologien) im häuslichen Raum. Anschließend werden dessen Grenzen im Hinblick auf das vorliegende Projekt dargelegt. Die Annahme, die diesem Kapitel zugrunde liegt, ist, dass ein Domestizierungskonzept von technischen Medien nicht ohne die weiter oben beschriebene Perspektive auf das Gehäuse und die Inneneinrichtung auskommt. Im zweiten Teil werden schließlich Theorieangebote herangezogen, die eine Erweiterung der erarbeiteten fernsehwissenschaftlichen Konzepte und Begriffe zur Beschreibung der Verhäuslichung des Mediums Fernsehen darstellen. Damit dient auch der zweite Teil einer methodisch-theoretischen Hinführung, jedoch erfolgt die Suchbewegung nicht in den Fernsehwissenschaften selbst. Stattdessen unternimmt die vorliegende Arbeit zwei Importe aus Nachbardisziplinen. Im ersten Kapitel werden Arbeiten aus dem Umfeld der Designforschung und der Disziplin der Designgeschichte zu Rate gezogen. Eine kurze Herleitung zentraler Begriffe der Theorien des Designs wie „Design/Gestaltung/Entwurf“ und „Gebrauch“ zeigt, dass mit der Industrialisierung die Planung und der Gebrauch gestalteter Artefakte auseinandertreten. Wie das Kapitel argumentiert, lassen sich die Gehäuse und Interfaces technischer Medien als gestaltete Schnittstellen verstehen, die sich nach außen hin den Nutzern öffnen und eben die aus dem Blick geratene Ebene des Gebrauchs wieder einfangen. Fernsehapparate fügen sich über ihre Gehäuse und Interfaces in die Wohnumwelt ein, womit diese den zentralen Schauplatz ihrer Vermöbelung darstellen. Die Kategorie des Gebrauchs ist wegweisend für zwei designgeschichtliche Fallstudien, die im Anschluss an die Herleitung der oben aufgeführten Begriffe produktiv gemacht werden, und zwar von Judy Attfield und Martin Warn54 | Diese Verkürzung trifft auch auf Arbeiten zu, die nicht so sehr dem ethnografischen Erkenntnisinteresse des Domestizierungsansatzes folgen, sondern Diskurse zum Medium Fernsehen analysieren. Siehe insbesondere Spigel: Make Room for TV; Tichi: The Electronic Hearth.

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ke.55 Eine Designforschung in dieser Spielart eignet sich gut für das vorliegende Projekt, weil es ihr neben dem Design (also maßgeblich der Produktion) auch um Material Culture geht (und damit um Gebrauchs- und Nutzungsweisen). Darüber hinaus sind beide Texte für die vorliegende Arbeit wichtig, weil sie häuslichen Wandel aus der Perspektive der Inneneinrichtung denken und in ihren Analysen des Couchtischs und der Couchecke sowie des häuslichen Umfelds eben auch auf den Fernsehapparat stoßen. Eine solche Lesart zeigt, dass Gemütlichkeit und Geselligkeit nicht maßgeblich über den Fernsehapparat ins Haus gebracht werden, sondern bereits vorher über die Möbel Couchtisch und Couchecke. Wie die systematische Herleitung der beiden Fallstudien verdeutlicht, lassen sich mit Attfields und Warnkes Perspektive auf häuslichen Wandel, der von der Inneneinrichtung ausgeht, kulturelle Differenzen in der Verhäuslichung des Fernsehens besonders gut beobachten. Während Attfield mit Blick auf Großbritannien der Nachkriegsjahre eine Form der gastlichen Geselligkeit beschreibt, die sich mit dem Couchtisch nach außen hin öffnet, manifestiere die Couchecke in bundesdeutschen Wohnzimmern laut Warnke eine nach innen gerichtete Form der familiären Geselligkeit. Der Fernsehapparat trifft folglich auf unterschiedliche Geselligkeitsformen zuhause: für Attfield stellt er eher einen häuslichen Verbündeten des Couchtisches dar, während er laut Warnkes Diagnose die geschlossene Couchecke aufsprengt. In der Analyse in Teil III geht es darum, diese Ergebnisse am Archivmaterial zu sondieren. Attfields und Warnkes Studien weisen schon in die Richtung, die das darauffolgende Kapitel einschlägt, nämlich Netzwerke des Mediengebrauchs im häuslichen Raum zu beschreiben. Das zweite Kapitel fragt nach der Anwendbarkeit einiger Begrifflichkeiten aus dem Repertoire der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) für die Analyse von Medien und ihren Gebrauch im häuslichen Raum. Es geht darum, die Verbindungen zwischen Domestizierungsansatz und ANT wieder aufzunehmen, wie sie Roger Silverstone Mitte der 1990er-Jahre hergestellt und vorschnell wieder abgetan hat.56 Es wird dargelegt, dass die ANT in Form einer undogmatischen Bezugnahme das Versprechen mit sich bringt, die Phasen der Vermöbelung in kleinteiligere Schritte zu gliedern und ganz genau hinzuschauen, welche Akteure daran beteiligt sind. So ließe sich der häusliche Raum als Netzwerk beschreiben, dessen Instabilität eine fortlaufende Umverteilung von Handlungsmacht bedingt. Die Begriffe Akteur, Übersetzungs- bzw. Operationsketten, Black Box und Störung, die maßgeblich über die Arbeiten von Bruno Latour, John Law und Michel Callon eingeholt werden, eignen sich besonders gut, um Netzte des 55 | Attfield, Judy: Design as a Practice of Modernity: A Case for the Study of the Coffee Table in the Mid-Century Domestic Interior. In: Journal of Material Culture (1997) 2. Jg., H. 3, S. 267-289; Warnke, Martin: Zur Situation der Couchecke. In: Habermas, Jürgen (Hg.): Stichworte zur ‚Geistigen Situation der Zeit‘. 2. Band: Politik und Kultur. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1979, S. 673-687. 56 | Silverstone, Roger: Television and Everyday Life [1994]. London [u.a.]: Routledge 2007, S. 84f.

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Gebrauchs nachzuzeichnen und Geschlechterdichotomien und -rollen zu dynamisieren. Wie in der Konfrontation des Forschungsgegenstands Fernsehmöbel mit einigen Begriffen aus dem Umfeld der ANT ersichtlich wird, lassen sich mit der ANT einige der von Attfield und Warnke aufgezeigten Komponenten häuslichen Wandels noch besser fassen. Indem man den Akteuren des Wohnraums folgt, gerät in den Blick, welche Verbindungen sich zwischen einzelnen Akteuren ergeben und inwiefern daraus Einteilungen des Wohnraums, etwa in bestimmte Sphären, resultieren. Es lässt sich beobachten, welche Akteure mit der Einrichtungspraxis der Fernsehecke im Wohnraum wichtig werden. In diesem Sinne geht es gerade darum, den Prozess dieser Strukturentstehung zu verfolgen und den temporären Rollenzuweisungen nachzugehen, die damit einhergehen. In diesem Sinne gehen Kapitel 1 und 2 des zweiten Teils insbesondere dahingehend über die Arbeiten aus dem Umfeld des Domestizierungsansatzes hinaus, dass sie die Störung häuslicher Routinen, die sich mit der Integration des Fernsehapparats in den Wohnraum ergibt, stärker fokussieren. Im Design und Gebrauch von Gehäusen und Interfaces kommen wie weiter oben dargelegt konfligierende Interessen zum Ausdruck. In der ANT funktioniert Netzwerkbildung immer nur temporär; gerade neue Akteure – wie ihn etwa das Medium Fernsehen im Hinblick auf den häuslichen Raum in den 1950er-Jahren darstellt – stören die Stabilisierung eines Netzwerks und führen zu neuen Verbindungen der Akteure. Aufbauend auf dieser Annahme entwickelt die vorliegende Arbeit folgende Subthesen zum Mensch-Technik-Verhältnis im Hinblick auf das Medienmöbel Fernsehen. 1) Der Aneignungsbegriff der Cultural Studies, wie er im Domestizierungsansatz gebraucht wird, eignet sich nur bedingt, um die Facetten der Verhäuslichung des Fernsehens als Möbel zu begreifen. Passender erscheint ein zu entwickelndes Konzept von Mediengebrauch,57 das es erlaubt, die Friktionen, die der Aneignung zugrunde liegen, besser zu beschreiben. Mit Mediengebrauch wäre dann der Gebrauch des Fernsehmöbels als Teil der Inneneinrichtung und als Kontakt zum Medium bezeichnet, der auch von Störungen gekennzeichnet sein kann. 2) Bisherige fernsehwissenschaftliche Ansätze sehen gerade die Einführungsphase des Fernsehens in die häusliche Umgebung als gekennzeichnet von 57 | Hiermit ist nicht etwa das Konzept von Mediengebrauch gemeint, wie es im Historischen Wörterbuch des Mediengebrauchs vorgeschlagen wird. In dieser Auffassung von Mediengebrauch werden der technische Apparat sowie Designaspekte weitgehend ausgeblendet, um Gebrauchsfragen vollständig in Verben aufgehen zu lassen und über Etymologien und Anekdoten zu erschließen. Vgl. Christians, Heiko: Begriffsgeschichte als Gebrauchsgeschichte. In: Bickenbach, Matthias; Christians, Heiko; Wegmann, Nikolaus (Hg.): Historisches Wörterbuch des Mediengebrauchs. Wien [u.a.]: Böhlau 2014, S. 11-32.

Einleitung

„Gendering“-Prozessen im Medienhandeln.58 Interessanter als die Frage nach permanenter Zuweisung von Geschlechterdichotomien (die Hausfrau/Mutter vs. der Familienvater/Fachmann/Techniker,…) erweisen sich die heterogenen Geschlechterrollen, die die Akteure unter Umständen auch temporär einnehmen. Die heimische Mediennutzung wird hier in Korrespondenz zur Wohnungseinrichtung als Komponente in der prozesshaften Herausbildung geschlechtsspezifischer Gewohnheiten beschreibbar. Teil I und II der vorliegenden Studie stellen das methodisch-theoretische Gerüst für die spätere Materialanalyse dar, die im dritten Teil erfolgt. Das zu analysierende Material soll dabei nicht ausschließlich entlang der vorher erarbeiteten Theorie geordnet werden. Gleichzeitig wird es auch darum gehen, das Material als Quelle ernst zu nehmen und Fragen nachzugehen, die sich daraus ergeben. Im Sinne einer Mediendiskursanalyse werden einschlägige Artikel und Bildmaterial zum Medium Fernsehen ausgewertet, die in diesem Zeitraum gehäuft erscheinen. Begleitet wird dieses Material von Studien der empirischen Sozialforschung und Literatur der Zeitgeschichte sowie Studien zum Wohnen und zur Inkorporierung des Fernsehens als Möbel in die bundesdeutschen Haushalte in den 1950er-/60er-Jahren, wie sie etwa Alphons Silbermann und Grete Meyer-Ehlers vorgelegt haben.59 Auf Grundlage der methodisch-theoretischen Hinführung in Teil I und II ergeben sich folgende Analysepunkte für Teil III: 1) Analyse des Geräte- und Möbeldesigns 2) Analyse der Stellplätze für Fernsehgeräte bzw. des Wandels der häuslichen Inneneinrichtung 3) geschlechts- und schichtspezifische Rollenzuweisungen im Design von und Einrichtungspraktiken mit Fernsehmöbeln 58 | Gender-Fragen sind im Domestizierungsansatz von großer Relevanz: „These issues concern the highly gendered character of our relations to technology, and in particular […] the way in which technologies can be seen to become gendered in the dynamic processes of production and consumption.“ Silverstone, Roger; Hirsch, Eric: Introduction. In: dies. (Hg.): Consuming Technologies. Media and Information in Domestic Spaces. London [u.a.]: Routledge, S. 1-11, S. 3. Feministische Analysen im Rahmen des Domestizierungsansatzes verfolgen das Argument, dass die Aneignung von Medientechnologien durch stabilisierte männliche Dominanz geprägt sei. Unter dieser These erscheint der geschlechtsspezifische häusliche Mediengebrauch als „a persistent pattern in which men as a sex dominate women as a sex, exploiting and controlling women’s sexuality and reproductive capacities and benefitting from their labour“. Cockburn, Cynthia: The Circuit of Technology. Gender, Identity and Power. In: Silverstone, Roger; Hirsch, Eric (Hg.): Consuming Technologies. Media and Information in Domestic Spaces. London [u.a.]: Routledge 2003, S. 32-47, S. 42. 59 | Silbermann, Alphons: Vom Wohnen der Deutschen. Eine soziologische Studie über das Wohnerlebnis. Köln [u.a.]: Westdeutscher Verlag 1963; Meyer-Ehlers, Grete: Wohnerfahrungen. Ergebnisse einer Wohnungsuntersuchung. Wiesbaden [u.a.]: Bauverlag 1963.

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Ziel der Materialanalyse ist es herauszustellen, dass sich die normativen Vorgaben seitens der Architekten und der Instanzen der Wohnberatung auf der Ebene der Praktiken nicht durchsetzen lassen. Darüber hinaus zeigt gerade ein Blick auf die Einrichtungspraktiken, dass sich die Verhäuslichung des Fernsehens als Möbel für die BRD durchaus anders darstellt, als es etwa Spigel für die USA formuliert hat. Der Analyseteil folgt der Prämisse, dass sich häuslicher Wandel als „Strukturentstehung jenseits geplanter Prozesse“60 vollzieht, wie es kennzeichnend ist für den Begriff der „Automatismen“. Das Konzept der Automatismen ist im Rahmen des gleichnamigen Paderborner Graduiertenkollegs entstanden.61 Die Forschung zu Automatismen fragt danach, wie Strukturen entstehen und wie sie sich stabilisieren. Dabei gibt es keine Instanz, die diesen Prozess top-down steuert. Stattdessen lassen sich Automatismen als bottom up-Praktiken begreifen, die zwischen dem Bewussten und Unbewussten operieren.62 Automatismen scheinen dahingehend ökonomisch zu sein, dass sie als weitestgehend unbewusst ablaufende gesellschaftliche Prozesse Komplexität reduzieren. Unter dieser Perspektive werden etwa Phänomene der Standardisierung, Naturalisierung und Habitualisierung beschrieben.63 Für die vorliegende Arbeit stellt das Konzept der Automatismen weniger einen methodisch-theoretisch herzuleitenden Rahmen dar. Vielmehr gehen von ihm wichtige Impulse aus, die die Perspektive in der Beschreibung von Wohnkultur betreffen. Mit diesem Konzept ist eine ganz bestimmte Fragerichtung für die Materialanalyse angesprochen, und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen wird inspiriert von der Forschung zu Automatismen eben nicht das planende Moment des Einrichtens fokussiert. Stattdessen werden Wohnkulturen beschrieben als emergente Praktiken, die eine Struktur herausbilden. Automatismen im Einrichten zeigen sich etwa darin, dass sich die Bundesbürger in den 1950er/60er-Jahren anders einrichten als von den Instanzen des ‚guten‘ Wohnens geplant. Statt sich den Grundrissen der Architekten im sozialen Wohnungsbau anzupassen, weisen viele Wohnungen eigenwillige Einrichtungen auf, die nicht der Planung entsprechen. Zum anderen lässt sich die ökonomische Seite von Automatismen am Gegenstand der Inneneinrichtungen gut veranschaulichen. Unter dieser Perspektive lässt sich etwa die Fernsehecke als Form von Blackbo60 | Vgl. Bublitz, Hannelore; Marek, Roman; Steinmann, Christina L.; Winkler, Hartmut: Einleitung. In: dies. (Hg.): Automatismen. München [u.a.]: Wilhelm Fink 2010, S. 9-16, S. 9. 61 | In der ersten Phase trägt das Kolleg den Titel „Automatismen. Strukturentstehung jenseits geplanter Prozesse“. In der zweiten Phase wird der Schwerpunkt mit einem neuen Untertitel als „Kulturtechniken zur Reduzierung von Komplexität“ beschrieben. 62 | Vgl. ebd. 63 | Vgl. Bublitz, Hannelore; Marek, Roman; Steinmann, Christina L.; Winkler, Hartmut: (Hg.): Automatismen. München [u.a.]: Wilhelm Fink 2010; Eke, Norbert Otto; Foit, Lioba; Kaerlein, Timo; Künsemöller, Jörn: Logiken strukturbildender Prozesse. Automatismen. Paderborn: Fink 2014.

Einleitung

xing64 beschreiben: In den 1950er-/60er-Jahren etabliert sich die Fernsehecke als funktionierende Einheit im Wohnraum, mit der gleichsam invisibilisiert wird, wie viel Aufwand eigentlich hinter dieser Einrichtungspraxis steht. Unter dieser Prägung leistet das Konzept der Automatismen für die vorliegende Arbeit einen weiteren Beitrag zu einem Perspektivwechsel auf die Verhäuslichung des Mediums Fernsehen als Möbel. Bevor die eigentliche Analyse beginnt, fragt das erste Kapitel des dritten Teils nach dem Status der zu analysierenden Quellen. Letztere werden im Anschluss an Spigel als Mediendiskurse gefasst. Jedoch geht das Kapitel dahingehend über Spigel hinaus, dass es die unterschiedlichen Quellentypen, die hinter den diskursiven Aushandlungen zum Wohnen mit Fernsehmöbeln stehen, genauer untersucht. Es wird gezeigt, dass den verschiedenen untersuchten Quellentypen, nämlich (Einrichtungs-)Zeitschriften,65 Werbung und Fernsehfibeln unterschiedliche Referenzebenen im Hinblick auf das Wohnen mit dem Medium Fernsehen zukommen. Gleichzeitig treffen sich die Quellen dahingehend, dass sie ein kulturelles Imaginäres von Dingen und Praktiken dokumentieren. Der Status des Archivmaterials leitet über zu der Frage, inwiefern es einen Einblick gewährt in vergangene Gestaltungen von und Einrichtungen mit Fernsehmöbeln. Das Kapitel schließt mit einer praxelogischen Perspektive auf die Verwobenheit von Dingen, Zeichen und Praktiken. Das zweite Kapitel verfolgt die These eines „Möbel-Werdens“66 des Mediums Fernsehen in den 1950er-/60er-Jahren. Auch wenn Möbel-Aspekte wie in Teil I dargelegt schon vor der tatsächlichen Integration von Fernsehapparaten in die Haushalte eine Rolle spielen, zeigt sich am Archivmaterial, dass die Möbelhaftigkeit des technischen Apparats zu dieser Zeit besonders stark verhandelt wird. 64 | „Blackboxing“ war ein Semesterschwerpunkt des Graduiertenkollegs Automatismen. Eben dieser Schwerpunkt hat zur Wahl der ANT (siehe Teil II, Kapitel 2) als methodisch-theoretischen Zugang zu Einrichtungspraktiken in der vorliegenden Arbeit beigetragen. 65 | Die Materialanalyse beruft sich auf folgende Zeitschriften: Die Innenarchitektur. Zeitschrift für Ausbau, Einrichtung, Form und Farbe. Essen: Heyer 1953-1960; Die Kunst und das schöne Heim. Monatsschrift für Malerei, Plastik, Graphik, Architektur und Wohnkultur. München: Thiemig 1949-1984; Form: Design Magazine. Frankfurt a.M.: Verlag Form 1957-heute; Haus und Heim. Monatsschrift für moderne Hauswirtschaft und neuzeitliche Wohngestaltung. Hamburg: Schultheis 1951-1983; HörZu! Deutschlands größte Funk- u. Fernsehzeitschrift. Hamburg: Springer 1946-heute; Schöner Wohnen. Europas größtes Wohnmagazin. Hamburg: Gruner & Jahr 1960-heute. Da mit dem Forschungsgegenstand Fernsehmöbel nicht nur textliche Verweise, sondern insbesondere Abbildungen von Interesse sind, wurde die Recherche nicht am Index der Zeitschriften (sofern überhaupt einer vorhanden war) orientiert, sondern weitestgehend alle erschienenen Ausgaben der genannten Zeitschriften in diesem Zeitraum durchgesehen. 66 | Unter Bezugnahme auf den von Joseph Vogl geprägten Begriff des „Medien-Werdens“. Vgl. Vogl, Joseph: Medien-Werden: Galileos Fernrohr. In: Engell, Lorenz; Vogl, Joseph (Hg.): Archiv für Mediengeschichte. Bd. 1: Mediale Historiographien. Weimar: Universitätsverlag Weimar 2001, S. 115-123.

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Wie noch zu zeigen ist, stellen die Gehäuse von Fernsehgeräten den zentralen Schauplatz ihrer Vermöbelung dar. Das Kapitel schließt damit an den methodisch-theoretischen Input zu Designfragen aus dem zweiten Teil an. Anhand des Archivmaterials werden die sich wandelnden Gehäuse- und Interface-Designs von Fernsehapparaten systematisiert und in Beziehung zu Möbel- und Einrichtungsstilen gesetzt, die zu dieser Zeit prävalent sind. Anschließend geht es darum, die These vom Möbel-Werden technischer Medien zu irritieren und ihre Grenzen aufzuzeigen. Um darzulegen, dass nicht alle Medien gleich vermöbelt werden, sobald sie auf den häuslichen Raum treffen, schließt das Kapitel mit einem Blick auf die Verhäuslichung des Mediums Telefon und von mobilen Medien. Das letzte Analysekapitel macht den methodisch-theoretischen Rahmen zu Begriffen und Konzepten der ANT aus Teil II am Quellenmaterial produktiv. Damit entfernt es sich von den Möbelgestaltungen des technischen Mediums und fragt nach den Einrichtungspraktiken, die Fernseher als Möbel im Wohnraum verorten. In diesem Sinne zeigt das Kapitel, dass sich das Möbel-Werden des Fernsehens nicht im Gehäuse erschöpft. Wenn sich Fernseher qua eines Möbel-Gehäuses gut in die Einrichtung einfügen lassen, schließt daran die Möglichkeit verschiedener Einrichtungspraktiken mit dem Medium an. Unter dieser Perspektive wird die Verbindung des Fernsehens zu den weiteren Akteuren im Wohnraum zum entscheidenden Faktor seiner Integration in eben diesen. Gerade weil der Fernseher als neuer Akteur erst einmal eine Störung häuslicher Einrichtungen und Abläufe darstellt, muss er es schaffen, bereits etablierte Akteure im Wohnraum zu mobilisieren. Daraus ergeben sich neue Allianzen im Wohnraum, wie anhand der Verbindungen des Fernsehapparats mit dem Bücherregal, der Hausbar, dem Teppich, der Gardine und dem Servierwagen dargelegt wird. Die Fernsehecke, die sich in im Laufe der 1950er-/60er-Jahre als Einrichtungspraxis etabliert, wird im Laufe dieser Zeit immer mehr zur Black Box. Mit einer ANT-Perspektive auf das Archivmaterial zeigt sich, wie viel Aufwand hinter diesem vermeintlichen ‚Normalzustand‘ im Wohnraum steht. Anschließend an eine praxeologische Perspektive auf häuslichen Wandel werden die Operationsketten beschrieben, die der Netzwerkbildung zugrunde liegen. Hier zeigt sich, in welche Rollenzuweisungen bestimmte Akteure in Verbindung mit weiteren Akteuren des Wohnraums übersetzt werden. In einem Abriss über Ziele und Ergebnisse des vorliegenden Studie darf eine kurze Auskunft über das, was die Arbeit nicht leisten kann, nicht fehlen. Eine umfassende Kulturgeschichte des Wohnens in der BRD der 1950er- und 1960er-Jahre haben bereits andere vorgelegt;67 gleiches gilt für eine Geschichte der Anfänge des Fernsehens.68 Die Gestaltungen von und Einrichtungspraktiken mit Fernsehmöbeln in der DDR werden außen vorgelassen. Diese Entscheidung 67 | Siehe etwa Hafner, Thomas; Reulecke, Jürgen; Ault, Bradley A.; Hoepfner, Wolfram (Hg.): Geschichte des Wohnens. 1945 bis heute. Aufbau, Neubau, Umbau. Stuttgart: DVA 1999. 68 | Siehe etwa Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens.

Einleitung

ist nicht nur textökonomisch, sondern auch inhaltlich begründet. Während in der DDR 1960 erst 800.000 Empfangsgeräte in Betrieb waren, sind in der BRD hingegen bereits knapp 5 Millionen Haushalte mit einem eigenen Fernsehgerät ausgestattet.69 Darüber hinaus erscheint die BRD dahingehend geeigneter für einen Analyse, weil sich hier schon früh eine Diversifizierung im Geräte-Design verzeichnen lässt, wohingegen das Design in der DDR aufgrund staatlicher Vorgaben stärker standardisiert ist.70 Insgesamt geht die Arbeit kleinschrittiger vor und beleuchtet die Wohnkulturen, die kennzeichnend sind für die frühe Phase der Verhäuslichung des Fernsehapparats als Möbel in der Bundesrepublik in den 1950er- und 1960er-Jahren und zeigt auf, wie stark diese miteinander in Beziehung stehen.

69 | Vgl. Abramson, Albert: Die Geschichte des Fernsehens. München: Fink 2002, S. 321. 70 | Vgl. Selle, Gerd: Geschichte des Design in Deutschland. Aktualisierte und erweitere Neuausgabe. Frankfurt [u.a.]: Campus 2007, S. 222.

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Teil I Fernsehmöbel zwischen den O rten

1. Fernsehen und Häuslichkeit „Fernsehen ist ein zutiefst häusliches Phänomen“1 schreibt John Ellis in seiner Abhandlung zur kulturellen Form des Fernsehens. Eben dieser Fokus auf die häusliche Rezeptionssituation wird laut Morley in der fernsehwissenschaftlichen Forschung nicht hinreichend systematisiert im Hinblick auf den Fernsehapparat als gestaltetes Artefakt: „I want to suggest, that we need to rethink our perspective on television, by thinking of it not only as a distribution system for the words and images that pass through it, but also by acknowledging its physical presence, as a pervasive (and, I would suggest, totemic) item of furniture, which is central to our contemporary concept of the home.“2

Genau hier setzt die vorliegende Arbeit an: Es wird darum gehen, die Wechselbeziehung zwischen Fernsehmöbeln und ihrem häuslichen Umfeld zu konturieren und das Medium Fernsehen als Möbel zu konzeptualisieren. Dabei fragt der vorliegende Teil I danach, welche Theorienagebote es gibt, um Morleys vorgeschlagenen Perspektivwechsel einzulösen. Der Domestizierungsansatz3 stellt in diesem Unterfangen ein zentrales Theorieangebot dar, schließlich modelliert er die häusliche Sphäre als wesentlichen Ort der Medienaneignung. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit stellt er zwar einen wichtigen Referenzpunkt dar und einschlägige Begrifflichkeiten werden dementsprechend mitverhandelt. Zunächst muss jedoch danach gefragt werden, ob das Konzept, das aus einer USA-/GB-Perspektive heraus geschrieben ist, auch für die BRD funktioniert (siehe Teil I, Kapitel 2). Wie im Weiteren noch ausgeführt wird, geht der Ansatz in seiner theoretischen Konzeption nicht aus1 | Ellis, John: Fernsehen als kulturelle Form. In: Adelmann, Ralf; Hesse, Jan O.; Keilbach, Judith; Stauff, Markus; Thiele, Matthias (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft. Theorie – Geschichte – Analyse. Konstanz: UVK 2002, S. 44-73, S. 46. 2 | Morley, David: Television. Not So Much a Visual Medium, More a Visible Object. In: Jenks, Chris (Hg.): Visual Culture. Reprint. London [u.a.]: Routledge 2006, S. 170-189, S. 181. 3 | Anstatt den Begriff „Domestizierung“ zu verwenden, wird im Weiteren von „Verhäuslichung“ gesprochen, um die Inkorporation von Medien in den häuslichen Raum zu benennen. Zur weiteren Kritik am Begriff der Domestizierung siehe Kapitel 2.2 des vorliegenden Teils der Arbeit.

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Teil I: Fernsehmöbel zwischen den Orten

reichend auf die Inneneinrichtungen ein, was wiederum ein Grund dafür sein könnte, dass kulturelle Differenzen in der Verhäuslichung von Medien im Domestizierungsansatz nur eine geringe Rolle spielen. Es wird in diesem Teil also auch darum gehen zu zeigen, dass es sich lohnt, diesen Ansatz für die Zwecke der vorliegenden Arbeit zu hinterfragen und auszubauen.4 Bevor in Teil II der vorliegenden Arbeit jedoch eine eigene Perspektive auf die Verhäuslichung des Mediums Fernsehen bzw. von Fernsehmöbeln entwickelt werden kann, wird im nun folgenden Teil I der Forschungsstand, der für die Konzeptualisierung des Fernsehmöbels relevant ist, zusammengetragen. Im ersten Kapitel geht es um die Orte des Mediums Fernsehen. In einer historischen Perspektive wird seine Vorgeschichte beleuchtet, d.h. die Geschichte bevor das Fernsehen zum Bestandteil des Hauses wird (siehe Teil I Kapitel 1.1).5 Seit wann spielen Möbel-Aspekte in der Gestaltung von und Einrichtung mit Fernsehapparaten überhaupt eine Rolle? Wie kommt es dazu, dass das Fernsehen seinen Ort im Haus findet? In den frühen medienkulturellen Imaginationen vom Fernsehen Ende des 19. Jahrhunderts kann von einem Fernsehmöbel noch nicht die Rede sein. Um ein Möbel zu werden, muss es überhaupt erst mal eine apparative Form annehmen. Das Medium Fernsehen ist bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein gekennzeichnet von einer Hybridität sowohl in der technisch-apparativen Gestaltung (etwa zwischen Radio und Kino) als auch im Hinblick auf seine Rezeptionsorte (zwischen öffentlichem und privatem Raum). Wie noch zu zeigen ist, wird die Möbel-Frage in den 1950er-Jahren besonders relevant, da der häusliche Raum zum entscheidenden Empfangs- und Gebrauchsort des Fernsehmöbels wird. Im Weiteren soll es also nicht darum gehen, alle medien- und technikgeschichtlichen Entwicklungsetappen des Fernsehens herauszustellen. Vielmehr wird untersucht, inwiefern die Möbelhaftigkeit in den frühen Aushandlungen zum Medium eine Rolle spielt. Im nun folgenden Unterkapitel geht es um die Orte des Fernsehens und wie mit den Ortsfindungen und -wechseln eine zunehmende Vermöbelung einhergeht, die kennzeichnend für seinen Weg ins Haus ist. Ist das Fernsehen erst nur als Imagination und später auch als technische 4 | In Teil II werden Begriffe der Designforschung und der Akteur-Netzwerk-Theorie produktiv gemacht, um den Ansatz in die Richtung einer hier zu verfolgenden Vermöbelungsthese auszubauen. 5 | Unter der Perspektive einer „social history of television as technology“ zeichnet Raymond Williams die Entwicklung des Fernsehens Ende des 19. Jahrhunderts bis in das frühe 20. Jahrhundert nach. Dabei fragt er in einem breit angelegten theoretischen Modell der Entwicklung des Rundfunks insbesondere nach den gesellschaftlichen Bedürfnissen und sozioökonomischen Aspekten, die der Entstehung des Rundfunks vorausgehen. Vgl. Williams, Raymond: Television. Technology and Cultural Form [1974]. New York: Schocken Books 1975, S. 19-31. Das folgende Unterkapitel 1.1 unternimmt gegenüber Williams’ Vorgehensweise feinere Nuancierungen und untersucht Mediendiskurse, die sich in diesem Prozess - und die Entwicklung der Imagination vom Fernsehen über den Apparat bis hin zum Möbel begleiten.

1. Fernsehen und Häuslichkeit

Apparatur existent, tritt auch diese im Laufe der Zeit immer weiter zurück und der Fernsehapparat immer mehr als Möbel in Erscheinung.

1.1 Hybride Orte und Gestaltungen von Fernsehmöbeln Monika Elsner, Thomas Müller und Peter Spangenberg beschreiben die Geschichte des Fernsehens als „lange[n] Weg eines schnellen Mediums“:6 Bis das Medium Fernsehen im häuslichen Raum einen Ort zugesprochen bekommt, sollte es über hundert Jahre dauern. In der frühen Phase der Geschichte des Fernsehens vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1920er-Jahre hinein sind die Mediendiskurse7 zum Fernsehen, die – und das ist wichtig – der apparativen Gestalt des Mediums vorausgehen, geprägt von einer Frage: Wie ordnet sich das neue Medium in den wenn auch erst seit Kurzem bestehenden Medienverbund von Telegrafie, Grammophon, Telefon, Kino und später dem Hörfunk ein? Sowohl in der populären Erwartungshaltung, den Visionen und ersten Entwürfen zu Technik und Apparate-Design kommt dieser Aspekt von Medienkonkurrenz seit jeher zum Tragen: „[B]ereits in den frühen technischen Utopien Ende des 19. Jahrhunderts wird ‚Fern-Sehen‘ imaginiert in Verbindung mit schon bekannten technischen Erfindungen wie z.B. dem Telefon oder dem Grammophon.“8

Auch die Visionen zum Fern-Sehen9 sind zu dieser Zeit noch losgelöst von Dispositivspezifika10. Wie die weiteren Ausführungen darlegen sollen, erweist sich die Konkurrenz zu anderen Medien als wesentlicher Aspekt für den Weg des Fernsehens von der bloßen Vision zum Apparat im Zuhause. 6 | Elsner, Monika; Müller, Thomas; Spangenberg, Peter: Der lange Weg eines schnellen Mediums: Zur Frühgeschichte des deutschen Fernsehens. In: Uricchio, William (Hg.): Die Anfänge des deutschen Fernsehens. Kritische Annäherungen an die Entwicklung bis 1945. Tübingen: Niemeyer 1991, S. 153-207. 7 | Elsner, Müller und Spangenberg untersuchen maßgeblich populäres diskursives Material und Stimmen von Technikern/Experten zur Frühgeschichte des Fernsehens, um zu zeigen, dass der tatsächliche Erfolg des Fernsehens zu dieser Zeit nicht garantiert ist, sondern erst diskursiv ausgehandelt wird. Diese Vorgehensweise wird auch im hier vorliegenden Kapitel 1.1 weiter verfolgt, was ihre Ausführungen zu einem zentralen Referenztext macht. 8 | Ebd., S. 161. 9 | Die Vorgeschichte des Fern-Sehens ließe sich sicherlich noch weiter zurückführen. Antike und neuzeitliche audio-visuelle Vorläufermedien und Diskurse müssen an dieser Stelle ausgespart werden. Sie finden sich in umfangreicher Darstellung in: Kittler, Friedrich: Optische Medien. Berliner Vorlesung 1999. Berlin: Merve 2002. 10 | Zum Dispositiv-Begriff im Hinblick auf das Medium Fernsehen siehe die Einleitung in die vorliegende Arbeit.

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Teil I: Fernsehmöbel zwischen den Orten

Televisuelle Träume: Medienkulturelle Imaginationen vom Fernsehen Die Visionen und Experimente, die laut Hickethiers Einteilung einer Geschichte des Fernsehens für diese Etappe Ende des 19. Jahrhunderts kennzeichnend sind, zeigen, dass es sich hierbei kaum um eine Erfolgsgeschichte handelt, bei der von vornherein gesetzt wäre, wie diese Form der Wahrnehmungserweiterung konkret funktionierten könnte.11 Hartmut Winkler rekonstruiert Wunschkonstellationen im Hinblick auf Medien, die diese zu einer bestimmten Zeit kennzeichnen.12 Ausgehend von dieser Annahme geht dem Medium Fernsehen vor seiner Materialisierung erst einmal der Wunsch bzw. das Bedürfnis voraus, in die Ferne sehen zu können. Unter dieser Perspektive erscheinen auch die Anfänge des Fernsehens weniger als zielgeleitete Erfindergeschichte, sondern – im Sinne der utopischen Dimension von Wünschen13 – als geprägt von Zufällen und Umwegen. Ende des 19. Jahrhunderts ermöglicht die Elektrifizierung eine neue Verschaltung verschiedener Orte. Elektrische Medien beschleunigen die Überwindung von Raum und Zeit.14 Telegrafie und Telefonie bringen das Versprechen schneller Distanzüberbrückung mit sich. Die ersten Versuche einer Verwirklichung der Visionen zum Fern-Sehen entstehen im Kontext unzähliger „Entwürfe für ein neues Hören und Sehen“.15 Diesen Anfängen des Fernsehens liegt weniger ein spezifischer Ort zugrunde, sondern mehr eine Vision der Übertragung, die zwei abstraktere Orte miteinander verbindet. In diesem Sinne geht es darum, einen Ort A an einem andern Ort B sichtbar zu machen. Diese Aspekte der Übertragung und Sichtbarmachung sind kennzeichnend für die frühen Visionen und Experimente zum Fernsehen. So steht in Paul Nipkows Patentschrift von 1884 zum elektromechanischen Fernsehen, das er als elektrisches Teleskop bezeichnet: „Der hier zu beschreibende Apparat hat den Zweck, ein am Orte A befindliches Objekt an einem beliebigen anderen Orte B sichtbar zu machen“.16 11 | Vgl. Hickethier, Knut: Geschichte des deutschen Fernsehens. Stuttgart [u.a.]: Metzler 1998, S. 8-32. 12 | So etwa in Winkler, Hartmut: Docuverse. Zur Medientheorie der Computer. München: Boer 1997, S. 16f. 13 | Vgl. ebd., S. 17. 14 | Bei diesem Spezifikum von Medien der Kommunikation bezieht sich Hartmut Winkler auf Harold Innis. Vgl. Winkler, Hartmut: Basiswissen Medien. Frankfurt a.M.: Fischer 2008, S. 163. Sowie Innis, Harold: Tendenzen der Kommunikaion. [1949] In: Barck, Karlheinz (Hg.): Harold A. Innis – Kreuzwege der Kommunikation. Ausgewählte Texte. Wien [u.a.]: Springer 1997, S. 95. 15 | Zielinski, Siegfried: Audiovisionen. Kino und Fernsehen als Zwischenspiele in der Geschichte. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1989, S. 124. 16 | Zitiert nach Riedel, Heide: Fernsehen – Von der Vision zum Programm: 50 Jahre Programmdienst in Deutschland. Berlin: Dt. Rundfunkmuseum 1985, S. 20. Dieses technische Verfahren beruht auf einer Lochscheibe, mit der ein Bild abgetastet und in einzelne Linien zerlegt wird. So wird Licht in elektrische Signale transformiert und per Kabel oder kabellos übertragen. Weitere Ausführungen siehe Hoppe, Joseph: Wie das Fernsehen in die Apparate kam.

1. Fernsehen und Häuslichkeit

Bald folgen weitere Versuche der Bildübertragung, die allesamt an das Bedürfnis gekoppelt sind, in die Ferne sehen zu können. Bezeichnend für diese Entwürfe ist, dass sie weniger in Form eines tatsächlichen Apparats materialisiert werden und vorläufig rein deskriptiv bleiben. Diese Visionen haben noch wenig gemeinsam mit einem Dispositiv Fernsehen, wie es in den 1950er-Jahren eine konkrete Struktur annehmen sollte. Auf die Gestaltung der apparativ-technischen Dimension wird in der Regel genauso wenig eingegangen wie auf den konkreten Ort der Rezeption. Die Rolle von Techniken der Bildaufnahme/-wiedergabe in einem spezifischen Privatraum wird darin weitestgehend außen vor gelassen.17 Meist handelt es sich bei diesen Entwürfen um „phantastische Schilderungen fernsehähnlicher Vorrichtungen; besonders elaboriert etwa das téléphonoscope in Albert Robidas frühem Science-Fiction Le vingtième siècle (1893), das medial zwischen Bildtelefon, Überwachungsanlage und Programmmedium changiert.“18

Die Visionen und Ideen eines Bildtelegraphen, wie sie hier beispielsweise als Utopien in der Science Fiction verhandelt werden, sind zurückzuführen auf eine gesellschaftliche Grundstimmung: Die Elektrifizierung lässt den urbanen, öffentlichen Raum mittels Neon, der „Technologie der Moderne“,19 erleuchten. Jahrmarkt, Varieté, Theater und das Kino sind Orte, an denen visuelle Exzesse stattfinden. Als Medium der Bildübertragung fügt sich das Fernsehen ein in einen Die Anfänge von Technik und Programm der Television. In: Herzogenrath, Wulf et al. (Hg.): TV-Kultur: Das Fernsehen in der Kunst seit 1879. Dresden: Verlag der Kunst 1997, S. 24-47, S. 28. 17 | Um einen Eindruck von der Vielgestaltigkeit der Entwürfe zu geben, sei an dieser Stelle kurz auf Carl du Prels, Robert Pohls und Raphael Eduard Liesegangs Visionen zum Fernsehen verwiesen. In seinem 1892 erschienenen Text „Theorie des Fernsehens“ versteht Carl du Prel unter „Fernsehen“ eine Art okkultes Fernsehen, nämlich die Kunst des Vorhersagens der Zukunft. Vgl. du Prel, Carl: Theorie des Fernsehens. In: Kümmel, Albert; Löffler, Petra (Hg.): Medientheorie 1888-1933. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2002, S. 38-56. [Orig.: In: Sphinx 14 (1892), S. 321-335.] Inspiriert durch die Technik der Telegrafie macht Robert Pohl 1910 in seiner Monografie Die elektrische Fernübertragung von Bildern einen Aufschlag zu Überlegungen zu Apparaten für Fernphotographie und zum Kopiertelegrafen. Damit sollen nicht länger nur Zeichen gesendet werden können, sondern Handschriften als eine Art elektrischer Brief, d.h. letztendlich ein Bild-Telegramm. Vgl. Pohl, Robert: Die elektrische Fernübertragung von Bildern. In: Kümmel, Albert; Löffler, Petra (Hg.): Medientheorie 1888-1933. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2002, S. 433-437. [Orig.: Die elektrische Fernübertragung von Bildern. Braunschweig: Vieweg 1910, S. 1-2.] Raphael Eduard Liesegangs Artefakt namens Phototel stellt eine Art Bildtelefon bzw. Telephotograf dar. Mit diesem „Pionierwerk über das Fernsehen“ taucht der Begriff „Fernsehen“ das erste Mal im deutschsprachigen Raum auf. Vgl. Zielinski: Audiovisionen, S. 26. [Liesegang, Raphael Eduard: Das Phototel: Beiträge zum Problem des electrischen Fernsehens, Düsseldorf 1891.] 18 | Stauff, Markus: Fernsehen/Video/DVD. In: Schröter, Jens (Hg.): Handbuch Medienwissenschaft. Stuttgart [u.a.]: Metzler 2014, S. 307-315, S. 308. (Hervorh. im Orig.) 19 | Ribbat, Christoph: Flackernde Moderne. Die Geschichte des Neonlichts. Stuttgart: Steiner 2011, S. 21.

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Teil I: Fernsehmöbel zwischen den Orten

Diskurs über den öffentlichen Raum und ist zu dieser Zeit noch mehr auf der Seite des Öffentlichen zu verorten und weniger auf Privatheit ausgerichtet. Sobald es um den Entwurf tatsächlicher Apparate geht, changieren die Orte des Fernsehens zwischen öffentlich und privat. Hickethier macht diesbezüglich zwei widersprüchliche Tendenzen fest: Für die Wiedergabe technischer Bilder werden zum einen mobile und zum anderen große, fest im Raum stehende Geräte entwickelt. Dabei werden die unterschiedlichen Medienapparaturen unmittelbar mit Spezifika der Rezeption zusammengedacht. Während die beweglichen Geräte für die individuelle Nutzung gedacht sind und mit einem aufkommenden Paradigma der Privatheit und dem privaten Raum korrelieren, sind die unverrückbaren Apparaturen gekoppelt an den öffentlichen Raum.20 Die praktizierte Schaulust im öffentlichen Raum und die Visionen von individuell genutzten Geräten bestehen folglich parallel. Hieran lassen sich zwei Richtungen des zeitgenössischen audiovisuellen Diskurses ablesen, zum einen kollektive Unterhaltung und zum anderen der Wunsch, das Imaginierte privat verfügbar zu machen und die Bilder ‚besitzen‘ zu können.21 Diese Visionen und Erfindungen, die sich mit der Fernübertragung elektrischer Bilder befassen, imaginieren Fern-Sehen explizit als technisch-apparative Erweiterung der menschlichen Sinnesorgane. Mittels Fernrohr und Teleskop schaut der Mensch an weit entfernte Orte. Spätestens mit dem sogenannten ‚Bildfunk‘22 ist es dann der technische Apparat, der diese Praxis des In-dieFerne-Sehens als Erweiterung der menschlichen Wahrnehmung ausführt. Hickethier beschreibt den Wandel einer immateriellen Vision von Fern-Sehen hin zur Materialisierung dieses Traums in Form einer Medienapparatur: „Zwangsläufig hat sich deshalb die Bedeutung des Begriffs ‚Fernseher‘ verschoben: vom Menschen, der fern sieht, hin zum Empfangsgerät, mit dem die Bilder zu sehen sind.“23 In dieser Prägung weist Fern-Sehen eine apparativ-technische Nähe zu Hörfunk und Kino auf. Siegfried Zielinski zeigt in Audiovisionen, dass damit der 20 | Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 12. 21 | Vgl. Zielinski: Audiovisionen, S. 44. 22 | Wie Zielinski darlegt, kommen in den frühen 1920er-Jahren unzählige weitere Synonyme für die technischen Umsetzungen der Visionen zum Fern-Sehen auf, wie etwa „‚Fernkino‘, ‚Funkfilm‘, Fernsehsprechverkehr‘, ‚Bildrundfunk‘, ‚Fernkinematographie‘“. Ebd., S. 125. Wie diese Begriffe verdeutlichen, sind damit verschiedene medientechnische Realisationen und Referenzen angesprochen. Als vier wichtigste Bezugspunkte einer praktischen Umsetzung des Fern-Sehens nennt Zielinski die Telegrafie (für eine telegrafische Übertragung von statischen Bildern), die Telefonie als eine Art Fernseh-Sprechverkehr, das Radio sowie den Film/ das Kino. Vgl. ebd., S. 125f. Letztere stellen „[d]ie beiden wichtigsten Orientierungen für das televisionäre Projekt nach dem Ersten Weltkrieg“ dar. Ebd., S. 125. 23 | Hickethier, Knut: Der Fernseher. Zwischen Teilhabe und Medienkonsum. In: Ruppert, Wolfgang (Hg.): Fahrrad, Auto, Fernsehschrank. Zur Kulturgeschichte der Alltagsdinge. Frankfurt a.M.: Fischer 1993, S. 162-235, S. 164.

1. Fernsehen und Häuslichkeit

Rezeptionsort, der für das Medium Anfang des 20. Jahrhunderts ausgelotet wird, gleichsam changiert. Fernsehen ist „im Hinblick auf die Nutzung noch unentschieden angesiedelt zwischen öffentlicher und privater Veranstaltung, irgendwo zwischen Kino und Radio, als Filmfunk zum Beispiel oder als Fernkino.“24

Diese Bezeichnungen zeugen davon, dass das Fernsehen seinen diskursiven Platz im Medienensemble vorläufig zwischen den Orten findet. Trotz Ortlosigkeit des Fernsehens sind die Visionen vom in die Ferne Sehen in ihren Schilderungen in vielen Fällen bereits bemerkenswert konkret. „Es klaffte jedoch noch lange ein eklatanter Widerspruch zwischen den weitreichenden Antizipationen der Verwendung und den Leistungen der Artefakte für ein elektrisches Sehen über Distanzen.“25 Darüber hinaus liegt den Visionen ein durchaus anderes Verständnis von Fernsehen zugrunde, als es für die heutige dispositive Struktur des Mediums kennzeichnend ist. Um den Wechsel vom 19. ins 20. Jahrhundert ist der Fernseher als technische Apparatur noch nicht realisiert und damit nicht als technische Einheit adressierbar. In dieser präapparativen Phase des Fernsehens, die insbesondere durch „wissenschaftsförmige Diskurse und Experimentalpraktiken“26 gekennzeichnet ist, nehmen entsprechende Entwürfe und Visionen variable Formen und Gestaltungen an. Wie Christian Kassung und Albert Kümmel zu einer frühen Geschichte des Fernsehens herausstellen, sind diese Aushandlungsprozesse der Apparatekonzeption vorgängig: „Nun fallen Apparate aber genausowenig wie Begriffe oder Theorien vom Himmel, sondern kneten sich langsam aus einer Diskursmasse heraus, auf die man nur äußerst unzulänglich rückfolgern kann.“27 Eine technisch-apparative Konkretisierung erfährt das Fernsehen als Medium im Werden in den 1920er-Jahren.

‚Schaukästen‘ Mit der tatsächlichen Entwicklung eines elektrischen Fernsehens ab den 1920er-Jahren erreichen die Utopien zu den Funktionsweisen des Fernsehens eine breitere gesellschaftliche Relevanz jenseits ihrer Verhandlung in der Science-Fiction und Expertenkulturen und bekommen eine euphorische Färbung. In ihrem Text „Der lange Weg eines schnellen Mediums“ legen Elsner, Müller und Spangenberg in einer mentalitätsgeschichtlichen Rekonstruktion dar, wie populäre 24 | Zielinski: Audiovisionen, S. 8. (Hervorh. im Orig.) 25 | Ebd., S. 130. 26 | Kassung, Christian; Kümmel, Albert: Synchronisationsprobleme. In: Kümmel, Albert; Schüttpelz, Erhard (Hg.): Signale der Störung. München: Fink 2003, S. 143-166, S. 149. 27 | Ebd. (Hervorh. im Orig.)

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Diskurse zum Fernsehen weiterhin von dem Wunsch geprägt sind, in die Ferne sehen zu können. Allerdings geschieht dies nun nicht länger von irgendwo (einem Ort B), sondern von einem spezifischen Ort aus, nämlich dem Zuhause. In den zeitgenössischen Zeitungsartikeln, die Elsner, Müller und Spangenberg zitieren, werden etwa die 1960er-Jahre als Zukunft imaginiert, in der das Medium Fernsehen im Alltag angekommen sein wird.28 Neben Telefon und Radio, die in diesem Szenario bereits selbstverständlich zur Inneneinrichtung gehören, kommt nun noch der Fernseher als neues Medium im Ensemble der technischen Kommunikationsmedien für den Heimgebrauch hinzu.29 Zwar entwerfen solche Artikel die eigenen vier Wände als Ort des Fernsehens. Gleichzeitig führen sie jedoch vor Augen, dass das Gehäuse-Design des Apparats noch viele Gestalten annimmt. So wird häusliches Fernsehen in einer beigefügten ganzseitigen Zeichnung als Vorrichtung für das Bett imaginiert, die eine Art Assemblage bestehend aus einem fragmentarischen Armaturenbrett, einem technischen Gerät und einer Projektionswand darstellt.30 In einem Szenario wie diesem übersteigt das Fernsehen den menschlichen Wahrnehmungsapparat als etwas Nicht-Natürliches: „[H]ier herrscht die Vorstellung einer Weltaneignung vom eigenen Heim aus, jedoch sollen dabei nicht natürliche Wahrnehmungsakte medial imitiert werden, sondern diese meint man überwinden zu können, indem neue Perspektiven eingeführt werden, die dem menschlichen Körper ohne Technik nicht zugänglich sind.“31

Das Mensch-Technik-Verhältnis, das hier imaginiert wird, weist zwar einen deutlichen Bezug zum häuslichen Raum auf, ist aber durch Fremdheit gekennzeichnet. Statt häusliche Routine zu sein, wird im von Elsner, Müller und Spangenberg angeführten Beispiel die noch neue Technologie des Fernsehens mit der Optik der Flugzeugtechnik kombiniert, was den illusorischen Erwartungshorizont im Hinblick auf das Medium Fernsehen verdeutliche.32 Ernst Steffen beschreibt 1929 in seinem Text „Das Fernkino im Haus“ den Traum von einer Alltäglichkeit des im häuslichen Raum noch nicht existenten Mediums. Diesem geht der Wunsch voraus, Ereignisse nicht nur mittels Radio hörbar zu machen, sondern sie zusätzlich sichtbar werden zu lassen – und zwar ebenfalls in den eigenen vier Wänden. Der Gang in die Öffentlichkeit zwecks Unterhaltung, wie ihn das Kino seit einiger Zeit paradigmatisch versinnbildlicht, stelle ein notwendiges Übel dar, das einem nun – dank Radio und in Zukunft 28 | Vgl. Elsner, Müller, Spangenberg: Der lange Weg eines schnellen Mediums, S. 167f. 29 | Vgl. ebd., S. 168. 30 | Vgl. ebd., S. 168f. 31 | Bartz, Christina: „Das geheimnisvolle Fenster in die Welt geöffnet“ – Fernsehen. In: Kümmel, Albert; Scholz, Leander; Schumacher, Eckhard (Hg.): Einführung in die Geschichte der Medien. Paderborn: Fink 2004, S. 199-219, S. 211. 32 | Vgl. Elsner, Müller, Spangenberg: Der lange Weg eines schnellen Mediums, S. 169.

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eben Fernsehen – erspart bleibe: „Dinge, denen man früher nachlaufen mußte, kommen jetzt zu uns ins Haus.“33 Eben dieser Aspekt des Übergangs zwischen innen und außen lässt auch eine weniger euphorische Lesart zu. Petra Löffler und Albert Kümmel legen dar, dass das obige Zitat verkürzt auf „‚Dinge […] kommen […] zu uns ins Haus‘“ im Tonfall einer „Registratur des Unheimlichen“ entspreche.34 Wie Stefan Andriopoulos herausstellt, erweist sich das Medium Fernsehen unter dieser Perspektive als fremde Technologie im eigenen Haus, die zuweilen als unheimlich wahrgenommen wird: „Television in 1929 was thus regarded as the uncanny (unheimlich) occurrence of the supernatural or marvelous in one’s own living room.“35 Andriopoulos verdeutlicht diesen Aspekt anhand von zeitgenössischen diskursiven Aushandlungen: Werbeanzeigen bilden Fernsehapparate zusammen mit magischen Kristallkugeln ab. Zeitschriften, die sich mit spirituellen Themen auseinander setzen, bringen das Medium Fernsehen in Zusammenhang mit okkulten häuslichen Phänomenen wie nächtlichen Wandzeichen, unerklärlichen Lichterscheinungen und Klopfgeräuschen.36 Den magischen Fähigkeiten der neuen Technologie werden darin je nach Spielart utopische oder dystopische Eigenschaften zugeschrieben. Andriopoulos’ These zufolge zeigt sich hierin, dass sich elektrisches und okkultisches Fernsehen wechselseitig bedingen.37 Mit der Genese der Hardware sieht er eine kulturelle Auseinandersetzung mit Spiritualität verknüpft.38 Dass die Mediengeschichte des Fernsehens unter dem Aspekt der Hybridisierung zu betrachten ist, äußert sich nicht nur wie bei Steffen dargelegt in einer Konkurrenzsituation. Auch auf technisch-materieller Ebene verwischen die Grenzen zwischen Radio, Fernsehen und Film als Einzelmedien. Unter Bezugnahme auf die Funkausstellung 1928 bezeichnet Anne-Kathrin Weber die ersten Geräte, die dort ausgestellt werden, als hybride Artefakte.39 Einhergehend mit dem Versprechen, die Zukunft zu materialisieren, werden in der Telefunken-Ausstellungsecke zwei ‚Schaukästen‘ vorgestellt, die das technische Verfah33 | Steffen, Ernst: Das Fernkino im Haus. In: Kümmel, Albert; Löffler, Petra (Hg.): Medientheorie 1888-1933. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2002, S. 433-437, S. 433 [Orig.: In: Daheim 65 (1929), S. 3-5.] 34 | Vgl. Steffen, Ernst: Das Fernkino im Haus, S. 436. (Auslassungen bei Kümmel und Löffler) 35 | Andriopoulos, Stefan: Psychic Television. In: Critical Inquiry (2005), Jg. 31, H. 3, S. 618-637, S. 620. Andriopoulos bezieht sich in der Beschreibung von Fernsehen als unheimlichem Medium auf Eugen Diesels Publikation „Das Unheimliche des technischen Zeitalters“ von 1929, in der dieser die unheimliche Dimension der Fernsehtechnik beschreibt und sich dabei vage auf Sigmund Freuds Essay zum Unheimlichen bezieht. Vgl. ebd.; Diesel, Eugen: Das Unheimliche des technischen Zeitalters. In: Zeitwende (1929), 5. Jg., H. 6, S. 339-244; Freud, Sigmund: Das Unheimliche [1919]. Bremen: ELV 2012. 36 | Vgl. Andriopoulos: Psychic Television, S. 621. 37 | Andriopoulos verweist hier insbesondere auf Carl du Prels Entwürfe zum okkulten Fernsehen bzw. Fernsehen als Hellsehen. 38 | Vgl. ebd., S. 623. 39 | Weber, Anne-Kathrin: Recording on Film, Transmitting by Signals. The Intermediate Film System and Television’s Hybridity in the Interwar Period. In: Grey Room (2014), H. 56, S. 6-33.

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ren der Direktübertragung von Bildern und der Speicherung auf Film kombinieren. Der Projektions-TV Karolus und das Gleichlaufkino sind insofern hybride Artefakte, als sie mit anderen Medien verflochten sind: „Both machines were hybrid and heterogeneous artifacts whose media identity was not characterized by specificity but by conceptual ‚impurity‘ and technological assemblage.“40 Die Materialisierungen der Träume des in die Ferne Sehens befinden sich vorerst im Zwischenverfahren. Die Apparate, die 1928 und 1929 auf der Funkausstellung vorgestellt werden, sind wie oben skizziert jedoch noch weit entfernt von einer apparativ-räumlichen Anordnung Fernsehen, wie wir sie heute kennen. Laut Steffen ist es die Gestaltung des Apparats, die seinerzeit dem Wunsch, ihn in das Zuhause einzupassen, noch nicht in erhoffter Weise nachkomme: „Die ersten Fernseh-Apparate waren groß, schwer, sie glichen riesigen Maschinen. Ihre Kosten waren daher entsprechend hoch. Sollte das ‚Fernkino im Heim‘ zur Wirklichkeit werden, so war es nötig, vor allem einen einfachen und billigen Empfänger durchzubilden, der in bezug auf seinen Preis für die breitere Allgemeinheit erschwinglich ist. Es war ferner nötig, diesen Empfänger derart einzurichten, daß sich seine Bedienung sehr einfach gestaltete.“41

Aus Steffens damaliger Forderung lassen sich zwei wesentliche Aspekte ableiten, die über den Ort des Fernsehens entscheiden: Erstens die Frage der Anschaffung, also Preis und Verfügbarkeit. Um in bundesdeutschen Haushalten vorkommen zu können, müssen Fernsehgeräte erschwinglich sein. Zweitens die Frage des Gebrauchs, die unweigerlich mit Fragen der Gestaltung zusammenhängt. Die Apparate müssen in ihren Abmessungen in das Zuhause integrierbar sein. Der alltägliche Gebrauch hängt folglich unmittelbar mit einem geeigneten Stellplatz zusammen. Neben der Größe der Apparate ist ihre Gehäusegestaltung entscheidend; erst ein nutzerfreundliches Äußeres kennzeichnet Fernsehgeräte als prädestiniert für den häuslichen Gebrauch jenseits einer Expertenkultur.

Fernsehstuben Während des Nationalsozialismus gibt es widersprüchliche Tendenzen in der Entwicklung des Fernsehens hinsichtlich des Rezeptionsortes. In Anbetracht der weiter oben skizzierten Form von Medienkonkurrenz kommen früh Stimmen auf, die es sich zur Aufgabe machen, das Fernsehspezifische herauszuarbeiten. Eine davon ist die von Rudolf Thun, der Fernsehen in seinem Text „Die Bedeu-

40 | Ebd., S. 7f. 41 | Steffen: Das Fernkino im Haus, S. 434f.

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tung des Programms für einen Erfolg des Fernsehens“42 von 1932 zwar zwischen Radio und Film verortet, dem neuen Medium aber ganz eigene Formen und Funktionen zuspricht. Thun zufolge ist es der Rezeptionsort, der das Fernsehen wesentlich vom Kino unterscheide, nämlich der Heimempfang. In diesem Sinne sei Fernsehen dem Heimkino – wo private Erinnerungsfilme zuhause vorgeführt werden – näher als der öffentlichen Aufführung von Film im Kino.43 Emphatisch heißt es dann weiter: „Der Rundfunk-Fernseher ist für die Benutzung im Heim bestimmt.“44 Die häusliche Umgebung scheint hier als Vorteil durch, der die Defizite des Mediums für die Zuschauer auszugleichen vermag: „Im Heim befindet er [der Zuschauer] sich in seiner gewohnten Umwelt und wird immer nur eine kleine Projektionsfläche vor sich haben.“45 Diese von Euphorie dem neuen Medium gegenüber gekennzeichneten Diskurse kippen im weiteren Verlauf des Nationalsozialismus ins Gegenteil: Der großen Erwartungshaltung folgt die Enttäuschung auf schnellem Fuße. Zum einen sorgen technische Probleme in der Realisation dafür, dass wohlwollende Aussagen bald verstummen. Zum anderen dämmt die Etablierung des Radios als Leitmedium staatliche und industrielle Investitionen in das Medium Fernsehen.46 Scheinen die Funktionsweisen des Radios noch nachvollziehbar zu sein, erschreckt das Fernsehen mit technischer Komplexität: „In den dreißiger Jahren bestand [...] offensichtlich noch der Anspruch, daß eine Technik, die ins Haus kommen sollte, auch für Laien prinzipiell verstehbar sein müßte.“47 Die skizzierte Medienkonkurrenz mit dem Radio hat jedoch auch positive Auswirkungen auf die Entwicklungsgeschichte des Fernsehens. Ende der 1930er-Jahre sieht sich die geräteherstellende Industrie – namentlich vorrangig Telefunken und die Fernseh-AG – nach neuen möglichen Absatzmärkten um. Sie investiert in den Privatempfang von Fernsehen zu einer Zeit, als „[d]er Absatz an Radiogeräten stagnierte […], weil sich die Ausbreitung des Hörfunks der Sättigungsgrenze näherte“.48 Über den Zeitraum von 1935-1943 ziehen sich erste regelmäßige Sendeversuche in Berlin. Entgegen Thuns Text für einen Heimempfang und den entsprechenden Intentionen der Elektroindustrie findet Fernsehen im NS-Deutschland jedoch erst einmal nicht zuhause statt. Dies ist zum einen auf technische Restriktionen zurückzuführen. Die zunächst noch schlechte Bildqualität – erst 1937 konnte die Norm von 180 Zeilen dem britischen Standard von 405 Zeilen angepasst werden49 42 | Thun, Rudolf: Die Bedeutung des Programms für einen Erfolg des Fernsehens [1932]. In: Grisko, Michael (Hg.): Texte zur Theorie und Geschichte des Fernsehens. Stuttgart: Reclam 2009, S. 35-40. 43 | Vgl. ebd., S. 36. 44 | Ebd., S. 35. 45 | Ebd. (Erg. M.M.) 46 | Vgl. Elsner, Müller, Spangenberg: Der lange Weg eines schnellen Mediums, S. 188. 47 | Ebd. 48 | Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 52. 49 | Vgl. Abramson, Albert: Die Geschichte des Fernsehens. München: Fink 2002, S. 302.

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– bedingt, dass die Gerätehersteller skeptisch hinsichtlich der Erwartungshaltung der Bevölkerung und der Ausstattung der Privathaushalte sind. Trotz bereits geleisteter Investitionen stagniert die Produktion: „Zwar gab es von der Industrie Fernsehempfänger, doch wurden sie nicht in größeren Serien gebaut.“50 Dieser ‚Verhärtung‘ des Technischen zum Trotz, nimmt die Gehäusegestaltung unterschiedliche Formen an. Zielinski beschreibt das Medium Fernsehen als „ein Zweiklassensystem, an dem auch während des Faschismus festgehalten wird: teure Luxusmöbel für einige wenige Privilegierte und kollektiver Konsum für die Masse.“51 Die wenigen Empfangsgeräte befinden sich in den Händen von Funktionären der Wirtschaft, Politik, Technikern und Programmmitarbeitern.52 In Fernsehstellen, sogenannten „Fernsehstuben“ – für die Räume in Postämtern eingerichtet oder leerstehende Ladenflächen angemietet wurden – werden Möglichkeiten und Formen des Empfangs vor Publikum getestet.53 Was in den Fernsehstuben gezeigt wird, ist angelehnt an das, was bereits im Kino läuft. Allerdings muss sich der Inhalt dem Leistungsvermögen der Technik beugen: „Es waren in erster Linie Spiel- und ‚Kultur‘filme, die für die Fernsehabtastung und die kleinen Empfangsschirme rücksichtslos zusammengeschnitten wurden.“54 Aktuelle Berichterstattung und zwischengeschaltete Ansagen lassen eine Art disparates Programm entstehen.55 Mit der Olympiade in Berlin 1936 eröffnen weitere Orte des kollektiven Fernsehens, insgesamt gibt es im Raum Berlin zu dieser Zeit 28 Fernsehstuben, die durchschnittlich von 30 bis 50 Leuten pro Vorstellung besucht werden.56 Noch bevor liveness in den 1950er-Jahren zum Spezifikum des Fernsehens avanciert, verhilft die Olympiade diesem vorläufigen Ort des Fernsehens zu kurzweiliger Popularität. Es handelt sich hierbei um ein Medienereignis avant la lettre, mittels dessen sich das Fernsehen als Massenmedium behauptet, bevor es überhaupt eines ist.57 Zwar trägt das Ereignis dazu bei, dass das Medium Fernsehen popularisiert wird. Jedoch bleibt das Phänomen geografisch beschränkt. Zusammenfassend entsprechen Fernsehstuben einer temporären Form von Unterhaltung im öffentlichen Raum. Diese Orte werden von nur wenigen Leuten 50 | Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 39. 51 | Zielinski: Audiovisionen, S. 148. 52 | Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 52. 53 | Vgl. ebd., 40. 54 | Zielinski: Audiovisionen, S. 153. 55 | Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 45. 56 | Vgl. Elsner, Müller, Spangenberg: Der lange Weg eines schnellen Mediums, S. 189. 57 | „Im Kompositum ‚Medienereignis‘ wird der Medienbezug auf Massenmedien eingegrenzt. Massenmedien zeichnen sich u.a. durch ihre soziale Reichweite aus, und so handelt es sich beim Medienereignis [...] grundsätzlich um ein gesellschaftsweit kommuniziertes Geschehen.“ Bartz, Christina: Medienereignis. In: Bartz, Christina; Jäger, Ludwig; Krause, Marcus; Linz, Erika (Hg.): Handbuch der Mediologie. Signaturen des Medialen. München [u.a.]: Fink 2012, S. 176-181, S. 176. Zu weiteren Spezifika von Medienereignissen siehe eben diesen Eintrag.

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genutzt und haben einen eher förmlichen Charakter.58 Entscheidend ist, dass sich die Rezeptionsform am Kinodispositiv orientiert und dem Prinzip der Kollektivität entspricht: „Fernsehen ereignete sich – zumal in Deutschland – in den Anfängen als staatlich organisierte Variante der öffentlichen Kino-Veranstaltung.“59 Neben technisch-apparativen Sachzwängen lässt sich die Form des Kollektivempfangs auf ideologische Motive zurückführen. Gleichzeitig wird das Potential des Mediums Fernsehen von den Nationalsozialisten jedoch weitestgehend ignoriert: die Apparate sind schlicht zu teuer; kleine Bildschirme und eine schlechte Bildqualität machen das Medium wenig attraktiv als Kommunikationstechnik zur Verbreitung der volksverhetzenden Propaganda.60 Im ideologischen Überbau des NS-Deutschlands avanciert das Radio zum Leitmedium.61

Abb. 1: Loewe Fernsehempfänger FEA (1933/34) Abb. 2: Drahtloser Fernsehapparat der Fernseh-AG (1935)

Auf der Berliner Funkausstellung 1936 präsentieren die Gerätehersteller Fernseh-AG, Loewe, Lorenz, Philips und Telefunken erstmals Geräte für den Gebrauch im Zuhause. Auf den ersten Blick kommen diese in Form eines luxuriösen Möbels daher. Das Gehäuse des Loewe Fernsehempfängers FEA aus dem Jahr 1933/34 ist aus Mahagoni gefertigt, was den Apparat auf der Ebene des Materials in die Inneneinrichtung einpasst (Abb. 1). Die Form des Apparats gleicht jedoch mehr einer zweigeteilten Holzkiste als einem tatsächlichen Möbelstück. Der obere Teil führt einen 14x18 cm großen Bildschirm auf, der wie von einem mächtigen Rahmen eingefasst anmutet. Der Sockel ist etwas breiter und weist einen Lautsprecher sowie rechts und links jeweils drei zum Dreieck angeordnete Drehknöpfe auf und sieht damit aus wie ein separater Radioempfänger. Alle Elemente sind nach dem Prinzip der Symmetrie angeordnet. Mit einer Norm von 180 Zeilen bei 25 Bildwechseln pro Sekunde flackert das Bild stark. Die Trennung von Bildschirm, Lautsprechern und 58 | Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 40f. 59 | Zielinski: Audiovisionen, S. 104. 60 | Vgl. ebd., S. 161. 61 | Vgl. Hickthier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 60f.

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den Bedienelementen lässt sich auch bei anderen Empfängern beobachten, wie etwa einem drahtlosen Fernsehapparat der Fernseh-AG von 1935 (Abb. 2).62

Abb. 3: Modell DE 6 der Fernseh-AG (1938) Abb. 4: FE6 von Telefunken (1938)

Gleichzeitig sind diese Fernsehapparate noch stark gekennzeichnet vom Ideal der Kollektivrezeption. So erklärt sich denn auch die aus heutiger Perspektive doch recht verwunderliche Gehäusegestaltung der Standempfänger, wie sie auf der 15. Funkausstellung 1938 in Berlin zu sehen sind. Zwar sind etwa das Modell DE 6 der Fernseh-AG und der FE6 von Telefunken zwei Prototypen für den Fernsehempfang zuhause (Abb. 3 + 4). Jedoch weisen auch diese beiden Modelle die genannte Zweiteilung auf: oben Visualität, unten Audio. Das zentrale Gestaltungsprinzip dieser hohen Kisten ist, dass sie sich im Falle des Gebrauchs aufklappen lassen und über eine sogenannte Spiegelbetrachtung verfügen. Diese ermöglicht eine verbesserte kollektive Rezeption, da das Spiegelbild mehreren Zuschauern die Möglichkeit bietet, das Bild aus diversen Positionen im Raum sehen zu können.63 Gleichzeitig gibt es Entwürfe, in denen die dispositive Nähe zum Kino weiter mitgeführt wird, und zwar in Form sogenannter Heimprojektionsempfänger, die Bildmaße von 40x50 cm und mehr aufweisen.64 Neben Standempfänger-Modellen und Heimprojektionsempfängern werden die ersten Tischgeräte gebaut.65 Der Tischempfänger TF1 der Telefunken 62 | Vgl. Keller, Wilhelm: Hundert Jahre Fernsehen. 1883-1983. Berlin [u.a.]: VDE 1983, S. 78. 63 | Vgl. ebd., S. 80. 64 | Vgl. Steinmaurer: Televisionen, S. 211. 65 | Vgl. Lipfert, Kurt: Fernsehen auf der 15. Großen Deutschen Rundfunkausstellung in Berlin 1938. In: Fernsehen und Tonfilm. Zeitschrift für Technik und Kultur des Fernsehens und Ton-

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unterliegt in seiner Gestaltung ebenfalls dem Prinzip der Trennung von Sound und Bild (Abb. 5). Bildschirm und Rundfunkempfänger sind per Kabel verbunden, sodass die entsprechende Audiospur des Fernsehbilds über den Rundfunkempfänger wiedergegeben werden kann. Beim Nichtgebrauch des TV-Geräts ist der Radioapparat separat benutzbar. Es zeigt sich, dass Einfachheit im Gebrauch und die Einpassung ins Heim wesentliche Kriterien für den Erfolg des Mediums darstellen: „Durch Ausnutzung aller Vereinfachungsmöglichkeiten ist hier ein zur Serienherstellung geeignetes Fernsehgerät geschaffen worden.“66 Hierzu zählt insbesondere die Gestaltung des Geräts nach dem Ein-Knopf-Prinzip. Beim einzigen Knopf des Geräts handelt es sich um einen Doppelknopf, mit dem sich die Bildhelligkeit und der Kontrast regeln lässt sowie das Gerät einund ausgeschaltete wird.67

Abb. 5: Der Tischempfänger TF1 von Telefunken (1938)

Kurt Lipfert hebt in seinem Bericht zur Rundfunkausstellung hervor, dass insbesondere die Anzahl der Bedienelemente, die eine Einfachheit im Gebrauch gewährleisten sollen, und ein wohnmöbelähnliches Gehäuse über den Erfolg des Mediums Fernsehen entscheiden: „Denn das Fernsehgerät ist für ihn [den Ausstellungsbesucher] ein erstrebenswertes Anschaffungsobjekt, das vielleicht einmal in seiner eigenen Wohnung mit eigener Hand bedient werden wird. Deshalb kann der Fernsehempfänger nicht nur ein technisch hochentwickeltes Gerät sein, sondern er muß – zumal er selbst in seiner kleinsten Ausführung nicht eben zu übersehen ist – auch gewisse Eigenschaften eines Möbelstücks besitzen.“68 films (1938), H. 9, S. 65-72, S. 69. 66 | Ebd. 67 | Vgl. ebd. 68 | Ebd., S. 67. (Erg. M.M.)

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Wie Wilhelm Keller festhält, entsprechen diese Möbelgehäuse den vorherrschenden Einrichtungsstilen der damaligen Zeit: „Im Design – oder besser gesagt, in ihrer Form und Holzausstattung – waren die Heimgeräte auf den Möbelstil der Dreißiger Jahre abgestimmt: Nußbaum, Rüster, Mahagoni, Palisander – meist auf Hochglanz poliert oder lackglänzend.“69

Insgesamt lässt sich festhalten, dass in dieser Etappe der Geschichte des Fernsehens die ersten Entwürfe und Prototypen von Fernsehmöbeln für den Hausgebrauch aufkommen. Zwar gehen diese nicht in Serienproduktion, schließlich ist die Technik noch zu sperrig und zu teuer. Vermittelt über ein Möbelgehäuse und entsprechende diskursive Aushandlungen wird der häusliche Raum aber explizit als Gebrauchsort angesprochen. In den tatsächlichen Einrichtungspraktiken ist das Fernsehmöbel zu dieser Zeit jedoch noch nicht relevant. Um eine Rolle im Medienverbund mit dem Radio und dem Kino einnehmen zu können, muss das Medium Fernsehen erst einmal „das Hindernis [...] überwinden, die Attraktivität seines ‚Heimempfangs‘ sowie die Abgrenzbarkeit seines Programms zu anderen Medien ‚sichtbar‘ zu machen.“70 Der Krieg sollte sich dann als Zäsur in der Entwicklungs- und Rezeptionsgeschichte des Fernsehens im Sinne eines Heimempfangs erweisen.71 Da die Kapazitäten der Industrie in die Rüstung investiert werden, wird die Produktion gestoppt. Eingesetzt wird der Rundfunk nun vor allem im militärisch-industriellen Komplex; es wird geforscht zu kameragesteuerten Raketen sowie zu Radartechnologie.72

Zwischenresümee An dieser Stelle erscheint es sinnvoll, die genannten Aspekte, die den Weg des Fernsehgeräts ins Zuhause kennzeichnen, kurz zusammenzufassen. Zum einen (1) sind Formen der Medienkonkurrenz ein wesentliches Kennzeichen der Genese des Heimempfangs. Elsner, Müller und Spangenberg strukturieren diesen Punkt sehr stark, indem sie zeigen, dass sowohl auf der Seite der Techniker als auch in frühen populären Diskursen Fernsehen immer wieder als Medienkombination mit Radio, Film und Telefon imaginiert wird. Zudem (2) ist das Gerät schon möbelartig, bevor 69 | Keller: Hundert Jahre Fernsehen, S. 83. 70 | Elsner, Müller, Spangenberg: Der lange Weg eines schnellen Mediums, S. 192. 71 | Zu den Unstimmigkeiten zwischen Postministerium und Propagandaministerium siehe Uricchio, William: Formierung und Transformation des frühen deutschen Fernsehens. In: montage/av. Zeitschrift für Theorie & Geschichte audiovisueller Kommunikation (2005), H. 1, S. 97-115, S. 105ff. 72 | Vgl. hierzu das Unterkapitel „Das Fernsehen im Krieg: 1942-1945“, in Abramson: Die Geschichte des Fernsehens, S. 302-307.

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es im Laufe der 1950er-Jahre überhaupt ins Heim kommt. Die geräteherstellende Industrie hat sich massiv dafür eingesetzt, dass die Apparate eine Form als Möbel erhalten. (3) In den USA und in Großbritannien ist das Fernsehen Ende der 1940er-/Anfang der 1950er-Jahre bereits Teil des häuslichen Raums. In Deutschland kommt es im Hinblick auf die Fernsehentwicklung zu einer Zäsur, die die technische Entwicklung und damit den Einzug des Fernsehens in die Haushalte aufhält. Dass gerade in der Nachkriegsphase der Schritt ins Heim erfolgt, liegt daran, dass sich (4) eine weitere Institution einschaltet: Nun legt auch die wichtigste Institution des Nachkriegsfernsehens, der NWDR, den Heimempfang fest.

„Die Welt in Deinem Heim“ In seiner Rede „Deutschland wird Fernsehland“, die der NWDR-Fernsehintendant Werner Pleister anlässlich der Eröffnung des offiziellen Sendebetriebs am 25.12.1952 hält, geht es darum, die Spezifika und gesellschaftlichen Potentiale des ‚neuen‘ Mediums in aller Euphorie einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Hierbei inszeniert Pleister Fernsehen als europäisches Großprojekt. Gleichzeitig färbt der Vergleich mit den USA den Sprachduktus der Rede zuweilen militaristisch. Angesichts der transatlantischen Konkurrenz müsse man sich „rüsten“, um „den Ansturm der neuen Sicht-Möglichkeiten organisatorisch zu bändigen und innerlich zu bewältigen“.73 Pleister begreift das Fernsehen nach dem Zweiten Weltkrieg als Medium, dem der Auftrag zugrunde liegt, den Zuschauern die Sphäre der Kultur und der Unterhaltung ins Haus zu bringen: „Wir versprechen Ihnen, uns zu bemühen, das neue geheimnisvolle Fenster in Ihrer Wohnung, das Fenster in die Welt, Ihren Fernsehempfänger, mit dem zu erfüllen, was Sie interessiert, Sie erfreut und Ihr Leben schöner macht.“74

Indem er das Fernsehen als „Fenster zur Welt“75 in der Privatwohnung bezeichnet, weist Pleister dem Medium im Rahmen seiner Institution einen offiziellen Rezeptionsort zu. In dieser Metapher wird das Fernsehen direkt in einer Verbindung mit dem Fenster, das selbst ein konstitutiver Teil des häuslichen Ensembles 73 | Pleister, Werner: Deutschland wird Fernsehland [1953]. In: Grisko, Michael (Hg.): Texte zur Theorie und Geschichte des Fernsehens. Stuttgart: Reclam 2009, S. 87-93, S. 89. 74 | Grisko, Michael: Einleitung: Werner Pleister: Deutschland wird Fernsehland. In: ders. (Hg.): Texte zur Theorie und Geschichte des Fernsehens. Stuttgart: Reclam 2009, S. 85-86, S. 85. 75 | Etwa zeitgleich kommen die Begriffe „Zauberfenster“ bzw. „Zauberspiegel“ als Bezeichnungen für Fernseher und ihr Programm auf. Vgl. Bartz, Christina: Spiegel und Zauberspiegel. Zur Beobachtung und Konstruktion des Fernsehens in der frühen Bundesrepublik. In: Schneider, Irmela; Spangenberg, Peter M. (Hg.): Medienkultur der 50er Jahre. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2002, S. 155-175, S. 157.

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Teil I: Fernsehmöbel zwischen den Orten

ist, in das Haus eingebracht. Allerdings ist die private Unterhaltung nicht etwa losgelöst von der öffentlichen Sphäre, sondern unmittelbar mit ihr verschaltet bzw. auf sie angewiesen. Wie im Weiteren noch zu zeigen sein wird, prägt diese Vorstellung vom Fernsehen als „Fenster zur Welt“, das zwischen Innen- und Außenraum vermittelt, auch Form und Gestaltung des Fernsehens als Möbel. Darüber hinaus ist das Mensch-Technik-Verhältnis, das in Pleisters Rede mittels Fernsehen entworfen wird, wegweisend für den ‚richtigen‘ Gebrauch des Mediums, nämlich maßgeblich als Kulturgut. Bis in die 1980er-Jahre hinein meint Fernsehen einen öffentlich-rechtlichen Sendebetrieb mit Bildungsauftrag. Nicht zuletzt ist in Pleisters Ansprache noch ein Rest des Unheimlichen anwesend, wie es kennzeichnend ist für die spirituelle Färbung des Diskurses zum Fernsehen in den 1920er-Jahren. Das vormals unheimliche Medium wird nun als etwas Geheimnisvolles attribuiert. Auf der 18. „Großen deutschen Rundfunk-, Phono- und Fernsehausstellung“, die Industrie und Rundfunkanstalten 1953 in Düsseldorf veranstalten, wird das Zuhause ganz explizit mit dem Motto „Die Welt in Deinem Heim“ als Empfangsort fokussiert. Die ersten Nachkriegs-Fernsehempfänger, die an den Messeständen der Gerätehersteller gezeigt werden, nehmen diverse Formen an. Neben Stand- und Tischgeräten gibt es nun auch Fernsehen als Element von Phono-/Musikkombinationen zu kaufen. Als besondere Attraktion der Ausstellung wird die sogenannte „Fernsehstraße“ inszeniert, auf der 24 Hersteller insgesamt 68 verschiedene Fernsehgeräte vorführen. In einem eigens aufgebauten Fernsehstudio des NWDR wird zu jeder vollen Stunde ein halbstündiges Fernsehprogramm produziert und gesendet.76 Der Siegeszug des (Industrie-)Designs77 beeinflusst die Produktlinien der Gerätehersteller; zu dieser Zeit teilen sich insbesondere Braun, SABA, Telefunken, Philips und Kuba den Markt. Die ersten Modelle gehen in Serienproduktion. Dabei zeigen Industrie und Fernsehanstalten durchaus widersprüchliche Vorstellungen zur Gestaltung der Apparate: Experten wie der Rundfunkjournalist Karl Tetzner empfinden die ausgestellten Geräte als zu sperrig; statt eines klotzigen Holzgehäuses, das die Apparate in Möbel verwandelt, wünschten sich die Instanzen des Rundfunks mehr Bildfläche, wie es in den USA und Großbritannien bereits üblich sei.78 Im Juni 1953 bringen gleich zwei Medienereignisse das Fernsehen live in bundesdeutsche Haushalte, nämlich die Krönung Elisabeths II und die Fußballweltmeisterschaft.79 Der Ort des Fernsehens ist nun nicht länger die Fernsehstu76 | Vgl. Riedel, Heide: 70 Jahre Funkausstellung. Politik. Wirtschaft. Programm. Berlin: Vistas 1994, S. 126. 77 | Weitere Ausführungen hierzu siehe Teil II, Kapitel 1.1. 78 | Vgl. Tetzner, Karl: Muß der Fernsehempfänger so aussehen? In: Fernsehen: Gestalten, senden, schauen. Illustrierte Monatshefte für Fernseh-Freunde (1953), H. 10, S. 581-583, S. 282. 79 | Laut Elsner, Müller und Spangenberg sind es vor allem Sportveranstaltungen, die wesentlich dazu beitragen, dass die private Rezeptionssituation zuhause als der spezifische Ort

1. Fernsehen und Häuslichkeit

be, sondern die gute Stube in der eigenen Wohnung. „Fernsehen 1953 bedeutet demnach nicht mehr nur ‚Ersatz für Dabei-Sein‘ in ‚dunkler, enger Stube‘; man beginnt sogar, es als neues, privilegiertes Sehen zu erfahren“.80 Der Heimempfang wird in diesem Zusammenhang endgültig zum Vorteil des Fernsehens schlechthin erhoben. Dies gilt jedoch vorerst nur theoretisch. Tatsächlich verfolgt fast niemand diese Ereignisse von zuhause, da nur eine verschwindend geringe Zahl der Haushalte bereits mit einem Fernsehapparat ausgestattet sind. Noch dominiert der Kollektivempfang über den individuell-familiären, ferngesehen wird in Gaststätten und Kneipen, bei Rundfunkhändlern oder im Kino.81 Als die Gerätepreise 1953 unter die 1000 DM Grenze fallen82 und ein regelmäßiges Programm83 ausgestrahlt wird, werden erstmals vermehrt Fernsehapparate für den häuslichen Gebrauch verkauft, die mittels Ratenkauf finanziert werden. Haushalte, die mit einem Apparat ausgestattet sind, sind finanziell gut aufgestellt und so setzt sich das Fernsehpublikum Anfang der 1950er-Jahre hauptsächlich aus Selbstständigen (31,3%), Angestellten (10,1%) und nur wenigen Arbeiterhaushalten (4,8%) und Landwirten (0,9%) zusammen.84 Diese erste Phase85 des Einzugs des Fernsehens in die Sphäre des Alltags ist also stark an Fragen der sozialen Schicht gebunden. Zudem ist die Stadt-Land-Verteilung bis in die frühen 1960er-Jahre ungleich: Das Fernsehen bleibt vorerst ein städtisches Medium, wenn auch über den Landkreis Berlin hinaus.86 des Fernsehens erfahren wird. Vgl. Elsner, Müller, Spangenberg: Der lange Weg eines schnellen Mediums, S. 191. Das Programm dient in dieser Argumentation als Kompensation einer als zu komplex empfundenen Technik und Apparatur. 80 | Ebd., S. 206. 81 | Vgl. Zielinski: Audiovisionen, S. 199f. 82 | Vgl. Steinmaurer, Thomas: Fernsehgerät. In: Hügel, Hans-Otto (Hg.): Handbuch populäre Kultur. Begriffe, Theorien und Diskussionen. Stuttgart [u.a.]: Metzler 2003, S. 184-188, S. 186. 83 | Als zentrales Kennzeichen der Programmstruktur des Fernsehens beschreibt Markus Stauff „die Ausbildung einer Vielzahl an seriellen Formen, die je spezifische Kombinationen von Wiederholung und Variation ausbilden“. Stauff: Fernsehen/Video/DVD, S. 309. Zwar stellen das Versuchsprogramm des NWDR ab 1951 und der regelmäßige Betrieb (mit dem Eröffnungsprogramm Ende 1952) einen „Nucleus des bundesdeutschen Programmfernsehens“ dar. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 93. Eine Programmstruktur, die – wie Stauff es in seinem Zitat beschreibt – von festen Sendeplätzen gekennzeichnet ist, bildet sich jedoch erst mit dem ARD-Gemeinschaftsprogramm „Deutsches Fernsehen“ heraus. Ende 1954 werden so ganze Programmblöcke von einzelnen Sendeanstalten kuratiert, was zu einer Festigung im Programm führt, das mit der Etablierung des Zweiten Deutschen Fernsehens 1963 weiter an Kontur gewinnt. Vgl. ebd., S. 127f. 84 | Vgl. ebd., S. 112. Hickethier bezieht sich hier auf Goebel, Gerhard: Wer sieht das Fernseh-Programm? In: Fernsehen (1954), 2. Jg., H.1, S. 7-12. 85 | Hickethier gliedert die Geschichte des Fernsehens in verschiedene Phasen, eine davon umfasst den Wiederaufbau des Fernsehens nach dem Krieg und seinen Weg zum Massenmedium in den 1950er- und 1960er-Jahren. Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 6. Mit dieser Phase ist der Untersuchungszeitraum der vorliegenden Arbeit benannt. 86 | Vgl. ebd., S. 112f.

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Teil I: Fernsehmöbel zwischen den Orten

Auch wenn das Zuhause als Ort des Fernsehens immer konkreter wird, so meint dies nicht zwangsläufig Fernsehen im Privaten. Der kollektive Empfang spielt in dieser Frühphase des Neustarts des Fernsehens weiterhin eine wichtige Rolle. Anfang der 1950er-Jahre sind die wenigsten Haushalte mit einem eigenen TV-Apparat ausgestattet. Der Gebrauch des schichtspezifischen Mediums ist vorerst nur einigen wenigen Privilegierten vorbehalten: „Anfangs bewegten sich die Preise noch in einer Höhe mehrerer Monatsgehälter eines Facharbeiters.“87 Dieser Umstand führt dazu, das Fernsehen zuhause in der Anfangsphase wenigstens übergangsweise auch immer Formen des kollektiven Sehens inkludiert. Fernsehabende mit Freunden, Nachbarn und Bekannten, die noch keinen Apparat besitzen und zu Besuch kommen, sind mehr die Regel als eine Ausnahme. Zwar ist das Zuhause in den einschlägigen zeitgenössischen Mediendiskursen zum paradigmatischen Ort des Fernsehens avanciert.88 Gleichzeitig ist Fernsehen im öffentlichen Raum, etwa in Kneipen, weiterhin prägend für die Seherfahrungen der Zuschauer. Für die meisten unter ihnen findet Fernsehen weiterhin maßgeblich außerhalb des Zuhauses statt. Das sogenannte „Wirtschaftswunder“ ist 1953 noch in den Anfängen. In den Neubausiedlungen, die auf dem Brachland der zerbombten Städte hochgezogen werden, finden sich nur sehr beengte Wohnverhältnisse vor. Für die ersten Fernsehgeräte gibt es schlichtweg keinen Platz. Die Zahl der Haushalte mit Fernsehempfang steigt im Laufe der 1950er-Jahre stark an: „Im April 1953 wurden 1524 Teilnehmer gezählt, Ende 1954 waren es schon 84278, Ende 1957 1,2 Mio., Ende 1960 gab es schon 4,6 Mio.“89 Um 1957, als die Zahl der Teilnehmer exponentiell ansteigt, überholt das Medium Fernsehen seine Vorläufer und Konkurrenten im zeitgenössischen Medienensemble. Die Kinobesuche sind merklich rückläufig.90 Im selben Jahr werden zum ersten Mal in der Geschichte des Rundfunks mehr Fernsehempfänger als Radioapparate angemeldet.91 Die Fünf-Tage-Woche, die zu dieser Zeit durchgesetzt wird, beschert vielen Arbeitern einen zusätzlichen freien Tag bei gleichzeitiger Erhöhung der täglichen Arbeitszeit.92 Unter den Vorzeichen dieses knappen Freizeitbudgets bei gleichzeitigen langen Wochenenden avanciert das Fernsehen zum Feierabend-Medium: „Beides, das schmale finanzielle und knappe Zeitbudget, wies auf die ‚eigenen vier Wände‘ als bevorzugten Freizeitraum speziell des werktäglichen Feierabends.“93 Auch die Gehäusefrage scheint anfangs entscheidend zu sein für den Einzug der Fernsehapparate in die einzelnen Privathaushalte. Zielinski denkt in Audiovisionen den Siegeszug des Televisuellen im Heim mit einem Wandel der 87 | Schildt, Axel: Moderne Zeiten. Hamburg: Christinas 1995, S. 272. 88 | Zu den diskursiven Aushandlungen zu Fernsehmöbeln siehe Teil III, Kapitel 1.1. 89 | Hickethier: Der Fernseher, S. 171. 90 | Vgl. Zielinski: Audiovisionen, S. 196. 91 | Vgl. ebd., S. 204. 92 | Vgl. Schildt: Moderne Zeiten, S. 81. 93 | Ebd., S. 96.

1. Fernsehen und Häuslichkeit

häuslichen Inneneinrichtung zusammen: Ende der 1950er-Jahre kaufen sich die Leute neue Möbel, die hell, leicht und beweglich sind: „Man richtete sich zunächst nicht für die Ewigkeit ein. Schalensessel auf dünnen gespreizten Beinen aus Stahlrohr und Holz, mit Kunststoff beschichtete Nierentische, frei stehende Tütenlampen, Übergardinen, die aussahen wie großformatige abstrakte Gemälde, Klappsofas und -betten, Reproduktionen von Picasso oder Paul Klee für die Wände, elektrische Geräte für das schnellere Kochen und Reinigen – das waren einige der elementaren Ausstattungsstücke für die vielfach mobilisierte Gesellschaft.“94

Zielinski zufolge hat sich der Status von Fernsehmöbeln im Zuge dieser Entwicklung gewandelt: Im Verlauf der 1960er-Jahre werden sie von Prestigeobjekten zu einem gewöhnlichen Teil der Inneneinrichtung.95

Fragen an den Gegenstand I Wie dieser selektive Blick in die Etappen der Vermöbelung des Mediums Fernsehen dargelegt, bildet sich erst in den 1950er- und 1960er-Jahren eine dispositive Struktur des Fernsehens heraus, die fest an das Häusliche gekoppelt ist. Im weiteren Verlauf konzentriert sich die vorliegende Arbeit gerade auf diese Phase des „Möbel-Werdens“96 des Fernsehens, da nun erstmals Geräte nicht nur als Entwürfe und Prototypen existieren, sondern tatsächlich in die Haushalte diffundieren und auch als Möbel in Gebrauch sind. Als Anfang des Untersuchungszeitraums für den Analyseteil werden die 1950er-Jahre festgelegt, genauer der Start des Programms, wie er in Pleisters Rede eingeleitet wird. Das Ende des Untersuchungszeitraums fällt zusammen mit dem Abschluss der ersten Diffusionsphase des Fernsehens in bundesdeutsche Haushalte, und zwar damit, dass die meisten Haushalte mit einem Gerät ausgestattet sind. Ende der 1960er-Jahre erscheint der Fernsehapparat nicht länger als Prestigeobjekt und ist als selbstverständlicher Einrichtungsgegenstand97 in alltägliche Gebrauchsroutinen integriert. Über die Feststellung hinaus, dass der Fernsehapparat als Möbel in erster Linie ein Prestigeobjekt darstellt, wie sie sich bei Zielinski, Hickethier und Steinmaurer finden lässt, fragt die vorliegende Arbeit nach den widersprüchlichen Tendenzen in der Vermöbelung von Fernsehapparaten. Wie wird aus einer vormals durchaus 94 | Zielinski: Audiovisionen, S. 204. (Hervorh. im Orig.) 95 | Vgl. ebd. 96 | In Anlehnung an Joseph Vogels Diktum des „Medien-Werdens“. Vgl. Vogl, Joseph: Medien-Werden: Galileos Fernrohr. In: Engell, Lorenz; Vogl, Joseph (Hg.), Archiv für Mediengeschichte, Bd. 1: Mediale Historiographien. Weimar: Universitätsverlag Weimar 2001, S. 115123. Weitere Ausführungen hierzu siehe Teil III, Kapitel 2.1. 97 | Vgl. Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 203.

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unheimlichen Medientechnologie ein heimischer Einrichtungsgegenstand? In seinem Essay Das Unheimliche schreibt Sigmund Freud, dass das Unheimliche immer im Vertrauten, nämlich im Heimischen auftritt.98 An diese Feststellung anknüpfend lässt sich fragen, inwiefern der TV-Apparat als neues technisches Medium mit der Vertrautheit des eigenen Hauses kollidiert. Besonders unheimlich wären Fernsehgeräte in dieser Denkrichtung zudem, weil sie als ‚beseelte‘ technische Apparate übersinnliche Fähigkeiten zu besitzen scheinen.99 Hieran anschließend ließe sich im Analysekapitel danach fragen, wie sich dieser Umstand auf die Gestaltung der Apparate auswirkt und inwiefern dieser Aspekt in einem Zusammenhang mit der Vermöbelung von Fernsehgeräten steht. Aus der in diesem Teil systematisierten Forschungsliteratur zu Fernsehmöbeln lässt sich zudem die Frage ableiten, welche Gestaltungsmerkmale und Nutzungsmodalitäten den Fernsehapparat überhaupt zum Möbel machen. Was wird in diesem Zusammenhang unter Nutzerfreundlichkeit bzw. einer Einfachheit im Gebrauch verstanden, wie sie seitens der Zuschauer gewünscht und von der Industrie propagiert wird? Im folgenden Unterkapitel geht es nun zum einen darum, danach zu fragen, wie es dazu kommt, dass ein technisches Medium, das in den 1950er-Jahren in einer Ausstattungswelle mit weiteren unzähligen Haushaltsgegenständen in den häuslichen Raum gelangt, zum selbstverständlichen Einrichtungsgegenstand avanciert. Diese Frage nach den soziokulturellen Faktoren einer Verhäuslichung des Fernsehens (als Möbel) ist in der anglo-amerikanischen Forschungsliteratur am intensivsten diskutiert worden.

1.2 Fernsehmöbel als Haushaltsgegenstände Ging es im vorherigen Teil dieses Kapitels noch darum, die Transformationen der technisch-apparativen Gestaltung sowie der Rezeptionsorte in der frühen Geschichte des Fernsehmöbels in den Blick zu nehmen, fragt das nun folgende Unterkapitel nach soziokulturellen Faktoren, die die Verhäuslichung von Fernsehapparaten bedingen. Hierzu werden im Weiteren insbesondere solche Positionen und Texte zusammengetragen, die im Umfeld der anglo-amerikanischen fernsehwissenschaftlichen Forschung entstanden sind. Diese Vorgehensweise ist darin motiviert, dass sich Teile insbesondere der britischen aber auch der US-amerikanischen Cultural Studies früh mit dem Medium Fernsehen auseinandergesetzt haben und hierzu einschlägige Arbeiten und Konzepte vorliegen. 98 | Freud: Das Unheimliche, S. 10ff. 99 | Freud beschreibt den Animismus als eines der Beispielfelder für das Unheimliche. Vgl. ebd., S. 44. In Carl du Prels frühem Text zum Fernsehen begründet sich das Okkulte des Fernsehens genau darin, dass damit hellseherische Fähigkeiten benannt sind. Vgl. du Prel, Theorie des Fernsehens [1892].

1. Fernsehen und Häuslichkeit

Mobile Privatisierung, consumer durables In der fernsehwissenschaftlichen Forschungsliteratur hat sich der enge Konnex zwischen Fernsehen und Häuslichkeit in der Frage nach der Genese des Fernsehapparats als Haushaltsgegenstand und seiner Funktion im Hinblick auf die Routinen des häuslichen Alltags manifestiert. Dieser Position nach ist der Ort des Fernsehens das Zuhause, „[d]er Fernsehapparat [...] ein weiterer Haushaltsgegenstand“.100 In Anlehnung an diese Perspektive werden Haushaltsgegenstände und -geräte mit der Verhäuslichung des Fernsehens in Verbindung gebracht. Raymond Williams begreift die zunehmende Popularität des Fernsehens im häuslichen Raum als Resultat von Investitionen in Haushaltsgeräte, die im Kontext der Ära der consumer durables [langlebigen Konsumgüter] seit den 1920er-Jahren insbesondere US-amerikanische, britische, deutsche und französische Märkte fluten.101 Dazu gehört auch das Radio, das in der Forschungsliteratur als direkter Vorläufer in der Integration des Fernsehens in den Wohnraum beschrieben wird.102 Bevor der häusliche Raum zum prädestinierten Ort des Fernsehens werden kann, muss er dazu gemacht werden. Anstatt also Fernsehen a priori als häusliches Medium zu begreifen, fragt Williams in seiner einschlägigen Studie Television. Technology and Cultural Form von 1974 nach den Prozessen, die dazu führen, dass es sich als Medium für den Hausgebrauch etabliert. Williams geht den sozialen und kulturellen Entwicklungen, gesellschaftlichen Bedürfnissen und Wünschen sowie ökonomischen Investitionen nach, die dazu beitragen, dass der Familienhaushalt zum Ort des Fernsehens wird.103 So schreibt er: „Sound radio and television, for reasons we shall look at, were developed for transmission to individual homes, though there was nothing in the technology, to make this inevitable.“104 Kennzeichnend hierfür sei im anglo-amerikanischen Raum die gesellschaftliche Entwicklung zur mobilen Privatisierung [mobile privatisation].105 Laut Williams handelt es sich hierbei um eine auf die Industrialisierung 100 | Ellis: Fernsehen als kulturelle Form, S. 46. 101 | Vgl. Williams: Television, S. 26. (Erg. M. M.) Wie das Zitat verdeutlicht, interessiert sich Williams auch für kulturelle Differenzen in der Entwicklungsgeschichte und den Gebrauchsweisen des Mediums Fernsehen, insbesondere im Hinblick auf die USA und Großbritannien. 102 | Ausführlicher hierzu siehe weiter unten „Fragen an den Gegenstand II“. 103 | Die Tatsache, dass das Medium Fernsehen zum Entstehungszeitpunkt der Studie bereits einen festen Ort im häuslichen Raum einnimmt, erschwere dieses Unterfangen und bedinge die breite historische Perspektive, die Williams einnimmt: „This theoretical model of the general development of broadcasting is necessary to an understanding of the particular development of television. For there were, in the abstract, several different ways in which television as a technical means might have developed. After a generation of universal domestic television it is not easy to realise this.“ Ebd., S. 28. 104 | Ebd., S. 24. 105 | Vgl. ebd., S. 26.

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Teil I: Fernsehmöbel zwischen den Orten

zurückgehende Entwicklung, die von zwei paradoxen und miteinander verschränkten Tendenzen gekennzeichnet ist, die er in der Begriffsprägung mobile Privatisierung zum Ausdruck bringt: Zum einen Mobilität und zum anderen Privatisierung. Mit der Freisetzung der Einzelnen, die infolge der Industrialisierung nicht länger in kleinen landwirtschaftlichen Gemeinschaften organisiert sind, neuen Berufsverhältnissen auf dem Arbeitsmarkt und dem Aufkommen neuer Transportwege und neuer Kommunikationstechnologien, gehen auch neue Mobilitätsmöglichkeiten einher.106 Gleichzeitig fördern regelmäßige Gehaltszahlungen und getaktete Arbeitszeiten eine Privatisierung der Einzelnen in Form der Kleinfamilie.107 Diese paradoxe Struktur versinnbildlicht die Entwicklung von der landwirtschaftlichen Gemeinschaft zur industrialisierten Gesellschaft, die sich an urbanen Zentren ausrichtet, und die sich wandelnden kulturellen Praktiken, die damit einhergehen. Die Entwicklung zur mobilen Privatisierung stellt laut Williams einen „complex of change“108 dar, in den verschiedene soziale und politische Faktoren reinspielen. In dieser von Williams nachgezeichneten Konstellation trifft der Rundfunk auf ein gesellschaftliches Bedürfnis, sich zuhause einzurichten und gleichzeitig den Kontakt zur Außenwelt beizubehalten. Der Rundfunk – insbesondere das Medium Fernsehen mit seiner Live-Übertragung von Bildern – verspricht ‚die Welt ins Haus zu holen‘ und treibt die Ideologie der Privatsphäre damit noch einmal weiter an. Fernsehen wird so zur Schnittstelle zwischen der privaten und öffentlichen Sphäre: „Gemeinsam mit weiteren Medien und Konsumgütern (Telefon, Kühlschrank, Auto) ermöglicht das Fernsehen eine intensivierte Verschränkung von erhöhter Mobilität und Rückzug in die Privatsphäre.“109 Mit diesem widersprüchlichen Gefüge von Mobilität und Privatheit zeigt Williams zum einen auf, dass das Häusliche in der spezifischen Formung der in Vorstädten lebenden Kleinfamilien erst hergestellt werden musste. Gleichermaßen verweist er darauf, dass das Familienheim keineswegs nur im Privaten zu verorten, sondern seit jeher auf das Öffentliche angewiesen ist.110 Versinnbildlicht wird dieses Gefüge der Vermittlung zwischen Privatem und Öffentlichem, das auch eines des Rundfunks ist, nicht zuletzt durch die jeweiligen Apparaturen selbst: „Broadcasting, as it had developed in radio, seemed an inevitable model: the central transmitters and the domestic sets.“111 Im Gegensatz zu früheren Technologien des öffentlichen Raums – Williams nennt hier die Eisenbahn und die elektrische Straßenbeleuchtung – ist dem Rundfunk eine Spannung zwischen 106 | Vgl. ebd. 107 | Vgl. ebd., S. 26f. 108 | Ebd., S. 20. 109 | Stauff: Fernsehen/Video/DVD, S. 308. 110 | Vgl. Williams: Television, S. 27. 111 | Ebd., S. 29.

1. Fernsehen und Häuslichkeit

Öffentlichem und Privatem inhärent.112 Eben diese Spannung sei kennzeichnend für consumer durables im Allgemeinen. Hierunter fällt laut Williams ein heterogenes Spektrum an Artefakten: Motorräder, Automobile, Fotokompaktkameras, elektrische Haushaltsgeräte und Radioapparate gleichen sich insofern, als sie als öffentliche und mobile Technologien alle zu unterschiedlichen Graden mit dem privaten Raum verschaltet sind.113 An das Bedürfnis nach Verhäuslichung bei gleichzeitigem Kontakt zur Außenwelt sind maßgebliche Investitionen in die Kleinfamilie gekoppelt. „There were immediate improvements in the condition and efficiency of the privatised home“.114 Bereits mit den 1920er-Jahren begreift die Industrie in den USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich den häuslichen Raum als Ort für den Konsum neuer Produkte. Die oben genannten Konsumgüter lassen sich als kapitalistisches Interesse an der Formung und Instandhaltung des häuslichen Raums als Absatzmarkt lesen.115 Die ökonomischen Interessen an diesem Ort sind so groß, dass sowohl Radio- als auch Fernsehapparate produziert werden, bevor es überhaupt ein Programm gibt: „It is not only that the supply of broadcasting facilities preceded the demand; it is that the means of communication preceded their content.“116 Im Hinblick auf die BRD lässt sich laut Forschungsstand eine ähnliche Entwicklung zur mobilen Privatisierung konstatieren. „Mit der Trennung von Erwerbsarbeit und Wohnen im Zuge des Industrialisierungsprozesses nahm auch die ‚Privatisierung‘ des Wohnbereichs zu.“117 Wenn im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit davon die Rede ist, dass das Medium Fernsehen „verhäuslicht“ wird, dann ist damit genau diese Entwicklung gemeint, insbesondere die Zuspitzung dieses Prozesses zu dem Zeitpunkt, wo die Fernsehempfänger (äußerlich bereits vermöbelt) in die ersten Privathaushalte einziehen. Hickethier diagnostiziert im Hinblick auf die BRD „dass die Etablierung des Geräts eingebunden war in die allgemeine Technisierung der Haushalte, in denen zahlreiche Geräte die Hausarbeit erleichterten und zeitlich verkürzten und wie das Telefon und das Auto die sozialen Kontakte nach außen stärkten.“118

In der deutschsprachigen fernsehwissenschaftlichen Forschungsliteratur wird der Fernsehapparat in Anlehnung an Williams als Schaltstelle in der Vermitt112 | Vgl. ebd., S. 26. 113 | Vgl. ebd. 114 | Vgl. ebd., S. 27. 115 | Vgl. ebd., S. 41. 116 | Ebd., S. 25. (Hervorh. weggel.) 117 | von Saldern, Adelheid: Von der „guten Stube“ zur „guten Wohnung“. Zur Geschichte des Wohnens in der Bundesrepublik Deutschland. In: Archiv für Sozialgeschichte (1995), 35. Jg., S. 227-254, S. 241. 118 | Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 93.

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Teil I: Fernsehmöbel zwischen den Orten

lung zwischen öffentlichem und privatem Raum beschrieben.119 Jedoch sollte der TV-Apparat nicht umgehend die Prioritätenliste der anzuschaffenden Konsumgüter anführen. Vor allem der Kühlschrank hatte Vorrang. Einen der bekanntesten, wenn auch unkonventionellsten Vergleiche zwischen Fernsehapparaten und Haushaltsgegenständen stellt sicherlich John Hartleys Parallelisierung der Einführung des Kühlschranks mit der des Fernsehens in britischen Haushalten dar. „Damit Fernsehen ‚geschehen‘ konnte, mussten die Konsumenten zu Hause sein.“120 Diese Form der häuslichen Sesshaftigkeit ist nicht nur zurückzuführen auf Investitionen von Außen in das Zuhause und eine weit verbreitete Ideologie von Häuslichkeit, sondern – viel grundlegender – auf den Kühlschrank.121 In gewissem Sinne knüpft Hartley damit an Williams’ Ansatz der mobile privatisation an und greift unter den unzähligen consumer durables, denen Williams eine Nähe zum Fernsehen attestiert, explizit den Kühlschrank heraus. Schließlich stellt eben dieser elektrische Haushaltsgegenstand die Basis für die Routinen des modernen Lebens zuhause dar. Einhergehend mit der konservierenden Lebensmittelverwahrung wird die Bindung an das eigene Heim verstärkt, was sich schließlich in veränderten Praktiken des Wohnens äußert. Der Kühlschrank ist folglich ein notwendiger Wegbereiter für die Implementierung des Fernsehens in den häuslichen Raum. Seine These bringt Hartley kurz und eindringlich auf den Punkt: „Ohne Kühlschrank gäbe es kein Fernsehen.“122 Hartley zufolge ist die „Ideologie der Häuslichkeit“,123 in Großbritannien in den 1940er- und 1950er-Jahren jedoch nicht ausschließlich auf Konsumgüter wie den Kühlschrank zurückzuführen. Vielmehr leite sie sich maßgeblich aus dem Grundriss der Wohnung ab. „Die interne Topographie ‚produzierte‘ die Familienfunktionen“.124 Hartley zeichnet in seinem Text eine Genese des Zuhauses nach: „So war das klassische Zuhause geboren – und es passte gleichermaßen gut in städtische Hochhäuser, ausgedehnte Vorstädte wie in ländliche und provinzielle Häuschen.“125 Dieses Zuhause, so zeigt die hier aufgeführte fernsehwissenschaftliche Forschungsliteratur, steht in direkter Wechselwirkung mit dem Medium Fernsehen. 119 | Siehe etwa ebd., S. 85; Stauff: Fernsehen/Video/DVD, S. 308; Steinmaurer: Fernsehgerät, S. 186. 120 | Hartley, John: Die Behausung des Fernsehens. Ein Film, ein Kühlschrank und Sozialdemokratie [1999]. In: Adelmann, Ralf; Hesse, Jan O.; Keilbach, Judith; Stauff, Markus; Thiele, Matthias (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft. Theorie – Geschichte – Analyse. Konstanz: UVK 2002, S. 253-280, S. 263. Übersetzt von Malte Krückels. 121 | Vgl. ebd., S. 263. 122 | Ebd. (Hervorh. weggel.) 123 | Ebd., S. 266. 124 | Ebd., S. 271. 125 | Ebd.

1. Fernsehen und Häuslichkeit

Suburbanisierung und Nachbarschaftsideale Ging es in den vorherigen Abschnitten maßgeblich um die Wechselwirkungen zwischen dem Medium Fernsehen und der Einrichtung des Zuhauses, kommen im Weiteren Formen der Vergemeinschaftung im Sinne der Vorstädte hinzu. Lynn Spigel interessiert sich in ihren Arbeiten zur Verhäuslichung des Fernsehens maßgeblich für das Phänomen der Privatisierung im Sinne von Gemeindeplanung. Die Rückkehr zu traditionellen Familienwerten, die der von Williams untersuchten Phase der mobilen Privatisierung häufig attestiert wird, ist Spigel zufolge widersprüchlicher, als sie auf den ersten Blick erscheinen mag. So sieht sich die auf sich bezogene Kleinfamilie mit dem (maßgeblich durch das Fernsehprogramm perpetuierten) Ideal der nach außen zumindest partiell offenen Nachbarschaftsbeziehungen konfrontiert.126 Den Rahmen dieses Ide als des Gemeinschaftslebens stellt die Formierung der US-amerikanischen Vorstädte, der Suburbs, dar. Laut Spigel geht das sich formierende Suburbia der Nachkriegszeit mit einer neuen Form von Häuslichkeit und einer neuen Wertegemeinschaft einher.127 Auf diese Mentalitäten trifft nun das Medium Fernsehen, das auf den ersten Blick genau in dieses Gefüge zu passen scheint. Häuslichkeit meint in den Vorstädten also nicht den absoluten Rückzug ins Private mittels Fernsehen, sondern eine neue Form der Öffentlichkeit und Vergemeinschaftung im Nachbarschaftsideal. „Der neuen Vorstadtkultur ging es vielmehr ganz wesentlich darum, einen eigenen diskursiven Raum zu schaffen, in dem die Familie vermitteln sollte zwischen den einander entgegengesetzten Ansprüchen des privaten Hafens und der Beteiligung am Gemeinschaftsleben.“128

In Bezug auf diese Verschaltung von innen und außen versteht Roger Silverstone die Suburbs als Materialisierung der mobile privatisation, auch wenn Williams selbst sich in Television. Technology and Cultural Form nicht explizit mit den Vorstädten auseinandersetzt:129 „Clearly the suburb is a product of technological changes, particularly in transport and communications. Williams however, in his characterisation of the mobile privatisation inscribed within the recent generation of communication technologies, points to a powerful tension

126 | Vgl. Spigel, Lynn: Der suburbane Hausfreund. Fernsehen und das Ideal von Nachbarschaft im Nachkriegsamerika. In: Ortlepp, Anke; Ribbat, Christoph (Hg.): Mit den Dingen leben. Zur Geschichte der Alltagsgegenstände. Stuttgart: Steiner 2010, S. 187-217, S. 187. 127 | Vgl. ebd., S. 188. 128 | Ebd. 129 | Vgl. Silverstone, Roger: Television and Everyday Life [1994]. London [u.a.]: Routledge 2007, S. 53.

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Teil I: Fernsehmöbel zwischen den Orten that lies at the heart of suburban life: a tension between mobility and stasis; individuality and collectivity; private and public life.“130

Dieser eher technikdeterministischen Auslegung zufolge materialisiert sich die paradoxe Beziehung von innen und außen, von Abgrenzung und Nähe, in den Wohnarchitekturen der US-amerikanischen Vorstädte, die Siedlungen aus freistehenden Häusern darstellen.131 Neben der Architektur ist die Spannung zwischen innen und außen auch in der Möbelgestaltung und Möblierung des Zuhauses präsent. Ihrer Analyse verschiedener Mediendiskurse entnimmt Spigel, dass dem familiären Zusammenleben und der häuslichen Architektur seit der viktorianischen Ära Entwürfe von Theaterhaftigkeit zugrunde liegen: der häusliche Raum wird als Bühne imaginiert, auf dem die Familienmitglieder ihre sozialen Rollen aufführen. Auch der Einzug des Fernsehens in den häuslichen Raum werde demzufolge von Prinzipien des Theaters geleitet.132 Das Heimtheater steht als bildlicher Topos, der vor allem in der Anzeigenwerbung in Frauen- und Einrichtungszeitschriften prävalent ist, für die – oftmals paradoxale und widersprüchliche – Kopplung von privater und öffentlicher Sphäre. Zum einen sind der Fernseher und das weitere Interieur so aufeinander bezogen, dass sie ein optimales Zuschauervergnügen ermöglichen sollen, d.h. direkt auf die Familienmitglieder ausgerichtet sind. Auf Grundlage dieser mimetischen Annäherung zweier Raumkonzeptionen wird der heimische Fernsehabend zum anderen als Substitut für den Theaterbesuch im öffentlichen Raum inszeniert.133 Viele dieser Anzeigen zeigen Standgeräte, die sich in Form eines Möbelstücks in das häusliche Interieur bzw. die oben beschriebene Darstellungskonvention der Theaterhaftigkeit einfügen.

Fragen an den Gegenstand II Die Frage nach der Verhäuslichung von Fernsehgeräten wird in der anglo-amerikanischen Forschungsliteratur wie oben dargelegt in einen breiteren Zusammenhang zum einen mit weiteren Konsumgütern und zum anderen mit der Vorstadtkultur gebracht, die eine widersprüchliche Tendenz zur mobilen Sesshaftigkeit verdinglichen und eine Öffnung des Privaten nach außen bedeuten. Hieran anschließend fällt auf, dass die Frage nach der Gestaltung von Fernsehmöbeln in der Literatur aus einem technischen Argument heraus gestellt wird. Das Radio 130 | Ebd. 131 | Vgl. Spigel: Der suburbane Hausfreund, S. 188. 132 | Vgl. Spigel, Lynn: Medienhaushalte. Damals und heute. In: Bartz, Christina; Miggelbrink, Monique (Hg.): Zeitschrift für Medienwissenschaft (2/2013), H. 9, Themenschwerpunkt „Werbung“, S. 79-94, S. 80. 133 | Vgl. ebd., S. 81.

1. Fernsehen und Häuslichkeit

wird als wesentlicher Vorläufer des Mediums Fernsehen modelliert unter der Annahme, dass eine weitestgehend identische technische Leistung eine identische Gestaltung bedinge.134 Wichtigstes Kriterium ist hier, dass beide technischen Medien den Kontakt nach außen gewähren und privaten und öffentlichen Raum miteinander verschalten. Statt also wie in Aussicht gestellt das Haus zu beobachten, beobachtet die in diesem Unterkapitel diskutierte Literatur somit eher eine bestimmte technische Leistung. Argumentiert man jedoch aus einer Wohnungsperspektive heraus, so kommt man auf andere Vorläufer. Ein Wechsel auf die Seite der Einrichtung und Möbel macht auch ganz andere Gegenstände, wie den Fernsehapparat, als Möbel beobachtbar. Im Analyseteil der vorliegenden Arbeit werden u.a. solche Fragen nach den Vorläufern des Fernsehmöbels systematisiert und weniger aus der Technik heraus argumentiert, sondern aus der Einrichtung. Wer sich für die Frage interessiert, warum Fernsehapparate im häuslichen Raum zu einer bestimmten Zeit als Möbel erscheinen, kann sich nicht ausschließlich mit dem Einzelmedium beschäftigen. In diesem Sinne wird es darum gehen, die Gestaltung der Apparate mit den Einrichtungspraktiken bzw. der Wohnkultur in der BRD in den 1950er- und 1960er-Jahren zusammenzudenken. Hierfür wird das Gehäuse als wichtige Schnittstelle zwischen Design und Gebrauch modelliert (siehe Teil II, Kapitel 1.2 und Teil III, Kapitel 2). In diesem Zusammenhang erscheint es lohnenswert, die Design-Perspektive zu vertiefen und die Gestaltung der Apparate als Möbel genauer in den Blick zu nehmen. Inwiefern korreliert die Gestaltung von Fernsehapparaten mit weiteren Geräten und Einrichtungsgegenständen im häuslichen Umfeld, wie es Hartley besonders im Hinblick auf den Kühlschrank untersucht? Darüber hinaus deutet sich am Beispiel der Vorläufer bereits an, dass kulturelle Differenzen eine tragende Rolle in der Verhäuslichung von Fernsehapparaten spielen. Für Bernhard Siegert stellt die Vermittlung zwischen innen und 134 | In der fernsehwissenschaftlichen Forschung beschreiben neben Williams vor allem Spigel und Hickethier das Radio als den einschlägigen Vorläufer des Mediums Fernsehen. Neben einer technischen Nähe weisen Radio und Fernsehen diesen Positionen zufolge vor allem im Hinblick auf ihr Apparate-Design eine strukturelle Ähnlichkeit auf. Hickethier bezeichnet das Radiogerät als den wesentlichen Vorläufer des Fernsehgeräts insofern, als sich die Entwicklung der Form des Fernsehers vom unförmigen Kasten zum in jede noch so kleine Wohnung integrierbaren Tischgerät an der Entwicklung der Gestaltung des Radios orientiert. Vgl. Hickethier: Der Fernseher, S. 165. Ist der Vergleich zwischen Radio- und Fernsehapparat in beiden Positionen noch sehr detailliert ausgearbeitet, werden weitere Vorläufer nur kurz erwähnt. Zwar merkt Spigel an, dass der Fernseher in US-amerikanischen Wohnzimmern den Platz einnimmt, den vorher der Kamin, das Piano und das Grammophon inne gehabt hätten. Vgl. Spigel, Lynn: Make Room for TV: Television and the Family Ideal in Postwar America. Chicago [u.a.]: The University of Chicago Press 1992, S. 24, S. 38. Diese Vergleiche führt sie jedoch nicht weiter aus. Darüber hinaus nehmen sie in ihrer Arbeit keinen systematischen Stellenwert ein. Für die vorliegende Arbeit weisen sie jedoch schon in die Richtung, dass man aus der Perspektive des Inneren des Hauses auf andere Vorläufer kommt, wenn man die Wohnkultur miteinbezieht (weitere Ausführungen hierzu siehe Teil III, Kapitel 2).

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Teil I: Fernsehmöbel zwischen den Orten

außen, wie sie sich in Form des Hauses materialisiert, eine zentrale Kulturtechnik dar, die kulturell jeweils unterschiedlich funktioniert: „There is no such thing as the house, or the house as such, there are only historically and culturally contingent cultural techniques of shielding oneself off and processing the distinction between inside and outside.“135

Hieran anschließend kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Entwicklung zur mobilen Privatheit allen ähnlichen Entwicklungen in den USA und der BRD zum Trotz gleich gestaltet. Dies lässt sich bereits an dieser Stelle schlaglichtartig an den unterschiedlichen Vorstadt- und Wohnkulturen in einem Ländervergleich darlegen. So setzt sich das Wohnen in Kleinfamilien in der Bundesrepublik aufgrund der Zäsur im Zweiten Weltkrieg erst später durch als in den USA. Nach vielen Jahrzehnten andauernden Bestrebungen erreicht das Leitbild der geschlossenen Kleinfamilie über die ‚geschlossene Kleinwohnung‘ als kultureller Normaltyp erst Anfang der 1950er-Jahre seinen Höhepunkt.136 Das kleinfamiliäre Wohnen in der jungen Bundesrepublik nimmt zudem eine andere Form an als in den USA. „Der Massenwohnungsbau der 50er Jahre konzentrierte sich zunächst auf die Städte, Priorität hatten mehrgeschossige Mietwohnungshäuser.“137 Statt an der Peripherie in Vorstädten wohnt man zentrumsnah, was darauf zurückzuführen ist, dass die Innenstädte am stärksten zerstört sind und am schnellsten wieder aufgebaut werden. Da der soziale Wohnungsbau alle Bevölkerungsschichten betrifft und zuweilen Besserverdiener bevorzugt werden, bleibt den unteren Arbeiterklassen in der Regel nur das Wohnen in Altbauwohnungen mit schlechten Ausstattungsstandards.138 Hinzu kommt, dass diese Wohnungen häufig mittels Untermietern finanziert werden. Laut Studien der empirischen Sozialforschung träumen viele bundesdeutsche Mieter in den 1950er-/1960er-Jahren von einem Eigenheim am Stadtrand, wo der Wohnraum weniger zerstört ist als in den Mietwohnungszentren in den Innenstädten.139 Damit ist die bundesdeutsche Wohnsituation weniger vergleichbar mit den USA als mit den prekären Wohnumständen, wie sie in Großbritannien vorzufinden sind.140 135 | Siegert, Bernhard: Cultural Techniques: Or the End of the Intellectual Postwar Era in German Media Theory. In: Theory, Culture & Society (2013), Jg. 30, H. 6, S. 48-65, S. 57. Zum Begriff der Kulturtechniken siehe Teil II, Kapitel 2.2. 136 | Vgl. von Saldern, Adelheid: Häuserleben. Zur Geschichte städtischen Arbeiterwohnens vom Kaiserreich bis heute. Bonn: Dietz 1995, S. 301. 137 | Schildt: Moderne Zeiten, S. 51. 138 | Vgl. ebd., S. 92. 139 | Vgl. ebd., S. 94. 140 | Hartley geht in seiner Analyse der Integration des Mediums Fernsehen in den Wohnraum von eben diesen Wohnproblemen in Großbritannien seit den 1930er-Jahren und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg aus. Ähnlich wie in der Bundesrepublik sind die

1. Fernsehen und Häuslichkeit

Die Vorstadtkultur der USA bedeutet ein Wohnen weit weg vom Zentrum. Das Fernsehen schafft eine Verbindung zwischen diesen Orten. In Deutschland ist dieser Aspekt wie oben dargelegt weniger stark. In Teil III der vorliegenden Arbeit wäre deshalb auch zu fragen, zu was für einer Wohnkultur sich das Fernsehen in der Bundesrepublik in Beziehung setzt. In zeitgenössischen Diskursen zum Fernsehen scheint weniger die Vorstadt, sondern mehr der Arbeiter, der sich abends in seiner guten Stube müde vor den Fernsehapparat setzt, „der da mit Hausschuhen und Strickweste bekleidet sitzt, seine Bratkartoffeln und sein Bier konsumiert“141 konstitutiv für die Verhäuslichung des Fernsehens zu sein. Innerhalb weniger Jahre verschiebt sich die schichtspezifische Nutzung des Mediums Fernsehen komplett: Ist es wie weiter oben bereits dargelegt Anfang der 1950er-Jahre vornehmlich in Selbstständigen- und Angestelltenhaushalten vorzufinden, so entwickeln diese Nutzerkreise im Laufe des Jahrzehnts eine ablehnende Haltung gegenüber dem Fernsehen. Auch wenn Spigels Studien zur Inkorporierung des Fernsehapparats in den häuslichen Raum in den USA ein zentraler Referenzpunkt für die vorliegende Arbeit sind, mag folgendes kurzes Beispiel an dieser Stelle bereits andeuten, dass die Verhäuslichung von Fernsehapparaten als Möbel in der BRD nicht nur aufgrund einer anderen Vorstadtkultur später und anders verläuft. Ein wesentlicher Grund hierfür findet sich in den kulturellen Unterschieden im Einrichten. Im american way of life gibt es die in Deutschland gängige Einrichtungspraxis der sogenannten „guten Stube“ nicht. Wie Spigel herausstellt, wird der Fernsehapparat in den USA zum integralen Bestandteil des Leitbilds des offenen Wohnens, insbesondere in Form der räumlichen Zusammenführung von Küche und Wohnzimmer.142 Einige Architekten und Vertreter des sozialen Wohnungsbaus in der BRD orientieren sich an dieser Maxime und bauen offene Küchen. Statt sich jedoch diesen Vorgaben im Wohnen anzupassen, richten sich etwa Bewohner des Hansaviertels in Berlin anders ein, als von den zuständigen Autoritäten geplant (Abb. 6): „In einem besonderen Falle wurde durch Mieterimprovisation eine ‚offene‘ Küche in eine geschlossene Küche und Durchreiche verwandelt: in die Öffnung zwischen Küche und Wohnraum wurden zwei Buffets gestellt, deren Rückwände sich als Durchreiche öffnen lassen; zusätzlich wurde der Schrankraum in der knapp ausgestatteten Küche erweitert.“143

Wohnungen dort viel zu klein, um einen Fernsehapparat darin unterzubringen. Hartley: Die Behausung des Fernsehens, S. 262. 141 | Kerneck, Heinz: Beziehung zwischen Kultur, Massenmedien und Gesellschaft. In: Rundfunk und Fernsehen (1962), 10. Jg, H. 3, S. 225-231, S. 228; zu diesem „populäre[n] Bild vom fernsehenden Zuschauer“ siehe auch Hickethier: Geschichte des deutschen Fernsehens, S. 61. 142 | Vgl. Spigel, Make Room for TV, S. 91. 143 | Meyer-Ehlers, Grete: Wohnerfahrungen. Ergebnisse einer Wohnungsuntersuchung. Wiesbaden [u.a.]: Bauverlag 1963, S. 98.

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Teil I: Fernsehmöbel zwischen den Orten

Das Bedürfnis, den Wohnraum in einzelne Bereiche zu trennen, zeigt sich nicht nur an einer eigenwilligen Einrichtung wie dieser. In der BRD der Nachkriegszeit werden der Maxime des offenen Wohnens nach dem Prinzip der Gemütlichkeit eingerichtete Wohnzimmer entgegengesetzt. Wie in der Materialanalyse noch herauszustellen ist, fügt sich der Fernsehapparat als Möbel qua Gestaltung als gemütliches Objekt in dieses Umfeld ein und verstärkt gleichzeitig die Sesshaftigkeit der Bewohner. Anhand von Beispielen wie diesem werden im Weiteren Einrichtungspraktiken im Hinblick auf das Fernsehmöbel als Strukturentstehung jenseits geplanter Prozesse beschrieben (siehe hierzu den Begriff der Automatismen in der Einleitung sowie in Teil III, Kapitel 3). Im folgenden Kapitel geht es nun darum, die Desiderate des Domestizierungsansatzes zur Verhäuslichung von Medientechnologien zu markieren, um daran anknüpfend nach geeigneten Theorien, Methoden und Begriffen zu fragen, mit denen sich die Möbelhaftigkeit des TV-Apparats beschreiben lässt.

Abb. 6: Improvisierte Durchreiche zwischen Küche und Wohnraum

2. Theorieangebote zur Verhäuslichung von Fernsehgeräten als Möbel Im vorherigen Kapitel wurden einschlägige Studien zum Forschungsgegenstand Fernsehmöbel zusammengetragen und Desiderate markiert. Im Folgenden wird nun eine populäre methodisch-theoretische Bezugnahme zum Wohnen mit Medien vorgestellt, nämlich der Domestizierungsansatz. Diese Wahl liegt zunächst einmal darin begründet, dass es sich hierbei in der medien- und kommunikationswissenschaftlichen Forschung um einen zentralen Ansatz in der Beschreibung der Verhäuslichung von Medien handelt. Da sich der Ansatz für Medienhandeln im Alltag interessiert und sich dabei auch Prozessen der Aneignung von Medien im Hinblick auf die Wohnungseinrichtung widmet, gehen von ihm wichtige Impulse für die Frage nach der Verhäuslichung des Mediums Fernsehen aus und damit zusammenhängend nach den sozialen und kulturellen Ungleichheiten, die mit dem Gebrauch von Fernsehmöbeln einhergehen. Im Weiteren wird der Ansatz nun kurz vorgestellt, mit dem Ziel, für das vorliegende Projekt zentrale Fragen und Problemstellungen herauszuarbeiten. Gleichzeitig geht es darum, den Ansatz kritisch zu hinterfragen und herauszustellen, dass vor allem drei Konzepte des Ansatzes, nämlich Kontext, Aneignung und Designaspekte im Hinblick auf die Möbelhaftigkeit des Mediums Fernsehen zu kurz greifen. Die markierten Desiderate machen deutlich, dass es weiterer Begriffe und Methoden bedarf, um das Phänomen Fernsehmöbel zu beschreiben. In Teil II wird daran anschließend zu zeigen sein, dass sich die Designforschung – hier maßgeblich die Disziplin der Designgeschichte – und die Akteur-Netzwerk-Theorie wie in der Einleitung bereits angekündigt in besonderer Weise eigenen, um den hier markierten Desideraten zu begegnen und eine eigene Möbel-Perspektive auf das Medium Fernsehen zu entwickeln. Das vorliegende Kapitel endet mit einer kurzen Hinführung zu eben diesem nächsten Teil der Arbeit, um bereits schlaglichtartig darzulegen, in welchen Aspekten Designgeschichte und ANT Ansätze liefern, mit denen sich den Desideraten des Domestizierungsansatzes begegnen lässt.

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Teil I: Fernsehmöbel zwischen den Orten

2.1 Der Domestizierungsansatz: Zur Verhäuslichung von Medien(-technologien) Volkskundliche Studien: Technik und Alltag Mit seinem 1983 erschienenen Aufsatz „Alltag, Technik, Medien“1 zeichnet der deutsche Ethnologe Hermann Bausinger den mediendurchsetzten Wochenendalltag der Familie Meier nach, einer fiktiven Durchschnittsfamilie in der BRD. Die Übersetzung ins Englische ein Jahr später macht seinen Ansatz auch im anglo-amerikanischen Raum bekannt.2 Für den sich zu Beginn der 1990er-Jahre im Umfeld der britischen Cultural Studies formierenden Domestizierungsansatz avanciert die Publikation zum Grundlagentext. Bausinger macht darin darauf aufmerksam, dass die Beschäftigung mit Alltagskultur erst seit kurzem Konjunktur in der Wissenschaft habe.3 Sein Anliegen ist es denn auch, die „spezifische Semantik des Alltäglichen“4 herauszuarbeiten. Bausinger stellt fest, dass der häusliche Raum durchsetzt ist von Medien. In seiner Analyse beschäftigt er sich folglich nicht exklusiv mit Einzelmedien, sondern dem Zusammenspiel eines Medienensembles: „Wer sich sinnvoll mit dem Gebrauch von Medien auseinandersetzt, muß verschiedene Medien ins Auge fassen, er muß rechnen mit dem Medienensemble, mit dem heute jedermann umgeht“.5 Bausingers Text ist eine Abbildung beigefügt, die die These der Bedeutung von Medienensembles für eine Ethnografie des Alltags zwar illustriert, von Bausinger aber weder weiter inhaltlich thematisiert noch methodisch produktiv gemacht wird (Abb. 1). Auch wenn diese Abbildung – wie Bausingers Text generell – nicht explizit auf das Fernsehmöbel abhebt, so stellt sie doch einen wichtigen Ansatzpunkt für das vorliegende Forschungsvorhaben dar. Die Abbildung stellt ein prototypisches Wohnzimmer dar, das – getrennt durch einen Raumteiler – an ein Esszimmer und eine Küche grenzt. Das gesamte Mobiliar des Wohnzimmers scheint auf das Fernsehgerät hin ausgerichtet zu sein, das sich gut sichtbar platziert in einer Schrankwand befindet, und umgeben ist von weiteren Medien wie einem Bücherregal, einer Stereoanlage, Lautsprecherboxen, einem Globus, einem Fernrohr, einer Aufsatzuhr, einer Porträtbüste und einem mehrbändigen Lexikon. Auf der Couch sitzt direkt vor dem Fernsehapparat ein männlicher Zuschauer. 1 | Bausinger, Hermann: Alltag, Technik, Medien. In: Pross, Harry; Rath, Claus-Dieter (Hg.): Rituale der Medienkommunikation. Gänge durch den Medienalltag. Berlin: Guttandin & Hoppe 1983, S. 24-36. 2 | Bausinger, Hermann: Media, Technology and Daily Life. In: Media, Culture & Society (1984), 6. Jg., H. 4, S. 343-351. Übersetzt von Liliane Jaddou und Jon Williams. 3 | Vgl. Bausinger: Alltag, Technik, Medien, S. 24. 4 | Ebd., S. 25. 5 | Ebd., S. 33.

2. Theorieangebote zur Verhäuslichung von Fernsehgeräten als Möbel

Abb. 1: Verhäuslichung des Mediums Fernsehen aus der Perspektive des Domestizierungsansatzes (1984)

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Aus diesem bildlich vermittelten Setting lassen sich zwei wesentliche Argumente Bausingers ableiten, die zentral für den sich später formierenden Domestizierungsansatz werden sollen: Zum einen, dass sich die Bedeutung von Medientechnik im Alltag nicht über Einzelmedien, sondern Medienensembles erschließt; zum anderen, dass der Kontext, also das Zuhause, die Medienrezeption prägt. Aus dieser Perspektive heraus wird Medienrezeption erst dann plausibel, wenn das gesamte Ensemble an Medien im Kontext des Alltags untersucht wird. Bausingers Arbeiten aus volkskundlicher bzw. ethnologischer Perspektive erweisen sich für den Domestizierungsansatz als eine Schnittstelle zu Fragen nach dem Wohnen mit Medien.6 Schließlich modelliert der Ansatz das Zuhause als den zentralen Kontext der Medienrezeption, d.h. als einschlägigen Ort der Etablierung neuer Medien und deren Aneignung.

Der Domestizierungsansatz Die von Bausinger angesprochene Nähe von Medien und Technik zum Alltag verdeutlicht sich nicht zuletzt darin, dass das Konzept der Domestizierung von Medientechnologien später sowohl im Umfeld der Medien- und Kommunikationswissenschaften als auch der Science and Technology Studies entwickelt wird.7 Diese zwei unterschiedlichen Disziplinen beeinflussen sich gegenseitig.8 Der Domestizierungsansatz medien- und kommunikationswissenschaftlicher Prägung konstituiert sich Anfang der 1990er-Jahre in Großbritannien. Unter Bezugnahme auf Bausingers Aufsatz geht es in der frühen Phase vor allem darum, Medien – und hier insbesondere das Medium Fernsehen – nicht länger isoliert, sondern als Teil eines häuslichen Medienverbunds zu betrachten. Dem Medium Fernsehen kommt im Domestizierungsansatz eine exzeptionelle Rolle zu und er wurde gewissermaßen paradigmatisch am Gegenstand des Fernsehens bzw. der Verhäuslichung des Fernsehens entwickelt. 6 | Siehe etwa Bausingers Arbeiten zum Wohnbau. Bausinger, Hermann; Braun, Markus; Schwedt, Herbert: Neue Siedlungen. 2. erw. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer 1963. 7 | Vgl. Hartmann, Maren: Domestication of Technology. In: Donsbach, Wolfgang (Hg.): The International Encyclopedia of Communication. Volume IV. Digital Imagery – Fictional Media Content. Oxford [u.a.]: Blackwell 2008, S. 1413-1415, S. 1413. 8 | Zur Nähe zwischen den beiden Disziplinen im Hinblick auf Fragen der Domestizierung von Technik siehe auch Teil II, Kapitel 2, in dem kurz Roger Silverstones Bezugnahme auf die Science and Technology Studies, genauer die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) dargelegt wird. Siehe Silverstone, Roger: Television and Everyday Life [1994]. London [u.a.]: Routledge 2007, S. 84f. In diesem Teil wird auch auf Arbeiten eingegangen, die weniger grundlegend, sondern am Gegenstand der Verhäuslichung bestimmter (Alltags-)Technologien, wie etwa der Mikrowelle, nach der Anwendbarkeit der ANT im Rahmen des Domestizierungsansatzes fragen. Siehe etwa Cockburn, Cynthia: The Circuit of Technology. Gender, Identity and Power. In: Silverstone, Roger; Hirsch, Eric (Hg.): Consuming Technologies. Media and Information in Domestic Spaces. London [u.a.]: Routledge, S. 32-47.

2. Theorieangebote zur Verhäuslichung von Fernsehgeräten als Möbel

Der Begriff „Domestizierung“ wird als Metapher verwendet, um die Zähmung ‚wilder‘ Medientechnologien – ähnlich einem wilden Tier – im Haushalt zu beschreiben. Dieser Vorgang der ‚Zähmung‘ umfasst dem Ansatz zufolge vier Phasen, und zwar (1) appropriation, (2) objectification, (3) incorporation, (4) conversion.9 Diese Phasen stellen einen Zyklus der Aneignung von Medien im häuslichen Raum dar, in dem die Orte der Produktion mit denen des Gebrauchs zusammengedacht werden: So fokussieren die zweite und dritte Phase den häuslichen Raum als Schauplatz der Medienaneignung, indem sie nach der Platzierung von Medientechnik im häuslichen Raum (objectification) und nach ihrer Integration in häusliche Routinen (incorporation) fragen. Phase eins und vier wiederum setzen den häuslichen Raum in Beziehung zur außerhäuslichen gesellschaftlichen Sphäre, indem Aspekte der Überführung zwischen innen und außen angesprochen werden (appropriation, conversion).10 Auch wenn der Ansatz insbesondere im Hinblick auf das Medium Fernsehen modelliert ist, geht es doch immer auch darum, das gesamte „media ensemble“ zuhause in den Blick zu nehmen.11

Kontext Unter dieser Perspektive geht die HICT-Studie (kurz für: The Household Uses of Information and Communication Technologies), die Beginn der 1990er-Jahre von Roger Silverstone, David Morley, Eric Hirsch und Leslie Haddon federführend gestaltet wird, der Implementierung und Aneignung von Medientechnologien im Kontext des Alltags, genauer im Haushalt, nach. Zentrale Denkfigur ist dabei der Austausch von Bedeutungen im Hinblick auf die jeweilige Medientechnologie, d.h. die Wechselwirkungen zwischen der öffentlichen und der privaten Sphäre. Die meisten Forschungsprojekte, die in diesem Rahmen entstehen, sind ethnographisch ausgerichtet.12 Kennzeichnend für diese Arbeiten sind sowohl 9 | Vgl. Silverstone, Roger; Hirsch, Eric; Morley, David: Information and Communication Technologies and the Moral Economy of the Household. In: Silverstone, Roger; Hirsch, Eric (Hg.): Consuming Technologies. Media and Information in Domestic Spaces. London [u.a.]: Routledge, S. 15-31, S. 21. Im Zuge einer kritischen Rezeption wurde vorgeschlagen, das Modell um weitere Phasen zu ergänzen, und etwa commodification und imagination an den Anfang zu setzen. Vgl. Hartmann: Domestication of Technology, S. 1414. 10 | Vgl. Röser, Jutta: Der Domestizierungsansatz und seine Potenziale zur Analyse alltäglichen Medienhandelns. In: dies. (Hg.): MedienAlltag. Domestizierungsprozesse alter und neuer Medien. Wiesbaden: VS Verlag 2007, S. 15-30, S. 21. 11 | Morley, David; Silverstone, Roger: Communication and Context: Ethnographic Perspectives on the Media Audience. In: Jensen, Klaus Bruhn; Jankowski, Nicholas W. (Hg.): A Handbook of Qualitative Methodologies. London: Routledge 1991, S. 149-162, S. 151. 12 | Gerade in den frühen Jahren ist das Ideal der (teilnehmenden) Beobachtung von Haushalten vorherrschend. Diese Methode wird jedoch schnell ersetzt durch qualitative Interviews, welche bis heute die dominante Methode des Forschungszweigs darstellen. Vgl. Hartmann:

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gegenwartsbezogene als auch historische Analysen zum häuslichen Medienkonsum, die damit auch Vergleiche zwischen den unterschiedlichen Durchsetzungsprozessen – etwa von Radio, Telefon und Fernsehen sowie inzwischen auch PC und Internet – perspektivieren.13 Laut Maren Hartmann ist die Betonung des Kontexts der Aneignung zurückzuführen auf die Nähe zu den Cultural Studies und feministische Perspektiven auf den Gegenstand.14 Nimmt Bausinger in seinem Aufsatz noch dezidiert eine Mikro-Perspektive in Bezug auf den Mediengebrauch zuhause ein, ist es für darauf folgende Arbeiten des Domestizierungsansatzes charakteristisch, dass sie die Dimension der häuslichen Sphäre in Wechselbeziehung mit der öffentlichen denken. Zwar ist auch hier, ähnlich wie bei Bausinger, das Medienensemble im Haushalt von Gewicht; jedoch meint Domestizierung einen Prozess, der nicht nur die häusliche Rezeption, sondern auch die Makro-Ebene, etwa in Form der Entwicklung und Produktion von Medientechnologien, inkludiert. Zum einen werden damit Fragen nach dem Kontext des Mediengebrauchs virulent, zum anderen wird mit der Diffusionsperspektive die Schnittstelle der Implementierung neuer Medientechnologien in die häusliche Sphäre angesprochen.15 So schreibt Jutta Röser, die maßgeblich zur Rezeption des Ansatzes im deutschsprachigen Raum beigetragen hat: „Der Domestizierungsansatz stellt [...] das Häusliche als Kontext des Medienhandelns und als Diffusionsimpuls für neue Medien in das Zentrum. Damit ist immer auch die Frage nach den Interdependenzen zwischen der häuslichen und der außerhäuslichen (öffentlichen, gesellschaftlichen, arbeitsweltlichen) Sphäre verbunden.“16

Der häusliche Raum und seine Verbindung zur Außenwelt sind die zentrale Denkfigur, über die alle Begrifflichkeiten des Forschungsansatzes funktionieren. Im Hinblick auf das Medium Fernsehen wird das Häusliche bzw. die Familie als maßgeblicher Kontext der Mediananeignung, d.h. als Ort an dem ferngesehen wird, modelliert. Hier wird danach gefragt, wie fernsehspezifische Bedeutungen vom außerhäuslichen in den häuslichen Raum gelangen und vice versa. Domestication of Technology, S. 1414. „In der deutschen Medienforschung ist das Zuhause als Ort des Medienhandelns bislang kaum explizit in den Blick geraten. In den USA und Großbritannien entstanden dagegen schon in den 1980er Jahren einige einflussreiche ethnografische Studien im Rahmen der sich entwickelnden Cultural Studies. Obwohl diese wesentlich durch die Arbeiten des deutschen Kulturwissenschaftlers und Ethnologen Hermann Bausinger mit inspiriert wurden, fanden diese ethnografischen Ansätze in Deutschland bis heute nur in Ausschnitten Beachtung.“ Röser: Der Domestizierungsansatz, S. 16. 13 | Vgl. Röser: Der Domestizierungsansatz, S. 26. 14 | Vgl. Hartmann: Domestication of Technology, S. 1413. 15 | Vgl. Röser: Der Domestizierungsansatz, S. 15. 16 | Ebd., S. 16.

2. Theorieangebote zur Verhäuslichung von Fernsehgeräten als Möbel

Aneignung: Mikro- und Makropolitiken des Wohnzimmers David Morley spitzt diese Perspektive weiter zu, indem er sich auf einen spezifischen Ort des Zuhauses und Kontext des Fernsehkonsums konzentriert, nämlich das Wohnzimmer. Unter dem Slogan „Politik des Wohnzimmers“17 macht Morley Konzepte des Raums, der Geographie und Topografie für den Domestizierungsansatz stark. Ziel seiner Studien ist es, anhand von Mikroanalysen im häuslichen Raum dessen Verschaltung mit gesamtgesellschaftlichen Makroprozessen herauszuarbeiten. „Wenn es eine der zentralen Funktionen von Kommunikationssystemen ist, unterschiedliche Räume zu konstituieren (das Öffentliche und das Private, das Nationale und das Internationale), und wenn dabei notwendigerweise Grenzen überschritten werden (sei es die Grenzen um den Handel oder um die Nation), dann muß unser analytischer Rahmen sowohl auf die Mikro- wie auch auf die Makro-Ebene angewendet werden können.“18

In diesem Konzept ist die Makro-Ebene konstitutiv für die Analyse der Mikro-Ebene (und umgekehrt). Das Wohnzimmer ist daran anschließend als eine Schnittstelle zu verstehen, wo beide Sphären aufeinandertreffen. Hinsichtlich der Mikro-Makro-Frage interessiert sich Morley besonders für „die symbolischen und materiellen Ressourcen, die für die verschiedenen Formen der kulturellen Konsumtion benötigt werden“.19 Es sind die Ressourcen des häuslichen Raums, insbesondere des Wohnzimmers, die Morley in seiner für die Fernsehwissenschaft wegweisenden qualitativen Studie Family Television. Cultural Power and Domestic Leisure20 analysiert. In Abgrenzung zur methodischen Vorgehensweise in seiner vorhergehenden Studie Nationwide,21 bei der die Einzelbefragungen zum Fernsehverhalten noch außerhalb des Rezeptionskontexts stattfinden, konzentriert sich Morley hier ganz auf den Fernsehkonsum zuhause: „in this new research project the decision was taken to interview families, as family groups, in their own homes – so as to get a better understanding of the ways in which television is watched in its ‚natural‘ domestic context.“ 22

17 | Morley, David: Where the Global Meets the Local: Aufzeichnungen aus dem Wohnzimmer. In: montage/av (1997), 6. Jg., H. 1, S. 5-35, S. 8. 18 | Ebd., S. 7. 19 | Ebd., S. 12. 20 | Morley, David: Family Television. Cultural Power and Domestic Leisure. London [u.a.]: Routledge 1988. 21 | Morley, David: The ‚Nationwide‘ Audience: Structure and Decoding. London: BFI 1980. 22 | Morley: Family Television, S. 41. Die Interviews finden im Frühjahr 1980 statt, insgesamt befragt Morley 18 britische Familien in ihrer häuslichen Umgebung.

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Teil I: Fernsehmöbel zwischen den Orten

Darüber hinaus geht Morley in Family Television, wenn auch lediglich in einer Randnotiz, dem Aspekt der Möblierung des Wohnzimmers im Hinblick auf den Fernsehapparat nach. So leitet er etwa den geringen Fernsehkonsum einer Probanden-Familie von der Möblierung des Wohnzimmers ab; letztere sei kaum am Fernsehgerät ausgerichtet, wie es bei häufig einschaltenden Familien der Fall sei.23 In diesem Zusammenhang geht es auch um die geschlechtsspezifische häusliche Aneignung von Medientechnologien. Morley stellt hierzu in seiner Studie gleich mehrere Gender-Aspekte im Hinblick auf den Fernsehkonsum von Frauen heraus. Aus den Interviews gehe hervor, dass Frauen das Fernsehen häufig als Nebenbeimedium nutzen, um parallel häuslichen Tätigkeiten nachzugehen: „Indeed, many of the women feel that to just watch television without doing anything else at the same time would be an indefensible waste of time, given their sense of their domestic obligations.“24 Neben diesem partiellen Ausschluss von Frauen aus der familiären Sphäre der Freizeit und Erholung stellt Morley ein männliches Monopol auf die Wahl des Fernsehprogramms fest, das sich in Form der Beherrschung der Fernbedienung manifestiere. Weibliche Programmwünsche würden selten berücksichtigt; stattdessen beschweren sich Frauen im Interview über das männliche Zappingverhalten.25 Im Anschluss an die Erkenntnisse dieser frühen ethnografischen Studie geht es im Domestizierungsansatz darum, im Sinne der double articulation nach den Mikro- und Makro-Strukturen im Hinblick auf die geschlechtsspezifischen Codierungen von Medien zu fragen. Die „Politik des Wohnzimmers“26 bestehe demzufolge darin, dass die Geschlechterverhältnisse zuhause gesamtgesellschaftliche geschlechtsspezifische Ungleichheiten informieren und vice versa: „Die gesellschaftliche Geschlechterhierarchie wird im medialen Alltagshandeln innerhalb der häuslichen Gemeinschaften gelebt, aber sie wird auch verschoben und dadurch wird gesellschaftlicher Wandel angestoßen – diesen Bedeutungsverschiebungen gilt das besondere Interesse.“27

Statt etwa lediglich festzustellen, dass die männliche Vorherrschaft über die Fernbedienung gesamtgesellschaftliche Geschlechterhierarchen spiegele, geht es darum, zu fragen, inwiefern sich solche Zuschreibungen im Domestizierungsprozess auch ändern können. Das Gendering von Technologien in der frühen Phase ihrer Verhäuslichung wechselt dann zu einem De-Gendering, indem eine Technologie zu einem allgemein genutzten Alltagsgegenstand wird.28 23 | Vgl. ebd., S. 118. 24 |  Ebd., S. 150. 25 |  Vgl. ebd., S. 148. 26 |  Morley: Where the Global Meets the Local, S. 8. 27 |  Röser: Der Domestizierungsansatz, S. 25. 28 |  Vgl. ebd., S. 24.

2. Theorieangebote zur Verhäuslichung von Fernsehgeräten als Möbel

Dieser oberflächlich erst einmal als Demokratisierung in der Geschlechterhierarchie erscheinende Prozess bedeutet aber nicht, dass eine Medientechnologie nun ‚neutral‘ in der Aneignung ist. Stattdessen geht der Domestizierungsansatz von einer tendenziellen Unsichtbarkeit der Machtverhältnisse im Alltag aus: „Im Prozess der Domestizierung und Alltagsintegration können Technologien als Technologien unsichtbar werden“.29 Indem die neuen Medientechniken in bestehende häusliche Ökonomien eingebunden werden, verunsichtbaren sich auch geschlechtsspezifische Nutzungsweisen. Grundsätzlich folgen die bisher referierten Studien des Domestizierungsansatzes der Prämisse, dass erst die Nutzer den Technologien Bedeutung geben. Im Rahmen der Rezeptionsforschung in den Cultural Studies sind zwei Auslegungen des Begriffs „Aneignung“ auszumachen, zum einen als Rezeption von Medientexten und zum anderen als situatives Medienhandeln.30 In einer ersten Welle der Aneignungsforschung, die einen Ausgangspunkt in Stuart Halls Text „Encoding/Decoding“31 findet, wird Rezeption (von Medieninhalten/-texten) als Aneignung verstanden. Auf dieses Verständnis aufbauend, löst der Domestizierungsansatz eine zweite Welle der Aneignungsforschung aus, deren Arbeiten mittels ethnografischer Methoden Rezeption in Alltagskontexten erforschen.32 Hier wird Aneignung als Bedeutungsaustausch zwischen innen (sozialer häuslicher Kontext) und außen (öffentliche Sphäre) modelliert. Mediennutzung, genauer der Konsum von Medieninhalten und -gütern, wird als eine Form von Bedeutungsproduktion verstanden. „In einer ethnografisch orientierten Perspektive geht es darum, die Orte, Situationen und sozialen Konstellationen des Medienhandelns zu analysieren und die Bedeutung dieser Praktiken aus der Sicht der Subjekte zu rekonstruieren.“33

Im Sinne der Cultural Studies sind diese Praktiken immer auch mit Sinn aufgeladen und rückgebunden an die Ermächtigung der Subjekte. Die Bedeutungs29 | Ebd., S. 24. Röser verweist hier auf Bausinger: Alltag, Technik, Medien; Morley, David: Wo das Globale auf das Lokale trifft. Zur Politik des Alltags. In: Hörning, Karl H.; Winter, Rainer (Hg.): Widerspenstige Kulturen. Cultural Studies als Herausforderung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1999, S. 442-475, S. 453f. 30 | Vgl. Röser, Jutta: Rezeption, Aneignung und Domestizierung. In: Hepp, Andreas; Krotz, Friedrich; Lingenberg, Svantje; Wimmer, Jeffrey (Hg.): Handbuch Cultural Studies und Medienanalyse. Wiesbaden: Springer VS 2014, S. 125-135, S. 131. 31 | Hall, Stuart: Encoding/Decoding In: Hall, Stuart; Hudson, Dorothy; Lowe, Andrew; Willis, Paul (Hg.): Culture, Media, Language. London: Routledge 1992, S. 38-54. 32 | Für den deutschsprachigen Raum siehe etwa die Arbeiten von Jutta Röser und Friedrich Krotz. Röser (Hg.): MedienAlltag; Krotz, Friedrich: Die Mediatisierung kommunikativen Handelns. Der Wandel von Alltag und sozialen Beziehungen, Kultur und Gesellschaft durch die Medien. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2001. 33 | Röser: Rezeption, Aneignung und Domestizierung, S. 132.

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produktion ergibt sich aus den „Sinnproduktionen der Rezipierenden im Prozess der Aneignung“34 von Medientechnologien.

Der Haushalt als Kreislauf: Bedeutungsaustausch zwischen innen und außen Wie diese verdichtete Darlegung einiger zentraler Begriffe des Domestizierungsansatzes nahelegt, ist der häusliche Kontext, also das Private, notwendig an die öffentliche Sphäre gekoppelt. Eben diese methodisch-theoretische Prämisse ist eine wesentliche Dimension des Modells der double articulation.35 Demzufolge wird das Medium Fernsehen doppelt in den Haushalt integriert: es ist sowohl Gegenstand des privaten familiären Zusammenlebens als auch der öffentlichen Sphäre. Wichtig ist, dass beide Dimensionen in wechselseitiger Beziehung miteinander stehen und sich gegenseitig beeinflussen. Diese Form des Brückenschlags zwischen innen und außen, die mit der Begriffsschöpfung double articulation zum Ausdruck gebracht wird, modelliert so zum einen das private Zuhause als Kontext der Medienaneignung und fragt gleichzeitig nach der Diffusion bzw. der Implementierung neuer Medientechnologien von außen in eben diesen Raum. In einer weiteren Facette meint das Konzept der double articulation zudem eine Unterscheidung zwischen materiellem Objekt und Inhalten von Informations- und Kommunikationstechnologien. Diese stehen ebenfalls in Wechselbeziehung mit der öffentlichen und der privaten Sphäre. Hier werden also das Materielle und das Symbolische von Medientechnik zusammengedacht. Die Betonung der Materialität von Medienobjekten – im Gegensatz zu der starken Betonung von Medieninhalten im Rahmen der Cultural Studies in den 1990er-Jahren – ist u.a. auf Forschungsentwicklungen aus dem Umfeld der Science and Technology Studies zurückzuführen, die im medienwissenschaftlichen Domestizierungsdiskurs thematisiert werden.36 Damit wird die Aneignung von Medientechnologien im häuslichen Raum im Rahmen des Domestizierungsansatzes unter Fragen des Konsums – sowohl kultureller als auch ökonomischer Einheiten – subsumiert. Laut Silverstone ist dem Haushalt eine moral economy inhärent, die er wie folgt fasst: „[...] households are both economic and cultural units, and […] although their material positions set profound limits on the opportunities available for consumption and self-expression, within those limits and in some ways sometimes transcending them, households can define 34 | Ebd. 35 | Vgl. Silverstone: Television and Everyday Life, S. 83. 36 | Vgl. Hartmann: Domestication of Technology, S. 1413. Weiterführend hierzu siehe Teil II, Kapitel 2.

2. Theorieangebote zur Verhäuslichung von Fernsehgeräten als Möbel for themselves a private and a public moral, emotional, evaluative and aesthetic environments – a way of life – which they depend on for their survival and security as much as they do on their material resources.“37

Die moral economy des Haushalts versinnbildlicht erneut die Kopplung der privaten Sphäre an die öffentliche. Abstrakt gesprochen spielt sich diese auf zwei Ebenen ab: Zum einen ist damit die Einbettung des Haushalts in allgemeine ökonomische Kreisläufe gemeint, und zum anderen die spezifische Ökonomie des Haushalts selbst. Der Austausch zwischen diesen Dimensionen, der sich beispielsweise über die Inkorporation des Mediums Fernsehen in die häusliche Sphäre ergibt, ist kennzeichnend für die jeweilige Ökonomie des Haushalts, und zwar sowohl im Hinblick auf seine materielle als auch auf seine inhaltliche Dimension. Zusammengenommen informieren diese Begriffe ein Technikkonzept, welches Silverstone als socio-technical system beschreibt.38 In dieser Modellierung interessieren technische Medien nicht ausschließlich als materielle Artefakte; ihre institutionellen und kulturellen Faktoren sind genauso wichtig: „Seeing technology as a system involves, above all, seeing technology as both a material and a social phenomenon.“39 Fernsehen als ein socio-technical system, das Silverstone synonym auch als tele-technological system bezeichnet, sei demzufolge zurückzuführen auf soziale, politische, ökonomische und technische Aspekte, die in Wechselbeziehung miteinander stehen: „It [the tele-technological system] consists in […] the interrelationships of artifacts (convergences), mediations (textualities), and regulations (controls) that define the conditions of its possibility as a communication technology in modern society.“40

Dabei geht es gerade auch darum, die industriellen und politisch-ökonomischen Zusammenhänge, also die Sphären der Produktion und des Vertriebs, in den Blick zu nehmen, wie etwa Marketing und Design. Der häusliche Raum ist wiederum als der Ort konzipiert, an dem diese Beziehungen zusammenkommen bzw. verhandelt werden.41

37 | Silverstone: Television and Everyday Life, S. 49. 38 | Ebd., S. 84ff. 39 | Ebd., S. 84. 40 | Ebd., S. 87f. (Erg. M. M.) 41 | Vgl. ebd., S. 102. Insofern stellt eine Diskursanalyse, wie sie etwa Spigel in ihren Arbeiten unternimmt (siehe hierzu die Einleitung in die vorliegende Arbeit), für Silverstone kein ausreichendes Verfahren zur Beschreibung der Verhäuslichung des Mediums Fernsehen dar, da sie die textuelle Dimension (sei es etwa in Form des Programms oder in Form von Werbekampagnen) überbetone. Vgl. Silverstone: Television and Everyday Life, S. 102. Wie die vorliegende Arbeit im Anschluss an das vorherige Kapitel zeigen möchte, sind Diskurse gerade konstitutiv für die

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Der Domestizierungsansatz scheint im Rahmen dieser Arbeit dahingehend interessant, dass darin häusliche Routinen im Umgang mit Medien im Hinblick auf Praktiken des Einrichtens gedacht werden. Schließlich werden diese in der zweiten und dritten Phase der Aneignung, also (2) objectification und (3) incorporation, explizit benannt. Dennoch weist der Ansatz auch Grenzen in Bezug auf das vorliegende Forschungsvorhaben auf, die im Weiteren kurz dargelegt werden sollen.

2.2 Grenzen des Domestizierungsansatzes im Hinblick auf Fernsehmöbel Ende der 1990er-Jahre gibt es eine Welle der kritischen Rezeption der Arbeiten von Silverstone et al. Im Weiteren werden Aspekte herausgestellt, bei denen es um Verkürzungen des Ansatzes geht, die im Hinblick auf die vorliegende Arbeit relevant sind. Hierbei wird vornehmlich auf drei Grenzfälle eingegangen, nämlich (1) das Konzept des Kontexts, (2) den Begriff der (geschlechtsspezifischen) Aneignung und (3) Design-Aspekte.

Grenzen I: Kontext, Mikro/Makro Zu nennen ist hier als erste Verkürzung ein sehr normatives Konzept von Häuslichkeit,42 das laut Silverstone das Zuhause, die Familie und den Haushalt inkludiert.43 Hier lassen sich im Wesentlichen zwei Kritikpunkte anbringen. Was das Konzept grundlegend problematisch macht, ist, dass alle diese Dimensionen des Häuslichen als stabile Orte und Strukturen beschrieben werden, die erst durch das einziehende Einzelmedium ins Wanken geraten. Darüber hinaus wäre das konservative Familienbild des Ansatzes zu kritisieren. Zusammengehalten wird der Ort des Hauses von der klassischen Kleinfamilie, andere Formen des Zusammenlebens fallen hier raus. Das Medium Fernsehen wird als wildes, zu zähmendes Medium imaginiert, das in einen ‚natürlichen‘ Kontext, nämlich den heimischen Raum als Ort der Familie, eindringt. Die Kategorie des Zuhauses umfasst laut Silverstone die häusliche Inneneinrichtung und die Rolle, die der Fernseher in dieser einnimmt. Die Möbel- und Medienensembles sind somit konstitutiv für präapparative Phase wie auch die tatsächliche Inkorporation des Mediums Fernsehen in den Wohnraum. 42 | Im englischsprachigen Original ist von domesticity die Rede; die drei Dimensionen heißen dementsprechend home, family und household. Vgl. Silverstone: Television and Everyday Life, S. 24-51. 43 | Vgl. ebd., S. 25.

2. Theorieangebote zur Verhäuslichung von Fernsehgeräten als Möbel

das Zuhause; gleichzeitig bringen Medieninnovationen, wie etwa das Fernsehen, die Vorstellung vom häuslichen Raum als Ort familiärer Sicherheit ins Wanken.44 Dieses Moment ‚ontologischer Sicherheit‘, das das Zuhause als sichere, stabile Einheit beschreibt, ist in der kritischen Rezeption als normative Dimension des Domestizierungsansatzes beschrieben worden.45 Als Kontext der Medienrezeption/-aneignung46 wird der häusliche Raum zur gesetzten Größe. Das Denken in Kontexten soll im Rahmen des Domestizierungsansatzes sensibel machen für situatives Medienhandeln. Gleichzeitig bedingt es die Starrheit des Konzepts. Zwar sind Friktionen bei der Inklusion von Medientechnologien in den häuslichen Raum durchaus konstitutiv für den Ansatz. Dennoch zeige sich Hartmann zufolge insbesondere in den Anwendungen des Ansatzes, dass dieser einer gewissen Linearität unterliegt.47 Und auch Silverstone selbst kam nicht umhin, den konservativen Zug des Ansatzes anzuerkennen.48 Im Festhalten am Zuhause als einem weitestgehend beständigen Umfeld der Rezeption büßt der Ansatz analytisches bzw. kritisches Potential ein. Medientechnologien, die auf den häuslichen Raum treffen, werden unter der Perspektive einer sukzessiven Zähmung und damit einhergehenden Inklusion in die Routinen des Haushalts beschrieben. „Das Beharren auf dem Konservativen, so die Kritik, ignoriert sowohl das Veränderungspotenzial neuer Medien als auch die Wandlungsfähigkeit des Menschen.“49 Im Hinblick auf die Fragestellung der vorliegenden Arbeit scheint der Domestizierungsansatz in seiner Anlage wenig sensibel zu sein für Störungen in der Verhäuslichung von Medien, die gerade kennzeichnend sind für das Zusammentreffen des Fernsehapparats mit dem häuslichen Raum. Problematisch ist, dass der häusliche Raum weitestgehend als sichere, stabile Einheit konzipiert wird und somit feinere Nuancen im häuslichen Wandel aus dem Blick geraten. Statt also Veränderungen in der häuslichen Ökonomie zu fokussieren, scheint der Domestizierungsansatz in seinen Beschreibungen mehr die Bewahrung der bestehenden Ordnung zu betonen.50 Darüber hinaus ist es für das weitere Unterfangen wenig produktiv, analytisch zwischen Mikro- und Makrostrukturen 44 | Vgl. ebd. 45 | Siehe etwa Hartmann, Maren: Roger Silverstone: Medienobjekte und Domestizierung. In: Hepp, Andreas; Krotz, Friedrich; Thomas, Tanja (Hg.): Schlüsselwerke der Cultural Studies. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009, S. 305-315, S. 308f., S. 312. 46 | Zum Problem der Kontextorientierung der Cultural Studies generell siehe Warth, Eva: Annäherungen an das frühe Kino. Cultural Studies, Gender und Historiographie. In: Dorer, Johanna, Geiger, Brigitte (Hg.): Feministische Kommunikations- und Medienwissenschaft. Ansätze, Befunde und Perspektiven der aktuellen Entwicklung. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2002, S. 307-319, S. 316f. 47 | Vgl. ebd. 48 | Vgl. Hartmann: Domestication of Technology, S. 1414. 49 | Hartmann: Roger Silverstone, S. 312. 50 | Vgl. Hartmann, Maren: Domestizierung. Baden-Baden: Nomos 2013, S. 29.

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zu unterscheiden, nur um dann anschließend wieder eine Kausalbeziehung zwischen beiden Sphären einzuführen.51

Grenzen II: (Geschlechtsspezifische) Aneignung Der häusliche Raum stellt denn auch den wesentlichen Bezugsrahmen für die Aneignung von Medien im Domestizierungsansatz dar. Hier tritt die zweite wesentliche Verkürzung des Domestizierungsansatzes zu Tage, nämlich dass Fragen des Gebrauchs in der Regel unter dem Label des Konsums verhandelt werden. Damit werden vor allem Fragen nach der Aneignung des Mediums Fernsehen als Konsumobjekt und die verschiedenen ökonomischen Kreisläufe, in die es im Sinne der moral economy of the household integriert ist, adressiert.52 Dieses Konzept wurde maßgeblich von Andrew Feenberg kritisiert, der bemängelt, dass es dem Anspruch eines allgemeinen Modells der Medienaneignung nicht gerecht werde. Es sei zu schlicht, da es die Möglichkeiten von agency und Widerstand außen vorlasse.53 Ein Blick in die einschlägigen Quellen untermauert Feenbergs Kritik. So werden Silverstone zufolge Medientechnologien mehr oder weniger reibungslos in die häusliche Sphäre integriert, schließlich lege die Industrie Wert auf ein „user-friendly“ Design, „which makes both objects and texts more or less easily appropriated.“54 Dieses Verständnis von Aneignung ist rückgebunden an die Bedeutung des Begriffs in den Cultural Studies.55 Leslie Haddon beschreibt, dass es in den Analysen des Domestizierungsansatzes darum gehe, die Bedeutungsproduktion einzelner Subjekte wertzuschätzen.56 Im Sinne einer Empowerment-Perspektive zielen diese also darauf ab, die Produktivität der Aneignung zu betonen. 51 | Weitere Ausführungen hierzu siehe Teil II, Kapitel 2.1 dieser Arbeit. 52 | Vgl. etwa Silverstone, Hirsch, Morley: Information and Communication Technologies and the Moral Economy of the Household, S. 21. 53 | Vgl. Hartmann: Domestication of Technology, S. 1414. Sowie Feenberg, Andrew: Questioning Technology. London [u.a.]: Routledge 1999, S. 107f. Zum Begriff der agency, der in der ANT die Handlungsmacht von Akteuren benennt, siehe Teil II, Kapitel 2.1. 54 | Silverstone: Television and Everyday Life, S. 175. 55 | Laut Hartmann sei zwar „eine relative Übereinstimmung mit den Cultural Studies zu erkennen, auf der Ebene der theoretischen Ausarbeitung allerdings bleiben die Bezüge divers.“ Hartmann: Roger Silverstone, S. 311. Eine wesentliche Übereinstimmung bestehe im Konzept der Aneignung, wobei der Domestizierungsansatz in seiner theoretischen Konzeption die Bedeutung der Materialität von Medienobjekten mehr betone. Vgl. ebd. Für weitere Ausführungen zur Nähe zwischen Domestizierungsansatz und den Cultural Studies siehe Hepp, Andreas: Cultural Studies. In: von Gross, Friederike; Hugger, Kai-Uwe; Sander, Uwe (Hg.): Handbuch Medienpädagogik. Wiesbaden: VS Verlag 2008, S. 142-148. 56 | Haddon, Leslie: Roger Silverstone’s Legacies: Domestication. In: New Media and Society (2007), 9. Jg, H. 1, S. 25-32, S. 26.

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Der Domestizierungsansatz interessiert sich jedoch nicht ausschließlich für die häusliche Aneignung von Medientechnologien, sondern auch für die Ebene der Produktion. Einige Forschungsprojekte kooperieren gezielt mit der Industrie, wie etwa in einer Fallstudie zu Philips’ Multimedia-System CD-i. Darin zeigen Silverstone und Haddon, wie zentral Annahmen über die Nutzer für Innovationsprozesse neuer Technologien sind, und dass sich Design und Domestizierung wechselseitig bedingen.57 Mitte der 1990er-Jahre entsteht dann eine Studie zu der Frage, warum Haushalte der Mittelschicht Kabelfernsehen entweder annehmen oder ablehnen.58 Zwar liege ein Fokus des Ansatzes im „interest in the meaning and significance of ICTs to people, as well as their ambiguities and contradiction.“59 Dennoch geht es hierbei weniger um Facetten der Störung, sondern vielmehr um die Frage nach der Bereitschaft der Nutzer, eine neue Medientechnologie zu akzeptieren und den Versuch des Kontrollgewinns im Rahmen des Aneignungsprozesses. In diesem Sinne erscheint Aneignung als stark positiv besetzter Begriff, der zu sehr auf die Produktion von Sinn ausgelegt ist, und wenig Gespür für Irritationen im Mediengebrauch aufweist. Der Begriff der Domestizierung deutet ebenfalls bereits in diese Richtung. Wenn Medientechnologien gezähmt werden müssen, weil sie eine Bedrohung für die Einheit des Zuhauses darstellen, kann es nur darum gehen, sie zu beherrschen und in bestehende Routinen einzufügen, und weniger der Handlungsmacht nachzugehen, die diesen Medientechnologien zukommt. Das Konzept der Aneignung, wie es in den Cultural Studies entwickelt und im Rahmen des Domestizierungsansatzes im Hinblick auf das situative, kontextabhängige Medienhandeln im Haushalt adaptiert wurde, ist insofern bahnbrechend, als es sich explizit gegen einseitige Sender-Empfänger-Modelle richtet. Gleichzeitig zeigt sich gerade im Hinblick auf aktuelle medienwissenschaftliche Fragen nach dem Begriff der Praktiken, dass das Konzept der Aneignung in dieser Modellierung einige Verkürzungen aufweist. Nick Couldrys inzwischen über zehn Jahre zurückliegender Vorschlag zu einem Konzept von Medienpraktiken wird aktuell im Rahmen praxeologischer Ansätze in den Medienwissenschaften erneut debattiert.60 Darin plädiert Couldry dafür, von der Soziologie aufgeworfene Fragen zu Praxistheorien auch in den Medienwissenschaften 57 | Vgl. Silverstone, Roger; Haddon, Leslie: Design and the Domestication of ICTs: Technical Change and Everyday Life. In: Silverstone, Roger; Mansell, Robin (Hg.): Communication by Design. The Politics of Information and Communication Technologies. Oxford: Oxford UP 1996, S. 44-74, S. 54-57. 58 | Vgl. Haddon, Leslie: Information and Communication Technologies in Everyday Life. A Concise Introduction and Research Guide. Oxford: Berg 2004, S. 24. 59 | Haddon: Roger Silverstone’s Legacies, S. 28f. 60 | Couldry, Nick: Theorising Media as Practice. In: Social Semiotics (2004), 14. Jg, H. 2, S. 115-132, S. 119; zur aktuellen Rezeption siehe: Hagener, Malte: Tiefes Fahrwasser und Lonely Krauts. Tagungsbericht zum dritten medienwissenschaftlichen Kolloquium der DFG: „Connect and Divide. The Practice Turn in Media Theory“, Fraueninsel, Chiemsee, 26.-28. August 2015.

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ernst zu nehmen. Couldry befragt verschiedene medienwissenschaftliche Praxiskonzepte genauer, und stellt dabei die Grenzen des Aneignungsbegriffs in rezeptionstheoretischen Analysen aus dem Feld der Cultural Studies heraus.61 Zwar weise der Domestizierungsansatz ein dezidiert medienethnografisches Erkenntnisinteresse auf, was ihn zu einem wichtigen Ausgangspunkt für aktuelle Praxisfragen in den Medienwissenschaften mache.62 Dennoch seien auch viele dieser Arbeiten zu stark an die Analyse von Medientexten und Institutionen gebunden und fokussierten dabei maßgeblich die Kategorie der Zuschauer und dezidiert fernsehgebundene Praktiken.63 Diese Fokussierung im Hinblick auf häusliche Mediennutzung greife zu kurz, schließlich ist die Tätigkeit fernsehen eingebunden in weitere konstitutive Praktiken. Couldry geht es darum, dieser Engführung entgegenzuwirken und fernsehen nicht ausschließlich als Rezeption von Inhalten zu verstehen, also nicht lediglich Zuschauerpraktiken [audience practices] in den Blick zu nehmen: „in formulating a new paradigm of media research, we should open our lens even wider to take in the whole range of practices in which media consumption is embedded, including practices of avoiding or selecting out, media inputs (cf. Hoover at al. 2003); such practices may not be part of what normally we refer to by ‚media culture‘, but as practices oriented to media, they are hardly trivial.“64

Auch wenn es ein wenig hochgegriffen erscheint, ein neues Paradigma medienwissenschaftlicher Forschung begründen zu wollen, treffen Couldrys Überlegungen ein Kernproblem des Aneignungsbegriffs, wie er im Domestizierungsansatz verwendet wird. Dieser verkürzt Aneignung auf ein bestimmtes Set von Praktiken, wie etwa die der Rezeption. Dabei werden weitere Alltagspraktiken, in die diese wiederum eingebunden sind, weitestgehend ausgeklammert. Die dargelegten Verkürzungen des Ansatzes im Hinblick auf das Konzept der Aneignung betreffen auch die geschlechtsspezifische Nutzung von Medien(-technologien). Diese ist für den Domestizierungsansatz zwar zentral, weist im Hinblick auf die Frage nach der Vermöbelung des Mediums Fernsehen jedoch ein wesentliches Defizit auf. Zwar geht das Konzept der Domestizierung Veränderungen in den Gender-Codierungen von Medien durchaus nach, etwa wenn es ZfM Online. http://www.zfmedienwissenschaft.de/online/tiefes-fahrwasser-und-lonely-krauts, abgerufen am 21.2.2016. 61 | Vgl. Couldry: Theorising Media as Practice, S. 118f. Aus dem Feld der audience research nennt Couldry beispielhalt die Studie Ang, Ien: Living Room Wars. London: Routledge 1996. 62 | Vgl. Couldry: Theorising Media as Practice, S. 119. 63 | Vgl. ebd. Couldry nennt hier beispielhaft folgende Studien Silverstone: Television and Everyday Life; Silverstone, Hirsch (Hg.): Consuming Technologies. 64 | Couldry: Theorising Media as Practice, S. 120. Couldry bezieht sich hier auf Hoover, S.; Schofield Clark, L; Alters, D.: Media, Home and World. London: Routledge 2003.

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nach Phasen des Doing-Gender und De-Gendering fragt.65 Einmal festgestellte Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern werden in dieser Modellierung jedoch weitestgehend auf Dauer gestellt.66 In dieser Hinsicht liegt dem Ansatz eine gewisse Trägheit zugrunde, womit er den Widersprüchlichkeiten in der Verhäuslichung von Medien nur unzureichend gerecht wird. Der Domestizierungsansatz folgt der Prämisse, dass „[d]ie technische Rahmung eines Mediums in der Frühphase [...] einher [geht] mit seiner Codierung und diskursiven Vergeschlechtlichung als männlich“67 und im häuslichen Raum entsprechend von männlichen Familienmitgliedern dominiert wird, wie es etwa Morley in Familiy Television im Hinblick auf das männliche Monopol über die Nutzung der Fernbedienung zeigt. Diese Vorannahme erweist sich jedoch als unzureichend, um die Widersprüchlichkeiten in der Gestaltung und Nutzung von Fernsehgeräten als Möbel zu fassen. Im Sinne des Gendering in seiner Einführungsphase in den Haushalt ist der Fernsehapparat als technisches Medium durchaus männlich konnotiert. Gleichzeitig lässt sich seine Holzverkleidung als Anstrengung beschreiben, den Apparat als Möbel an den Wohnraum rückzubinden und Frauen qua Gestaltung für das technische Medium zu interessieren. Genau solchen Widersprüchen möchte die vorliegende Arbeit nachgehen.

Grenzen III: Design-/Möbel-Perspektive Der Domestizierungsansatz betont explizit die materielle Dimension der Aneignung, was wiederum über das Aneignungskonzept in den Cultural Studies hinaus geht.68 Die Materialität von Medien als Objekten wird im Ansatz weitestgehend unter Fragen nach Gebrauchsweisen und den physischen Stellplätzen der Objekte im räumlichen Kontext des Zuhauses thematisiert.69 Für Silverstone und Haddon bilden Design und Domestizierung eine Schnittstelle in der Innovation 65 | Vgl. Röser: Der Domestizierungsansatz, S. 24f. Das Konzept des Doing-Gender stammt aus der Ethnomethodologie und benennt die Herstellung von Geschlecht in Alltagskontexten. Vgl. Holzleithner, Elisabeth: Doing Gender. In: Kroll, Renate (Hg.): Metzler Lexikon Gender Studies. Geschlechterforschung. Stuttgart: Metzler 2002, S. 72f. 66 | Siehe etwa bei Silverstone, der folgendes Stabilisierungsargument im Hinblick auf geschlechtsspezifischen häuslichen Mediengebrauch verfolgt: „A woman’s (and also a man’s) relationship to the television […] or to the telephone […] is a function of woman’s status and role in the household, certainly, but that itself can only be understood both with regard to the dominant structures in which masculinity and femininity are defined in the public sphere and their particular character within, from the point of view of the household, its moral economy.“ Television and Everyday Life, S. 102. Für eine tiefergehende Diskussion eines solchen Denkens in Kontexten siehe Teil II, Kapitel 2.4). 67 | Vgl. Röser: Der Domestizierungsansatz, S. 24. 68 | Vgl. Hartmann: Roger Silverstone, S. 310. 69 | Vgl. Silverstone, Hirsch, Morley: Information and Communication Technologies and the Moral Economy of the Household, S. 22.

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von Medientechnologien, die sie design/domestication interface nennen.70 „Domestication is anticipated in design and design is completed in domestication.“71 Design umfasst hier insbesondere die Prozesse des Entwerfens, der Produktentwicklung und des Marketings. In der Domestizierung vervollständige sich das Design als tatsächliche Nutzung bzw. Aneignung in den Haushalten.72 Das design/domestication interface stellt somit einen Brückenschlag zwischen den Sphären der Produktion (Design) und der Konsumtion (Domestizierung) dar, wobei beide Dimensionen nicht scharf voneinander zu trennen seien und sich im Innovationsprozess wechselseitig beeinflussen. In diesem Modell eines design/domestication interface äußern sich die Beziehungen zwischen Produktion und Konsumtion in der Gestaltung des Apparats in Form einer Zähmung der ‚wilden‘ Technologie: „[T]echnologies, at the point at which they become objects of mass consumption, have to be designed as domestic objects, mediating in their aestethic, the tension between the familiar and the strange, desire and unease, which all new technologies respectively embody and stimulate.“73

In Bezugnahme auf Adrian Fortys Studie zur Designgeschichte des Radioapparats74 stellen Silverstone und Haddon heraus, dass etwa die Gestaltung von Radioapparaten als Möbel zu einem zentralen Faktor in der Domestizierung des Radios wurde. „The technology was hidden in a wooden cabinet, but the cabinet was designed in such a way as to indicate its distinctive status and function when it arrived in the living room.“75 Dass es sich hierbei um eine durchaus widersprüchliche Zähmung handelt, zeige sich darin, dass der Apparat qua Holzverkleidung in die häusliche Inneneinrichtung eingepasst wird und gleichzeitig in seiner Gestaltung als futuristisches Möbelstück ein Verspechen technologischen Fortschritts ins Haus bringt.76 Das hier angesprochene Interesse des Domestizierungsansatzes an Designfragen beinhaltet zwar auch Fragen nach der Gestaltung von Medienapparaten als Möbel. Diese werden aber im Ansatz selbst nicht weiter systematisiert. Silverstone und Haddon konzentrieren sich in ihrem Designbegriff weitestgehend auf die Sphäre der Produktion und auf idealtypische Nutzungsweisen, die im Entwurf imaginiert werden. Diese Vorgehensweise hebt auf die Pointe ab, dass die Nutzer bereits auf dieser Entwicklungsstufe integraler Bestandteil des De70 | Vgl. Silverstone, Haddon: Design and the Domestication of ICTs, S. 44. 71 | Ebd., S. 46. 72 | Vgl. ebd., S. 45f. 73 | Ebd., S. 48. 74 | Silverstone und Haddon beziehen sich hier auf Forty, Adrian: Objects of Desire. Design and Society 1750-1980 [1972]. Routledge 1986, S. 200-206. 75 | Silverstone, Haddon: Design and the Domestication of ICTs, S. 48. Sowie Forty: Objects of Desire, S. 202. 76 | Vgl. ebd., S. 47f.

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signprozesses sind, womit eine spezifische Rückwirkung von der Mikro- auf die Makro-Ebene angesprochen ist. Unter dieser Perspektive werden die Nutzer als Konsumenten modelliert, die dem Objekt eine symbolische Bedeutung geben.77 Einrichtungs- und Gebrauchspraktiken werden hier maßgeblich als Teil des Innovationsprozesses adressiert, d.h. auf der Ebene der Produktion angesprochen. Kritisch anzumerken wäre, dass das häusliche Setting unter dieser Perspektive stabil bleibt, da die Industrie scheinbar immer weiß, worauf sie sich einzustellen hat. Dass sich Einrichtungs- und Gebrauchspraktiken auch ändern können, wird im Domestizierungsansatz nicht hinreichend adressiert. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird es auch darum gehen, die Idee eines instabilen häuslichen Settings zu verfolgen. Um der Frage nach dem Stellenwert der Inneneinrichtung und dem (Möbel-) Design im Domestizierungsansatz weiter nachzugehen, lohnt es sich, noch einmal auf Bausingers Abbildung zurückkommen (siehe Abb. 1). Wie weiter oben ausgeführt, bebildert dieses Setting die fernsehwissenschaftliche Annahme, dass sich die Inneneinrichtung nach Einzug des Fernsehapparates in die Haushalte an eben diesem auszurichten hat. Das gesamte Interieur – Schrankwand, Couchgarnitur, Polstersessel, Couchtisch – sind so auf den Apparat ausgerichtet, dass eine ideale Rezeptionssituation sichergestellt werden kann. Dies scheint, wie es Bausingers Abbildung zeigt, in besonders eindringlicher Weise für die Couchgarnitur zu gelten, die um den in der Schrankwand verwahrten Fernsehapparat herum gruppiert ist. Denkt man dieses Szenario nun jedoch gerade nicht vom Fernseher aus, wie es kennzeichnend für die Perspektive des Domestizierungsansatzes ist, sondern von der Inneneinrichtung her, ergibt sich – wie im Weiteren noch ausführlicher zu zeigen sein wird – ein signifikanter Perspektivwechsel in der Betrachtungsweise dieses Sachverhalts. Warum es sinnvoll ist, sich Wohnungseinrichtungen anzuschauen und gleichsam das Medium Fernsehen als Möbel produktiv zu machen, lässt sich am Beispiel der Couchecke an dieser Stelle bereits kurz darlegen. Zurücklehnen und Passivität – zwei Attribute, die später dem Medium Fernsehen, genauer der Fernsehecke zugeschrieben werden, ergeben sich schon aus einem seiner Vorläufer im Wohnraum, der Couchecke. In seiner Abhandlung zur Kulturgeschichte der Couchecke stellt der Kunsthistoriker Martin Warnke Form und Funktion dieses Einrichtungsgegenstands heraus. Während das Sofa als zentrales Möbelstück des Salons den angeregten und offenen kommunikativen Austausch materialisiere, stehe die Couchecke des modernen Wohnzimmers für eine geistige Eingeschlossenheit, genauer eine Logik der Stille.78 Wie dieser Rekurs auf die häusliche Einrichtung zeigt, entspringt die gängige Beschreibung 77 | Vgl. ebd., S. 60. 78 | Vgl. Warnke, Martin: Zur Situation der Couchecke. In: Habermas, Jürgen (Hg.): Stichworte zur ‚Geistigen Situation der Zeit‘. 2. Band: Politik und Kultur, S. 673-687, S. 680.

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des Fernsehens als „lean back“-Medium79 nicht erst einem ontologischen Selbstverständnis des Fernsehens. Vielmehr ergibt sich die Habitualisierung des „lean back“-Effekts aus einer Tradition der Couchecke heraus.80 Anders gewendet: Nicht das Fernsehen wird angeeignet, sondern das Fernsehen eignet sich Charakteristika der Couchecke an. Hier deutet sich bereits an, dass häuslicher Wandel getragen wird vom Wechselspiel zwischen verschiedenen Akteuren. In Teil II der vorliegenden Arbeit wird es darum gehen, mit der Akteur-Netzwerk-Theorie nach der agency von vermöbelten Fernsehapparaten zu fragen. Zwar interessiert sich der Domestizierungsansatz explizit für die materielle Dimension von Medientechnologien und wie oben dargelegt in späteren Texten durchaus auch für Designaspekte. Jedoch geht der Ansatz hier nicht weit genug. Anstatt der agency von Medientechnologien im häuslichen Raum nachzuspüren, wird den Nutzern eine Souveränität in der Aneignung von Medientechnologien zugesprochen. Im Hinblick auf Fernsehmöbel ist es jedoch gerade interessant danach zu fragen, wie diese Medienmöbel die Nutzer affizieren und welche Nutzungsweisen sie ermöglichen oder ggf. auch verhindern.

Hinführung zu Teil II Wie das vorherige Kapitel der vorliegenden Arbeit in einer mediengeschichtlichen Betrachtung früher Diskurse und Entwürfe zu Fernsehapparaten als Möbel zeigt, besteht eine der wesentlichen Verkürzungen des Domestizierungsansatzes darin, dass es ihm gerade an einer solchen historischen Dimension mangelt. In gewisser Hinsicht fehlt dem Ansatz eine entselbstverständlichende Perspektive in Bezug auf die Verhäuslichung von Medien: dort weisen die zu analysierenden Medien von Anfang an eine Affinität zum häuslichen Raum auf, ohne dass in Frage gestellt wird, wie sie überhaupt dorthin kommen. Das vorliegende Kapitel hat nun gezeigt, dass weitere Verkürzungen des Ansatzes im Hinblick auf den Forschungsgegenstand Fernsehmöbel hinzukommen. In der Diskussion zentraler Begriffe und Konzepte aus dem Umfeld des Domestizierungsansatzes wurden einige Mängel hinsichtlich einer im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu entwickelnden Möbel-Perspektive auf die Verhäuslichung des Mediums Fernsehen offengelegt. 79 | Siehe hierzu etwa Norbert Bolz, der im Hinblick auf die Haltung, die Fernsehzuschauer vor dem Bildschirm einnehmen zwischen ‚lean back‘ und ‚sit forward‘ unterscheidet. Smart TV und interaktives Fernsehen entsprächen dieser Logik nach eben nicht mehr der klassischen „zurückgelehnten“ Rezeptionssituation, sondern einer aktiven, eingebundenen. Vgl. Bolz, Norbert: Das Abc der Medien. München [u.a.]: Wilhelm Fink 2007, S. 41. 80 | Vgl. Bartz, Christina: Einrichten. In: Bickenbach, Matthias; Christians, Heiko; Wegmann, Nikolaus (Hg.): Historisches Wörterbuch des Mediengebrauchs. Wien [u.a.]: Böhlau 2014, S. 195208, S. 202.

2. Theorieangebote zur Verhäuslichung von Fernsehgeräten als Möbel

Ziel des nun folgenden zweiten Teils ist es, einen eigenen Zugang hinsichtlich der Gestaltung und des Gebrauchs von Medien als Möbel im häuslichen Raum zu entwickeln, der dann wiederum in der Analyse in Teil III zur Anwendung kommt. Hierzu wird in den folgenden zwei Kapiteln jeweils ein Theorieimport vorgestellt, und zwar die Designforschung/-geschichte (Teil II, Kapitel 1) und die Akteur-Netzwerk-Theorie (Teil II, Kapitel 2). Wie noch zu zeigen sein wird, eignen sich diese beiden interdisziplinären Theoriebezüge in der Beschreibung von Fernsehmöbeln besonders gut, um eine methodisch-theoretisch fundierte, entselbstverständlichende Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehapparaten als Möbel zu entwickeln. Zur Orientierung und besseren Verständlichkeit sei der wesentliche Mehrwert dieser Theoriebezüge gegenüber dem Domestizierungsansatz bereist kurz schlaglichtartig dargelegt, bevor dann in den jeweiligen Kapiteln im Detail gezeigt wird, welchen Beitrag zu einer Möbel-Perspektive die einzelnen Theorien jeweils leisten. Während der Domestizierungsansatz in seiner Modellierung der Verhäuslichung von Medien Designaspekte wie weiter oben dargelegt weitestgehend aus der Perspektive der Industrie und deren Annahmen von idealen Nutzern im Entwurfs-/Produktionsprozess nachvollzieht, setzt das folgende Kapitel ganz nah an den gestalteten Artefakten selbst an und begreift die Gehäuse und Interfaces von Fernsehapparaten als Schauplatz ihrer Vermöbelung. Als gestaltete Oberflächen lassen sie sich als Hinwendung des Mediums zu den Nutzern begreifen. Damit stellen Sie einen Ort dar, an dem gesamtgesellschaftliche Aushandlungen zu Gestaltungs- und Gebrauchsabsichten zum Ausdruck kommen, die nicht notwendigerweise ineinander aufgehen. Unter dieser Perspektive auf das Gehäuse bzw. Interface weisen Fernseher als gestaltete Artefakte weniger einen Konnex zur Medientechnik auf, sondern sind rückgebunden an das Wohnumfeld und entsprechende Einrichtungsstile und -praktiken. Mit zwei Fallstudien aus dem Umfeld der Designgeschichte, und zwar von Martin Warnke und Judy Attfield, lässt sich die zu verfolgende Möbel-Perspektive noch weiter zuspitzen: Beide beschäftigen sich mit häuslichem Wandel, wie er sich an den Inneneinrichtungen zeigt.81 Der Vorteil gegenüber dem Domestizierungsansatz liegt hier darin, dass beide Studien Einrichtungspraktiken beschreiben, die dem Fernsehmöbel vorausgehen. So beschäftigt sich etwa Warnke mit der Couchecke, zu der auch der Couchtisch gehört, dessen Anteil an der Verhäuslichung des Fernsehens wiederum Attfield in den Blick nimmt. Sowohl Warnke als auch Attfield gehen somit nicht vom Fernseher selbst aus, um häuslichen Wandel zu beschreiben, sondern werden gewissermaßen erst vermittelt über die Einrichtung auf seine Rolle im Wohnraum aufmerksam. Dementsprechend beschreiben sie 81 | Attfield, Judy: Design as a Practice of Modernity: A Case for the Study of the Coffee Table in the Mid-Century Domestic Interior. In: Journal of Material Culture (1997) 2. Jg., H. 3, S. 267-289; Warnke, Martin: Zur Situation der Couchecke. In: Habermas, Jürgen (Hg.): Stichworte zur ‚Geistigen Situation der Zeit‘. 2. Band: Politik und Kultur. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1979, S. 673-687.

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Teil I: Fernsehmöbel zwischen den Orten

das Verhältnis von Medien und Möbeln im Wohnraum als geprägt von Konkurrenzen und Anpassungen: So stelle der Fernseher laut Warnke in der jungen Bundesrepublik einen Konkurrenten der Couchecke dar. Wie Attfield herausarbeitet, erscheint der Couchtisch in britischen Wohnzimmern zur gleichen Zeit gerade als ein Verbündeter im Wohnraum.82 Mit Warnke und Attfield lässt sich folglich zudem herausstellen, dass mit dem Blick auf die Inneneinrichtung kulturelle Differenzen in der Verhäuslichung von Medien sichtbar werden, welche im Domestizierungsansatz in seiner methodisch-theoretischen Modellierung wiederum nur eine geringe Rolle spielen. Das Feld der Designgeschichte in der hier dargelegten Konturierung – mit der einzelne Möbel im Wohnraum und ihre Beziehung untereinander relevant werden, um häuslichen Wandel zu beschreiben – leitet gewissermaßen schon über zu einem weiteren interdisziplinären Theorieinput, der in Kapitel zwei produktiv gemacht wird. Darin geht es darum, unter Bezugnahme auf die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) Netzwerke des Gebrauchs von Medien als Möbeln nachzuzeichnen. Der Impuls, die ANT auf ihre Potentiale zur Beschreibung der Integration und den Gebrauch von Medien zuhause zu befragen, geht vom Domestizierungsansatz selbst aus. Wie noch zu zeigen sein wird, verwirft Silverstone eine mögliche Zusammenführung beider Theoriestränge jedoch vorschnell. Im zweiten Kapitel des nächsten Teils wird eben dieser Moment, in dem sich Domestizierungsansatz und ANT kurz treffen, als Ausgangspunkt gewählt, um an einigen Begriffen zu zeigen, dass die ANT eine gute Referenz für die Beschreibung der Verhäuslichung des Mediums Fernsehen als Möbel darstellt. Folgt man mit der ANT nämlich den Akteuren, die zum häuslichen Wandel beitragen, werden neben den menschlichen auch die nicht-menschlichen Akteure in seiner Beschreibung wichtig. Handlungsmacht geht unter dieser Perspektive nicht nur von den Subjekten des Wohnraums aus, sondern ebenso von den Dingen. In diesem Sinne ließe sich in der Beschreibung der Verhäuslichung des Mediums Fernsehen als Korrektur zum Domestizierungsansatz nicht so sehr vom Fernsehen selbst, sondern von anderen Akteuren ausgehen, die in diesem Prozess wichtig werden, wie etwa Teppichen und weiteren Einrichtungs- und Dekorationsgegenständen, die an der Einrichtungspraxis der Fernsehecke beteiligt sind. Der Domestizierungsansatz fragt in erster Linie danach, welcher Stellplatz Medien im häuslichen Raum zugesprochen wird und stellt dabei fest, dass sich im weiteren Verlauf die Einrichtung nach der neuen Medientechnik im Haushalt ausrichtet. Anstatt jedoch von der Fernsehecke als häuslichem Phänomen auszugehen, wird mit der ANT zu fragen sein, welche Akteure dazu beitragen, dass sie sich als Einrichtungspraxis herausbildet und stabilisiert. Wie noch zu zeigen ist, ermöglicht ein Denken in Netzwerken die Friktionen und Störungen, die der Aneignung zugrunde liegen, besser nachzuvollziehen als 82 | Wie noch zu zeigen ist, stehen hinter diesen beiden Relationen des Mediums Fernsehen im Wohnraum zwei unterschiedliche Konzepte von Geselligkeit (siehe Teil II, Kapitel 1.3).

2. Theorieangebote zur Verhäuslichung von Fernsehgeräten als Möbel

es im Domestizierungsansatz modelliert ist. „Mediengebrauch als nur halbbewußte, eingeübte und schließlich eingelebte Interaktionsroutine mit sich wandelnden technischen Umwelten“,83 scheint stark, wenn auch oft widersprüchlich, an Aspekte von Geschlecht und sozialer Schicht gekoppelt zu sein. Statt die Aneignung von Medientechnik im Haushalt jedoch als aufeinander folgende Zyklen eines Gendering in der Einführungsphase und eines Re-Gendering in ihrer Nutzung als Alltagsgegenstand zu modellieren, wie es im Domestizierungsansatz der Fall ist, bietet sich die ANT an, um geschlechtsspezifischen Mediengebrauch gerade nicht als stabile aufeinander folgende Zyklen, sondern als temporäre Netzwerke zu denken.

83 | Christians, Heiko: Einleitung. Historisches Wörterbuch des Mediengebrauchs. In: Bickenbach, Matthias; Christians, Heiko; Wegmann, Nikolaus (Hg.): Historisches Wörterbuch des Mediengebrauchs. Köln [u.a.]: Böhlau 2015, S. 1-13, S. 10. (Hervorh. im Orig.)

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Teil II G ehäuse -/I nterface -D esign und Wohnzimmer -N etzwerk

1. Fernsehmöbel als gestaltete Artefakte: Eine Design-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln Die Frage nach der „Materialität der Kommunikation“1, die bereits in den 1980er-Jahren den Blick geistes- und kulturwissenschaftlicher Forschung neu ausgerichtet hat, hat seit einiger Zeit wieder Konjunktur. „Die Wiederkehr der Dinge“2 ist nicht zuletzt auf die Rezeption der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) zurückzuführen, die zu einem Boom der Frage nach der Macht der Dinge bzw. ihrer Beteiligung am sozialen Handeln geführt hat. Wolfgang Schäffner hat 2010 einen design turn in den Geistes- und Kulturwissenschaften konstatiert. Ihm liegt die Annahme zugrunde, dass sich soziokulturelles Wissen nicht allein in Diskursen und Praktiken manifestiert, sondern ebenso in Objekten und besonders in deren Gestaltung.3 Die designinformierte Wende ließe sich aber erst dann komplettieren, wenn anerkannt würde, dass Gestaltungs- und Entwurfspraktiken als epistemische Verfahren „eine neue Architektur des Wissens“ bieten.4 Im Weiteren möchte die vorliegende Arbeit an dieses geistes- und kulturwissenschaftliche Interesse an den gestalteten Dingen anschließen und dabei insbesondere Theorien des Designs einbeziehen. Hierbei geht es allerdings weniger um die von Schäffner fokussierten Praktiken des Entwerfens und die Ge1 | So der Titel eines Sammelbandes, der die Diskussion über die Materialität der Kommunikation Ende der 1980er-Jahre eingeleitet und die Frage nach den medientechnischen Voraussetzungen von Kommunikation und ihre materielle Dimension überhaupt erst auf die wissenschaftliche Agenda gesetzt hat. Pfeiffer, K. Ludwig: Materialität der Kommunikation? In: Gumbrecht, Hans Ulrich; Pfeiffer, K. Ludwig (Hg.): Materialität der Kommunikation. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1988, S. 15-27. 2 | Siehe den gleichnamigen Sammelband von Balke, Friedrich; Muhle, Maria; von Schöning, Antonia (Hg.): Die Wiederkehr der Dinge. Berlin: Kadmos 2011. 3 | Vgl. Schäffner, Wolfgang: The Design Turn. Eine wissenschaftliche Revolution im Geiste der Gestaltung. In: Mareis, Claudia; Joost, Gesche; Kimpel, Kora (Hg.): Entwerfen – Wissen – Produzieren. Designforschung im Anwendungskontext. Bielefeld: transcript 2010, S. 33-46, S. 33. 4 | Ebd., S. 34.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

staltbarkeit von Wissen, welche er als Bestandteile eines neuen epistemischen Ansatzes innerhalb der Geistes- und Kulturwissenschaften versteht. Stattdessen wird an eine andere Wende angeschlossen, die sich in der Designforschung seit den 1960er-Jahren zunehmend vollzieht, und zwar die stärkere Berücksichtigung des Gebrauchs von gestalteten Artefakten in den Theorien des Designs. So schreibt Claudia Mareis: „Sowohl in analytischer als auch in methodischer Hinsicht kann hier von einem Paradigmenwechsel im Feld der Designtheorien gesprochen werden, durch den sich das Interesse von Fragen der Funktionalität und Produktion zu Fragen der Rezeption und des Gebrauchs von Designartefakten verschiebt.“5

Auch wenn alltägliche Gebrauchsgegenstände und die Massenkultur weiterhin nicht zum Hauptanliegen der Theorien des Designs gehören,6 sind im Umfeld der Designforschung Arbeiten entstanden, die weniger die Produktion oder den ästhetischen Wert von gestalteten Artefakten, sondern deren Gebrauchsformen und Nutzungsmodalitäten in den Blick nehmen. Diese Ansätze interessieren sich auch dafür, dass Dinge im Alltag oft anders genutzt werden, als es die Designer vorgesehen haben. Das Feld der Designforschung ist breit gefächert. Im Folgenden werden insbesondere solche Arbeiten aus dem Bereich der Designgeschichte einbezogen, die explizit nach Einrichtungspraktiken im Hinblick auf Fernsehapparate als gestaltete Artefakte fragen. Damit geht es genau darum, das Fernsehgerät als Teil der Wohnung zu beschreiben. „Die Designforschung in dieser Modellierung ist von Interesse, da sie die Betrachtung von Medienapparatur nicht als Ausgangspunkt der Untersuchung wählt, sondern konsequent von der Frage des Einrichtens ausgeht.“7

Eine solche Perspektive auf Mediengebrauch zuhause, der über Praktiken des Einrichtens vermittelt ist, wendet sich ab von den Verfahrensweisen tendenziell technikdeterministischer Einzelmedienstudien.8 Ziel des vorliegenden Kapitels 5 | Mareis, Claudia: Theorien des Designs zur Einführung. Hamburg: Junius 2014, S. 103. 6 | Vgl. ebd., S. 17. Mareis nimmt hier Bezug auf Ruppert, Wolfgang: Zur Geschichte der industriellen Massenkultur. Überlegungen zur Begründung eines Forschungsansatzes. In: ders. (Hg.): Chiffren des Alltags. Erkundungen zur Geschichte der industriellen Massenkultur. Marburg: Jonas 1993, S. 9-22, S. 9. 7 | Bartz, Christina: Einrichten. In: Historisches Wörterbuch des Mediengebrauchs. In: Bickenbach, Matthias, Christians, Heiko; Wegmann, Nikolaus (Hg.): Wien [u.a.]: Böhlau 2014, S. 195-208, S. 205. 8 | Zwar stellt auch die vorliegende Arbeit eine Einzelmedienstudie zum Fernsehen dar. Gleichzeitig möchte die Arbeit einen Vorschlag machen, wie man einen Blick auf Einzelmedien wirft, der über sie hinausgeht. Teil I der Arbeit hat diesbezüglich bereits gezeigt, dass

1. Eine Design-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

ist es, zwei Fallstudien vorzustellen, und zwar die feministischen Arbeiten der Designhistorikerin Judy Attfield und die Studien des Kunsthistorikers Martin Warnke.9 Wie noch zu zeigen sein wird, sind diese beiden Studien in besonderer Weise geeignet, um daran anschließend einen eigenen Zugang zur Verhäuslichung des Mediums Fernsehen als Bestandteil der Inneneinrichtung zu entwickeln. Attfield und Warnke beschäftigen sich beide mit dem gleichen Ensemble von Einrichtungsgegenständen, das wichtig ist für die Implementierung des Fernsehens in den häuslichen Raum, insbesondere mit dem Couchtisch und der Couchecke. Namentlich Attfield geht es in ihren Arbeiten darum, dass die Kategorie des Gebrauchs entscheidend ist für die des Designs. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll im Vorfeld zu klären, wie sich Design, Entwurf und Gebrauch zueinander verhalten. Im ersten Teil dieses Kapitels werden zu diesem Zweck zunächst wichtige Begriffe der Designforschung, und zwar „Design/Gestaltung/ Entwurf“ und „Gebrauch“ (Kapitel 1.1) sowie „Gehäuse/Interface“ (Kapitel 1.2) eingeführt. Die historische Phase der Industrialisierung wird als wichtiger Prozess begriffen, an dem sich das Verhältnis von Design/Gestaltung/Entwurf und Gebrauch gut diskutieren lässt, da mit dieser Entwicklung die Planung und der Gebrauch gestalteter Artefakte erstmals auseinandertreten. Gehäuse und Interface wiederum lassen sich als Schauplatz konfligierender Interessen bzw. als Ort von Aushandlungen zwischen Gestaltungs- und Gebrauchsabsichten verstehen. In diesem Vorhaben der Begriffsklärung geht es weniger darum, einzelne Begriffe auf eine Definition festzulegen. Vielmehr soll gezeigt werden, warum eine Design-Perspektive und insbesondere das Feld der Designgeschichte geeignet sind, um die Praktiken des Einrichtens in Bezug auf Fernsehmöbel beschreibbar zu machen. die Diskurse, die der frühen Apparategestaltung von Fernsehern vorausgehen, das Medium immer auch zwischen anderen Medientechniken verorten. In Teil III der Arbeit wird eben diese Perspektive fortgeführt, wenn die Vermöbelung von Fernsehapparaten historisch und systematisch verortet wird im Verhältnis zu Vorläufermedien, wie etwa Telefonmöbeln. Wie die im Laufe dieser Arbeit zu entwickelnde Möbel-Perspektive zeigt, lassen sich nicht nur andere vermöbelte technische Medien, sondern auch die Möbel des Wohnraums selbst als Bezugspunkt in der Beschreibung der Verhäuslichung des Mediums Fernsehen modellieren, wie etwa die Couchecke und der Couchtisch (siehe Kapitel 1.3 im vorliegenden Teil). Eine solche allgemeinere, entselbstverständlichende Perspektive auf Einzelmedien lässt sich am Fernsehmöbel besonders gut durchspielen, da sich hier Gegenstand und Perspektive zusammenfügen: Denkt man Fernsehapparate als Möbel mit Praktiken des Einrichtens zusammen, bleibt man gerade nicht beim einzelnen Objekt stehen, sondern ordnet es mit dem Möbelensemble des häuslichen Raums in ein größeres Feld ein. 9 | Attfield, Judy: Design as a Practice of Modernity: A Case for the Study of the Coffee Table in the Mid-Century Domestic Interior. In: Journal of Material Culture (1997) 2. Jg., H. 3, S. 267-289; Warnke, Martin: Zur Situation der Couchecke. In: Habermas, Jürgen (Hg.): Stichworte zur ‚Geistigen Situation der Zeit‘. 2. Band: Politik und Kultur. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1979, S. 673-687.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

1.1 Design/Gestaltung/Entwurf und Gebrauch Einen Ausgangspunkt für dieses Unterfangen bieten die Begriffe „Design/Gestaltung/Entwurf“, an denen sich historische Etappen einschlägiger Designdiskurse nachzeichnen lassen, die für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit produktiv gemacht werden können. Gleichzeitig führen diese Begriffe in die Tiefen der Geschichte des Designs und können hier nur umrissen werden. Was unterscheidet nun die Begriffe „Design“, „Gestaltung“ und „Entwurf“ voneinander? Im zeitgenössischen Sprachgebrauch jedenfalls scheint die Rede vom „Design“ omnipräsent zu sein. Bei „Design“ handelt es sich um einen Anglizismus, der im Alltagssprachgebrauch sowohl zur Bezeichnung von materiellen Produkten als auch von immateriellen Dienstleistungen verwendet wird. Dass es sich bei Design um ein Schlagwort handelt, das zu einer Leerformel zu werden droht, legt der Designhistoriker Kjetil Fallan anhand der Wortkombination Designer-Möbel dar. Schließlich fallen alle industriell gefertigten Möbel unter den Begriff des (Industrie-)Designs – der Zusatz, dass man es bei Möbeln mit Design zu tun hat, stelle dementsprechend eine Wortdoppelung dar.10 An Beispielen wie diesen zeigt sich, dass sich Design in vielen Fällen als ein verkaufsträchtiges und massenkompatibles Label erweist. Eine ähnliche Diagnose trifft der Kulturhistoriker Gert Selle, wenn er schreibt: „Design sieht sich heute auf Produktionsmittel, Produkte, Arbeitsformen, private und öffentliche Umwelten, auf demonstrative Ab- und Ausgrenzungsstrategien, Lebensentwürfe, Regeln der Selbststilisierung und Identifikation, kurz auf alles Gestaltbare angewendet.“11

Diese von Selle beobachtete mangelnde begriffliche Differenzierung verweist auf eine Unterscheidungsproblematik. Die Nähe der Begriffe „Gestaltung“ und „Design“ ist historisch bedingt. Bevor im deutschsprachigen Raum ab Mitte des 20. Jahrhunderts der Anglizismus „Design“ Einzug in den deutschen Sprachgebrauch hält, firmiert die Formgebung von Objekten unter dem Begriff der „Gestaltung“. Das deutschsprachige Wort hat insbesondere seit den 1920er-Jahren im Umfeld künstlerischer Praktiken Konjunktur. Bauhaus und Deutscher Werkbund sind historisch betrachtet zwischen Design und Gestaltung zu verorten. Zwar geht es ihnen um „die Notwendigkeit von Gestaltung innerhalb industrieller Produktion“,12 jedoch bleiben sie auch unter dieser Prämisse mehr dem Kunsthandwerk verhaftet. Die unscharfen Grenzen zwischen Design und Gestaltung zeigen sich auch an der 10 | Vgl. Kjetil, Fallan: Design History. Understanding Theory and Method. Oxford [u.a.]: Berg 2010, S. x. 11 | Selle, Gert: Design im Alltag. Vom Thonetstuhl zum Mikrochip. Frankfurt a.M.: Campus 2007, S. 10. 12 | Brandes, Uta; Erlhoff, Michael; Schemmann, Nadine: Designtheorie und Designforschung. Paderborn [u.a.]: Fink 2009, S. 19.

1. Eine Design-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

Hochschule für Gestaltung Ulm, die zwar maßgeblich an der Etablierung eines theoretischen Designdiskurses in den 1950er- und 1960er-Jahren in der BRD mitwirkt.13 Bei der Umsetzung ihrer Industrieprodukte orientieren auch sie sich jedoch weiterhin am Ideal einer ganzheitlichen Gestaltung, wie sie für das Kunsthandwerk und die Manufaktur kennzeichnend waren.14 In diesem Sinne ist mit Gestaltung eine „genuin deutschsprachige Begriffs- und Diskurstradition rund um den Komplex von ästhetischer Wahrnehmung und formgebender, schöpferischer Praxis“15 angesprochen. Wie Mareis in Theorien des Designs zur Einführung zeigt, sind nicht nur die Begriffe „Design“ und „Gestaltung“, sondern mit ihnen auch der des „Entwurfs“ designtheoretisch nur schwer voneinander zu trennen: „Mit dem Ausdruck ‚Design‘ werden aber nicht nur Prozesse des Entwerfens und Gestaltens bezeichnet, sondern ebenso die aus diesen Prozessen resultierenden Ergebnisse sowie das Aussehen und der ‚Gesamtentwurf eines Produkts‘.“16

Diese Mehrfachbedeutung des Designbegriffs17 werde vor allem im englischen Sprachgebrauch plausibel. Das Verb to design bezeichne die gestalterisch-konzeptionelle Phase der Vorbereitung und sei damit den Entwurfstheorien zuzuordnen. Als Substantiv beziehe sich design auf entworfene Artefakte und Dienstleistungen, erstere machen den Gegenstand der Theorien der gestalteten Artefakte aus.18 „Während in Entwurfstheorien Aspekte wie Ideenfindung, Konzeption, Formgebung, Verwendung und Entwurfswerkzeuge und -verfahren adressiert werden, untersuchen Artefakttheorien Designobjekte in ihrem alltäglichen Gebrauch oder in ihrer symbolischen, ästhetischen und ökonomischen Rezeptions- und Wirkungsgeschichte.“19

13 | Vgl. ebd., S. 59. 14 | Vgl. ebd. 15 | Mareis: Theorien des Designs, S. 36. Wenn in der vorliegenden Arbeit von Gestaltung die Rede ist, dann sind damit gerade nicht solche normativen und ideologischen Wertsetzungen im Hinblick auf gestaltete Artefakte gemeint. Vielmehr wird der Begriff der Gestaltung in einem umfassenderen und neutralen Sinn für die ästhetische und pragmatische Formgebung von Artefakten verwendet. 16 | Ebd., S. 38. 17 | Im Designdiskurs herrscht Unstimmigkeit darüber, „ab wann historisch von Design überhaupt gesprochen werden kann.“ Brandes, Erlhoff, Schemmann: Designtheorie und Designforschung, S. 17. Die Begriffsgeschichte von „Design“ ist zurückzuverfolgen bis ins 15. Jahrhundert und den künstlerischen Akademien des italienischen Disegno, denen ein Verständnis von „Entwerfen als fundamentale[m] Akt künstlerischen Schaffens“ zugrunde liegt. Engell, Lorenz; Siegert, Bernhard: Editorial. In: Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung (2012), H. 1, Schwerpunkt „Entwerfen“, S. 5-9, S. 5. 18 | Vgl. Mareis: Theorien des Designs, S. 38. 19 | Ebd.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

Lorenz Engell und Bernhard Siegert beschreiben Entwerfen als Kulturtechnik, die auf einer verteilten Handlungsmacht zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren wie Werkzeugen und Medien beruhe.20 Designobjekte sind also ihrerseits wiederum beteiligt an Entwurfsprozessen. Jedoch ist der Designbegriff in seiner Doppeldeutigkeit von to design und design breiter angelegt als der des Entwurfs. Die aufgeführten Begriffe des Designs lassen sich auch anhand des ökonomischen und gesellschaftlichen Prozesses der Industrialisierung klären. Mit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden etwa Möbel immer weniger in handwerklicher Manufaktur, sondern infolge neuer Fertigungstechniken und Werkstoffe als industrielle Massenprodukte gefertigt.21 Auch wenn die Industrialisierung in Europa und den USA bereits Ende des 18. Jahrhunderts einsetzt, so lässt sich laut Selle erst in ihrem weiteren Vollzug von Design sprechen.22 Mareis macht den tatsächlichen Beginn von Design am Berufsbilds des Designers/der Designerin fest, das sich „[v]or dem Hintergrund technisch-industrieller Produktionsverfahren und neuer Konstruktions- und Materialinnovationen“23 herausbildet. Uta Brandes, Michael Erlhoff und Nadine Schemmann beschreiben die industrielle Produktion als Siegeszug des Designs ab Ende der 1920er-Jahre.24 In Form von Industrie- bzw. Produktdesign sagt sich Design als professionelle Praxis und als Berufsbild von Kunsthandwerk und Manufaktur los und zielt auf die Herstellung serieller (Massen-)Produkte ab,25 wie z.B. in Form von Fernsehgeräten bzw. -möbeln. An der Entwicklung zur industriellen Warenproduktion wird insbesondere plausibel, wie die Kategorie des Gebrauchs einer Umwertung unterzogen wird, und zwar als geplanter Gebrauch. Die handwerkliche Manufaktur zeichnet sich noch dadurch aus, dass die Produktion gestalteter Artefakte und ihr Entwurf zusammenfallen. Planen und Ausführen der Artefaktgestaltung gehen hier nicht nur Hand in Hand, sondern werden zusätzlich vom Gebrauch her gedacht. An 20 | Vgl. Engell, Siegert: Editorial, S. 6f. 21 | Vgl. Zimmermann, Oliver: Der Gelsenkirchener Barock aus designgeschichtlicher Sicht. Am Beispiel des Produktdesigns der Fünfziger Jahre. In: Stadt Gelsenkirchen, Städtisches Museum (Hg.): Gelsenkirchener Barock. Heidelberg: Edition Braus 1991, S. 83-92, S. 83. 22 | Vgl. Selle, Gert: Geschichte des Design in Deutschland. Aktualisierte und erweitere Neuausgabe. Frankfurt [u.a.]: Campus 2007, S. 17. 23 | Mareis: Theorien des Designs, S. 48. Die Dessinateure, die seit dem 18. Jahrhundert in Manufakturen und später in Fabriken Musterzeichnungen anfertigen, stellen laut Selle die Vorgänger der modernen Designer dar. Auch wenn sich die Berufspraxis des Entwerfens industriell hergestellter Massenwaren bereits Anfang des 20. Jahrhunderts weiter konturiert, setzt sich die Berufsbezeichnung des Designers/der Designerin in Deutschland erst in den 1950er-Jahren durch. Vgl. Selle: Design im Alltag, S. 9f. 24 | Vgl. Brandes, Erlhoff, Schemmann: Designtheorie und Designforschung, S. 19f. 25 | Vgl. Perez de Vega, Eva: Industrie-Design. In: Erlhoff, Michael; Marshall, Tim (Hg.): Wörterbuch Design. Begriffliche Perspektiven auf Design. Basel [u.a.]: Birkhäuser 2008, S. 196-198, S. 196.

1. Eine Design-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

der Ausdifferenzierung der gestalteten Artefakte der Tischkultur, etwa in Form des Bestecks, plausibilisiert Selle die Vorgängigkeit der Geste und ihrer kulturellen Kontexte vor der Formgebung der Gegenstände.26 Kurz: Die Gestaltung der Artefakte richtet sich an kollektiven Bedürfnissen und einer spezifischen Handhabungsweise aus. Mit der Industrialisierung lässt sich nun beobachten, wie die Ebenen des Entwurfs, der Produktion und des Gebrauchs auseinandertreten. „Erst im Vollzug der Industrialisierung wird ein Verlust der Nähe zu den Dingen registriert.“27 Infolge einer funktionalen Differenzierung in der Herstellung gestalteter Artefakte werden Fertigung und Entwurf immer weiter voneinander getrennt. Dieser Wandel affiziert ganz wesentlich auch die Kategorie des Gebrauchs. Von nun an gehen nicht länger ritualisierte Verwendungszusammenhänge – wie etwa die angesprochene Tischkultur – der Formgebung voraus, sondern die Logiken mechanisierter Produktionszusammenhänge.28 Mit der Industrialisierung gehen die abstrakten Entwürfe eines potentiellen Gebrauchs dem sinnlich erfahrbaren Gebrauch, der auf einen „gewachsenen kulturellen Zusammenhang“29 verweist, voraus. Entwurf und Produktion haben sich mit den Anfängen der Industrialisierung vom Gebrauch weitgehend gelöst. Wie kann nun die Kategorie des Gebrauchs wieder eingefangen werden, wo doch im Zuge der Industrialisierung Entwerfen und Fertigen auseinandergetreten sind und damit einhergehend Entwurf und Produktion sich vom Gebrauch gelöst haben? Mitte des 19. Jahrhunderts zeichnet sich die industrielle Produktion noch durch eine kostengünstige Imitation handwerklicher Manufaktur und Materialien aus, etwa als Zitat historischer Stile wie der Neoromanik, Neogotik und Neorenaissance.30 Wie Selle beschreibt, führt dieses Verfahren dazu, dass die Gegenstände nicht länger eindeutige Gebrauchsszenarien vermitteln; stattdessen bieten sie Sekundärfunktionen an, etwa in Form eines bewusst übertriebenen Dekors.31 „Für die neue industrielle Warenwelt gab es, zugespitzt formuliert, noch keine eigenständige Ästhetik.“32 Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts setzt sich im Umfeld kunstgewerblicher und kunsterzieherischer Bestrebungen eine industrielle Ästhetik durch. Im Prozess der fortschreitenden Industrialisierung wird die Kategorie des Gebrauchs über das Entwerfen von den Nutzern zugewandten Oberflächen wieder eingefangen. Mit dieser Entwicklung setzt sich ein planendes, konzeptionelles Moment von Gebrauch durch. Die Kategorie des Gebrauchs spielt damit wieder eine zentrale Rolle in der industriellen Fertigung von Artefakten, jedoch in rea26 | Vgl. Selle: Geschichte des Design in Deutschland, S. 17. 27 | Ebd. 28 | Vgl. ebd., S. 19f. 29 | Ebd., S. 18. 30 | Vgl. Mareis: Theorien des Designs, S. 52. 31 | Vgl. Selle: Geschichte des Design, S. 62. 32 | Mareis: Theorien des Designs, S. 52f.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

lisierter Form: Von nun an entwerfen Designer die Hüllen ästhetischer Produkte und imaginieren damit gleichsam mögliche Nutzungsformen.33 Im folgenden Unterkapitel werden das Gehäuse und das Interface als wesentliche Schnittstellen konzipiert, die eine Brücke im Design schlagen zwischen Produktion/Entwurf und Gebrauch. Über das Gehäuse wird das Design angepasst an das Umfeld des gestalteten Artefakts, also an seinen Gebrauchsort. Das Interface wiederum stellt ein konkretes Gebrauchsangebot an die Nutzer dar. Am Gehäuse bzw. Interface treffen zwei Pole zusammen, nämlich (1) Design/ Entwurf/Produktion und (2) Gebrauch. Obwohl der Gebrauch gestalteter Artefakte eine zentrale Kategorie im Design darstellt, handelt es sich bei der Gebrauchsforschung weiterhin um ein Desiderat der Theorien des Designs.34 Wie zu Beginn des Kapitels unter Bezugnahme auf die Diagnose von Mareis herausgestellt wurde, sind Fragen des Gebrauchs in der Designforschung gerade sehr aktuell und methodisch-theoretisch gleichzeitig unterbestimmt. Die Gehäuse und Interfaces gestalteter Artefakte werden im Folgenden als Schnittstellen, d.h. als Instanzen der Vermittlung zwischen Design und Gebrauch modelliert, um diesem Desiderat im Hinblick auf den eigenen Forschungsgegenstand zu begegnen.

1.2 Vermittlungen zwischen Design und Gebrauch: Gehäuse/Interface In dem Prozess, in dem der Fernseher zum Haushaltsgegenstand wird (siehe Teil I, Kapitel 1.2), ist seine Formgebung von besonderer Bedeutung. Die in Teil I beschriebene mobile Privatisierung in der BRD der Nachkriegszeit lässt sich auch als Siegeszug der Gehäuse beschreiben. Von oben sehen die Neubausiedlungen, die auf den Trümmerfelder hochgezogen werden, aus wie gewaltige Ansammlungen von kleinen Kästchen. In die Häuser wiederum halten nun vermehrt viele kleine Kästchen in Form von Haushalts- und Unterhaltungselektronik Einzug. Ein paar Jahre nach der sogenannten „Stunde Null“ gleicht die Bundesrepublik einer Verschachtelung von Gehäusen im Matrjoschka-Prinzip. Das Gehäuse wird im Folgenden deshalb betont, weil es den zentralen Schauplatz im Prozess der Vermöbelung von Fernsehapparaten darstellt. Mit Hans Blumenberg wird gezeigt, dass das Gehäuse maßgeblich verantwortlich ist für die Verunsichtbarung von Alltagstechnik.35 Doch das Gehäuse kennzeichnet eine 33 | Vgl. ebd., S. 20. 34 | Vgl. Brandes, Erlhoff, Schemmann: Designtheorie und Designforschung, S. 174. 35 | Auch Heike Weber bezieht sich im Hinblick auf Alltagstechnik auf Blumenberg. Vgl. Weber: Stecken, Drehen, Drücken, S. 245f. Siehe hierzu weiter unten „Öffnen: Gehäuse als gestaltete Oberflächen“.

1. Eine Design-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

doppelte Funktion: Nicht nur macht es die Technik unsichtbar, sondern es schließt diese dadurch gleichzeitig an das Haus an. Die Gehäuse von Fernsehmöbeln sind also in doppelter Hinsicht für ihren Möbelcharakter verantwortlich. Darüber hinaus geht es darum herauszuarbeiten, dass die Interfaces von Fernsehmöbeln eine Grenze ihrer Vergehäusung darstellen: Nicht alle Aspekte des technisches Geräts werden dauerhaft mit einer Möbelfassade verkleidet, schließlich müssen die Bedienelemente für den Gebrauch verfügbar und entsprechend zugänglich sein. Gleichzeitig sind auch sie in ihrer Gestaltung auf das Wohnumfeld bezogen. Die weiteren Ausführungen gehen genau diesen widersprüchlichen Tendenzen von Gehäusen und Interfaces nach.

Schließen: Vergehäusung von Alltagstechnik Im Alltagsverständnis bezeichnet ein Gehäuse in erster Linie eine materielle Hülle von etwas.36 Etymologisch betrachtet gibt es zwei Spielarten von Gehäusen. Zum einen (1) sind Gehäuse Umhüllungen (etwa von Technik). Zum anderen (2) treten sie als gebaute Einheiten in Erscheinung, wie etwa das Haus ein architektonisches Gehäuse darstellt. Im 15. Jahrhundert bezeichnet der Begriff frühneudeutsch noch exklusiv eine Hütte bzw. einen Verschlag.37 Diese Dimension von Gehäusen allerdings ist bald schon nicht mehr im Wortgebrauch üblich: „Bereits im 16. Jahrhundert entfernt es sich von der Bedeutung von ‚Haus‘ und entwickelt den Sinn ‚Behältnis, Schutzhülle, Kapsel‘.“38 Diese kurze Herleitung zeigt bereits, dass Gehäuse nicht per se auf den häuslichen Raum begrenzt sind. In der Industrie sind Gehäuse technischer Bauteile erforderlich, um das Innenleben von Geräten vor störenden Einflüssen, wie etwa Staub und Schmutz zu schützen und ganz grundlegend die Standsicherheit des jeweiligen Geräts zu sichern.39 Darüber hinaus kommt Gehäusen in der Industrie ein ordnendes Moment zu, schließlich ermöglicht erst eine Umhüllung, dass technische Komponenten wie etwa Kabelstränge und Schaltkreise zusammengehalten werden können. Erst ein Gehäuse macht Technik also als Einheit erfahr- und adressierbar. Gleichzeitig ist das Material, aus dem ein Gehäuse beschaffen ist, für seine Funktion bzw. seinen Einsatzort relevant. Aluminium-, Kunststoff- und Stahlblechgehäusen kommen unterschiedliche Aufgaben zu. So werden lackierte Gehäusewände etwa zur Regulierung des Wärmedurchgangs verwendet.40 36 | Vgl. Lemma „Gehäuse“. In: Pfeifer, Wolfgang; Braun, Wilhelm (Hg.): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. A-L. 2. Auflage. Durchgesehen und ergänzt von Wolfgang Pfeifer. Berlin [u.a.]: Akademie 1996, S. 411. 37 | Vgl. ebd. 38 | Ebd. 39 | Vgl. Lienig, Jens; Brümmer, Hans: Elektronische Gerätetechnik. Grundlagen für das Entwickeln elektronischer Baugruppen und Geräte. Berlin [u.a.]: Springer 2014, S. 41. 40 | Vgl. ebd., S. 130f.

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Unter dieser Perspektive stellt das Gehäuse eine Grenze zwischen einem Gerät und seiner Umwelt dar. Diese den Industriegehäusen inhärenten grundlegenden Funktionen des Gehäuses etwa als Abkoppelung von seiner Umwelt sind im Rahmen der vorliegenden Arbeit zwar ebenfalls von Interesse. Und auch die Aspekte des Schutzes und der Ordnung von Technik qua Gehäuse sind relevant. Mit dem Phänomen der Vermöbelung von Medien wird jedoch der Aspekt des Gehäuse-Designs zentral. Gehäuse als Umhüllungen von technischen Medien für den Alltagsgebrauch zeichnen sich durch ganz bestimmte Eigenschaften aus, sind sie doch auf eine spezifische Umwelt, nämlich den häuslichen Raum ausgerichtet. Welche Rolle spielen Gehäuse als Umhüllungen von (Medien-)Technik also für die Sphäre des Alltags, genauer das Zuhause? Mit Blumenberg gelesen ist das Verbergen des Innenlebens technischer Artefakte hinter „Gehäusen, [...] Verkleidungen, unspezifischen Fassaden und Blenden“,41 die nach außen lediglich ein paar Tasten sichtbar lassen, konstitutiv für die Technisierung der Lebenswelt.42 Als Umhüllungen bewirken Gehäuse Blumenberg zufolge gerade in der Sphäre des Alltags einen „Entzug der Einsicht“43 in das technische Funktionieren des Geräts und führen somit schließlich zu einer Verunsichtbarung des technisch Gewordenen. Bemerkenswert daran ist aus Blumenbergs Sicht nun nicht etwa das Moment des Entzugs oder Verlusts an sich, sondern dass dieser Verzicht auf Einsicht freiwillig im Sinne der Komplexitätsreduktion erfolgt. Eben dieses Moment der Verunsichtbarung ist zentral für den in der vorliegenden Arbeit zu operationalisierenden Gehäuse-Begriff. Dieser Aspekt lässt sich gerade an Fassaden und Blenden gut veranschaulichen, die Blumenberg im oben genannten Zitat mit Gehäusen in Verbindung bringt. Eine spezifische Ausprägung von Gehäusen als Fassaden und Blenden findet sich in der Architektur, die an dieser Stelle hilfreich ist, um den Aspekt der Invisibilisierung weiter auszuführen. Fassaden verhüllen die eigentliche Substanz eines Gebäudes, etwa in Form einer Gebäudevorderseite, die als repräsentativer Teil dieser Einheit der Straße zugewandt ist und somit den ausgestellten Teil des Hauses darstellt.44 Und nicht zuletzt: In der Architektur dienen Blen41 | Blumenberg, Hans: Lebenswelt und Technisierung unter Aspekten der Phänomenologie. In: ders.: Wirklichkeiten, in denen wir leben. Aufsätze und eine Rede. Stuttgart: Reclam 1981, S. 7-54, S. 35f. 42 | In einer kritischen Auseinandersetzung mit Husserls Lebenswelt-Begriff sieht Blumenberg das Verhältnis von Lebenswelt und Technisierung dadurch gekennzeichnet, dass es sich um ein „‚Universum der Selbstverständlichkeiten‘“ handele. Ebd., S. 37. Im Prozess der Technisierung werde die Mimikry der Gehäuse nur vom Unsichtbarwerden des Technischen selbst, das sich in die Lebenswelt implantiert, übertroffen. Vgl. ebd., S. 37f. 43 | Ebd., S. 36. 44 | Siehe etwa die Architektur der Nachkriegsmoderne, die Fassaden ganzer Straßenzüge mit Kacheln verkleidet. Krajewski, Markus: Bauformen des Gewissens. Über Fassaden deut-

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den der Gliederung oder Verzierung einer Fassade. Der Sphäre der Scheinarchitektur zuzuordnen, tarnt sich das Blendfenster nur als Fenster und erfüllt in seiner Funktion rein dekorative Zwecke. An diesen Beispielen deutet sich an, dass neben den Aspekt der Verunsichtbarung qua Gehäusen ein gestalterisches Element hinzutritt. Inwiefern das Moment der Verunsichtbarung von Technik durch Gehäuse ganz besonders auch im Hinblick auf technische Komplexität greift, legt Blumenberg anhand eines Vergleichs zwischen der elektrischen und der mechanischen Türklingel dar. Die Mechanik von Zug-/Drehklingel zeichne sich durch technische Schlichtheit aus; der gewünschte Effekt, also das Klingeln der Glocke, werde sichtbar vermittelt über eine Schnur durch die diese ziehende Hand erzeugt. Der Gebrauch gehe hier einher mit dem „unmittelbare[n] Gefühl, den beabsichtigten Effekt in seiner Spezifität zu erzeugen, denn zwischen der tätigen Hand und dem erklingenden Ton besteht ein adäquater Nexus, d.h. wenn ich vor einer solchen Einrichtung stehe, weiß ich nicht nur was ich tun muß, sondern auch, weshalb ich es tun muss.“45

Die elektrische Klingel hingegen lasse vom technischen Vorgang nur den Druckknopf sichtbar und sei für die Nutzer somit nicht mehr unmittelbar und intuitiv nachvollziehbar, geschweige denn sinnlich erfahrbar. Sichtbar sei nur noch die drückende Hand, der Rest spiele sich hinter dem dem Nutzer zugewendeten Knopf ab. Ein weiterer qualitativer Unterschied zur mechanischen Klingel bestehe laut Blumenberg darin, dass die menschliche Geste in diesem Gebrauchsszenario nicht länger mit dem spezifischen technischen Funktionszusammenhang korreliert, sondern vereinheitlicht werde: „Der menschliche Funktionsanteil wird homogenisiert und reduziert auf das ideale Minimum des Druckes auf einen Knopf. Die Technisierung macht die menschlichen Handlungen zunehmend unspezifisch.“46 Die Intensität des Klingelns ist in diesem Gebrauchsszenario nicht mehr durch den Bedienenden regulierbar. Ein „sanftes“ Klingeln, etwa indem nur zaghaft an der Zugklingel gezogen wird, ist ausgeschlossen. Die Intensität des Klingelns kann elektrisch vermittelt lediglich über die Länge des Knopfdrucks individualisiert werden. Das Ein-Knopf-Prinzip homogenisiere aber nicht nur die Handlungen der Menschen, die die Technik bedienen, sondern führe auch zur Austauschbarkeit der Knöpfe in ihrer Gestaltung. Obwohl Klingelknopf und Lichtschalter ganz unterschiedliche technische Funktionen und Entwicklungsgeschichten trennen, eint sie die gestalterische Uniformität. Die Verwechslung zwischen diesen beischer Nachkriegsarchitektur. Stuttgart: Kröner 2016. 45 | Blumenberg: Lebenswelt und Technisierung, S. 35. 46 | Ebd., S. 36.

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den Bedienfeldern in den Fluren der Mietshäuser dürfte sich seit Blumenbergs Diagnosen als historische Konstante im Technikgebrauch erwiesen haben. An diesem Beispiel zeigt sich die Tragweite der Vergehäusung: „[D]ie Umkleidung des künstlichen Produkts mit Selbstverständlichkeit“47 greift sowohl auf Seiten des Designs sowie des Gebrauchs.

Öffnen: Gehäuse als gestaltete Oberflächen In der medien- und technikgeschichtlichen Forschung hat es u.a. im Anschluss an Blumenberg Überlegungen gegeben, Gehäuse als gestaltete Oberflächen zu beschreiben, an denen sich Benutzergesten und Gebrauchsweisen ausrichten. In seinen „Überlegungen zur Bedeutung des Designs für eine kultur- und medienwissenschaftlich angereicherte Technikgeschichte“48 setzt sich Andreas Fickers mit dem Design von Radioapparaten Ende der 1920er-Jahre auseinander, genauer mit der Stations-/Senderskala als Innovation in der Apparategestaltung. Fickers’ zentrale These ist, dass das Gehäuse eine wesentliche Schnittstelle darstellt für die Verhäuslichung des frühen Rundfunks in den 1920er- und 1930er-Jahren: „[D]ie Oberfläche des Apparates wird zur symbolischen und funktionalen Schnittstelle eines Kommunikationsapparates, der sich durch die möblierte Behausung vom Amateur- zum Massenmedium wandelt.“49 Fickers versteht Design als Strategie des Verhüllens und Verbergens: „Die Verbannung der technischen Innereien in ein Gehäuse geht einher mit der Schaffung einer Benutzeroberfläche, die – so die These – dem Benutzer die Illusion der ,Beherrschung‘ des Apparates suggeriert.“50 Die neuen alltagsnahen Gebrauchsweisen des Mediums materialisieren sich demzufolge sowohl in seinem Möbel-Gehäuse als auch in der nutzerfreundlichen Sendeskala. Hier zeigt sich bereits eine Schwierigkeit der begrifflichen Differenzierung zwischen Gehäusen und Interfaces: Die Sendeskala ist noch Teil des Gehäuses und gleichzeitig bereits Interface. Die Übergänge sind hier fließend. Heike Weber schließt ebenfalls an diesen Aspekt des Verbergens an, der mit Gehäusen als gestalteten Oberflächen von Alltagstechnik einhergeht. In Anlehnung an Blumenbergs Überlegungen zu Gehäusen beschreibt sie die Invisibilisierung des Technischen in Gehäusen als eine Entwicklung, die insbesondere kennzeichnend sei für das Design von Haushaltstechnik seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Konkret bezieht sich Weber in ihrer Analyse insbesondere auf Radioapparate und Waschmaschinen. So passe sich die Technik vermittelt über das 47 | Ebd., S. 37. 48 | Fickers, Andreas: Design als ‚mediating interface‘. Zur Zeugen- und Zeichenhaftigkeit des Radioapparats. In: Berichte zur Wissensgeschichte (2007), 30. Jg., H. 3, S. 199-213, S. 199. 49 | Ebd. 50 | Ebd., S. 208.

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Gehäuse dem jeweiligen Wohnumfeld der Menschen an (in diesem Fall also an das Wohn- oder Badezimmer). Mit diesem Vorgang der Unsichtbarmachung werde gleichzeitig technische Komplexität eingekapselt.51 Laut Weber werde diese Form der Invisibilisierung in den Theorien des Designs und der Technikgeschichte in der Regel mit der populären Metapher der „Black Box“52 gefasst: „Dabei spielt dieses Sprachbild zum einen auf die materiale Gestaltung an – das technische Innenleben wird in Hüllen und Gehäusen verkleidet –  und zum anderen auf den Fakt der Komplexitätsreduzierung des Wissenschaftlich-Technischen – die Bedienung erfordert kein Verstehen aller Abläufe.“53

Unter dieser Perspektive zeige sich geblackboxte Technik wörtlich genommen als geschlossene Kiste, deren Funktionieren sich der Einsicht der Nutzer entzieht. Weber stellt nun diese populäre Metapher von Technik als Black Box in Frage. Demnach verdecke das Gehäuse nicht nur technische Komplexität. Wenn man anstatt von Black Boxing von einem Boxing der Technik ausginge, trete das Gehäuse in seiner Funktion als zu gestaltende Oberfläche bzw. als schillernde Box in Erscheinung.54 Wie im oben angeführten Beispiel der Fassaden und Blenden in der Architektur geht es hier um die gestalterischen Zwecke der den Menschen zugewendeten Hüllen. In einer semiotischen Lesart macht Weber das Gehäuse als Medium zur Vermittlung von Konsumtechniken und Gender-Codierungen produktiv.55 Weber zufolge zeichne sich die Vergehäusung von Alltagstechniken dadurch aus, dass „die Technik selbst weniger in einer ‚black box‘, denn in einer

51 | Weber: Weber: Stecken, Drehen, Drücken, S. 241f. 52 | Die Metapher der „Black Box“ wird in diesen Diskursen insbesondere an George Eastmans Kodak-Kamera festgemacht, die Ende des 19. Jahrhunderts populär wird. Schließlich werden die Bedienung der Kamera und damit auch technische Komplexität sowohl in der Gestaltung als auch im Gebrauch reduziert, nämlich auf einen kompakten Apparat sowie einen einzigen Knopfdruck, was dem gesellschaftlichen Bedürfnis nach einer Praxis des Knipsens entgegenkomme. Vgl. ebd., S. 233. Weber bezieht sich in diesem Beispiel auf Latours Re-Analyse der Geschichte der Entwicklung der Kodak-Kamera unter den methodisch-theoretischen Prämissen der Akteur-Netzwerk-Theorie. Siehe Latour, Bruno: Technologie ist stabilisierte Gesellschaft [1991]. In: Belliger, Andréa; Krieger, David J. (Hg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld: transcript 2006, S. 369-397. Gelesen mit dem Vokabular der ANT stabilisiere sich die neue Technik der Kodak-Kamera zu einer Black Box. (Zum Begriff der „Black Box“ siehe das folgende Kapitel 2.3) 53 | Weber, Heike: Blackboxing? – Zur Vermittlung von Konsumtechniken über Gehäuse- und Schnittstellendesign. In: Bartz, Christina; Kaerlein, Timo; Miggelbrink, Monique; Neubert, Christoph (Hg.): Gehäuse: Mediale Einkapselungen. Paderborn: Fink 2017, S. 116. 54 | Vgl. ebd., S. 127f. 55 | Vgl. ebd., S. 123f.

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vielschillernden ‚coloured box‘ unter durchgestylten Oberflächen verschwindet und diskursiv in Emotionen und Lifestyles umgemünzt wird.“56 In der im Rahmen dieser Arbeit verfolgten Vermöbelungsthese greifen also zwei auf den ersten Blick widersprüchliche Tendenzen ineinander: zum einen die Invisibilisierung von Technik und zum anderen die gut sichtbare Gestaltung der Gehäuse technischer Medien für den Hausgebrauch. Wie die Referenz auf Blumenbergs Gehäuse-Begriff gezeigt hat, wird Technik im Alltag maßgeblich im Gehäuse verborgen. Unter Bezugnahme auf die Arbeiten von Fickers und Weber wurde herausgearbeitet, dass dem Gehäuse eine Funktion über die Invisibilisierungsthese Blumenbergs hinaus zukommt: Gleichzeitig findet nämlich mit den Gehäusen eine Öffnung (des Technischen) statt, und zwar in die Lebenswelt der Menschen. Im Falle des Fernsehmöbels erfolgt diese Öffnung auch gegenüber der häuslichen Inneneinrichtung. Das Gehäuse macht technische Objekte an ihre Umwelt anschließbar. Diese Öffnungsthese im Hinblick auf Gehäuse findet eine Zuspitzung in den Interfaces von Alltagstechnik, mit denen eine Bedienung ohne Expertenwissen ermöglicht werden soll. Im Weiteren geht es nun darum zu zeigen, wie sich der Interface-Begriff für den Gegenstand Fernsehmöbel produktiv machen lässt. Wie noch zu zeigen sein wird, stellen Interfaces einerseits eine Grenze in der Verkleidung von Medien mit einem Möbel-Gehäuse dar. Gleichzeitig lässt sich auch die Gestaltung der Bedienelemente an die Logiken der Inneneinrichtung rückbinden. In den folgenden Ausführungen wird es darum gehen zu zeigen, dass Gehäuse und Interfaces von Medien für den Heimgebrauch durchaus widersprüchlich aufeinander bezogen sind.

Grenzen der Vergehäusung: Interfaces Der kurze Blick auf die Gehäuse technischer Medien für den Hausgebrauch weist bereits auf die Grenzen der Vermöbelungsthese hin, die auch Gegenstand der weiteren Ausführungen sind. Eine solch systematisch breit angelegte These ist nicht ohne Einschränkungen zu haben. Was lässt sich nicht in Gehäusen einkapseln, wo liegen also ihre Grenzen? Schließlich lassen sich nur bestimmte Aspekte eines medientechnischen Apparats mit einem Gehäuse versehen. Wenn Medien mit wohnmöbelähnlichen Gehäusen verhüllt werden, so gilt dies im Wesentlichen für das technische Innenleben, nicht jedoch für ihre Bedienelemente. Gehäuse und Bedienelemente, die im Weiteren als Interfaces bezeichnet werden, sind folglich qua Gestaltung und Gebrauch voneinander getrennt. Gleichzeitig gibt es die Bedienelemente wiederum im Grunde erst als Bestandteil des Gehäuses. Tasten und 56 | Weber, Heike: Von „Lichtgöttinnen“ und „Cyborgfrauen“: Frauen als Techniknutzerinnen in Vision und Werbung. In: Heßler, Martina (Hg.): Konstruierte Sichtbarkeiten. Wissenschaftsund Technikbilder seit der frühen Neuzeit. München: Fink 2006, S. 317-344, S. 342.

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Schalter wären dann sogar als Resultat eines Vergehäusungsvorgangs zu sehen, wie es Blumenbergs Ausführungen zur elektrischen Klingel verdeutlichen. Zwar treffen sich das Gehäuse und die Bedienelemente erst einmal ganz grundsätzlich darin, dass es sich bei beiden Entitäten um gestaltete Elemente handelt. Gleichzeitig soll nun gezeigt werden, dass es sich lohnt danach zu fragen, in welchen Aspekten sie auseinandertreten. Während sich das Gehäuse an den Wohnraum anpasst, indem es den ästhetischen Interessen der Nutzer entgegenkommt, lässt sich dies nicht gleichermaßen für die Bedienelemente behaupten. Ihre Gestaltung ist zum einen stärker technischen Sachzwängen unterworfen und sie stellen zum anderen ein konkretes (technisches) Gebrauchsangebot an die Nutzer dar. Einzelne Elemente, wie etwa Antennen oder Bildschirme, sollen bzw. können schlichtweg nicht mit einem festen Gehäuse verkleidet werden, da dies den Funktionslogiken des jeweiligen Mediums widersprechen würde. Und auch die Kabel durchdringen die Gehäuse der Fernsehmöbel; selbst bei Luxusgeräten wie Kombinationstruhen aus zwei oder mehreren technischen Medien wird scheinbar wenig darauf geachtet, diesen Teil des technischen Apparats zu invisibilisieren, obwohl seitens der Zuschauer immer wieder danach gefragt wird (siehe hierzu Teil III, Kapitel 2.2). Der Interface-Begriff in der heute üblichen Bedeutung wurde im Rahmen der Forschung zur Human-Computer Interaction (HCI) geprägt und steht in diesem Verwendungszusammenhang in erster Linie für Benutzerschnittstellen.57 Aus diesem Begriffsverständnis lassen sich zwei wichtige Tendenzen im Hinblick auf den Gegenstand der vorliegenden Arbeit ableiten. Zum einen (1) zeichnen sich Interfaces dadurch aus, dass sie eine Distanz zur Technik herstellen. Interfaces in Form von Software dienen zunächst einmal dazu, dass Nutzer kein Experten57 | Konsultiert man seine Begriffsgeschichte, tun sich grundsätzlichere Bedeutungen jenseits der HCI auf. In einer solchen Herleitung steht face erst einmal für surface, also Oberflächen und inter für Zwischenräume, die sich dazwischen ergeben. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts werden mit dem Begriff „Interface“ Grenzschichten zwischen zwei Oberflächen benannt. Zuerst taucht das Interface in der Chemie auf, um Grenzen zwischen zwei Flüssigkeiten zu bezeichnen. In der Elektrotechnik wird der Begriff später gebräuchlich, um ent-/ koppelnde Elemente zwischen zwei Geräten zu benennen. Vgl. Hellige, Hans Dieter: Krisenund Innovationsphasen der Mensch-Computer-Interaktion. In: ders. (Hg.): Mensch-Computer-Interface. Zur Geschichte und Zukunft der Computerbedienung. Bielefeld: transcript 2008, S. 11-92, S. 13. Der heute gebräuchliche Interface-Begriff wird in den 1950er-Jahren im Umfeld der Computertechnik geprägt. In diesem Kontext spielen nun die Nutzer eine Rolle, ohne dass der Interface-Begriff jedoch per se mit user interfaces gleichzusetzen ist: „In computing, interfaces link software and hardware to each other and to their human users or other sources of data.“ Cramer, Florian; Fuller, Matthew: Interface. In: Fuller, Matthew (Hg.): Software Studies. A Lexicon. Cambridge, Mass. [u.a.]: MIT 2008, S. 149-152, S. 149. Interfaces werden im deutschen Sprachraum auch als „Schnittstellen“ bezeichnet, die technische Systeme oder Menschen und Technik aneinander koppeln. Vgl. Halbach, Wulf R.: Interfaces. Medien- und kommunikationstheoretische Elemente einer Interface-Theorie. Fink: München 1994, S. 168.

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wissen bezüglich der Funktionsweisen von Computern benötigen. Gleichzeitig (2) ist der klassische Interface-Begriff dezidiert von der Logik der Technik her gedacht. Beim Entwerfen eines großtechnischen Systems stellen Interfaces als Nutzerschnittstellen zwar einen bedeutenden Faktor dar, sie werden allerdings gleichrangig mit anderen Systemkomponenten behandelt. Andere Elemente, wie etwa Prozessorleistung und Speicherkapazität, werden lange Zeit im Systementwurf priorisiert. Die Nutzer tauchen in diesem Modell zunächst nur als Appendix auf und stellen dieser Logik zufolge sozusagen lediglich eine weitere Schnittstelle des Systems dar.58 In den 1960er-Jahren hat Herbert Simon den Interface-Begriff in den Designdiskurs eingebracht. Simon begreift das Interface ganz grundlegend als Schnittstelle zwischen innen und außen, nämlich zwischen einem Artefakt und seiner Umgebung: „An artifact can be thought of as a meeting point, an ‚interface‘ in today’s terms between an ‚inner‘ environment, the substance and organization of the artifact itself, and an ‚outer‘ environment, the surroundings in which it operates.“59

Hinter Simons Interface-Begriff steht eine als notwendig empfundene operative Trennung zwischen innerer und äußerer Umgebung eines Artefakts, um beide Einheiten im Entwurf systemisch besser voneinander abgrenzen bzw. aufeinander beziehen zu können.60 Dieses für Interface-Bezüge in der Designtheorie grundlegende Zitat vernachlässige laut Mareis jedoch die Materialität von Schnittstellen als gestalteten Oberflächen.61 Dementsprechend wertet Mareis Simons Position als Beginn eines Entmaterialisierungs-Diskurses in der Designtheorie, der sich parallel zur Durchsetzung von Computertechnik vollzogen habe. So konstatiert Mareis, „dass diese Positionen die Schnittstellen der Mensch-Maschine-Interaktion vornehmlich als Bestandteil von abstrakten Systemdiskursen und entmaterialisierten Artefaktökologien bestimmt haben, und dass damit ungewollt die soziomaterielle Rolle und Funktion von Gehäusen und Oberflächen aus dem Blickfeld zu verschwinden drohte.“62 58 | Weiterführend zur Technikzentriertheit des Begriffs des „user interface“ siehe Grudin, Jonathan: Interface: An Evolving Concept. In: Communications of the ACM – Special Issue on Graphical User Interfaces (1993), 36. Jg., H. 4, S. 110-119, S. 112, S. 115. 59 | Simon, Herbert A.: The Sciences of the Artificial [1969]. Cambridge, Mass. [u.a.]: MIT Press 1996, S. 6. 60 | Vgl. ebd., S. 8. 61 | Vgl. Mareis, Claudia: Unsichtbares Design und post-optimale Objekte. Interface-Design und Entmaterialisierungsdiskurse seit circa 1960. In: Bartz, Christina; Kaerlein, Timo; Miggelbrink, Monique; Neubert, Christoph (Hg.): Gehäuse: Mediale Einkapselungen. Paderborn: Fink 2017, S. 93-114, S. 104f. 62 | Ebd., S. 95.

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Mit dem Medium Computer habe sich demzufolge eine Verkürzung im Design-Diskurs ergeben, mit der materielle Aspekte von Interfaces vernachlässigt werden. Wie diese selektive begriffsgeschichtliche Darlegung zeigt, umfasst die Typologie des Interfaces viele Formen der Gestaltung von Relationen, die jedoch zu Beginn der Forschung zu Interfaces von der Technik her gedacht sind.63 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit erscheint es sinnvoller, das Interface nicht von der Technik, sondern von den Praktiken her nachzuvollziehen, wie es auch in der Interface-Forschung immer stärker in den Blick gerät.64 In diesem Zusammenhang erweist sich der von Mareis hervorgehobene Aspekt der Materialität von Bedienschnittstellen als besonders interessant. Eine solche Perspektive auf Interfaces fokussiert nicht ausschließlich die Software digitaler Medien, sondern interessiert sich generell für die Materialität von Bedienelementen. Im Weiteren wird nun der Fokus auf die Rolle von Interfaces in der Verhäuslichung von Alltagstechnik gelegt, wie sie Blumenberg mit der Verunsichtbarung technischer Komplexität im Alltag mittels Knöpfen und Schaltern beschreibt. Auch in medien- und technikhistorischen Arbeiten werden Gebrauchsweisen von Alltagstechnik berücksichtigt. So verwenden etwa Fickers und Weber neben dem Gehäuse- auch den Interface-Begriff65 und stellen in ihren Interface-Bezügen von vornherein Weisen des Gebrauchs von Alltagstechnik in den Mittelpunkt. Im Rahmen einer zu entwickelnden Möbel-Perspektive stellt dieses Verständnis von Interfaces einen relevanten Teilaspekt dar. Unter Bezugnahme auf Fickers und Weber lässt sich herausarbeiten, dass im Möbel-Werden von Fernsehapparaten das Verhältnis von Gehäuse und Interface wichtig wird. Weber bezeichnet die Bedienelemente und Anzeigen von Alltagstechnik im 20. Jahrhundert als Interfaces, die sie synonym auch als Mensch-Technik-Schnittstellen beschreibt. In dieser Spielart stellen Interfaces also eine direkte Schnittstelle zu den Nutzern dar – sie machen die Technik für sie nutz- und erfahrbar. So beschreibt Weber die „Überfrachtung der Geräte mit Tasten und weiteren Interfaces […] als eine Re-Sensualisierung des Technikerlebnisses“.66 Zum einen zeigen optische, akustische, haptische oder kinästhetische Anzeigen den Output an. Zum anderen stehen Bedienelemente, die mit Händen, Fingern oder Füßen

63 | Für eine Kritik an frühen Interface-Diskursen bzw. am Interface-Begriff der Systemingenieure siehe Grudin: Interface: An Evolving Concept. 64 | Für einen aktuellen theoretischen und methodischen Zugang zu Interfaces, der Relationen in den Mittelpunkt stellt, die über Praktiken vermittelt werden, siehe etwa Hookway, Branden: Interface. Cambridge, Mass. [u.a.]: MIT Press 2014. 65 | Der Interface-Begriff erfährt in letzten Jahren eine Konjunktur. Für eine Übersicht zum aktuellen Interface-Diskurs in der Medienwissenschaft siehe weiterführend Wirth, Sabine: Between Interactivity, Control, and ‚Everydayness‘ – Towards a Theory of User Interfaces. In: Hadler, Florian; Haupt, Joachim (Hg.): Interface Critique. Berlin: Kadmos 2016, S. 17-35. 66 | Weber: Stecken, Drehen, Drücken, S. 235.

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bedient werden, für den nutzerseitigen Input bereit.67 Gleichzeitig schließen diese Strategien im Interface-Design an die von Blumenberg attestierte Unsichtbarmachung technischer Komplexität an, indem sie die Technik einfacher in der Bedienung machen. So entsprechen etwa die Bedienelemente von Waschmaschinen und Radioapparaten – wenigstens zu bestimmten Phasen ihrer Verhäuslichung – dem Prinzip der Ein-Knopf-Schaltung per Drucktaste oder Drehknopf, welches dem Wunsch der Konsumenten nach einer nutzerfreundlichen Gestaltung entgegenkomme.68 Laut Fickers lassen Interfaces von der eingekapselten Technik nur bestimmte Funktionen sichtbar. Diese vermitteln, wie weiter oben bereits dargelegt, den Eindruck einer Kontrollierbarkeit bzw. Beherrschung von Technik. Dies scheint in besonderem Maße auf solche Interfaces zuzutreffen, deren Gestaltung sich am menschlichen Körper orientiert. Ein solches Interface stellt laut Siegert etwa die Türklinke dar, „die passförmig zur Hand gestaltet ist.“69 Die Tür stelle ein kulturtechnisches Medium dar, insofern sie zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren vermittele und zwischen innen und außen bzw. zwischen den Funktionen des Öffnens und Schließens prozessiere.70 Die Türklinke erweist sich als wichtiges Werkzeug für diese Operationen bzw. als Schnittstelle für die Akteure. An die Gestaltung des Bedienelementes sind symbolische Ordnungen geknüpft. So geht die Türklinke mit bestimmten Machtansprüchen einher (wer darf sie bedienen und so die Schwelle zwischen innen und außen überschreiten?). Im Gegensatz zu Dreh- und Schiebetüren stehe sie aber gerade für menschliche Handlungsmacht bzw. Bedienbarkeit.71

Gehäuse und Interfaces als Schnittstellen Spätestens an dieser Stelle fällt auf, dass Weber und Fickers die Begriffe „Gehäuse“ und „Interface“ weitgehend synonym verwenden, also Gemeinsamkeiten und Unterschiede nicht weiter systematisieren. Gehäuse und Interface liegen hier nah beieinander und schließlich führt auch Blumenberg Knöpfe und Drehschalter als Teil der Unsichtbarmachung des Technischen in Form von Gehäusen auf. Im Weiteren werden Gehäuse und Interfaces als operative Begriffe voneinander getrennt, um zu zeigen, dass sich nicht alle Elemente eines Mediums unter die Perspektive der Vermöbelung stellen lassen, insofern nicht alle Teile mit einem Gehäuse versehen werden (können). In diesem Sinne lässt sich 67 | Vgl. ebd., S. 235. 68 | Vgl. ebd., S. 241f. 69 | Vgl. Siegert, Bernhard: Türen. Zur Materialität des Symbolischen. In: Zeitschrift für Medienund Kulturforschung (2010), H. 1, S. 151-170, S. 167. 70 | Vgl. ebd., S. 153. 71 | Vgl. ebd., S. 152.

1. Eine Design-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

das Interface als Residuum und letzter Signifikant des Technischen beschreiben, auch wenn es letztendlich wie oben dargelegt eine Entfernung der Nutzer zu den Funktionsweisen technischer Abläufe schafft. Mit dem Interface wird der Technik gewissermaßen eine weitere technische Ebene zwischengeschaltet, um die Medientechnik zugänglich zu machen. Gleichzeitig treffen sich Gehäuse und Interfaces ganz grundlegend in dem Aspekt, dass es sich in beiden Fällen um gestaltete Oberflächen handelt, die Schnittstellen zum häuslichen Raum und zu den Bewohnern darstellen. Unter dieser Perspektive stellen also sowohl Gehäuse als auch Interface eine Öffnung nach außen dar. Dennoch sind die jeweils im Hintergrund stehenden Gestaltungsmaximen verschiedene. Wie bereits weiter oben dargelegt, entspricht das Gehäuse mehr einem ästhetischen Interesse der Nutzer, indem es Geräte optisch und materiell in den Wohnraum einpasst. Das Gehäuse ist der zentrale Schauplatz der Vermöbelung von technischen Medien. Das Interface wiederum wird in erster Linie nicht im Hinblick auf den Wohnraum, sondern dahingehend gestaltet, dass es die Nutzer gut benutzen können. Interfaces machen die Technik also auf eine ganz bestimmte Art und Weise zugänglich. Im Hinblick auf Fernsehmöbel sind die Bedienelemente zwar von der Vergehäusung ausgenommen, gleichzeitig werden aber auch sie verhäuslicht, etwa indem sie mit Moden in der Inneneinrichtung korrespondieren. Unter dieser Perspektive weist (1) die Gestaltung des Interfaces Kennzeichen von Gehäusen auf. Diesbezüglich ist im Analyseteil der vorliegenden Arbeit (insbesondere Teil III, Kapitel 2.1) danach zu fragen, inwiefern Bedienelemente in die Verhäuslichung von Fernsehapparaten einbezogen sind. Wenn das Gehäuse des Fernsehapparats maßgeblich über seine (Holz-)Verkleidung vermöbelt wird, so muss danach gefragt werden, welche Design-Merkmale etwa die Bedienelemente und den Bildschirm in die Inneneinrichtung einpassen. Zudem trifft (2) das Merkmal der Bedienbarkeit auch auf Gehäuse zu. Und die Grenzen zwischen Gehäuse und Interface verschwimmen weiter, sind doch die Fernsehmöbel der 1950er-/60er-Jahre nicht ganz so statisch, wie sie auf den ersten Blick erscheinen, schließlich lassen sie sich öffnen, schließen, klappen etc. und sind damit bedienbar im Sinne eines Interfaces. Diesen Widersprüchen weiter nachzugehen wird Gegenstand der Materialanalyse in Teil III sein. Neben den verschiedenen Interface- und Gehäuse-Designs wird es darin auch um die Bedeutung von Mediendiskursen zum Fernsehmöbel für das Gehäuse- und Interface-Design und korrelierende Einrichtungspraktiken gehen. Dazu gehören etwa Werbeanzeigen und Ratgeberliteratur zu Fernsehmöbeln, die die Verhäuslichung des Fernsehgeräts als Möbel begleiten. Nicht zuletzt zeigt sich darin, „dass auch die analogen Interfaces [...] nicht ‚selbsterklärend‘“72 waren.

72 | Weber: Stecken, Drehen, Drücken, S. 250.

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1.3 Designgeschichte und die Praktiken des Einrichtens Im Folgenden werden Fragestellungen und Gegenstände der Disziplin der Designgeschichte anhand von zwei Fallstudien vorgestellt. Diese sind für medienwissenschaftliche Perspektiven auf das Wohnen mit Medien besonders interessant, weil sie Einrichtungen und Medienapparaturen zuhause in einem Wechselverhältnis sehen und die Verhäuslichung des Fernsehens nicht nur vom technischen Medium, sondern auch von der Inneneinrichtung her denken. Bei den Fallstudien handelt es sich um Judy Attfields Text „Design as a Practice of Modernity: A Case for the Study of the Coffee Table in the Mid-Century Domestic Interior“73, der 1997 in einer Ausgabe des Journal of Material Culture erschienen ist, und Martin Warnkes Text „Zur Situation der Couchecke“74 von 1979. Attfields und Warnkes Herangehensweisen sind besonders geeignet, um im Analyseteil der vorliegenden Arbeit ganz gezielt nach Design-Konventionen und den Praktiken des Einrichtens in der BRD der 1950er- und 1960er-Jahre zu fragen. Schließlich beschäftigen sich beide mit der Couchecke mit einem Möbelensemble, das den Fernsehapparat direkt betrifft. Insofern ist es kein Zufall, dass sowohl Attfield als auch Warnke in ihren Analysen auf das Fernsehen stoßen. Während Attfield und Warnke in ihren Ausführungen zu Einrichtungspraktiken jedoch bei der Couch starten, ist der Fernsehapparat der Ausgangspunkt im Analyseteil der vorliegenden Arbeit, um davon ausgehend in den Blick zu nehmen, was im weiteren Umfeld des Wohnens passiert. Attfields Text wurde bis dato in den Medienwissenschaften weniger stark rezipiert als Warnkes.75 Aus diesem Grund wird Attfields Position im Folgenden etwas ausführlicher dargestellt. Um die Studien methodisch-theoretisch zu rahmen, wird ihr Forschungsumfeld, die Designgeschichte, im Folgenden kurz skizziert.

Methodologisches: Zum Verhältnis von Designgeschichte und Material Culture Studies Design-Fragestellungen lassen sich im Sinne der vorliegenden Arbeit besonders dann produktiv machen, wenn das weite Feld der Designforschung auf den Bereich der Designgeschichte eingegrenzt wird. Der britische Kunstkritiker und 73 | Attfield: Design as a Practice of Modernity. 74 | Warnke: Zur Situation der Couchecke. Warnkes Text ist streng genommen der Kunstgeschichte zuzuordnen, weist jedoch eine große inhaltliche Nähe zu designgeschichtlichen Forschungsinteressen auf. 75 | Siehe etwa Hickethiers Bezugnahme auf Warnke: Hickthier, Knut: Fernsehen in der Erinnerung seiner Zuschauerinnen und Zuschauer. Medienbiografien, historische Rezeptionsforschung und die Verhäuslichung des Fernsehens in den 1950er Jahren. In: Röser, Jutta (Hg.): MedienAlltag. Domestizierungsprozesse alter und neuer Medien. Wiesbaden: VS Verlag 2007, S. S. 57-69, S. 61.

1. Eine Design-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

Historiker John A. Walker, der u.a. Texte zur Methodologie der Designgeschichte geschrieben hat, stellt das Feld im Jahr 1989 wie folgt dar: „Design history, it is proposed, shall be the name of a comparatively new intellectual discipline, the purpose of which is to explain design as a social and historical phenomenon.“76 Wie Walker verdeutlicht, erklärt die Disziplin Design als soziales Phänomen. Diese Perspektive verspricht, dem Wandel von kulturellen Praktiken, die mit Design in Verbindung stehen, nachgehen zu können. Während zu Beginn der designhistorischen Forschung eine sehr enge Auffassung von Design vorherrscht, wird seit der Emanzipation der Designgeschichte von der Kunstgeschichte, die mit den späten 1990er-Jahren einsetzt,77 zunehmend eine weite Herangehensweise an das Phänomen favorisiert. Seitdem inkorporiert sie Ansätze aus der Techniksoziologie, der Wissenschaftsgeschichte, der Archäologie, den Material Culture Studies, den Cultural Studies und der Anthropologie.78 Fallan weist darauf hin, dass der Input dieser Disziplinen und ihrer Sichtweisen auf gestaltete Artefakte entscheidender seien als das Erbe kunsthistorischer Methoden und Theorien.79 Zwar habe sich die Designgeschichte weitestgehend von den Prämissen der Kunstgeschichte losgesagt, dennoch sei der Einfluss weiterhin in Form von drei Problemfeldern in der Designgeschichte präsent: (1) in einer Überbetonung ästhetischer Werturteile, (2) einer Sichtweise auf Designer als Künstler bzw. Autoren eines Design-Oeuvres sowie (3) einer Vernachlässigung der Beschäftigung mit vermeintlich profanen Alltagsgegenständen.80 In dem Moment, wo jedoch von Design als Kunst abgesehen wird und statt ästhetischer Werturteile industrielle Entwurfs- und Produktionsweisen stärker in den Blick geraten, geht es auch um Alltagsgegenstände, die massenhaft produziert und genutzt werden. Dies haben Selles Ausführungen zum Konnex zwischen Design und Industrialisierung im vorherigen Unterkapitel gezeigt (siehe Kapitel 1.1 des vorliegenden Teils). Wie weiter oben dargelegt, ist die Designgeschichte nicht die einzige Disziplin, die sich mit der Bedeutung materieller (historischer) Artefakte beschäftigt. Aus den erwähnten Einflüssen auf die Designgeschichte wird im Folgenden der Verbindung zu den Material Culture Studies weiter nachgegangen. Letztere interessieren sich für das Wechselverhältnis zwischen kulturellen Artefakten und den gesellschaftlichen und symbolischen Praktiken und Kommunikationsformen, die auf sie Bezug nehmen. Das Forschungsfeld ist interdisziplinär angelegt und setzt sich u.a. aus Ansätzen der Anthropologie, Archäologie, Geschichtswis76 | Walker, John A.: Design History and the History of Design [1989]. In: Lees-Maffei, Grace; Houze, Rebecca: The Design History Reader. Oxford [u.a.]: Berg 2010, S. 279-285, S. 279. Um diese Zeit wird auch eines der wichtigsten Journals des Feldes, das Journal of Design History (1988-heute) gegründet. 77 | Vgl. Fallan: Design History, S. 6f. 78 | Vgl. ebd., S. 12. 79 | Vgl. ebd., S. 14. 80 | Vgl. ebd. S. 10.

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senschaft und Soziologie zusammen.81 Fallan skizziert drei Stränge der Material Culture Studies, die kennzeichnend für das noch junge und wenig konturierte Forschungsfeld seien, das einen Grenzbereich zur Designgeschichte darstelle: (1) Fragen der mass consumption in Form von Anthropologie und Ethnographie, (2) die Museologie, also das Studium materieller Artefakte im Kontext des Museums sowie (3) Archäologie und Sozial- und Technikgeschichte, die historische Artefakte als Wissensobjekte befragen. Fallans Auffassung nach stelle der dritte Strang, die Einflüsse der Sozial- und Technikgeschichte in den Material Culture Studies, auch den produktivsten Ansatz für die Designgeschichte dar, da dieser sowohl der historischen Dimension als auch der Materialität von Artefakten am besten gerecht werde.82 An dieser Stelle treten einige Unterschiede zwischen Material Culture Studies und Designgeschichte in der Analyse materieller Artefakte zu Tage. Laut Fallan ergänzen sich beide Disziplinen gerade aufgrund ihrer unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen gut. Einerseits kennzeichne nach Fallan der Fokus der Material Culture Studies auf die Dimension des Konsums deren Mehrwert für die Designgeschichte. Andererseits bedinge dieser Fokus, dass die Ebene der Produktion materieller Kultur in den Material Culture Studies unterrepräsentiert sei.83 Der Fokus der Designgeschichte wiederum liegt auf den Produkten des Industriedesigns. Während also die Material Culture Studies die Sphäre des Konsums in den Blick nehmen, interessiert sich die Designgeschichte maßgeblich für die Sphäre der Produktion bzw. das daraus resultierende Produkt. Mit der Designgeschichte ließen sich folglich die Material Culture Studies um die Ebene der Produktion bereichern. Wie im Folgenden zu zeigen ist, sind für das weitere Vorhaben insbesondere solche designgeschichtlichen Arbeiten relevant, die eine Nähe zu den Ansätzen der Material Culture Studies aufweisen. Solche Ansätze zeichnen sich dadurch aus, dass sie die von Fallan beschriebenen unterschiedlichen Herangehensweisen der beiden Disziplinen miteinander kombinieren und sich sowohl für die Sphären der Produktion als auch des Konsums interessieren. In gewisser Hinsicht denken sie damit den von Selle beschriebenen Ausdifferenzierungsprozess in der Geschichte des Designs gerade wieder zusammen (siehe Kapitel 1.1 des vorliegenden Teils). Die folgenden Beispielanalysen von Attfield und Warnke konzentrieren sich auf Objekte in der häuslichen Sphäre in den 1950er- und 1960er-Jahren. Attfield und Warnke beschreiben deren alltäglichen, d.h. ungeplanten Gebrauch im häuslichen Raum für jeweils unterschiedliche kulturelle Zusammenhänge. Wie die folgenden Ausführungen zeigen, beschäftigt 81 | Vgl. Tischleder, Bärbel; Ribbat, Christoph: Material Culture Studies. In: Nünning, Ansgar (Hg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. 4. Auflage. Stuttgart [u.a.]: Metzler 2008, S. 464. 82 | Vgl. Fallan: Design History, S. 35-46. 83 | Vgl. ebd., S. 37.

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sich insbesondere Attfield in ihren Arbeiten mit Formen des nicht-geplanten Gebrauchs. Da sie diesen Aspekt designtheoretisch stärker ausführt als es bei Warnke der Fall ist, wird ihr methodisch-theoretischer Zugang zu Design und Alltagskultur kurz dargelegt, um daran anschließend beide Fallstudien produktiv zu machen.

Designgeschichte und die Artefakte des Alltäglichen Die Designtheoretikerin Judy Attfield liefert innerhalb des Rahmens der Designgeschichte einen interessanten, da interdisziplinären Zugriff auf die Designforschung. Attfield erweitert bzw. aktualisiert ihr eigenes Forschungsfeld, die Designgeschichte – und damit ein Feld, in dem ein weitestgehend konventioneller Designbegriff vorherrscht – um den Ansatz des Forschungsfeldes der Material Culture Studies. Damit vollzieht sie einen signifikanten Perspektivenwechsel: Der Fokus liegt nun nicht mehr ausschließlich auf der Produktion und Ästhetik von Designobjekten, sondern auch auf den kulturellen Bedeutungen alltäglicher Objekte, die sich erst im alltäglichen Gebrauch des Gegenstands erschließen.84 Zu diesem Zweck bleibt Attfield nicht bei einzelnen Objekten stehen, sondern ordnet sie mit dem häuslichen Möbelensemble in ein größeres Feld ein. Im Design von Artefakten sind Normen und Wertsetzungen, die dem Entwurf bzw. der Gestaltung zugrunde liegen, erst einmal unsichtbar. Gleichzeitig bilden sich im häuslichen Gebrauch Nutzungsmuster heraus, die sich der Planbarkeit, also der Intention der Designer entziehen. Folgt man Attfields Ansatz, erschließt sich die soziokulturelle Bedeutung gestalteter Objekte erst über ihren Gebrauch. Attfields unkonventioneller Zugriff auf Designgeschichte trägt allerdings dazu bei, dass ihre Ausführungen stellenweise etwas undurchsichtig sind. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, ihre Thesen und Argumente im Folgenden kurz zu systematisieren. 84 | Vgl. Attfield, Judy: Bringing Modernity Home. Writings on Popular Design and Material Culture. Manchester [u.a.]: Manchester UP 2007, S. 1f. So wendet sich Attfield in ihrem Design-Begriff ausdrücklich von den Vertretern und Konventionen des good design ab. Letztere konzentrieren sich auf die Ästhetik gestalteter Objekte als Kunst in Abgrenzung von Massenprodukten des Industriedesigns. Damit vollzieht Attfield eine Hinwendung zu den gestalteten Objekten des Alltäglichen und den Artefakten der Populär- und Alltagskultur. Vgl. Attfield: Design as a Practice of Modernity, S. 269. Im deutschsprachigen Raum bestimmte ab den 1960er-Jahren die ‚Gute Form‘ das Design. Im Gegensatz zur britischen Ausprägung des good design bezeichnete die ‚Gute Form‘ den Versuch einer Objektivierbarkeit ästhetischer Merkmale des ‚guten‘ Designs industriell gefertigter Massenprodukte. Dieses DesignBewusstsein wurde sowohl von Seiten der Industrie als auch der Designer selbst propagiert. Vgl. Brandes, Uta: Gute Form. In: Erlhoff, Michael; Marshall, Tim (Hg.): Wörterbuch Design. Begriffliche Perspektiven auf Design. Basel [u.a.]: Birkhäuser 2008, S. 184-186.

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Mit ihrem Blickwinkel auf Designgeschichte erweitert Attfield den konventionellen Design-Begriff, was für Forschungsvorhaben interessant ist, deren Anliegen es ist, gestaltete Objekte im Hinblick auf ihre soziokulturellen Bedeutungen zu befragen. Attfields Zugriff auf den Begriff „Design“ gestaltet sich wie folgt: „When modern products termed ‚design‘ are recontextualised as an aspect of material culture they lose their visibility to become part of the ‚everyday‘. The aim is to expand the definitions of design so as [...] to include a consideration of it as a process through which individuals and groups construct their identity, experience modernity and deal with social change.“85

In diesem Sinne erweitert eine Anwendung des material culture approach auf das Feld der Designgeschichte die Disziplin der Designforschung um die Artefakte des Alltäglichen und ermöglicht es, alltägliche Gegenstände wie z.B. konventionelle Möbel und Einrichtungsgegenstände zum Gegenstand der Analyse zu machen. An die oben genannte Rekontextualisierung von Designobjekten knüpft Attfield programmatisch eine Forschungsperspektive an, die gestaltete Artefakte und Menschen nicht länger isoliert voneinander betrachtet: „The relationship between things and people (material culture) cannot be neatly encapsulated into such convenient compartments, since it is the dynamics of the combination of culture and materiality, object/subject, which produces meaning.“86

So stellt Attfield heraus, dass im Sinne der materiellen Kultur kulturelle Praktiken und Artefakte erst in wechselseitiger Bezugnahme Bedeutung produzieren.87 Dieser wechselseitigen Hervorbringung geht Attfield u.a. im Hinblick auf die Gender-Codierungen gestalteter Artefakte nach, indem sie die materielle Welt der Dinge auf deren Beziehungen zu Geschlechterfragen befragt. Damit bringt sie eine feministische Perspektive in die Designgeschichte ein und erweitert Designaspekte um Machtfragen: „What effect does this world of material goods have in forming our sexual and gender identities?“88 Sowie konkreter: „[H]ow does design affect women once it has entered their lives in the form of products, clothes, transportation and homes?“89 Eine Aufgabe der Designgeschichte ist es unter dieser Perspektive, die Rollen und Funktionen von Design im Prozess der Herausbildung von Geschlechterhierarchien, wie sie sich in gestalteten Objekten materialisieren, sichtbar zu machen.90 85 | Attfield, Judy: Wild Things: The Material Culture of Everyday Life. Oxford [u.a.]: Berg 2000, S. 13f. 86 | Ebd., S. 138. 87 | Vgl. ebd. 88 | Attfield: Bringing Modernity Home, S. 80. 89 | Ebd., S. 88. 90 | Vgl. ebd., S. 73.

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a) Fallstudie I: Allianzen – Couchtisch und Fernsehgerät (Judy Attfield) In Attfields Texten werden neben Textilien vor allem Möbel und Einrichtungsgegenstände als Indikatoren soziokulturellen Wandels begriffen. In der hier im Vordergrund stehenden Fallstudie widmet sie sich der Rolle des Couchtischs [coffee table] als gestaltetem Artefakt in britischen Haushalten der 1950er-/60erJahre und denkt damit einhergehend den Fernsehapparat mit kulturellen Praktiken des Einrichtens zusammen. Die Durchsetzung des Couchtisches als Alltagsmöbel im häuslichen Raum macht sie dabei zum einen an der Abwendung vom Design-Diktat der sogenannten Utility-Phase fest. Zum anderen sieht sie das gesellschaftliche Aufkommen eines neues Typus von Freizeit, und zwar Gastlichkeit/Geselligkeit [conviviality] als zentrale Triebkraft dieser Entwicklung an.91 Im Wandel der häuslichen Wohnsphäre – vom separaten Empfangszimmer für Besucher hin zum gastfreundlich eingerichteten Wohnzimmer – spiegele sich der soziale Wandel vom Funktionalismus der Utility-Phase hin zu einer Ära der Freizeit und vermeintlichen Zwanglosigkeit unter den Vorzeichen des geselligen Beisammenseins.92 Dieser Prozess ließe sich am Wandel des Designs vom konventionellen Wohnzimmertisch, einem ästhetisch eher unspektakulären Beistelltisch, zum modernen, niedrigeren Couchtisch nachvollziehen.

Häuslicher Wandel: Design und Inneneinrichtung jenseits geplanter Prozesse Wie ist das massenhafte Aufkommen eines vermeintlich trivialen Artefakts wie dem coffee table in Großbritannien nach dem Krieg zu erklären? Attfield begreift den Couchtisch als eine Art Symptommöbel, an dem einsichtig wird, wie Mitte des 20. Jahrhunderts gesellschaftliche Vorstellungen von Modernität qua Design verhandelt werden. Dieser Prozess lasse sich jedoch gerade nicht mit den designhistorischen Kategorien des form follows function und des sogenannten good design fassen: „[T]his case for the study of ordinary things, such as the coffee table, is offered as an example of how design as a practice of modernity was not necessarily objectified in a recognizable ‚modern‘, much less ‚good design‘, form.“93

Als Teil der Alltagskultur materialisiere sich im Design des Couchtischs ein gesellschaftliches Bedürfnis nach Möbelstilen jenseits der strikten Designkon91 | Vgl. Attfield: Design as a Practice of Modernity, S. 276. 92 | Vgl. ebd., S. 278. 93 | Ebd., S. 269.

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ventionen und -vorgaben des Utility-Stils, was sich insbesondere auch an häuslichen Einrichtungspraktiken mit dem Möbel zeige. Die Möbel des Utility-Stils, der seine klassische Phase im Zeitraum von 1942 bis 1948 hat, sind gekennzeichnet von Standardisierung und platzsparender Funktionalität im Design aufgrund der wirtschaftlichen Notsituation nach dem Zweiten Weltkrieg. Attfield legt dar, wie diese auf Staatsvorgaben basierende Preiskontrolle und Regulation von Produktionsmitteln die Verarbeitung und Gestaltung von Werkstoffen zu Möbeln prägt.94 Nur einige wenige Firmen dürfen nach dem Utility-Schema produzieren, ihre Möbel zeichnen sich durch einen eher traditionellen Stil aus. Möbel anderer Hersteller, die nicht unter diese Designkonvention fallen, werden mit einer Luxusgüter-Besteuerung versehen. Hier zeigt sich die Widersprüchlichkeit der Möbelklassifizierungen des Utility-Programms: Das Etikett occasional wird für hochwertige Möbel verwendet, die nur gelegentlich und nicht-spezifisch genutzt wurden, während das Label fancy goods herkömmliche Möbel bezeichnete, die aber nicht dem Utility-Stil entsprechen und daher als Luxus klassifiziert und dementsprechend besteuert werden. Firmen, die keine Utility-Lizenzen bekommen, können wiederum eine Lizenz für „fancy goods and domestic equipment“ erwerben und kleine Dinge herstellen, für die nur wenig des so knappen Werkstoffs Holz gebraucht wird, wie etwa Serviertabletts.95 Die hohe Nachfrage der Bevölkerung nach Möbeln jenseits des vorgegebenen Programms führt schließlich dazu, dass die Utility-Vorgaben langsam gelockert werden. Zwischen 1948 und 1952, der auslaufenden Phase des Utility-Programms, werden einige Möbeltypen aus der fancy goods-Kategorie von der Besteuerung ausgenommen. Trotz gegenteiliger Bemühungen der Autoritäten des good design kommt es zu einer Hybridisierung des Utility-Schemas, was neue Stile wie z.B. den des ‚repro-contemporary‘ hervorbringt, welcher sich durch dekorative Elemente wie etwa Schnitzereien auszeichnet. Unter diese Kategorie sollen auch die ersten coffee tables fallen.

Couchtische als gesellige Dinge Die ersten in Großbritannien aufkommenden Couchtische sind hybride Artefakte. Diese Modelle lassen sich zerlegen und sind mit abnehmbaren Platten versehen, die auch als Tablett genutzt werden können.96 Bevor Couchtische zum Sinnbild für das gesellige Beisammensein im Wohnzimmer werden, kommen sie auch als Teil eines „Nests“ herkömmlicher Beistelltische daher, die sich dadurch auszeichnen, dass sie gut stapelbar und damit platzsparend sind. Mit 94 | Vgl. ebd., S. 272f. 95 | Vgl. ebd., S. 274. 96 | Vgl. ebd.

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diesen getarnten Gestaltungen kann mit den ersten coffee tables die Steuer auf sogenannte Luxusgüter umgangen werden. Im Rahmen ihrer Fallstudie zum Wandel des Wohnzimmertischs interessiert sich Attfield auch für kulturelle Differenzen im Einrichten zwischen den USA und Großbritannien. Während der coffee table in den USA anfangs noch ein Luxusmöbel darstellt, wird er in Großbritannien direkt unter den Vorzeichen eines Alltagsmöbels in den häuslichen Raum integriert. Unter Bezugnahme auf eine Studie von Thomas Hine97 stellt Attfield heraus, dass der Couchtisch bereits in den 1940er-Jahren in den USA im Zuge des Leitbilds des offenen Wohnens in der (Innen-)Architektur als Einrichtungsgegenstand aufkommt. Das klassische Design dieses Tischs zeichnet sich durch eine rechteckige Form und eine niedrige Höhe aus, womit sich das Möbelstück in kontemporäre Moden der „horizontalen“ Einrichtung – die Oberflächen der Möbel befinden sich nun näher am Fußboden – in design- und stilbewusste Haushalte einpasst.98 Was unterscheidet nun den gewöhnlichen Wohnzimmertisch vom neuen Modell des Typs Couchtisch? Laut Attfield zeichne sich der konventionelle Wohnzimmertisch [occasional table] durch eine rechteckige Form aus und stehe in der Regel an der Wand, etwa neben einem Polstersessel [easy chair], wo er eine Ablagefläche etwa für einen Aschenbescher und Teetassen der Gäste bietet. Der occasional table nimmt also einen Platz als weitgehend unscheinbarer Beistelltisch im häuslichen Interieur ein. Der coffee table der Nachkriegsphase hingegen zeichnet sich durch Modernität versprechende organische Formen und eine niedrige Höhe sowie eine zentrale Platzierung in der Einrichtung aus.99 Er kommt mit dem Versprechen ins Haus, die alte Einrichtung ästhetisch aufzufrischen, ohne dass man sich komplett neu einrichten muss. Umgeben von einer Sitzbank auf der einen und ein paar Sesseln auf der anderen Seite bildet der Couchtisch fortan den Kern des Wohnzimmers. Damit avanciert er zum gestalteten Objekt par excellence was die Materialisierung des sich etablierenden gesellschaftlichen Bildes von einem ungezwungenen Beisammensein zuhause betrifft, welches Attfield mit dem Begriff der conviviality fasst. Für Attfield stellt Geselligkeit eines der zentralen Kennzeichen der aufkommenden Freizeitkultur in Großbritannien dar. In Abgrenzung zu Thorstein Veblens Konzept des demonstrativen Konsums100 und Pierre Bourdieus Konzept der sozialen Distinktion qua Geschmack101 erklärt Attfield die wachsende Popularität des coffee table als zentrales Möbel im häuslichen Raum aus einem kulturellen Bedürfnis nach Geselligkeit heraus und versteht den Einrichtungsgegen97 | Vgl. Hine, Thomas: Populuxe. New York: Knopf 1986. 98 | Vgl. Attfield: Design as a Practice of Modernity, S. 271. 99 | Vgl. ebd., S. 279. 100 | Veblen, Thorstein: The Theory of the Leisure Class. New York: Viking Press 1931. 101 | Bourdieu, Pierre: Distinction: A Social Critique of the Judgement of Taste. London: Routledge 1986.

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stand gerade nicht als ästhetisches Statussymbol. Vorherige Zusammenkünfte im häuslichen Raum sind noch vom Paradigma der Unterhaltung [entertainment] gekennzeichnet. Hierbei handelt es sich um eine soziale Etikette der höheren Mittelschicht. Diese Form des Zusammenseins funktioniert laut Attfield sehr schichtspezifisch und stelle ein distinguiertes Get-together bei Drinks und Häppchen in einem der dafür vorgesehenen Empfangsräume [reception rooms] dar.102 Der Couchtisch als Möbel sei nun Symptom eines kulturellen Wandels zu vermeintlich gelösteren Formen des gesellschaftlichen Beisammenseins. Neben dem coffee table gibt es weitere Möbel, die eine informelle conviviality gleichsam materialisieren und befördern, wie etwa Frisiertische, Servierwagen und Cocktailschränkchen. Attfield beschreibt, dass die Entwicklung vom gewöhnlichen Tisch im Wohnzimmer zum Couchtisch letzterem einen Stellplatz im Zentrum der Möblierung des Wohnzimmers verschafft, was dem Kamin seine Stellung streitig macht.103 Neben dem coffee table und den weiteren kleinen Dingen der Geselligkeit wird der räumliche Wandel im Zuhause getragen von einem weiteren Einrichtungsgegenstand, dem Fernsehgerät.

Häusliche Verbündete: Das Fernsehgerät als Teil einer geselligen Einrichtungskultur Der gesellschaftliche und häusliche Wandel, der mit dem Couchtisch einhergeht, veranlasst Attfield dazu, eine Parallele zur Verhäuslichung des Fernsehapparats zu ziehen: „The most obvious new arrival to force entry into the mid-century household was, without a doubt, the television, forming an easy alliance with the coffee table in competing for the central position traditionally occupied by the hearth“.104 Der Fernsehempfänger ist ein weiteres Zeichen des Einzugs der Modernität in britische Haushalte, die sich – wie im Falle des Couchtischs – durch eine Tendenz zu weniger strengen Formen des Beisammenseins auszeichnet. Als visuelles Medium kommt dem Fernsehapparat jedoch eine weitaus größere raumstrukturierende Eigenschaft im Hinblick auf die häusliche Inneneinrichtung zu als dem Couchtisch: „Its introduction killed off the parlour by bringing what was a room for special occasions into everyday use.“105 Attfields Ausführungen zum Einzug des Fernsehapparats in britische Haushalte sind zwar sehr knapp, dennoch lassen sich wenigstens drei wesentliche Aspekte daraus ableiten. Hier wird zum einen (1) ganz grundlegend der Fernsehapparat auf Augenhöhe mit anderen Möbeln des Wohnzimmers gedacht. Ein solcher Ansatz bietet den Vorzug, häuslichen Wandel aus medienwissenschaft102 | Attfield: Design as a Practice of Modernity, S. 277. 103 | Vgl. ebd., S. 271. 104 | Ebd., S. 280. 105 | Ebd., S. 281.

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licher Perspektive gerade nicht ausschließlich vom technischen Apparat ausgehend zu begreifen. Attfield zeichnet die Situation einer Möbel- und Raumallianz nach und fragt danach, inwiefern häusliche Dingkultur sozialen Wandel sowohl materialisiert als auch antreibt. In dieser Lesart geht die häusliche Geselligkeit, die der Couchtisch ins Haus bringt, dem Fernsehapparat voraus. Zudem (2) geht es Attfield darum, entlang dieser gut sichtbaren Komponenten des Wandels der Gestaltung von Möbeln und Inneneinrichtungen eher unsichtbare Gender-Implikationen im häuslichen Wandel sichtbar zu machen. Indem Couchtisch und Fernsehapparat dem Kamin die Vormachtstellung im häuslichen Raum nehmen, stellen sie tradierte Geschlechterrollen in Frage: Als Einrichtungsgegenstände, die informelle Geselligkeit ins Haus bringen, schaffen sie laut Attfield wenigstens theoretisch eine räumliche Einrichtung, die weniger hierarchisch ist, da sie mit den gender- und schichtspezifischen Konnotationen bricht, die mit dem Kamin einhergingen.106 Darüber hinaus arbeitet Attfield (3) Irritationen in der Durchsetzung von Möbelstilen heraus. Statt den Wandel des Designs des Wohnzimmertischs als Erfolgsgeschichte zu beschreiben, fragt sie immer auch nach abweichenden Interpretationen. Statt häuslichen Wandel als einen von Autoritäten gelenkten Prozess zu begreifen, geht es ihr um die Emergenz von bottom up-Strukturen. „In use the coffee table was often treated ornamentally and ‚mis-placed‘ according to the functional rules of modern furniture layout – against the wall or in corners to act as a small altar in conjunction with old-fashioned doilies and fussy ornaments.“107

Diese von wohnästhetischen Vorgaben abweichenden Platzierungen und Gebrauchsweisen zeugen davon, dass die wachsende Popularität des Couchtischs gerade nicht dadurch zu erklären ist, dass die Advokaten des good design versuchen, den coffee table für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, um das neue Wohnideal der offenen Räume voranzutreiben und so die Konsumenten zur Modernisierung zu bewegen. Neben der These, dass ein gesellschaftliches Bedürfnis nach Geselligkeit konstitutiv ist für den Erfolg des coffee table, zeigt Attfield in einer weiteren möglichen Lesart, dass der Couchtisch nicht zwangsläufig ein häusliches Phänomen darstellt, sondern einzuordnen ist in einen italienischen Lebensstil, der in der Nachkriegszeit bei jungen britischen Paaren populär wird. Unter dieser Perspektive sei der coffee table durchaus rückgebunden an den öffentlichen Austausch zwischen hippen Menschen, die sich als kosmopolitisch verstehen.108 Wie Alphons Silbermann in den 1950er-Jahren in seiner Wohnumfrage herausstellt, avanciert der Couchtisch auch in Deutschland zu einem gefragten Einrich106 | Vgl. ebd., S. 280. 107 | Ebd., S. 283. 108 | Vgl. ebd., S. 280f.

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tungsgegenstand.109 Während viele Möbel, insbesondere Sofas, häufig vererbt werden, stellt der Couchtisch ein begehrtes modisches Accessoire im Wohnen dar, das sich die Bundesbürger selbst kaufen.110 Das italienische Lebensgefühl, das sich im Couchtisch ausdrückt, hat auch die Wohnzimmer in der jungen Bundesrepublik affiziert.

b) Fallstudie II: Konkurrenzen – Von der Couchecke zur Fernsehecke (Martin Warnke) Einen ähnlichen designgeschichtlichen Ansatz wie Attfield verfolgt der Kunsthistoriker Martin Warnke in seinem Aufsatz „Zur Situation der Couchecke“.111 Dieser einschlägige Text von 1979 ist durchaus als thematischer Vorläufer von Attfields Überlegungen zum coffee table einzustufen, auch wenn sich Warnke darin mit Einrichtungspraktiken in der Bundesrepublik beschäftigt. Warnke analysiert den Aufstieg eines Einrichtungsgegenstands der häuslichen Sphäre, der mit dem coffee table nah verwandt ist – der Couchecke. In einer Kulturgeschichte der Couchecke beschreibt er die damit einhergehenden historischen Etappen des räumlichen Wandels der häuslichen Sphäre, im Besonderen des Wohnzimmers. Seine Diagnose erfolgt retrospektiv: 1979 ist die Couchecke in ihrer ursprünglichen Erscheinung immer seltener in bundesdeutschen Wohnzimmern zu finden. Der Funktionswandel einer zentralen Institution des Wohnzimmers bietet für Warnke Anlass für eine Herleitung der Bedeutung der Ecke im Wohnraum; vom Salon, über die gute Stube bis hin zum modernen Wohnzimmer, mit seinem Zentrum, der Fernsehecke. Bei aller Nähe zwischen den Studien von Attfield und Warnke gibt es doch einen wesentlichen Unterschied, und zwar hinsichtlich ihrer Konzepte von Geselligkeit zuhause. So macht Attfield am Couchtisch eine Form von Geselligkeit fest, die sich nach außen hin öffnet und sich auch als gastliche Geselligkeit beschreiben lässt. Warnke hingegen beschreibt eine nach innen gerichtete Geselligkeit, die sich von äußeren Einflüssen gerade abschottet und als familiäre Geselligkeit bezeichnet werden kann. Attfield und Warnke beschreiben die Implementierung des Fernsehapparats in den häuslichen Raum also vor dem Hintergrund unterschiedlicher Konzepte von Geselligkeit. In diesem Sinne spricht Warnke dem Fernsehapparat denn auch mehr Sprengkraft auf die häusliche Inneneinrichtung zu, als es bei Attfield der Fall ist, schlicht weil das Gerät auf eine abgeschottetere häusliche Ordnung trifft. Während Attfield den Fernsehapparat als häuslichen Verbündeten der Couchecke wertet (zu der auch der Couchtisch gehört), 109 | Vgl. Silbermann, Alphons: Vom Wohnen der Deutschen. Eine soziologische Studie über das Wohnerlebnis. Köln [u.a.]: Westdeutscher Verlag 1963, S. 179. 110 | Vgl. Ebd. 111 | Warnke: Zur Situation der Couchecke.

1. Eine Design-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

beschreibt Warnke das technische Medium als Konkurrenten eben dieses räumlich-dinglichen Ensembles in der Inneneinrichtung.112

Funktionslose Räume: Zur Genese des Wohnzimmers Bevor Warnke sich jedoch Formen und Funktionen der Couchecke in bundesdeutschen Wohnzimmern der Nachkriegszeit widmet, fragt er in einem historischen Rückblick nach der Genese eben dieser. Der Formierung der Couchecke als zentralem Möbelensemble des Wohnzimmers um 1900 geht ein Wandel des Hauses zur Wohnung und damit die Auslagerung der Arbeit aus eben dieser voraus.113 Infolge des Auszugs der Arbeit aus dem Haus steht der gesamte häusliche Raum vor einem Umbruch. Laut Warnke zeichne sich das Haus zu dieser Zeit nicht länger dadurch aus, dass jeder Raum theoretisch alle Funktionen erfüllen kann; von nun an stellen Schlafen und Essen räumlich getrennte Wohn- und Einrichtungspraktiken dar. Mit diesem Prozess geht eine Umordnung der Einrichtung einher. Neben dem Bett wird auch der Esstisch aus dem Wohnraum ausgelagert, übrig bleiben Möbel mit Ausstellungscharakter wie das Büffet und der mit Festtagsgeschirr ausgestattete Vitrinenschrank.114 Das Wohnzimmer bleibt als paradoxer Raum zurück: Ausschließlich zum Wohnen gedacht, ist er dennoch weitestgehend ohne Möbel ausgestattet. Der Leere des Wohnzimmers wird alsbald mit einem neuen Möbelensemble entgegengewirkt „In den funktionalen Leerraum des Wohnzimmers zog die Sofa, Sitz- oder Couchecke ein. Sie ist eine geschlossene Zelle. Vom Boden her durch einen Teppich ausgegrenzt, von der Wand her durch das Hauptbild ausgezeichnet, ist die Sitzgruppe durch eine Stehlampe als eigentliche Sondersphäre geweiht. In sich vollständig, autonom, exponiert sie sich doch nicht in der Raummitte, sondern erscheint immer abgerückt, zurückgezogen.“115

Der ganze Raum, und mit ihm die gesamte Einrichtung, scheint auf diese Dingkonstellation hin ausgerichtet zu sein: „Das ganze Zimmer wird ein Durchgangsraum, der über ‚Brücken‘ und ‚Läufer‘ zur Couchecke hinführt.“116 Diese räumliche Einkapselung wirkt umso stärker, da sie sich durch eine stilistische Geschlossenheit der Möbel auszeichnet, was die Sofaecke als „Garnitur“ in Er112 | Die Konkurrenzen von Fernsehgeräten zu anderen Einrichtungsgegenständen im Wohnraum, wie etwa mit dem großen Wohnzimmertisch und dem Kamin, wurden in der fernsehwissenschaftlichen Forschung zur Verhäuslichung des Mediums Fernsehen vereinzelt andiskutiert (siehe Teil III, Kapitel 3.2). 113 | Vgl. ebd., S. 673. 114 | Vgl. ebd., S. 674f. 115 | Ebd., S. 675. 116 | Ebd., S. 676.

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scheinung treten lässt.117 Zusätzlich abgetrennt wird diese Einheit durch die aufgepolsterten Seitenteile des Sofas. Mit diesem neuen Dingensemble wird das Wohnzimmer zum abgekapselten Privatraum, der von der öffentlichen Sphäre abgekoppelt wird. Die Funktion der modernen Sofaecke besteht darin, die Ökonomien des häuslichen Raums von äußeren Einflüssen abzuschotten, kurz: „[g]egen und für die Außenwelt Behaglichkeit und Geborgenheit möglich [zu] halten.“118 Bei aller Ideologie der Trennung zwischen innen und außen zeigt die Couchecke durchaus Spuren des Hybriden. So interpretiert Warnke etwas das Knabbern von Snacks am Couchtisch als Praktik, die an das Essen am Speisetisch erinnert. Der damalige Ausstellungscharakter des Wohnraums, der sich infolge der Kopplung von Arbeit und Wohnen ergab, finde sich in einigen zeitgenössischen Prestigeobjekten des bürgerlichen Wohnens wieder: „In das Ausstellungsfeld des Wohnzimmers treten Blumen, Bilder, Nippes, Bücherrücken, Gesellenstücke hinzu, die nach dem Prinzip der Symmetrie gestellt, gehängt, hierarchisiert sind.“119 Als ob diese Dinge schon zu viel Privates preisgeben, gibt es eine Tendenz dazu, den Raum, der nur für das Wohnen vorgesehen ist, mit Gardinen vom Außen abzuschirmen.120

Wohnen mit (nicht-)kommunikativen Möbeln Die Sofaecke werde dabei zur „symbolischen Form“, die einer „Figur monadischer Eingeschlossenheit“ entspreche, in der sich das aufkommende gesellschaftliche Ideal des familiären Nukleus materialisiere.121 Die Mentalität der Couchecke des modernen Wohnzimmers, die Warnke synonym auch als ‚geschlossene Zelle‘ bezeichnet, beschreibt er als restriktiv. Im bürgerlichen Salon der Aufklärung, der wiederum einer völlig anderen sozialen Schicht zuzuordnen ist, haben die Sitzmöbel noch eine andere Funktion: „Das Sofa war für den Salon der Aufklärung als ein kommunikatives Möbel entwickelt worden.“122 Umgeben von weiteren freistehenden Einzelsesseln steht es an der Wand; die Möbelkonstellation des Salons ist geprägt von räumlich-dingbasierter Offenheit: „Das Ensemble, das nur eines der im Raum verstreuten Konversationsangebote war, erlaubte den freien Aus- und Zutritt [...]. Auch der Form nach waren die Möbel nicht mehr die repräsentativen Rangträger, sondern ausschwingende, aktive Mobilitätssignale [...].“123

117 | Vgl. ebd., S. 680. 118 | Ebd., S. 676. 119 | Ebd., S. 675. 120 | Vgl. ebd. 121 | Vgl. ebd., S. 676f. 122 | Ebd. (Hervorh. im Orig.) 123 | Ebd., S. 678.

1. Eine Design-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

Die flache Hierarchie, die sich in dieser Einrichtung materialisiert, ermöglicht einen kommunikativen Austausch auf Augenhöhe. Die Möbel des Salons blicken zum Raum hin und kehren ihm nicht etwa, wie im Falle der Couchecke des modernen Wohnzimmers, den Rücken zu. War der Salon noch gekennzeichnet von einem mobilen Interieur, als Sinnbild seiner freien Konversationslogik, so zementieren die Möbelgruppen des Wohnzimmers vorfindliche räumliche Sitzhierarchien.124 Warnke sieht den Vorläufer des modernen Wohnzimmers jedoch nicht im Salon, sondern in der bürgerlichen guten Stube verwirklicht, die Anfang des 19. Jahrhunderts aufkommt und einen Raum bezeichnet, der nur zu feierlichen Anlässen genutzt wird. In der guten Stube ist die Möblierung des Salons schwerfällig geworden: Über einem Tisch in der Mitte des Zimmers hängt ein Kronleuchter, um ihn herum stehen Stühle und ein wuchtiges Sofa; Bücherschränke und Fenster sind mit schweren Stoffen verhangen. Die wuchtigen Möbel sind mit Schonüberzügen eingepackt.125 Kurz: „Die gesprächigen Möbel aus dem Salon waren stumm und devot geworden.“126 Nachdem sich die gute Stube als Einrichtungskonvention in Arbeiterhaushalten etabliert hatte, verwandelt sich die Sofaecke in eine „Garnitur“, d.h. in eine stilistisch zueinander passende Gruppe von Möbeln, die sich abschottet gegen Andersartiges. Bald rufen Wohnberatungsstellen zum Kampf gegen die Ästhetik und Ideologie der guten Stube auf und fordern, dass das Wohnen dem Austausch in der Familie vorbehalten sein soll.127 In diesem Sinne ist die Couchecke auch ein Effekt einer geplanten Kampagne gegen die gute Stube, ähnlich den von Attfield beschriebenen Ambitionen zum ‚guten‘ Wohnen der Vertreter des Utility-Designs in Großbritannien. Die im Vergleich zum Salon stillgestellten Möbel der guten Stube werden gegen Ende des 19. Jahrhunderts zur konstitutiven Sitz-Garnitur für die Familie, auf der Kinder bei Bedarf auch mal herumklettern können.128 Während die gute Stube als zu steif empfunden wird, formiert sich das moderne Wohnzimmer unter den Vorzeichen des geselligen Beisammenseins. Die Familie zieht sich in die Ecke zurück, die Schutz vor äußeren Einflüssen und intime Privatheit verspricht. Zusammengehalten wird die Couchecke vom Couchtisch: „Zur Couchecke gehört der Tisch. Seit Menschengedenken waren die Sitzmöbel ihm attributiv zugestellt, blickten zu ihm auf und richteten sich nach ihm. Auf ihm sammelte sich das Licht. In der Couchecke ist der Tisch bis zur Kniehöhe abgesenkt und steht gleichsam den Sitzmöbeln zu Füßen.“129 124 | Vgl. ebd. 125 | Vgl. ebd., S. 680. 126 | Ebd. 127 | Vgl. ebd., S. 681. 128 | Vgl. ebd., S. 680f. 129 | Ebd., S. 680.

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In diese Möbelkonstellation, deren „Entfaltungsradius [...] an den frontal im Halbkreis plazierten Sesseln [endet]“130 hält im Laufe der 1950er-Jahre ein weiteres Phantom-Objekt Einzug – das Fernsehgerät. „Die Sofaecke ist die jüngste Dingkonstellation im Wohnzimmer“131 und damit ein wesentlicher Vorläufer der Fernsehecke.

Medien und Möblierung: Die Fernsehecke Die Fernsehecke ist somit ein Symptom für den Wandel und gleichermaßen auch die Krise der Couchecke. Ist die Couchecke in ihrer klassischen Konstellation noch ganz auf den Couchtisch konzentriert, so ändert sich dies mit dem Einzug des Fernsehens in den Wohnraum. Als neues Zentrum der Eck-Konstellation determiniert das Fernsehmöbel die Ausrichtung des weiteren Inventars: „Das Fernsehgerät hat die geschlossene Zelle aufgebrochen und die offene Konstellation des Salons wiederherstellbar gemacht. Die Sessel könnten wieder neben dem Sofa an der Wand stehen. Der Tisch könnte ganz verschwinden. Der Raum könnte wieder zugänglich und transparent werden, durchlässige Kanäle anbieten, damit die Fernsehbotschaft ungehindert eindringen kann.“132

Warnke beschreibt diese neue, durch das TV-Gerät eingeleitete Anordnung denn auch als „empfangsbereite Außenwendung“ der Möbelgruppe, die zuweilen an die offene Konstellation des Salons denken lasse.133 Vorboten dieses Wandels stellten Anfang der 1950er-Jahre fahr- und drehbare Sessel dar sowie der Nierentisch, der kurzzeitig organische Formen in die Couchecke bringt, bevor sich in den 1960er-Jahren wieder rechteckige Linien durchsetzen.134 Die Gravitationskraft des Fernsehgeräts konzentriert sich dabei nicht nur auf die Ecke bzw. das Wohnzimmer an sich, sondern wirkt sich auf den gesamten familiären Wohnraum aus. Generell gehe mit diesem Auflösungsprozess eine Dekomposition der Funktionslogiken der häuslichen Räume einher: Aus Küchen werden Wohnküchen und das Wohnzimmer weite sich bis in den ‚Wohngarten‘ aus.135 Dieses freie Flottieren der Einrichtungsgegenstände ist Warnke zufolge zurückzuführen auf die visuelle Sprengkraft des Fernsehapparats: 130 | Ebd. (Erg. M.M.) 131 | Ebd., S. 676. 132 | Ebd., S. 685. 133 | Vgl. ebd. Wie in Teil III, Kapitel 3.2 näher erläutert wird, stellt Günther Anders hierzu eine Gegenthese auf, wenn er das Medium Fernsehen als „negativen Familientisch“ beschreibt, der die Kommunikation im Wohnraum eher unterminiert als öffnet. Anders, Günter: Die Antiquiertheit des Menschen. Band 1. Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution. München: Beck 1956, S. 104. (Hervorh. weggel.) 134 | Vgl. ebd., S. 683f. 135 | Vgl. ebd., S. 686.

1. Eine Design-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln „Offensichtlich war das Fernsehgerät, das eine öffentliche Institution vertritt, nicht mehr, wie noch das Radio, in die Couchecke zu integrieren. Als passives Möbelstück war es anzupassen, als aktives Medium jedoch sprengte es das geschlossene Beziehungssystem der Sofaecke.“136

Während der als Möbel verkleidete Fernsehapparat die Couchecke – ähnlich dem Radiomöbel – durchaus nach einer Seite hin rahmen könnte, erfordert es im Gebrauch als audiovisuelles Medium, dass sich Möbel und Bewohner nach ihm ausrichten. Aus Warnkes Fallstudie lassen sich drei wesentliche Argumente im Hinblick auf den Analyseteil der vorliegenden Arbeit ableiten. Zum einen (1) kennzeichnet Warnke das Fernsehmöbel als hybrides Artefakt. Die Attribute, die es als Möbel und als Medium kennzeichnen, gehen nicht unmittelbar ineinander auf. Hier zeigt sich an, dass die Vermöbelung von Fernsehapparaten Grenzen hat, die sich – wie weiter oben bereits herausgearbeitet – etwa am Interface zeigen (siehe Kapitel 1.2 im vorliegenden Teil). Zum anderen (2) denkt Warnke die Verhäuslichung des Fernsehapparats als Möbel nicht technikdeterministisch, sondern als Teil eines soziokulturellen Wandels. So reiht er die Medientechnik Fernsehen in weitere öffentliche Dienstleistungen ein, die in den Wohnraum integriert werden. „Mit der Stereoanlage ist der Konzertsaal, mit der Hausbar die Gaststätte integrierbar geworden.“137 Als Beispiele, die historisch weiter zurückreichen, nennt er die Privatisierung des WC sowie öffentlicher Wasch- bzw. Bade-/Schwimm- und Saunaanstalten in Form eigener Nasszellen in den Wohnungen.138 Von diesen öffentlichen Phänomenen, die in das Haus einziehen, scheint sich das „Heimkino“ qualitativ zu unterscheiden, geht mit ihm doch der oben beschriebene räumlich-dingliche Auflösungsprozess im Wohnraum einher.139 Laut Warnke sei dieser Wandel aber nicht ausschließlich auf technische Beweggründe, d.h. den Fernsehapparat zurückzuführen. Dafür spreche nicht zuletzt die Bereitwilligkeit, mit der die empfangsbereite Außenwendung vollzogen wird – trotz des großen Aufwands, der damit einhergeht. Mit der Auflösung der Couchecke in den 1960er-Jahren – statt als geschlossene Garnitur kommt sie nun in einzelnen mobilen Elementen daher – ziehen die Signifikanten des Wohnens wieder in andere Bereiche um: „[I]nnerhalb der Wohnungen hat eine Art Verteilungskampf um die Erbmasse des Wohnzimmers eingesetzt“.140 Die Küche wird zur Wohnküche, Pflanzen machen aus Nasszellen wohnliche Badezimmer und mit dem Wohnmobil finde das Wohnen endgültig seinen Weg nach draußen. Wohnlich gestaltete Arbeitsplätze lassen sich dieser Logik zufolge durchaus als Umkehrung des damaligen Ideals der Trennung von Wohn- und Arbeitsbereich deuten. 136 | Ebd., S. 685. 137 | Ebd., S. 686. 138 | Vgl. ebd. 139 | Vgl. ebd. 140 | Ebd.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

Nicht zuletzt (3) charakterisiert Warnke in seinen Ausführungen das Verhältnis zwischen Medien und Möbeln als geprägt von Konkurrenz und Anpassung. Einerseits stellt der Fernsehapparat einen Konkurrenten für das Dingensemble Couchecke dar. Andererseits bekommt das Wohnzimmer, das bis in die 1950er-Jahre hinein trotz Couchecke weitestgehend leer und funktionslos bleibt, mit dem Einzug des Fernsehens in den Wohnraum eine neue Funktion zugewiesen. In Bezug auf Warnkes Diagnose schreibt Christina Bartz: „Mit dem Fernsehen erhält das Wohnzimmer eine neue Funktion, nämlich als eine Art Mediennutzungszimmer – finden doch auch weitere Medien wie der Schallplattenspieler dort ihren Platz.“141 In dieser Argumentation passen sich die in den Wohnraum zu integrierenden Medien dem bereits existierenden Möbelstil im modernen Wohnzimmer an: „Das funktions- und möbelreduzierte Wohnzimmer wird mittels Medien des Heimgebrauchs wieder gefüllt und dabei werden die Medien und Möbel zu einem passenden Setting zusammengefügt.“142 Das folgende Kapitel greift auf die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) zurück, um insbesondere zwei Aspekten weiter nachzugehen. Zum einen (1) soll es darum gehen, nach der Handlungsmacht von gestalteten Artefakten als Träger und Vermittler sozialer Machtunterschiede zu fragen. In den Studien von Attfield und Warnke materialisiert sich gesellschaftlicher Wandel im Design von Möbeln und entsprechenden Einrichtungspraktiken. Darüber hinaus wäre im Weiteren unter Bezugnahme auf die ANT zu fragen, inwiefern Möbeln und Medien selbst eine aktive Rolle in diesem Wandel zukommt. Im Hinblick auf diesen Aspekt erweist sich die ANT als produktive interdisziplinäre Referenz sowohl für die Designforschung als auch für die Medienwissenschaft, die beide an der Rezeption, Adaption und Weiterentwicklung ihres Methoden- und Begriffsrepertoires arbeiten.143 Zum anderen (2) schließt das folgende Kapitel an die ANT an, um den Prozess häuslichen Wandels, den Attfield und Warnke jeweils beschreiben, begrifflich und methodisch besser fassen zu können. Ein weiter Designbegriff, so könnte man argumentieren, bezeichnet nicht nur gestaltete Oberflächen, sondern umfasst auch Infrastrukturen, Systeme und Verhaltensweisen.144 Nicht zuletzt hat Bruno Latour selbst das Interesse der ANT an Designfragestellungen bekundet: „Wenn man über Artefakte in Begriffen von Design nachdenkt, begreift man sie immer weniger als modernistische Objekte, sondern zusehends als ‚Dinge‘. [...] Artefakte werden begreiflich als komplexe Versammlungen widersprüchlicher Sachverhalte.“145 141 | Bartz: Einrichten, S. 203. 142 | Ebd. 143 | Vgl. Mareis, Claudia; Windgätter, Christof: Designwissenschaft. In: Schröter, Jens (Hg.): Handbuch Medienwissenschaft. Stuttgart [u.a.]: Metzler 2014, S. 548-553, S. 551f. 144 | Vgl. Mareis: Theorien des Designs, S. 11. 145 | Latour, Bruno: Ein vorsichtiger Prometheus. Einige Schritte hin zu einer Philosophie des Designs, unter besonderer Berücksichtigung von Peter Sloterdijk. In: Jongen, Marc; van Tui-

1. Eine Design-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

Das folgende Kapitel verfolgt nun das Ziel, den widersprüchlichen Tendenzen häuslichen Wandels jenseits von top down-Vorgaben, wie ihn Attfield und Warnke in ihren Studien herausarbeiten, mit einigen methodisch-theoretischen Begriffen der ANT nachzugehen.

nen, Sjoerd; Hemelsoet, Koenraad (Hg.): Die Vermessung des Ungeheuren: Philosophie nach Peter Sloterdijk. Paderborn: Fink 2009, S. 356-373, S. 361. Weitere Ausführungen zum Verhältnis von Designforschung und ANT siehe Mareis: Theorien des Designs, S. 208.

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2. Unsichtbare Mikronetze: Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln Medienwissenschaften und die ANT Besitzt die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) einen Mehrwert für die Analyse von Medien, genauer Mediengebrauch? Mit dieser Frage stellt Roger Silverstone Mitte der 1990er-Jahre eine Verbindung zwischen den Forschungsinteressen des Domestizierungsansatzes und den Netzwerkanalysen der ANT her. Der versuchte interdisziplinäre Brückenschlag ist jedoch nicht von Dauer: Folgt man Silverstone, so hat die ANT der Medienwissenschaft nichts Wesentliches hinzuzufügen. In seiner Studie Television and Everyday Life von 1994 beschäftigt sich Silverstone mit der Implementierung des Mediums Fernsehen in den häuslichen Raum.1 Die Frage nach der Domestizierung, also der Verhäuslichung und Aneignung von Medientechnologien im Alltag, treibt zu dieser Zeit nicht nur Ansätze medien- und sozialwissenschaftlicher Prägung um, sondern auch Vertreter der Wissens- und Techniksoziologie, die wiederum von der ANT beeinflusst werden.2 Eben dieser Umstand veranlasst Silverstone dazu, nach geeigneten techniksoziologischen Theorieangeboten für die Analyse der Aneignung des Fernsehens im häuslichen Raum zu suchen. Unter Bezugnahme auf die Überlegungen des Soziologen und Mitbegründers der ANT John Law stellt er die Begriffe Netzwerk und System einander gegenüber: „Law prefers the term ‚network‘ to system. […] In relation to the systems metaphor, Law suggests that it tends to underestimate the fragility of the emerging system in the face of the conflictual environments and conditions in which it is embedded […].“3 1 | Silverstone, Roger: Television and Everyday Life [1994]. London [u.a.]: Routledge 2007. 2 | Vgl. Couldry, Nick: Akteur-Netzwerk-Theorie und Medien: Über Bedingungen und Grenzen von Konnektivitäten und Verbindungen. In: Hepp, Andreas; Krotz, Friedrich; Moores, Shaun; Winter, Carsten (Hg.): Konnektivität, Netzwerk und Fluss. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2006, S. 101-117, S. 101. 3 | Silverstone: Television and Everyday Life, S. 84.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

Hierbei kommt Silverstone zu dem Schluss, dass der Netzwerk-Begriff wenig geeignet sei, um die Verhäuslichung von Medien im Alltag zu beschreiben. Seiner Meinung nach müsse das Soziale weiterhin eine privilegierte Stellung gegenüber Artefakten einnehmen, da es für den Mediengebrauch im häuslichen Raum konstitutiv sei.4 Silverstone plädiert damit für sein Konzept des sozio-technischen Systems [socio-technical system], wie es im vorherigen Teil dargelegt wurde (siehe Teil I Kapitel 2.1). Anstatt die unterschiedlichen Akteure des Mediums Fernsehen als Netzwerke zu konzipieren, grenzt sich Silverstone von der ANT ab und spricht diesbezüglich von einzelnen, für sich stehenden Systemen, wie etwa die der öffentlichen Produktion und der häuslichen Konsumtion, die sich wechselseitig informieren. Der britische Mediensoziologe Nick Couldry greift diesen von Silverstone zurückgelassenen Faden bzgl. der Konnektivitäten zwischen ANT und Medienwissenschaften Anfang 2000 in einer expliziten Referenz an dessen Forschungsergebnisse auf und stellt erneut die Frage nach der Produktivität der ANT für medienwissenschaftliche Forschungsarbeiten. Hierbei geht es ihm nicht, wie Silverstone, explizit um die Verhäuslichung von Medien, sondern um die ganz grundlegende Frage, wie sich ANT und Medientheorie produktiv ergänzen könnten. Couldrys Meinung nach führen die Medien- und Kommunikationswissenschaften zuweilen einen funktionalistischen Medienbegriff an, bei dem Medien automatisch gleichgesetzt werden mit ‚dem Sozialen‘ und nicht hinreichend differenziert werde, welche komplexen Verflechtungen von Akteuren dahinter stehen.5 Zwar teilt Couldry Silverstones Einschätzung, dass die Netzwerk-Metapher das Soziale, genauer die soziale Dimension von Technik, nicht vollständig neu erkläre. Gleichzeitig geht es ihm darum, die methodisch-theoretische Schlagrichtung der ANT ernst zu nehmen als eine Irritation naturalisierender Medienbeschreibungen. So stellt er Silverstones Überlegungen insbesondere folgenden gewichtigen Vorteil der ANT in Bezug auf die Analyse von Medien gegenüber: Ihre „Anerkennung der räumlichen Dimension der Macht“.6 Die Räumlichkeit von Netzwerken gebe – wie im Analyseteil der vorliegenden Arbeit noch zu zeigen sein wird – wenigstens temporär Einblick in Machtkonstellationen und -asymmetrien.7 4 | Vgl. ebd., S. 84f. Silverstones Studie stellt eine der frühen Bezugnahmen medienwissenschaftlicher Forschung auf die ANT dar. Seitdem hat der Forschungsansatz auch in der deutschsprachigen Medienwissenschaft einen regelrechten Boom erfahren. Siehe hierzu etwa Thielmann, Tristan; Schüttpelz, Erhard (Hg.): Akteur-Medien-Theorie. Bielefeld: transcript 2013. 5 | Vgl. Couldry: Akteur-Netzwerk-Theorie und Medien, S. 105. 6 | Vgl. ebd., S. 107. 7 | Hierbei bezieht sich Couldry insbesondere auf den räumlichen Aspekt global operierender und mächtiger Medieninstitutionen, wie etwa große Fernsehsendeanstalten. Es geht ihm also weniger, wie Silverstone, um das spezifische Setting der häuslichen Aneignung von Medien, sondern dezidiert um eine Makroperspektive. Vgl. ebd., S. 106f., S. 112.

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

Das vorliegende Kapitel nimmt Silverstones und Couldrys theoretische Überlegungen zur Anwendbarkeit der ANT auf die Sphäre der Medien als Ausgangspunkt, um einen eigenen Zugang im Hinblick auf den Gegenstand dieser Arbeit zu entwickeln. Da der häusliche Raum in der ANT keinen einschlägigen Untersuchungsgegenstand darstellt, erfordert dieses Unterfangen ein anderes Vorgehen als es für die Studien der ANT kennzeichnend ist.8 Es erscheint also sinnvoll, wenigstens kurz die methodisch-theoretischen Implikationen der ANT darzulegen, um sie anschließend auf die Sphäre des Häuslichen anwenden zu können. Hierzu werden einzelne Begriffe aus dem Repertoire der ANT hergeleitet, die dann schlaglichtartig auf den Gegenstand der vorliegenden Arbeit übertragen werden, um Beispiel-Settings aufzuführen, an denen ich die Produktivität einzelner Begriffe bereits kurz und anekdotisch plausibel machen lässt. Während diese Herleitung noch relativ spekulativ ausfällt, werden die Ausführungen im Analyseteil durch weiteres Material vertieft. Der im Weiteren herzuleitende Vorschlag lautet, dass sich die ANT nicht einfach grundlegend auf die Verhäuslichung von Medien übertragen lässt. Stattdessen geht es darum zu zeigen, inwiefern einzelnen Begriffe aus ihrem Repertoire für die Analyse des Zusammentreffens von Medien und dem häuslichen Raum produktiv gemacht werden können. Als besonders geeignet erscheinen hier die Konzepte „Akteur“, „Netzwerk“, „Übersetzung/Operationsketten“, „Black Box/ Blackboxing“ und „Störung“. Das vorliegende Kapitel widmet sich also erst einmal der Frage, inwiefern sich die plausibel zu machenden Begriffe eigenen, um Fragen des geschlechts- und schichtspezifischen Mediengebrauchs von Fernsehgeräten als Möbel nachzugehen. Wie gut lässt sich mit der ANT die Dynamik des häuslichen Wandels beschreiben? Und weiter: Wo liegen die Grenzen der Anwendbarkeit der ANT in Bezug auf das Häusliche? Im Analyseteil der vorliegenden Arbeit (Teil III, Kapitel 3) wird es dann darum gehen, den Gebrauch von Fernsehern als Möbel und die damit einhergehenden Operationsketten mithilfe der hier erarbeiteten Begrifflichkeiten ausführlicher zu beschreiben und damit die Analysen des Domestizierungsansatzes zur Verhäuslichung des Mediums Fernsehen neu zu perspektivieren. Interdisziplinäre Bezugnahmen auf die ANT hat es seit Silverstones und Couldrys Ausführungen vermehrt gegeben. So wurde etwa innerhalb der deutschsprachigen medienwissenschaftlichen Forschung darauf hingewiesen, dass die ANT einige Schnittstellen zum Fach aufweist und die „ANT als Medientheoriebaukasten“9 beschrieben werden kann. Diese Einschätzung geht im 8 | Zu ihrer heutigen Prominenz hat es die ANT insbesondere mit ihren Laborstudien und historischen Untersuchungen gebracht. Siehe etwa Latour, Bruno; Woolgar, Steve: Laboratory Life. The Social Construction of Scientific Facts. Beverly Hills [u.a.]: Sage 1979; Hughes, Thomas P.: Networks of Power: Electrification in Western Society 1880-1930. Baltimore: Johns Hopkins UP 1983. 9 | Thielmann, Tristan; Schröter, Jens: Akteur-Medien-Theorie. In: Schröter, Jens (Hg.): Handbuch Medienwissenschaft. Stuttgart [u.a.]: Metzler 2014, S. 148-158, S. 149. Die Formulierung

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Wesentlichen auf Tristan Thielmann und Erhard Schüttpelz zurück, die einen Entwurf für eine eigenständige Akteur-Medien-Theorie ausgearbeitet haben.10 Dieser Position zufolge ist es gerade der undogmatische und netzwerkförmige Aufbau der ANT selbst, der sie so interessant für interdisziplinäre Zugriffe mache: „Die Akteur-Netzwerk-Theorie besteht aus vielen einzelnen Theoriebausteinen, die je nach vorhandener Problemstellung miteinander kombinierbar sind.“11 Unter dieser Perspektive lässt sich die ANT als Erweiterungs- bzw. Kombinationsmöglichkeit für medienwissenschaftliche Theorien und Methoden begreifen. Diese These vertritt auch Andrea Seier, die nach den Kombinationsmöglichkeiten von Akteur-Netzwerk-Analysen und medienwissenschaftlichen Dispositivanalysen fragt.12 Statt etwa von Einzelmedien als stabilen Entitäten auszugehen, gilt das Interesse der ANT der „Operation der Mediation“ bzw. den Akteuren, die in Netzwerken vermitteln, sogenannten „Mittlern“.13 Diese Prämisse bedeutet letztendlich, dass „aus Sicht der ANT alles zum Medium werden kann, was die Prozesse der De-/Stabilisierung garantiert“.14 Hieran ist die wichtige Unterscheidung zwischen „Intermediär“ und „Mediator“ geknüpft. Generell beschreiben beide Begriffe erst einmal, dass Akteure im Netzwerk miteinander verbunden sind. Der Status, der diesen Verbindungen zukommt, unterscheidet sie voneinander. Während Intermediäre lediglich Zwischenglieder darstellen, die zwei stärkere Elemente miteinander verknüpfen, zeichnen sich Mediatoren dadurch aus, dass sie übersetzen, verändern, verschieben und transformieren. Kurz: Mediatoren lassen sich als wirkmächtige Akteure in Handlungsnetzen beschreiben. Sie sind „Mittler, durch die Trägheit, geht zurück auf Thielmann, Tristan: Der ETAK Navigator: Tour de Latour durch die Mediengeschichte der Autonavigationssysteme. In: Kneer, Georg; Schroer, Markus; Schüttpelz, Erhard (Hg.): Bruno Latours Kollektive. Kontroversen zur Entgrenzung des Sozialen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2008, S. 180-219, S. 207. Für weitere Anschlüsse siehe: Seier, Andrea: Kollektive, Agenturen, Unmengen: Medienwissenschaftliche Anschlüsse an die Actor-Network-Theory. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft (2009), H. 1, S. 132-135. 10 | Schüttpelz, Erhard: Elemente einer Akteur-Medien-Theorie. In: Thielman, Tristan; Schüttpelz, Erhard (Hg.): Akteur-Medien-Theorie. Bielefeld: transcript 2013, S. 9-70. 11 | Thielmann, Schröter: Akteur-Medien-Theorie, S. 149. 12 | Vgl. Seier, Andrea: Von der Intermedialität zur Intermaterialität. Akteur-Netzwerk-Theorie als ‚Übersetzung‘ post-essentialistischer Medienwissenschaft. In: Engell, Lorenz; Siegert, Bernhard (Hg.): Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung (2013), H. 2, Schwerpunkt „ANT und die Medien“, S. 149-165, S. 149; dies.: Un/Verträglichkeiten: Latours Agenten und Foucaults Dispositive. In: Conradi, Tobias; Derwanz, Heike; Muhle, Florian (Hg.): Strukturentstehung durch Verflechtung: Akteur-Netzwerk-Theorie(n) und Automatismen. München [u.a.]: Fink 2011, S. 151-172. 13 | Vgl. Latour, Bruno: Den Kühen ihre Farbe zurückgeben. Von der ANT und der Soziologie der Übersetzung zum Projekt der Existenzweisen. Bruno Latour im Interview mit Michael Cuntz und Lorenz Engell. In: Engell, Lorenz; Siegert, Bernhard (Hg.): Zeitschrift für Medienund Kulturforschung (2013), H. 2, Schwerpunkt: „ANT und die Medien“, S. 83-100, S. 84. 14 | Seier: Von der Intermedialität zur Intermaterialität, S. 155.

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

Dauer, Asymmetrie, Ausbreitung, Herrschaft hervorgebracht werden“.15 Während die Aktivität des Zwischenglieds unsichtbar bleibt, ist die des Mittlers sichtbar. In diesem Sinne beschreibt die ANT in den von ihr nachgezeichneten Netzwerken immer nur Mediatoren; als verbindende Elemente sind Intermediäre keine im Netzwerk handelnden Akteure.16 Wie der ständige Wandel der Netzwerke jedoch impliziert, kann der Status der Akteure schnell wechseln, aus einem Mittler wird dann ein Zwischenglied und vice versa. Neben dieser abstrakten Nähe hat die ANT die Medienwissenschaft immer wieder zu Analysen der Netzwerkstruktur von Medien inspiriert. Fernsehwissenschaftliche Studien haben etwa unter Bezugnahme auf die ANT diverse Re-Lektüren ihres Gegenstandes vorgelegt. Unter einer ANT-Perspektive beschreibt Matthias Wieser in seinem Text „Wenn das Wohnzimmer zum Labor wird. Medienmessung als Akteur-Netzwerk“ das GfK-Meter, ein Messinstrument der Fernsehquotenforschung, als Akteur, der verteilte und anonyme couch potatos zu gemessenen Zuschauern macht.17 Mike Michael wiederum bezeichnet die Fernbedienung in seiner Studie Reconnecting Culture, Technology and Nature. From Society to Heterogeneity als wirkmächtigen Akteur.18 Wie Seier beschreibt, rekapituliert Michael entlang der „Verflechtungen von Apparaten, Möbeln und Menschen, die die Fernbedienung aufruft,“19 Machtasymmetrien in den Familienbeziehungen. Diesen Bezug auf die ANT erweitert Michael um einen diskursanalytischen Exkurs, in dem er darlegt, wie der Akteur couch potato in Zeitungsartikeln und der Werbung sowohl negativ als auch positiv adressiert wird.20 Diese Studien lassen sich einer zweiten Welle der Theorierezeption zuordnen, mit der es die ANT zu ihrer heutigen Popularität in den Medien- und Kulturwissenschaften gebracht hat. Kennzeichnend für diese interdisziplinären Studien ist, dass sie das Begriffs- und Methodenrepertoire der ANT darauf befragen, inwiefern sich dieses um weitere Theorieangebote erweitern lässt, wie etwa um Michel Foucaults Diskursanalyse. Dabei werden Akteure in den Blick genommen, 15 | Latour, Bruno: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2010, S. 147. 16 | Vgl. Passoth, Jan-Hendrik: Fragmentierung, Multiplizität und Symmetrie. Praxistheorien in post-pluraler Attitüde. In: Conradi, Tobias; Derwanz, Heike; Muhle, Florian (Hg.): Strukturentstehung durch Verflechtung. Akteur-Netzwerk-Theorien und Automatismen. München [u.a.]: Fink 2011, S. 259-278, S. 266. 17 | Vgl. Wieser, Matthias: Wenn das Wohnzimmer zum Labor wird. Medienmessung als Akteur-Netzwerk. In: Passoth, Jan-Hendrik; Wehner, Josef (Hg.): Quoten, Kurven und Profile – Zur Vermessung der sozialen Welt. Wiesbaden: Springer 2013, S. 231-254, S. 236. 18 | Michael, Mike: Reconnecting Culture, Technology and Nature. From Society to Heterogeneity. London [u.a.]: Routledge 2000. 19 | Seier: Von der Intermedialität zur Intermaterialität, S. 160. Siehe hierzu auch Michael: Reconnecting Culture, Technology and Nature, S. 105. 20 | Vgl. ebd., S.105-116.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

die ihre Wirkmächtigkeit jenseits der für die ANT so kennzeichnenden Settings entfalten, und statt in Laboren etwa in Wohnzimmern vorzufinden sind. In den weiteren Ausführungen geht es nun darum, den häuslichen Wohnraum unter Rückgriff auf einige Begriffe aus dem Methodenrepertoire der ANT als Netzwerk zu konzipieren. Um die Ausführungen anschaulicher und die Ergebnisse anschlussfähiger für die Materialanalyse in Teil III, Kapitel 3 zu gestalten, werden die oben dargelegten Begriffe aus dem Repertoire der ANT kurz hergeleitet und auf Beispiel-Settings hinsichtlich der Verhäuslichung des Mediums Fernsehen als Möbel angewendet.

2.1 Das Fernsehmöbel als Akteur im Netzwerk Wohnzimmer Akteure: Medien/Möbel Die ANT geht in der Beschreibung sozio-technischer Netze von einem Symmetriepostulat aus: Menschliche wie nicht-menschliche Akteure sind gleichwertige, miteinander verbundene Elemente eines Handlungsnetzes. Der Akteur-Status wird einem solchen Ding zugesprochen, „das eine gegebene Situation verändert, indem es einen Unterschied macht“21 im Hinblick auf das Handlungspotential anderer am Netzwerk beteiligter Akteure. In diesem Vorhaben arbeitet die ANT gegen eine „Verfassung der Moderne“22 an, welche auf einer Trennung zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Mensch und Nicht-Mensch fußt. Die Prämisse der Konnektivität zwischen einzelnen Akteuren dient der ANT als soziologischer Wissenschaftsforschung in erster Linie dazu, die historische „Gemachtheit“ wissenschaftlichen Wissens zu konstatieren. Der ANT zufolge lässt sich die Arbeit von Wissenschaftlern nicht trennen von den Apparaturen, Instrumenten und Möbelstücken des Labors.23 In diesem Sinne werden denn auch die Regale, in denen beispielsweise Pflanzenproben aufbewahrt werden, zu Hybridwesen, die als Verdinglichung wissenschaftli21 | Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, S. 123. Im Zusammenhang mit diesem Zitat bezeichnet Latour Akteure, die „noch keine Figuration“ haben als Aktanten. Zwar unterscheidet Latour an einigen weiteren Stellen zwischen Akteuren und Aktanten, jedoch wird diese Differenzierung nicht systematisch in allen Schriften vorgenommen. Im Weiteren werden menschliche und nicht-menschliche Entitäten gleichermaßen als Akteure bezeichnet. 22 | Latour, Bruno: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie. Berlin: Akademie Verlag 1995, S. 22. 23 | Vgl. Latour, Bruno: Drawing Things Together. In: Belliger, Andréa; Krieger, David J. (Hg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld: transcript 2006, S. 259-307, S. 262.

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

cher Wissensproduktion zwischen „Materie und Gedanke“24 zu verorten sind. Einen solchen hybriden Akteur stellt z.B. der Pedokomparator dar, ein Gefäß, in dem sich Pflanzenproben temporär ordnen und transportieren lassen. Im Anschluss daran werden die getrockneten Pflanzen schließlich in Regalen aufbewahrt.25 Solchen Netzwerken aus Hybridwesen – wie etwa Regalen, Forschern und Pflanzenproben – haftet ein spezifisches Wissen an. Einerseits materialisieren sich vergangene Handlungen im diesem spezifischen Setting, insbesondere in der Regalanordnung und -gestaltung. Andererseits bringt diese Assemblage aber auch neues Wissen hervor. Die Möbel des Labors, wie etwas Regalwände und Tische, sind epistemische Dinge bzw. Werkzeuge insofern, als sie der Komplexitätsreduktion und Konservierung von Wissen dienen.26 Mit Blick auf den Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist es besonders bemerkenswert, dass die Methoden der ANT an den Einrichtungsgegenständen des Labors verdeutlicht werden, indem Latour die Medialität von Möbeln behauptet. Als Hybridwesen vermittelt das Regal zwischen der Welt der Dinge und der Welt der Zeichen: „Dieses Möbel ist eine Theorie. [...] Es ist ein perfektes Zwischenglied zwischen Hardware (denn es schützt) und Software (denn es klassifiziert), zwischen der Schachtel und dem Baum der Erkenntnis.“27 Was zeichnet nun einen Akteur aus? Um dieser Frage nachzugehen führt Latour an verschiedenen Stellen die Fernbedienung als Beispiel für die Handlungsmacht der Dinge auf. Schließlich mache es einen Unterschied, ob man das Programm mit oder ohne Fernbedienung umschaltet.28 In dieser Logik geht die Fernbedienung der couch potato voraus. „[U]nd doch gibt es keine Ähnlichkeit zwischen den Ursachen der eigenen Unbeweglichkeit und dem Teil des eigenen Handelns, der nun von einem Infrarotsignal übernommen wird, selbst wenn es keine Frage ist, daß die Fernbedienung eben dieses Verhalten autorisiert.“29

Die agency von Dingen/Akteuren besteht also gerade nicht darin, dass sie anderen Entitäten eine Rolle aufzwingen, wie es eine technikdeterministisch verkürzte Lesart nahelegen würde. Michael Cuntz schreibt in einem Handbucheintrag zum Begriff der agency: 24 | Belliger, Andréa; Krieger, David J.: Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie. In: dies. (Hg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld: transcript 2006, S. 13-49, S. 29. 25 | Vgl. Latour, Bruno: Die Hoffnung der Pandora. Untersuchungen zur Wirklichkeit der Wissenschaft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2000, S. 47f. 26 | Hierbei handelt es sich um zwei Eigenarten der Referenz: „Das dreiteilige Regal mit Fächern sieht aus wie eine Tabelle aus Spalten und Zeilen, Abszissen und Ordinaten. Jedes Fach dieses Regals dient sowohl zum Klassifizieren als auch zum Konservieren und Benennen.“ Ebd., S. 47. 27 | Ebd. 28 | Vgl. Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, S. 123. 29 | Ebd., S. 133. (Hervorh. im Orig.)

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk „agency bezeichnet die ‚Handlungsmacht‘ von Akteuren, das heißt ihren Anteil an Handlungen, Prozessen, Entwicklungen, Funktionsweisen, der einen nachweisbaren, erkennbaren, plausibel beschreibbaren Unterschied für deren Ablauf macht.“30

Vielmehr beschreibt der Begriff agency also das Potential eines Akteurs, andere Entitäten für sich zu interessieren, Verbindungen mit ihnen zu knüpfen und mit ihnen zu Hybridwesen zu verschmelzen.

Häusliche Netzwerke „Beide Begriffe, Akteur und Netzwerk, sind voneinander nicht zu trennen“.31 Begreift man die in Teil I der vorliegenden Arbeit vorgestellten consumer durables wie Haushaltsgeräte und auch Möbel nun im Sinne der ANT als Akteure, so spricht man ihnen Handlungsmacht zu und gesteht ein, dass sie den häuslichen Raum als Netzwerk mitkonstituieren. Langlebige Konsumgüter im neuen Design, wie etwa die Artefakte aus dem Programm für Haushaltstechnik des Herstellers AEG (Abb. 1),32 avancieren im Laufe der 1950er-Jahre zu wichtigen Fixpunkten des Wirtschaftswunder-Dingarrangements in bundesdeutschen Haushalten. Angewendet auf die häusliche Sphäre begegnen sich Medien, Möbel, die Artefakte der Haushaltstechnik und Nutzer in ihrer Handlungsmacht – so die methodologische Prämisse der ANT – auf ‚Augenhöhe‘. Das Handlungsnetz ergibt sich erst im Zusammenspiel dieser einzelnen Akteure. Unter der Perspektive einer solchen Mikroanalyse lässt sich der häusliche Raum als Netzwerk beschreiben, in dem Haushaltsgeräte, Einrichtungsgegenstände, Medien und Bewohner über Handlungsketten miteinander verbunden sind. Hier lässt sich nicht länger vom häuslichen Raum als Kontext der Fernsehrezeption sprechen, wie es im Domestizierungsansatz der Fall ist (siehe Teil I, Kapitel 2.1). Schließlich bezieht sich Latour in seinem Verständnis von Kontext in der Regel auf das Verhältnis von Inhalt und Kontext in der Wissenschaft, um zu zeigen, dass der Kontext-Begriff eigentlich obsolet ist. Inhalt und Kontext lassen sich nicht als etwas Gegensätzliches begreifen, gerade weil die Akteure in Netzwerken immer miteinander verstrickt sind. Latour verdeutlicht diesen Aspekt anhand einer Studie zu Louis Pasteur. Pasteurs Labor, in dem er seine bahnbrechenden mikrobiologischen Entdeckungen zu Impfstoffen macht, ist nicht von seinem sozialen Kontext zu trennen: Die vorausgehenden Forschun30 | Cuntz, Michael: Agency. In: Bartz, Christina; Jäger, Ludwig; Krause, Marcus; Linz, Erika (Hg.): Handbuch der Mediologie. Signaturen des Medialen. München [u.a.]: Fink 2012, S. 2840, S. 28. (Hervorh. im Orig.) 31 | Passoth: Fragmentierung, Multiplizität und Symmetrie, S. 266. 32 | Heillos, Hans K.: Die Form bestimmt den Wert der Ware. In: Haus und Heim (1962), 11. Jg., H. 6, S. 15-18, S. 16f.

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

gen außerhalb werden im Labor reproduziert bzw. transformiert und später in einem letzten Schritt wieder nach außen kommuniziert – vom Ort des Labors aus hebt Pasteur sprichwörtlich die Welt aus den Angeln.33

Abb. 1: Haushaltsgeräte der Firma AEG (1962)

Wie dieses Beispiel zeigt, lassen sich Mikro- und Makro-Akteure nicht sinnvoll voneinander trennen, der ANT kommt es gerade auf die Vernetzungen zwischen den Akteuren an. In diesem Sinne scheinen auch Mikro-/Makro-Verhältnisse obsolet, wie sie der Domestizierungsansatz für die Verhäuslichung von Medien und einen damit einhergehende Bedeutungsaustausch zwischen häuslicher und außerhäuslicher Sphäre annimmt (siehe hierzu ebenfalls Teil I, Kapitel 2.1). Anstatt danach zu fragen, welche Diffusionsimpulse sich zwischen der Mikro- und Makro-Sphäre ergeben, setzt die ANT die Denkfigur des Netzwerks absolut: „Die Unterscheidung zwischen Makro- und Mikro-Ebene in der Soziologie wird angesichts des fraktalen Charakters von Netzwerken unterminiert.“34 Dementsprechend gibt es laut der ANT keinen qualitativen Größenunterschied zwischen Mikro- und Makro-Akteuren; sie unterscheiden sich nur quantitativ voneinander. Statt also von Vornherein einen mächtigen Makro-Akteur zu postulieren, fragt die ANT danach, wie aus einem Mikro-Akteur ein Makro-Akteur wird, wie also ein solches Netzwerk und entsprechende Machtunterschiede hergestellt werden.35 33 | Vgl. Latour, Bruno: Gebt mir ein Laboratorium und ich werde die Welt aus den Angeln heben. In: Belliger, Andréa; Krieger, David J. (Hg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld: transcript 2006, S. 103-134, S. 119. 34 | Belliger, Krieger: Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, S. 44. 35 | Vgl. ebd. Weiterführend hierzu siehe Callon, Michel; Latour, Bruno: Die Demontage des großen Leviathans. In: Belliger, Andréa; Krieger, David J. (Hg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld: transcript 2006, S. 75-101.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

Mit dem Denken in Netzwerken statt in Kontexten geht ein Destablisierungsargument einher. Indem die ANT zeigt, wie viele Übersetzungsleistungen nötig sind, um wissenschaftliche Referenz zu erzeugen (stark verkürzt: von der Bodenprobe zum Regal zum Diagramm), hebt sie auch die Fragilität und Anfälligkeit solcher Netze hervor. Statt von stabilen Kontexten geht die ANT von Netzwerken und Übersetzungsketten aus, die diese ausmachen. Unter einer ANT-Perspektive ergibt sich das Soziale aus Übersetzungsketten und Transformationen und ist nicht etwa immer schon als stabiler sozialer Kontext einfach irgendwie da.36 Ein solches Denken, das die Instabilität von Netzwerken betont, erweist sich als produktiv für eine im Rahmen dieser Arbeit zu entwickelnde Perspektive auf Mediengebrauch im häuslichen Raum. Während der Domestizierungsansatz, wie im vorherigen Teil der Arbeit ermittelt, mit seinem Kontext-Begriff die Spezifika der Medienrezeption zuhause „auf Dauer“ stellt, zeigt das Denken in Netzen, wie fragil, temporär und prozessual solche häuslichen Verbindungen sein können. Wie im ersten Teil der Arbeit herausgearbeitet, wird der Kontext-Begriff im Domestizierungsansatz mit Stabilität gleichsetzt. Störungen in der Aneignung von Medien sind zwar ein Thema, werden aber methodisch-theoretisch nicht eigenständig konturiert und entweder als Akzeptanz oder Ablehnung einer Medientechnologie gefasst (siehe hierzu Teil I, Kapitel 2.2). Hierbei geraten die vielschichtigen Dimensionen von Störungen, die sich ergeben können, wenn technische Medien und der häusliche Raum aufeinandertreffen, aus dem Blick. Insgesamt weist der Ansatz im Hinblick auf häuslichen Wandel zuweilen konservative Züge auf. Die ANT bietet mit ihrer Netzwerk-Perspektive hingegen gerade ein Destabilisierungsargument im Hinblick auf häuslichen Wandel. Statt eines sozialen Kontexts gibt es hier nur emergierende, sich wandelnde Netzwerke. Wie entstehen solche Netzwerke und welchen Prozesslogiken folgen sie, einmal in die Welt gesetzt?

2.2 Übersetzung: Operationsketten häuslichen Wandels Das Konzept der Übersetzung bzw. der Übersetzungsketten beschreibt kollektive Verknüpfungen in Netzwerken und damit einhergehende prozessuale Zuweisungen von Rollen und Eigenschaften der Akteure.37 Mit diesem Begriff fragt die ANT gerade nach Transformationen, die sich zwischen verschiedenen Entitäten vollziehen, um damit gleichsam eine Trennung zwischen dem Technischen und dem Sozialen in Frage zu stellen. In diesem Sinne geht es auch darum, nach der 36 | Vgl. Latour: Die Hoffnung der Pandora, S. 381. 37 | Vgl. Belliger, Krieger: Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, S. 42.

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

Handlungsmacht der Dinge zu fragen. Übersetzung umfasst das Potential eines Akteurs, einen anderen zu interessieren und so die Verknüpfungen im Netzwerk zu verändern. Anschlussfähige Handlungen sind also solche, mit denen ein anderer Akteur interessiert wird. Erst dadurch werden Übersetzungen hervorgebracht. Netze entstehen also durch Handlungen, genauer gesagt durch die operativen Fähigkeiten der Akteure. Seiner Schrift Die Hoffnung der Pandora hat Latour ein Glossar beigefügt, in dem er den Begriff der Übersetzung knapp zusammenfasst. Demzufolge „bezieht er [der Begriff der Übersetzung] sich auf all die Verschiebungen durch andere Akteure, ohne deren Vermittlung keine Handlung stattfindet. Übersetzungsketten treten an die Stelle einer starren Opposition zwischen Kontext und Inhalt; sie verweisen auf die Arbeit, durch die Akteure ihre unterschiedlichen und widersprüchlichen Interessen gegenseitig verändern, verschieben und übersetzen.“38

Der Ablauf des gegenseitigen Interessierens der Akteure wird in der ANT mit dem Bild der Verkettung erfasst. Der ANT geht es darum, sowohl materielle Artefakte als auch kulturelle Praktiken aufzuschlüsseln, die solche Handlungsketten ausmachen. Als Beispiel für Übersetzung bzw. eine Übersetzungskette mag erneut die zirkulierende Referenz der Wissensproduktion infolge der Amazonas-Expedition dienen, die die Zwischenschritte von der Feldexpedition zur wissenschaftlichen Sammlung ausmachen: „Der Raum ist zur Tabelle geworden, die Tabelle zum Wandschrank, der Wandschrank zum Begriff, der Begriff zur Institution.“39 Der Prozess der Übersetzung ist fragil, dies macht der letzte Satz des Glossar-Eintrags klar: Übersetzungsketten „verweisen auf die Arbeit, durch die Akteure ihre unterschiedlichen und widersprüchlichen Interessen gegenseitig verändern, verschieben und übersetzen.“40 Je mehr Zwischenschritte eine Kette ausmachen, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Interesse eines bestimmten Akteurs transformiert wird. So wird Destabilisierung zum zentralen Argument der ANT. Darüber hinaus können sich andere Akteure einfach nicht interessieren lassen oder sich widerständig gegenüber Verknüpfungsversuchen zeigen. Im Anschluss an diese Ausführungen lassen sich im Hinblick auf den Gegenstand der vorliegenden Arbeit wenigstens zwei Tendenzen von Übersetzungen extrahieren. Zum einen (1) stellen Übersetzungen eine Form von Transkription dar, die einen Medienwechsel beinhaltet, wie sie die oben aufgeführte Zirkulation wissenschaftlicher Erkenntnisse während der Amazonas-Expedition beinhaltet. Zum anderen (2) sind mit Übersetzungen Gruppenbildungsprozesse angesprochen. Hier geht es darum, Akteure, die eigentlich nichts da38 | Latour: Die Hoffnung der Pandora, S. 381. (Erg. M.M.) 39 | Ebd., S. 49. 40 | Ebd., S. 381.

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mit zu tun haben, für ein Netzwerk zu interessieren, sie einzubinden und dafür zu sorgen, dass es funktioniert. Eines der prägnantesten Beispiele hierfür findet sich in Michel Callons empirischer Fallstudie zum Domestizierungsversuch von Kammmuscheln in der Bucht von St. Brieuc in Frankreich während der 1970er-Jahre.41 Anhand von Archivmaterial beschreibt Callon die Kultivierung der Kammmuscheln als komplexes Netzwerk, das aus verschiedenen Akteuren, wie etwa Fischern, Forschern und nicht zuletzt den Kammmuscheln selbst besteht, die alle jeweils unterschiedliche Interessen mitbringen und versuchen, andere Akteure für sich zu gewinnen.42 Auch wenn Kammmuscheln auf den ersten Blick keine große Nähe zum Gegenstand der vorliegenden Arbeit aufweisen, wird an diesem Beispiel erneut klar, dass Übersetzungen auch in dieser Form der Gruppenbildungsprozesse eine prekäre Angelegenheit darstellen, bei der das Gelingen keineswegs selbstverständlich wäre. Um anzudeuten, inwiefern sich das Konzept der Übersetzung für die Verhäuslichung von Fernsehapparaten als Möbel produktiv machen lässt, werden im Folgenden diese beiden Facetten von Übersetzung kurz ausgeführt, indem zuerst auf die Ebene der Transkriptionen eingegangen wird, um daran anschließend nach Gruppenbildungsprozessen und räumlichem Wandel zu fragen. 41 | Michel Callon übernimmt den Begriff der Übersetzung von Michel Serres. Vgl. Callon, Michel: Einige Elemente einer Soziologie der Übersetzung: Die Domestikation der Kammmuscheln und der Fischer der ST. Brieuc-Bucht. In: Belliger, Andréa; Krieger, David J. (Hg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld: transcript 2006, S. 135-174. 42 | Callon hat vier Schritte der Übersetzung festgelegt, die diesen Prozess der Einbindung von Akteuren in ein Netzwerk und dessen Stabilisierung beschreiben: Problematisierung, Interessement, Enrolment und Mobilisierung. In der ersten Phase wird ein Problem benannt; es gibt also folglich so etwas wie einen Notstand oder eine Krise, die der Netzwerkbildung vorausgeht. Im zweiten Schritt wird versucht, das Interesse verschiedener Akteure hinsichtlich des benannten Problems zu gewinnen. Die dritte Phase beschreibt wiederum das tatsächliche Einbinden der Akteure in ein Netzwerk. In einem letzten Schritt geht es dann darum, die Akteure vollständig für das eigene Netzwerk zu mobilisieren. (Für eine detailliertere Zusammenfassung siehe Wieser, Matthias: Das Netzwerk von Bruno Latour: Die Akteur-Netzwerk-Theorie zwischen Science & Technology Studies und poststrukturalistischer Soziologie. Bielefeld: transcript 2012, S. 36-40 sowie ausführlicher den Primärtext Callon: Einige Elemente einer Soziologie der Übersetzung.) Dass sich diese Phasen auch für die Verhäuslichung von Fernsehapparaten als Möbel produktiv machen lassen, lässt sich an dieser Stelle kurz darlegen, ohne im Analyseteil der vorliegenden Arbeit eine Fallstudie im Sinne der ANT daraus zu machen, die sich streng dogmatisch an diesen vier Etappen abarbeitet. Der Integration von Fernsehapparaten in den Wohnraum in den 1950er-Jahren geht ein Problem voraus: Wie integriert man den technischen Apparat in den beengten Wohnraum? In diesem Sinne folgt die weitere Netzwerkbildung der Prämisse, weitere häusliche Akteure für sich zu gewinnen und die neu entstehenden Verbindungen, die sich dadurch ergeben, zu stabilisieren. (Zur Stabilisierung der Fernsehecke als räumlich-dingliches Netzwerk siehe Teil III, Kapitel 3 der vorliegenden Arbeit.)

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

Übersetzung als Transkription Als ein Beispiel für Übersetzung in der Facette der (1) Transkription43 im Umfeld des in der vorliegenden Arbeit zu beschreibenden Phänomens Fernsehmöbel mag die häufig in Einrichtungszeitschriften verwendete Visualisierungspraxis der Bauzeichnungen und Grundrisse dienen. In der Designforschung werden dem Entwurf epistemische Qualitäten zugesprochen und die Prozesse des Entwerfens als Praktiken der Wissenserzeugung verstanden.44 Im Sinne dieser Funktion der Wissensgenerierung und -vermittlung ließen sich Entwürfe unter Bezugnahme auf die ANT auch als immutable mobiles, als unveränderliche, mobile Elemente bezeichnen. Es handelt sich hierbei um „Objekte […], die mobil, aber auch unveränderlich, präsentierbar, lesbar und miteinander kombinierbar sind.“45 Das Wissen über die Beschaffenheit des Bodens im Amazonasgebiet wechselt im Übersetzungsprozess seine Materialität (zur Erinnerung: Raum → Tabelle → Wandschrank → Begriff → Institution). Die Tabelle stellt im Sinne Latours ein unveränderliches mobiles Element dar: als 2D-Objekt ist es leicht zu transportieren, gut zu zirkulieren und wird im Transport nicht verändert. Als in Einrichtungszeitschriften überaus beliebte Darstellungskonvention erweisen sich Bauzeichnungen von zweckfunktional eingerichteten Einfamilienhäusern für die Kleinfamilie, wie sie auf Abb. 2 beispielhaft zu sehen ist.46 Da Häuser und Wohnungen der Nachkriegszeit sehr klein beschaffen sind, empfiehlt die Bauzeichnung platzsparende Dingarrangements und entsprechende Stellplätze für Mobiliar und technische Geräte. Gleichzeitig weisen diese Zeichnungen eine sehr normative Dimension auf, die, statt lediglich zu empfehlen, starke Verbindlichkeiten schafft. Über sie werden Normen und Richtlinien im Wohnungsbau kommuniziert, die vor allem architektur- und dingbasierte Arbeitsabläufe betreffen (allem voran die Hausarbeit); insbesondere Waschküchen und Hauswirtschafträume unterliegen bestimmten DIN-Anforderungen (Abb. 3) im Bauwesen.47

43 | Im Laufe der Karriere der ANT wird dieses Phänomen statt mit dem Begriff der Übersetzung mit dem der Referenzketten gefasst. „Dieser Prozess der zirkulierenden Referenz wurde zu Beginn der ANT als Übersetzungsprozess beschrieben, woher sie auch ihren ursprünglichen Namen hatte: Soziologie der Übersetzung“. Wieser: Das Netzwerk von Bruno Latour, S. 36. Die vorliegende Arbeit behält diese ursprüngliche Auslegung von Transkription als eine Form der Übersetzung bei. 44 | Vgl. Mareis, Claudia: Entwerfen – Wissen – Produzieren. Designforschung im Anwendungskontext. In: Mareis, Claudia; Joost, Gesche; Kimpel, Kora (Hg.): Entwerfen – Wissen – Produzieren. Designforschung im Anwendungskontext. Bielefeld: transcript 2010, S. 9-32, S. 9. 45 | Latour: Drawing things together, S. 266. 46 | Brödner, E.: Der Hauswirtschaftsraum. In: Haus und Heim (1963), 12. Jg., H. 1, S. 4-16, S. 6. 47 | Ebd., S. 5.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

Abb. 2: Bauzeichnung für ein Einfamilienhaus

Abb. 3: Bauzeichnung für Waschküchenanlagen

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

Die Visualisierungstechnik der Grundrisse ist für den Gegenstand der vorliegenden Arbeit noch in anderer Hinsicht aufschlussreich. Sie dienen in der Regel dazu, über einzelne Ausschnitte spezifische Raumprobleme offenzulegen. Insofern sind Grundrisse weniger dahingehend interessant, ob sie denn tatsächlich so umgesetzt wurden, sondern – viel wichtiger – weil sie ein allgemeines Problem thematisieren, von dem weite Teile der bundesdeutschen Bevölkerung betroffen sind. Ein Grundriss-Genre, das gegen Ende der 1950er-Jahre aufkommt, fragt nach der geeigneten Platzierung von Medien im Wohnraum. Hi-Fi-Stereogeräte, die etwa zeitgleich mit Fernsehmöbeln in die Einrichtungszeitschriften einziehen, werden in den Grundrissen oft als Konkurrenz im Hinblick auf mögliche Stellplätze verhandelt. Schließlich erfordert die Stereophonie, dass nun zwei Lautsprecher in einer bestimmten Entfernung zueinander aufgestellt werden. In diesen schematischen Entwurfszeichnungen vollzieht sich ein Wechsel im Zeichenregister, wie er auch für die Bauzeichnungen charakteristisch ist. Die gezeichneten Dispositive eines optimalen Sounderlebnisses bieten zusätzlich zu den fotografischen Abbildungen eine Visualisierungshilfe. Die auf der fotografischen Abbildung zu sehenden Materialitäten bzw. Einrichtungsgegenstände (Abb. 4) übersetzt der Grundriss als zeichnerischer Entwurf ins Abstrakte (Abb. 5).48 Die Übersetzungslinie sieht wie folgt aus: Die sinnlichen Materialitäten (3D) eines (Muster-)Wohnzimmers werden in bunte oder schwarz-weiß gehaltene Fotografien übersetzt (2D). In einem weiteren Übersetzungsprozess wird diese reduzierte Realität in Linien transformiert. Sybille Krämer beschreibt eine solche artifizielle Zweidimensionalität „[als] […] eine Kulturleistung ersten Ranges“49 bzw. als elementare Kulturtechnik50 der Verflachung.

48 | Jaspert, W. P.: Hi-Fi im Wohnraum. In: Die Kunst und das schöne Heim (1959), 57. Jg., S. 400. 49 | Krämer, Sybille: Punkt, Strich, Fläche. Von der Schriftbildlichkeit zur Diagrammatik. In: Cancik-Kirschbaum, Eva; Krämer, Sybille; Totzke, Rainer (Hg.): Schriftbildlichkeit. Wahrnehmbarkeit, Materialität und Operativität von Notationen. Berlin: Akademie Verlag 2012, S. 79-101, S. 80. 50 | Bei Kulturtechniken handelt es sich um einen schillernden Begriff, der es in der medienwissenschaftlichen Forschung in jüngster Zeit zu einiger Prominenz gebracht hat. „Das Konzept ist nicht auf die sogenannten elementaren Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen) beschränkt, sondern beinhaltet auch Techniken des Körpers, Repräsentationsverfahren und andere Techniken der Hervorbringung.“ Maye, Harun: Kulturtechnik. In: Bartz, Christina; Jäger, Ludwig; Krause, Marcus; Linz, Erika (Hg.): Handbuch der Mediologie. Signaturen des Medialen. München [u.a.]: Fink 2012, S. 142-148, S. 142. So machen über den Zeichengebrauch hinaus Körpertechniken einen wesentlichen Teil dieses Konzepts aus, was die Perspektive hin zu Ritualen und Habitualisierungen erweitert. Siehe etwa Schüttpelz, Erhard: Körpertechniken. In: Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung (1/2010), H. 1, S. 101-120; Mauss, Marcel: Die Techniken des Körpers [1935]. In: ders: Soziologie und Anthropologie Bd. 2. München: Hanser 1975, S. 197-220.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

Abb. 4: Fotografische Abbildung einer Hi-Fi-Ecke im Wohnraum (1959)

Abb. 5: Entwurfszeichnung/Grundriss einer Hi-Fi-Ecke im Wohnraum (1959)

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

Die über verschiedene Aggregatzustände visuell verhandelte Problemstellung steht nie allein. Auch im oben aufgeführten Fallbeispiel wird sie in einem nebenstehenden Begleittext expliziert: „Hi-Fi erfordert keineswegs nur das Aufstellen einfacher Radios, Plattenspieler oder Tonbandgeräte, sondern verlangt komplizierte Geräte, Ultrakurzwellenempfänger, Präzisionsmotoren für Platten- und Tonbandspieler und mehrere Lautsprecher.“51

Dieser problematisierten Dingkonstellation wird eine überraschend simple Lösung im zeichnerischen Entwurf gegenübergestellt. Was in der fotografischen Abbildung noch einigermaßen unübersichtlich erscheint, wird im Entwurf eindeutig. In einer Draufsicht lassen sich die einzelnen Akteure klar identifizieren: Das Gerät steht seitlich an der Wand, zwei zusätzliche Lautsprecher in den Zimmerecken. Ein Fernsehgerät ist nicht zu sehen, stattdessen ist die große Couch direkt auf einen elektrischen Raumofen ausgerichtet. Das Hi-Fi-Ensemble ist eingehegt durch einen Teppich. Die geleistete Übersetzungsarbeit erweist sich – allem Aufwand, der hierfür betrieben werden muss zum Trotz – als Form der Komplexitätsreduktion. Der beschriebene Übersetzungsprozess (in dem die Referenzebenen gewechselt werden von den Materialitäten einer Mustereinrichtung → zu einer fotografischen Abbildung → zu einer Entwurfsskizze) zeichnet sich dadurch aus, dass damit eine Vielzahl von räumlich-dinglichen Anforderungen in ein handhabbareres Wissen transformiert werden. Als unveränderliches mobiles Element kann der Grundriss im Interesse verschiedener Akteure verwendet werden. Beide Register, sowohl das fotografische als auch das gezeichnete, antworten auf ein Inneneinrichtungsproblem. In einer weiteren Übersetzungskette geht es schließlich darum, von den 2D-Einrichtungsdirektiven auf die sinnliche Welt der Dinge in reale bundesdeutsche Wohnzimmer zurückzuwirken. In diesem Sinne geht mit den Karten eine spezifische Intentionalität einher, wie sie bereits im Linien-Ziehen als elementarer Kulturtechnik mitschwingt.52 Die Handlungsmacht der Grundrisse besteht schließlich darin, dass sie die ideale Dingkonstellation für das Wohnen mit Medien, wie sie seitens der Industrie und der Agenturen der Wohnberatung angenommen wird, übersetzen. Die ideale Rezeptionssituation, wie wir sie auf der Zeichnung sehen, muss erst mühselig hergestellt – oder, um es in der Terminologie der ANT zu sagen – übersetzt werden. Die Agenturen der Beratung, die diesen Prozess delegieren und die ab51 | Jaspert: Hi-Fi im Wohnraum, S. 400. 52 | Vgl. Krämer, Punkt, Strich, Fläche, S. 91. So beruht etwa die Domestizierung von Tieren auf eben dieser Kulturtechnik, schließlich werden die Lebensräume von Mensch und Tier erst durch das Gatter getrennt und jeder Einheit so ein je spezifischer Raum zugewiesen. Vgl. Siegert, Bernhard: Türen. Zur Materialität des Symbolischen. In: Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung (2010), H. 1, Schwerpunkt: Kulturtechnik, S. 151-170, S. 152f.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

gebildete Harmonie der Dinge herzustellen vermögen, werden im Begleittext aufgeführt: „Wenn man nicht selber ein Hi-Fi-Kenner ist, fragt man am besten einen Experten um Rat und Beistand. Diese sind aber leider oft nicht gerade gute Wohnraumgestalter. Beim Entwurf für diese Geräte selbst müssen sich Möbelgestalter und Fachmann zusammensetzen, um gemeinsam auszuklügeln, wie man beste Tonwiedergabe mit bester Form vereinigt.“53

Diese Art der Delegation kennzeichnet Übersetzungsarbeit als Vermittlungsleistung. In der Kommunikation zwischen Hi-Fi-Experten, Möbelgestaltern, Einrichtungszeitschriften und Nutzern werden nicht nur Materialitäten hinund hergeschoben, sondern auch Wertvorstellungen und -zuschreibungen. Gert Hasenhütel versteht Entwürfe als Indikatoren soziokulturellen Wissens: „Entwurfszeichnungen inkorporieren eine von allgemeiner Kultur und architektonischer Subkultur geprägte Ordnung. Diese Ordnung bestimmt, was als Wissen gilt, wer Entwurfszeichnungen anfertigt und welche Themen behandelt werden.“54

In diesem Zitat zeigt sich, dass Entwürfe nicht lediglich einer top down-Perspektive bzw. Expertenwissen und -interessen entsprechen. Vielmehr materialisieren sich in ihnen soziokulturelle Wissensbestände. Die oben aufgeführte Übersetzungsarbeit verweist darauf, dass Medien in Einrichtungszeitschriften als Störung häuslicher Inneneinrichtung wahrgenommen werden, was den Intentionen der Industrie entgegenläuft. Die Grundrisse zeugen davon, dass die Allianzen und Verbindungen, die das Wohnzimmer-Netzwerk ausmachen, seit jeher prekär und instabil sind. Wie im Weiteren zu zeigen sein wird, nimmt der Grad der Störung, der mit der Implementierung des Fernsehgeräts in den Wohnraum einhergeht, weitaus größere Ausmaße an, als es noch beim Hi-Fi-Stereogerät der Fall ist. Wenn die räumliche Dimension von Netzwerken und Verbindungen zwischen Akteuren eine Rolle spielen, ist damit ein Wechsel zur zweiten Facette von Übersetzung vollzogen, die auf (2) Gruppenbildungsprozesse abhebt. Um diese räumliche Dimension von Netzwerken am Gegenstand der vorliegenden Arbeit weiter auszuführen, entfernen sich die weiteren Ausführungen vom oben angesprochenen Beispiel der Kammmuscheln. Stattdessen schließen sie an eine andere Begriffsauslegung an, nämlich der der Operationsketten. Dieser Begriff wird im Folgenden anhand eines Beispiels produktiv gemacht, an dem sich zeigt, warum er so geeignet ist, um häuslichen Wandel zu beschreiben. 53 | Jaspert: Hi-Fi im Wohnraum, S. 400. 54 | Hasenhütl, Gert: Zeichnerisches Wissen. In: Gethmann, Daniel; Hauser, Susanne (Hg.): Kulturtechnik Entwerfen. Praktiken, Konzepte und Medien in Architektur und Design Science. Bielefeld: transcript 2009, S. 341-358, S. 345.

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

Übersetzung als Operationsketten Zwar spricht Latour in der Regel von (medialen) Übersetzungsketten, im Weiteren wird jedoch an einen medienwissenschaftlichen Theorieimport angeschlossen und stattdessen der Begriff der Operationsketten verwendet. Der Begriff, der auf André Leroi-Gourhans Technikanthropologie zurückzuführen ist,55 wird insbesondere im Umfeld medienwissenschaftlicher Diskussionen der Akteur-Netzwerk-Theorie und der Kulturtechniken stark gemacht.56 Unter dieser Perspektive stehen Operationsketten in direktem Zusammenhang mit dem Konzept der Übersetzungsketten in der ANT dahingehend, dass sie die Praktiken betonen, aus denen Handlungsnetze emergieren. Die Verkettungen, die den Operationsketten zugrunde liegen, werden von verschiedenen Agenten ausgeführt, die zu unterschiedlichen Maßen daran beteiligt sind: „Die Handlungsmacht der menschlichen und nicht-menschlichen Wesen bleibt in diesen Abläufen heterogen, d.h., sie initiieren unterschiedliche Teile (oder Segmente) der Verkettungen, aber niemals den gesamten Ablauf einer Verkettung.“57

Die Kulturtechnikforschung schüttpelzscher Prägung hat daraus die Priorität der Operationsketten vor ihren einzelnen Elementen abgeleitet.58 Die medienwissenschaftliche Pointe hinter diesem Begriff ist denn auch, dass er technikdeterministische Einzelmedienstudien zu umgehen verspricht, indem er Handlungsverkettungen vor einzelnen Handlungssegmenten (wie etwa technischen Medien) priorisiert, um so Medien von ihren operativen Gebrauchsweisen her zu denken.59 Schüttpelz beschreibt ein solches „Denken in Operationsketten“ als die größte Herausforderung nicht nur für die Akteur-Netzwerk-Theorie selbst, sondern auch für die Forschung zu Kulturtechniken.60 Aller Kompliziertheit zum Trotz lohnt es sich, den Verkettungen zwischen der Welt der Dinge, Zeichen und Subjekte nachzugehen, und sie so gut es eben geht in einzelne Schritte, die ihnen zugrunde liegen, zu zerlegen. 55 | Leroi-Gourhan, André: Hand und Wort: Die Evolution von Technik, Sprache und Kunst [1964]. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1988. 56 | Vgl. Heilmann, Till: Zur Vorgängigkeit der Operationskette in der Medienwissenschaft und bei Leroi-Gourhan. In: Internationales Jahrbuch für Medienphilosophie (2016), 2. Jg., H. 1, S. 7-29, S. 7. 57 | Schüttpelz, Erhard: Der Punkt des Archimedes. Eine Schwierigkeit des Denkens in Operationsketten. In: Kneer, Georg; Schroer, Markus; Schüttpelz, Erhard (Hg.): Bruno Latours Kollektive. Kontroversen zur Entgrenzung des Sozialen. Frankfurt a.M: Suhrkamp 2008, S. 234-258, S. 243. 58 | Vgl. Schüttpelz, Erhard: Die medienanthropologische Kehre der Kulturtechniken. In: Archiv für Mediengeschichte (2006), H. 6, Themenschwerpunkt „Kulturgeschichte als Mediengeschichte (oder vice versa?)“, S. 87-110, S. 91. 59 | Vgl. Heilmann: Zur Vorgängigkeit der Operationskette, S. 8. 60 | Vgl. Schüttpelz: Der Punkt des Archimedes, S. 241.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

Aufgrund der komplizierten Sachlage wird die Produktivität der Operationsketten im Hinblick auf fernsehmöbel-basierte Praktiken an zwei Beispielen kurz vor Augen geführt. Zum einen ließe sich mit dem Begriff der Operationsketten danach fragen, in welchem Verhältnis die Akteure häuslicher Netzwerke zueinander stehen. Das Medium Fernsehen findet seinen Weg als Möbel ins Haus unter dem Vorzeichen der Konkurrenz mit anderen Medien (siehe Teil I, Kapitel 1.1). Wie es sich im oben beispielhaft aufgeführten Quellenmaterial bereits abzeichnet, spitzt sich dieser Aspekt zu, sobald Radio-, Hi-Fi- und Fernsehapparate sowie weitere Möbel und Haushaltsgegenstände im Wohnraum in den 1950er-Jahren dann tatsächlich aufeinander treffen. Platz- und Geldmangel in der Nachkriegszeit verschärfen die Konkurrenz um die Gunst und Zeit der Nutzer im häuslichen Raum. Hier ließe sich danach fragen, welche Rolle die Gestaltung des Fernsehapparats als Möbel dafür spielt, dass er sich als wirkmächtiger Akteur gegenüber anderen durchsetzen kann oder eben nicht. Mit welchen gestalterischen Mitteln gelingt es ihm, andere Akteure im Wohnraum für sich zu interessieren und Allianzen mit ihnen zu bilden? Über solche Aspekte des Designs hinaus lässt sich das Primat der Operationsketten jedoch am besten an häuslichen Praktiken und Routinen darlegen, die zeitgleich mit dem Fernsehmöbel aufkommen. Auch wenn Einrichtungszeitschriften anvisieren, einzelne Bereiche des Wohnraums, wie die Ess- und die Fernsehecke, bspw. durch Teppiche strikt voneinander zu trennen, etabliert sich die Praxis des Essens vor dem Fernseher. Hier zeigt sich bereits, dass trotz gegenteiliger Bemühungen einzelner Akteure – wie etwa der Wohnberatung – neue Akteure im häuslichen Netzwerk relevant werden, mit denen sich neue räumlich-dingliche Verbindungen und Praktiken etablieren. Ein weiteres Beispiel für Operationsketten, die mit dem Fernseher als neuem Akteur im häuslichen Netzwerk einhergehen, stellt die Allianz zwischen den Akteuren Kühlschrank und Fernseher dar. Diese Verbindung, die der Tendenz zur Verhäuslichung in den 1950er-Jahren vorausgeht, hält für Frauen eine neue Verflechtung und gleichsam eine neue Rollenzuweisung im Hinblick auf das Medium Fernsehen bereit: Laut empirischen Studien der Fernseh-Zuschauerforschung pendeln sie zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her, um Schnittchen für das abendliche Fernsehprogramm zu servieren.61 „Ohne Kühlschrank gäbe es keine TV-Dinner“62 schreibt Hartley im Hinblick auf die USA über die Allianz zwischen beiden Akteuren (siehe Teil I, Kapitel 1.2). Als Zwischending, das diese Allianz zwischen Kühlschrank und TV-Apparat stärkt, erweist sich der Servierwagen, der Ende der 1950er-Jahre in Mode kommt (Abb. 6).63 61 | Vgl. Wildt, Michael: Privater Konsum in Westdeutschland in den 50er Jahren. In: Schildt, Axel; Sywottek, Arnold (Hg): Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre. Bonn: Dietz 1998, S. 275-289, S. 287. 62 | Hartley, John: Die Behausung des Fernsehens. S. 267. 63 | Werbeanzeige für den rollenden Klapptisch „Dinett“. In: HörZu, H. 49 (1960), S. 52.

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

Abb. 6: Werbeanzeige für einen mobilen Servierwagen (1960)

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

Als mobiles Möbel stellt der Servierwagen einen Akteur dar, der flexibel genug ist, um zwischen zwei standhaften Objekten wie dem TV-Apparat und dem Kühlschrank zu vermitteln. Die Hausfrau wird nun für diesen Akteur interessiert, um dem gesteigerten häuslichen Serviceaufwand nachzukommen und das Pendeln auf ein Minimum zu reduzieren, indem sie mehrere Utensilien gleichzeitig transportiert. Aber diese Allianzen geben noch mehr her: In diesem Beispiel wird die heimische Mediennutzung in Korrespondenz zur Wohnungseinrichtung als Komponente in der Herausbildung geschlechtsspezifischer Gewohnheiten beschreibbar. Dementsprechend mahnen Karl Tetzner und Gerhard Eckert 1954: „Der Fernsehempfänger darf der Hausfrau nicht gerade im Weg stehen, wenn sie das Essen aus der Küche hereinbringt.“64 Die beiden Fernsehkritiker sprechen in ihrem Ratgeber Fernsehen ohne Geheimnisse durchgehend ein männliches Publikum an. Durch das sich neu ergebende Netzwerk werden Männer in die Rolle der Gerätebesitzer übersetzt. In Entsprechung dazu geht der Profilia-Feierabend-Fernsehsessel denn auch eine Allianz mit dem (genormten) männlichen Apparatebesitzer ein (Abb. 7).

Abb. 7: Werbeanzeige für einen Fernseh-/Feierabendsessel des Möbelherstellers Profilia (1960)

64 | Tetzner, Karl; Eckert, Gerhard: Fernsehen ohne Geheimnisse. München: Franzis-Verlag 1954, S. 15.

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

Diese aus Operationsketten emergierenden Netzwerke erscheinen immer auch als Netzwerke des Gebrauchs im Hinblick auf Zeichen, Dinge und Personen. Darin liegt schließlich auch ihre Nähe zum hier aufgerufenen Konzept des Mediengebrauchs. Und auch Medien konstituieren diese Netze nicht etwa, sondern werden erst in Operations-/Handlungsketten hervorgebracht, die der agency der beteiligten Akteure vorausgehen.65

2.3 Blackbox(ing)/Störung Blackbox(ing) Netzwerke, ganz gleich ob es sich dabei um historische oder gegenwärtige Settings handelt, stellen im Sinne der ANT erst einmal Black Boxes dar. Dies bedeutet schlicht, dass sie in den Hintergrund getreten sind. Dieser Zustand, in dem etwas aus dem Fokus der Wahrnehmung gerät, wird in der ANT im Wesentlichen in zwei Konzepten gedacht, zum einen (1) als – mehr oder weniger dingliche – Black Box, zum anderen (2) als Prozess des Blackboxings.66 Im Weiteren werden diese methodisch-theoretischen Prämissen des Begriffs kurz ausgeführt. Anschließend wird anhand kurzer Beispiele dargelegt, dass sich Fernsehmöbel in den 1950er-/60er-Jahren in doppelter Hinsicht als Black Boxes erweisen, nämlich zum einen als technische und gestaltete Artefakte und zum anderen im Hinblick auf die Praktiken des Einrichtens. In der ersten Facette scheint der Begriff der Black Box erst einmal auf Hardware und Technik abzuheben. Latour macht die Bedeutung von Black Boxes am Beispiel des Overhead-Projektors klar, der in einer Vortragssituation plötzlich ausfällt. Erst dadurch, dass er nicht länger reibungslos funktioniert, werde den Akteuren, die ihn gebrauchen, seine Existenz wieder bewusst.67 Es erfordert eine ganze Reihe von kommunikativen Delegationen, um das Ding wieder zum Laufen zu bringen. Die herbeigerufenen Techniker schrauben das Gerät auseinander. Anstatt dass sie unter dem Gehäuse aber Antworten auf das technische Problem finden, tun sich nur weitere Fragen auf: „Jedes der Teile in der Black Box ist selbst wieder eine Black Box voller Einzelteile. Ginge eines davon kaputt, wie viele Leute würden sich wohl darum scharen müssen?“68 65 | Vgl. Schüttpelz: Elemente einer Akteur-Medien-Theorie. 66 | So beschrieben von Hartmut Winkler in seinem Vortrag „Black Box und Blackboxing – Zur Einführung“. Unveröffentlichtes Manuskript, Vortrag im Graduiertenkolleg Automatismen, Universität Paderborn, 14.10.14. http://homepages.uni-paderborn.de/winkler/gk-black. pdf, abgerufen am 19.02.2016. 67 | Vgl. Latour: Die Hoffnung der Pandora, S. 222. 68 | Ebd., S. 224.

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Netzwerke operieren unter der Prämisse der eigenen Stabilisierung: Alle Akteure verfolgen das Ziel, ihre Rolle im Netzwerk zu festigen. „Eine Black Box enthält, was nicht länger beobachtet werden muss – jene Dinge, deren Inhalt zum Gegenstand der Indifferenz geworden sind.“69 Insofern stellt eine Black Box eine funktionierende Einheit dar, für die das Moment der Einkapselung kennzeichnend ist. Das Gehäuse medientechnischer Artefakte ließe sich als Ort beschreiben, an dem etwas der Einsicht entzogen wird, wie etwa Funktionsweisen eines technischen Gerätes (siehe auch die Herleitungen zu den Begriffen „Gehäuse“ und „Interface“ im vorherigen Kapitel 1.2). Und das meint eben nicht nur Objekte bzw. technische Komplexität, sondern ebenso „Denkweisen [und] Angewohnheiten“.70 Die ANT wäre schließlich kein praxeologischer Ansatz, wenn sie bei der Hardware stehen bleiben würde. Gleichzeitig fasst die Metapher der Black Box auch eine Paradoxie von Netzwerken: Trotz der Bestrebungen nach Dauerhaftigkeit unterliegen sie einem ständigen Wandel. In diesem Sinne hebt der Begriff des Blackboxings in einer zweiten Facette auf Praktiken und Kulturtechniken ab. Ganz wie Schüttpelz es für die Kulturtechnikforschung attestiert, die einen ihrer zentralen Theorieimporte bei der ANT bezieht, liegt die Aufmerksamkeit der Forschung nicht länger auf den Substantiven, sondern auf den Verben, also auf Tätigkeiten und Praktiken.71 Nina Degele beschreibt in ihrer Einführung in die Techniksoziologie Blackboxing wie folgt: „Blackboxing ist [...] der Prozess der Schließung und Stabilisierung, bei dem andere Akteure in der Weise enrolled oder in das Netzwerk eingebunden werden, dass sie an die Sinnhaftigkeit der Technik glauben, sie verwenden oder auch verbreiten.“72

Sobald Praktiken „funktionieren“, werden sie unsichtbar – zumindest der große Aufwand, der hinter ihnen steht. Blackboxing ist also ein Ausdruck ihres Erfolgs. Latour bezeichnet im Glossar zu Die Hoffnung der Pandora im Eintrag „Blackboxen/blackboxing“ das Phänomen als durchaus paradox: je erfolgreicher und reibungsloser ein Artefakt bzw. ein Netzwerk funktioniert, desto undurchsichtiger und dunkler wird es.73

69 | Callon, Latour: Die Demontage des großen Leviathans, S. 83. 70 | Ebd. (Erg. M.M.) 71 | Vgl. Schüttpelz: Die medienanthropologische Kehre der Kulturtechniken, S. 87. 72 | Degele, Nina: Einführung in die Techniksoziologie. München: Fink 2002, S. 133f. (Hervorh. im Orig.) In diesem Sinne ist Blackboxing dem dritten Schritt im Übersetzungsprozess, dem Enrolment zuzuordnen (siehe Fußnote 42): In dem Moment, wo Dinge mit Identitäten versehen werden, findet eine Form der Einkapselung statt. 73 | Vgl. Latour: Die Hoffnung der Pandora, S. 373. Der Aspekt der Opazität der Netzwerke betrifft erst einmal weniger den Alltag selbst, sondern vielmehr die wissenschaftliche Forschung, die an seiner Beschreibung interessiert ist.

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

Im Hinblick auf den häuslichen Raum und die Rolle, die dem Fernsehmöbel darin zukommt, lassen sich beide Facetten des Begriffs als Hardware/Praktiken und deren jeweilige Relevanz plausibel machen. Viel interessanter als die Frage, ob die Praktiken den Dingen vorausgehen oder vice versa, erscheint es, der Wechselseitigkeit und Kompliziertheit ihrer gegenseitigen Bezugnahme nachzugehen. Diesem doppelten Zusammenhang zufolge stehen hinter einem technischen Artefakt (wie etwa dem Overhead-Projektor) immer auch Praktiken (wie etwa Montagehallen in der Fabrik und Routinehandlungen).74 Latour macht auf eben diese zeitliche und räumliche Dimension von Black Boxes aufmerksam, wenn er schreibt: „Wie weit zurück in der Zeit, wie weit entfernt in den Raum müssen wir unsere Schritte lenken, um all diese stummen Entitäten zu verfolgen.“75 Geht man nun in die 1950er-/60er-Jahre zurück, so lässt sich am Gegenstand des Fernsehmöbels gut darlegen, wie die Konzepte der Black Box (Hardware) und des Blackboxings (Praktiken) miteinander zusammenhängen bzw. ineinander übergehen. Der Fernsehapparat wird im Laufe seiner Verhäuslichung immer mehr zur Black Box. Werden viele Phono- und Fernsehtruhen zu Beginn noch mit einer Rückwand aus leichtem Holz oder Pappe verschlossen, die das Öffnen des Gehäuses sogar ohne Schraubenzieher ermöglicht, so werden die Gehäuse mit der Zeit immer weiter geschlossen, bis sie sich einer Bastlerlogik ganz zu entziehen scheinen. Wie im Falle des Overhead-Projektors müssen im Fall der Störung Experten konsultiert werden. Dieser Aspekt materialisiert sich eindringlich in Fernsehgeräten mit sogenannter ‚Service-Stellung‘: „ausschwenkbare Einplatinen-Chassis vereinfachen die Servicearbeiten“76 – aber nur für Experten (Abb. 8). Im Hinblick auf das für den Fernsehapparat kennzeichnende Mensch-Technik-Verhältnis ist denn auch eine zunehmende Schließungslogik im Sinne eines Blackboxings von Technik zu beobachten. Ein Stellplatz des Fernsehapparats an der Wand zeugt neben Platzmangel auch immer davon, dass am Gerät selbst nicht länger häufig geschraubt und gebastelt wird, das technische Innenleben seinen Besitzern also – zumindest theoretisch – nicht schnell zur Hand zu sein braucht. Das Netzwerk wird absichtlich so gestaltet, dass es zunehmend schwerer wird, Änderungen daran vorzunehmen. Im oberen Beispiel zeigt sich, dass sich die Konzepte Black Box und Blackboxing angewandt auf den Gegenstand Fernsehmöbel in Verbindung bringen lassen mit dem weiteren Mobiliar des häuslichen Raums bzw. den Praktiken des Einrichtens. So hat sich Ende der 1960er-Jahre mit der Fernsehecke eine wirk74 | Unter einer ANT-Perspektive sind Praktiken nicht nur notwendig, damit Dinge entstehen. Wie sich im folgenden Unterpunkt zu „Störung“ zeigt, verflüssigen sich Dinge in dem Moment zu Praktiken, in dem sie nicht länger funktionieren. 75 | Latour: Die Hoffnung der Pandora, S. 224. (Hervorh. im Orig.) 76 | Riedel: 70 Jahre Funkausstellung, S. 172.

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mächtige Allianz von Akteuren im Wohnzimmer etabliert, die als gut funktionierende Einheit im Sinne einer Black Box in Erscheinung tritt. Die Dingkonstellation Fernsehecke stellt gleichsam das Ergebnis einer bestimmten Praxis des Einrichtens dar. Erst über eben diese Einrichtungskonvention im Wohnzimmer, die sich in der Nachkriegszeit etabliert, wird auch das Medium Fernsehen in die Alltagsroutinen integriert. „Sich einrichten“ kann auf dieser Ebene der Analyse ganz im Sinne des Alltagssprachgebrauchs verstanden werden, nämlich als seine Wohnung mit Möbeln und Geräten ausstatten und gestalten.77 Diese Praktiken stellen auf den ersten Blick einen weitestgehend bewussten und intentionalen Vorgang dar, mit dem Planung und Organisation einhergehen.

Abb. 8: Fernsehgerät mit „Service“-Gehäuse

Gleichzeig inkludiert die dingbasierte Praxis des Einrichtens, die der Fernsehecke vorausgeht, Aspekte der Einschließung, Stabilisierung und Unsichtbarmachung. Blackboxing hebt auf die zeitliche Dimension von Black Boxes ab und beschreibt die Prozesse, die dieser temporär stabilisierten Box vorausgehen. Mit diesem Begriff geht man von der Hardware auf die Praktiken über. Damit lässt sich schließlich einer zweiten Dimension von „sich einrichten“ nachgehen, nämlich im Sinne von „sich mit etwas arrangieren“. Im Weiteren wird es darum gehen, die unbewusste Dimension dieser Praktiken herauszustellen, also zu 77 | Siehe Lemma „Einrichten“. In: Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 [CD-ROM].

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

beschreiben, inwiefern sie im Alltag unsichtbar werden und welche gender- und schichtspezifischen Asymmetrien in der Fernsehecke als dingbasierter Einrichtungspraxis eingeschlossen werden. Das Wissen rund um Gender-Hierarchien im Wohnraum, das später geblackboxt in Erscheinung tritt, kann an den Netzwerk zugrunde liegenden Operationsketten festgemacht werden. Hier geht es um die Verunsichtbarung von gender- und class-Asymmetrien, die in den Vorstellungen vom „schönen Wohnen“ und „richtigen Leben“ eingekapselt werden. Wie das Ding Fernsehapparat ins Soziale rückt, zeigt sich nicht zuletzt an damaligen Diskursen über Stellplätze, Moden im Gerätedesign, die Auswahl weiterer Möbel und Accessoires, wie etwa Fernsehsessel, Lampen, Deckchen und Tapeten. Diese dingbasierten Praktiken des Einrichtens sind an Fragen nach Geschlecht und sozialer Schicht gekoppelt. Da im Weiteren mehr die Praktiken des Blackboxings als Black Boxes an sich von Interesse sind, scheint es sinnvoll, den Prozess der Schließung am Beispiel der Fernsehecke weiter auszuführen. Anhand des Akteurs Teppich lässt sich einprägsam darlegen, wie das Blackboxing der Fernsehecke vonstatten geht und wie sehr die Wirkmächtigkeit des Fernsehmöbels im häuslichen Raum von seinen Allianzen abhängt. Erst der Teppich begründet die Starrheit der Fernsehecke, macht aus ihr eine geschlossene Einheit. Teppich und TV-Möbel gehen eine Allianz ein. Laut der Einrichtungszeitschrift Haus und Heim „sind es die Teppiche, die dazu beitragen, das Fernsehen gemütlich zu machen und uns den akustischen Wohlklang ins Zimmer zu bringen. Ganz abgesehen davon, daß der Nachbar unter uns von unseren abendlichen Fernsehstunden nichts mehr hört.“78

Flankiert von Stehlampe und Bildern verstärkt sich das Bündnis zwischen TV-Möbel und Teppich. Das Fernsehmöbel hat es geschafft, alle weiteren Akteure im Wohnraum für sich zu interessieren, und wenigstens mittelfristig in sein Programm, d.h. seine Interessen einzubinden. Dass es auch andere Dingkonstellationen gibt, andere Lebensweisen wird mit diesem medienbasierten Einrichtungsszenario ausgeblendet. Das Moment der häuslichen Einkapselung geht so weit, dass der Wohnraum in einzelne Inseln, oder in Warnkes Worten „Monaden“ aufgeteilt wird (Abb. 9).79 Ess- und Fernsehbereich werden qua Teppich voneinander getrennt und werden als ‚symbolische Form‘, zur ‚Figur monadischer Eingeschlossenheit‘, in der sich das aufkommende gesellschaftliche Ideal des familiären Nukleus materialisiert (siehe das vorherige Kapitel 1.3). Mit der ANT lässt sich nun über Warnkes Diagnose hinaus beobachten, dass Akteure, etwa Teppiche, in einem bestimmten Setting – wie dem Wohnraum der Nachkriegszeit – relevant werden und welche Rollen sie darin (temporär) einnehmen, wie sie in diesem Fall für einen guten Klang des Fernsehgeräts sorgen sollen. 78 | Anonymus: Das Fernsehen wird gemütlich. In: Haus und Heim (1960), 9. Jg., H. 3, S. 2. 79 | Ebd.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

Ohne dass sich die Leser von Einrichtungszeitschiften in den 1950er-/60er-Jahren tatsächlich mit Akustik auskennen und wissen müssten, dass ein Flokati-Teppich den Schall schluckt, wird hier ein Einrichtungsszenario als Lösung für ein Einrichtungsproblem mit dem neuen Medium im Wohnraum vorgestellt und diese räumlich-dingliche Konstellation geblackboxt. Am Ende eines solchen Prozesses steht die Fernsehecke – von nun an richtet man sich „einfach so“ ein.

Abb. 9: Teppiche trennen Ess- und Fernsehecke voneinander ab (1960)

Der Aspekt des „reibungslosen Funktionierens“ ist für die Sphäre des Häuslichen besonders interessant. So ließen sich die Routinehandlungen des Alltags als Resultat eines Blackboxing-Vorgangs begreifen. Mit dem Aspekt der Unsichtbarwerdung, der diesem Vorgang innewohnt, geht die Frage einher, was genau eigentlich darin eingeschlossen wird. Dass das Moment des Unsichtbarmachens seit jeher kennzeichnend ist für das Verhältnis von Gender und Medien,80 macht Blackboxing umso interessanter für die dingbasierte Analyse sozialer Machtunterschiede. 80 | Vgl. Seier, Andrea; Peters, Kathrin: Gender und Medien. In: Schröter, Jens (Hg.): Handbuch Medienwissenschaft. Stuttgart [u.a.]: Metzler 2014, S. 528-536, S. 528. Für weitere Ausführungen zum (unbestimmten) Verhältnis von Gender und Medien siehe auch Seier, Andrea; Warth, Eva: Perspektivverschiebungen: Zur Geschlechterdifferenz in Film und Medienwissenschaft. In: Bußmann, Hadumod; Hof, Renate (Hg.): Genus. Geschlechterforschung/Gender Studies in den Kultur- und Sozialwissenschaften. Ein Handbuch. Stuttgart: Alfred Kröner 2005, S. 80-111, S. 94f.

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

Störung Latour beschreibt in seinem Overhead-Projektor-Beispiel, wie schwierig es ist, die agency zu bestimmen, die technischen Artefakten in bestimmten Operationsketten zukommt: „Warum ist es [...] so schwierig, die vermittelnde Rolle von Technik halbwegs genau einzuschätzen? Weil der Vorgang, den wir untersuchen wollen, dem Verfahren des ‚Blackboxing‘ unterzogen wird. Dadurch wird die gemeinsame Produktion von Akteur und Artefakt ins Dunkel gehüllt.“81

Wie bringt man nun Licht in solche „ins Dunkel gehüllten“ Netzwerke oder schlichter formuliert: Wie lassen sich Black Boxes öffnen und die ihnen zugrundliegenden Praktiken bzw. Prozesse des Blackboxings beschreibbar machen? Wie lässt sich also die Handlungsmacht von Akteuren in Netzwerken analysieren? Unter welchen Bedingungen werden die einzelnen Operationen sichtbar, aus denen sich die Übersetzungsketten zusammensetzen, die einem Netzwerk zugrunde liegen? In Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft nennt Latour vier Situationen, in denen die Handlungsmacht von Objekten sichtbar wird. Zum einen (1) lasse sich ihre agency ermitteln, indem man Innovationen studiere. Diese Innovationen betreffen nicht nur Entwicklungsabteilungen und Labors, wie sie für die ANT als Laborstudien ganz grundsätzlich von Interesse sind. Latour spricht auch von Innovationen im Alltag, wie etwa in den Wohnungen der Nutzer.82 Eine andere Situation (2) stelle sich über die (zeitliche/räumliche) Distanz des Analytikers/der Analytikerin zum Untersuchungsgegenstand her. Einen ähnlichen sichtbarmachenden Effekt haben (3) „Unfälle, Defekte und Pannen“,83 dies macht Latours Overheadprojektor-Beispiel klar. Der Ausfall der Hardware bringt einen zusätzlichen Aufwand mit sich. Diese Praktiken machen wiederum deutlich, wie komplex die dem Ding zugrunde liegenden Operationen seit jeher verkettet sind. Und nicht zuletzt (4) mache die Archivarbeit der Historiker vergangene Handlungsmacht wieder sichtbar. Insbesondere der dritte Ausnahmezustand ließe sich auch unter dem Stichwort der „Störung“ subsumieren. So schreibt Christoph Neubert: „Der Störfall, der die Anzahl der Akteure und ihrer Verflechtungen scheinbar dramatisch ansteigen lässt, durchkreuzt lediglich die Summe der Invisibilisierungen, aus denen der ‚Normalfall‘ besteht. [...] [I]n der ANT repräsentiert also die Störung zugleich die Operationsform und die Reflexionsform des Medialen (des Technischen überhaupt). Die Botschaft der Stö81 | Latour: Die Hoffnung der Pandora, S. 222. 82 | Vgl. Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, S. 138. 83 | Ebd., S. 139.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk rung [in der ANT] richtet sich gegen die blinde Neigung, die Heuristik der Black Box mit der ‚Natur der Dinge‘ zu verwechseln.“84

In der ANT stellt die Störung also einen der Momente dar, in denen eine Blackbox geöffnet werden kann bzw. die Praktiken des Blackboxings sichtbar werden. Denn im Moment, in dem etwas nicht länger funktioniert, werden die Knotenpunkte im Netzwerk sichtbar und damit einzelne Akteure greifbar. Wie es sich in Neuberts Zitat bereits andeutet, weisen Latours Krisenzustände eine Nähe auf zur medien- und kulturwissenschaftlichen Forschung zum Topos der Störung. Diese hat gezeigt, dass die hier gemeinten Dysfunktionalitäten viele Nuancierungen haben, eben in Form des Ausfalls, des Unfalls, des Rauschens, der Unsicherheiten oder eben der Störung. Dabei wurde insbesondere das erkenntnisfördernde Potential der Störung hervorgehoben: Lars Koch und Christer Petersen beschreiben in ihrer Einleitung zum Themenschwerpunkt „Störfälle“ der ZfK – Zeitschrift für Kulturwissenschaften den Störfall als Wissensfigur. Demzufolge „ermöglichen Störfall-Diskurse einen reflexiven Blick auf kulturelle Verarbeitungsroutinen und gesellschaftliche Muster“.85 Diese Annahme liegt auch einigen medientheoretischen Ansätzen zugrunde,86 die die Störung als Reflexionsform des Medialen begreifen. In ihrem Text „Medientheorie der Störung/Störungstheorie der Medien. Eine Fibel“ beschreiben Albert Kümmel und Erhard Schüttpelz die Störung dementsprechend als integralen Bestandteil des Medialen.87 Das Verhältnis von Black Box/Blackboxing und Störung lässt sich – zur besseren Verständlichkeit – am Beispiel des Fernsehgeräts noch einmal deutlich machen, das sich ziemlich genau zu Latours Overhead-Beispiel parallel führen lässt. Ebenso wie der Overheadprojektor einen konstitutiven, aber stillen Akteur der Sphäre der Arbeit darstellt88 – zumindest bis zum Einbruch des Digitalen –, ist der Fernsehapparat als selbstverständlicher Akteur ganz in die Sphäre des häuslichen Netzwerks verstrickt. Nehmen wir nun auch hier an, es ereignet sich wie im Falle des Overhead-Projektors eine Panne und das Bild bleibt aus. Erst wenn der eigene Fernsehapparat 84 | Vgl. Neubert, Christoph: Störung. In: Bartz, Christina; Jäger, Ludwig; Krause, Marcus; Linz; Erika (Hg.): Handbuch der Mediologie. Signaturen des Medialen. München [u.a.]: Fink 2012, S. 272-288, S. 285. (Erg. M. M.) 85 | Koch, Lars; Petersen, Christer: Störfall – Fluchtlinien einer Wissensfigur. In: ZfK – Zeitschrift für Kulturwissenschaften (2011), H. 2, Themenschwerpunkt „Störfälle“, S. 7-11, S. 10. 86 | Das Theorem der Störung ist u.a. konstitutiv für die Kommunikationstheorie von Claude Elwood Shannon und Warren Weaver, für die Kybernetik nach Norbert Wiener und die Parasitologie von Michel Serres. Weitere Ausführungen zu medienwissenschaftlichen Perspektiven auf den Begriff der Störung siehe Neubert: Störung. 87 | Kümmel, Albert; Schüttpelz, Erhard: Medientheorie der Störung/Störungstheorie der Medien. Eine Fibel. In: dies. (Hg.): Signale der Störung. München [u.a.]: Fink 2003, S. 9-13. 88 | Latour: Die Hoffnung der Pandora, S. 222.

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

sich von jetzt auf gleich nicht mehr einschalten ließe, stünde man plötzlich vor Fragen, die im „Normalfall“, den Alltag und Routine darstellen, ausgeblendet wurden: Ist die Batterie in der Fernbedienung leer? Funktioniert die Fernbedienung nicht mehr? Oder ist ein Teil im Apparat durchgebrannt? Wenn ja, welches? Und: Wie funktioniert das Gerät überhaupt? Der Apparat wird an dieser Stelle nicht nur wörtlich genommen zur schwarzen Kiste, weil er kein Bild mehr überträgt, sondern auch in dem Sinne, dass ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, dass sich sein genaues Funktionieren den Benutzern größtenteils entzieht. Die wenigsten haben das Gehäuse schon einmal selbst aufgemacht und sich mit den dahinterliegenden Schaltkreisen beschäftigt. Schließlich stehen die geschlossenen Gehäuse des Fernsehapparats dieser Bastlerlogik sogar entgegen. Ist die Praxis des Fernsehens relativ niedrigschwellig, so ist die des Reparierens sehr voraussetzungsvoll und in der Regel Experten überlassen. Bei der weiteren Parallelführung zu Latours Overhead-Beispiel wird schnell klar, dass die ANT auch hier nicht bei der Hardware stehen bleibt. Die dingliche Dimension der Black Box führt unmittelbar zu den Praktiken: Das Ausmaß an Delegationen, die bei Ausfall der Hardware nötig werden, verdeutlicht, wie viel Aufwand im Normalfall seit jeher dahinter steht. In Latours Ausführungen zeigt sich dieser Übergang von der Hardware zu den Praktiken an den Technikern, die zu Hilfe gerufen werden, um das Gerät wieder funktionstüchtig zu machen und – für sie wiederum Routine – Birne und Linse auf ihre Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. So schreibt Latour: „Unsere Aufmerksamkeit ist damit nicht länger auf ein Objekt gerichtet, sondern um eine Gruppe von Leuten um ein Objekt herum. Zwischen Akteur und Vermittler hat eine Verschiebung stattgefunden.“89 Das Durcheinander an Fragen und Ratlosigkeit, das in solch einer „gestörten“ Situation entsteht, ist nicht etwa darauf zurückzuführen, dass die Komplexität dramatisch zugenommen hätte. Vielmehr wird man sich ihrer erst jetzt – im Krisenzustand – bewusst. Das Gerät ist in die Routinen des Alltags verwoben und seine Funktionstüchtigkeit wird mit jedem Einschalten erneut vorausgesetzt. Das selbstreflexive Moment der Störung liegt also, wie Neubert es in seinem Zitat verdeutlicht, darin, dass es das Verunsichtbarte wieder sichtbar macht. Im Gegensatz zum Overhead-Projektor und aktuellen Fernseh-Störungen fängt in den 1950er-Jahren schon die Inbesitznahme des Fernsehapparats als Krise an. In Fernsehen ohne Geheimnisse beschreiben Tetzner und Eckert in einem fiktiven Setting das „erste[...] Rendezvous“90 mit dem Fernseher und wie eine Familie „ihren“ Fernseher kennenlernt. Das kleine Büchlein versteht sich als Ratgeber, um Friktionen und Störungen im Gebrauch möglichst früh abzufangen und so Ängste und Befürchtungen vor dem neuen Medium entgegenzuwirken und es zu popularisieren. Am Anfang ist also die Störung.

89 | Ebd., S. 223. 90 | Tetzner, Eckert: Fernsehen ohne Geheimnisse, S. 7.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

Ganz grundlegend wird die Tätigkeit des Fernsehens in den 1950er-Jahren von einer defizitären Technik gestört. Neben dem Programm, das von häufigen Übertragungsstörungen (Testbild) und Sendepausen gekennzeichnet ist, weist das Bild eine niedrige Qualität auf, die seitens der Zuschauer zuweilen mit störendem Rauschen assoziiert wird. Beide Aspekte führen dazu, dass der Fernsehapparat auch als „Flimmerkasten“ bezeichnet wird.91 Dieser anfänglich permanente Krisenzustand des Fernsehapparats erfordert ebenfalls einige Delegationen, allen voran die Einschätzung und Kompetenzen von sogenannten Experten. So halten auch Tetzner und Eckert ihre Leser permanent dazu an, sich Hilfe bei Technikern zu suchen. Für einen besseren Empfang schließen diese zuweilen zusätzlich eine Antenne an das Gerät an.

Abb. 10: „Kleine Programmänderung“ der häuslichen Routinen infolge von Reparaturarbeiten (1963)

91 | Vgl. Schildt: Moderne Zeiten, S. 272.

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

Sobald der Techniker das Haus betritt, vollzieht sich ein Wechsel. Nun wird nicht länger das reibungslose Funktionieren des häuslichen Netzwerks der Fernsehrezeption gestört, das sich zu dieser Zeit zu stabilisieren versucht. Vielmehr stört nun das Medium Fernsehen, und alle Delegationen die nötig werden, um es zum Laufen zu bringen, die häuslichen Routinen. Diese Dimension der Störung wird initiiert vom Fernsehexperten und den Werkzeugen, die er mit ins Haus bringt. Ein vor dem Fenster angebrachtes Schleifendipol und entsprechende Verbindungskabel akzeptiert die Hausfrau nur unter der Bedingung, dass sie die häusliche Inneneinrichtung und Dekoration nur temporär stören.92 Ist das Gerät erst einmal empfangsbereit, nimmt der Grad der Störung jedoch nicht etwa plötzlich ab. Die Störung liegt hier allerdings im Gebrauch. Einen schlecht gewählten Stellplatz – etwa in der Mitte des Raums – beschreiben Tetzner und Eckert als störend für die Wege der Hausfrau und spielende Kinder.93 Langfristig gesehen stören zudem Nachbarn und Freunde, die (noch) keinen eigenen Empfänger besitzen und häufiger zu Besuch kommen, um fernzusehen.94 Und nicht zuletzt sind Reparaturarbeiten eine Herausforderung an die häusliche Umwelt und ihre Bewohner (Abb. 10). Unter dieser Perspektive stellt das TV-Gerät eine Störung im Hinblick auf häusliche Praktiken bzw. Routinen dar. Aus diesen Ausführungen, die so nah wie möglich an Latours ausgefallenem Overhead-Projektor geführt wurden, lassen sich zwei wesentliche Dimensionen der Störung in Bezug auf den Fernsehapparat in den 1950er-Jahren ableiten. Die Beispiele zeigen, dass zum einen die Konvergenz des häuslichen Netzwerks Fernsehen gestört wird und zum anderen – für die folgenden Analysen viel wegweisender – das Fernsehen die häuslichen Routinen stört. Beide Dimensionen zeichnen sich durch einen Wechsel zwischen Instabilität und kurzzeitigem Stabilisieren der Verbindungen der Akteure aus. Der Begriff der Störung in der ANT scheint für den Analyseteil der vorliegenden Arbeit also besonders dahingehend produktiv zu sein, um räumlichen und dingbasierten häuslichen Wandel zu beschreiben und dabei sensibel zu machen für die Irritationen und Friktionen, die diesem Prozess zugrunde liegen. Wenn das Fernsehen die häuslichen Routinen stört, so wird diese Störung häufig als geschlechtsspezifische Störung sichtbar. Hierbei stört das Fernsehen bereits etablierte Praktiken im häuslichen Raum. Als zentrale Akteure häuslicher Netzwerke werden Frauen als primäre Leidtragende dieser Form der Störung und als Gegnerinnen des Fernsehens inszeniert. Dieser Perspektive zufolge stört das Medium das Familienleben, wie bspw. der abendliche Fernsehkonsum das Abendessen am Esstisch zu unterbinden scheint.95 Unter dieser Perspektive werden Frauen im entstehenden Akteurs-Netzwerk in die Rolle der „geplagte[n] 92 | Vgl. Tetzner, Eckert: Fernsehen ohne Geheimnisse, S. 10. 93 | Vgl. ebd., S. 14. 94 | Vgl. ebd., S. 12. 95 | Vgl. ebd., S. 16.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

Frau“96, übersetzt, indem der Akteur Fernsehapparat sie von ihren häuslichen Pflichten als Hausfrau und Mutter abhält. Neben dieser räumlich-zeitlichen Komponente besitzt die Störung auch eine räumlich-dingliche bzw. ästhetische Dimension, etwa wenn sich Hausfrauen gegen die Okkupierung des Raums durch die Fernsehantenne wehren.97 Diese ästhetische Störung betrifft auch die mit dem Fernsehapparat einhergehende Dingkultur im Wohnraum, so stellt etwa der verchromte Ständer des Profilia-Feierabendsessels (siehe Abb. 7) einen Bruch mit einem gemütlichen Holzinterieur dar. Während der 1960er-Jahre wird der Fernsehapparat langsam zum Alltagsgegenstand und sein Gebrauch zum „Normalfall“. Noch in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren ist der Fernseher wenig in den Routinen des Alltags etabliert und keineswegs als Standard in der Wohnungsausstattung zu verstehen. Bevor der Fernseher also zum integrierten Alltagsgegenstand wird, stellt er eine Störung dar, und zwar im Sinne einer Herausforderung an den Wohnraum und seine Bewohner. Um zeigen zu können, dass etwas „gemacht“ ist, lohnt es sich zurück in diese Zeit zu gehen, in der sich Routinen im Mediengebrauch etabliert haben. Ein Moment, in dem die Konnektivität des häuslichen Netzwerkes und damit auch Machtunterschiede beschreibbar werden, findet sich in der vorläufigen Störung häuslicher Einrichtungskonventionen und Routinen durch den Einzug des Fernsehgeräts in die häusliche Sphäre. Als störendes Medium macht der Fernseher bestehende Assoziationen sichtbar, schafft aber auch neue. Die Materialanalyse in Teil III der vorliegenden Arbeit folgt der Prämisse, dass automatisierte Abläufe im Alltag zur Routinisierung und Habitualisierung von Geschlechterhierarchien führen und die Analyse von Machtunterschieden im häuslichen Raum erschweren. In der ANT werden soziale Ungleichheiten mit dem Begriff der (sozialen) Asymmetrien erfasst. Diese Unterscheidung verdeutlicht einmal mehr die methodisch-theoretische Prämisse der ANT, dass das Soziale sich nicht mit statischen Vorannahmen begreifen lasse, wie sie der Begriff der Ungleichheiten in der klassischen Soziologie und Sozialgeschichte seit jeher bezeichnet.98 Im Weiteren geht es nun darum, nach dem Potential der ANT im Hinblick auf die Analyse räumlich-dingbasierter Machtunterschiede in häuslichen Netzwerken zu fragen. Dabei wird hervorgehoben, soviel sei bereits als erstes Ergebnis festgehalten, dass die ANT im Hinblick auf Geschlechterstudien den Vorteil mit dich bringt, dass sie in ihren Analysen danach fragt, wie Machtund Geschlechterverhältnisse produziert werden und nicht von bestehenden Ungleichheiten ausgeht. 96 | Ebd., S. 56. 97 | Vgl. ebd., S. 10. 98 | Vgl. Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, S. 125. Weiterführend zum Begriff der (sozialen) Asymmetrien in der ANT siehe Derix, Simone; Gammerl, Benno; Reinecke, Christiane; Verheyen, Nina: Der Wert der Dinge. Zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Materialitäten. In: Zeithistorische Forschungen (2016), 13. Jg., H. 3, Themenschwerpunkt: „Der Wert der Dinge“, S. 387-403.

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

2.4 Von der Konnektivität zum Mediengebrauch: ANT und die Dynamisierung von Geschlechterdichotomien Unsichtbarkeit von Geschlechterrollen/gendered objects Mit den Begriffen des Blackboxings und der Störung scheint ein Problemfeld angesprochen zu sein, das auch die feministische Forschung zu materieller Kultur umtreibt. Wie die Designhistorikerinnen Pat Kirkham und Judy Attfield darlegen, sind die geschlechtsspezifischen Konnotation von Dingen in der Regel wenig sichtbar, da sie im alltäglichen Gebrauch habitualisiert werden: „Relationships between objects and gender are formed and take place in ways that are so accepted as ‚normal‘ as to become ‚invisible‘.“99 Die alltägliche Dingkultur erscheint unter dieser Perspektive als geblackboxed im Hinblick auf geschlechtsspezifische Nutzungsweisen. Als störendes Medium erweist sich das Fernsehmöbel als gendered object schlechthin: feminisiert durch Holzverkleidung und Dekor passt es sich als Möbel dem Milieu der Hausfrau an. Martina Heßler legt in ihrer Sozial- und Kulturgeschichte der Haushaltstechnisierung am Beispiel des Kühlschranks dar, wie Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts von der Industrie für Haushaltsgeräte als Zielgruppe „Hausfrau“ beschrieben werden.100 Im Anschluss an diese Entwicklungen versteht die Industrie für Fernsehgeräte das Wohnzimmer als weibliches Milieu und bezieht Möbelhersteller in ihre Entwürfe mit ein, um die technischen Geräte möglichst attraktiv für potentielle Kundinnen zu gestalten. Laut Kirkham und Attfield werden gendered objects jedoch nicht ausschließlich im Design männlich oder weiblich codiert. Vielmehr sprechen sie den Dingen Handlungsmacht zu in dem Sinne, dass diese selbst geschlechtsspezifische Konnotationen generieren.101 Laut Latour wäre die Beziehung zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Entitäten nur unzulänglich erfasst, wenn man davon ausginge, dass sich „Ungleichheit ‚vergegenständlichen‘ und Geschlechterbeziehungen ‚verdinglichen‘“102 würden. Dinge seien nicht als Spiegel der sozialen Welt misszuverstehen, in denen sich Machtasymmetrien lediglich materialisieren oder 99 | Kirkham, Pat; Attfield, Judy: Introduction. In: Kirkham, Pat (Hg.): The Gendered Object. Manchester [u.a.]: Manchester UP 1996, S. 1-11, S. 1. 100 | Vgl. Heßler, Martina: „Mrs. Modern Woman“. Zur Sozial- und Kulturgeschichte der Haushaltstechnisierung. Frankfurt a.M. [u.a.]: Campus 2001, S. 191. 101 | Vgl. Kirkham, Attfield: Introduction, S. 4. Attfield und Kirkham machen die Handlungsmacht von Objekten weniger stark am Programm der ANT fest. Unter der Perspektive der in ihrem Sammelband zusammengefügten Einzelstudien zu gendered objects generieren Dinge in dem Maße Geschlecht, als sie Bedeutungen produzieren. Damit bezieht sich die agency der Dinge hier mehr auf das Symbolische. 102 | Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, S. 125.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

sie diese symbolisieren. Vielmehr liegt das Dinghafte der Dinge darin begründet, dass sie selbst am Handeln beteiligt sind: Dinge interessieren, ermöglichen, verhindern etc.103

Anwendungspotentiale und -grenzen der ANT in Bezug auf geschlechtsspezifischen Mediengebrauch Spätestens an dieser Stelle ergibt sich die Frage nach den Quellen und der Methodik, mit denen eine Akteur-Netzwerk-Analyse die Dinge und Netze des Gebrauchs rekonstruieren möchte. Eigentlich beobachtet die ANT im Sinne ihrer praxeologischen Ausrichtung aktuelle Netzwerke. In den Ausführungen zum selbstreflexiven Potential von Störungen wurde in diesem Kapitel auf vier Situationen verwiesen, in denen laut Latour die Handlungsmacht von Objekten sichtbar werde. Der vierten Situation zufolge habe die Archivarbeit einen sichtbarmachenden Effekt: „Wenn die Objekte ein für allemal in den Hintergrund getreten sind, ist es immer noch möglich – wenn auch schwieriger –, sie ans Licht zu bringen, indem man Archive, Dokumente, Abhandlungen, Museumssammlungen etc. verwendet, um künstlich, durch die Berichte der Historiker, den Krisenzustand herzustellen, in dem Maschinen, Apparate und Geräte zur Welt gekommen sind.“104

In diesem Sinne ist die ANT auch daran interessiert, historische Netze des Gebrauchs und die agency vergangener Akteure zu rekonstruieren. Zum anderen lässt sich daran anschließend fragen, inwiefern sich mit Hilfe der ANT geschlechtsspezifische Netze rekonstruieren lassen. In feministischen Studien im Umfeld der Science and Technology Studies (STS) wurde der ANT immer wieder attestiert, dass sie machttheoretisch blind sei. An dieser Stelle ist die Position von Cynthia Cockburn besonders interessant, da darin ANT und Domestizierungsansatz – wie bereits am Anfang des vorliegenden Kapitels mit Silverstones Position zum Netzwerk-Begriff dargelegt – erneut kurz aufeinandertreffen. In ihrem Aufsatz „The Circuit of Technology. Gender, Identity and Power“ wendet Cockburn die operativen Begriffe der ANT auf einen Haushaltsgegenstand, nämlich die Produktion und den häuslichen Gebrauch von Mikrowellen an. Sie bilanziert, dass die ANT wenig geeignet sei, um die historische Dimension von Geschlechter-Macht-Asymmetrien und Dominanz im häuslichen Raum zu analysieren. Cockburns zentrales Argument ist, dass sich Netzwerkbildung immer nur temporär, im Sinne einer Momentaufnahme beobachten ließe und damit der Analyse von stabilisierten Machtgefällen zuwider 103 | Vgl. ebd., S. 124. 104 | Ebd., S. 140.

2. Eine ANT-Perspektive auf die Verhäuslichung von Fernsehmöbeln

laufe.105 Eben dieser ständige Wandel, den das Modell des Netzwerks impliziert, stellt laut Silverstone die fehlende Kontext-Sensitivität der ANT dar, was dazu führe, dass sie Machtfragen nicht auf Dauer stellen könne.106 Einen weiteren Grund dafür, dass sich die ANT nur bedingt für eine Analyse von Machtgefällen im Hinblick auf Geschlechterfragen eignet, sieht Cockburn darin gegeben, dass sich mit dem heuristischen Werkzeug der ANT genuin nur die Sphäre der Produktion (wissenschaftlichen Wissens) beobachten lasse und häusliche Settings keine Rolle spielen würden.107 Gegen diese von Cockburn formulierte ANT-Skepsis in Bezug auf die Analysekategorie Geschlecht ließen sich zwei Argumente anbringen, die den Vorteil der ANT im Hinblick auf Geschlechteranalysen in häuslichen Settings vor Augen führen. Zum einen könnte man die vermeintliche Machtblindheit der ANT, die aus der Prozesshaftigkeit der Netzwerke resultiere, gerade in ihr Gegenteil ummünzen. Und zwar dahingehend, dass sich die Beschreibung der Netzwerke, zumindest theoretisch, immer weiterspinnen lässt, und sich so Netzwerke im Sinne einer diachronen Analyse vergleichen ließen.108 Ein solches Dynamisierungsargument setzt Macht- und Geschlechterverhältnisse gerade nicht als stabile Organisationen. Daran anschließend könnte man zum anderen der vermeintlich fehlenden Kontext-Sensitivität der ANT entgegenhalten, dass sich sehr wohl ein Außen beschreiben lässt, nämlich in Form weiterer Netzwerke, die zusammengenommen wieder als Akteur auf das Netzwerk Wohnzimmer einwirken. Mit einem solchen Argument gegen ein Denken in Kontexten ließe sich zeigen, wie Frauen und Männer durch neue, sich temporär ergebende Netzwerke in jeweilige (Geschlechter-) Rollen übersetzt werden. Das hätte den Vorteil, die Gender-Kategorie zu dynamisieren, und temporären Rollenzuweisungen nachzugehen, statt von einer heteronormativen biologischen Geschlechtlichkeit (Mann/Frau) auszugehen. In diesem Sinne bemerkt Latour selbst zum Vorwurf, die Asymmetrie-These negiere jede Form von Machtverschiedenheit: „‚Wo sind die Macht und die Herrschaft geblieben?‘, könnte man fragen. Doch gerade weil wir jene Asymmetrien erklären wollen, wollen wir sie nicht einfach wiederholen – und sie noch weniger weiterhin unverändert transportieren. […] Macht und Herrschaft müssen hervorgebracht, gebildet, zusammengesetzt werden. Asymmetrien existieren, ja, doch wo kommen sie her und woraus sind sie gebildet worden?“109 105 | Vgl. Cockburn: The Circuit of Technology. Gender, Identity and Power. In: Silverstone, Roger; Hirsch, Eric (Hg.): Consuming Technologies. Media and Information in Domestic Spaces. London [u.a.]: Routledge, S. 32-47, S. 39. 106 | Vgl. Silverstone: Television and Everyday Life, S. 84f. 107 | Vgl. Cockburn: The Circuit of Technology, S. 38. 108 | Dies umfasst ebenso die diachrone Ausdehnung der Netzwerke im Hinblick auf die Analyse historischer Faktoren. 109 | Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, S. 110.

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Teil II: Gehäuse-/Interface-Design und Wohnzimmer-Netzwerk

Die ANT ist sozialen Asymmetrien also durchaus auf der Spur, nur versteht sie diese als Prozess und eben nicht als etwa Vorausgesetztes, den einzelnen Netzwerken Vorgängiges. Im Gegensatz zum Domestizierungsansatz, der das Feld der Verhäuslichung von Medien vor allem in den Kommunikations- aber auch in den Medienwissenschaften für sich veranschlagt, bietet die ANT wenigstens zwei wesentliche Vorteile im Hinblick auf geschlechts- und schichtspezifische Praktiken des Einrichtens mit dem Fernsehmöbel. So wird erstens unter Bezugnahme auf das Moment der Störung in der ANT die Dimension der Aneignung von Medien, welche im Domestizierungsansatz nach Silverstone – wie in Teil I, Kapitel 2.2 der vorliegenden Arbeit dargelegt – die Inbesitznahme neuer Medientechnologien meint und als weitestgehend ‚heller‘ Begriff erscheint, in ihren problematischen Facetten greifbar. In der ANT nimmt die Figur der Störung einen weitaus systematischeren Stellenwert ein, als es im Domestizierungsansatz der Fall ist. Das hier vorgestellte Begriffsrepertoire der ANT wird im Weiteren als Instrument für die Materialanalyse verstanden, um mehr Aufmerksamkeit für diese Dynamiken häuslichen Wandels zu entwickeln. Schließlich eigne sich die ANT laut Couldry insbesondere, um gerade solche Machtasymmetrien beschreibbar zu machen, die mit der Verknüpfung neuer Netzwerke einhergehen.110 Beschreibt man zweitens häuslichen Wandel mit dem Begriff der Operationsketten, stellen Macht- und Geschlechterverhältnisse nicht länger weitestgehend stabile Organisationen dar, wie es für den Domestizierungsansatz kennzeichnend ist. Als räumliche Verknüpfungen zwischen Akteuren sind Netzwerke im permanenten Wechsel zwischen Instabilität und kurzweiligem Stabilisieren. Unter dieser Perspektive geht der Profilia-Feierabendsessel (siehe Abb. 7) nicht ausschließlich eine Allianz mit dem männlichen Apparatebesitzer ein. Gleichzeitig ergeben sich Netzwerke, in denen Frauen als Akteurinnen die Medientechnik bedienen und eine engere Verbindung zu Fernsehapparaten haben als Männer. In Teil III wird es gerade darum gehen, solche Widersprüchlichkeiten herauszustellen und danach zu fragen, wie solche Allianzen zu erklären sind. Eine undogmatische Bezugnahme auf das methodisch-theoretische Repertoire der ANT, wie sie kennzeichnend ist für viele medienwissenschaftliche Studien, zeigt sich in der vorliegenden Arbeit darin, dass in der Analyse keine einzelnen Fallstudien vorgenommen werden. Stattdessen geht es darum, mit den hier hergeleiteten Begriffen an das Analysematerial heranzutreten, um die Verhäuslichung von Fernsehapparaten als Möbel aus einer entselbstverständlichenden Perspektive zu beschreiben, wie sie sich an den Beispiel-Settings in dieser Herleitung bereits abzeichnet.

110 | Vgl. Couldry: Akteur-Netzwerk-Theorie und Medien, S. 108.

Teil III A nalyse der geschlechts - und schichtspezifischen G ehäuse -/ I nterface -D esigns und E inrichtungspraktiken

1. Archivmaterial zum Wohnen mit Fernsehmöbeln Im nun folgenden Analyseteil der vorliegenden Arbeit geht es darum, Archivmaterial zum Gegenstand auszuwerten und den bildlichen und narrativen Entwürfen eines Wohnens mit Fernsehmöbeln in der BRD während der 1950er- und 1960er-Jahre nachzugehen. Das erste Kapitel systematisiert die zu analysierenden Quellen und fragt nach ihrem Status im Hinblick auf vergangene Einrichtungspraktiken. Dieses Vorhaben folgt einem methodisch-theoretischen Interesse am Material. Es wird erklärt, warum die zu untersuchenden Quellen herangezogen werden. Welche Rückschlüsse lassen sich anhand des heterogenen Archivmaterials zum Design von und Einrichtungspraktiken mit Fernsehgeräten als Möbel jeweils ziehen? Kapitel zwei und drei bauen auf diesen Ergebnissen auf und stellen die eigentliche Auswertung des Quellenmaterials dar. Im zweiten Kapitel werden Gehäuse- und Interface-Designs unterschiedlicher Fernsehmöbel systematisiert und als widersprüchliche Schnittstellen im Mensch-Technik-Verhältnis beschrieben. Wie noch zu zeigen sein wird, zeugt das Möbel-Werden1 des Fernsehgeräts im genannten Zeitraum von Reibungen und widersprüchlichen Tendenzen zwischen seiner Gestaltung als technischem Apparat und zeitgenössischen Einrichtungs- und Architekturstilen. Kapitel drei schließt die Materialauswertung ab mit einem Blick auf kulturelle Einrichtungspraktiken mit Fernsehmöbeln und soziale Asymmetrien,2 die sich aus dem Material ableiten lassen. Dabei geht es auch darum, Einrichtungspraktiken als Strukturentstehungen zu beschreiben, die sich jenseits der Empfehlungen der Vertreter des ‚guten‘ Wohnens vollziehen, etwa in Form eines 1 | Unter Bezugnahme auf den von Joseph Vogl geprägten Begriff des „Medien-Werdens“. Vgl. Vogl, Joseph: Medien-Werden: Galileos Fernrohr. In: Engell, Lorenz; Vogl, Joseph (Hg.): Archiv für Mediengeschichte, Bd. 1: Mediale Historiographien. Weimar: Universitätsverlag Weimar 2001, S. 115-123. Ausführlicher hierzu siehe Teil III, Kapitel 2.1. 2 | In der Akteur-Netzwerk-Theorie werden soziale Ungleichheiten mit dem Begriff der (sozialen) „Asymmetrien“ erfasst, siehe Teil II, Kapitel 2.4.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

„horizontalen“ Einrichtungsstils (siehe Teil II, Kapitel 1.3 sowie Kapitel 3.1 im vorliegenden Teil), der sich als gemütliches Wohnen in den 1950er-Jahren entgegen allen Bemühungen modernistischer Wohnreformer durchsetzt. Bei der Auswertung des Quellenmaterials in Kapitel zwei und drei werden Methoden und Begriffe aus Teil II der Arbeit direkt am Material erprobt. In der Analyse kommen die unterschiedlichen Ebenen wieder zusammen: Designgeschichte (Dinge), Akteur-Netzwerk-Theorie (Praktiken), Diskurse/Medien (Zeichen). Dabei soll das Material jedoch nicht ausschließlich entlang der Theorie geordnet, sondern es sollen ebenso Aspekte herausgestellt werden, die sich aus dem Material selbst ergeben. Für dieses Vorhaben greift die Arbeit immer wieder auf zeitgenössische Studien der empirischen Sozialforschung und Forschungsergebnisse der Zeitgeschichte zurück, um das Material zu erweitern. Im vorherigen Kapitel wurde bereits dargelegt, dass die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) davon ausgeht, dass sich vergangene Netzwerke unter Rückgriff auf Archivmaterial rekonstruieren lassen (siehe Teil II, Kapitel 2.4). Auch die fernsehwissenschaftlichen und designgeschichtlichen Arbeiten von Lynn Spigel, Judy Attfield und Martin Warnke, auf die die vorliegende Arbeit aufbaut, nähern sich vergangenen Einrichtungspraktiken maßgeblich über Archivmaterial, reflektieren diesen Aspekt jedoch nicht hinreichend. Spigels Analysen zur Verhäuslichung des Fernsehens basieren hauptsächlich auf Einrichtungs- und Frauenzeitschriften sowie Anzeigenwerbung. Vereinzelt setzt sie sich mit dem Status dieser Quellen auseinander. So begreift sie die Quellen generell als Mediendiskurse, wobei sie den Status des Materials lediglich im Hinblick auf Werbung spezifiziert und zwar anhand der Frage, inwiefern Werbung gesellschaftliche Verhältnisse spiegelt (siehe hierzu auch Kapitel 1.2 im vorliegenden Teil).3 Attfield geht zwar durchaus auf den Umstand ein, dass die tatsächlichen Einrichtungen in britischen Haushalten nicht unbedingt den Möblierungen entsprechen, wie sie das von ihr untersuchte Material in Einrichtungszeitschriften, Ratgebern zur Haushaltsführung und Ausstellungen der Council of Industrial Design for the Homes and Gardens zeigen.4 Gleichzeitig reflektiert sie das verwendete Material noch weniger, als es bei Spigel der Fall ist. Warnke wiederum bezieht sich auf eine spezifische Einrichtungszeitschrift, nämlich Die Kunst und das schöne Heim, blendet die Frage nach den verwendeten Quellen in seinem Text jedoch völlig aus.5 3 | Siehe etwa Spigel, Lynn: Fernsehen im Kreis der Familie. Der populäre Empfang eines neuen Mediums. In: Adelmann, Ralf; Hesse, Jan O.; Keilbach, Judith; Stauff, Markus; Thiele, Matthias (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft. Theorie – Geschichte – Analyse. Konstanz: UVK 2002, S. 214-252, S. 218ff. 4 | Vgl. Attfield, Judy: Design as a Practice of Modernity: A Case for the Study of the Coffee Table in the Mid-Century Domestic Interior. In: Journal of Material Culture (1997) 2. Jg., H. 3, S. 267-289, S. 283. 5 | Vgl. Warnke, Martin: Zur Situation der Couchecke. In: Habermas, Jürgen (Hg.): Stichworte zur ‚Geistigen Situation der Zeit‘. 2. Band: Politik und Kultur. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1979, S. 673-687.

1. Archivmaterial zum Wohnen mit Fernsehmöbeln

Das vorliegende Kapitel möchte diesem Desiderat im Umgang mit dem Material begegnen und nach dem Status der verwendeten Quellen im Hinblick auf vergangene Einrichtungspraktiken mit Fernsehmöbeln fragen. Was sagen uns diese Spuren über das Wohnen mit dem Medium Fernsehen? Inwiefern handelte es sich bei den abgebildeten und diskutierten Einrichtungen um schicht- und geschlechtsspezifische Dinge? Diesen Fragen wird anhand von Artikeln und Bildstrecken zum Wohnen mit dem Medium Fernsehen nachgegangen, wie sie in den 1950er- und 1960er-Jahren vermehrt in Einrichtungs-, Frauen- und Programmzeitschriften erscheinen. Darüber hinaus werden im Folgenden weitere Quellen bzw. Akteure zum Wohnen mit Fernsehmöbeln herangezogen, und zwar Anzeigenwerbung und Ratgeberliteratur. Aufgabe dieses Kapitels ist es, diese Diskurse zu systematisieren und nach dem Status dieser Quellen zu fragen. Die Analyse folgt dabei der Prämisse, dass es gerade dann sinnvoll ist, Dingen nicht faktisch-materiell, sondern in Form von Gebrauchsszenarien nachzugehen, wenn es darum geht, dingbezogene Praktiken zu analysieren. Die Entscheidung, Fernsehmöbeln bildlich und narrativ vermittelt nachzugehen, hat vor allem zwei Gründe: Zum einen geben die Quellen Auskunft über Material und Design der abgebildeten Artefakte. Darüber hinaus haben sie den Vorteil, diese in Gebrauchssettings, also zusammengestellt mit weiteren Möbeln und Dekoration als Einrichtung zu zeigen. Statt lediglich abzubilden, diskutieren bzw. problematisieren die Quellen Stellplätze, Vor- und Nachteile unterschiedlicher Materialien und den Wandel des Wohnens generell. Im folgenden Unterkapitel geht es nun darum, das zu analysierende Material als Diskurse zum Fernsehmöbel zu beschreiben, die zentral sind für die Aushandlungen zu den Gebrauchsweisen des Fernsehapparats als Möbel. Das abschließende Unterkapitel, das auf die Vorstellung bzw. Systematisierung der Quellentypen folgt, vertieft dann noch einmal die Frage nach dem Verhältnis von Diskursen, Dingen und Praktiken für die Analyse des Materials und nimmt dabei Bezug auf praxistheoretische Perspektiven in den Sozial- und Medienwissenschaften.

1.1 Diskursive Aushandlungen zu Fernsehmöbeln Medien und Diskurse In Teil I der vorliegenden Arbeit wurde gezeigt, inwiefern Diskurse an der frühen Gestaltung des Fernsehapparats als Möbel teilhaben (siehe Teil I, Kapitel 1.1). Michel Foucaults Diskurs-Begriff ist komplex und kompliziert.6 In der vorlie6 | Zur unbeständigen Verwendung des Begriffs in den Arbeiten Foucaults siehe Parr, Rolf: Diskurs. In: Kammler, Clemens; Parr, Rolf; Schneider, Ulrich (Hg.): Foucault-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart [u.a.]: Metzler 2008, S. 233-237, S. 233f.

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genden Arbeit soll es weniger um eine Diskursanalyse im strengen foucaultschen Sinne gehen. Vielmehr möchte sie an eine medienwissenschaftliche Prägung des Diskursbegriffs bzw. der Diskursanalyse anschließen, die in der Regel weniger dogmatisch an Foucault ansetzt. An dieser Stelle folgt daher lediglich ein kurzer Verweis auf die einschlägigen Begrifflichkeiten: „Diskurs [...] meint in der Archäologie des Wissens [...] eine Praxis des Denkens, Schreibens, Sprechens und auch des Handelns, die diejenigen Gegenstände, von denen sie handelt, selbst hervorbringt.“7 Laut Foucault lassen sich Diskurse nicht darauf reduzieren, dass sie die Dinge repräsentieren, vielmehr bringen sie diese selbst hervor. Als Äußerungen rekurrieren sie auf Wissensordnungen ihrer Zeit. Diskurse haben zwar einen expliziten Bezug zur Sprache, erschließen sich aber nicht im Reden über etwas (was und wie man etwas sagt):8 „Der Diskurs ist ganz genauso in dem, was man nicht sagt, oder was sich in Gesten, Haltungen, Seinsweisen, Verhaltensschemata und Gestaltungen von Räumen ausprägt.“9 Der Diskursanalyse geht es wiederum darum, Regeln im Diskurs herauszuarbeiten. Die medienwissenschaftliche Forschung hat die Begriffe „Medien“ und „Diskurs“ immer wieder auf ihre Verbindungen hin befragt. In technikorientieren Spielarten der Medientheorie wurde der Diskursanalyse attestiert, dass sie die technische Seite von Medien unterprivilegiere.10 Entgegen dieser Annahme sind in den Medienwissenschaften sowohl in der anglo-amerikanischen als auch in der deutschsprachigen Forschung viele diskursanalytische Arbeiten entstanden. Hinter dem Kompositum „Mediendiskurse“11 etwa steht ein dezidiert medienwissenschaftliches Erkenntnisinteresse – und zwar die Annahme, dass Mediendiskurse als Indikatoren gesellschaftlichen Wandels produktiv gemacht werden können. Diese These wird darauf zurückgeführt, dass Diskurse und Medien in 7 | Ebd., S. 234. 8 | Siehe hierzu Schrage, Dominik: Was ist ein Diskurs? Zu Michel Foucaults Versprechen, ‚mehr‘ ans Licht zu bringen. In: Bublitz, Hannelore; Bührmann, Andrea D.; Hanke, Christine; Seier, Andrea (Hg.): Das Wuchern der Diskurse. Perspektiven der Diskursanalyse Foucaults. Frankfurt a.M. [u.a.]: Campus 1999, S. 63-74. 9 | Foucault, Michel: Der Diskurs darf nicht gehalten werden für… In: ders.: Schriften in vier Bänden, 1976-1979. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 164f., S. 164. 10 | Vgl. hierzu Stauff, Markus: Mediengeschichte und Diskursanalyse. Methodologische Variationen und Konfliktlinien. In: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften (2005), Bd. 16, Heft 4, S. 126-135, S. 126f. 11 | Geprägt wurde der Begriff insbesondere in Rahmen der Forschung des SFB „Medien und kulturelle Kommunikation“ an der Universität Köln. Vgl. hierzu etwa die drei Sammelbände zur Diskursgeschichte der Medien nach 1945. Schneider, Irmela; Spangenberg, Peter M. (Hg.): Medienkultur der 50er Jahre. Diskursgeschichte der Medien nach 1945. Band 1. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2002; Schneider, Irmela; Hahn, Torsten; Bartz, Christina (Hg.): Medienkultur der 60er Jahre. Diskursgeschichte der Medien nach 1945. Band 2. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2002; Schneider, Irmela; Bartz, Christina; Otto, Isabell (Hg.): Medienkultur der 70er Jahre. Diskursgeschichte der Medien nach 1945. Band 3. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2004.

1. Archivmaterial zum Wohnen mit Fernsehmöbeln

zweifacher Hinsicht miteinander zu tun haben. Zum einen haben Medien Anteil an der Organisation von Diskursen und zum anderen sind Medien selbst Gegenstand von Diskursen.12 Mediendiskursen in der letztgenannten Spielart wird ein selbstreflexives Potential zugesprochen, das sich vor allem dann einlöst, wenn es zu Transformationen im etablierten Mediensystem kommt.13 Die 1950er-/60er-Jahre sind im Hinblick auf Mediendiskurse besonders interessant, da sich zu dieser Zeit das Pluraletantum „die Medien“ im kollektiven Gedächtnis verankert: Von nun an stehen nicht länger ausschließlich sogenannte Einzelmedien, sondern Mediengefüge im Vordergrund der Betrachtung.14 Das zeitgenössische massenmediale Ensemble, dem um 1950 noch das Medium Fernsehen hinzutritt, führen Habbo Knoch und Daniel Morat auf den Zeitraum zwischen 1880 und 1960 zurück, den sie unter Bezugnahme auf Reinhart Kosellecks Begriff der „Sattelzeit“ als „massenmediale Sattelzeit“ bezeichnen.15 Diese Sattelzeit im Hinblick auf Medien ergäbe sich zum einen durch die medientechnischen Innovationen, die diese Phase des Übergangs kennzeichneten, nämlich der ungefähr zeitgleichen Entwicklung von elektrischen Übertragungsmedien wie Telegrafie und Telefonie, massenhaften Vervielfältigungsmedien wie der Presse und technischen Reproduktionsmedien wie Fotografie und Phonographie. Zum anderen sei sie geprägt durch die praktische Aneignung des massenmedialen Ensembles und die mediale Selbstbeobachtung, die dieses der Gesellschaft erlaube.16 Diese Entwicklung ist für die vorliegende Arbeit insofern wichtig, als in den 1950er-Jahren neben dem Medium Fernsehen auch das Thema Wohnkultur und Praktiken des Einrichtens zu populären Gegenständen von Mediendiskursen werden. Beide Diskurse treffen sich in der Frage nach der Gestaltung bzw. dem Gebrauch von Fernsehapparaten als Möbel und entsprechenden Einrichtungspraktiken. Peter Spangenberg nennt als Schauplätze von Mediendiskursen die Medien der öffentlichen Meinung, die fachjournalistische Medienkritik sowie die wissenschaftliche Beschäftigung mit Medien.17 Die Mediendiskurse zum Wohnen mit dem Medium Fernsehen finden insbesondere vermittelt über die ersten beiden Kanäle statt. Neben einigen Publikationen, die an der Grenze 12 | Vgl. Spangenberg, Peter M.: Mediendiskurse. In: Bartz, Christina; Jäger, Ludwig; Krause, Marcus; Linz, Erika (Hg.): Handbuch der Mediologie. München [u.a.]: Fink 2012, S. 170-175, S. 170. 13 | Vgl. ebd. 14 | Vgl. ebd., S. 171. 15 | Vgl. Knoch, Habbo; Morat, Daniel (Hg.): Medienwandel und Gesellschaftsbilder 18801960. Zur historischen Kommunikologie der massenmedialen Sattelzeit. In: dies. (Hg.): Kommunikation als Beobachtung. Medienwandel und Gesellschaftsbilder 1880-1960. München: Fink 2003, S. 9-33, S. 19ff. 16 | Vgl. ebd., S. 20f. 17 | Um 1950 sind Medienwissenschaften an den Hochschulen der Bundesrepublik noch in weiter Ferne.

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zwischen öffentlicher Meinung und Experteninteressen operieren,18 sind es vor allem (Einrichtungs-)Zeitschriften, die sich an der Frage „Wohin mit dem neuen Medium?“ abarbeiten. Darüber hinaus gibt es durchaus, wenn auch in den 1950er-Jahren erst einige wenige, Formate des Fernsehens selbst, die sich mit Einrichtungspraktiken beschäftigen, wie etwa die Fernsehsendung Wir richten ein19 (siehe hierzu Kapitel 1.2 im vorliegenden Teil). Wenn Medien selbst zum Gegenstand gesellschaftlichen Austauschs werden, geht es immer auch darum, ihre Potentiale zu verhandeln. So reicht der Tenor von Mediendiskursen von technikoptimistischen bis hin zu -pessimistischen Einschätzungen. Die Leistungsfähigkeit eines Mediums wird insbesondere über Medienvergleiche ermittelt, was zur diskursiven Differenzierung einzelner Medien beiträgt. Jens Ruchatz stellt die Doppelseitigkeit von Medienvergleichen heraus: So lasse sich eine Gleichzeitigkeit von Differenzierung und Integration einzelner Medien feststellen. In diesem Sinne werden in Mediendiskursen sowohl die Spezifika eines einzelnen Mediums (Einzelmedium) bestimmt als auch Gemeinsamkeiten zwischen unterschiedlichen Medien festgestellt (Feld der Medien).20 Dass die Rede vom Einzelmedium eigentlich hinfällig ist, stellt Ruchatz heraus, wenn er schreibt: „Es trifft zweifellos zu, dass das Eigene eines Mediums nur in Differenz zu einem vergleichbaren Anderen, d.h. in der Regel einem anderen Medium, bestimmbar ist.“21 Wie in Teil I Kapitel 1 herausgestellt, konstituiert sich die dispositive Eigenlogik des Mediums Fernsehen von Beginn an über Vergleiche mit anderen Medien, vor allem dem Kino und dem Hörfunk. Im Hinblick auf das Wohnen mit dem Medium Fernsehen sind insbesondere die Vergleiche zwischen Radio-/Phonogeräten und Fernsehapparaten relevant. Wie die Materialanalyse in Kapitel zwei und drei des vorliegenden Teils zeigt, schwanken diese Vergleiche in den 1950erund 1960er-Jahren zwischen friedlicher Koexistenz im Wohnraum bis hin zu einer verschärften Konkurrenzsituation. Im Sinne einer Kumulationsthese werden die „gemeinsame Kulturmission“ und der „friedliche[...] Wettstreit“ betont.22 Radikalisiert zeigt sich der Vergleich dann in Form einer Substitutionsthese, laut der auf den „Dauerhörer“ eine „Inflation der Bilder“ im Zuhause folge.23 Geht man nun vom Wohnraum aus, so tun sich allgemeinere Konkurrenzen auf, die 18 | Solche Publikationen beschäftigen sich nur am Rande mit Einrichtungsfragen und richten sich mehr an Praktiker. Siehe etwa Haensel, Carl: Fernsehen – nah gesehen: Technische Fibel, Dramaturgie, organisatorischer Aufbau. Frankfurt a.M. [u.a.]: Metzner 1952. 19 | Wir richten ein (NWDR, 1960-1963); Moderation: Wilfried Köhnemann, Ignaz Gerlach, Angelika Feldmann. 20 | Vgl. Ruchatz, Jens: Konkurrenzen – Vergleiche. Die diskursive Konstruktion des Felds der Medien. In: Schneider, Irmela; Spangenberg, Peter M. (Hg.): Medienkultur der 50er Jahre. Diskursgeschichte der Medien nach 1945. Band 1. Westdeutscher Verlag 2002, S. 137-153, S. 139. 21 | Ebd. 22 | Vgl. ebd., S. 143. 23 | Vgl. ebd.

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die Integration des Fernsehgeräts in den häuslichen Raum mit sich bringt, etwa mit dem Kamin, der Couchecke und dem Esstisch. Genau diesen Konkurrenzen, die sich aus der Logik der Inneneinrichtung heraus ergeben, wird in Kapitel 3 des vorliegenden Teils weiter nachgegangen. Um diese Ergebnisse einordnen zu können, lohnt sich ein Blick auf die Cultural Studies. Gerade in Forschungsarbeiten aus dem Umfeld der Cultural Studies ist die Diskursanalyse ein methodologisches Werkzeug, um Aufschluss über kulturelle Praktiken zu geben. Spigels methodisch-theoretischer Rahmen ist einzuordnen in Forschungen, die unter der Perspektive ‚When old technologies/media where new‘ beschreiben, wie sich ein neues Medium in das bestehende Mediengefüge einfügt und sich darauf auswirkt.24 Die Darstellungen des Fernsehens in spezifischen Mediendiskursen seien auch laut Spigel nicht etwa als Spiegel sozialer Realität zu verstehen; „[s]ie enthüllen vielmehr nach und nach eine allgemeine Reihe diskursiver Regeln, die sich herausgebildet haben, um über das Fernsehen in dieser Frühphase nachzudenken.“25 Mehr noch: „Diese Mediendiskurse spiegelten nicht so sehr die soziale Realität wider, vielmehr leiteten sie diese ein.“26 Anstatt also von der Vorgängigkeit eines Einzelmediums Fernsehen auszugehen, arbeitet Spigel die diskursiven Voraussetzungen und Regeln heraus, die seine Verhäuslichung initiieren und begleiten. Im Gegensatz zu vielen anderen medienwissenschaftlichen Diskursanalysen zeichnen sich Spigels Arbeiten laut Markus Stauff gerade dadurch aus, dass sie eben kein den Diskursen vorgängiges Medium Fernsehen postulieren, das im Sinne eines medialen Aprioris die Ordnung der Diskurse bestimme. Stattdessen zeige Spigel, „wie durch diskursive, technische und inhaltliche Differenzierungen des Fernsehens die familiäre Geschlechterordnung bearbeitet und dadurch das Fernsehen als Massenmedium konstituiert und reproduziert wird.“27 Die Analyse in Kapitel zwei und drei der vorliegenden Arbeit schließt an Spigels Vorgehensweise an, möchte jedoch die jeweiligen Quellentypen stärker reflektieren. Darüber hinaus verfolgt sie das Ziel, gleichzeitig die materielle Dimension in den diskursiven Aushandlungen zur Gestaltung von Fernsehapparaten als Möbel stärker zu betonen. Während Mediendiskurse auch unter Spigels Perspektive vor allem das „Reden über etwas“ (und insbesondere das „Reden

24 | Vgl. Morley, David: Television. Not So Much a Visual Medium, More a Visible Object. In: Jenks, Chris (Hg.): Visual Culture. Reprint. London [u.a.]: Routledge 2006, S. 170-189, S. 175. Morley nennt hier insbesondere die Arbeiten von Marvin, Carolyn: When Old Technologies Were New. Oxford: Oxford University Press 1988; Boddy, William: New Media and Popular Imagination: Launching Radio, Television, and Digital Media in the United States. Oxford: Oxford UP 2004; Spigel, Lynn: Make Room for TV: Television and the Family Ideal in Postwar America. Chicago [u.a.]: Chicago UP 1992. 25 | Spigel: Fernsehen im Kreis der Familie, S. 218. 26 | Ebd., S. 219. 27 | Stauff: Mediengeschichte und Diskursanalyse, S. 133.

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über Medien“)28 meinen, soll es im Weiteren darum gehen, Diskurse nicht nur als Repräsentationen eines Mediums (im Sinne bedeutungstragender Zeichen) zu begreifen. Vielmehr wird folgenden zwei Fragerichtungen nachgegangen: (1) Welche soziokulturellen Wertsetzungen materialisieren sich in den abgebildeten Fernsehmöbeln und Einrichtungspraktiken in den Wohnzimmern? Gleichzeitig wird es (2) immer auch darum gehen, inwiefern diese abgebildeten Dingkonstellationen selbst eine agency aufweisen: Welche Praktiken/Gebrauchsweisen ermöglichen oder verhindern diese Dinge? Bevor es jedoch in die Analyse geht, fragt die folgende Systematisierung nach dem Status der zu untersuchenden Quellentypen im Hinblick auf Einrichtungspraktiken mit Fernsehmöbeln.

1.2 Quellentypen Mit Beginn eines regelmäßigen Sendebetriebs affizieren die Themen Wohnen und Design auch das Fernsehprogramm. Dieser audiovisuelle Diskurs zum Wohnen der Deutschen in der direkten Nachkriegsphase ist ein weiterer Ort zur gesellschaftlichen Verständigung über die Frage, wie man leben möchte.29 In den Sendungen zum Thema Wohnen wird insbesondere der Platzmangel in den Wohnungen der Nachkriegszeit als Problem identifiziert und verschiedene Lösungsstrategien werden vorgestellt.30 Als überaus erfolgreiches Fernsehformat zum Wohnen erweist sich die Sendung Wir richten ein (1960-1963) mit dem Innenarchitekten Wilfried Köhnemann und seiner Co-Moderatorin Angelika Feldmann (Abb. 1 und 2). Die HörZu führt den Erfolg des Formats auf Köhnemann zurück, der nicht nur charismatisch, sondern auch Experte sei: „Denn wer wäre wohl nicht daran interessiert, von einem Innenarchitekten die Kunst des Wohnung-Einrichtens zu lernen?“31 Die Tatsache, dass er als Dozent an der Werkschule Hildesheim lehrt, mache ihn zum kompetenten Berater in Einrichtungsfragen. Lobend wird zudem hervorgehoben, dass er sich in seiner Sendung insbesondere an der Frage abarbeite, wie Möbel und Wohnung aufeinander abzustimmen seien. Besonders gut gelungen seien hier seine Entwürfe für Fernsehmöbel: „Ein Sonderlob gebührt seiner Möbelentwurfsklasse. Sie half ihm beim Herstellen der Selbstbaumöbel für das ‚Fernsehzimmer‘.“32 28 | Vgl. ebd., S. 129. 29 | Siehe etwa die Sendung „Das Fernseh-Lexikon: Wie wir wohnen“ am 21.10.1957, um 17.40 Uhr im NWDR. Vgl. HörZu (1957), H. 43, S. 52. 30 | Siehe etwa die Sendung „Wir richten ein: Ein Zimmer geteilt für Tochter und Sohn“. Mit Wilfried Köhnemann und Angelika Feldmann, am 25.03.1963 um 17:15 Uhr im NWDR. Vgl. HörZu (1963), H. 47, S. 92. 31 | Anonymus: Sieh fern mit HörZu! Wir richten ein. Eine Sendung für die Frau. Im Fernsehen am Mittwoch um 17.20 Uhr. In: HörZu (1960), H. 3, S. 38. 32 | Ebd.

1. Archivmaterial zum Wohnen mit Fernsehmöbeln

Abb. 1: Wir richten ein: Wohnberatung im TV

Abb. 2: Einrichtung als Frauensache (unter der Anleitung eines männlichen Experten)

Diese selbstreflexive Verständigung des Fernsehens zu seiner Rolle für bundesdeutsche Wohnungen ist nur ein Ort der Aushandlungen zum Einrichten mit dem Medium, der hier nur als eindrücklicher Ausgangspunkt dient. Wie das Beispiel zeigt, betrifft das Thema weitere Formate, wie etwa die HörZu,33 in der zeitgleich vermehrt Artikel zu einem sinnvollen Wohnen mit dem Medium erscheinen. Der Verbindung zwischen Fernsehen und Wohnen wird in der vorliegenden Arbeit anhand der Quellentypen (Einrichtungs-)Zeitschriften, 33 | HörZu! Deutschlands größte Funk- u. Fernsehzeitschrift. Hamburg: Springer 1946-heute.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Werbung und Fernsehfibeln weiter nachgegangen, denen der Großteil des Archivmaterials für die Analyse in den darauf folgenden zwei Kapiteln entnommen ist. Im Weiteren geht es nun darum, die einzelnen Quellen vorzustellen und zu systematisieren im Hinblick auf Aspekte des Designs und des Gebrauchs von Fernsehmöbeln.

(Einrichtungs-)Zeitschriften Wie Spigel mit Blick auf die USA der unmittelbaren Nachkriegsjahre schreibt, wird das Medium Fernsehen insbesondere in Publikumszeitschriften zum Gegenstand öffentlicher Debatten über die sinnvolle Integration des Apparats in den Wohnraum: „Die großen Zeitschriften veröffentlichten Berichte und Ratschläge von Gesellschaftskritikern und Sozialwissenschaftlern, die die Auswirkungen des Fernsehens auf die Familienverhältnisse untersuchten. Sie publizierten außerdem Bilder von Wohnräumen, um den Leuten zu verdeutlichen, wie man das Fernsehen in die eigene Wohnung integrieren könnte – oder auch nicht.“34

Die Frage nach der Integration des Fernsehens in den Wohnraum stößt auch bei der bundesrepublikanischen Bevölkerung auf großes Interesse. Anfang der 1950er-Jahre treffen dort Aushandlungen zum schönen Wohnen und Fragen nach einem sinnvollen Mediengebrauch aufeinander. In Einrichtungs-, Frauen- und Programmzeitschriften erscheinen im Laufe des Jahrzehnts vermehrt Artikel, die Einrichtungspraktiken mit dem Fernsehmöbel zum Gegenstand haben. Neben Ausstellungen, Beratungsstellen und Prospekten der Wohnberatung sind eben solche Zeitschriften ein wichtiger Akteur in einem Netzwerk der Wissensvermittlung zum ‚guten‘ Wohnen. In Einrichtungszeitschriften wie Die Kunst und das schöne Heim (1949-1984), 35 Haus und Heim (1951-1983),36 Die Innenarchitektur (1953-1960)37 und später auch Schöner Wohnen (1960-heute)38 ziehen Fernsehapparate noch vor einem tatsächlichen Privatempfang in die Haushalte ein, etwa als Teil britischer und US-amerikanischer Inneneinrichtungen.39 Vorerst taucht das Fernsehgerät nur am Rande auf, insgesamt domi34 | Spigel: Fernsehen im Kreis der Familie, S. 215. 35 | Die Kunst und das schöne Heim. Monatsschrift für Malerei, Plastik, Graphik, Architektur und Wohnkultur. München: Thiemig 1949-1984. 36 | Haus und Heim. Monatsschrift für moderne Hauswirtschaft und neuzeitliche Wohngestaltung. Hamburg: Schultheis 1951-1983. 37 | Die Innenarchitektur. Zeitschrift für Ausbau, Einrichtung, Form und Farbe. Essen: Heyer 1953-1960. 38 | Schöner Wohnen. Europas größtes Wohnmagazin. Hamburg: Gruner & Jahr 1960-heute. 39 | Vgl. etwa Jasper, Werner P.: „Bauen und Wohnen in England“. In: Die Kunst und das schöne Heim (1952), 50. Jg., S. 420-437, S. 431.

1. Archivmaterial zum Wohnen mit Fernsehmöbeln

nieren der Kamin und die Couchecke die eingerichteten Wohnzimmer. Mitte der 1950er-Jahre erscheinen dann vermehrt Artikel, die explizit nach einem sinnvollen Einrichten mit Medien fragen und Titel tragen wie „Bild‐ und Tongeräte im Wohnraum.“40 Der enge Konnex zwischen Einrichtungsfragen und Medien ist auch auf Seiten des Fernsehens wiederzufinden. In der Programmzeitschrift HörZu, die „eine[...] Mischung von übersichtlicher Programmvorschau für Radio und Fernsehen, Fortsetzungsroman, Lebensberatung, Preisrätseln, biederen Witzseiten u.a.“41 darstellt, werden bereits mit Erscheinen der Zeitschrift Potentiale und Möglichkeiten des Fernsehens verhandelt. Erste Artikel zum Medium Fernsehen haben Titel wie „Fernsehen in Sicht“42 und vermitteln zwischen optimistischen und skeptischen Stimmen. So heißt es in einem dieser frühen Artikel: „Die Meinungen über die Zukunft des Fernsehens sind geteilt. Die einen sehen schon ihr Kino, das Theater, die Oper, die Universität oder den Sportplatz im eigenen Heim. Die anderen dagegen behaupten, das Fernsehen würde auch noch in zehn Jahren eine Angelegenheit von zweifelhaftem Wert sein.“43

Trotz einer zuweilen durchaus kritischen Haltung gegenüber dem neuen Medium – es fehle an Material für die Produktion von Fernsehempfängern, zudem weise die Technik weiterhin einige Mängel auf44 – überwiegt in der HörZu ein wohlwollender, optimistischer Ton im Hinblick auf einen baldigen Heimempfang. Dabei dominieren in den Artikeln in dieser direkten Nachkriegsphase Vergleiche mit Großbritannien und den USA, um darzulegen, wie Geräte und Programm dort aussehen.45 Neben diesen frühen allgemeinen Aushandlungen zum Fernsehen werden Wohnfragen von den Programmzeitschriften direkt aufgegriffen. Viele Artikel spiegeln das Interesse der Rundfunkanbieter an den Einrichtungsvorlieben der Leser. So fragt eine in der HörZu abgedruckte Hörer-Umfrage des NWDR: „Wo und wie möchten Sie lieber wohnen?“46 Damit erkundigen sich die Programmmacher danach, wie die Hochhäuser, die gerade in den Neubausiedlungen hochgezogen werden, zu bauen seien und suggerieren so eine Nähe zum 40 | Anonymus: Bild‐ und Tongeräte im Wohnraum. In: Die Kunst und das schöne Heim (1958), 56. Jg., S. 158‐159. 41 | Schildt, Axel: „Mach mal Pause!“ Freie Zeit, Freizeitverhalten und Freizeit-Diskurse in der westdeutschen Wiederaufbau-Gesellschaft der 1950er Jahre. In: Archiv für Sozialgeschichte (1993), H. 33, S. 357-406, S. 373. 42 | Rhein, Eduard: Fernsehen in Sicht. In: HörZu (1948), H. 36, S. 3. 43 | Anonymus: Fernsehen in England und Amerika. In: HörZu (1947), H. 47, S. 7. 44 | Vgl. Rhein: Fernsehen in Sicht, S. 3. 45 | Vgl. Anonymus: Fernsehen in England und Amerika. 46 | Anonymus: Wo und wie möchten Sie lieber wohnen? Zum Nacht-Programm am Dienstag um 22.35 Uhr – Ergebnisse einer Hörer-Umfrage des NWDR. In: HörZu (1951), H. 24, S. 40-41.

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dringenden Anliegen der Gestaltung der Lebenswelt der Zuhörer: „Diese Fragen dürfen nicht nur Stadtplaner beantworten. Sie gehen uns alle an!“47 Gleichzeitig geht es darum, Einrichtungspraktiken in Statistiken umzuwandeln, etwa dahingehend, ob sich die Bundesbürger lieber gemütlich oder repräsentativ einrichten: „Die überwiegende Zahl aller Befragten wünscht sich ‚repräsentativere Möbel‘ […]. Gerade die Männer lieben wuchtige Sessel. Die Frauen neigen eher den handlicheren, dabei nicht weniger bequemen Möbeln zu. Sie sind überhaupt – vor allem in der Wahl der Möbel – mehr für den Fortschritt als die Herren des Hauses.“48

In Diskursstimmen wie diesen finden sich erste Hinweise darauf, dass die Frage „Wie wollen wir wohnen?“ innerhalb einer geschlechts- und schichtspezifischen Matrix beantwortet wird. Doch die HörZu bleibt nicht bei dem Versuch stehen, die Wohninteressen der Hörer einzufangen. Parallel werden auch Tipps zu Problemen erteilt, die das Wohnen betreffen. Mit welchen Möbeln lässt sich beispielsweise eine neue Wohnung für frisch verheiratete Paare kostengünstig ausstatten?49 Die Programmzeitschrift stellt eine Mustermöblierung zusammen, die einen Lösungsvorschlag für ein gesellschaftlich verbreitetes Problem darstellen soll: Junge Paare heiraten, um eine der wenigen Wohnungen im sozialen Wohnungsbau zugewiesen zu bekommen, verfügen aber in der Regel nicht über die nötigen finanziellen Mittel für eine entsprechende Ausstattung.50 Später gibt es in der HörZu dann mit „Heim und Garten“ eine eigene Sektion zum Wohnen, die sich explizit als Ratgeber versteht und regelmäßig Ratschläge zum Wohnen mit Medien erteilt.51 In Frauenzeitschriften wie der Brigitte52 und der Constanze53 werden Einrichtungs- und Nutzungsfragen explizit als weiblicher Aufgabenbereich verhandelt. Wie auch schon im Falle des Fernsehformats Wir richten ein, das sich als „Sendung für die Frau“ versteht,54 begreifen diese Zeitschriften die Gestaltung des Zuhauses als Aufgabe der Bewohnerinnen. Unter diesem Blickwinkel werden Frauen auch für modernes Design interessiert. So beschäftigen sich viele der 47 | Ebd. 48 | Ebd. 49 | Anonymus: Start mit 1000 DM. In: HörZu (1953), H. 25, S. 12-13. 50 | Vgl. Niehuss, Merith: Kontinuität und Wandel der Familie in den 50er Jahren. In: Schildt; Axel; Sywottek, Arnold (Hg.): Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre, Bonn: Dietz 1993, S. 316-334, S. 331. 51 | Siehe etwa Anonymus: Heim und Garten: Duett für zwei Lautsprecher. In: HörZu (1965), H. 15, S. 29. 52 | Brigitte: Das Magazin für Frauen. Hamburg: Gruner & Jahr 1952-heute. 53 | Constanze: Die Zeitschrift für die Frau und für jedermann. Hamburg: Constanze-Verlag 1948-1969. 54 | Anonymus: Sieh fern mit HörZu! Wir richten ein. Eine Sendung für die Frau.

1. Archivmaterial zum Wohnen mit Fernsehmöbeln

Artikel gerade mit „[d]er modernen Formentwicklung etwa im Radio-, Phonound Fernsehgerätebereich und auch bei elektrischen Haushaltsgeräten“.55 Jedoch macht dieser Logik zufolge erst die Verantwortung für den häuslichen Raum das Thema Design zu einem Interessengebiet für Frauen. Im Hinblick auf die soziokulturelle Bedeutung der hier analysierten (Einrichtungs-)Zeitschriften stellt sich der Frage, wer überhaupt zu ihrer Leserschaft zählt. Glaubt man den Erhebungen der empirischen Sozialforschung, so ist eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Deutschen in den Nachkriegsjahren das Lesen.56 Das Buch – trotz Konjunktur des Taschenbuchformats – und der Groschenroman sind dabei weitaus weniger populär als Zeitschriften, Illustrierte und Zeitungen, wie etwa die HörZu und die Constanze.57 Im Falle der Constanze wird die Verbreitung der Zeitschrift dadurch befördert, dass sie im Lesezirkel als Lesemappe vertreten ist, wobei sich das Phänomen in der Stadt als populärer erweisen sollte als auf dem Land.58 Zur Verbreitung von Einrichtungszeitschriften gibt es nur wenige Hinweise in der empirischen Sozialforschung. Eine der Quellen zum Lesen über das Wohnen (mit Medien) stellt die soziologisch angeleitete Wohnbefragung der Westdeutschen von Alphons Silbermann aus dem Jahr 1963 dar. Wie Silbermann herausstellt, finden Zeitschriften bzw. Artikel, die sich mit den Themen Wohnen, Möbel und Innenarchitektur befassen, bei den Befragten zwar generell große Beachtung; ihren Einfluss auf die tatsächliche Wohnungsgestaltung schätzt er hingegen als eher gering ein. Teure Ausstattungszeitschriften werden vor allem von einer vergleichsweise kleinen Leserschaft konsultiert, nämlich männlichen Erwachsenen mit höherem Bildungsabschluss.59 Diese empirischen Einschätzungen scheinen sich ganz mit den konstruierten Lesern der Einrichtungszeitschriften zu treffen, die abgesehen von Haus und Heim und Schöner Wohnen qua (Unter-)Titel eine in moderner (Innen-)Architektur versierte Leserschaft imaginieren.60 55 | Oestereich, Christopher: „gute form“ im Wiederaufbau. Zur Geschichte der Produktgestaltung in Westdeutschland nach 1945. Berlin: Lukas 2000, S. 346. 56 | Vgl. Schildt: „Mach mal Pause!“, S. 369. 57 | Vgl. ebd., S. 371. 58 | Vgl. ebd., S. 372. 59 | Vgl. Silbermann, Alphons: Vom Wohnen der Deutschen. Eine soziologische Studie über das Wohnerlebnis. Köln [u.a.]: Westdeutscher Verlag 1963, S. 60-63. 60 | Die ab 1960 regelmäßig erscheinende Zeitschrift Schöner Wohnen kostet zwar nur 1,50 DM und ist damit auch für weniger finanzstarke Leser erschwinglich. Claude Enderle attestiert der Zeitschrift jedoch offensichtliche Vermittlungsbemühungen um ästhetische Bildung und stellt heraus, dass die Wohnwelten der Zeitschrift einen stark normativen Charakter aufwiesen. Vgl. Enderle, Claude: Die Vermittlung von Wohnwelten in Schöner Wohnen zwischen 1970 und 2004 – als ästhetische Direktiven zur persönlichen Einrichtung? In: Manske, Beate (Hg.): Wie wohnen – Von Lust und Qual der richtigen Wahl. Ästhetische Bildung in der Alltagskultur des 20. Jahrhunderts. Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz 2004, S. 98-109, S. 103f.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Welcher Status lässt sich nun den vorgestellten Zeitschriften als mediengeschichtliche Quelle im Hinblick auf Einrichtungspraktiken mit dem Fernsehmöbel zusprechen? Einrichtungszeitschriften bieten einen Zugang zu Dingen, der sie in Gebrauchsszenarien dokumentiert. Sie bilden ausgewählte Wohnungen und Häuser ab, deren Einrichtungen tatsächlich in der Bundesrepublik vorzufinden sind, eben weil sie auch bewohnt werden.61 Gleichzeitig haben sie eine fiktionale Komponente, stellen doch viele der vorgestellten Möbelarrangements eigens für die Artikel zusammengestellte Settings dar, die sich in dieser Form nicht direkt an damalige Einrichtungspraktiken rückbinden lassen. Darüber hinaus lassen sich in den Zeitschriften während des Untersuchungszeitraums immer wieder Entwürfe finden zu Wunsch-Fernsehmöbeln, die jedoch nie in Produktion gehen (siehe etwa die „Super-Kombination“ des Herstellers Loewe-Opta, Kapitel 2.1 im vorliegenden Teil). In dieser Hinsicht weisen die Entwürfe zum Wohnen mit Fernsehmöbeln eine durchaus utopische Komponente auf. Die utopische Dimension der illustrierten Einrichtungen würde dann darin begründet liegen, dass sie ein kulturelles Imaginäres von Dingen und Praktiken ausbilden. Dieses kulturelle Imaginäre zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht immer zwangsläufig den zeitgenössischen Wohnpraktiken entspricht, ihnen aber auch nicht per se widerspricht, sondern eben gerade Wünsche und Bedürfnisse im Hinblick auf das Wohnen mit Medien zum Ausdruck bringt. Doch darin erschöpft sich seine Leistung nicht, schließlich hat es auch den Anspruch, soziale Realität abzubilden und in diese einzugreifen. Gleichzeitig muss im Rahmen einer medienkulturwissenschaftlichen Analyse davon ausgegangen werden, dass es diese zu einem gewissen Grad immer auch verfehlt. Genau dieser utopischen Dimension von Einrichtungszeitschriften geht Beatriz Preciado in ihrer kulturwissenschaftlichen Studie Pornotopia62 anhand des Männermagazins Playboy nach. Der Playboy, der Anfang der 1950er-Jahre erstmals im US-amerikanischen Raum erscheint,63 versteht sich zunächst in erster Linie als Lifestyle- und Einrichtungszeitschrift und will seine männliche Leserschaft u.a. in Sachen Architektur und Design schulen. Modernes Design zeigt sich hier stark männlich konnotiert. Die Zeitschrift Playboy ändert das gesellschaftliche Bild von Männlichkeit in den 1950er-Jahren, indem sie andere Wohnformen imaginiert. In Entwürfen für Junggesellen-Appartements propagiert sie ein urbanes Wohnen für Männer, das sich explizit als Gegenmodell zur weiblichen Häuslichkeit in den Suburbs versteht.64 Preciado zeigt, dass diese 61 | Dies trifft insbesondere auf hochpreisige Einrichtungszeitschriften zu wie Die Kunst und das Schöne Heim und Die Innenarchitektur. 62 | Preciado, Beatriz: Pornotopia. Architektur, Sexualität und Multimedia im ‚Playboy‘. Berlin: Wagenbach 2012. 63 | In den USA erscheint die erste Ausgabe 1953; die deutsche Erstausgabe folgt erst 1972. 64 | Vgl. Preciado: Pornotopia, S. 59.

1. Archivmaterial zum Wohnen mit Fernsehmöbeln

Entwürfe zwar nicht tatsächlich realisiert werden, aber trotz – oder gerade wegen – ihrer utopischen Komponente stark an gesellschaftlichen Vorstellungen von Geschlecht mitwirken. Die Analysen von Inneneinrichtungen, wie sie Spigel und Preciado in ihren Arbeiten zur (Anti-)Häuslichkeit in den USA der Nachkriegszeit durchführen, zeigen anhand von Zeitschriften, dass darin abgebildete Möbel und technische Medien in ihrem Design und ihrer Platzierung immer auch Entwürfe zu gesellschaftlichen Vorstellungen von weiblich/männlich, innen/außen, privat/ öffentlich abbilden und antreiben.65 Damit geben sie Auskunft über kulturell vermittelte soziale Asymmetrien im Wohnen bzw. Leben mit den Dingen. Zum einen lassen sich die zu analysierenden (Einrichtungs-)Zeitschriften als Indiz für zeitgenössische Problemlagen lesen, wie etwa Platzmangel im Wohnraum (siehe Teil II, Kapitel 2.2). Zudem besteht die Funktionslogik von (Einrichtungs-)Zeitschriften darin, ein kulturelles Imaginäres im Umgang mit einem eben solchen Notstand auszubilden. In diesem Sinne gehen die im Rahmen dieser Arbeit zu analysierenden Zeitschriften gleichzeitig über die Repräsentationsleistung des Gezeigten hinaus, sie greifen ein in die Welt der Dinge, in das tatsächliche Wohnen, nehmen selbst Akteur-Status an und verfehlen die soziale Realität gleichzeitig immer auch.

Werbung Ein im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu skizzierendes kulturelles Imaginäres, das auf Dingen und Praktiken basiert, lässt sich auch am Gegenstand der Werbung für Fernsehmöbel plausibel machen: Nur die wenigsten Bundesbürger können sich diese Medienmöbel anfangs tatsächlich leisten. Aber sie haben sich in ihre Köpfe eingeschlichen, und zwar als Traum vom guten Wohnen. Wie die folgenden Ausführungen zu Werbung als medienwissenschaftliche Quelle darlegen, stellt sie einen spezifischen Zugriff dar auf damalige Gestaltungen von und Einrichtungspraktiken mit Fernsehmöbeln. Marshall McLuhans Auffassung nach inkorporiert die Werbung gesellschaftliche Leitbilder, was sie gleichsam zu einer aussagekräftigen Quelle mache: „Die Historiker und Archäologen werden eines Tages entdecken, daß die Werbung unserer Zeit die einfallsreichsten und tiefsten täglichen Betrachtungen darstellt, die eine Kultur je über ihr ganzes Tun und Lassen angestellt hat.“66 65 | Vgl. Spigel, Lynn: Medienhaushalte. Damals und heute. In: Bartz, Christina; Miggelbrink, Monique (Hg.): Zeitschrift für Medienwissenschaft (2/2013), H. 9, Themenschwerpunkt „Werbung“, S. 79-94, S. 91; vgl. Preciado: Pornotopia, S. 25. 66 | McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle. „Understanding Media“ [1964]. Düsseldorf [u.a.]: Econ-Verlag 1968, S. 253.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Dieser Status der Werbung ist McLuhans Überlegungen zufolge zurückzuführen auf einen Wandel der Werbemethoden, der sich um 1950 vollzieht. „Es besteht ein beständiger starker Trend, Inserate immer mehr als Leitbilder von Publikumsmotiven und -wünschen zu gestalten.“67 Stand vorher noch das Produkt im Zentrum des Inserats, sind es nun die Wünsche und Bedürfnisse der Konsumenten. Wie Vance Packard in seinem Klassiker der Werbekritik Die geheimen Verführer. Der Griff nach dem Unbewussten in jedermann68 herausstellt, wird dieser Wandel in der Adressierung getragen von einem Wechsel in den Methoden des Marketings. Überholt scheint die direkte Verbraucherbefragung. Von nun an bedienen sich die Werbeleute der Erkenntnisse und Methoden der Psychoanalyse wie etwa tiefenpsychologischen Interviews, um an das Unbewusste der Verbraucher heranzukommen.69 Dabei geht es aber nicht darum, einzelne Konsumenten anzusprechen, wie es für das heute dominante Feld der Personalisierung in der Werbung kennzeichnend ist, sondern darum, gesellschaftliche Leitbilder zu inkorporieren, wie McLuhan darlegt: „Ihrer Idee nach zielt die Werbung darauf ab, eine programmierte Harmonie aller menschlichen Impulse, Bestrebungen und Bemühungen herzustellen. Mit der Verwendung von handwerklichen Methoden greift sie nach dem letzten Ziel des elektronischen Zeitalters, nach dem Kollektivbewusstsein.“70

McLuhan zufolge kann die Werbung dabei nur grobschlächtig vorgehen. „Anstatt eine persönliche Stellungnahme oder Ansicht vorzubringen, bietet sie einen Lebensstil für jeden oder niemand.“71 Damit rückt sie in die Nähe der Stereotypen. Der Historiker Roland Marchand nimmt in Advertising the American Dream. Making Way for Modernity, 1920-1940 den Status der Werbung als Quelle für die Geschichtswissenschaften in den Blick.72 Seiner Einschätzung nach handelt es sich bei Werbung um ein aussagekräftiges historisches Dokument, eben aus den von McLuhan und Packard genannten Gründen des Griffs nach dem Kollektivbewusstsein. Marchand fasst Werbung als Teil einer populären visuellen Bildlichkeit auf. Seit den 1920er-Jahren weise die Werbung eine Tendenz zum Bildsymbol auf und produziere damit populäre visuelle Bilder, die populäre gesellschaftliche Tagträume repräsentieren. Bestimmte Bilder zirkulieren besonders ausgeprägt, was sie zu Werbeklischees werden lasse. 67 | Ebd., S. 246. 68 | Packard, Vance: Die geheimen Verführer. Der Griff nach dem Unbewussten in jedermann [1957]. Frankfurt a.M.: Ullstein 1973. 69 | Vgl. ebd., S. 5. 70 | McLuhan: Die magischen Kanäle, S. 246. 71 | Ebd., S. 251. 72 | Marchand, Roland: Advertising the American Dream. Making Way for Modernity, 19201940. Berkley [u.a.]: Univ. of California Press 1985.

1. Archivmaterial zum Wohnen mit Fernsehmöbeln

Am Beispiel des visuellen Klichees des Familienkreises verdeutlicht Marchand, dass Werbung weniger tatsächliche Verhältnisse spiegelt, sondern sich eher als „Zerrspiegel“ gesellschaftlicher Entwicklungen beschreiben lässt.73 Die entsprechenden Werbebilder zeigen Ehepaare mit oder ohne Kinder als geschlossene und vertraute Einheit im häuslichen Setting, deren räumliche Anordnung meist kreisförmig ausfällt. Indem diese dem Stereotyp des Familienkreises74 zugehörigen Anzeigen versuchen, zwischen widersprüchlichen Tendenzen zu vermitteln, die in den 1920er- und 1930er-Jahren das Konzept der Familie prägen, schaffen sie vor allem ein überhöhtes Bild der Realität. „Visual clichés of the family circle reconciled newer notions of family democracy with more traditional images of family governance.“75 Wie in anderen populären Diskursen zu dieser Zeit üblich, versucht sich auch die Werbung an der Gleichstellung zwischen Ehemann und Ehefrau/Kindern. In diesem Sinne wird der Vater weniger als Oberhaupt inszeniert, sondern als Mittelpunkt der Familie. Bei genauerer Betrachtung machen sich jedoch visuelle Hinweise auf Asymmetrien in der familiären Einheit bemerkbar: Der Mann sitzt im Sessel und ließt die Zeitung, während ihn die Kinder auf dem Fußboden sitzend dicht umgeben und die Armlehne seines Sessels meist der Frau vorbehalten ist, die ein Buch liest oder sich mit den Kindern beschäftig. Während die Zeitungslektüre Teilhabe am aktuellen Zeitgeschehen und eine männliche Verbindung zur außerhäuslichen Realität herstelle, zeigen Frauen ein eskapistisches, weiblich konnotiertes Interesse für Kontemplation und Kultur im weitesten Sinne.76 Eine Variation in dieser Mensch-Ding-Anordnung des Familienkreises stellt die Werbung für Medien dar. In dieser Formation sind die jeweils abgebildeten Medien, etwa Grammophon und Radio, der Mittelpunkt des Familienkreises. Damit werden sie zur Konkurrenz für die Vormachtstellung des Ehemanns/ Vaters. Dieses bedrohliche Potential der beworbenen technischen Medien wird gleichsam abgefedert, indem das abgebildete Setting familiäre Stabilität suggeriert: „The products of modern technology, including radios and phonographs, were comfortably accomodated within the hallowed circle.“77 Damit lasse sich das visuelles Klischee des Familienkreises weniger als Spiegel des Sozialen be73 | Vgl. ebd., S. xvii. 74 | Marchand beschreibt das visuelle Klischee des Bürofensters als widerstrebende und doch ergänzende Tendenz zum Familienkreis. Die Werbeanzeigen für Produkte und Dienstleistungen für das Büro inszenieren Männer umgeben von einem Telefon, einem Schreibtisch und vor einem großen Bürofenster stehend als zentrale Akteure, um wichtige Geschäfte in der Welt da draußen anzukurbeln. Vgl. ebd., S. 238f. Während die Sphäre der Arbeit so als eine Domäne der Männer inszeniert wird, visualisiert der Familienkreis den häuslichen Raum als privaten Rückzugsort von der Arbeit, die Familieneinheit dient hier der Regeneration des Mannes. Gleichzeitig unterliegt dieser Raum der weiblichen Aufsicht. Vgl. ebd., S. 248f. 75 | Ebd., S. 251. 76 | Vgl. ebd., S. 252. 77 | Ebd., S. 254.

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greifen, sondern stelle vielmehr eine Bildkonvention dar, deren Funktion darin besteht, Sicherheit zu versprechen.78 „Aufgrund dessen müsse man – so folgert Marchand – bei der Verwendung von Werbung als historische Quelle grundsätzlich weiteres Material heranziehen, um ein vollständiges Bild über die gesellschaftlichen Vorstellungen zu erhalten.“79 Roland Barthes beschreibt Werbung als ein komplexes Zeichensystem, das für eine kulturwissenschaftlich informierte Analyse nur lesbar gemacht werden müsse. Am Beispiel der Analyse einer Werbeanzeige des italienischen Pasta-Herstellers Panzani zeigt Barthes, dass Werbebotschaften Bild und Text miteinschließen.80 Die analysierte Werbeanzeige weist eine doppelte Struktur auf, in dem Sinne, dass sie neben der denotierten eine konnotierte Botschaft enthält. Während erstere den ‚ursprünglichen‘ Sinn der abgebildeten Dinge benennt, verweist letztere auf (subjektive) Assoziationen, die mit den Signifikaten des Bildes einhergehen. Das Bild trägt also eine Kette von Sinnangeboten an die Betrachter heran. Die Leseweisen (Lexiken) eines Bildes wiederum werden durch das kulturelle und ästhetische Wissen der Leser bestimmt, kurz: „ein und dieselbe Lexie mobilisiert verschiedene Lexiken.“81 Die Panzani-Werbung mobilisiert ein (wenn auch touristisch geprägtes) kulturelles Wissen um ‚Italianität‘.82 Wie Barthes herausstellt, zeichnet sich Werbung insbesondere durch ihre Intentionalität aus. Dies liegt zum einen darin begründet, dass Werbebotschaften klar formuliert sein müssen, damit sie von möglichst vielen Konsumenten verstanden werden: „Die Signifikate der Werbebotschaft werden a priori von gewissen Attributen des Produktes abgebildet, und diese Signifikate gilt es so klar wie möglich zu vermitteln; enthält das Bild Zeichen, so hat man die Gewißheit, daß in der Werbung diese Zeichen eindeutig und im Hinblick auf eine optimale Lektüre gesetzt sind: Das Werbebild ist unverhohlen oder zumindest emphatisch.“83

Darüber hinaus ist Werbung intentional dahingehend, dass sie kulturelle Wissensbestände mobilisiert bzw. zurückzuführen ist auf „ein Wissen, das sozusagen in den Bräuchen einer sehr weitreichenden Zivilisation verankert ist“.84 Diese These lässt sich auch im Hinblick auf Werbung für Medien produktiv machen: 78 | Vgl. ebd. 79 | Bartz, Christina; Miggelbrink, Monique: Einleitung in den Schwerpunkt. In: dies. (Hg.): Zeitschrift für Medienwissenschaft (2/2013), H. 9, Themenschwerpunkt „Werbung“, S. 10-19, S. 15. 80 | Barthes, Roland: Rhetorik des Bildes [1964]. In: ders.: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn. Kritische Essays III. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1990, S. 28-46. 81 | Ebd., S. 41. 82 | Vgl. ebd., S. 30. 83 | Ebd., S. 28f. 84 | Ebd., S. 30.

1. Archivmaterial zum Wohnen mit Fernsehmöbeln „Es ist die Doppelstruktur [...] aus Klarheit, die aus den Attributen des Produkts resultiert, und vielfältigen kulturellen Konnotationssignifikaten, welche Werbung für die Analyse von Kultur und damit auch für die Betrachtung des kulturellen Wissens über Medien so geeignet macht.“85

Unter dieser Perspektive ließe sich die These aufstellen, dass Werbung sowohl ein kulturelles Wissen über Medien sichtbar macht und mobilisiert als auch selbst neues Medienwissen generiert. Im Hinblick auf Fernsehmöbel sind Werbeanzeigen, die TV-Apparate und korrespondierende Einrichtungspraktiken zum Gegenstand haben, also aufschlussreiche Quellen. Eine solcher medienwissenschaftlicher Zugang zu Werbung „interessiert sich vor allem für Werbung, die selbst Medien zum Inhalt hat und damit weniger die Kultur in ihrer Gesamtheit, sondern Medienkultur einer Beobachtung zuführt.“86 Wenn Werbung ein kulturelles Wissen über Medien mobilisiert, wird sie interessant für die Analyse sozialer Asymmetrien wie für Fragen nach Geschlecht und sozialer Schicht. In ihrer Mediendiskursanalyse zum geschlechtsspezifischen Wohnen mit dem Fernseher beruft sich Spigel maßgeblich auf Werbeanzeigen als historische Quelle. Dabei zeigt sie, dass die Anzeigen zwar die Ideologie der weißen US-amerikanischen Kleinfamilie der Mittelschicht perpetuieren, dennoch aussagekräftig sind im Hinblick auf geschlechts- und schichtspezifischen Mediengebrauch. Ähnlich wie Marchand es in seiner Zerrspiegel-These formuliert, geht es ihr dabei auch um das spekulative Moment von Werbung.87 Spigel schreibt: „Meines Erachtens besteht Werbung nicht aus einer Stimme, sondern ist eher aus vielerlei Stimmen zusammengesetzt. Werbung nimmt die Stimme eines imaginären Konsumenten an – sie muss von seinem Standpunkt aus sprechen –, selbst wenn sich diese Haltung nicht mit den direkten Zielen der Verkaufsbemühungen verträgt. Inserate werben nicht einfach für Ideen und Werte im Sinne einer ‚Produkt-Propaganda‘. Sie folgen eher bestimmten diskursiven Regeln, die Teil des umfassenderen Medienkontextes sind.“88

Gerade weil Werbung nicht einzelne, sondern möglichst viele potentielle Konsumenten erreichen muss, gehen ihre Botschaften weit über das beworbene Produkt hinaus – das haben die Ausführungen zu McLuhan, Marchand und Barthes klar gemacht. Gleichzeitig steht die Zielgerichtetheit der Werbung in Spannung zu den diskursiven Voraussetzungen, die sie im foucaultschen Sinne eben erst ermöglichen. Die einzelnen Quellen – und das ist wichtig – stehen nie für sich allein. Frühe Werbeanzeigen für Fernsehapparate sind in diesem Sinne eingebunden in ein Verweissystem (der von Spigel so bezeichnete ‚Medienkontext‘) zum ‚guten‘ 85 | Bartz, Miggelbrink: Werbung. Einleitung in den Schwerpunkt, S. 15. 86 | Ebd., S. 13. 87 | Vgl. ebd., S. 19. 88 | Spigel: Fernsehen im Kreis der Familie, S. 217f. (Hervorh. im Orig.)

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Wohnen mit technischen Medien, das sich aus den hier skizzierten Quellen zusammensetzt. In der Analyse eines soziokulturellen Wissensbestands zum Wohnen mit Medien in der Werbung sind Mensch-Technik-Verhältnisse besonders interessant. Wie ist das Gehäuse/Interface des Fernsehmöbels gestaltet? Wie wird der Körper, insbesondere die Hände, zwecks Bedienung eingesetzt? Erving Goffman stellt hinsichtlich geschlechtsspezifischer Gesten in der Werbung fest: „Frauen werden öfter als Männer abgebildet, wie sie mit ihren Fingern oder Händen den Umfang eines Objekts nachzeichnen, seine Oberfläche schützend umfassen oder liebkosen […]. Dieses rituelle Berühren unterscheidet sich vom utilitären Zugriff, der anpackt, manipuliert, festhält.“89

Während Frauen zu bewerbende Produkte lediglich berühren, greifen Männer aktiv zu. Hier lässt sich eine Traditionslinie ziehen zur Bewerbung von Haushaltstechnik. Laut Heike Weber zeichne sich diese dadurch aus, dass sie weibliche und männliche Techniknutzung jeweils spezifisch bildlich codiere, etwa indem der weibliche Tastendruck in der Werbung für eine Automatisierung der Technik und damit eine nutzerfreundliche Bedienung schlechthin stehe.90 Einen weiteren Diskurs, der die geschlechtsspezifischen Adressierungen im Gebrauch von Fernsehapparaten besonders stark vorantreiben sollte, stellen Fernsehfibeln dar.

Fernsehfibeln „Die in den fünfziger Jahren auch in Deutschland so überaus beliebten ‚Benimm-Bücher‘ hatten auf das Phänomen Fernsehen – wenn auch pauschalisierend in der vorgetragenen Kritik – sehr schnell reagiert.“91 Wie Thomas Steinmaurer in diesem Zitat darlegt, erscheinen mit den ersten Fernsehgeräten für den häuslichen Gebrauch Anfang der 1950er-Jahre erstmals Ratgeber zum Medium Fernsehen, die sich als Begleitbuch für die Gerätebesitzer verstehen. Diese ‚Benimm-Bücher‘ für das Medium Fernsehen werden auch Fernsehfibeln genannt und thematisieren den Umgang mit dem ‚neuen‘ Medium. Dabei folgen sie der Prämisse, dass eine neue Medientechnologie den Bedarf des Erlernens neuer Kulturtechniken mit sich bringe, sie verstehen sich also als Ratgeber für den ‚richtigen‘ Mediengebrauch. Die darin erteilten Ratschläge changieren zwischen Alltäglichkeit und Neuheit des Mediums Fernsehen: zentrales Anliegen 89 | Goffman, Erving: Geschlecht und Werbung [1979]. Suhrkamp: Frankfurt a.M. 1981, S. 125. 90 | Vgl. Weber, Heike: Stecken, Drehen, Drücken. Interfaces von Alltagstechniken und ihre Bediengesten. In: Technikgeschichte (2009), 76. Jg., H. 3, S. 233-254, S. 243f. 91 | Steinmaurer, Thomas: Tele-Visionen. Zur Theorie und Geschichte des Fernseh-Empfangs. Innsbruck [u.a.]: Studien-Verlag 1999, S. 306.

1. Archivmaterial zum Wohnen mit Fernsehmöbeln

ist es, Fernsehapparat und -rezeption fest in häusliche Interieurs und Routinen zu verankern, während gleichzeitig dafür plädiert wird, sich „[i]mmer wieder wundern“92 zu lassen, das Medium also nicht zu vorschnell als selbstverständlich gegeben aufzufassen. Viele dieser Ratgeber folgen der Prämisse, dass die Medientechnik dem Menschen zu dienen habe und nicht umgekehrt. „Machen Sie sich nur nicht zum Sklaven des Fernsehens!“93 lautet etwa der Leitsatz des Ratgebers Fernsehen ohne Geheimnisse von Karl Tetzner und Gerhard Eckert aus dem Jahr 1954. Die Fernsehfibel ist als Schritt-für-Schritt-Anleitung aufgebaut und setzt ein beim „erste[n] Rendezvouz“94, also dem Moment, in dem der Apparat über die Schwelle der Haustür getragen wird und endet bei medientechnischen Zukunftsvisionen, wie etwa Farb- und 3D-Fernsehen. Hier zeigt sich bereits eine wesentliche Strategie in der Vermittlung im Mensch-Technik-Verhältnis, und zwar die Antropomorphisierung95 des Fernsehempfängers, der vom „Date“ zum „neuen Familienmitglied“ wird.96 Dabei müsse aber darauf geachtet werden, dass eben nicht der Fernsehapparat die Routinen der Familie bestimmt, vielmehr habe er sich ihren Bedürfnissen unterzuordnen und ihnen zu dienen. Dass das ‚neue‘ Medium Fernsehen in eine Rhetorik des Dienens eingefügt wird, mag erst einmal verwundern. Schließlich zeugen die Ratgeber davon, dass es vor allem der Fernsehbesitzer ist, der zu lernen hat, wie man den Apparat richtig bedient. Gleichzeitig ist das Haus ein Ort, der mit einer langen Tradition des Dienens verknüpft ist. In Der Diener. Mediengeschichte einer Figur zwischen König und Klient97 legt Markus Krajewski dar, dass die antike Haushaltslehre vom ‚ganzen Haus‘ (Oikos) den Haushalt als geschlossene Einheit begreift: „Die Ökonomik sieht vor, daß ein Haus in wirtschaftlicher Hinsicht unabhängig bleibt, also sich selbst nährt und nicht auf zusätzliche Hilfe von außen angewiesen ist oder sich gar am auswärtigen Handel beteiligen muß.“98 Um diese Form der Autarkie zu gewährleisten, bedarf es bestimmter Delegationen: der pater familias, der Hausvater, trifft alle das Haus betreffenden Entscheidungen und 92 | Tetzner, Karl; Eckert, Gerhard: Fernsehen ohne Geheimnisse. München: Franzis-Verlag 1954, S. 20. (Hervorh. weggel.) 93 | Vgl. ebd., S. 16. 94 | Ebd., S.7. 95 | Unter Bezugnahme auf Tetzners und Eckerts Fernsehfibel stellen Monika Elsner und Thomas Müller heraus, dass „die Anthropomorphisierung technischer Vorgänge“ in den 1950er-Jahren zentral ist für eine möglichst reibungslose Integration des Mediums Fernsehen in das Haus, etwa in Form des Vergleichs zwischen Fernsehtechnik (Kamera) und menschlicher Wahrnehmung (Auge). Vgl. Elsner, Monika; Müller, Thomas: Der angewachsene Fernseher. In: Gumbrecht, Hans Ulrich; Pfeiffer, K. Ludwig (Hg.): Materialität der Kommunikation. 2. Auflage. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1995, S. 392-415, S. 395f. 96 | Vgl. Tetzner, Eckert: Fernsehen ohne Geheimisse, S. 7, S. 11. 97 | Krajewski, Markus: Der Diener. Mediengeschichte einer Figur zwischen König und Klient. Fischer: Frankfurt a.M. 2010. 98 | Ebd., S. 474.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

verfügt über die entsprechenden Ressourcen, d.h. weitere Familienmitglieder, Dienstpersonal und Dienstleistungen.99 Solche Formen des Zusammenlebens in einer Gemeinschaft aus Verwandten und Dienern, die bis in die frühe Neuzeit hinein relevant bleiben, werden vom Konzept der (bürgerlichen) Kleinfamilie abgelöst.100 Die Haushaltsführung im Sinne der Lehre vom ‚ganzen Haus‘ wird spätestens mit dem von Warnke beschriebenen Funktionswandel des Hauses um 1900 und dem Auszug der Arbeit aus dem Wohnzimmer obsolet. Die Einkapselung des Haushalts wird nun markiert durch räumlich dingliche Arrangements, wie es Warnke etwa für die Couchecke beschreibt (siehe Teil II, Kapitel 1.3). Mit diesem Wandel wird das aus dem Haus ausziehende Dienstpersonal nunmehr gänzlich ersetzt: Wie Krajewski zeigt, nehmen nicht-menschliche Diener, seien sie stumme Objekte oder ratternde technische Geräte, ihren Platz ein.101 Die (Haushalts-)Technik zeigt sich hier als Möglichkeitsbedingung dafür, dass eine solche Form der häuslichen Einkapselung gut funktioniert. Der Fernsehapparat wiederum hat ganz massiv daran Teil, dass sich das häusliche Netzwerk so enorm stabilisieren kann.102 In diesem Sinne ließe sich die Inszenierung des Fernsehapparats als Diener im Haushalt, wie er in Fernsehen ohne Geheimnisse beschrieben wird, in die von Krajewski dargelegte Entwicklung zur Technisierung des Haushalts einreihen. Seine Dienstleistung bestünde dann ganz grundlegend darin, die Ökonomie des Hauses weiterhin vom Außen abzugrenzen. Gleichzeitig zeichnet sich diese Form der Einkapselung nicht länger durch häusliche Autarkie aus. Vielmehr funktioniert sie erst darüber, dass das Medium Fernsehen diesen Ort mit der Außenwelt vernetzt und einen Informationsaustausch anleitet, den es jedoch unter ganz klaren Maßnahmen zu regulieren gilt. Im Gegensatz zu seinen Vorläufern der (medien-) technischen Diener im Haushalt erweist sich der Fernseher – wenigstens vorerst – als äußerst widerspenstig und muss erst noch handhabbar gemacht werden. In diesem Sinne wirft die Dienstleistung des Fernsehapparats die Benutzer wieder auf sich selbst zurück. Fernsehfibeln sind folglich Ausdruck eines Vermittlungsbedürfnisses zwischen Technik und Nutzern. Die zum ‚richtigen‘ Mediengebrauch anleitenden Fernsehfibeln sind stark gegenderd. Die geschlechtsspezifische Adressierung des „ideale[n] Fernseh-Zuschauer[s]“103 ist zurückzuführen auf das Genre, dem sich die Bücher zuordnen lassen. Sie finden ihre Vorläufer in der Hausväterliteratur des 16.-18. Jahrhunderts. Diese richtet sich an den männlichen und zumeist adeligen Hausvorstand und beinhaltet Richtlinien in Bezug auf Haushaltsführung, Landwirtschaft, Ehe 99 | Vgl. ebd. 100 | Vgl. ebd., S. 475. 101 | Vgl. ebd., S. 477. Krajewski verlängert diese Entwicklung bis zum sogenannten smart home, dessen Pointe in der digitalen Kommunikation der Akteure bestehe. 102 | Ähnlich wie die Fernbedienung ganz zentral dazu beiträgt, dass sich der Akteur couch potato stabilisiert (siehe hierzu Teil II, Kapitel 2). 103 | Tetzner, Eckert: Fernsehen ohne Geheimnisse, S. 12.

1. Archivmaterial zum Wohnen mit Fernsehmöbeln

und Familie.104 Diese Tradition der häuslichen Ökonomik schließt wiederum an die von Krajewski dargelegte Haushaltslehre an, die ihren Ursprung in der Antike hat und deren Wirkkraft bis in die frühe Neuzeit hineinreicht.105 Ausführendes Organ der Haushaltslehre ist der pater familias. Seine Aufgabe „besteht [...] im Wesentlichen darin, den heterogenen Akteuren, Menschen wie Dingen im Haus, gemäß ihren hierarchischen und funktionalen Unterschieden den ihnen adäquaten Platz im Ganzen zuzuweisen.“106 Die Ratgeberliteratur der 1950er-Jahre lässt sich als Residuum dieses männlichen Wissens um die Ökonomik des Hauses und die Anleitung, wie man die Dinge zu bedienen hat, damit sie einem selbst wiederum dienen, beschreiben. In den 1950er-Jahren findet sich dieses Prinzip nun übertragen auf den Mann als Fernsehzuschauer. Als Gerätebesitzer dirigiert er die Implementierung des Fernsehgeräts in die Familie und ist verantwortlich für einen gelungenen, d.h. möglichst reibungslosen bzw. störungsfreien Ablauf. Er trägt die Verantwortung dafür, dass der Apparat der Hausfrau und den Kindern nicht im Weg steht,107 womit die weiteren Familienmitglieder als Bestandteil des häuslichen Milieus entworfen werden. Als Quelle sind Fernsehfibeln neben ihrer Anleitung im Mensch-Technik-Verhältnis sowie geschlechtsspezifischer Adressierungen, die darin zum Ausdruck kommen, gerade auch deshalb so interessant, weil sie immer wieder markieren, was man nicht machen soll. Wenn solch ein Büchlein etwa dazu rät, dass man tunlichst nicht vor dem Apparat essen solle, weil dieses Verhalten die Kochkünste der Hausfrau nicht ausreichend würdige,108 so lässt sich im Umkehrschluss davon ausgehen, dass genau das möglichen damaligen Praktiken entspricht. Im folgenden Unterkapitel geht es nun darum zu fragen, in welcher Beziehung die dargelegten Diskurse zu den in ihnen verhandelten Dingen und Praktiken stehen.

1.3 Zum Verhältnis von Dingen, Praktiken und Diskursen Im obenstehenden Durchgang durch die Quellen zum Wohnen mit Fernsehmöbeln in der Nachkriegszeit in der BRD wurde danach gefragt, inwiefern sich daraus Gebrauchs- und Einrichtungspraktiken ableiten lassen. Die darunter versammelten Mediendiskurse zum Wohnen mit Fernsehmöbeln verhandeln 104 | Vgl. Niefanger, Dirk: Barock. Lehrbuch Germanistik. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart [u.a.]: Metzler 2006, S. 238f. 105 | Vgl. Krajewski: Der Diener, S. 475. 106 | Ebd. 107 | Vgl. Tetzner, Eckert: Fernsehen ohne Geheimnisse, S. 14. 108 | Vgl. ebd., S. 16.

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auf ihre je spezifische Art und Weise Dinge (Möbel, Medien, Dekorationsgegenstände) und Praktiken (des Einrichtens und Mediengebrauchs). In welchem Verhältnis stehen nun Diskurse, Dinge und Praktiken für die vorliegende Arbeit zueinander? Praktiken sind aktuell ein intensiv diskutiertes Thema in den Geistes- und Kulturwissenschaften, dessen Facetten im Weiteren nur kurz und selektiv dargelegt werden können. Geht es im Zuge des Anfang 2000 in den Sozialwissenschaften proklamierten „practice turn“ insbesondere um Laborstudien und die Gemachtheit wissenschaftlichen Wissens,109 so zeichnet sich im weiteren Verlauf der Diskussion ein neues Verständnis des Sozialen überhaupt ab. Im Unterschied zu klassischen Handlungs- und Gesellschaftstheorien geht es den Praxistheorien darum, die traditionelle soziologische Dichotomie zwischen Handlung und Struktur aufzubrechen bzw. zu dynamisieren. Eine grundlegende Annahme ist, dass sich Praktiken nicht aus gesellschaftlichen Strukturen heraus erklären. Vielmehr seien soziale Praktiken im Spannungsfeld zwischen individualistischer Strategie und gesellschaftlicher Routine zu begreifen.110 Andreas Reckwitz nennt drei Merkmale, die kennzeichnend für eine praxeologische Perspektive auf das Soziale sind, und zwar (1) die Materialität der Praktiken, (2) die implizite Logik der Praxis sowie (3) die Routinisiertheit und die Unberechenbarkeit der Praktiken.111 Im Weiteren werden die genannten Punkte kurz skizziert, da sie im Hinblick auf den Gebrauch von Fernsehmöbeln bzw. damit korrelierenden Einrichtungspraktiken bedeutsam erscheinen. Unter einer praxistheoretischen Perspektive wird (1) die Verwobenheit von Diskursen, Artefakten und Körpern betont statt etwa von der Vorgängigkeit einer dieser Instanzen auszugehen. Damit sind solche Ansätze um eine vermittelnde Perspektive zwischen technikdeterministischer und sozialkonstruktivistischer Analyse der Artefakte bemüht: „Die Artefakte erscheinen weder ausschließlich als Objekte der Betrachtung noch als Kräfte eines physischen Zwangs, sondern als Gegenstände, deren sinnhafter Gebrauch, deren praktische Verwendung Bestandteil einer sozialen Praktik oder die soziale Praktik selbst darstellt. In diesem sinnhaften Gebrauch behandeln die Akteure die Gegenstände mit einem entsprechenden Verstehen und einem know how, das nicht selbst durch die Artefakte determiniert ist. Andererseits und gleichzeitig erlaubt die Faktizität eines Artefakts nicht beliebigen Gebrauch und beliebiges Verstehen.“112 109 | Vgl. Schatzki, Theodore R., Knorr-Cetina, Karin; von Savigny, Eike (Hg.): The Practice Turn in Contemporary Theory. London [u.a.]: Routledge 2001. 110 | Vgl. Hörning, Karl H.; Reuter, Julia: Doing Culture: Kultur als Praxis. In: dies. (Hg.): Doing Culture. Neue Positionen zum Verhältnis von Kultur und sozialer Praxis. Bielefeld: transcript 2004, S. 9-15, S. 12. 111 | Reckwitz, Andreas: Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Eine sozialtheoretische Perspektive. In: Zeitschrift für Soziologie (2003), 32. Jg., H. 4, S. 282-301. 112 | Ebd., S. 291.

1. Archivmaterial zum Wohnen mit Fernsehmöbeln

Die Materialität der Körper und die Materialität der Artefakte sind somit als integrale Bestandteile des Sozialen zu verstehen. Die über diese Instanzen vermittelten sozialen Praktiken machen das Soziale erst aus. Ein know how im Gebrauch, wie es im obigen Zitat angeführt wird, verweist (2) auf die implizite Logik sozialer Praktiken. Anstatt davon auszugehen, dass Praktiken im Sinne eines knowing that stets bewusst ablaufen, interessieren sich praxistheoretische Ansätze für weitestgehend unbewusst ablaufende Handlungen der Subjekte. Soziale Praktiken schließen Intentionalität und Normativität zwar nicht aus, sind jedoch auch nicht auf diese Aspekte reduzierbar. Von Interesse ist also mehr ein implizites Wissen, das in bestimmten Praktiken zum Ausdruck kommt bzw. bei den Trägern der Praktik vorausgesetzt wird.113 Wie Jan-Hendrik Passoth herausarbeitet, sind verschiedene Wissensformen in Körper und Objekte eingeschrieben. Als Praxistheorie interessiert sich etwa die ANT weniger für explizites Wissen, sondern mehr für sogenannte interobjektive Wissensbezüge.114 Darunter fallen „kollektivierte Umgangsweisen von Subjekten mit Artefakten und von Artefakten mit Artefakten sowie intersubjektive Bezüge von Subjekten auf Texte, von Texten auf Texte und von Texten auf Artefakte“.115 Allgemeiner und nicht im Vokabular der ANT gesprochen, interessieren sich praxistheoretische Kulturtheorien für praktisches Wissen, das sich in einem Gemengelage aus diskursiven und nicht-diskursiven Praktiken ausdrückt. So unterschiedlich praxistheoretische Ansätze ausfallen können, haben sie doch wenigstens einen gemeinsamen Nenner. Sie treffen sich in der Annahme, dass singuläre Handlungen noch keine soziale Praxis ausmachen. Vielmehr geht es um Strukturentstehungen: „Einmal vermitteltes und inkorporiertes praktisches Wissen tendiert dazu, von den Akteuren immer wieder eingesetzt zu werden und repetitive Muster der Praxis hervorzubringen.“116 Erst das Moment der Wiederholung (3) macht also aus verteilten Handlungen soziale Praktiken: „Nicht jede Hantierung, nicht jedes Tun ist schon Praxis. Erst durch häufiges und regelmäßiges Miteinandertun bilden sich gemeinsame Handlungsgepflogenheiten heraus, die soziale Praktiken ausmachen.“117 113 | Vgl. ebd., S. 292. 114 | Vgl. Passoth, Jan-Hendrik: Fragmentierung, Multiplizität und Symmetrie. Praxistheorien in post-pluraler Attitüde. In: Conradi, Tobias; Derwanz, Heike; Muhle, Florian (Hg.): Strukturentstehung durch Verflechtung. Akteur-Netzwerk-Theorien und Automatismen. Paderborn: Fink 2011, S. 259-278, S. 263. Passoth verweist hier auf Latour, Bruno: Eine Soziologie ohne Objekt? Anmerkungen zur Interobjektivität. In: Berliner Journal für Soziologie (2001), 11. Jg., H. 2, S. 237-252; ders.: On Interobjectivity. In: Mind, Culture and Activity (1996), 3. Jg., H. 4, S. 228-245. 115 | Passoth: Fragmentierung, Multiplizität und Symmetrie, S. 263. 116 | Reckwitz: Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken, S. 294. 117 | Hörning, Reuter: Doing Culture: Kultur als Praxis, S. 12.

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Der Aspekt der Wiederholung verweist unter dieser Perspektive auf einen Überschuss, quasi als Absinken von intentionalen Handlungen in eine unbewusste Struktur. Besonders hervorzuheben ist nun, dass Routinisierungen nicht ohne Reibungen verlaufen. Das Spezifische an dieser Form der Wiederholung ist, dass sie von einem Spannungsfeld gekennzeichnet ist. So „bewegt sich die Praxis zwischen einer relativen ‚Geschlossenheit‘ der Wiederholung und einer relativen ‚Offenheit‘ für Misslingen, Neuinterpretation und Konflikthaftigkeit des alltäglichen Vollzugs.“118 Diese Veränderungsoffenheit zeigt an, dass Praxistheorien davon ausgehen, dass eine Praktik nicht etwa isoliert vorkommt, sondern dass sich das Soziale zusammensetzt aus einem Netz lose miteinander verknüpfter Praktiken, die sich in der Regel nicht trennscharf voneinander abgrenzen lassen.119 Auf Wiederholung basierende Praktiken betreffen jedoch nicht nur direkt Routinisierungen, sondern gleichsam ein bestimmendes Moment von Habitualisierung. „Habitualisierungen schleifen sich unbemerkt in die Körper und die Dinge ein, sie entstehen und werden häufig ohne Ausdrücklichkeit verändert.“120 In Anlehnung an Pierre Bourdieu geht es praxisorientierten Ansätzen zudem darum, eingeschliffenen sozialen Ungleichheiten nachzugehen und so Machtaspekte sichtbar zu machen. „Soziale Praxis ist immer schon mit Bewertungen, mit Interpretationen, Selbst- und Fremddeutungen verknüpft, auch wenn diese eher unbemerkt und unreflektiert ‚mitlaufen‘.“121 Praxistheoretische Perspektiven in den Sozialwissenschaften haben auch medienwissenschaftliche Debatten rund um Theorien der Praktiken neu inspiriert. Nick Couldry setzt sich in seinem 2004 erschienenen Text „Theorising Media as Practice“ mit Praxisfragen in der Medienwissenschaft auseinander. Die Pointe, die eine praxeologische Perspektive für die Medienwissenschaft haben könnte, sieht Couldry gerade in der Vermittlung zwischen Diskursen und Praktiken im Hinblick auf Medien: „If recent media research has foregrounded ‚media culture‘, practice theory translates this into two concrete and related questions: what types of things do people do in relation to media? And what types of things do people say in relation to media?“122

Auf Couldrys Kritik an Arbeiten, die unter dem Label der audience research entstanden sind, wurde in Teil I der Arbeit zu den Grenzen des Domestizierungsansatzes bereits eingegangen (siehe Teil I, Kapitel 2.2). Couldry weist darauf 118 | Reckwitz: Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken, S. 294. 119 | Vgl. ebd., S. 295. 120 | Passoth: Fragmentierung, Multiplizität und Symmetrie, S. 272. 121 | Hörning, Reuter: Doing Culture: Kultur als Praxis, S. 11. 122 | Couldry, Nick: Theorising Media as Practice. In: Social Semiotics (2004), 14. Jg, H. 2, S. 115132, S. 121.

1. Archivmaterial zum Wohnen mit Fernsehmöbeln

hin, dass medienbasierte Praktiken wie etwa fernsehen sich nicht ausschließlich unter dem Label der Rezeption von Medientexten subsumieren lassen, sondern ein heterogenes Gefüge darstellen: „There undoubtedly are a whole mass of media-oriented practices, and how those practices are coordinated with each other, remains an open question.“123 Im Weiteren wird es darum gehen, im Anschluss an Couldry die Perspektive auf Fernsehen um Praktiken des Einrichtens zu erweitern. Im Sinne einer praxeologischen Perspektive sollen Verflechtungen herausgearbeitet werden, die auf widersprüchlichen Wiederholungen und Routinisierungen beruhen. In Anlehnung an Couldry werden auf Fernsehmöbel bezogene Praktiken so weit und so gut es geht sortiert (siehe Teil I, Kapitel 2.2). Die Praxis des Fernsehens wäre dann unumgänglich eingebunden in ein Netz weiterer Praktiken, wie etwa die des Einrichtens. Hinter diesem Vorhaben steht die Intention, in dieser Menge an reiffizierten Praktiken Strukturentstehungen sichtbar zu machen, die sich jenseits geplanter Prozesse vollziehen, was sie als Automatismen beschreibbar macht.124 Im Hinblick auf das zu analysierende Material erscheint es sinnvoll, eine eigene These zur Sichtbarmachung von vergangenen Dingen und auf sie bezogene Praktiken zu entwickeln. Auch wenn im Zuge des „practice turn“ Praktiken für kulturtheoretische Analysen greifbar nahe erscheinen, so bleibt es doch weiterhin eine prekäre Angelegenheit, Praktiken zu untersuchen. Zwar erscheinen Praktiken auf den ersten Blick ziemlich persistent, wie Passoth in folgendem Zitat betont: „Indem sie in Körper und in Artefakte, in Gedächtnisse und in Texte und Maschinen eingeschrieben sind, erlangen Praktiken und Praxiskomplexe eine tatsächliche Dauerhaftigkeit.“125 Vom vergangenen Gebrauch von Fernsehapparaten als Möbel in den 1950er-/60er-Jahren bleiben jedoch zunächst nur die reiffizierten Objekte. Diese befinden sich in gänzlich neuen Gebrauchssituationen, entweder als Ausstellungsobjekt in Museen oder als ausgedientes Objekt in bundesdeutschen Kellern. Wer in die Archive der Bibliotheken und Museen geht, findet weitere Spuren vergangener Gebrauchsweisen und Einrichtungspraktiken mit Fernsehmöbeln, die insbesondere in Form von Bildmaterial vorhanden sind. Diese Objekte, ob nun drei- oder zweidimensional vorliegend, ermöglichen einerseits den Zugang zu vergangenen Praktiken. Gleichzeitig verstellen sie ihn, liegen mit ihnen doch nur noch die Überreste in Form des Faktisch-Materiellen vor. Der oben vorgenommenen Systematisierung des Archivmaterials liegt die Annahme zugrunde, dass den verschiedenen Quellen unterschiedliche Referenzebenen im Hinblick auf Einrichtungspraktiken mit Fernsehmöbeln zukommen. 123 | Ebd. 124 | Zum Automatismen-Begriff siehe die Einleitung in die vorliegende Arbeit sowie Kapitel 3 im vorliegenden Teil. 125 | Passoth: Fragmentierung, Multiplizität und Symmetrie, S. 263.

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In der Anzeigenwerbung äußert sich ein anderer Bezug zu Praktiken als in Einrichtungszeitschriften, neigt diese mit ihren visuellen Klischees doch noch mehr zu Schematisierungen und Stereotypisierungen als es in den Wohnmagazinen der Fall ist. In Fernsehfibeln werden wiederum Probleme im Wohnen mit technischen Medien identifiziert und konkrete Handlungsanweisungen gegeben, deren Rückbindung an die Lebenswelt vielleicht gerade darin besteht, dass sie etablierte Praktiken aufgreifen, indem sie von diesen abraten (wie etwa die Praxis des Essens vor dem Fernseher). Und auch die Quellen, die auf den ersten Blick einen vermeintlich „authentischeren“ Zugang zu damaligen Gebrauchsweisen von Fernsehapparaten als Möbel versprechen, wie etwa Leserbriefe und zeitgenössische Studien der empirischen Sozialforschung, sind kein direkter Spiegel vergangener Praktiken. Schließlich sind die Fragestellungen solcher Erhebungen zum Wohnen immer auch soziokulturell gerahmt. In den beiden folgenden Kapiteln werden nun diese Überbleibsel, im vorliegenden Fall also sehr heterogenes Quellenmaterial, das eine Spannbreite von der Abbildung von Fernsehmöbeln in Einrichtungszeitschriften bis zum Leserbrief mit der Frage nach geeigneten Stellplätzen umfasst, in ein Erkenntnisverfahren eingespeist, mit dem vergangene Apparategestaltungen und Praktiken des Einrichtens mit dem Fernsehapparat als Möbel wieder sichtbar zu machen versucht werden. Hierbei handelt es sich um ein in doppelter Weise kompliziertes Unterfangen: Als Zeugen vergangener Praktiken sind die Quellen selbst wiederum als Akteure in damalige Praktiken eingebunden. Wie im Laufe der folgenden Ausführungen noch zu zeigen sein wird, bilden diese heterogenen Quellentypen zusammengenommen einen Materialfundus aus, der sich gerade dadurch auszeichnet, dass sich die Ebenen der Dinge, Praktiken und Zeichen – wie weiter oben unter einer praxistheoretischen Perspektive herausgestellt – nicht scharf voneinander trennen lassen.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten in den 1950er-/60er-Jahren Der im vorigen Kapitel dargelegten Annahme, dass Diskurse ihre eigenen Gegenstände erst herausbilden, wird im Folgenden mit Blick auf das Design von Fernsehmöbeln in den 1950er-/60er-Jahren weiter nachgegangen. Es wird darum gehen, zu zeigen, welche Aushandlungen zu Fernsehapparaten sich an ihren Gehäusen und Interfaces materialisieren und welche agency wiederum mit den je spezifischen Gestaltungen verbunden ist. Zwar gibt es durchaus bindende Faktoren, wie etwa medientechnische Gründe, die die Gestaltung der Fernsehgeräte beeinflussen. Wenn Gehäusen ganz grundlegend die Funktionen zukommen, die Technik zu bündeln, den Apparat adressierbar zu machen, sowie die Technik vor äußeren Einflüssen, wie etwa Staub und Schmutz zu schützen (siehe Teil II Kapitel 1.2), so trifft dies auch auf Fernseher zu. Und dennoch: Die Gehäuse von Fernsehapparaten erschöpfen sich nicht in diesen Basis-Funktionen. Ihre Gestaltung zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf einen ganz spezifischen Ort ausgelegt ist, nämlich das Zuhause, was sie zum zentralen Schauplatz der Vermöbelung von Fernsehapparaten macht. Und selbst die Interfaces dieser Gehäuse, die als Signifikanten des Technischen sichtbar bleiben, korrespondieren mit den Wohnumwelten des Fernsehens. Genau um diesen Bezug zwischen Fernsehern und der Inneneinrichtung, der sich an ihren Gestaltungen manifestiert, geht es im Weiteren. Um die Zielrichtung des vorliegenden Kapitels zu klären, sei an dieser Stelle bereits kurz auf das darauf folgende verwiesen: Beide Kapitel stellen einen Versuch dar, die Verhäuslichung des Fernsehens aus der Perspektive der Inneneinrichtung zu denken und weniger vom technischen Medium selbst auszugehen (siehe hierzu auch Teil I, Kapitel 2.2). Das vorliegende Kapitel setzt in diesem Unterfangen stärker bei den Gestaltungen der Gehäuse und Interfaces von Fernsehmöbeln an und macht damit den methodisch-theoretischen Teil zu Designfragen (Teil II, Kapitel 1) am Gegenstand produktiv. Das anschließende Kapitel hat zwar eine ähnliche Konstellation, indem es Fernsehapparate mit Inneneinrichtungen zusammendenkt. Eine wichtige Verschiebung in der Perspektive besteht jedoch darin, dass es als letztes Kapitel der vorliegenden Arbeit nicht so sehr danach fragt,

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welche Gestaltungen Fernsehgeräte zu Möbeln machen, sondern auf konkrete Einrichtungspraktiken und räumlichen Wandel eingeht, die neben dem Gehäuse- und Interface-Design über die Vermöbelung des Fernsehens entscheiden. Damit schließt es stärker an den methodisch-theoretischen Rahmen zur ANT an, der bereits in Teil II, Kapitel 2 zur Beschreibung von häuslichen Netzwerken und ihrem Wandel herangezogen wurde. Erst über einen entsprechenden Gebrauch seines Gehäuses – vermittelt über die Praxis des Einrichtens, die Stellplätze, Dekor und weitere Möbel an der Peripherie des Geräts mit einschließt – wird dem Fernsehgerät ein Möbel-Status zugesprochen. Im letzten Kapitel der Arbeit geht es um eben diese Allianzen von Fernsehapparaten mit den Möbeln und Einrichtungs- bzw. Dekorationsgegenständen des Wohnraums, wie etwa Bücherregalen, Hausbars und Gardinen. Auch wenn das vorliegende Kapitel mehr das Gehäuse-/Interface-Design und das darauf folgende Einrichtungspraktiken fokussiert, so beziehen sich beide auf die designgeschichtlichen Arbeiten von Warnke und Attfield, die in Teil II, Kapitel 1.3 der vorliegenden Arbeit produktiv gemacht wurden. In gewisser Weise stellen die beiden Fallstudien ein Scharnier zwischen Design und ANT dar: Beide interessieren sich für die Gestaltung der Möbel im Wohnraum und die dahinter stehende Ebene der Produktion, denken diese aber wiederum mit Einrichtungspraktiken und häuslichem Wandel zusammen. Wie zentral nun die Frage nach dem Gehäuse- und Interface-Design für das Medium Fernsehen im benannten Zeitraum ist, mag ein „Kastentest“ verdeutlichen, den der Autotester Rainer Günzler 1968 in der HörZu an einem Tischempfänger demonstriert: „Kaltstart, Seitenwind, Wasserprobe – hält das ein Fernsehgerät aus?“.1 An verschiedenen Stationen wird die Standhaftigkeit des Gehäuses eines Serienmodells getestet: in der Kältekammer bei minus 17 Grad Celsius (Abb. 1), auf einer 45 Grad abschüssigen Rutsche, vor einer Windmaschine, in einem Wassergraben. Bei der Fotostrecke handelt es sich um ein Silvestergeschenk der HörZu an ihre Leser, die seit jeher wissen möchten, „was ihr Heimkinotopp an effektiver Belastung ertragen kann“.2 Erst infolge eines Wurfs von einem 12m hohen Kran als Endstation des Stress-Parcours gibt sich der Fernsehempfänger geschlagen: „Zu aller Bestürzung gibt der Kasten sein Innerstes preis.“3 Nicht nur das Gehäuse, sondern der ganze Apparat wird infolge des Kastentests zerstört (Abb. 2). Die Tatsache, dass der Fernseher sich erst unter solchen Bedingungen anfällig zeigt, die gerade nicht zuhause vorherrschen – wie Minusgrade und Windböen – lässt sich als diskursives Plädoyer dafür lesen, dass der Apparat eben doch am besten unter häuslichen Vorzeichen funktioniere. Die Botschaft des ganzen wahnwitzigen Stresstests könnte denn auch lauten: Wer den Fernseher aus seinem eigentlichen Zusam1 | Anonymus: Nicht mehr alles im Kasten. In: HörZu (1968), H. 52, S. 6-8, S. 6. 2 | Ebd. 3 | Ebd., S. 8.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

menhang, nämlich den des Zuhauses, herausreißt, muss damit rechnen, dass er nicht länger gut funktioniert. Sein Gehäuse – und mit ihm der ganze Apparat – lässt sich so gesehen als eindringlicher Zuspruch für die häusliche Umwelt begreifen.

Abb. 1: Stresstest in der Kältekammer Abb. 2: Zerstörtes Gehäuse nach Wurf von einem 12m hohen Kran

Im vorliegenden Kapitel geht es nun darum, die Vermöbelung von Fernsehapparaten in der BRD der Nachkriegszeit zu systematisieren. Im ersten Teil wird die These eines „Möbel-Werdens“4 von Medien verfolgt, das immer dann greift, wenn technische Medien und das Haus aufeinandertreffen. Diese These wird am Gegenstand des Fernsehmöbels ausgeführt und anhand von Archivmaterial dargelegt. Der Frage, wie der TV-Apparat in den 1950er-/60er-Jahren vermöbelt wird, geht dieser Teil anhand seiner spezifischen Gehäuse- und Interface-Designs und korrelierenden Möbel- und Einrichtungsstilen nach. Unter einer designgeschichtlichen Perspektive werden Fernsehapparate vor allem über das verwendete Material (bspw. Holz), ihre Abmessungen (bspw. auf Füßen stehend) und ihre Interfaces (über Bildschirme sowie Tasten und Druckknöpfe, die mit Moden in 4 | Unter Bezugnahme auf den von Joseph Vogl geprägten Begriff des „Medien-Werdens“. Vgl. Vogl, Joseph: Medien-Werden: Galileos Fernrohr. In: Engell, Lorenz; Vogl, Joseph (Hg.): Archiv für Mediengeschichte. Bd. 1. Mediale Historiographien. Weimar: Universitätsverlag Weimar 2001, S. 115-123.

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der Inneneinrichtung korrespondieren, sowie die Gehäuse selbst, die sich öffnen/ schließen/schieben lassen) als Möbel gestaltet. Dementsprechend versteht sich das Unterkapitel als Plädoyer dafür, wichtige Vorläufer in der Verhäuslichung des Mediums Fernsehen nicht ausschließlich im Bereich der technischen Medien selbst zu suchen.5 Wie es sich in den designgeschichtlichen Arbeiten von Warnke und Attfield bereits abgezeichnet hat (siehe Teil II, Kapitel 1.3), stellen die Möbel des Wohnraums eine wichtige Referenz in der Verhäuslichung des Fernsehens dar. Kennzeichnend für die im Rahmen der vorliegenden Arbeit verfolgte Möbel-Perspektive auf das Medium Fernsehen ist es, an eben diese Vorgehensweise anzuschließen und das Mobiliar als einen zentralen Vorläufer zu denken. Die Pointe des vorliegenden Kapitels besteht also darin, die Möbel des Wohnraums in den 1950er-/60erJahren als wesentlichen Bezugspunkt in der Gestaltung von Fernsehapparaten auszumachen. Gleichzeitig geht es darum, das Archivmaterial, das hierfür zu Rate gezogen wird, und dessen Quellen im vorherigen Kapitel vorgestellt wurden, auf seine dingbasierten Entwürfe zu geschlechts- und schichtspezifischen Codierungen zu befragen. Am Anschluss daran zeigt der zweite Teil des Kapitels die Grenzen einer These des Möbel-Werdens auf. Hier geht es darum, die Vermöbelungsthese nicht zu stark zu verallgemeinern und kritisch zu reflektieren. Zum einen wird dargelegt, dass das Medium Fernsehen hinsichtlich seiner Vermöbelung kein singuläres Phänomen darstellt. Mit einem selektiven Blick in die Geschichte der Vermöbelung unterschiedlicher Medien ließe sich eine Regel extrapolieren, die zeigt, dass auch diese über die Gestaltung und Aneignung ihrer Gehäuse und Interfaces zum Bestandteil des häuslichen Interieurs werden. Diese Relativierung wird am Beispiel des Mediums Telefon kurz ausgeführt. Gerade am Telefon lässt sich besonders gut zeigen, wie stark das Bestreben ist, es in die Einrichtung zu integrieren und nicht als technisches Gerät stehen zu lassen. Darüber hinaus werden die Grenzen der in diesem Kapitel zu systematisierenden Vermöbelungsthese am Gegenstand mobiler Medien ausgelotet. Schließlich grenzen sich diese gerade ab vom häuslichen Raum und lassen sich in ihrer Gestaltung nicht unmittelbar an Einrichtungsstile rückbinden. Vielmehr lassen sich ihre Gestaltungen unter dem Prinzip der „Verkofferung“ fassen, was anhand von Fotografie, Radio und Fernsehen am Ende des Unterkapitels in Form eines Exkurses kurz dargelegt wird.

5 | In der fernsehwissenschaftlichen Forschung wird der Radioapparat als wesentlicher Vorläufer im Hinblick auf die Verhäuslichung des Mediums Fernsehen beschrieben. Siehe hierzu auch Teil I, Kapitel 1.2).

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

2.1 Zum Möbel-Werden von Fernsehgeräten Medien-Werden | Möbel-Werden Die folgende Darstellung des Möbel-Werdens des Mediums Fernsehen bezieht sich auf das Konzept des Medien-Werdens von Joseph Vogl. Darin fragt Vogl danach, wann und wie sich Medien herausbilden. Dieses Vorgehen ist darin motiviert, „einen generellen Medienbegriff zurückzustellen und stattdessen jeweils historisch singuläre Konstellationen zu betrachten, in denen sich eine Metamorphose von Dingen, Symboliken oder Technologien zu Medien feststellen lässt.“6

Vogls Heuristik nach werden (wissenschaftliche) Instrumente an dem Zeitpunkt zu Medien, wenn Technik und Wahrnehmung aufeinander bezogen sind, wie er am Beispiel von Galileo Galileis Fernrohr darlegt. Wie Vogl beschreibt, wird das Medien-Werden des Fernrohrs von einschlägigen Transformationen getragen. Aus einem Apparat, der sich aus einem Rohr und zwei Linsen zusammensetzt, wird in dem Moment, in dem Galilei davon Gebrauch macht, das Sehen neu definiert.7 Mit Galilei habe sich eine Wende vollzogen: Von nun an gibt es eine „veränderte Bestimmung dessen [...], was Sehen, Sichtbarkeit, das Verhältnis von Auge, Blick und gesehenem Ding bedeuten.“8 Das technische Gerät wird insofern zum Medium, als es eine Reflexion der Wahrnehmung mit sich bringt, was Vogl als „Denaturierung der Sinne“9 bezeichnet. Das Teleskop „löscht“ die vermeintliche Natürlichkeit des Blicks und zeigt an, dass sowohl das Auge als auch das Fernrohr optische Systeme darstellen, die gleichwertig nebeneinander stehen.10 Vogls Kompositum des „Medien-Werdens“ scheint für den Gegenstand der vorliegenden Arbeit dahingehend gewinnbringend, dass sich daran anknüpfend ein Möbel-Werden des Mediums Fernsehen modellieren lässt. An Vogls Überlegungen anschließend ließe sich die These aufstellen, dass sich das Möbel-Werden des Mediums Fernsehen in dem Moment vollzieht, in dem Medientechnik und das Haus aufeinander treffen (Abb. 3).Das Möbel-Werden wäre dann wiederum als (möglicher) Bestandteil des Prozesses zu beschreiben, in dem Medien zu Medien werden. In diesem Sinne wäre das Möbel-Werden eine Komponente dessen, was man als Medien denkt. Zwar müssen sich Medien zu einen gewissen Grad stabilisiert haben, um zu Möbeln zu werden. In ihrem Medien-Werden würde sie das dann jedoch noch einmal modifizieren. Und natürlich werden nicht alle

6 | Ebd., S. 122. 7 | Vgl. ebd., S. 115. 8 | Ebd. 9 | Ebd. 10 | Vgl. ebd., S. 116.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Medien auch zu Möbeln. Wenn sie aber vermöbelt werden, dann hat das ggf. eine Auswirkung darauf, wie sie als Medien funktionieren – und genau dieser Spur möchten die weiteren Ausführungen nachgehen.

Abb. 3: Schaubild zum Möbel-Werden von Medien

Diese methodisch-theoretischen Überlegungen zum Möbel-Werden von Medien lassen sich am Gegenstand des Fernsehens näher erläutern. Schon bevor das Fernsehen in den 1950er-Jahren in Form eines eigenen Empfängers vermehrt in bundesdeutschen Haushalten steht, hat es sich als Medium stabilisiert. Es stellt bereits eine technische Funktionseinheit dar, das neben einer bereits angelegten dispositiven Struktur auch über ein Gehäuse verfügt, das es als Möbel kennzeichnet (siehe Teil I, Kapitel 1.1). Das Möbel-Werden des Fernsehers vollzieht sich somit bereits in den präapparativen, diskursiven Visionen und Entwürfen zu den Gestaltungen und Funktionslogiken des Apparats. Gleichzeitig stehen diese bereits im Medium angelegten Aspekte mit der tatsächlichen Überführung ins Haus erneut zur Disposition. Zusätzlich – und dies ist von großer Relevanz – treten neue Spezifika hinzu. Mit einem allgemeinen Programmstart Anfang der 1950er-Jahre wird das Medium Fernsehen offiziell als „Fenster zur Welt“ direkt ans Haus gebunden (siehe Teil I, Kapitel 1.1). Hier zeigt sich, dass die Wahrnehmungsmodifikation, die das Fernsehen mit sich bringt, ganz stark an häusliche Aspekte gekoppelt und so zum Thema der Inneneinrichtung gemacht wird. Das Möbel-Werden lässt sich letztendlich als ein Bestandteil dessen verstehen, wie Telepräsenz11 funktioniert: 11 | Der Begriff hebt ab auf Fernsehen als „neue Form der sinnlichen Wahrnehmung, die sich weitgehend unter den gleichen Prämissen wie natürliches Sehen zu vollziehen hat, nur dass sie nicht an körperliche Präsenz gebunden bleibt, sich als Telepräsenz realisiert.“ Bartz, Christina; Ruchatz, Jens: Tele-Medien. Telgrafie, Television. In: Liebrand, Claudia; Schneider, Irmela;

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

Fernsehen wird als fester Bestandteil des häuslichen Raums entworfen, mit dem eben dieser – paradox – mit einem Blick in die Ferne gleichsam überwunden werden kann. Hier greifen Möbel-Werden und Medien-Werden in Form einer Reflexion der Wahrnehmung ineinander. Die weiteren Ausführungen verfahren nicht so sehr historisch – wie es kennzeichnend ist für Vogls Vorgehensweise –, sondern systematisch. In diesem Sinne geht es weniger darum, detailliert die historische Konstellation des Möbel-Werdens des Fernsehens zu beschreiben, sondern systematisch darzulegen, welche Aushandlungsprozesse das Medium zum Möbel machen. Die vorliegende Arbeit begreift das Gehäuse als zentralen Schauplatz dieser Vermöbelung (siehe Teil II, Kapitel 1.2). Das Möbel-Gehäuse ist ein Ort, an dem widersprüchliche Aushandlungen zu seiner Gestaltung als technischer Apparat und Möbel sichtbar werden. Zwar wird das Gehäuse so zum zentralen Aspekt im Möbel-Werden des Mediums Fernsehen. Wie im folgenden Kapitel noch zu zeigen ist, erschöpft sich die These eines Möbel-Werdens darin jedoch nicht. Sobald sich Fernseher in ihrer Gestaltung als Möbel gut in den Wohnraum einfügen lassen, werden Einrichtungspraktiken wichtig, etwa vermittelt über Stellplätze und die räumlich dinglichen-Verbindungen zu den weiteren Möbeln und Dekorationsgegenständen des Wohnraums. Mit dem Möbel-Werden des Mediums Fernsehen in den 1950er-/60er-Jahren wird in den gesellschaftlichen Aushandlungen stärker ins Detail gegangen und etwa der Grad der Vermöbelung von Fernsehgeräten zum Gegenstand. Hierbei wird das Verhältnis zwischen Gehäuse und Interface zum entscheidenden Kriterium für den Status des Apparats als Möbel. Die Frage ist dann, ob der Apparat mehr Bildschirm oder ein größeres (Holz-)Chassis aufweisen sollte. „Muss der Fernsehempfänger so aussehen?“ fragt etwa Karl Tetzner in einem Artikel, der 1953 in der Fachzeitschrift Fernsehen erscheint. Im Gegensatz zu den USA und Großbritannien seien die Bildschirme der Fernsehapparate in Deutschland viel zu klein und die Gehäuse viel zu groß und klobig. Tetzner empört sich insbesondere darüber, dass die Technik zwar schon größere Bildschirme erlaube, die Hersteller und Konsumenten sich aber anscheinend noch davor scheuten.12 Die Bildfläche des Fernsehapparats ist dieser Logik zufolge ein widersprüchliches Interface: Zum einen stellt sie das Faszinosum und den zentralen Mehrwert gegenüber dem Radioapparat dar, während sie den Fernsehapparat zum anderen anscheinend auch in den 1950er-Jahren noch zu einem unheimlichen Medium macht (siehe Teil I, Kapitel 1.1). Es scheint so, als bedürfe ein Medium, das die Außenwelt als audiovisuelles Erlebnis vermittelt über Ton und Bild ins Haus bringt, aus Sicht der Industrie und der Zuschauer der besonderen Einhegung. Frahm, Laura (Hg.): Einführung in die Medienkulturwissenschaft. Münster: Lit 2005, S. 199-221, S. 213. (Hervorh. weggel.) 12 | Vgl. Tetzner, Karl: Muss der Fernsehempfänger so aussehen? In: Fernsehen: Gestalten, senden, schauen. Illustrierte Monatshefte für Fernseh-Freunde (1953), H. 10, S. 581-583, S. 582.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Im Weiteren geht es darum, das Möbel-Werden von Fernsehapparaten in den 1950er-/60er-Jahren am Design ihrer Gehäuse bzw. Interfaces und damit korrelierenden Einrichtungsstilen und Nutzungspraktiken festzumachen.13 Der Annahme, dass es zu Reibungen kommt, wenn eine Medientechnik und das Haus als Ort des Wohnens aufeinandertreffen, wird anhand der Vermöbelungstendenzen des Fernsehapparats nachgegangen. Das vorliegende Unterkapitel systematisiert das Gehäuse-/Interface-Design von Fernsehapparaten und ordnet es ein in die zeitgenössische Wohnkultur (also Möbel-/Einrichtungsstile) und Architektur. Hierzu wird im Folgenden zunächst der Ausdifferenzierung des Wohnens während des genannten Zeitraums nachgegangen, um wesentliche Wohnleitbilder herauszustellen. Besonders relevant hierfür sind die Funktionsweisen von Möbeln in den 1950er-/60er-Jahren, die aufgrund von Platzmangel flexibel geworden sind und sich „klappen/ausziehen/drehen/schwenken/rollen“ lassen. Diese Möbel-Gestaltungen gilt es dann in einem zweiten Schritt an Tendenzen des Gehäuse-Designs von Fernsehapparaten rückzubinden. Dem Archivmaterial lässt sich entnehmen, dass zwei Tendenzen des Wohnens, nämlich sogenannte traditionelle und moderne Einrichtungsstile, am Design von Fernsehgeräten besonders stark verhandelt werden. Anhand der Begriffe „zeigen/verbergen“ sowie „auf-/zuschieben“, „drehen/schwenken“ und „schalten“ werden schließlich die widersprüchlichen Tendenzen festgemacht, die sich in der Gehäuse- und Interfacegestaltung materialisieren und die von Fernsehmöbeln ausgehen. Ziel ist es, anhand dieser Struktur zu zeigen, dass in der Gestaltung für Fernsehapparate solche Funktionen – und mit ihnen entsprechende Materialien, die diese ermöglichen – relevant werden, wie sie auch die zeitgenössische Möbelkultur kennzeichnen.

klappen/ausziehen/drehen/schwenken/rollen: Möbel- und Einrichtungsstile der 1950er-/60er-Jahre Zwar setzt um 1950 die Phase des Wiederaufbaus ein, die in der (populär-)wissenschaftlichen Forschungsliteratur unter dem Etikett „Wirtschaftswunder“ verschlagwortet wird. Michael Wildt begegnet dem Phänomen des sogenannten Wirtschaftswunders jedoch skeptisch, gilt es doch nicht uneingeschränkt für alle.14 Trotz knapper finanzieller Ressourcen zu Beginn der 1950er-Jahre stehen 13 | Dieser letztgenannte Aspekt wird dann im folgenden Kapitel anhand von Allianzen zwischen unterschiedlichen Akteuren im Wohnraum und ihnen zugrunde liegenden Operationsketten weiter vertieft, um so insbesondere geschlechts- und schichtspezifische Aspekte häuslichen Wandels herauszustellen. 14 | Vgl. Wildt, Michael: Privater Konsum in Westdeutschland in den 50er Jahren. In: Schildt, Axel; Sywottek, Arnold (Hg): Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre. Bonn: Dietz 1998, S. 275-289, S. 280.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

Einrichtungsgegenstände und technische Geräte weit oben auf der Liste neu anzuschaffender Dinge: „Von 1950 bis 1954 gaben die Arbeitnehmerhaushalte besonders viel für Möbel und andere Einrichtungsstücke aus [...]. Bemerkenswert ist der Anstieg der Ausgaben für elektronische Geräte, die seit Ende der 50er Jahre einen wesentlichen Platz innerhalb der Gesamtausgaben für den Hausrat einnahmen.“15

Allerdings wird nicht in allen Haushalten gleichermaßen euphorisch konsumiert. Bürgerliche Schichten verhalten sich skeptisch gegenüber den technischen Medien der Unterhaltungselektronik: „Im Bildungsbürgertum gab es überdies in mancher Hinsicht erkennbare Vorbehalte gegenüber einzelnen Innovationen, z.B. den neu aufkommenden Fernsehgeräten.“16 Die Frage „Wie richte ich mich ein?“ ist also unweigerlich gebunden an die Frage „Wie richte ich mich meinem (gewünschten) Lebensstil entsprechend ein?“. Statt eines von Möbelherstellern und Agenturen der kulturpolitischen ‚re-education‘ forcierten Wandels im Wohnen, wie er in Möbelkatalogen, -ausstellungen und -fachmessen beworben wird,17 zeigen die Bundesbürger nicht nur im Hinblick auf die gute Stube eine Beständigkeit im Einrichten, sondern auch die Wahl der Möbelstile betreffend: „‚Nach dem Krieg hatte die Möbelindustrie eine Revolution erwartet‘, sagte ein Möbelfabrikant, ‚aber sie kam nicht‘. Selbst die Leute, die alles verloren hatten, kauften sich, wenn sie in eine der neuen kleinen Wohnungen des Sozialen Wohnungsbaus einzogen, wieder so ähnliche große blankpolierte Möbel, wie sie früher in ihren viel größeren Wohnungen gestanden hatten.“18

Vor allem Möbel im Stil des sogenannten ‚Gelsenkirchener Barock‘ sind erneut begehrt. Diese heute nur mehr despektierlich gebrauchte Bezeichnung steht für einen Möbelstil, der auf wuchtige, furnierte (Wohnküchen-)Schrankmöbel zurückzuführen ist, die erstmals während der 1930er-Jahre und in der Nachkriegszeit noch einmal vermehrt produziert werden.19 15 | Ebd., S. 277. 16 | Sywottek, Arnold: Zwei Wege in die „Konsumgesellschaft“. In: Schildt, Axel; Sywottek, Arnold (Hg): Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre. Bonn: Dietz 1998, S. 269-274, S. 273. 17 | Vgl. Schildt, Axel: Moderne Zeiten. Hamburg: Christinas 1995, S. 95. 18 | Muhlen, Norbert: Das Land der Großen Mitte. Notizen aus dem Neon-Biedermeier. In: Der Monat (1953), Jg. 6, H. 63, S. 237-244. Zitiert nach Schildt: Moderne Zeiten, S. 95. 19 | Wie sich in einer Befragung von Bergarbeiterfamilien herausstellt, werden diese Möbel auch als „Knolli-Bolli-Stil“ bezeichnet. Vgl. Bahrdt, Hans Paul: Wie leben die Bewohner neuer Stadtteile und wie wollen sie eigentlich leben? In: Baukunst und Werkform: Monatsschrift für alle Gebiete der Gestaltung (1952), H. 6/7, S. 56-63, S. 60. „Knolli-Bolli“ ist zu dieser Zeit eine

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Aller Beständigkeit im Einrichtungsstil zum Trotz ist durchaus eine Durchmischung verschiedener Stile und Typen zu verzeichnen: „Die Kombination von Rationalisierung, Repräsentationsideal und Streben nach ‚Gemütlichkeit‘ erscheint typisch für die zeitspezifische Bemühung, es sich ‚wohnlich‘ zu machen sowie gleichzeitig die nun erreichte Sekuritätsstufe auszudrücken.“20

Gleiches gilt für die Wohnküche: Auch wenn sich die Arbeitsküche architektonisch durchsetzt, halten viele Haushalte in den 1950er-Jahren die Einrichtungspraxis der Wohnküche aufrecht, etwa indem sie Sitzgelegenheiten in die neuen, kleinen Küchen hineinquetschen.21 Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Privathaushalte geht neben Investitionen in Möbel und Produkte der neuen Unterhaltungskultur eine Technisierung des Haushalts einher. Zu dieser Zeit lässt sich eine erneute Welle der Rationalisierung der Haushaltsführung beobachten. Diese Tendenz, die bereits Mitte der 1920er-Jahre mit der Frankfurter Küche versinnbildlicht wurde, nimmt nun in weniger zugespitzter Form bald die gesamte Sphäre der Hausarbeit ein. Technische Geräte für die Haushaltsführung, wie etwa Kühlschränke, Waschmaschinen, Staubsauber und Küchengeräte, überschwemmen den Markt. Diese Geräte zur technischen Rationalisierung der Hausarbeit stellen nur oberflächlich betrachtet eine Form der Arbeitsentlastung dar, indem sie eine Zeitersparnis mit sich bringen. Wenngleich sie die Hausarbeit körperlich „erleichtern“, etablieren sich mit ihnen gleichzeitig neue Praktiken. Schließlich sehen sich Frauen angesichts der Breite des Angebots von Konsumgütern, die es vor der Ausdifferenzierung des Warenangebots nicht gab, dazu gezwungen, die Haushaltsführung neu zu orchestrieren.22 Über diese Entlastung von alten umgangssprachliche Bezeichnung für Kartoffelknollen. Vgl. Lemma „Knolli-Bolli“. In: Küpper, Heinz: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. Band V. 10000 neue Ausdrücke von A-Z: Sachschelten. Hamburg: Claassen 1967, S. 139. Eine mögliche Deutung dieses Begriffs im Hinblick auf Möbel des ‚Gelsenkirchener Barock‘ wäre, dass die Stilmöbel – ähnlich wie Kartoffeln – als etwas ‚typisch Deutsches‘ empfunden werden. In gewisser Hinsicht ist hiermit schon ein ganz bestimmtes Setting angesprochen, wie es so kennzeichnend für die Diskurse zur Verhäuslichung des Mediums Fernsehen ist: Abends sitzen müde Arbeiter in ihren Stilmöbel-Wohnzimmern und konsumieren Bratkartoffeln und Bier, während sie fernsehen. Vgl. Kerneck, Heinz: Beziehung zwischen Kultur, Massenmedien und Gesellschaft. In: Rundfunk und Fernsehen (1962), 10. Jg., H. 3, S. 225-231, S. 228. Im Unterschied zu den USA wird das Medium Fernsehen qua Einrichtung als Medium der Arbeiterklasse verhäuslicht (siehe Teil 1, Kapitel 1.2). 20 | Schildt: Moderne Zeiten, S. 96. 21 | Vgl. von Saldern, Adelheid: Von der „guten Stube“ zur „guten Wohnung“. Zur Geschichte des Wohnens in der Bundesrepublik Deutschland. In: Archiv für Sozialgeschichte (1995), 35. Jg., S. 227-254, S. 227. 22 | In der feministischen Technikdebatte wird dieses Phänomen als Beständigkeitsthese verhandelt. Dieser Position zufolge bedeute die Mechanisierung des Haushalts für Hausfrauen

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

bei gleichzeitiger Etablierung neuer Tätigkeiten hinaus macht die Technisierung des Hauses Frauen außerhäuslich anschlussfähig. Am Gegenstand des Kühlschranks zeigt John Hartley, wie diese neue Technik im Haushalt dem Fernsehen dahingehend ähnlich ist, dass sie eine „Kapitalisierung des Zuhauses“23 darstellt, mit der Produkte aus der öffentlichen Sphäre in den privaten Haushalt überführt werden (siehe Teil I, Kapitel 1.2). Diese Entwicklungen lassen auch die Inneneinrichtung nicht unberührt. Joachim Radkau attestiert diesbezüglich eine „Rationalisierung und Standardisierung des Wohnens“24. Gerade die Möbelproduktion der Nachkriegsphase ist geprägt von zweckrationalen Einbau- und Serienmöbeln, die im Laufe der 1950er-Jahre zunehmend in der Werbung und in Einrichtungszeitschriften vorgestellt und diskutiert werden. Die Anbaumöbel sind als flexible Erweiterungsmodule konzipiert, die eine Investition in die Zukunft darstellen sollen, wie es in einem dieser Einrichtungszeitschriftenartikel heißt: „Es sollen keine Möbel für einen individuell betonten Geschmack sein, sondern für jene breite, glücklicherweise wieder im Wachsen befindliche Schicht, die ihr gesundes Gefühl für Brauchbarkeit mit bescheidenen, auf längere Zeit verteilten Mitteln zu befriedigen strebt.“25

Die Wachstums-Metapher benennt nicht nur eine aufstrebende Mittelschicht. Gleichzeitig erfasst sie in Form der „wachsenden Wohnung“26 auch das Interieur. In den kommenden beiden Jahrzehnten wachsen die Möbel sozusagen mit den Kleinwohnungen mit. Im Laufe dieser Zeit wandelt sich auch das Design der Serienmöbel. Statt auf geraden Beinen stehen die Möbel nun auf gespreizten Leisten, wie in Einnicht etwa eine Reduzierung der anfallenden Tätigkeiten, sondern – im Gegenteil – eine Zunahme eben dieser. Vgl. Wajcman, Judy: Technik und Geschlecht. Die feministische Technikdebatte. Frankfurt a. M. [u.a.]: Campus 1994, S. 120. 23 | Hartley, John: Die Behausung des Fernsehens. Ein Film, ein Kühlschrank und Sozialdemokratie [1999]. In: Adelmann, Ralf; Hesse, Jan O., Keilbach, Judith, Stauff, Markus; Thiele, Matthias (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft. Theorie – Geschichte – Analyse. Konstanz: UVK 2002, S. 253-280, S. 264. 24 | Radkau, Joachim: „Wirtschaftswunder“ ohne technologische Innovation? Technische Modernität in den 50er Jahren. In: Schildt, Axel; Sywottek, Arnold (Hg): Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre. Bonn: Dietz 1998, S. 129-154, S. 143. 25 | Siepen, Bernhard: Einzelmöbel als Serie – ein neuer Weg. In: Die Kunst und das schöne Heim (1953), H. 51, S. 467- 469, S. 468. 26 | Siehe etwa Anonymus: Die wachsende Wohnung: Anbau-Möbel der Deutschen Werkstätten: Entwürfe von Architekt Helmut Magg, München. In: Die Kunst und das schöne Heim (1955), H. 53, S. 342f. Das Konzept der „wachsenden Wohnung“, das Helmut Magg 1953 mit der Entwicklung des Möbelprogramms „Die wachsende Wohnung“ für die Deutschen Werkstätten prägt, geht zurück auf ein Möbelprogramm, das Bruno Paul 1934 für die Deutschen Werkstätten entworfen hat. Vgl. Wichmann, Hans: Deutsche Werkstätten und WK-Verband 1898-1990. Aufbruch zum neuen Wohnen. München: Prestel 1992, S. 47.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

richtungszeitschriften zu den neuen Gestaltungsmöglichkeiten der Serienmöbel geschrieben wird: „Das neuzeitliche Serienmöbel hat sich durchgesetzt mit seinen einfachen und klaren kubischen Körpern. Nun aber greift die Schräge ein, allerdings nur als formale Äußerlichkeit, denn es ist kein ernstlicher sachlicher Grund dafür anzuführen.“27

Die von Architekten mit Modernität assoziierte Diagonale macht sich auch in den Inneneinrichtungen bemerkbar. So prophezeit der Artikel weiter: „Unschwer ist vorauszusehen, daß auch Stuhl, Sofa, Bett und Schrank unter die Macht der Schräge geraten werden.“28 Modische Cocktailsessel und Nierentische sind zwei besonders eindringliche Beispiele für diese asymmetrische Formgebung. Aller hier beschriebenen Flexibilität und Leichtigkeit im Design zum Trotz folgen Serienmöbel weiterhin dem Diktat der Komplettheit, wie Warnke es für die Sofagarnitur der guten Stube attestiert hat (siehe Teil II, Kapitel 1.3). So heißt es in einem weiteren Artikel: „Einer Schrankwand darf man es auf den ersten Blick nicht ansehen, daß sie aus vielen Einzelteilen zusammengesetzt ist. Den Eindruck der Geschlossenheit sollen weder Träger noch Absätze stören.“29 Wenigstens ideell gleicht die Schrankwand einer ‚geschlossenen Zelle‘. So schreibt Selle, „daß das Design der 50er Jahre in der Bundesrepublik im Gegensatz zum Anschein, den es erweckt, nicht modern gewesen ist, weil es sich massiv auf alte funktionale und ästhetische Produktleitbilder rückbezogen hat.“30 Die modernen Schrankwände, wie sie in den 1950er-Jahren populär werden, stellen denn auch eine Reminiszenz dar an die stattlichen Bücherschränke der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die zu dieser Zeit als symptomatische Möbel in bürgerlichen Herrenzimmer stehen.31 Die neuen Kompletteinrichtungen kommen schlichtweg weniger wuchtig und auffällig daher als ihre Vorgänger. Die neue Leichtigkeit der Möbel ist u.a. zurückzuführen auf neue Materialien und Fertigungstechniken. Die Tischlerund später auch die Spanplatte ermöglichen einen Möbelbau, der sich durch „[g]roße Frontflächen mit Naturholzstrukturwirkung“ auszeichnet.32 Im Gegensatz zu Massivholz, das im Möbelbau aufwendig verleimt werden muss, las27 | Harbers, Guido: Neue Gestaltungsmöglichkeiten mit Serienmöbeln. In: Die Kunst und das schöne Heim (1955), H. 53, S. 435-437, S. 436. 28 | Ebd. 29 | Anonymus: Anbauelemente sind architektonische Bausteine. In: Die Kunst und das schöne Heim (1966-67), 65. Jg., S. 354. 30 | Selle, Gert: Das Produktdesign der 50er Jahre: Rückgriff in die Entwurfsgeschichte, vollendete Modernisierung des Alltagsinventars oder Vorbote der Postmoderne? In: Schildt, Axel; Sywottek, Arnold (Hg): Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre. Bonn: Dietz 1998, S. 612-624, S. 612. (Hervorh. im Orig.) 31 | Vgl. Weinhold, Wolfgang: Vom Herrenzimmer zur Wohnwand. In: möbel kultur (1985), H. 7, S. 30-33, S. 32. 32 | Ebd.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

sen sich diese Hölzer leichter verarbeiten, womit auch flexiblere Formen möglich werden. Die beliebten Möbel skandinavischer Hersteller etwa werden aufgrund ihrer leichten Formen geschätzt. In Einrichtungszeitschriften erscheinen nun vermehrt Artikel, die sich mit Möbeln im skandinavischen Design beschäftigen. Diese werden als praktisch im Gebrauch, leicht und trotzdem stabil beschrieben; zudem zeichnen sie sich durch die Verwendung hochwertiger Hölzer aus. So heißt es etwa 1959 in Haus und Heim: „Das Eigentümliche an nordischer Möbelkultur scheint uns die schlichte Unauffälligkeit zu sein, mit welcher die Gegenstände sich im Einzelnen darbieten und in fast jede Umgebung einfügen lassen, auch zu alten Möbeln, Bilderrahmen und Wandleuchtern.“33

Besonders flexibel seien Serien-Regale mit Seitenteilen aus Metall und Tragbrettern aus dünnem Holz.34 Neben Serien- und Anbaumöbeln sind Klapp- und Kombinationsmöbel kennzeichnend für das Nachkriegsinterieur. Die räumliche Enge der Nachkriegswohnungen und niedrige Budgets materialisieren sich in flexiblen Möbeln. Statt Einzelschränken kommen modulare Regalsysteme in Mode, Couchtische lassen sich rollen und ausziehen. Wohnschlafcouches, Schrank-Klappbetten sind tagsüber Couch oder Schrank und verwandeln sich nachts in Betten. Neben den Dingen werden auch die Räume mehrfach codiert: „Wohnschlafzimmer, Bettcouch, Klappbett, kaschierende und raumteilende Vorhänge – das sind typische Vorschläge für eine neue Mobilität beim Wohnen durch Mehrzweckeinrichtungen.“35 In seiner zeichentheoretischen Analyse französischer Nachkriegseinrichtungen spricht Jean Baudrillard diesbezüglich vom „funktionelle[n] Wohnbereich“36: „Die Dinge lassen sich nun zusammenklappen, ausziehen und schwenken, verschwinden auf Wunsch und sind im nächsten Augenblick wieder da. Gewiß, all diese Neuerungen haben wenig mit einem spontanen Improvisieren zu tun, zumeist versteht sich diese größere Beweglichkeit, Vertauschbarkeit und Zweckmäßigkeit als eine zwingende Anpassung an die Enge des Wohnraumes.“37

In dieser Perspektive fügt sich die neue Mobilität und Flexibilität des Wohnens ein in die oben dargelegten Tendenzen der Zweckrationalisierung des Wohnens. 33 | Anonymus: Möbel im skandinavischen Design. In: Haus und Heim (1959), 8. Jg., H. 57, S. 7275, S. 74. 34 | Vgl. ebd. 35 | Tränkle, Margret: Neue Wohnhorizonte. Wohnalltag und Haushalt seit 1945 in der Bundesrepublik. In: Flagge, Ingeborg (Hg.): Geschichte des Wohnens. Band 5. 1945 bis heute. Aufbau, Neubau, Umbau. Stuttgart 1999, S. 689-806, S. 722. 36 | Baudrillard, Jean: Das System der Dinge. Über unser Verhältnis zu den alltäglichen Gegenständen [1968]. Frankfurt [u.a.]: Campus 1991, S. 27. 37 | Ebd., S. 25.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Eben diese Umbaulogik der häuslichen Einrichtungen affiziert im Laufe der 1950er-Jahre auch die apparativen Gestaltungen des Mediums Fernsehen. Die oben dargelegten Funktionen „klappen/ausziehen/drehen/schwenken/rollen“, die sich auf die Möbel dieser Zeit beziehen, betreffen nun auch Fernseher: „Dieses Vorgehen wird auch für den Fernseher relevant, der in den 1950er Jahren meist in eigenen Truhen und Schränken untergebracht und so dem Auge während des Nicht-Gebrauchs entzogen wird.“38

Die Möbelverkleidung der Fernsehapparate passt diese somit nicht nur in den Wohnraum ein, sondern auch in ganz spezifische Gebrauchsszenarien. Geschlossene Truhen und Schränke signalisieren eine „Totalvermöbelung“. Das Technisch-Apparative wird im Wohnraum nahezu komplett invisibilisiert (von Antennen und Kabeln einmal abgesehen). Im Nichtgebrauch ist es dann fast so, als würden die Fernsehapparate schlafen, wie ihre Besitzer, wenn sie das Interieur in den Nachtmodus umklappen. Wie schon die mobilen Couchtische vor ihnen, werden auch Fernsehapparate Teil des mobilen Interieurs, nämlich indem man ihre Möbelbeine mit Rollen versieht, auch wenn diese Gestaltung eher selten vorzufinden ist. Solche Design-Strategien legen nahe, dass Fernsehgeräte vollkommen in den Logiken des (Nachkriegs-)Wohnens aufzugehen scheinen. Gleichzeit entziehen sie sich diesen, indem sie als Hybride zwischen Möbel und Apparat das Interieur immer wieder irritieren. Herauszustellen inwiefern Fernsehapparate widersprüchlich in die Einrichtungen integriert werden, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen.

zeigen/verbergen: Fernsehmöbel zwischen traditioneller Inneneinrichtung und modernistischer Architektur Eine der grundlegenden Paradoxien des Einrichtens, die die Gestaltung von Fernsehmöbeln betrifft, ist die zwischen dem Modus des Zeigens und des Verbergens. So bewegen sich Fernseher zwischen dem Status eines Prestigeobjekts, das in der heimischen Inneneinrichtung ausgestellt wird, und dem eines störenden Mediums, das die häusliche Ordnung ästhetisch irritiert. Die im Weiteren zu systematisierenden Fernsehgeräte zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Gehäuse-Designs gezielt zwischen der Gestaltung als technische Medien und als Möbel vermitteln. Die Nähe zwischen Fernsehapparaten und der häuslichen Inneneinrichtung ist eine Voraussetzung dafür, dass der Apparat als Möbel ausgestellt werden und gleichzeitig darin verschwinden kann. Das 38 | Bartz, Christina: Einrichten. In: Bickenbach, Matthias; Christians, Heiko; Wegmann, Nikolaus (Hg.): Historisches Wörterbuch des Mediengebrauchs. Wien [u.a.]: Böhlau 2014, S. 195208, S. 200.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

Begriffspaar „zeigen/verbergen“ bezieht sich nicht so sehr auf aktive Tätigkeiten im direkten Umgang mit Fernsehmöbeln, wie „auf-/zuschieben“ (des Gehäuses), „drehen/schwenken“ (von Gehäuse und Bildschirm) und „schalten“ (der Bedienelemente). „Zeigen/verbergen“ meint hier weniger, dass Fernsehmöbel etwa unter Deckchen versteckt würden, sondern hebt vielmehr auf die Gestaltung ab: Fernsehmöbel werden gewissermaßen unsichtbar, indem sie sich gut in die Einrichtung einpassen. Als repräsentative Möbelstücke werden Fernsehapparate im häuslichen Raum gleichzeitig ausgestellt und doch verborgen, indem sie sich als Möbel an das Interieur anpassen. Im Möbel-Werden in den 1950er- und 1960er-Jahren, wenn also die ersten Fernsehmöbel tatsächlich in den Haushalten stehen, treffen die Gehäuse der Apparate wie weiter oben dargestellt auf verschiedene Stile der Inneneinrichtung. Zu dieser Zeit differenziert sich das Wohnen stark aus. Fallen etwa Grammophon-, Phonographen- und Plattenspielermöbel Ende des 19. Jahrhunderts noch in die Frühzeit bürgerlichen Wohnens, betrifft das Wohnen mit Medien ab den 1950er-Jahren breitere gesellschaftliche Schichten und vielfältigere Wohnkulturen.39 Während die Wohnungsgrößen langsam wachsen, differenzieren sich auch die Einrichtungsstile aus. Zwar werden die Einrichtungen weiterhin dominiert vom traditionellen Werkstoff Holz. Wie noch zu zeigen sein wird, materialisieren sich an den Gehäusen und Interfaces der Fernsehapparate gleichzeitig auch gegenläufige Wohnstile. Anfang der 1950er-Jahre sind die Gehäuse der Fernsehapparate aus (Massiv-) Holz. Fernsehmöbel werden in kleinen Stückzahlen hergestellt, die Auflage der Serienproduktionen liegt bei max. 200-500 Stück.40 Zu dieser Zeit ist nur ein Modell aus Kunststoff auf dem Markt, ein zum Kaufpreis von 848 DM vergleichsweise günstiges Tischgerät des Herstellers Krefft.41 Tetzner zufolge sei die Dominanz von Holz als Gehäuseverkleidung für Fernsehapparate maßgeblich auf zwei Gründe zurückzuführen: Zum einen bevorzugten die Bundesbürger dieses Material und zum anderen werde Kunststoff erst in Serienproduktionen kostengünstiger und damit auch für Hersteller interessant.42 Die Vorherrschaft von Holz im Geräte-Design bewertet Tetzner kritisch, eben weil es keinen technischen Sachzwang gebe, der für diese Gestaltung spreche.43 Neben der Meinung von Experten kommen früh weitere Stimmen auf, die sich gegen massives Holz als Verkleidung des technischen Apparats aussprechen. In der HörZu-Rubrik „Funk und Technik: Fragen, die uns immer wieder gestellt werden“ erkundigen sich Leser, ob „im Ausland Fernseh-Empfänger-Gehäuse 39 | Detailliertere Ausführungen zum Möbel-Werden dieser technischen Medien finden sich in Miggelbrink, Monique: Vom Holz- zum Kunststoffgehäuse und wieder zurück: Fernsehmöbel-Zyklen. In: kultuRRevolution (1/2015), H. 68, S. 22-31. 40 | Vgl. Tetzner: Muß der Fernsehempfänger so aussehen?, S. 583. 41 | Vgl. ebd. 42 | Vgl. ebd. 43 | Vgl. ebd.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

aus Preßstoff hergestellt werden“, schließlich sei „Preßstoff [...] so praktisch im Gebrauch; er ist kratzfest und auch sonst nicht empfindlich.“44 Synthetische und industriell produzierte Kunststoffe bringen aus Sicht der Apparatebesitzer folglich das Versprechen mit sich, langlebiger im Gebrauch zu sein. Die Antwort der Redaktion fällt jedoch nüchtern aus: In den USA und Großbritannien seien Verkaufsversuche von Empfängern aus Pressstoff und sogar Metall (das schließlich noch pflegeleichter im Gebrauch sei) fehlgeschlagen. „Gekauft wurden Holzgehäuse, obwohl sie teurer sind. Der Fernsehempfänger ist nun einmal kein nüchterner Gebrauchsgegenstand. Er ist ein Möbelstück, das das Wohnzimmer schmücken soll, und mit dem der eine oder andere vielleicht sogar ein wenig ‚repräsentieren‘ will.“45

Anfang der 1950er-Jahre ist Holz das tragende Indiz dafür, dass es sich bei Fernsehapparaten um ein Möbel handelt. Aller anderen in Betracht kommenden Werkstoffen zum Trotz einigt man sich auf Gehäuse aus Massivholz. In diesen ersten Jahren der Verhäuslichung ähneln viele Fernsehapparate den Küchenbüffets im Stile des ‚Gelsenkirchener Barock‘. Von Weitem sehen Fernsehapparate aus wie Schrankmöbel, die eine Vitrine aufweisen (Abb. 4 + Abb. 5). Einige Schränke, wie etwa das Modell „Zauberflöte 200“ des Möbelherstellers Welle, stehen zudem über die Produktnamen den als „Zauberspiegeln“ bezeichneten Fernsehapparaten sehr nahe.46 Anstatt dass man mit ihnen die weite Welt ins Haus holt, wie es kennzeichnend ist für die Zauberspiegel-Metapher, suggerieren die Schrankmöbel dieser Produktlinie eine spezifische häusliche Nähe zu klassischer Musik und Kultur im Allgemeinen. Dieser Aspekt trifft auch auf die Produktnamen von Fernsehgeräten zu. Laut Siegfried Zielinski stellen „die ‚Raffaels‘, ‚Leonardos‘, ‚Konsule‘, oder ‚Diplomaten‘, von der Industrie ersonnene Bezeichnungen für den kulturdurchsetzten Luxus“ dar.47 Selbst Tischgeräte mit poliertem, marmoriertem Holzchassis sehen auf den flüchtigen Blick aus wie Miniatur-Schrankmöbel. Solche edelholzfurnierten Gehäuse stellen jedoch nicht nur in Arbeiterhaushalten eine ästhetische Referenz an bürgerlichen Stilmöbeln dar, wie es für die entsprechenden Schrankmöbel so kennzeichnend ist. Auch die Luxusempfänger des Geräteherstellers Loewe-Opta, die sich an bildungsbürgerliche Käufer richten, weisen noch Ende der 1950er-Jahre schwere, hochpolierte Holzgehäuse auf (Abb. 6).48 44 | Anonymus: Funk und Technik. Fragen, die uns immer wieder gestellt werden. Metallgehäuse für Fernseh-Empfänger. In: HörZu (1956), H. 44, S. 53. 45 | Ebd. 46 | Werbeanzeige für eine Schrankwand des Möbelherstellers Welle. In: HörZu (1954), H. 52, S. 15. 47 | Zielinski, Siegfried: Audiovisionen. Kino und Fernsehen als Zwischenspiele in der Geschichte. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1989, S. 205. 48 | Siehe etwa eine Werbeanzeige für Loewe-Opta Fernsehempfänger. In: HörZu (1958), H. 46, S. 47.

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Abb. 4: Schrankmöbel im Stil des ‚Gelsenkirchener Barock‘ (1954)

In der unmittelbaren Nachkriegsphase wird in der Vermöbelung von Fernsehapparaten jedoch nicht nur an die Traditionslinie des ‚Gelsenkirchener Barock‘ angeknüpft. Gegen den traditionellen Stil von Musiktruhen und Fernsehmöbeln im Wohnraum setzt die 1921 gegründete Firma Braun das Gestaltungsprinzip der Gradlinigkeit, was schon damals als Design-Sensation im Sinne des ‚guten‘ Geschmacks gefeiert wird.49 Braun-Geräte werden von Beginn an mit einem modernen Wohnen zusammengedacht: Der Braun-Messestand auf der Deutschen Rundfunk-, Fernseh- und Phonoausstellung 1955 zeigt die Geräte als Teil einer neuzeitlichen Inneneinrichtung, nämlich mit Möbeln des deutsch-amerikanischen Herstellers Knoll International.50 Knoll ist zu dieser Zeit für seine modernen Sitzmöbel bekannt, wie etwa den aus Stahlrohr gefertigten Stuhl „Wassily“; in den 1960er-Jahren sorgt der Möbelhersteller mit Tischen und Stühlen, die auf Metallstäben stehen, für Aufsehen.51 Mit den ersten Braun-Modellen kommen Fernsehempfänger Ende der 1950er-Jahre erstmals als modernistische Einrichtungsgegenstände daher, die sich auch in ‚formschön‘ eingerichteten Haushalten sehen lassen können (Abb. 7). 49 | Vgl. Günther, Sonja: Die fünfziger Jahre. Innenarchitektur und Wohndesign. Stuttgart: DVA 1994, S. 135. 50 | Vgl. Breuer, Romana; Hesse, Petra (Hg.): RadioZeit: Röhrengeräte, Design-Ikonen, Internetradio. Bielefeld: Kerber 2016, S. 63f. 51 | Vgl. Tillmann, Doris (Hg.): Plastic World. Design und Alltagskultur, 1967-1973. Kiel: Ludwig 2011, S. 85.

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Abb. 5: Fernsehmöbel im Stil des ‚Gelsenkirchener Barock‘ (1952) Abb. 6: Loewe-Opta-Fernsehempfänger mit poliertem Holzgehäuse (1958)

Abb. 7: Braun-Geräte als Teil einer modernistischen Inneneinrichtung (1957)

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

In Einrichtungszeitschriften wie Die Kunst und das schöne Heim werden Braun-Geräte nun gefeiert als Möglichkeit, sich „schlichter, aber gleichzeitig schöner und sogar preiswerter und bequemer als früher, eben neuzeitlich einzurichten.“52 Es sind nun vor allem junge Leute, die als Pioniere im Wohnraum zu den „wachsenden Liebhabern neuzeitlicher Einrichtung“ zählen und einer älteren Generation zeigen, wie man sich modern einrichtet.53 Der Artikel führt das formschöne Design von Braun-Geräten auf das schlichte Designprinzip des Herstellers zurück: „[J]e weniger Blendwerk und äußere Faxen, um so gediegener das Material (‚durch und durch‘) und die Entwicklungsarbeit.“54 Im Sinne der Designrichtlinie des form follows function weisen die Apparate keine als überflüssig eingestuften Elemente, wie etwa Dekoration, auf. Alles Gestalterische, was keine Funktion hat, wird weggelassen.55 Auf der Suche nach einem angemessenen ‚guten‘ Design werden verbindliche Kriterien festgelegt, die sich in Konzepten wie Funktionalität, Reduktion, Zweckmäßigkeit und Rationalität äußern und an den gestalteten Artefakten materialisieren.56 An dieser Entwicklung der Gestaltung von Fernsehapparaten lässt sich beobachten, dass mit den modernistischen Möbeln ein bestimmter Einrichtungsstil aufkommt, der sich durchsetzt und nun auf alle Geräte übergeht. Als Möbel verkleidetet Fernsehapparate schließen nun an die weiter oben dargelegte neue Wohnkultur an, die auf Serienmöbel mit einfachen und klaren Formen setzt und skandinavische Einrichtungen als besonders geschmackvolle Möbel referenziert. Hieran zeigt sich wiederum, dass Medien nicht nur im Technischen und im Gebrauch zu verorten sind, sondern mit Moden in Design und Architektur zu tun haben. Ein größeres Angebot von Fernsehapparaten im vom Braun-Design inspirierten ‚neuen‘ Stil kommt erst Anfang der 1960er-Jahre auf den Markt. Der Hersteller Graetz fragt 1965 in einer Werbeanzeige herausfordernd, warum man sich ausgerechnet jetzt einen neuen Empfänger anschaffen sollte. Als Antwort gibt die Werbung zu verstehen, dass die inzwischen um 22cm gewachsene Bildfläche nebensächlich sei. Das Hautargument für ein neues Gerät nach 52 | Habers, Guido: Radios und Fernsehgeräte aus der Produktion der Fa. Max Braun, Frankfurt/Main. In: Die Kunst und das schöne Heim (1957), 55. Jg., S. 160. 53 | Ebd. 54 | Ebd. 55 | Dieter Rams, der ab 1955 als (Innen-)Architekt das zeitgenössische Braun-Design wesentlich prägt, beschreibt diese Design-Konvention in einem späteren Text wie folgt: „One of the most significant design principles is to omit the unimportant in order to emphasize the important.“ Und weiter: „Good design means as little design as possible.“ Rams, Dieter: Omit the Unimportant. In: Design Issues (1984), 1. Jg., H. 1, S. 24-26, S. 24. 56 | Vgl. Mareis, Claudia: Theorien des Designs zur Einführung. Hamburg: Junius 2014, S. 65. Ein Überblick über Braun-Fernsehgeräte findet sich in Klatt, Jo; Staeffler, Günter (Hg): Braun+Design Collection. 40 Jahre Braun Design – 1955 bis 1995. 2. Auflage. Hamburg: Klatt 1995, S. 94-99.

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nunmehr zwölf Jahren Fernsehen stelle neben der perfektionierten Technik sein neues Design dar: „Die Technik wurde perfekt. Das Bild klarer und schärfer. Mehrere Programme sind zu empfangen. Die Gehäuse bekamen ihr modernes Aussehen. Sie wurden flacher und raumsparender.“57 Neben technischen Gründen sind es vor allem Entwicklungen in der Wohnkultur und Architektur, die die Gestaltung der neuen Fernsehapparate beeinflussen. TV-Apparate im sogenannten ‚neuen‘ Design fügen sich nun qua Gehäuse-Design ein in moderne Wohnräume, die der Zukunft zugewandt wirken sollen. Die Medialität des Gehäuses zeigt sich hier darin, dass es einen Ort darstellt, an dem gesellschaftliche Aushandlungen gebündelt werden, etwa zu den Fragen, was Fortschritt und ‚guten‘ Geschmack ausmacht. Die modernen Fernsehmöbel stellen in puncto Design ihre Hybridität gezielt zur Schau und changieren in Material und Form zwischen Möbel und technischem Gerät. In dem Artikel „Neuer Stil für Fernsehgeräte“, der 1962 in Haus und Heim erscheint, wird das Modell „Mallorca“ des Geräteherstellers Metz als paradigmatisches Beispiel für eine neue Gerätegeneration angeführt. Sein Gehäuse zeichnet sich durch einen Materialmix aus weißer Kunststofffront sowie Seiten- und Rückenwand in Nussbaum oder Rüster aus, der – so die Einschätzung des Artikels – „dem Gerät ein ganz neues, architektonisch klares Gesicht gibt“58. „Eigenwillig und zeitlos in seiner Architektur“59 stelle das Geräte-Design eine Nähe zum modernistischen Wohnungsbau her: „Mit dieser Gestaltung wird erreicht, was von vielen Innenarchitekten immer wieder gefordert wurde, daß sich das Fernsehgerät als Möbelstück der modernen Wohnungseinrichtung anzupassen habe.“60

Gleichzeitig stellt der Fernsehapparat also weiterhin ein Möbel dar, nur im neuen Gewand. Die neue Hybridität des Fernsehmöbels betrifft nicht nur das verwendete Material, sondern auch seine Form: „Durch ein praktisches Fußgestell aus silbergrau lackiertem oder verchromtem Vierkantrohr läßt sich das Tischgerät im Nu in ein Standgerät verwandeln.“61 In einer Phase, in der langsam sogenannte moderne Möbel Einzug in traditionelle Einrichtungen halten, passen sich flexible Fernsehmöbel diesen Übergangsmöblierungen an. Mit hybriden Fernsehmöbeln wie dem Metz-Modell „Mallorca“ wird nicht länger ausschließlich auf eine vollständige Einbettung in den Wohnraum gesetzt. Die Fernsehmöbel im hybriden Gehäuse vermitteln zwischen modernen und althergebrachten Inneneinrichtungen, indem sie „ein[en] hübsche[n] Kont57 | Werbeanzeige des Geräteherstellers Graetz. In: HörZu (1965), H. 44, S. 59. 58 | Anonymus: Neuer Stil für Fernsehgeräte. In: Haus und Heim (1962), H. 6, S. 19. 59 | Ebd. 60 | Ebd. 61 | Ebd.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

rast“62 zu letzteren darstellen (Abb. 8). Dieser Bruch wird gezielt forciert, wie im Zeitschriftenartikel weiter erklärt wird: „Der Versuch, alte Möbelformen in Tonmöbel nachzubilden, befriedigte nicht. Heute stehen bekannte Innenarchitekten auf dem Standpunkt, daß es besser ist, den technischen Zweck eines Gerätes nicht zu kaschieren, sondern bewußt einen Kontrast zu Stilmöbeln zu schaffen.“63

Das Möbelhafte des Apparats gerät zunehmend in den Hintergrund, während seine technische Seite stärker hervorgehoben wird. Statt das Gehäuse zu betonen, zeigen Fernseher nun mehr vom als modern wahrgenommenen Interface, wie etwa größere Bildschirme und Bedienelemente. Gleichzeitig werden diese mehr technisch anmutenden Fernsehempfänger auch vermittelt über ihre Platzierung an das neue, modulare Wohnen rückgebunden. Der Metz-Empfänger sei dementsprechend „wie geschaffen für eine Anbauwand oder einen Raumteiler“.64

Abb. 8: Neue Fernsehgeräte als Kontrast zu repräsentativen Möbeln (1962)

Auch bei Modellen, die weiterhin auf eine Vermöbelung qua Holz-Gehäuse setzen, hält Modernität im Design Einzug. Fernsehtruhen sehen nicht länger aus wie wuchtige schrankmöbelähnliche Artefakte und weisen immer öfter schlanke und gerade Formen auf. Statt aus auf Hochglanz polierten Edelhölzern sind die ‚geschmackvollen‘ Truhen nun aus Teak-Holz im skandinavischen Design, wie sie 1965 etwa in der HörZu vorgestellt werden. Die neuen Truhen kommen zwar in einem anderen Gewand daher, dienen aber weiterhin dem alten Zweck, die Technik zu bündeln und an den Wohnraum anzupassen: „Wie schön hält dagegen eine große Truhe alle Technik zusammen, umhüllt sie mit edlem Holz und läßt nur Netzschnur und Antennenkabel nach außen dringen.“65 62 | Ebd. 63 | Ebd. 64 | Ebd. 65 | Anonymus: Das Studio in HörZu. Dieser Schrank läßt keine Wünsche offen. In: HörZu (1965), H. 32, S. 73.

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Ein althergebrachtes Problem bleibt jedoch auch bei dieser Lösung bestehen. Als Signifikanten des Technischen stören herauslugende Kabel weiterhin den Wohnraum. So heißt es weiter: „Wie oft seufzt sie [die Hausfrau] über die Kabel und Leitungen, die den Stereo-Steuerteil mit den Lautsprechern, den Fernsehempfänger mit der Antennenbund Steckdose verbinden. Sie sind lästig und zuweilen gefährlich; Hunde knabbern daran, Familienangehörige und Gäste stolpern darüber.“66

Mit der Bündelung des Technischen im Wohnraum werden die entsprechenden technischen Medien zwar qua Möblierung eingehegt, gehen aber dennoch nicht vollständig im Wohnen auf. Ganz ohne Störungen passt sich die Technik auch in dieser modernen Form der Einkapselung nicht in den Wohnraum ein. Fast scheint es so, als seien die Wohnungen nicht ausreichend vorbereitet auf die große Technisierung, die zu dieser Zeit einsetzt, verfügen doch nur die wenigsten Wohnzimmer über ausreichend Steckdosen für die neuen Medienkombinationen. Die herumliegenden Kabel, die sich nun wie Wurzelwerk durch das Wohnzimmer ziehen, sind vielen Haushalten ein Übel, das sich schlicht nicht vermeiden lässt. Die Möblierung entspricht oft weniger den tatsächlichen Wohnwünschen, sondern stellt eine pragmatische Lösung dar, insofern sich nicht nur die technischen Medien selbst, sondern mit ihnen korrespondierende weitere Möbel wie etwa das Sofa, an den wenigen Steckdosen auszurichten haben. Erst in Neubauwohnungen wird vermehrt darauf geachtet, dass es ausreichend Anschlüsse gibt – auch wenn Architekten anfangs zögerlich bei der Berücksichtigung von Antennensteckdosen in ihrer Planung sind (siehe hierzu das folgende Kapitel).67 Das neue Wohnen und die Fernsehmöbel im neuen Stil sind jedoch vorerst nur in einigen wenigen Haushalten vorzufinden. In den meisten bundesdeutschen Wohnungen herrschen auch in den 1960er-Jahren traditionellere Einrichtungsformen vor. Jedoch zeichnet sich eine Pluralisierung der Wohnformen auch bei den Instanzen der Wohnkultur ab, wie etwa den Wohnberatungsstellen, denen nun veränderte Rollen zukommen. So schreibt Adelheid von Saldern, dass „das Denken in Wohnmodellen an Bedeutung verlor, während die tatsächliche Nachfrage der Konsumenten und vor allem der Konsumentinnen an Relevanz gewann“.68Auch Fernsehmöbel wirken mit an der Vermittlung zwischen den Wohnstilen, etwa indem sich die neuen Apparate – wie die Möbel im neuen Stil – als anschlussfähig sowohl an modernistische als auch traditionellere Wohnformen zeigen. 66 | Ebd. (Erg. M. M.) 67 | Vgl. Meyer-Ehlers, Grete: Wohnerfahrungen. Ergebnisse einer Wohnungsuntersuchung. Wiesbaden [u.a.]: Bauverlag 1963, S. 38. 68 | von Saldern, Adelheid: Häuserleben. Zur Geschichte städtischen Arbeiterwohnens vom Kaiserreich bis heute. Bonn: Dietz 1995, S. 304.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

auf-/zuschieben (Gehäuse) Sowohl Fernsehmöbel im alten Stil als auch im neuen Design sind oftmals mit Gehäusen verkleidet, deren Vorderseiten sich auf- und zuschieben bzw. auf- und zuklappen lassen. Diese Gestaltung folgt der Logik, dass sich die Geräte im Falle des Nichtgebrauchs nahezu völlig unsichtbar machen lassen, von Kabeln und Antennen einmal abgesehen. Solche Gehäuse lassen sich also öffnen und schließen; eine Handbewegung macht den entscheidenden Unterschied zwischen der vollständigen und partiellen Vermöbelung der technischen Signifikanten von Fernsehern. Im Gegensatz zur Bedienung des Interface wird das Gerät dadurch aber nicht technisch manipuliert. Neben Fernsehmöbeln, deren Gehäuse-Fronten sich öffnen und schließen lassen, kommen Ende der 1960er-Jahre Fernsehtruhen auf den Markt, die sich zuklappen lassen, indem der Apparat gekippt wird. Die Klapp-Fernsehtruhe von Blaupunkt etwa besteht aus zwei mit Holz verkleideten Modulen, von denen sich das Fernsehempfänger-Modul bei Bedarf umdrehen lässt (Abb. 9). Im Falle des Nichtgebrauchs lässt sich die Truhe per Handgriff in eine geschlossene Einheit verwandeln, die einem Tisch ähnelt: „Nach dem Fernsehen wird der Empfänger einfach flach nach hinten gekippt… Klappe zu, Fernseher weg. Dank der pneumatischen Schließvorrichtung kommt er ebenso leicht wieder ans Licht.“69 Der Design-Idee zufolge lässt sich mit dieser Kipplogik flexibel tauschen zwischen einem technischen Medium und einem Möbel sowie dem Anschluss an außerhäusliches Geschehen in Form von Fernsehen und der Abschottung von eben diesem. Wie die flexiblen Möbel, die sich in einen Tag-/ Nachtmodus klappen lassen, passen sich nun auch Fernsehmöbel unterschiedlichen Gebrauchsszenarien und Bedürfnissen an.

Abb. 9: Klappbares Fernsehmöbel

69 | Anonymus: Das Studio in HörZu. Klappe zu. In: Hörzu (1967), H. 17, S. 80.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Als Sonderform dieser bedienbaren Gehäuse kommen Fernsehtischgeräte auf den Markt, deren Bildschirme mit einer flexiblen Holzjalousie verdeckt werden können, wie etwa beim Modell „Bildmeister III“ von Siemens (Abb. 10): „Damit wird das Gerät zu einem neutralen formschönen Möbelstück, das auf einem Tisch ebenso zurückhaltend wirkt wie in einem Regal. Beim Öffnen rollt sich die Jalousie im Inneren des Gehäuses zusammen, so daß der Bildmeister III nicht breiter ist als ein anderes asymmetrisches Tischgerät. Will man Kinder nicht unbeaufsichtigt fernsehen lassen, sperrt man die Netztaste ab. Wie die übrigen vier Geräte der neuen Siemens-Serie paßt der Bildmeister III zu jedem Möbelstil, da die Gehäuse in dunkelglänzendem Birnbaumholz, in hellem, seidenglänzendem Nussbaum und in mattem Teakholz genügend Auswahl bieten.“70

Über sein flexibles und bedienbares Gehäuse bildet das Fernsehmöbel erneut eine Allianz mit einem konstitutiven Teil des häuslichen Ensembles selbst, kann es doch mit seiner Holzjalousie ähnlich wie ein Fenster einfach zugezogen werden (zur Metapher des Fernsehens als „Fenster zur Welt“ siehe auch Teil I, Kapitel 1.1).

Abb. 10: Fernsehtischgerät mit Holzjalousie

Neben der Nähe zur häuslichen Inneneinrichtung ist die Gestaltung von Fernsehapparaten aufgeladen mit weiteren soziokulturellen Bedeutungen. So stehen die flexiblen Möbelgehäuse im neuen Stil in bildungsbürgerlichen Haushalten für eine geschmackssichere Vermöbelung technischer Medien wie den Fernseher. 70 | Anonymus: Fernsehtischgerät mit Holzjalousie. In: Haus und Heim (1963), 12. Jg., H. 7, S. 25.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

Die HörZu stellt 1965 mit der „Super-Kombination“ (Abb. 11) den Entwurf für eine Fernsehfiktion vor, den die Firma Loewe-Opta auf Nachfrage der Zeitschrift angefertigt hat: „Ein Traumgerät, das es noch nicht gibt: Radio, Fernsehen, Tonband, Plattenspieler, Bildbandgerät – alles in einer Truhe“.71 Der Preis für ein solches noch nicht gebautes Medienmöbel orientiert sich an Geräten auf dem US-amerikanischen Markt und übersteigt schnell das Budget eines Mittelschichthaushalts. Eine solche Investition wird dennoch als lohnenswert erachtet: „Wenn schließlich die gesamte Technik in einem wertvollen Möbel untergebracht ist, das genau zur Wohnungseinrichtung paßt, dann bildet die Truhe ein Schmuckstück – böse Zungen dürfen ruhig vom ‚Kulturaltar‘ des Wohlstandsbürgers lästern.“72

Schlichte Fernsehtruhen, die sich wie die „Super-Kombination“ als Medienmöbel der Träume in die Inneneinrichtung einfügen und bei Bedarf ganz zuklappen lassen, stehen als „Kulturmaschinen“ für einen Gegenentwurf qua Gestaltung zur sogenannten „Idiotenlaterne“.73 In dieser Lesart verweisen die Praktiken des Zu- und Wegklappens auf das niedrige Sozialprestige des Fernsehens und stehen dafür, dass man sich immer auch dafür schämt fernzusehen. Neben diesem schichtspezifischen Aspekt lassen sich flexible Gehäuse rückbinden an den Wunsch, die unheimliche Dimension des Mediums kontrollieren zu können. Mitte der 1950er-Jahre taucht das Medium Fernsehen vermehrt in Cartoons auf, in denen es spukt.74 Wie Albert Kümmel im Hinblick auf das Radio zeigt, ist es gerade die medientechnisch hervorgerufene Anwesenheit körperloser Stimmen im häuslichen Raum, die dazu führt, dass das Medium mit Beginn der 1920er-Jahre „okkult überdeterminiert“ wird.75 Die Stimmen aus der Ferne, von denen niemand so wirklich weiß, woher sie eigentlich genau kommen, werden als etwas Unheimliches empfunden. Etwa zeitgleich wird auch das Fernsehen als okkultes häusliches Phänomen dargestellt (siehe Teil I, Kapitel 1.1). Dabei scheint 71 | Anonymus: Das Studio in HörZu. Dieser Schrank läßt keine Wünsche offen. 72 | Ebd. 73 | Die Bezeichnung „Idiotenlampe/-laterne“ für Fernsehgeräte etabliert sich in bildungsbürgerlichen Schichten und beschreibt die gängigen Stellplätze von Fernsehapparaten in Arbeiterhaushalten, wo das Licht der Bildschirme bereits von der Straße aus verrät, dass die Bewohner gerade fernsehen. Es handelt sich hierbei also um eine „[a]bfällige Wortbildung von Fernsehgegnern: das Fernsehprogramm ‚erleuchtet‘ den Geist nur von Idioten.“ Lemma „Idiotenlampe“. In: Küpper, Heinz: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. Band V. 10000 neue Ausdrücke von A-Z: Sachschelten. Hamburg: Claassen 1967, S. 117. Vielen Dank an Hartmut Winkler für diesen Hinweis. 74 | Anonymus: Es spukt. Zur Geisterstunde erlebt von unserem Zeichner Piotrowski. In: HörZu (1954), H. 2, S. 48. 75 | Kümmel: Innere Stimmen – Die deutsche Radiodebatte. In: Kümmel, Albert; Scholz, Leander; Schumacher, Eckhard (Hg.): Einführung in die Geschichte der Medien. Paderborn: Fink 2004, S. 175-197, S. 175.

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der Fernseher das Radio gerade dahingehend zu übertreffen, dass die frei schwebenden Stimmen aus dem Nirgendwo jetzt ihre Körper zurück bekommen, wie es auf den Bildschirmen zu bestaunen ist. Die Fernsehgeister der 1950er-Jahre lassen sich wiederum als Restbestand dieser Diskursstrategie begreifen – mit einer leichten Tendenz zur Verniedlichung, die Zeichnungen zu dieser Zeit aufweisen. Unter dieser Perspektive stellt ein verschließbares Gehäuse eine gestalterische Maßnahme dar, um das Unheimliche draußen zu halten, das mit dem tatsächlichen Aufkommen des Fernsehens im häuslichen Raum erneut mit dem Medium in Verbindung gebracht wird. Die Maßnahme, den Apparat zuzuklappen, wenn man nicht länger fernsieht, ließe sich demzufolge als Versuch interpretieren, den außerhäuslichen „Spuk“ draußen zu behalten bzw. zu regulieren.

Abb. 11: Wunschmöbel: Entwurf für eine Fernseh-Super-Kombination des Herstellers Loewe-Opta (1965)

Darüber hinaus lässt sich eine weitere soziokulturelle Bedeutung der Apparategestaltung als wiederverschließbares Möbel feststellen, nämlich als eine pädagogische Maßnahme. Eingebunden in einen pädagogischen Diskurs wird aus dem Auf- und Zuklappen des Fernsehmöbels ein Akt elterlicher Kontrolle über den Fernsehkonsum der Kinder (siehe auch das Modell „Bildmeister III“ von Siemens weiter oben). Mitte der 1960er-Jahre stellt die Industrie Fernsehgeräte vor, die sich nicht nur auf- und zuklappen bzw. -schieben, sondern auch

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abschließen lassen. Eine technische Neuheit auf der Funkausstellung in Stuttgart ist die sogenannte „Schlüsseltaste“ für Fernsehempfänger (Abb. 12): „Geschlossen. Wer seine Kinder liebhat, läßt sie fernsehen – aber mit Maßen. Die ‚Schlüsselgewalt‘ sollte Vati oder Mutti behalten. Nordmende rüstet daher seine Fernsehempfänger mit der Schlüsseltaste aus. Nur wenn der Schlüssel steckt, kann ferngesehen werden.“76

Wer fernsehen darf und wer nicht, und wie lange, entscheidet sich hier direkt an den Bedienelementen des Gehäuses.77

Abb. 12: Fernsehapparat mit Schlüsseltaste

76 |  Anonymus: Mehr Komfort für Aug’ und Ohr. In: Hörzu (1965), H. 35, S. 8-9, S. 8. 77 | Zwar geht Lynn Spigel in ihren Ausführungen zu der Rolle, die Kinder in der Verhäuslichung des Fernsehens spielen, nicht darauf ein, wie sich pädagogische Diskurse am Geräte-Design materialisieren. Ihre Analysen können jedoch dahingehend gedeutet werden, dass sich diese Gestaltungen einordnen lassen in zeitgenössische Diskurse zu den negativen Auswirkungen, die das Medium Fernsehen auf Kinder habe. Spigel stellt heraus, dass kindlicher Fernsehkonsum in den USA im Diskurmaterial pathologisiert werde: Cartoons zeigen etwa kränkliche Kinder, die infolge von Fernsehen ein Augenleiden entwickelt haben (das sogenannte „telebugeye“). Darüber hinaus werde Fernsehen als Förderer kindlicher Aggressionen und Gefahr für den familiären Zusammenhalt dargestellt. Vgl. Spigel, Lynn: Make Room for TV: Television and the Family Ideal in Postwar America. Chicago [u.a.]: Chicago UP 1992, S. 51ff. Weiterführend zu den Diskursen zum „television child“ siehe auch das Kapitel „The Child – A Television Allegory“ in Tichi, Cecilia: Electronic Hearth: Creating an American Television Culture. New York: Oxford UP 1991, S. 191-207.

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drehen/schwenken (Gehäuse/Interface) Selbst wenn sich Fernsehapparate qua Vermöbelung in die heimische Inneneinrichtung einpassen, stören sie das Möbelarrangement in dem Sinne, dass mit ihnen ein bestimmtes Setting der Rezeption einhergeht. Als audiovisuelles Medium erfordert der Fernseher eine Anordnung der Zuschauer in Zentralperspektive vor dem Bildschirm. Sobald der Fernsehempfänger also in Gebrauch ist – und nicht etwa zugeklappt ganz als Möbel funktioniert –, stellt er die bestehende Sitzordnung im Wohnzimmer in Frage (siehe auch Teil II, Kapitel 1.3). Und selbst wenn eine geeignete permanente Lösung gefunden wird, so erweist sich spätestens der obligatorische Fernsehbesuch als Herausforderung der eigentlichen Sitzordnung vor dem TV-Apparat. Als vermöbelte technische Medien haben Fernseher in der Regel einen festen Stellplatz und werden nur selten bewegt: „Ein Fernsehempfänger ist ziemlich schwer, vor allem in Standausführung, und es ist selten im Sinne der Hausfrau, wenn er hin und her gerückt wird: Kratzer auf dem Fußboden sind die Folgen. Und wer es mit dem Hinundherschieben besonders eilig hat, reißt mitunter den Netzstecker aus der Dose und die Antennenzuleitung aus den Buchsen.“78

Statt die Sitzgelegenheiten oder den TV-Apparat ständig umräumen zu müssen, wird Mitte der 1960er-Jahre eine Lösung per Geräte-Design entworfen. Nutzerfreundliche Fernsehapparate zeichnen sich nun dadurch aus, dass sie, wenigstens teilweise, beweglich geworden sind, indem sich die Bildschirme in verschiedene Richtungen drehen lassen (Abb. 13). „Ein Handgriff – und der Bildschirm schaut doch in die gewünschte Richtung.“79 Ein Blick zurück in die Vorgeschichte des Möbel-Werdens des Fernsehapparats (Teil I, Kapitel 1.1) zeigt, dass es sich hierbei um eine neue Design-Lösung für ein althergebrachtes Problem in der TV-Rezeption handelt. Werden die ersten Fernsehapparate im NS-Deutschland noch mit einer Spiegelbetrachtung versehen, die es allen im Raum Anwesenden erlauben soll, einen guten Blick auf das kleine Bild zu bekommen, so müssen die gewachsenen Bildflächen sich nun selbst drehen. Der Wunsch nach einem Interface, das sich gleichsam nach der Inneneinrichtung und den Bedürfnissen der Zuschauer ausrichtet, materialisiert sich in verschiedenen Design-Strategien. Beim Modell Wega Typ 3000 „ist das eigentliche Fernseh-Chassis mit Röhren, Transistoren, Einstelltasten und Lautsprecher von der Bildröhre getrennt: sie thront oben auf einem dicken Stab, kunststoff-umhüllt, formschön und insgesamt um 60 Grad drehbar.“80 Neben seinen technischen Vorzügen weist das Gerät laut der HörZu auch ästhetische auf, die 78 | Anonymus: Das Studio in HörZu: Der Schwenkbare. In: HörZu (1966), H. 37, S. 69. 79 | Ebd. 80 | Ebd.

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sich jedoch allesamt vom (Holz-)Möbel-Design entfernen. Das Technische des Apparats wird nun sogar als Mehrwert hervorgehoben: „Tagsüber verleiht der Anblick dem Zimmer den Hauch des Nichtalltäglichen. Wer hätte das nicht gern?“81 Fast scheint es so, als wolle man das Gehäuse ganz vergessen machen; demzufolge sehe der Apparat abends im milden Fernsehlicht so aus, als würde das Bild frei im Raum schweben.82

Abb. 13: Schwenkbarer Fernsehapparat (1966)

Diese positive Einschätzung der techniktestenden Presse wird in der Werbung noch übertroffen. Mit modernen Helvetica-Lettern bewirbt Wega mit dem Wegavision 2000 „[d]as Modell für die Wohnkultur von morgen“ – „zukunftsweisend die Form, zukunftsweisend die Technik“.83 Sowohl von vorne als auch von der Seite erscheint auch dieses Gerät zweigeteilt: auf einem Kasten thront auf schlankem Hals die freistehende und schwenkbare Bildröhre (Abb. 14). Das Wega-Modell lässt weniger an ein Möbel denken und tritt noch stärker als technisches Gerät in Erscheinung, als es bei anderen Fernsehern im ‚neuen‘ Stil der Fall ist. Interessant an diesem Design ist nun gerade die Verflachung des Bildschirms. Die Bildröhre so zu minimieren, dass sie kompakt in eine vergleichsweise kleine, nach oben abgesetzte Kunststoffausbuchtung passt, stellt eine enorme technische Herausforde81 | Ebd. 82 | Vgl. ebd. 83 | Werbeanzeige für den Wegavision 2000. In: HörZu (1963), H. 45, S. 73.

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rung dar. Es entsteht der Eindruck, dass diese technische Modifikation am Apparat gerade darin motiviert ist, ihn noch anschlussfähiger an die Inneneinrichtung zu machen. Aus dieser Perspektive wird die Technik so stark modelliert, um sie ästhetisch ansprechend zu machen und sie beispielsweise – in verflachter Form – problemlos ins Regal fügen zu können.84

Abb. 14: Wegavision 2000 als Teil der modernen Inneneinrichtung (1963)

84 | In einer weiteren, etwas spekulativeren Deutung erinnert die Formgebung des Wega-Fernsehers an heutige Apple-Computer, die ebenfalls auf Füßen daherkommen und hinter deren Design die große technische Anstrengung steht, die Technik im Bildschirm unterzubringen. In gewisser Hinsicht ähnelt der Wega-Fernseher also einem Computer, und das zu einer Zeit, als diese noch in Form von Großrechnern in Forschungseinrichtungen stehen. Für weitere Ausführungen zu sich wandelnden Gehäusen von Computern siehe Heilmann, Till: Worin haust ein Computer? Über Seinsweisen und Gehäuse universell programmierbarer Rechenmaschinen. In: Bartz, Christina; Kaerlein, Timo; Miggelbrink, Monique; Neubert, Christoph (Hg.): Gehäuse: Mediale Einkapselungen. Paderborn: Fink 2017, S. 35-51. Nicht zuletzt würden sich Wega-Fernseher und Apple-Computer darin treffen, dass sie laut Werbecredo gestaltet sind „für Leute, die das Besondere suchen“. Werbeanzeige für den Wegavision 2000. In: HörZu (1963), H. 45, S. 73.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

Bald betrifft der Schwenk-Modus nicht mehr nur den Bildschirm, sondern mobilisiert das ganze Gerät. Viele Fernsehapparate stehen Ende der 1960er-Jahre auf drehbaren Tischgestellen aus Chrom, obwohl dieses Material auf den ersten Blick eine Irritation im althergebrachten Mobiliar darstellt. Die Logik des bewegten Fernsehens wird Ende des Jahrzehnts komplettiert in Form kleiner, tragbarer Fernsehgeräte, die bei Bedarf bewegt bzw. gedreht werden können.85 Starre, klobige Fernsehschränke scheinen weder den als modern empfundenen neuen Einrichtungsstilen noch den Bedürfnissen der Zuschauer zu entsprechen: „Fernsehen ist nicht nur Abendunterhaltung. Die Hausfrau möchte in der Küche vom Nachmittagsprogramm profitieren, der Hausherr schon mal ein Fußballspiel von der Essecke her verfolgen. Ob Staatsempfang, Satellitenstart, Sportereignis – man will ‚dabeisein‘. Doch die meisten Geräte sind Möbel und nicht ‚mobil‘. Ein kleiner Dreh genügt manchmal schon, und es entgeht einem nichts mehr.“86

Der Wunsch, dabei zu sein, bezieht sich nicht länger nur auf das Programm. In umgekehrter Logik betrifft er die Telepräsenz des Fernsehapparats selbst, der nun als Begleiter seiner Besitzer beweglich zu sein hat, auch wenn sich diese Mobilität erst einmal nur auf das Haus beschränkt.

schalten (Interface) Neben dem Gehäuse ist auch das Interface in die Vermöbelung von Fernsehapparaten einbezogen (siehe Teil II, Kapitel 1.2). Das Besondere an Fernsehapparaten mit drehbaren Bildschirmen ist nun, dass sie über den Aspekt der Funktionalität vermöbelt werden, und zwar indem sie sich flexibel nach den Zuschauern und ihren Plätzen im Wohnraum ausrichten. Der Erdenschwere der Dingwelt wird hier mit dem Bedürfnis entgegnet, sie leichter und flexibler zu machen, auch wenn diese flexiblen Fernsehmodelle notgedrungen weiter schwer bleiben und die „Leichtigkeit“ nicht etwa über ihr tatsächliches Gewicht, sondern über ihr Interface-Design vermittelt wird. In gewisser Hinsicht handelt es sich bei den im Abendlicht vermeintlich schwebenden Fernsehapparaten um eine optische Täuschung qua Design – eine Täuschung, an die man glauben möchte, und die dadurch vielleicht umso wirkmächtiger ist. Die Frage nach der Gestaltung des Interface begleitet die Verhäuslichung des Fernsehens von Anfang an. Wie beim Gehäuse handelt es sich hierbei um ein wichtiges gestalterisches Element, das bestimmten Moden unterworfen ist. Das 85 | Zu der Frage, wie sich tragbare Fernseher zur These des Möbel-Werdens verhalten, siehe das folgende Unterkapitel. 86 | Anonymus: Heim und Garten. Extra für Sie. Fernsehen mit kleinem Dreh. In: HörZu (1967), H. 25, S. 72.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Interface des Fernsehmöbels umfasst neben seinem Bildschirm als optischer Anzeige insbesondere die Bedienelemente (siehe Teil II, Kapitel 1.2).87 Einer prophezeiten steigenden Anzahl der Knöpfe wird zu Beginn der 1950er-Jahre in entsprechenden Expertendiskursen mit der Frage entgegnet, wie man die Bedienelemente sinnvoll am Gehäuse anordnen könne. Tetzner empfiehlt als gestalterische Lösung zwei Hauptknöpfe auf der Frontseite (zur Lautstärke- und Kanalwahl) sowie „vier weniger häufig zu bedienende [...] Knöpfe, die hinter einer Klappe oder einem Schieber am besten aufgehoben sind (Bildkipp, Zeilenkipp, Kontrast, Helligkeit) und evtl. zwei ganz selten einzustellende Regler (Bildlagekorrektur und Bildschärfe), die an der Gehäuserückwand Platz finden dürfen.“88

In Tetzners Vorschlag schaffen es von der steigenden Anzahl der notwendigen Knöpfe zwei gut sichtbar auf die Vorderseite des Gehäuses. Wie das Gehäuse selbst sind auch die Bedienelemente von Beginn an mit der Designstrategie konfrontiert, sie möglichst unauffällig zu gestalten. Das Gestaltungsprinzip, die Bedienelemente möglichst nicht direkt neben dem Bildschirm anzubringen, wie es schon in den 1930er-Jahren relevant wird (siehe Teil I, Kapitel 1.1), setzt sich bis in die 1950er-Jahre fort. Die Diskussion um die sinnvolle Anordnung der Bedienelemente wird erneut im interkulturellen Vergleich geführt. So zieht Tetzner in seinen Ausführungen entsprechende Design-Lösungen aus den USA und Großbritannien heran. Dort werden die Bedienelemente entweder allesamt an der Seitenwand untergebracht, damit die Frontseite ästhetisch nicht belastet wird. Oder es wird ein großer Doppelknopf zur Kanalwahl, der zudem Rädchen zur Tonabstimmung aufweist, auf der Frontplatte angebracht und die anderen Knöpfe hinter einer Klappe an der Seitenwand versteckt.89 Generell haben Fernsehgeräte in den USA weniger Tasten als in Deutschland.90 Diesen Design-Strategien zufolge steht die Front ganz unter dem Diktat des Bildes, um möglichst viel Fläche für das Bewegtbild zu nutzen. Über diesen funktionellen Aspekt hinaus zeigt sich hier bereits an, dass die Bildfläche – ganz im Sinne der Zauberspiegel-Metapher – gerade für das Magische des Fernsehens steht. Tatsächlich sollte die Anzahl der Bedienelemente jedoch erst gegen Ende der 1950er-Jahre steigen. Auf der Funkausstellung 1957 weisen die Apparate erstmals zusätzliche Tasten auf, die es ermöglichen, die Bildqualität zu justieren und Na87 | Wie weiter oben ausgeführt, lassen sich auch klapp- und drehbare Fernsehgehäuse bedienen, womit die Grenzen zwischen Gehäusen und Interfaces verwischen (siehe hierzu auch Teil II, Kapitel 1.2). 88 | Tetzner: Müssen Fernsehapparate so aussehen?, S. 582. 89 | Vgl. ebd. 90 | Vgl. Anonymus: Rundfunk- und Fernsehgeräte in der Produktgestaltung. In: Funktechnik (1963), H. 18, S. 823.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

men tragen wie „Klar-/Scharfzeichner“ und „Telelupe“.91 Mit der Vorbereitung auf das zweite Programm setzt sich der einfache Tastendruck endgültig durch. Hier gehen populäre Diskurse und institutionelle Entscheidungen erneut in die Gestaltung von Fernsehern ein. „Alle Philips Fernsehgeräte der Serie 1958 haben bereits die UHF-Schnellwahltaste. Das zweite Programm auf Band IV kann kommen. Die Philips Fernsehempfänger sind darauf vorbereitet.“92 Fernsehen bedeutet nun: Knöpfe drücken statt Schalter drehen.93 Sender und Bild per Knopfdruck einzustellen wird als modern und nutzerfreundlich empfunden. Die Ausdifferenzierung der Bedienelemente von Fernsehern wird in entsprechenden Diskursen als Automatisierung in der Bedienung dargestellt. ‚Automatik-Schaltungen‘ sorgen für eine konstante Bildwiedergabe; dank elektronischer, ‚automatischer‘ Schnellwahltasten muss nicht mehr mühsam manuell gedreht werden. So wird versucht, die mit den zunehmenden Bedienelementen steigende Komplexität über das Gerät selbst abzufangen, und zwar indem es sich wenigstens teilweise selbst reguliert. „Das Gerät[,] das sich selbst bedient“, heißt es etwa zum Metz-Empfänger mit sogenannter „Zauberauge“-Funktion, das auch als „‚Elektronengehirn‘ der denkenden Metz-Geräte“94 bezeichnet wird. „Ohne daß Sie nur einen Finger rühren, zaubert Ihnen das Metz-Zauberauge das brillanteste Bild auf den Bildschirm.“95 ‚Automatische‘ Interfaces gehen mit dem Versprechen einher, dass es sich hierbei nicht etwa um irgendwelche Tasten handelt, sondern um Druckknöpfe, deren Funktion darin besteht, etwas Magisches zu vollziehen. Wie der Apparat selbst werden die neuen Tasten stellenweise mit Geistern in Verbindung gebracht, wie etwa eine Philips-Werbeanzeige zeigt: „UHF und Bildmagnet – zwei neue gute Geister in der Bedienung der Philips Fernsehgeräte“.96 Die Manipulation der Geräte erfolgt wie von Geisterhand. Diese Geister-Metapher verweist darauf, dass die neuen Bedienelemente anwesend und abwesend zugleich sind. Als Anwesendes geht von ihnen eine gewisse agency aus, indem ihre Bedienung etwas bewirkt. Gleichzeitig ist das, was genau sich hinter den Tasten vollzieht, abwesend, insofern es sich der menschlichen Wahrnehmung entzieht, was die Technik wiederum ins Unheimliche rückt (siehe Teil I, Kapitel 1.1). Statt gruselig zu sein, werden die Geister jedoch als freundliche Helfer inszeniert, die für eine bessere Bedienbarkeit des Geräts sorgen (Abb. 15). 91 | Vgl. Steinmaurer, Thomas: Tele-Visionen. Zur Theorie und Geschichte des Fernseh-Empfangs. Innsbruck [u.a.]: Studien-Verlag 1999, S. 284. 92 | Werbeanzeige für Philips-Fernsehgeräte. In: HörZu (1958), H. 20, S. 46. 93 | Vgl. Schildt: Moderne Zeiten, S. 271. Schildt bezieht sich hier auf einen Zeitungsartikel. Vgl. Abendzeitung (München), 26.7.1957. In: NDR-Archiv, 01.06580.000. 94 | Werbeanzeige für Metz-Fernsehgeräte mit Zauberauge-Funktion. In: HörZu (1958), H. 38, S. 13. 95 | Ebd. 96 | Werbeanzeige für das Modell Leonardo Spezial von Philips. In: HörZu (1958), H. 45, S. 10.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Abb. 15: Automatik-Bedienelemente als gute Geister des Fernsehens (1958) Abb. 16: Automatik-Fernsehen mit vermeintlicher Selbstbedienung (1958)

Und dennoch ist die menschliche Handlungsmacht in solchen werblich inszenierten Szenarien von Mediengebrauch nicht ganz ausgenommen. So zeigt ein Werbebild für das Metz-Zauberauge einen Tischempfänger, aus dem die Hand einer festlich gekleideten, hübschen jungen Frau herausragt, mit der sie das Gerät auf der Vorderseite berührt (Abb. 16). Die Darstellung der technischen Selbstständigkeit, wie sie in dieser Anzeige erfolgt, geht in einen Gender-Aspekt über: Die Geräte, die sich vermeintlich selbst bedienen, sind rückgebunden an Frauen, die ihre Tasten drücken, wenn auch nur zu rein dekorativen Zwecken. Einerseits symbolisiert der Tastendruck der jungen Frau, dass sie die Verfügungsgewalt über das Gerät hat. Anderseits wird sie verfügbar gemacht, taucht sie doch als Objekt auf dem Bildschirm auf, das für die Betrachter in erster Linie

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

nett anzusehen sein soll. Heike Weber beschreibt eine solche Bildkonvention in der Werbung für technische Geräte als paradox im Hinblick auf tatsächliche gesellschaftliche Geschlechterverhältnisse: „Auch wenn Frauen im Haushalt oder als Typistinnen fleißig an Drucktasten operierten, so blieben die Männer die Kontrollierenden. Frauen hingegen wurden oftmals auf ihre Erotik reduziert, wobei die sublime Botschaft mitschwang, sie und ihr Körper seien ebenfalls auf Knopfdruck hin verfügbar.“97

Weibliche Aktivität und Passivität im Hinblick auf Medientechnik fallen hier in einem Bildakt zusammen. Wie die Anzeige nahelegt, versinnbildlicht der weibliche Knopfdruck darüber hinaus die nutzerfreundliche Bedienung des technischen Mediums, die auch ohne Expertenwissen möglich ist. So ist es denn auch kein Zufall, dass es sich bei der jungen Frau um einen sogenannten „Backfisch“ handelt. Der weibliche Teenager „mit Erwachsenenallüren“98 ist ein so gutes Testimonial, weil das Fernsehgerät so als jung und unabhängig bei gleichzeitiger Familiengebundenheit inszeniert werden kann (schließlich ist das heranwachsende Mädchen nicht komplett selbstständig und weiter an den elterlichen Haushalt gebunden). Mittels dieser widersprüchlichen Konnotation wird die technische Raffinesse – „[d]as ‚Elektronengehirn‘ der denkenden Metz-Geräte“99 verspricht höchste Modernität – gleichzeitig an den familiären Alltag rückgebunden, auch wenn die weiteren Familienmitglieder auf der Abbildung nicht zu sehen sind. Die ersten sogenannten Vollbildfernseher, deren Bildschirme die Frontseite des Gehäuses dominieren, werden als endgültige Emanzipation der Bedienelemente gefeiert.100 Nur ein paar Jahre später kommen Interface-Designs auf, die neben einem großen weitere kleine Bildschirme aufführen. Zwar sind diese Fernsehapparate vorrangig für Zuschauer gedacht, die aus beruflichen Gründen viel fernsehen, wie etwa Journalisten und Kritiker. Gleichzeitig wird das Potential solcher Geräte für die Familie verhandelt. „Fernseher für große Familien?“ fragt etwa die HörZu Ende de 1960er-Jahre vorsichtig.101 Der Individualisierung des Fernsehens und mit ihm dem Bedürfnis, das Programm nicht mehr als ge97 | Weber, Heike: Stecken, Drehen, Drücken. Interfaces von Alltagstechniken und ihre Bediengesten. In: Technikgeschichte (2009), 76. Jg., H. 3, S. 233-254, S. 245. 98 | Lemma „Backfisch“. In: Küpper, Heinz: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. Band III. Hochdeutsch – Umgangsdeutsch, Gesamtstichwortverzeichnis. Hamburg: Claassen 1965, S. 41. 99 | Vgl. Werbeanzeige für Metz-Fernsehgeräte mit Zauberauge-Funktion. In: HörZu (1958), H. 38, S. 13. 100 | Siehe etwa Anonymus: Die ersten Vollbild-Fernseher sind da! In: HörZu (1965), H. 3, S. 40-41. 101 | Anonymus: Farbe, Farbe über alles. 7 Sonderseiten zum Start des Farbfernsehens. In: HörZu (1967), H. 36, S. 30-38, S. 34.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

schlossene familiäre Einheit zu verfolgen, wird hier in der Gestaltung des Interface Rechnung getragen. Gleichzeitig wirkt diese Design-Idee dem befürchteten Zerfall der Familie gerade entgegen, indem zwar alle Familienmitglieder zumindest theoretisch ein individualisiertes Programm verfolgen, der Familienkreis aber weiterhin gewahrt wird. In einer zusätzlichen Lesart wird hier sogar noch eine weitere Bedrohung gebannt: Der Angst, etwas zu verpassen, wird damit begegnet, dass sich die Programme parallel verfolgen lassen. Das sich ausdifferenzierende Interface expandiert zunehmend an die Peripherie des Fernsehens. Die Fernbedienung geht 1957 der Praxis des Zappings voraus. Noch bevor es überhaupt zwei Programme gibt, erscheinen die ersten Fernsehapparate mit Anschlüssen für die Bedienung des Geräts per Kabel aus der Entfernung. Die ersten Fernbedienungen, die ohne Kabel funktionieren, entsprechen dann erneut der Geisterlogik, wie sie kurz zuvor schon das automatische Interface prägen sollte: „Es wirkt wie Hexerei, wenn Sie Ihren Grundig Zauberspiegel bedienen, ohne ihn zu berühren oder durch Kabel fernzusteuern. Ein kleines Kästchen, ein leichter Druck – und ihr Grundig Zauberspiegel wird wie von Geisterhand geregelt.“102

Hier zeichnet sich ein gelungenes Interface-Design dadurch aus, dass es menschliche Handlungsmacht erneut auf ein Minimum, wie einen leichten Knopfdruck, reduziert. Auch ein Jahrzehnt später ist die Drucktaste weiterhin das prägende gestalterische Element des Fernseher-Interfaces. 1967 weiht Willy Brandt das Farbfernsehen mit einem Knopfdruck ein, was Weber als Sinnbild für die Wirkmächtigkeit der Drucktaste deutet: Die Drucktaste symbolisiert nun die allgemeine Zugänglichkeit des Technischen schlechthin.103 Der Start des Farbfernsehens affiziert auch das Gehäuse-Design von Fernsehgeräten: Mit der Bildfläche werden nun auch ihre Verkleidungen bunt. Nordmende-Farbfernseher des Modells „Spectra“ sind in verschiedenen Hölzern und Farben erhältlich; zur Wahl stehen fünf verschiedene Schleiflack-Holzausführungen in rot, weiß, anthrazit, blau und grün sowie vier Hölzer, nämlich Nussbaum, Rüster, Teak und Rio Palisander (Abb. 17).104 Wendet man sich ab vom Programm und hin zum Gehäuse-Design, so lässt sich beobachten, dass schon weit vor der Einführung des Privatfernsehens ein erster Schritt in Richtung Personalisierung des Mediums vollzogen wird, und zwar mit dem Farbfernsehen. Bevor das Prinzip des Customizing sich im deutschen Sprachgebrauch etabliert, lassen sich Fernsehapparate qua Design individualisieren und so noch passgenauer zur Inneneinrichtung gestalten. 102 | Werbeanzeige für einen Grundig-Zauberspiegel mit Fernbedienung. In: HörZu (1960), H. 12, S. 11. 103 | Vgl. Weber: Stecken, Drehen, Drücken, S. 240. 104 | Werbeanzeige für Nordmende-Farbfernseher. In: HörZu (1966), H. 40, S. 67.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

Abb. 17: Nordmende-Farbfernseher „Spectra“ mit bunten Gehäusen (1966)

Bunt lackierte Hölzer zeigen an, dass Fernsehapparate im neuen Stil nicht länger notwendigerweise aus Vollholz bestehen oder wenigstens so aussehen müssen, wie es bei ihren Vorgängern Anfang der 1950er-Jahre noch der Fall ist. Ende der 1950er-Jahre setzten Möbel- und Gerätehersteller nicht länger auf die handwerklich gearbeitete Tischlerplatte, sondern auf die kostengünstigere Fließfertigung der auf Holzbasis hergestellten Spanplatte.105 Fernsehapparate wie der „Spectra“ von Nordmende, das weiter oben diskutierte Modell „Wegavision 2000“ (siehe Abb. 14) sowie die Fernsehapparate im ‚neuen‘ Stil generell wirken aufgrund des verwendeten Materials und der damit einhergehenden Formen schlichter und neuzeitlicher im Design. Die Spanplatte macht nicht nur Fernsehapparate schlanker, sondern mobilisiert gleichsam das gesamte Interieur, wofür die „Möbel aus 105 | Vgl. Radkau: „Wirtschaftswunder“ ohne technologische Innovation?, S. 144.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

der Tüte“ Ende der 1960er-Jahre ein extremes Beispiel darstellen. Das Möbelprogramm besteht aus dünnen zugeschnittenen teakfurnierten Spanplatten, die sich schnell zu Möbeln zusammenstecken lassen, wie etwa zu einem Tisch für den Fernseher oder einem Bücherregal (Abb. 18).106

Abb. 18: Spanplattenmöbel zum Zusammenstecken (1969)

An diesem Materialwechsel im Wohnraum von Vollholz zur Spanplatte lässt sich eine fernsehwissenschaftliche Pointe festmachen. Knut Hickethiers These, dass mit den weitaus technischer anmutenden Fernsehapparaten im vom Braun-Design inspirierten Stil auch die Möbel im Wohnraum gleichsam technoider in der Gestaltung werden,107 ließe sich auch anders denken. Unter dieser Perspektive setzt die ästhetische Technisierung von Fernsehapparaten mit dem Einzug der Spanplatte in den Wohnraum ein. In dem Augenblick, in dem Spanplatten als Gehäuse-Material für Fernsehapparate verwendet werden – und man es somit ohnehin nur noch mit Holzimitat zu tun hat –, scheinen Fernseher auch in ihrem Design technischer werden zu dürfen. In diesem Sinne befördern Fernsehapparate zwar den Wandel des Wohnraums, dieser geht jedoch nicht von der Technik aus, sondern von ihren Verkleidungen, die wiederum rückgebunden sind an Moden in 106 | Werbeanzeige für „Möbel aus der Tüte“ des Herstellers Rego. In: Schöner Wohnen (1969), H. 12, S. 12. 107 | Vgl. Hickethier, Knut: Der Fernseher. Zwischen Teilhabe und Medienkonsum. In: Ruppert, Wolfgang (Hg.): Fahrrad, Auto, Fernsehschrank. Zur Kulturgeschichte der Alltagsdinge. Frankfurt a.M.: Fischer 1993, S. 162-235, S. 177.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

der Inneneinrichtung. Auch wenn das Design von Fernsehern damit insgesamt technischer wird, lässt sich weiterhin von einer Vermöbelung der Apparate sprechen, schließlich fügt sich die Technik – wenn auch erstmals mit neuer Sichtbarkeit – weiterhin in die Inneneinrichtung ein. In gewisser Hinsicht nimmt hier eine Entwicklung ihren Anfang, die Ende der 1960er-Jahre die Wohnräume nicht nur technischer anmuten lässt, sondern auch bunt macht. Bunt lackierte Fernseher mit Spanplatten-Gehäusen wie der „Spectra“ von Nordmende sehen von Weitem so aus, als seien sie aus Plastik. Und tatsächlich werden die Gehäuse von Fernsehgeräten in den 1960er-Jahren zu Material-Hybriden. Ein frühes Beispiel für diese Entwicklung ist das weiter oben diskutierte Modell „Wegavision 2000“: Neben seines Gehäuses, das aufgrund der Konstruktion des Apparats aus weißem Plastik gefertigt ist, zeigt sich auch die Frontseite des Holzkastens, auf dem der Bildschirm mit schlankem Hals thront, aus Plastik. Hier deutet sich bereits der ästhetische Siegeszug des Werkstoffs Plastik an, der langsam einen Weg in bundesdeutsche Wohnzimmer findet. Ende der 1960er-Jahre bringt der Wunsch nach Farbe den Werkstoff Plastik dann endgültig nach vorne und scheint Holz als Material im Wohnraum sinnlos zu machen. Plastik hat schlicht den Vorteil, dass die Farbe direkt eingearbeitet wird, während Holz übergestrichen und gleichsam „unsichtbar“ gemacht werden muss, wenn man sich mehr Farbe im Wohnraum wünscht. In Mythen des Alltags beschreibt Roland Barthes als Grund für die zeitgenössische Konjunktur des Plastiks, dass etwas Faszinierendes von seiner vielgestaltigen Formbarkeit im Fertigungsprozess ausgehe: „Plastik ist weniger eine Substanz als vielmehr die Idee ihrer endlosen Umwandlung“.108 Ende der 1960er-Jahre sind die geradlinigen Möbel im skandinavischen Stil nicht länger das Maß der Dinge im Wohnraum. Stattdessen kommen italienische Möbel in Mode, die runde Formen haben und aus Kunststoff gefertigt sind.109 Die Bundesrepublik zeigt sich fasziniert von den neuen Modellierungsmöglichkeiten und zukunftsgewandten Formen, die Plastik mit sich bringt.110 Einen Höhepunkt findet diese Entwicklung in Joe Colombos populärem Plastik-Rollcontainer „Boby“, den er Anfang der 1970er-Jahre für den italienischen Hersteller Kartell entwirft, und der in vielen bunten Farben erhältlich ist.111 Diesem Prinzip ähnlich werden 108 | Barthes, Roland: Plastik. In: ders.: Mythen des Alltags [1957]. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1992, S. 79-81, S. 79f. 109 | Vgl. Anonymus: Lauter Möbel für das lässige Leben. In: Schöner Wohnen (1969), H. 8, S. 104-106, S. 104. 110 | Martina Heßler sieht in Plastik einen zentralen Ausgangspunkt für eine neue Wegwerfhaltung und die Verbreitung von Einwegprodukten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: „Die Kultur der Flüchtigkeit erhielt neues Material.“ Heßler, Martina: Wegwerfen. Zum Wandel des Umgangs mit Dingen. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft (2013), 16. Jg., H. 2, S. 253-266, S. 262. Gleichzeitig gerät diese „Plastik-Haltung“ im Zuge der Umweltbewegungen zunehmend in die Kritik. Vgl. ebd. 111 | Zu Colombos Plastikmöbeln siehe etwa Tillmann (Hg.): Plastic World, S. 85.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

etwa zeitgleich technische Medien für den Wohnraum mit orangefarbenen Plastik-Gehäusen verkleidet, wie etwa würfelförmige Phonotruhen, bei denen die Technik in mehrere Schubladen verteilt ist (Abb. 19).112 Fast scheint es so, als hätte das Kolorieren des Wohnraums und der darin befindlichen Möbel und Gegenstände seinen Ausgang genommen in den bunt bemalten Spanplatten-Gehäusen der Farbfernseher.

Abb. 19: Phonotruhe im Plastik-Gehäuse (1971)

Dem Start des Farbfernsehens folgt nur kurze Zeit später die nächste medientechnische Innovation in Form von Video, das zu dieser Zeit vorläufig noch als ‚Kassetten-Fernsehen‘ bezeichnet wird.113 Noch bevor es Videoapparate zu kaufen gibt, werden diskursiv erste Zukunftsszenarien zu möglichen „Fernsehprogramm-Aufzeichnungsgeräten“ laut, wie man sie schon in ähnlicher Form aus den USA kennt. „[D]ie Programmaufzeichnung auf Magnetband auch für den Heimgebrauch ist im Kommen“,114 heißt es 1966 in der HörZu. Dieser Blick in 112 | Anonymus: Phonotruhe – nach Maß gebaut. In: Schöner Wohnen (1971), H. 11, S. 12. 113 | Vgl. Hahn, Torsten; Otto, Isabell; Pethes, Nicolas: Emanzipation oder Kontrolle? – Der Diskurs über ‚Kassetten-Fernsehen‘, Video und Überwachungstechnologie. In: Kümmel, Albert, Scholz, Leander; Schumacher, Eckhard (Hg.): Einführung in die Geschichte der Medien. Paderborn: Fink 2004, S. 226-253. 114 | Anonymus: Das Studio in HörZu: Krimi zu jeder Stunde. In: HörZu (1966), H. 39, S. 75.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

die Zukunft verheißt eine Zunahme der Kontrolle bzw. der Möglichkeiten der technischen Manipulation des Geräts, und zwar als weiterer Eingriff in die Temporalität der Programmstruktur, nachdem sich das Zapping als angepriesene Fernsehnutzung zumindest schon in der Werbung durchgesetzt hatte. Vorläufig etablieren sich jedoch andere Strategien, um dem Bedürfnis nachzukommen, die flüchtigen Bilder des Fernsehens festzuhalten. Statt Videoaufzeichnungen gibt es vorerst Tipps, wie sich das Programm vom Bildschirm am besten abfotografieren lasse: Neben einer Knipseinstellung ohne Blitz bedarf es insbesondere einer ruhigen Hand und dem richtigen Abstand zum Bildschirm.115 Im Hinblick auf die Videotechnologie befindet sich das Fernsehen erneut im Zwischenverfahren (siehe Teil I, Kapitel 1.1). Ein weiteres Zukunftsszenario des Fernsehens bietet die Computertechnologie. So werden in zeitgenössischen Diskursen vereinzelt direkte Vergleiche zwischen Fernsehern und Computern angeführt. „Bauteile aus Computern, diesen elektrischen Denkverstärkern, die sich alles merken können, haben jetzt auch die Programmwahl in Fernsehapparaten erobert. Unter den ganz alltäglich aussehenden Drucktasten liegen verstellbare elektronische Abstimmeinheiten, die auf einen Fingertip hin sechs verschiedene Programme einstellen. Außerdem zeigt eine elektronische Ziffernröhre oberhalb der Leiste an, welches Programm gedrückt worden ist.“116

Aufkommende Diskurse und Entwürfe zur Datenverarbeitung mit Großrechenmaschinen führen das Fernsehen einen Schritt weiter in Richtung Automatisierung in der Bedienung. In der Referenz auf die Computertechnologie wird die technische Komplexität des Mediums Fernsehen gleichzeitig hervorgehoben und abgefangen mit einem Interface-Design, das es leicht zu bedienen macht. Zeitgleich mit dem Medium Video gibt es neue Entwicklungen zur audiovisuellen Datenverarbeitung im Wohnraum. Entsprechende technische Medien für zuhause zeichnen sich dadurch aus, dass ihre einzelnen Bausteine zumindest partiell aufeinander bezogen sind. In der Designzeitschrift Form erscheint 1965 ein Artikel, in dem Dieter Rams’ Entwürfe „zur ‚Entwicklung eines variablen Systems für Apparate zur Speicherung und Wiedergabe akustischer und visueller Information im Wohnbereich‘“117 vorgestellt werden (Abb. 20). Das Programm versteht sich als Verbesserung der insbesondere in Europa so gängigen Kombinationsmöbel dahingehend, dass möglichst alle technischen Endgeräte darin Platz finden und nicht lediglich zwei Elemente miteinander kombiniert 115 | Vgl. Anonymus: Das Studio in HörZu. Zeit: ein Fünfundzwanzigstel. In: HörZu (1968), H. 45, S. 48. 116 | Anonymus: Das Studio in HörZu. Hinter der Klappe: fein abgestimmt. In: HörZu (1968), H. 42, S. 50. 117 | Anonymus: Hören und Sehen im System. In: Form (1965), H. 29, S. 40-45, S. 40.

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werden.118 In gewisser Hinsicht stellt das Baukastensystem also eine Weiterentwicklung und gleichzeitig einen Gegenentwurf zu Loewe-Optas zeitgleich entwickelter „Super-Kombination“ dar (siehe Abb. 11).

Abb. 20: Medien-Baukasten des Herstellers Braun (Seitenansicht) Abb. 21: Medien-Baukasten des Herstellers Braun (Draufsicht)

Statt als Möbel versteht sich die Apparatekombination aus Television, Hi-Fi, Tonband und Plattenspieler als System, bei dem es nicht darum geht, die Technik hinter Klapp- und Schiebetüren zu verstecken, sondern die einzelnen Elemente gut aufeinander abzustimmen.119 Rams erklärt die dahinterstehende Idee wie folgt: „Wir dachten an das beziehungslose Nebeneinander und Durcheinander unserer heutigen Gerätewelt, und wir versuchten, mit diesem System unsere Geräte in eine mehr auf den Menschen bezogene Ordnung zu bringen.“120 An dieser Stelle 118 | Vgl. ebd. 119 | Claudia Mareis stellt hinsichtlich der Gehäuse von gestalteten Objekten eine Aufmerksamkeitsverschiebung im Designdiskurs fest, in die sich diese Aussagen von Rams durchaus einordnen lassen. Demzufolge „verlagerte sich die Aufmerksamkeit designtheoretischer Analysen im Verlauf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend weg vom Produktdesign hin zum Systemdesign und vom Entwurfs- zum Gebrauchskontext gestalteter Dinge.“ Mareis, Claudia: Unsichtbares Design und post-optimale Objekte. Interface-Design und Entmaterialisierungsdiskurse seit circa 1960. In: Bartz, Christina; Kaerlein, Timo; Miggelbrink, Monique; Neubert, Christoph (Hg.): Gehäuse: Mediale Einkapselungen. Paderborn: Fink 2017, S. 93-114. Siehe hierzu auch die Ausführungen zur Kategorie des Gebrauchs im Industriedesign, Teil II, Kapitel 1.1. 120 | Anonymus: Hören und Sehen im System, S. 40.

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fällt auf, dass sich das Baukastensystem in einer weiteren Hinsicht von althergebrachten Gerätekombinationen wie der „Super-Kombination“ unterscheidet. Im Vergleich erscheint letztere gar nicht so sehr auf den Menschen ausgerichtet: Vielmehr ist sie dahingehend gestaltet, dass man sich immer auch von der Medientechnik abwenden kann, eben indem man sie verschließt. Der Braun-Baukasten suggeriert nun gerade, dass die technischen Vollzüge immer gut einsehbar sind für die Bewohner: Man kann Plattenspieler und Tonbandgerät beim Drehen zusehen. Zudem unterscheidet sich die Rückseite kaum von der Vorderseite, sodass das Gerät, anders als bei den meisten damaligen Kombinationsmöbeln, theoretisch frei im Raum stehen kann und somit von allen Seiten zu bedienen ist. Der Medien-Baukasten für zuhause ist aller systemischen Eigenständigkeit zum Trotz rückgebunden an die Logiken des häuslichen Raums. So sei die „Abhängigkeit des Ganzen und seiner Elemente zu den möglichen Standorten im Wohnbereich“121 ein integraler Faktor bei der Gestaltung des Kombigeräts im neuen Gewand. Ganz den Prämissen des Industriedesigns verschrieben, wird versucht, die Kategorie des Gebrauchs, die infolge der Industrialisierung aus dem Blickfeld geraten war, über die den Nutzern zugewandten gestalteten Oberflächen wieder einzuholen (siehe Teil II, Kapitel 1.1): „Bei solch komplexen Anlagen wird, wie immer bei Systemen, die Eigeninitiative des Benutzers angesprochen. Zusammen mit dem möglichen weiteren Ausbau entsprechen die Geräte dann den verschiedenen Gebrauchssituationen: Einbau in Regale, Kästen, fahrbare Behälter, Schrankwände; Aufbau auf spezielle Gestelle, Tische, Montagebretter und zu Kommunikationssäulen; daneben besteht die Möglichkeit der direkten Wandmontage.“122

Der Gebrauch zuhause, den Braun mit diesem Entwurf fokussiert, bestimmt hier maßgeblich die Gestaltung der technischen Medien, die dieser Logik entsprechend an die Inneneinrichtung gekoppelt werden. Darauf verweist auch Rams’ darauffolgende direkte Bezugnahme auf die Einbaulösungen der Möbelhersteller Knoll International und String, die er als Ergänzung zu seinem Entwurf sieht.123 Jedoch folgt der vorgestellte Entwurf zum Wohnen mit technischen Medien im Baukastensystem nicht länger der Logik der Vermöbelung, die technisch-apparative Dimension qua Design zu invisibilisieren. Selbst im ‚neuen‘ Wohnen geht die Apparatur nur bedingt auf: Die auf der Oberseite angebrachten freiliegenden Geräte sind gut sichtbar und werden nur vereinzelt von einem Deckel aus Plexiglas geschützt (Abb. 21); ihre Kunststoffgehäuse sind ganz in grau gehalten und mit verchromten Bedienelementen versehen. Statt die Technik zu verunsichtbaren, werden die Möbelelemente genutzt, um die Technik zu bündeln, zu ordnen und für die Nut121 | Ebd. 122 | Ebd. 123 | Vgl. ebd, S. 42.

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zer handhabbarer zu machen. Der Medienbaukasten gleicht einem Regiepult, um den häuslichen Raum zu orchestrieren, noch bevor es Diskurse zu smart homes und ambient intelligence überhaupt gibt.124 Hier stellt sich allerdings die Frage, wer dieses Kontrollzentrum bedient. Wie schon die älteren Gerätekombinationen verweist auch der Braun-Medienbaukasten auf einen Gender-Aspekt: Mit dem Einblick in die technischen Funktionsweisen des Geräts wird ein explizit männlicher Nutzer adressiert, der sich als Technik-Connaisseur versteht. Mit dem Fernsehmöbel im Baukastensystem ändert sich das Verhältnis der Medien im Wohnraum untereinander. Wie die Systematisierung des Möbel-Werdens von Fernsehapparaten in den 1950er-/60er-Jahren im vorliegenden Kapitel gezeigt hat, sind Fernsehmöbel und weitere Medien im Haus anfangs nicht aufeinander bezogene Einzelgeräte. Dies ändert sich Mitte der 1960er-Jahre – das Medium Fernsehen wird nun Teil eines Wohnens mit Medien im „Bausteinprinzip“, das die technischen Medien im Wohnraum als systematischen Zusammenhang entwirft und so als Möbel in den häuslichen Raum einfügt. Einsatzpunkt scheinen hier Entwicklungen in der Hi-Fi- und AV-Technik zu sein. Mit Einzug dieser neuen Medientechniken ins Zuhause wird es nötig, die Geräte miteinander zu koordinieren. Schließlich erfordert es die Stereophonie, dass zwei Lautsprecher in einem gewissen Abstand zueinander aufgestellt werden. Die Entwürfe eines neuen Wohnens mit Medien ziehen nur langsam in die Wohnungen ein: Tests zeigen, dass die Baukästen nicht sofort vollständig gekauft, sondern nach und nach ergänzt werden.125 Und schließlich muss davon ausgegangen werden, dass solche Systeme nur in den Wohnungen eines relativ kleinen, gebildeten und begüteten Teils der Mittelschicht vorzufinden sind. Dennoch hat sich etwas grundlegend gewandelt: Der Wohnraum erscheint nun infolge seiner Möblierung mit Medien als aufeinander bezogenes, variables System – zumindest qua Design.

2.2 Erweiterungen und Grenzen der Vermöbelung(sthese) Der oben dargelegte Prozess des Möbel-Werdens des Mediums Fernsehens in den 1950er-/60er-Jahren stellt kein singuläres Phänomen dar. Auch andere Medien werden vermöbelt, wenn sie auf den häuslichen Raum treffen, wie etwa die Mediengeschichte des Phonographen, des Grammophons, des Plattenspielers 124 | Für eine Diskussion dieser Begriffe siehe folgende Sammelrezension: Sprenger, Florian: Ubiquitäre Verortung. Neue Literatur zu umgebenden Medien. In: Bartz, Christina; Miggelbrink, Monique (Hg.): Zeitschrift für Medienwissenschaft (2/2013), H. 9, Themenschwerpunkt „Werbung“, S. 190-194. 125 | Vgl. Anonymus: Hören und Sehen im System, S. 42.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

und des Radios zeigt.126 Die weiteren Ausführungen möchten einen Eindruck davon geben, dass das Möbel-Werden eines Mediums bei Weitem nicht immer gleich funktioniert, und zwar anhand eines kurzen Exkurses in die Verhäuslichung des Telefons. Dabei geht es nicht um Vollständigkeit, sondern darum, dass die hier verfolgte These nicht zu stark verallgemeinert werden darf. Im Anschluss daran schließt das folgende Unterkapitel mit einem Grenzfall der Vermöbelungsthese: Wie noch zu zeigen sein wird, gehen mobile Medien zwar eine Liaison mit den Möbeln des Wohnraums ein, lassen sich aber mehr unter dem Aspekt der Verkofferung fassen. Wie beim Medium Fernsehen ist die Verhäuslichung des Telefons stark gekennzeichnet von Aushandlungen zu seiner Präsenz im Wohnraum. Während der Fernseher jedoch gleich ins Wohnzimmer darf, findet das Telefon seinen Ort vorerst im Hausflur. Die Tatsache, dass die Verhäuslichung komplett anders funktioniert, ist besonders dahingehend interessant, wenn man bedenkt, dass beide Medien eine wesentliche Eigenschaft teilen, nämlich den außerhäuslichen Raum nach innen zu holen. Ein Grund für den anderen Ablauf scheint darin zu liegen, dass die Verbindungen nach außen unterschiedlicher Natur sind: Während das Fernsehen von Beginn an für Unterhaltung im Wohnraum steht, funktioniert das Telefon – wenigstens vorerst – als Medium des geschäftlichen Austauschs. Im Folgenden geht es darum, diesem Aspekt weiter nachzugehen, und zwar indem zwei Phasen der Implementierung des Telefons in den Wohnraum skizziert werden. Anhand dieser zwei Phasen wird besonders eindrücklich, dass die Verhäuslichung des Mediums von widersprüchlichen Aushandlungen zu Geschlecht und sozialer Schicht getragen wird. Damit bereits an dieser Stelle plausibel wird, wie genau sich die Konfrontation zwischen dem Medium Telefon und dem häuslichen Raum gestaltet, seien hier bereits als einsteigender Überblick beide Phasen kurz zusammengefasst, bevor die weiteren Ausführungen zum Möbel-Werden des Telefons dann hinsichtlich dieser Einteilung weiter ins Detail gehen. 126 | Damit ist gleichsam die Frage nach den Vorläufern von Fernsehmöbeln angesprochen. Medientheoretisch ist die Frage nach Vorläufern im Weiteren als ein Plädoyer dafür einzuordnen, bei der These vom Möbel-Werden wenigstens perspektivisch vom Einzelmedium abzusehen und eine integrative medienwissenschaftliche Perspektive einzunehmen. Wie bereits die frühen Diskurse zum Fernsehen das Medium zwischen Telegrafie, Film und Radio verorten (siehe Teil I, Kapitel 1.1), so lässt sich dieser Aspekt auch in der Vermöbelung von Fernsehapparaten selbst ausmachen, werden vor ihnen doch schon etwa Telefon, Grammophon, Phonograph, Plattenspieler und Radioapparat vermöbelt. Patrice Flichy hat mit Tele: Geschichte der modernen Kommunikation eine einschlägige Studie zur Verhäuslichung von Medien(-technik) vorgelegt, in der er Fotografie, Phonographie und Telefon als Medien der Familienkommunikation im Zeitraum zwischen 1870 und 1930 beschreibt. Darin geht Flichy zwar auf den Möbelaspekt häuslicher Kommunikation ein, systematisiert ihn jedoch nicht weiter. Zudem konzentriert er sich insbesondere auf die USA (da sich die untersuchten Medientechniken dort in der Regel zuerst durchsetzten). Vgl. Flichy, Patrice: Tele. Geschichte der modernen Kommunikation. Frankfurt a. M. [u.a.]: Campus 1994, insbes. S. 99-179.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

In der ersten Phase ist der Ort des Telefons nicht etwa das Zuhause. Vielmehr findet es seinen Platz vorerst in der Geschäftswelt, konkreter im Büro als Ort des aufstrebenden Dienstleistungssektors der Moderne. Als Medium des Bürgertums ist es im ökonomischen Kontext verortet und dazu da, Geschäfte zu erledigen, vereinzelt auch von zuhause. Der Netzwerkcharakter des Telefons (sowohl in technischer als auch in sozialer Hinsicht) stellt ein wesentliches Hindernis in der Verhäuslichung des Mediums dar.127 Im 19. Jahrhundert, zu einer Zeit, in der sich die bürgerliche Einkapselung in Form des Zuhauses der (Klein-) Familie gerade einigermaßen stabilisiert hat, versucht das Telefon in Form einer vernetzten Infrastruktur an den häuslichen Raum anzudocken und sich so gewissermaßen darin „einzuschleichen“. Wie noch zu zeigen sein wird, stellt die zweite Phase der Implementierung dahingehend einen Wechsel dar, dass das Medium nun sehr stark ans Private gekoppelt wird. Während Männer schon an den Umgang mit dem Medium gewöhnt sind, haben sie doch als Angestellte im Büro damit zu tun gehabt, sind es telefonierende Frauen, die das Telefon als Medium der privaten Unterhaltung für sich entdecken. In dieser Phase wandelt sich das Telefon vom feindlichen Eindringling zum häuslichen Verbündeten. Die mediale Eigenlogik einer vernetzten Infrastruktur, die hinter dem Telefon steht, scheint es für Privathaushalte nicht länger zum problematischen Medium zu machen. Vergleichsweise spät kommt es nun zum Gebrauch des „Telephons zur Festigung von familiären und freundschaftlichen Banden“.128 In gewisser Weise perfektioniert es nun die häusliche Einkapselung auch dahingehend, dass der Mann nicht ununterbrochen ins Büro muss und geschäftliche Delegationen auch von zuhause aus erledigen kann. Gleichzeitig ist es auch in dieser Modellierung wieder als Störung der häuslichen Ordnung zu verstehen.

a) Zum Möbel-Werden des Telefons Das Medium Telefon weist in seiner Frühphase Ende des 19. Jahrhunderts auf den ersten Blick keinen besonderen Konnex zum häuslichen Raum auf. Der „These der langsamen Diffusion“129 zufolge hat das Medium in seiner Frühphase kaum soziale Relevanz. Hiervon zeugt neben seiner geringen Verbreitung die Tatsache, dass es als Gegenstand zeitgenössischer gesellschaftlicher Debatten kaum von Belang ist – dies ändert sich erst in den 1920er-Jahren, in denen 127 | Vgl. ebd., S. 146. Kennzeichnend für das Medium Telefon sei laut Flichy, dass es nicht für sich Bestand habe, sondern erst in Form eines Telefonnetzes, das gerade zu Beginn bestimmte soziale Nutzergruppen miteinander verbindet. 128 | Ebd., S. 185. 129 | Ruchatz, Jens: Das Telefon – Ein sprechender Telegraf. In: Kümmel, Albert; Scholz, Leander; Schumacher, Eckhard (Hg.): Einführung in die Geschichte der Medien. Paderborn: Fink 2004, S. 125-150, S. 126.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

vermehrt Fernsprechanschlüsse aufkommen.130 Dominik Schrage verweist darauf, dass in der Frühzeit des Telefons viele Nutzungsmöglichkeiten des Mediums erprobt werden. So wird die Telefonie als Medium zur Übertragung von Konzerten, Lesungen und Nachrichten genutzt und lässt sich in diesem Sinne durchaus als Vorläufer des Rundfunks bezeichnen.131 Als wesentlicher Konkurrent und Vergleichsfolie gilt zu dieser Zeit jedoch die Telegrafie, weshalb das Telefon auch als „sprechender Telegraf“132 bezeichnet wird. Im Hinblick auf die USA ist eine andere Entwicklung zu verzeichnen. Flichy beschreibt, wie das Telefon bereits Ende des 19. Jahrhunderts auf ein gesellschaftliches Interesse an familienbindender Kommunikation stößt.133 Klaus Beck legt in seiner Sozialgeschichte des Telefons aus techniksoziologischer Perspektive dar, warum das Telefon zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch keine Rolle in Privathaushalten spielt. Demnach stehe die Wohnkultur des 19. Jahrhunderts für eine totale Abkapselung vom Außen, „weshalb es im privaten Alltag auch Vorbehalte gegen das Eindringen einer mitunter so aufdringlichen Technik wie des Telefons gab.“134 Das Medium habe sich in der öffentlichen wie in der privaten Sphäre erst nach dem Ersten Weltkrieg zunehmend verbreitet.135 Die ersten Geräte für den Hausgebrauch sind Luxustelefone, die als Prestigeobjekte Zugang in bürgerliche Interieurs finden: „Das ‚schnöde technische Ding‘ sollte als ‚Schmuck-‘ oder als ‚Möbelstück‘ Bestandteil einer bestimmten großbürgerlichen oder gar aristokratischen Alltagskultur werden.“136 Diese Apparate ziehen in Form von Metall- oder Holzkästen in die Wohnungen ein.137 Es scheint, als könne die Technik Ende des 19. Jahrhunderts nur in den häuslichen Raum überführt werden, wenn sie wenigstens qua Gestaltung dessen Regeln entspricht. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts wird das Medium jedoch hauptsächlich der öffentlichen Sphäre zugeordnet, und zwar als technischer Apparat zur Abwicklung von Geschäften. Die langsame Verbreitung in Privathaushalten ist über die 130 | Vgl. ebd., S. 125-127. 131 | Vgl. Schrage, Dominik: Der Sound und sein soziotechnischer Resonanzraum. Zur Archäologie massenkulturellen Hörens. In: Hieber, Lutz; Schrage, Dominik (Hg): Technische Reproduzierbarkeit. Zur Kultursoziologie massenmedialer Vervielfältigung. Bielefeld: transcript 2007, S. 135-162, S. 141. 132 | Ruchatz: Das Telefon, S. 125. 133 | Vgl. Flichy: Tele, S. 146. 134 | Beck, Klaus: Telefongeschichte als Sozialgeschichte: Die soziale und kulturelle Aneignung des Telefons. In: Forschungsgruppe Telekommunikation (Hg.): Telefon und Gesellschaft. Bd. 1: Beiträge zu einer Soziologie der Telekommunikation. Berlin: Spiess 1989, S. 45-75, S. 58. 135 | Vgl. ebd. 136 | Ebd., S. 66. 137 | Vgl. Jörges, Christel; Gold, Helmut (Hg.): Telefone 1863 bis heute. Aus den Sammlungen der Museen für Kommunikation. Heidelberg: Edition Braus 2001, S. 81. Gleichzeitig entstehen in Deutschland strenge Vorgaben für neue Standard-Apparate, sodass die Gestaltung eher funktional ausfällt und weniger künstlerischen Gestaltungsmaximen folgt, wie es bei ihren Vorgängermodellen, die noch Einzelanfertigungen darstellen, der Fall ist. Vgl. ebd., S. 84.

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bereits genannten Gründe hinaus auch auf Entscheidungen der Gerätehersteller zurückzuführen. „Wie die ersten Phonographenhersteller betrachteten anfangs auch die Telefonbetreiber in erster Linie die Geschäftswelt als ihren Markt.“138 In den USA wird das Telefon gleichzeitig früh von Geschäftsleuten als Verbindung zwischen beruflicher und privater Sphäre entdeckt sowie vom Bürgertum zur Delegation von Privatangelegenheiten genutzt.139 Dort gibt es die ersten privaten Anschlüsse bereits in den 1860er-Jahren. Diese werden jedoch nicht etwa dafür genutzt, sich privat auszutauschen, sondern um geschäftliche Angelegenheiten zu kommunizieren.140 Hinter dieser männlich dominierten Medien- und Kommunikationstechnik im Büro und zuhause stehen weibliche Operatorinnen. Wie Ursula Holtgrewe darlegt, ist das Medium Telefon um 1900 in Deutschland insbesondere auf die Arbeit von Frauen angewiesen, die die zum Telefonieren notwendigen Vermittlungsschränckchen in den Fernsprechämtern der Reichspost bedienen. Diese Klappschränke erweisen sich schnell als gefährliche Medien – die Vermittlerinnen sind einem belastenden Schichtdienst, körperlicher Beengtheit qua Verkabelung mit Kopfhörern und Mikrofonen sowie Störgeräuschen und zuweilen sogar direkten Stromschlägen ausgesetzt.141 In den USA setzt sich das Medium Telefon bereits in den 1920er-Jahren durch, in Europa erst in den 1950er-Jahren.142 Zu dieser Zeit ziehen vermehrt erste Apparate in die privaten Haushalte der Bundesrepublik ein: erst als Wandapparat im Flur, später dann als Tischgerät im Wohnzimmer.143 Es sind die Praktiken des „privaten ‚Plaudern[s]‘“144, die das Medium zum Bestandteil des häuslichen Raums werden lassen. Eine Frage, die sich im Übergang vom Außen- in den Innenraum stellt, ist die der Platzierung des Apparats. Wie integriert man ihn in den häuslichen Raum? Vorerst finden Telefone ihren Platz in der Transitzone zwischen innen und außen, nämlich im Flur. In den 1950er-Jahren ist ihr Ort der „Telefonplatz im Vorraum“.145 Einrichtungszeitschriften zeigen Eingangsbereiche, die mit Wandtelefonen und Telefontischen ausgestattet sind. Das Telefon fügt sich ein in eine Dingkultur des Übergangs und findet seinen Platz neben Schirmständern, Garde138 | Flichy: Tele, S. 151. 139 | Vgl. ebd., S. 147. 140 | Vgl. ebd., S. 148. 141 | Vgl. Holtgrewe, Ursula: Die Arbeit der Vermittlung – Frauen am Klappenschrank. In: Becker, Jörg (Hg.): Telefonieren. Marburg: Jonas 1989, S. 113-124, S. 119. 142 | Vgl. Griesbach, Tanja; Beil, Benjamin: Telefon/Telegraphie. In: Schröter, Jens (Hg.): Handbuch Medienwissenschaft. Stuttgart [u.a.]: Metzler 2014, S. 262-267, S. 265. 143 | Vgl. Münker, Stefan; Roesler, Alexander: Vorwort. In: dies. (Hg.): Telefonbuch. Beiträge zu einer Kulturgeschichte des Telefons. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2000, S. 7-12, S. 9. 144 | Griesbach, Beil: Telefon/Telegraphie, S. 265. 145 | Anonymus: Eine Eigentumswohnung – gut gestaltet. In: Die Kunst und das schöne Heim (1955), H. 53, S. 394-399, S. 394.

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roben, Spiegeln, Zeitschriftenhaltern, Hut- und Schlüsselablagen. Wie stark sich der Flur vom Wohnen abgrenzt, zeigt eine zeitgenössische Teppichwerbung, die darum bemüht ist, zwischen innen und außen der Wohnung zu vermitteln: „Da Draußen vor der Tür… gehört auch zur Wohnung.“146 Treppenhaus, Diele und Flur sollen dieser Logik zufolge nicht so sehr das Außen des Wohnens darstellen, sondern endlich als ihm zugehörig erkannt werden (Abb. 22).

Abb. 22: Telefonapparat als Teil der Flurmöblierung (1959)

Mitte der 1950er-Jahre bleibt der Flur zwar weiterhin der bevorzugte Ort des Telefons, gleichzeitig hält es vermehrt Einzug in den Wohnraum. Auffällig ist, dass es sich in diesem Fall größtenteils um Einraumwohnungen handelt. Bei Bewohnern, die auch mal von zuhause aus arbeiten, wie Journalisten und Architekten, sind Telefone im Wohnraum und nicht im Flur zu finden. Die entsprechenden Abbildungen der Wohnungen zeigen in der Regel Telefonmodelle aus weißem Kunststoff. 146 | Werbeanzeige „Ein Westdeutscher Teppich. Dein Teppich. Insel der Gemütlichkeit“. In: Die Innenarchitektur (1959), 7. Jg., S. 191.

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Laut Klaus Beck gelten weiße Telefone in den 1940er-/50er-Jahren als luxuriös, was auf die Rezeption von Hollywood- und italienischen Nachkriegsfilmen zurückzuführen sei, da solche Modelle im Set-Design besonders beliebt sind. Hier wird die Gestaltung des Gehäuses zum entscheidenden Faktor: Weiße Telefone zeichnen sich nicht durch einen technischen Mehrwert aus, sondern sind einfach viel schicker als das gängige schwarze Modell W 48.147 Dass das Medium weiterhin maßgeblich der Sphäre der Arbeit zugeordnet wird, zeigt sich darin, dass die Apparate in Möbeln untergebracht werden, die mit der Bürowelt assoziiert sind. Neben Sekretären werden sie auch auf Barmöbeln platziert, wie etwa in einer in Die Kunst und das schöne Heim vorgestellten „Einraumwohnung einer geistigund berufstätigen Frau“.148 Obwohl sie in oder auf Möbeln abgestellt werden, wirken die Telefonapparate auf diesen Abbildungen in der Regel eher verloren und weniger gut in den Wohnraum integriert.149 Ende der 1960er-Jahre scheint das Telefon weiter ins Private vorgedrungen zu sein: Die Werbung zeigt nun etwa telefonierende Frauen, die entspannt auf dem Bett liegen, in einer vom überwachenden Blick des Ehemanns losgelösten Privatsphäre plaudern und gedankenverloren mit dem Telefonkabel spielen.150 In gewisser Hinsicht lässt sich anhand dieses Beispiels auch die Platzierung des Telefons im Flur neu deuten: Im Gegensatz zum Wohnzimmer ermöglicht der Flur gerade eine von der Familie losgelöste Individual-Kommunikation. Gleichzeitig scheint sich das Telefon nicht pauschal in alle Haushalte gleichermaßen gut zu integrieren. Davon zeugen Bezüge aus Polsterstoffen mit von Gold- und Silberfäden durchzogenen Bordüren, die 1963 etwa zeitgleich zur Entwicklung als Medium des Plauderns auf den Markt kommen (Abb. 23).151 Diese Hüllen werden sowohl über das Gehäuse als auch den Telefonhörer gelegt und sind in der Mitte mit einem Loch versehen, das die Wählscheibe freilässt. Unifarben oder bestickt mit floralen Mustern sind sie passend zur Sofagarnitur oder zum schweren Vorhang der guten Stube gestaltet (siehe Teil II, Kapitel 1.3). Verzierte Telefonhauben lassen sich als Indiz dafür lesen, dass es in der Bundesrepublik ein großes Bedürfnis gibt, das Standardmodell FeTAp 611 von Siemens, das inoffiziell auch als ‚graue Maus‘ bezeichnet wird,152 anschlussfähiger an gängige Einrichtungspraktiken zu machen. Diese beliebte Form des Mediengebrauchs wird von den Vertretern der Deutschen Bundespost als Ordnungsverstoß eingestuft und mit Bußgeldern und 147 | Vgl. Beck: Telefongeschichte als Sozialgeschichte, S. 66. 148 | Anonymus: Einraumwohnung einer Journalistin. In: Die Kunst und das schöne Heim (1955), H. 53, S. 154-155, S. 154; siehe auch Anonymus: Zimmer eines Junggesellen. In: Die Kunst und das schöne Heim (1955) H. 53, S. 238-239, S. 239. 149 | Siehe etwa folgenden Artikel: Anonymus: Wohnung einer berufstätigen Frau. In: Die Kunst und das schöne Heim (1955), H. 53, S. 330-331, S. 331. 150 | Siehe etwa eine Werbeanzeige des Herstellers von Schlafzimmereinrichtungen Tielsa. In: Schöner Wohnen (1969), H. 12, S. 11. 151 | Vgl. Jörges, Gold (Hg.): Telefone 1863 bis heute, S. 197. 152 | Vgl. ebd.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

stillgelegten Anschlüssen geahndet.153 Allem Anschein nach interessiert sich die Institution noch nicht für die Verhäuslichung des Mediums qua Wohnkultur, sondern ist ganz auf seine Standardisierung eingestellt.

Abb. 23: Samtumhüllte Sprechapparate

Neben solchen Hauben, die dem technischen Apparat sprichwörtlich zu Leibe rücken, werden Telefone Mitte der 1960er-Jahre mittels speziell dafür vorgesehener Telefontische in den Wohnraum integriert. Auch diese Möbel lassen sich als Ausdruck des Bedürfnisses lesen, die standardisierten technischen Apparate qua Einrichtung zu individualisieren. In dem Artikel „Komfort gebührenfrei“, der 1967 in der HörZu erscheint, werden Maßnahmen vorgestellt, wie sich Telefone, nun da es vermehrt auch private Anschlüsse gibt, passend in den Wohnraum einfügen lassen: „Mehr als acht Millionen Fernsprechanschlüsse gibt es in der Bundesrepublik. Ein großer Teil davon bimmelt privat. Kein Wunder, daß man da versucht, der geschäftlichen Sache mit gebührenfreien Kleinigkeiten einen persönlichen Anstrich zu geben.“154

Um die Apparate sinnvoll zu verwahren, werden etwa Telefontischchen aus Teakholz mit Metallgestell vorgestellt, an denen ein aufklappbarer Drahtkorb befestigt ist, in dem sich das Telefonbuch verwahren lässt (Abb. 24). Neben dem Apparat wird nämlich auch das nötige Zubehör als Einrichtungsproblem eingestuft: Die als klobig empfundenen Telefonbücher werden nicht nur in dafür vorgesehene 153 | Vgl. ebd. 154 | Anonymus: Komfort Gebührenfrei. In: HörZu (1967), H. 21, S. 84.

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Körbe und Schubladen gesteckt, sondern mit Lederhüllen verkleidet, damit sie auf den Ablagen der Telefontische dekorativ wirken.155 Neben dem ästhetischen Aspekt sollen solche Vorrichtungen ein möglichst bequemes Telefonieren ermöglichen: Zu dem angesprochenen Arrangement empfehle sich ein Hocker, schließlich telefonieren junge Damen bekanntermaßen gerne ausgiebig.156

Abb. 24: Komfortable Telefon-Einrichtung für plaudernde Frauen (1967)

Etwa zeitgleich differenziert sich zur Freude der Bundesdeutschen auch das Design der Apparate aus: 1965 beschreibt etwa die Designzeitschrift Form157 „Tasten als Kennzeichen moderner Technik: wo früher Kipp-, Dreh- und Schiebeschalter oder Hebel betätigt werden mußten, ist heute der bequeme und schnelle Tastendruck selbstverständlich“.158 Daneben gibt es Modelle, bei denen Nummernscheiben und Tastaturfelder auswechselbar sind. Solche Tastendruck-Telefone sind vorerst nur als Nebenstellen zugelassen, also in Form eines Zweitgeräts, das 155 | Vgl. ebd. 156 | Vgl. ebd. 157 | Form: Design Magazine. Frankfurt a.M.: Verlag Form 1957-heute. 158 | Anonymus: Neue Fernsprechapparate für Nebenstellanlagen. In: Form (1965), H. 30, S. 48.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

etwa im Schlafzimmer steht, da die Vermittlungsstellen der deutschen Bundespost noch nicht vollständig auf diese Technik eingestellt sind.159 Die neuen Apparate zeichnen sich durch ihr vermeintlich nutzerfreundliches Design aus: Neben den Tasten sollen handliche Formate – wie etwa zweigeteilte, klappbare Telefone – die Bedienung erleichtern.160 Gleichzeitig wird in verschiedenen Entwürfen zur Zukunft des Telefons die apparative Technik als Hybrid zwischen Telefon und Fernsehen imaginiert. Vorerst stellt jedoch auch die Bild-Telefonie nicht etwa eine Medientechnik des Privaten dar, sondern soll vor allem die Büroarbeit erleichtern: „Man erwartet, daß vor allem im Geschäftsleben das neue Fernsprech(-seh)-System viele Vorteile bieten wird. Man wird am Telefon Produkte, Verkaufsobjekte, Tabellen, Layouts und Grafiken zeigen können, die der Gesprächspartner am anderen Ende fotografisch aufnehmen kann und damit auf schnellstem Wege eine Arbeitsunterlage und Bilddokumente erhält.“161

Isabell Otto legt dar, wie in den USA in den 1970er-Jahren mit dem Picturephone das Versprechen der Telepräsenz vermarktet wird: „Die Videotelefonie soll ermöglichen, die Enkelkinder von der Ferne aus aufwachsen zu sehen, Familien zusammenzuführen oder einfach zu plaudern.“162 Am Markt scheitert diese Medientechnik mit dem futuristischen Gehäuse-Design jedoch, bevor sie dann mit dem Instant-Messaging-Dienst Skype in digitaler Form erfolgreich werden sollte.163 Ein tatsächlicher Wechsel vom Büro-Apparat hin zum Medium, das für den privaten Austausch genutzt wird vollzieht sich in der Bundesrepublik erst mit den 1970er-Jahren. Mit der gesteigerten Nachfrage erweitert auch die deutsche Post wie oben dargelegt ihre Modellangebote.164 Wie Schildt zur Verbreitung des Mediums darlegt, ist die Ausstattung der Haushalte mit Telefonanschluss stark nach sozialer Schicht differenziert. Noch zu Beginn der 1960er-Jahre sind Telefonapparate eher bei gutverdienenden Angestellten zu finden als in Arbeiterhaushalten. Im Medienvergleich sei das Rundfunkgerät hingegen stärker verbreitet und weitaus häufiger in Arbeiterhaushalten anzutreffen.165 159 | Vgl. ebd. 160 | „Wählscheibe und Hörmuschel passen in der schmalen Form zur handlichen ‚Sprechhälfte‘. Beide lassen sich auseinanderklappen.“ Anonymus: Telefon. In: Schöner Wohnen (1972), H. 9, S. 11. Diese neuen Apparate kommen in den verschiedensten Farben, wie etwa hellblau, daher. Vgl. ebd. 161 | Anonymus: Notizen aus der Technik. In: Form (1970), H. 50, S. 66. 162 | Vgl. Otto, Isabell: Happy Birthday from Skype. Zur Darstellung von Temporalität in einer Online-Werbekampagne. In: Bartz, Christina; Miggelbrink, Monique (Hg.): Zeitschrift für Medienwissenschaft (2/2013), H. 9, Themenschwerpunkt „Werbung“, S. 53-65, S. 59. 163 | Vgl. ebd., S. 59. 164 | Vgl. Beck: Telefongeschichte als Sozialgeschichte, S. 67. 165 | Vgl. Schildt: Moderne Zeiten, S. 106.

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Wie dieser kurze Durchgang durch die Verhäuslichung des Telefons zeigt, bedeutet das Aufeinandertreffen von Medientechnik und Haus nicht etwa, dass alle Medien zu Möbeln würden. Dem Telefon wird nicht gleich ein Möbel-Status im Wohnumfeld zugesprochen, sondern es fristet vorerst ein Dasein im Flur. Je näher es jedoch an den eigentlichen Wohnraum rückt, desto mehr zeigt sich, wie stark auch hier der Wille ist, es in die Einrichtung zu integrieren und nicht als technisches Gerät stehen zu lassen. Davon zeugen nicht zuletzt die weiter oben angesprochenen Samthüllen, die Telefone in den 1960er-Jahren als Verkleidung des Technischen anschlussfähig an das Interieur machen. Die Tatsache, dass kurz darauf folgend nicht mehr nur das Einheitsgerät von Siemens, sondern verschiedene Gerätetypen zur Verfügung stehen, lässt sich ebenfalls als Plädoyer für die Wohnumwelt verstehen. Die Bundesbürger nehmen sie mit großer Freude zur Kenntnis – endlich gibt es mehr Modelle, um den vielgestaltigen Wohnwünschen gerecht zu werden. Die Erkenntnisse zur Verhäuslichung des Mediums Telefon lassen sich auch für den Gegenstand Fernsehmöbel produktiv machen: Wie bereits in der methodisch-theoretischen Hinführung dieser Arbeit angenommen, zeigt sich hier, dass es durchaus sinnvoll ist, die breit angelegte Vermöbelungsthese zu relativieren (siehe Teil II, Kapitel 1.2). Nicht nur, dass technische Medien und das Haus im Möbel-Werden eines Mediums unterschiedlich aufeinander bezogen sein können. Schließlich wird das Telefon nicht wie der Fernsehapparat wie selbstverständlich als Möbel in die Wohnungen eingefügt. Darüber hinaus lassen sich nur bestimmte Aspekte eines Mediums vermöbeln. Wenn Fernsehapparate mit wohnmöbelähnlichen Gehäusen verhüllt werden, so gilt dies im Wesentlichen für das technische Innenleben, nicht jedoch für die Bedienelemente. Und auch die Samthüllen als verzierende Verkleidungen von Telefonapparaten lassen mit den Wählscheiben explizit die Bedienelemente frei. In dieser Hinsicht stellen Interfaces immer auch eine Grenze der Vergehäusung und somit auch eine Irritation in der Vermöbelung technischer Medien dar. Zwar geht das Möbel-Werden von Medien nicht unmittelbar in ihrer „Totalvermöbelung“ auf. Jedoch vollzieht sich in diesem Prozess eine Transformation in der Verfasstheit des Mediums selbst. Mit zunehmender Nähe des Telefons zum Wohnraum ergibt sich ein Wechsel darin, wie es als Medium gestaltet und genutzt wird: Es ist nun immer mehr auf die Einrichtung bezogen. Dies betrifft letztendlich auch die Interfaces technischer Medien. Wie die Ausführungen zum Möbel-Werden von Fernsehapparaten im vorherigen Unterkapitel gezeigt haben, ist die Gestaltung von Bedienelementen und Bildschirmen stets auch auf den Wohnraum bezogen. Geht es in frühen Diskursen zur sinnvollen Gestaltung der Bedienelemente von Fernsehapparaten noch maßgeblich darum, die Frontseite ästhetisch nicht zu überfrachten, so werden mit den Fernsehern im ‚neuen‘ Stil zusammen mit den Materialien des ‚neuen‘ Wohnens auch die technischen Elemente der Geräte im Wohnraum sichtbarer.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

Im Folgenden geht es um eine weitere Relativierung der im Rahmen dieser Arbeit aufgestellten Vermöbelungsthese. Das Telefon weist schon in die weiter zu verfolgende Richtung, und zwar dahingehend, dass es im Wohnraum zumindest theoretisch transportabler ist als stationäre Fernsehapparate, die aufgrund ihres Gewichts und ihrer Abmessungen nur selten bewegt werden. Einen Grenzbereich zu solchen Medien mit einem mehr oder weniger festen Stellplatz im Wohnraum stellen mobile Medien dar. Wie zu zeigen sein wird, sind mobile Medien insofern als eine Grenze der These vom Möbel-Werden technischer Medien zu verstehen, als sie einer anderen Logik der Einkapselung folgen als jene, die einen festen Stellplatz im Wohnraum zugewiesen bekommen und dahingehend auf das häusliche Wohnumfeld hin gestaltet sind. Im Unterschied zu stationären Medien wie dem Telefon und dem Fernsehapparat folgen mobile Medien dem Prinzip der Verkofferung.

b) Mobile Medien als Verkofferung Neben dem Interface als Signifikant des Technischen (siehe Teil II, Kapitel 1.2) stellen mobile Medien eine größere Irritation der Vermöbelungsthese dar. Tragbare Radio- oder Fernsehgeräte sind keine Medienmöbel im engeren Sinne, schließlich weisen sie nicht die Standfestigkeit und Design-Spezifika von Medien-/Möbel-Hybriden für den Hausgebrauch auf. Dennoch sind auch diese technischen Medien im Wohnraum nicht ganz von der Inneneinrichtung wegzudenken, werden die tragbaren Geräte im Nicht-Gebrauch doch in eben diesen verwahrt und bspw. auf Tischen, Schränken oder Regalen abgestellt. Anhand des mobilen Mediums Buch lassen sich diese Formen der Assemblage zwischen tragbaren Medien und Möbeln kurz ausdifferenzieren. Wenn mobile Medien auf das Zuhause treffen, werden diese nämlich nicht selbst zum Möbel, sondern vielmehr darin verwahrt. Das Buch eignet sich für den hier folgenden kurzen Exkurs besonders, da es gewissermaßen zwischen den Orten liegt und vermeintlich eindeutige Grenzziehungen zwischen Medien und Möbeln irritiert. Zwar ist es weniger an eine feste Position im Wohnraum gebunden als etwa Telefone und Fernsehapparate. Dennoch hält sich seine Mobilität in Grenzen, zumindest in der Sphäre des Hauses. Einmal gelesen, gleicht es vielmehr einem Dekorationsgegenstand bzw. wird es zum integralen Bestandteil der Inneneinrichtung, der in der Regel in Regalen und Schränken verwahrt wird. Unter dieser Perspektive werden Bücher zum Einrichtungsproblem: Die Frage lautet dann, wie man sie sinnvoll in den Wohnraum integriert. Darüber hinaus kommen mit den Büchern weitere Möbel ins Haus, die ihren Gebrauch erleichtern sollen. Wie Erich Schön in seiner Studie zur Geschichte des Lesens herausstellt, sind Lesemöbel um 1800 als Symptom einer Verhäuslichung des Mediums Buch und

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der Praxis des Lesens zu verstehen.166 Alltägliche Formen der Rezeption – das Lesen im Stehen, Sitzen und Liegen – sind in wohlhabenden Haushalten gekoppelt an entsprechende Medienmöbel, wie etwa das Lesepult, Schreibtische, Bureaus, Bücherregale sowie das Chaiselongue als Lese- und Studiermöbel. Diese Möbel setzten die Lesenden in eine jeweils spezifische Beziehung zu ihren Körpern und markieren das Lesen als Sphäre der Arbeit (im Sitzen) oder Freizeit (im Liegen).167 Diese Praxen des Lesens funktionieren geschlechtsspezifisch: So verschränkt sich etwa das Lesen im aufrechten Sitz mit einem weiteren Lese- und Arbeitsmöbel, dem Karteischrank, zur Kulturtechnik des Verzettelns/Exzerpierens,168 die dem männlichen Hausvorstand vorbehalten ist. Im Lesekreis wiederum versammeln sich Frauen – mit oder ohne Tisch – im Kreis und lesen einander vor.169 Ob Lesepult oder Exzerptenschrank: In den dargelegten Tätigkeiten leisten Möbel einen zentralen Beitrag zur Verhäuslichung des mobilen Mediums Buch und lassen sich als räumlich-apparative Komponenten der Kulturtechnik170 bzw. der medialen Operation Lesen beschreiben. Auch wenn mobile Medien wie das Buch eine Affinität zu den Möbeln des häuslichen Raums aufweisen, so fallen sie doch nicht unter den hier zu operationalisierenden Untersuchungsgegenstand der Medienmöbel. Dieser Umstand scheint sich im Hinblick auf technische Medien, die räumlich mobil sind, zu verhärten. Die Gehäuse portabler171 technischer Medien lassen sich vielmehr unter dem As166 | Schön, Erich: Der Verlust der Sinnlichkeit oder Die Verwandlungen des Lesers. Mentalitätswandel um 1800. Stuttgart: Klett-Cotta 1987. 167 | Vgl. ebd., S. 76f. 168 | Für weitere Ausführungen zu Zettelkästen, Exzerptenschränken und anderen Gehäusen der Informationsverarbeitung siehe Krajewski, Markus: Zettelwirtschaft. Die Geburt der Kartei aus dem Geiste der Bibliothek. Berlin: Kadmos 2002. 169 | Vgl. Schön: Der Verlust der Sinnlichkeit, S. 197. 170 | Weitere Ausführungen zu Kulturtechniken im Rahmen der vorliegenden Arbeit siehe Teil II, Kapitel 2.2. 171 | In der medienwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit mobilen und portablen Medien werden beide Begriffe weitestgehend synonym gehandhabt. Dennoch markieren sie unterschiedliche Schwerpunktsetzungen: Die Bezeichnung „mobile Medien“ betont, dass auf sie bezogene Medienpraktiken keine feste räumliche Position erfordern (gerade auch im Hinblick auf die Einbindung dieser Medien in Verkehrsformen und – ganz grundlegend – gesellschaftliche Mobilitätsprozesse). In dieser Spielart wird also mehr auf die Individualisierung von Mediennutzung und die Immaterialisierung von Zeichen infolge drahtloser Medien- und Kommunikationstechnologie angespielt. Das Begriffsgefüge „portable Medien“ hingegen hebt gerade auf ihre Materialität ab, nämlich darauf, dass diese Medien in einer je spezifischen Ausformung mit dem menschlichen Körper verbunden und dahingehend in ihrem Geräte-Design miniaturisiert sind. Vgl. Thiele, Matthias; Stingelin, Martin: Portable Medien von der Schreibszene zur mobilen Aufzeichnungsszene. In: dies. (Hg.): Portable Media. Schreibszenen in Bewegung zwischen Peripatetik und Mobiltelefon. München [u.a.]: Fink 2010, S. 7-27, S. 8.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

pekt der Verkofferung fassen.172 Die Fotografie taucht Ende des 19. Jahrhunderts nicht etwa in der Gestaltung als Möbel, sondern als Koffer im häuslichen Raum auf. Vorerst scheitert George Eastmans Versuch, die Fotografie qua eines nutzerfreundlichen flexiblen Rollfilms statt der unhandlichen Glasplatten zu einem Massenphänomen zu erheben.173 Erst infolge eines Re-Branding unter dem Namen Kodak findet die Fotografie als „Komplettservice“ einen Weg zumindest in bürgerliche Privathaushalte. Der Kodak-Slogan „You Push the Button We Do the Rest“ versinnbildlicht den Schritt der Fotografie vom Experten- zum Amateurmedium. Apparat und Film erlauben es den Nutzern, einfach drauflos zu knipsen, anstatt die Technik erst aufwendig in Betrieb nehmen zu müssen. Die fertigen Filme werden anschließend mitsamt der Kamera verschickt und außer Haus entwickelt.174 Neben diesen Amateur-Apparaten, die mit Henkeln und Trageriemen versehen werden und zusätzlich mit einer Ledertasche ausgestattet sind, sehen auch die verpackten Rollfilme aus wie handliches Gepäck im Miniaturformat.175 Mit den 1950er-Jahren werden auch tragbare Radios mit Henkeln versehen als wären es Koffer.176 Weber zeigt in ihren Analysen zu tragbaren Musikwiedergabegeräten, dass das Koffer-Design ein Kennzeichen von Portabilität darstellt.177 Anfang der 1960er-Jahre wird dieses Designprinzip auch für das Medium Fernsehen relevant.178 Cecilia Tichi beschreibt in ihrer Studie Electronic Hearth. Creating an American Television Culture, dass solche portablen Geräte die Eigenlogik des Fernsehens als häusliches, familiengebundenes Medium stark infrage stellen. Gleichzeitig werde die Bedrohung der häuslichen Ordnung über das Design und Marketing der Geräte wieder abgefangen: Als Urlauber und Touristen erhalten die Apparatebesitzer einfach eine neue temporäre Rollenzuweisung, die – in Form eines kleinen Ausflugs oder eines Kurztrips – eine kurze Pause vom Zuhause darstellt, ohne dieses in Frage zu stellen.179 172 | Vielen Dank an Vinzenz Hediger für diesen Hinweis zum Koffer-Werden der Fotografie/ des Films. 173 | Vgl. Flichy: Tele, S. 108. 174 | Vgl. ebd. 175 | Vgl. Tillmanns, Urs: Geschichte der Photographie. Ein Jahrhundert prägt ein Medium. Frauenfeld [u.a.]: Huber 1981, S. 163. Das Kodak Girl, das die Eastman Kodak AG ab dem späten 19. Jahrhundert bis in die 1960er-Jahre in der Anzeigenwerbung für ihre Kameras als idealtypische Nutzerin inszeniert, trägt den Apparat denn auch körpernah wie eine Handtasche und nimmt ihn mit auf Reisen. Siehe Lange, Andrea: Das Kodak Girl – eine Ikone der Werbung in Urlaubsstimmung. In: FWK // Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur (1998), H. 26, S. 66-77. 176 | Siehe etwa das „[n]imm mich mit“-Radio. Werbeanzeige. In: HörZu (1961), H. 29, S. 33. 177 | Vgl. Weber, Heike: Das Versprechen mobiler Freiheit. Zur Kultur- und Technikgeschichte von Kofferradio, Walkman und Handy. Bielefeld: transcript 2008, S. 20. Statt von mobilen Medien spricht Weber durchgehend von Portables. 178 | Siehe etwa eine Werbeanzeige zum „neue[n] transportable[n] „Admiral“-Fernsehgerät von Imperial, das „ideal für Heim und Reise“ ist. In: HörZu (1961), H. 28, S. 32. 179 | Vgl. Tichi: Electronic Hearth, S. 67.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Die Betonung des Mobilitäts-Aspekts in den Mediendiskursen, die die Verhäuslichung des Fernsehens in den USA in den 1960er-Jahren begleiten, begreift Lynn Spigel als Umkehrlogik zu Raymond Williams’ Begriffsprägung der mobilen Privatisierung (siehe Teil I, Kapitel 1.2) als privatisierte Mobilität: Während die Heimtheater-Standgeräte mit dem Versprechen einhergehen, das öffentliche Leben ins Heim zu holen, lässt sich mit den tragbaren Fernsehapparaten ein häuslicher Einrichtungsgegenstand – der für das Private schlechthin steht – in die Welt da draußen tragen.180 „Tatsächlich eröffnete die Tragbarkeit ein komplett neues Inventar kultureller Fantasien über das Fernsehen und das Vergnügen, das das Fernsehen bieten sollte. Diese Fantasien beruhten auf der imaginären Möglichkeit, das Haus zu verlassen, statt zuhause zu bleiben.“181

Diese Fantasien über die Eroberung des außerhäuslichen Raums führen die Zuschauer an aufregende und zuweilen auch verbotene Orte.182 Dieser Richtungswechsel weg vom Zuhause hin zur öffentlichen Sphäre zeigt sich auch an den Gerätenamen dieser Zeit, die in den USA etwa Adventurer, Jetliner und Globe Trotter heißen. Sie alle stehen für Freizeitaktivitäten im Freien und die Möglichkeit des Reisens.183 Bezeichnend daran ist, dass nun auch Standgeräte mit diesem Topos der Mobilität beworben werden, wie etwa in der Motorola-Werbekampagne „Fresh from Motorola“ Anfang der 1960er-Jahre, in der die abgebildeten Architekturen mit der Natur zu verschmelzen scheinen und sowohl Fernsehapparate als auch Zuschauer in einer Outdoor-Ästhetik inszeniert werden.184 Wie Spigel herausstellt, werden tragbare Fernsehapparate aller Euphorie über Portabilität zum Trotz laut den Studien der empirischen Sozialforschung nur selten bewegt.185 Wie auch das Möbel-Werden ist das Koffer-Werden von Fernsehapparaten getragen von widersprüchlichen Aushandlungen darüber, wo und wie die Geräte zu gebrauchen sind. In der Bundesrepublik kommen die ersten tragbaren Fernsehapparate Anfang der 1960er-Jahre auf den Markt. Regalflache Fernseher im ‚neuen‘ Stil sind zwar auch schon vorher transportabler als ihre Vorgänger, die in wuchtigen Holzschränken daherkommen. Tragbare Fernsehapparate zeichnen sich nun aber gerade dadurch aus, dass sie mit dem Topos der Portabilität assoziiert werden. Solche Geräte laufen im Netz- oder Batteriebetrieb, verfügen über steckbare 180 | Vgl. Spigel, Lynn: Medienhaushalte. Damals und heute. In: Bartz, Christina; Miggelbrink, Monique (Hg.): Zeitschrift für Medienwissenschaft (2/2013), H. 9, Themenschwerpunkt „Werbung“, S. 79-94, S. 84f. 181 |  Ebd., S. 83. 182 | Vgl. ebd. 183 | Vgl. ebd., S. 83f. 184 | Vgl. ebd., S. 85f. 185 | Vgl. ebd., S. 86.

2. Gehäuse/Interface: Möbel-Designs von Fernsehgeräten

Antennen und sind zuweilen eingebaut in kunstlederbezogene Koffer. Anfang des Jahrzehnts, als die Geräte noch sehr neu und für die wenigsten erschwinglich sind, werden sie in Preisrätseln verlost. Laut der HörZu stellen tragbare Fernsehapparate ein so wünschenswertes Objekt dar, weil sie aufgrund ihrer Mobilität flexible Gebrauchsszenarien erlauben. So ließe sich etwa der Grundig „Fernseh-Boy“ mitnehmen an ferne Urlaubsorte, ins Wochenendhäuschen, auf den Balkon der eigenen Wohnung und in den Garten oder zu Freunden und Bekannten, die noch nicht über einen eigenen Empfänger verfügen.186 Eine Nähe zu den USA ergibt sich hier nicht nur über den Produktnamen, sondern auch in den visionierten Nutzungsmöglichkeiten, die, wie Tichi herausstellt, auch in den USA stark an den häuslichen Raum gebunden bleiben. Aller Portabilität qua Design zum Trotz wird der Mehrwert der Geräte nicht zwangsläufig darin gesehen, dass sie mit nach draußen genommen werden können, sondern gleichermaßen darin, dass sie im Haus beweglich sind und sich in verschiedenen Zimmern aufstellen lassen.187 Abenteuerlustige, phantasiereiche und zuweilen spektakuläre Fernsehumwelten, wie sie Spigel als weitere Facette der Diskurse zu portablem Fernsehen herausstellt, gibt es in der Bundesrepublik nur selten. Anstatt sich damit an entlegene Orte zu träumen, erweisen sich tragbare Fernseher in der BRD als besonders praktisch, um dem Bedürfnis nach individualisiertem Fernsehkonsum zuhause nachzukommen und nicht länger zwangsläufig im Kreis der Familie fernzusehen. Im Schlafzimmer ließe es sich vom Bett aus schließlich viel bequemer fernsehen als etwa in einem Sessel im Wohnzimmer.188 Statt tatsächlich in Bewegung zu sein und nah am Körper mitgeführt zu werden, stehen tragbare Apparate häufig in Transitzonen, wie etwa auf der Durchreiche zwischen Küche und Wohnzimmer, um sich so im Handumdrehen von einem Medium, das Kochanleitungen gibt, in eines der Familienunterhaltung zu verwandeln.189 Es scheint so, als wäre man in der Bundesrepublik nicht ganz so sehr daran interessiert, von risikoreichen Ausgehabenteuern mittels Fernsehen zu träumen. Das Koffer-Design und die damit einhergehende Mobilität im Haus sind vielleicht Versprechen genug. Bundesdeutsche Abenteuerlust drückt sich nicht so sehr in spektakulären Fernsehumwelten in der Werbung aus, sondern in einem internationalen Geräte-Design. Das italienische Design, das Ende der 1960er-Jahre die Einrichtungen affiziert und dem eine Vorreiterrolle im modernen Wohnen zugesprochen wird, versieht tragbare Fernsehapparate mit einem Versprechen: Die Plastik-Gehäuse mit den abgerundeten Ecken sollen sich in die Wohnräume junger und hipper Menschen einpassen. In dem Artikel „Mobil-Machung auf Italienisch“190 stellt 186 | Vgl. Anonymus: Preisrätsel der Woche. In: HörZu (1962), H. 1, S. 63. 187 | Vgl. Tichi: Electronic Hearth, S. 67. 188 | Vgl. Anonymus: TV-Time. In: Schöner Wohnen (1972), H. 4, S. 9. 189 | Vgl. Anonymus: Heim und Garten. Extra für Sie. Fernsehen mit kleinem Dreh. 190 | Anonymus: Mobil-Machung auf Italienisch. In: Schöner Wohnen (1972), H. 7, S. 117-122.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Schöner Wohnen in einer Bildstrecke tragbare Fernsehapparate des italienischen Geräteherstellers Emi-Voxson vor. Roberto Timosci, der General-Manager des Unternehmens, beschreibt im Interview den bewussten Bruch des Geräte-Designs mit Einrichtungskonventionen: „Es gibt immer mehr Menschen, die so denken wie ich. Schauen Sie sich die jungen Leute an, wie sie wohnen: moderne Möbel, moderne Lampen, ganz neue Farben – das ist ein ganz anderes Klima als früher: klarer, frischer, heller. Und diese Menschen verlangen nach technischen Geräten, die zu ihnen passen, die zu den Wohnungen passen.“191

Die neue Funktionalität der tragbaren Fernsehgeräte – sie sind ausgestattet mit Tageslichtscheiben oder haben geneigte Bildschirme, so dass man theoretisch auch draußen im Sonnenlicht noch fernsehen kann – scheint dabei weniger von Interesse zu sein. Statt draußen für Wirbel zu sorgen, sollen die italienischen Empfänger bundesdeutsche Einrichtungen verwandeln. Trotz der Handgriffe, mit denen jedes Gerät ausgestattet ist, erinnern sie nur noch wenig an Koffer, sondern sehen aus wie futuristische Gadgets.192 An den Geräten interessiert vor allem ihr Äußeres, das laut Timosci „Sex-Appeal“ im Wohnraum verspricht.193 Modernes, ‚gutes‘ Design wird mit italienischer Lebenslust und damit einem sinnlicheren Lebensstil als dem deutschen in Verbindung gebracht. Der Traum von sexuellen Abenteuern qua Möblierung und (medien-)technischer Einrichtungen, der zu eben dieser Zeit US-amerikanische Männer von Junggesellen-Penthäusern träumen lässt,194 erfasst in bescheidenerer Form auch die Bundesrepublik.

191 | Ebd., S. 117. 192 | Zum space design von tragbaren Fernsehern in den USA siehe etwa Spigel, Medienhaushalte, S. 82f. Im Hinblick auf Großbritannien siehe Chambers, Deborah: The Material Form of the Television Set. In: Media History (2011), 17. Jg., H. 4, S. 359-375, S. 367ff. 193 | Vgl. ebd. 194 | Vgl. Preciado: Pornotopia.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel Im vorherigen Kapitel ging es um das Möbel-Werden von TV-Apparaten in den 1950er- und 1960er-Jahren, das entlang ihrer verschiedenen Gehäuse- und Interface-Designs systematisiert wurde. Die Ausdifferenzierung der Fernsehmöbel-Designs wurde eingeordnet in eine sich ausdifferenzierende Wohnkultur und entsprechende Möbel- und Einrichtungsstile. Insgesamt hat das Kapitel damit unter Rückgriff auf die Ergebnisse des Design-Kapitels (siehe Teil II, Kapitel 1) einen weiteren Schritt dahingehend vollzogen, die Verhäuslichung des Fernsehens nicht ausschließlich aus einer Perspektive der Medien selbst, sondern von der Inneneinrichtung her zu denken. Wie es sich am Geräte-Design bereits angedeutet hat, werden mit einer Möbel-Perspektive die Verbindungen des Mediums Fernsehen zu weiteren Akteuren relevant, etwa wenn aus Fernsehapparaten „regalflache“ Fernseher werden. Hier stellt sich das Bücherregal als wichtiger Verbündeter des Fernsehens im Wohnraum heraus. Das nun folgende Kapitel spitzt diese Perspektive zu. Es entfernt sich wieder vom Gehäuse bzw. Interface, indem es aus einem praxeologischen Standpunkt konkrete Einrichtungspraktiken mit Fernsehmöbeln herausarbeitet und den häuslichen Raum als Netzwerk beschreibt. In diesem Sinne geht es darum zu zeigen, dass im Möbel-Werden von Fernsehapparaten über ihr Gehäuse-Design hinaus auch die Einrichtungspraktiken mit dem Medium von Bedeutung sind. Dabei werden die Grundrisse der Wohnungen und entsprechende Aufteilungen in Form von Möblierungen relevant. Es geht darum, undogmatisch an Teil II, Kapitel 2 anzuschließen, in dem gezeigt wurde, dass sich einige Begriffe der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) gut eignen, um häuslichen Wandel in Bezug auf Fernsehapparate aus einer entselbstverständlichenden Perspektive zu beschreiben. In diesem Sinne wird in den weiteren Ausführungen die Perspektive des ANT-Kapitels beibehalten, ohne an jeder Stelle eigens drauf zu verweisen. Dabei geht das vorliegende Kapitel davon aus, dass die Integration von Fernsehapparaten in die Wohnungen der Nachkriegsjahre von Irritationen und Friktionen bestimmt ist. Statt in den weitern Ausführungen auf das positiv besetzte Konzept der Aneignung im Sinne des Domestizierungsansatzes zurückzugreifen, wird den Störungen im Mediengebrauch nachgegangen (siehe Teil I, Kapitel 2.2).

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

In der ANT kommt dem Moment der Störung eine sichtbarmachende Funktion im Hinblick auf Verbindungen zwischen den Akteuren zu. In diesem Sinne geht das vorliegende Kapitel davon aus, dass in der Herausforderung, die Fernsehapparate an den Wohnraum und seine Bewohner darstellen, Machtunterschiede sichtbar werden, die in reibungslos funktionierenden Netzwerken weitgehend unsichtbar bleiben. Ziel der weiteren Ausführungen ist es, die temporären Rollenzuweisungen im Hinblick auf die Kategorien Geschlecht und soziale Schicht herauszustellen, die sich aus den sich wandelnden Verknüpfungen von Netzwerken ergeben, wie es im Theorieteil der vorliegenden Arbeit als Vorteil der ANT gegenüber dem Domestizierungsansatz beschrieben wurde (siehe Teil I, Kapitel 2.2, sowie Teil II, Kapitel 2.4). Unter dieser Perspektive lässt sich mit der ANT gerade zeigen, wie viel permanenter Aufwand hinter der Stabilisierung von Netzwerken steht. In diesem Unterfangen werden nicht etwa die Forschungsinteressen der Cultural Studies generell ad acta gelegt. Vielmehr geht es gerade darum, am Gegenstand der Verhäuslichung von Fernsehapparaten als Möbeln in Manier der Cultural Studies zu zeigen, wie relevant Praktiken in Bezug auf Medien sind. Gleichzeitig soll dabei jedoch auch der agency nachgegangen werden, die Fernsehmöbel selbst an diesem Prozess haben. Andrea Seier beschreibt gerade die Symmetrie-These der ANT, die für die gleichmäßige Berücksichtigung von menschlichen wie nicht-menschlichen Akteuren in der Beschreibung von Netzwerken steht, als wichtigen methodischen Input für Ansätze der Cultural Studies, worunter eben auch der Domestizierungsansatz fällt: „Das Aufzeigen einer Verteilung der Handlungsmacht könnte auch Ansätze der Cultural Studies-Tradition, die sich bislang auf die Agency der humanen Aktanten konzentriert haben, korrigieren oder weiter vorantreiben.“1

Eben einem solchen Interesse an dinghaften Akteuren, wie es sich in auf Fernsehgeräte bezogene Einrichtungspraktiken manifestiert, gehen die folgenden Ausführungen nach. Neben der Materialität der Praktiken stehen im Weiteren die implizite Logik der Praxis sowie Wiederholungen, über die sich weitestgehend unbewusste Strukturen herausbilden, im Fokus (siehe hierzu Kapitel 1.3 im vorliegenden Teil). Das vorliegende Kapitel ist dahingehend praxeologisch ausgerichtet, dass es fernsehmöbel-basierte häusliche Operationsketten2 beschreibt. Neben der temporären Sichtbarkeit von Allianzen im Wohnraum spielen dabei Praktiken des Black1 | Seier, Andrea: Un/Verträglichkeiten: Latours Agenten und Foucaults Dispositive. In: Conradi, Tobias; Derwanz, Heike; Muhle, Florian (Hg.): Strukturentstehung durch Verflechtung: Akteur-Netzwerk-Theorie(n) und Automatismen. München [u.a.]: Fink 2011, S. 151-172, S. 167. 2 | Zum Begriff der Operationsketten siehe Teil II, Kapitel 2.2 und weiter unten im vorliegenden Kapitel.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

boxings eine Rolle. In dem Moment, in dem sich ein Netzwerk stabilisiert, werden seine Funktionsweisen „unsichtbar“, was wiederum bestimmte Aspekte von Geschlecht und sozialer Schicht miteinschließt. Blackboxing ist ökonomischer, insofern Komplexität zugunsten eines vermeintlich reibungslosen Funktionierens eingekapselt und ausgeblendet wird. In dieser Hinsicht wird die Fernsehecke immer mehr zur Black Box im Wohnraum: im Laufe der 1950er-/60er-Jahre wird ihre Stellung im Wohnraum immer weniger in Frage gestellt und sie erscheint zunehmend als funktionierende Einheit, was als Automatismus3 im Einrichten beschrieben werden kann. Das vorliegende Kapitel organisiert sich um diese beiden widerstrebenden und doch einander zugehörigen Tendenzen von Netzwerken zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit. So geht es zum einen darum zu zeigen, was in dem Moment sichtbar wird, in dem ein neuer Akteur wie das Fernsehmöbel ein Setting betritt. Zum anderen soll herausgestellt werden, was geblackboxt wird, wenn sich ein eben solch wirkmächtiger Akteur etabliert. Wie wird dieser „Normalzustand“ der Fernsehecke im Wohnraum hergestellt? Welche Akteure sind daran beteiligt? Wie viel Arbeit wird von jedem von ihnen in diesen Prozess investiert? Es geht darum, nicht von der Fernsehecke als Ergebnis einer Einrichtungspraxis auszugehen, sondern ihre Formierung als Prozess zu verstehen und den einzelnen Schritten, in die sich dieser gliedert, ganz genau nachzugehen. Diese Prämisse gilt auch für die Kategorien Geschlecht und soziale Schicht: Wie werden soziale Asymmetrien hergestellt? Hierzu wird den einzelnen Akteuren, die sich im Analysematerial ausmachen lassen, nah gefolgt und ihr Anteil am häuslichen Netzwerk in Operationsketten zerlegt. Wie noch zu zeigen sein wird, verdeutlichen diese, wie viel Aufwand hinter der Stellung der Fernsehecke im häuslichen Raum und den damit einhergehenden Rollenzuweisungen der Akteure steht und wie prekär etablierte häusliche Ordnungen eigentlich sind. Der erste Teil des vorliegenden Kapitels setzt breiter an und zeigt, dass mit der Frage nach der Integration von Fernsehapparaten als Möbel in den Wohnraum Grundrisse wichtig werden. Wie bereits herausgestellt, wird die Integration von Medien in den Wohnraum in den 1950er-/60er-Jahren in Einrichtungszeitschriften häufig anhand von Grundrissen visualisiert und die abstrakte Problemlage so in ein handhabbares Wissen übersetzt (siehe Teil II, Kapitel 2.2). Über diese epistemischen Qualitäten hinaus schaffen Grundrisse im Wohnungsbau starke Verbindlichkeiten. Die Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus in den 1950er-/60er-Jahren materialisieren sich insbesondere in der Richtlinie 3 | In der Einleitung zu dieser Arbeit findet sich eine kurze Begriffsklärung zu „Automatismen“, die im Hinblick auf den Gegenstand der vorliegenden Arbeit insbesondere zwei Facetten von Automatismen produktiv macht. Zum einen sind Automatismen weitgehend emergente Praktiken, die eine Struktur herausbilden, und zum anderen haben sie eine ökonomische Seite insofern sie als weitgehend unbewusste Prozesse die Komplexität von Abläufen reduzieren.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

des offenen Wohnens und den entsprechenden Grundrissen der Wohnungen. Entgegen diesen Prämissen des ‚guten‘ Wohnens richten sich die Bundesbürger lieber geschlossen-gemütlich ein. Es wird herausgestellt, dass sich Fernsehapparate in der Bundesrepublik – im Gegensatz zu den USA – nicht gut in das Leitbild des offenen Wohnens einfügen. Stattdessen richten sich die Bundesbürger so ein, dass sie den Grundrissen qua Einrichtung ein gemütliches Wohnen entgegensetzen, etwa mit traditionellen Stilmöbeln. Hiermit ist eine weitere Facette von Automatismen angesprochen, nämlich die der Strukturentstehung jenseits geplanter Prozesse. Der Begriff der Automatismen zeigt an dieser Stelle an, dass die zu diskutierenden Einrichtungen auf bottom up-Praktiken zurückzuführen sind und sich nicht top down planen lassen. Darauf aufbauend werden im zweiten Teil des vorliegenden Kapitels, das inhaltlich den größten Umfang einnimmt, die spezifischen Einrichtungspraktiken mit Fernsehmöbeln dargelegt, wobei die konkreten Anwendungsbeispiele aus dem ANT-Kapitel weitergedacht und zusätzliche Akteure in den Blick genommen werden. Folgt man den Einrichtungs- und Dekorationsgegenständen im Wohnraum, ergibt sich eine entselbstverständlichende Perspektive auf die Verhäuslichung des Fernsehens als Möbel. Die wesentlichen Konkurrenzen des Fernsehmöbels im Wohnraum, nämlich mit dem Esstisch und dem Kamin, wurden in den Fernsehwissenschaften vereinzelt diskutiert. Darauf aufbauend geht das Unterkapitel den Allianzen von Fernsehapparaten im Wohnraum nach, in denen sich eine Einrichtungspraxis des Inseln-Bildens materialisiert. Wenn Fernsehapparate die häusliche Ordnung erst einmal stören, müssen sie sich Verbündete im Wohnraum suchen, um sich als Akteure etablieren zu können. Wie noch zu zeigen ist, wird mit den Inseln im Wohnraum auch die symbolische Ordnung zuhause neu gegliedert. Mit dieser Netzwerkbildung gehen bestimmte Rollenzuweisungen einher: Welche Akteure werden aus diesem Prozess ausgeschlossen? Welche müssen besonders stark vermitteln? Hierbei geht es insbesondere um die räumlich-dingliche Formation der Fernsehecke. Wie wird das, was Martin Warnke in Bezug auf die Couchecke als „Figur monadischer Eingeschlossenheit“4 beschreibt, hergestellt? Welche Akteure sind daran beteiligt? Zwar verweist auch Warnke darauf, dass dem Teppich eine wichtige ästhetische Funktion in dieser „geschlossene[n] Zelle“5 zukommt. Jenseits des Fernsehempfängers – der diese Konstellation in gewisser Hinsicht auch aufsprengt – geht er jedoch weniger detailliert auf die Wirkmächtigkeit der weiteren Akteure der Fernsehecke ein. Folgt man etwa den Bücherregalen, Hausbars und Gardinen, lässt sich nicht nur die Verhäuslichung des Fernsehens aus einer Möbel-Perspektive neu denken. Gleichzeitig werden Rollenzuweisungen sicht4 | Warnke, Martin: Zur Situation der Couchecke. In: Habermas, Jürgen (Hg.): Stichworte zur ‚Geistigen Situation der Zeit‘. 2. Band: Politik und Kultur. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1979, S. 673687, S. 676. 5 | Ebd., S. 675.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

bar, die in den Verbindungen dieser Akteure zum Fernsehen zum Ausdruck kommen. In dem Prozess, in dem sich Fernsehapparate über ihre Allianzen als wirkmächtige Akteure im Wohnraum etablieren, bilden sich mit ihnen neue Sphären im Wohnraum, die Ein- und Ausschlüsse produzieren, indem sie einige Akteure stärker mobilisieren als andere. Beide Unterkapitel machen erneut eine heterogene Quellenlage produktiv, wie sie am Anfang des vorliegenden Teils methodisch-theoretisch reflektiert und im letzten Kapitel bereits im Hinblick auf Gehäuse- und Interface-Designs analysiert wurde. Wenn im Weiteren nun unter Rückbezug auf die ANT gerade Einrichtungspraktiken mit Fernsehmöbeln von Interesse sind, so lenkt dies den Blick auf Grundrisse und damit zusammenhängende Möblierungen der Wohnungen, wie sie sich dem Material entnehmen lassen. In seiner Studie Geordnete Gemeinschaft beschreibt David Kuchenbuch „das Wohnen als diskursives Ereignis, als Topos in der Bedeutungsproduktion um das Soziale“.6 Inwiefern die Einrichtungen selbst Ordnungen des Wohnens darstellen, die den sozialen Raum über gängige Dualismen wie männlich/weiblich oder öffentlich/privat hinaus aufteilen, ist Gegenstand der weiteren Ausführungen.

3.1 Einrichtungspraktiken mit Fernsehmöbeln als Strukturentstehungen jenseits geplanter Prozesse Das vorherige Kapitel hat das sich wandelnde Möbel-Design von Fernsehgeräten in eine sich ausdifferenzierende Wohnkultur eingeordnet. Bevor die Einrichtungen vielfältiger werden, müssen jedoch erst einmal die Wohnungen wachsen: „In den Jahren 1945 bis 1955 geht der Weg vom Wohnen in Massenquartieren, Bunkern, usw. über die Schlichtwohnungen mit Mehrzweckräumen zur familiengerechten Wohnung“.7 Wie zu Beginn der vorliegenden Arbeit (Teil I, Kapitel 1.2) dargelegt, hat die Genese der Vorstädte in der jungen Bundesrepublik einen längeren Vorlauf als in den USA in den unmittelbaren Nachkriegsjahren. Der Trend zum kleinfamiliären Wohnen am Stadtrand und in den Vorstädten kommt erst in den 1960er-Jahren auf. Vorerst hat die Bevölkerung andere Sorgen. Insgesamt ist nach dem Krieg etwa ein Fünftel des Wohnraums zerstört.8 Vor allem urbane Ballungsräume wurden zerbombt. Wie Merle Niehuss darlegt, sind die 1950er-Jahre gekennzeich6 | Kuchenbuch, David: Geordnete Gemeinschaft. Architekten als Sozialingenieure – Deutschland und Schweden im 20. Jahrhundert. Bielefeld: transcript 2010, S. 27. 7 | Kruschwitz, Hans: Wohnkultur. In: Wandersleb, Hermann (Hg.): Handwörterbuch des Städtebaus. Bd. 3: R-Z. Stuttgart: Kohlhammer 1958/59, S. 1635-1636, S. 1635. 8 | Vgl. Schildt, Axel: Moderne Zeiten. Hamburg: Christinas 1995, S. 48.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

net von Wohnungsnot. Vor allem in den Städten herrscht Wohnungsmangel, der dazu führt, dass Wohnungen überbelegt werden. Zudem bleibt der Wohnungsbau vorübergehend aus. Es mangelt an Baumaterialien und Transportmöglichkeiten. In Deutschland wird die Wohnfrage nach der sogenannten Stunde Null reguliert von staatlichen Eingriffen und Normierungen, wie sie sich etwa im Laufe des Jahrzehnts im ersten und zweiten Wohnungsbaugesetz materialisieren.9 „Angesichts der großen Verluste an Wohnraum durch den Krieg und der enormen Zuwanderung von Vertriebenen und Flüchtlingen bildete der Wohnungsbau eine zentrale wirtschaftsund sozialpolitische Aufgabe.“10

Die staatlich subventionierten Sozialwohnungen, die bald neu gebaut werden, stehen bei den Bundesbürgern hoch im Kurs. Um den Wechsel von den 1950er- auf die 1960er-Jahre entstehen in den Großstädten vermehrt Neubaumietwohnungen.11 „Der Massenwohnungsbau der 50er Jahre konzentrierte sich zunächst auf die Städte, Priorität hatten mehrgeschossige Mietwohnungshäuser.“12 Besonders interessant ist nun, dass die zeitgenössische empirische Sozialforschung widerstrebende Tendenzen hinsichtlich der Wohnwünsche der Deutschen verzeichnet. Zwar leben bis 1956 40% der Bevölkerung nahe an der Armutsgrenze.13 Gleichzeitig wächst zu Beginn der 1950er-Jahre der Wunsch nach dem Eigenheim am Stadtrand, wo der Wohnraum weniger zerstört ist als in den Mietwohnungszentren in den Innenstädten.14 Während „sich der Anteil von Ein- und Zwei-Familienhäusern beim Neubau innerhalb der 50er Jahre auf über 30% mehr als verdoppelte“15 ist dieser „Zeitraum ebenso gekennzeichnet durch eine enorme Ausweitung der Mieterhaushalte, deren Anteil sich von 1950 bis 1960 von einem Drittel auf knapp zwei Drittel aller Haushalte nahezu verdoppelte.“16 Schildt beschreibt in Moderne Zeiten drei Wohnklassen: Neben dem Ideal des freien Wohnungsbaus (dessen Anteil mit dem Wirtschaftswachstum steigt), sind insbesondere der soziale Wohnungsbau und das Wohnen im Altbaubestand vorherrschend. Das Wohnen in letzteren beiden Klassen erweist sich als ver9 | Zu den Merkmalen der Wohnungspolitik in den 1950er-Jahren siehe von Saldern, Adelheid: Häuserleben. Zur Geschichte städtischen Arbeiterwohnens vom Kaiserreich bis heute. Bonn: Dietz 1995, S. 265-271. 10 | Ebd., S. 49. 11 | Vgl. Niehuss, Merith: Kontinuität und Wandel der Familie in den 50er Jahren. In: Schildt, Axel; Sywottek, Arnold (Hg.): Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre. Bonn: Dietz 1993, S. 316-334, S. 321. 12 | Schildt: Moderne Zeiten, S. 51. 13 | Vgl. ebd., S. 492. 14 | Vgl. ebd., S. 94. 15 | Ebd., S. 94. 16 | Ebd., S. 95.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

gleichsweise defizitär. So zeichnet sich der soziale Wohnungsbau durch kleine Abmessungen und eine sparsame Ausstattung aus. Dabei richtet sich die Wohnrealität stark nach sozialer Schicht aus. Arbeiterfamilien sind nicht nur vom freien Wohnungsmarkt, sondern auch vom sozialen Wohnungsbau weitestgehend ausgeschlossen, da sich dieser Teilmarkt nicht etwa ausschließlich an Einkommensschwache richtet, sondern an die gesamte Bevölkerung. So bedeutet „eine Sozialwohnung in Deutschland in der Regel – im Unterschied zu den USA und zu Großbritannien – keine sozial abfällig konnotierte Adresse, sondern durchaus – vor allem für junge, aufstiegsorientierte Ehepaare und Familien – eine akzeptablen Start in der zu erwartenden ‚Wohnkarriere‘.“17

Die Siedlungen der Neubauviertel werden vor allem von Mittelschichts- und Facharbeiterfamilien bezogen.18 Homogenität der Bewohnergruppen und Isolation sollen ähnlich wie in den USA bald ein Problem darstellen (siehe Teil I, Kapitel 1.2). Den unteren Arbeiterschichten bleibt in der Regel nur das Wohnen in Altbauwohnungen mit schlechten Ausstattungsstandards.19 Hinzu kommt, dass diese Wohnungen aus Nebenverdiensten durch Untervermietung finanziert werden. Statt der klassischen Kleinfamilie ergeben sich also viele Zweck-Wohngemeinschaften – zumindest vorläufig. Im Zuge des Massenwohnungsbaus werden Projekte wie die Grindelhochhäuser in Hamburg schnell am Reisbrett entworfen und in Beton gegossen. „Einen wichtigen Anteil an der Auffüllung der Großstädte in der ersten Hälfte der 50er Jahre hatte die Integration der Vertriebenen und Flüchtlinge“.20 Die entsprechenden Siedlungshäuser verweisen bald auf eine schichtspezifische Dingkultur: Als wichtiges class-Merkmal erweist sich die Fernsehantenne. Die Antennen auf bundesdeutschen Dächern verraten nicht nur den Besitz eines Fernsehapparats, sondern verändern auch das Stadtbild. Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, gibt es zahlreiche Vermieter, die ihren Mietern das Aufstellen einer solchen Antenne per Gerichtsurteil verbieten wollen, in diesem Bestreben aber keinen Erfolg haben.21 17 | von Saldern, Adelheid: Von der „guten Stube“ zur „guten Wohnung“. Zur Geschichte des Wohnens in der Bundesrepublik Deutschland. In: Archiv für Sozialgeschichte (1995), 35. Jg., S. 227-254, S. 235. 18 | Vgl. ebd., S. 237 19 | Vgl. Schildt: Moderne Zeiten, S. 92. 20 | Ebd., S. 51. In der unmittelbaren Nachkriegszeit wird eine Unterscheidung getroffen zwischen Flüchtlingen und Vertriebenen. Flüchtlinge sind demnach Personen, die von Osten und der DDR in die Bundesrepublik zuwandern. Vertriebene kommen aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reichs und südosteuropäischen Ländern. Vgl. ebd., S. 462. 21 | Vgl. ebd., S. 267. Schildt bezieht sich hier auf Orig.: Der Allgäuer (Kempten), 15.5.1955. In: NDR-Archiv, 01.06614.000.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

a) Offenes Wohnen und fließende Grundrisse Viele Bundesbürger finden ein neues Zuhause in den Siedlungen des sozialen Wohnungsbaus. Wer es sich leisten kann, hat die Option, eine vor- oder zumindest teilmöblierte Wohnung zu mieten.22 Doch auch qua Grundriss sind die eigenen vier Wände stark gebunden an die Vorstellungen der Architekten, die sie entwerfen. Insbesondere Küche und Badezimmer lassen wenig Freiraum für Einrichtungen jenseits der räumlich-dinglichen top down-Vorgaben; erst Wohnund Schlafzimmer stehen für einen größeren Gestaltungsspielraum auf Seiten der Bewohner.23 Diese Räume bieten den Bewohnern laut Grete Meyer-Ehlers größeren Freiraum im Wohnen. Dementsprechend lassen sich hier besonders gut Einrichtungspraktiken beobachten, die sich bottom up vollziehen. In ihrer Untersuchung von 1963 zu den Wohnerfahrungen in der Bundesrepublik stellt sie die Möblierungsvorschläge der Architekten den tatsächlichen Mietermöblierungen gegenüber und zeigt, dass sich in den meisten Fällen so gut wie keine Übereinstimmungen zwischen Wohnungsplanung und -nutzung ausmachen lassen.24 Die Entwürfe der Architekten machen aus den Wohnungen der Nachkriegsjahre offene Räume. Inspiriert von fließenden Räumen in den USA wird auch die bundesdeutsche Architektur weitläufiger. Dort gewinnen open plan-Architekturen an Bedeutung. Hiermit werden offene Räume bezeichnet, die nicht etwa von Wänden, sondern von Möbeln und Schirmen strukturiert werden. Die Grundrisse der Wohnungen sind reduziert auf tragende Wände.25 Fehlende Türen und Wände werden auch in Deutschland zu den Signifikanten eines Wohnens, das sich nach dem Ideal des Zusammenseins richtet. Die „‚pädagogische Rechnung‘, durch offene Grundrisse und türlose Raumverbindungen zugleich menschliche Verbindungen und Kontakte innerhalb der Familiengemeinschaft herzustellen“,26 lässt den Bewohnern wenig Raum, um sich bei Bedarf von den anderen zu isolieren. Wie Sonja Günther herausstellt, sollen die freien Grundrisse27 in den 1950er-Jahren auch das Mobiliar in Bewegung setzen:

22 | Vgl. Meyer-Ehlers, Grete: Wohnerfahrungen. Ergebnisse einer Wohnungsuntersuchung. Wiesbaden [u.a.]: Bauverlag 1963, S. 114. 23 | Vgl. ebd. 24 | Vgl. ebd., S. 259. 25 | Vgl. Lemma „open plan“. In: Curl, James Stevens (Hg.): A Dictionary of Architecture and Landscape Architecture. 2. ed. Oxford: Oxford Univ. Press 2006. Oxford Reference 2006. http://www.oxfordreference.com/view/10.1093/acref/978019860678 9.001.0001/acref-9780198606789-e-5826?rskey=4KTdiI&result=3765, abgerufen am 14.11. 2016. 26 | Meyer-Ehlers: Wohnerfahrungen, S. 146. 27 | Zur Grundrissforschung, die sich in den 1920er-Jahren während der Weimarer Republik etabliert und insbesondere Kleinstwohnungen entwirft, siehe Kuchenbuch: Geordnete Gemeinschaft, S. 78-89.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel „Überholt scheint die Wohnung mit dem erstarrten Grundriß, der Raum vom Raum beziehungslos trennt – mit einer Paradeaufstellung kompletter Möbelgarnituren. Dem Menschen von heute entspricht die Form beweglichen Wohnens, die einen Grundriß von größerer Wandlungsfähigkeit erfordert. Die ganze Wohnung bildet einen lebendigen Organismus, der aus verschiedenen großen, in ihrer Wirkung aufeinander bezogenen Räumen besteht.“28

Mit den fließenden Grundrissen ist gleichsam eine ganze Ökologie des Wohnens angesprochen, wie sie kennzeichnend für die Entwürfe von Le Corbusier und anderen modernistischen Architekten ist.29

Abb. 1: Durchreiche zwischen Küche und Wohnraum/Essplatz

Jedoch affiziert das US-amerikanische Vorbild nur Teilbereiche des bundesdeutschen Wohnens. Komplett fließende Grundrisse bleiben die Ausnahme, stattdessen werden vor allem im sozialen Wohnungsbau nur vereinzelt Wände und Türen weggelassen. Insbesondere Küche und Wohnzimmer sind räumlich miteinander verbunden.30 Als Zwischenlösung kommen kurzzeitig Durchreichen in Mode, die den Austausch zwischen Arbeitsplatte und Esstisch erleichtern sollen (Abb. 1), ohne beide Räume gleich vollkommen ineinander aufgehen zu lassen.31 Wie Els de Vos in ihrer Studie zu flämischen Wohnweisen zeigt, werden Fern28 | Geyer-Raack, Ruth-Hildegard; Geyer, Sibylle: Möbel und Raum. Berlin: Baumwelt-Verlag 1955, S. 5. Zitiert nach Günther, Sonja: Die fünfziger Jahre. Innenarchitektur und Wohndesign. Stuttgart: DVA 1994, S. 36f. 29 | Das Prinzip des open plan in der Architektur wird Ende des 19. Jahrhunderts in den USA durch den Architekten Frank Lloyd Wright popularisiert. Unter dem Einfluss von LeCorbusier wird le plan libre zu einem Signum moderner Architektur. Vgl. Lemma „open plan“. In: Curl (Hg.): A Dictionary of Architecture and Landscape Architecture. 30 | Vgl. Zapf, Katrin: Haushaltsstrukturen und Wohnverhältnisse. In: Flagge, Ingeborg (Hg.): Geschichte des Wohnens. Band 5. 1945 bis heute. Aufbau, Neubau, Umbau. Stuttgart: Dt. Verl.Anst. 1999, S. 563-614, S. 580. 31 | Vgl. Meyer-Ehlers: Wohnerfahrungen, S. 100f.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

sehgeräte in Flandern zu Beginn der 1960er-Jahre in eben solchen Durchreichen installiert, sodass der Apparat bei Bedarf in Richtung Küche oder Wohnzimmer gedreht werden kann.32 Hier ist bereits angezeigt, dass die Integration von Fernsehapparaten in die Wohnung zusammenhängt mit ihrem Grundriss bzw. der Aufteilung des Wohnens in bestimmte Bereiche. Auch in Einrichtungszeitschriften wird die Trennung/Verbindung von Räumen stark verhandelt. So heißt es etwa in Haus und Heim: „Schon beim Grundriß beginnt der Wohnkomfort. Er soll die Wohnung in eine Schmutzzone, eine Zone der Kommunikation und eine der Ruhe gliedern.“33 Hier zeigt sich auf eindringliche Art und Weise, dass Grundrisse immer auch symbolische Einteilungen vornehmen. In diesem Fall verweist der Grundriss direkt auf den Wohnkomfort, indem er die Abstufungen von öffentlicheren Bereichen der Wohnung, wie den Eingang – in den der Schmutz von draußen hereingetragen wird –, bis hinein in den Wohnraum markiert, wobei hier das Schlafzimmer für das Private schlechthin steht. Statt jedoch die Maxime des offenen Wohnens voll zu vertreten, versuchen sich die Zeitschriften als Vermittler zwischen Architekten und Bewohnern. In Leserbriefen beschweren sich Frauen darüber, dass sich die Architekten zu wenig mit der Inneneinrichtung befassen.34 Diesem Notstand kommen die Einrichtungszeitschriften nach, indem sie vorschlagen, dass die Bewohner die Grundrisse selbst ihren Bedürfnissen anpassen. So avancieren etwa Holzwände zu temporären Grenzziehungen zwischen Wohn- und Arbeitszimmern.35 Handwerklich Begabten wird empfohlen, für nötig empfundene Rehgipswände selbst hochzuziehen, um die Wohnung dem eigenen Wunsch nach räumlichen Verbindungen und Trennungen anzupassen.36 Lynn Spigel legt im Hinblick auf die USA dar, wie sich Fernsehgeräte in das Leitbild des offenen Wohnens einfügen und es gleichzeitig antreiben. Weitläufige Wohnformen sollen die Familienkommunikation fördern und insbesondere der Isolation der Hausfrauen von familiengebundenen Freizeitaktivitäten zuhause entgegenwirken.37 Wie Spigel jedoch zeigt, vermögen weggelassene Wände zwischen Esszimmer, Küche und Wohnzimmer die Ausgrenzung von Frauen vom Familienfernsehen nicht aufzuheben. Dies werde Spigel zufolge insbesondere an 32 | Vgl. de Vos, Els: Hoe zouden we graag wonen. Woonvertogen in Vlaanderen in de jaren zestig en zeventig. Leuven: Universitaire Pres Leuven 2012, S. 161f. 33 |  Anonymus: Der Wohnkomfort beginnt beim Grundriß. In: Haus und Heim (1965), 14. Jg., H. 8, S. 2. 34 | Vgl. Heider, Ingeborg: Wohngestaltung – Wie groß soll die Wohnung sein? In: Haus und Heim (1960), 9. Jg., H. 1, S. 6. 35 | Vgl. Anonymus: „Bleibt das so?“ Vom natürlichen Wechsel in einer Holzwand. In: Haus und Heim (1960), 9. Jg., H. 5, S. 6-7. 36 | Vgl. Heider, Ingeborg: Wohngestaltung – Wie groß soll die Wohnung sein? In: Haus und Heim (1960), 9. Jg., H. 1, S. 6. 37 | Vgl. Spigel, Lynn: Make Room for TV: Television and the Family Ideal in Postwar America. Chicago [u.a.]: The University of Chicago Press 1992, S. 91f.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

Abbildungen in Einrichtungszeitschriften deutlich, wo Frauen häufig merkwürdig deplatziert im häuslichen Raum dargestellt erscheinen. Während alle anderen fernsehen, decken sie etwa den Tisch und fallen dabei auch im Layout aus der Familiensituation heraus, etwa indem sie überproportional groß zum restlichen Bildgeschehen dargestellt werden.38 Diese Isolation betrifft insbesondere auch die Darstellungskonvention des Familienkreises (siehe Teil III, Kapitel 1.2). Frauen werden aus dem familiären Zirkel ausgeschlossen, indem sie zwar Teil des Verbundes sind, aber anderen Tätigkeiten nachgehen als fernzusehen, etwa indem sie sich um die Kinder kümmern oder Häppchen aus der Küche hereinbringen.39 Als Lösung für das Problem der Trennung der Familienmitglieder trotz offener Räume schlagen Werbung und Frauenzeitschriften technische Haushaltshelfer wie die Geschirrspülmaschine vor, die als Entlastung für weibliche Hausarbeit gehandelt werden.40 In der jungen Bundesrepublik spielen Fernsehgeräte eine weitaus geringere Rolle für die Entwürfe zum offenen Wohnen. Zwar werden die entsprechenden Wohnungen in der Regel mit einer Antennensteckdose für den Rundfunk- und Fernsehempfang ausgestattet. Wie Meyer-Ehlers in ihrer Wohnstudie herausstellt, nutzen die meisten Bewohner diese aber gar nicht: „In 90% der untersuchten Wohnungen ist eine Antennensteckdose für Rundfunk- und Fernsehempfang installiert, die überraschenderweise von 66% der Bewohner nicht benutzt wird. Als Hauptgrund dafür wurde ‚ungünstige Lage‘ angegeben; einige Mieter wußten gar nicht, daß es sich um eine Antennensteckdose handelte. In einigen Fällen war das Fehlen einer Stromsteckdose in unmittelbarer Nähe die Ursache für das Nichtbenutzen. Die Antennensteckdose sollte also in einer vom Wohnverkehr nicht berührten Ecke des Wohnraums installiert sein, möglichst gegenüber einem für eine Sitzgruppe geeigneten Platz. Auch dürfte es zweckmäßig sein, die Mieter auf das Vorhandensein und die Besonderheiten einer Antennensteckdose hinzuweisen.“41

Das Nichtbenutzen des für den Fernsehempfänger vorgesehenen Platzes dürfte jedoch nicht so sehr auf Unwissenheit zurückzuführen sein. Vielmehr zeigt sich, dass die Mieter sich anders einrichten, als es die Innenarchitektur vorgibt. Davon zeugt nicht zuletzt die Tatsache, dass das ästhetische Ärgernis, das quer durch den Wohnraum führende Kabel darstellen, in Kauf genommen wird zugunsten einer Platzierung, die den eigenen Einrichtungswünschen entspricht. Die Tatsache, dass Architekten Fernsehgeräte vom Wohngeschehen ausklammern, mag als Ausdruck ihres Unbehagens hinsichtlich seiner Integration in eben dieses zu deuten sein. Es ist anzunehmen, dass auf Seiten der Planer gerade in der 38 | Vgl. ebd., S. 91. 39 | Vgl. ebd., S. 92. 40 | Vgl. ebd. 41 | Meyer-Ehlers: Wohnerfahrungen, S. 38.

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Frühphase der Implementierung eine Unsicherheit bezüglich möglicher Stellplätze herrscht. Für den Fernseher jedenfalls sollte ein anderes räumlich-dingliches Arrangement als das des offenen Wohnens zentral sein, nämlich nach dem Prinzip der Gemütlichkeit eingerichtete Wohnräume.

b) Horizontale Einrichtungen: Gemütliches Wohnen Den fließenden Grundrissen begegnet die bundesdeutsche Bevölkerung skeptisch. Offene Flure und fehlende Türen machen erfinderisch und führen zu eigenwilligen Einrichtungen (Abb. 2): „Die Ursachen für die Ablehnung der offenen Flure sind im Wesentlichen die gleichen wie für die ‚Unzufriedenheit mit zu wenigen Türen‘: mangelnder Abschluß zwischen drinnen und draußen, kein Sicht-, Geruchs- und Geräuschabschluss. In diesem Zusammenhang ist es interessant, daß 63% der betroffenen Mieter die offenen Flure durch einen improvisierten Vorhang getrennt haben bzw. diese Abtrennung planen.“42

Solche trennenden Einrichtungsgegenstände sind bei den Bundesbürgern so beliebt, weil sich mit ihnen besser zwischen Verkehr und Ruhe innerhalb der Familienkommunikation regulieren lässt. Gleichzeitig zeugen die Mieterimprovisationen von einem Bedürfnis nach gemütlichen Einrichtungen, die den spärlichen Möblierungsvorschlägen der Architekten gerade entgegenstehen. So werden die Wohnungen mit Einrichtungs- und Dekorationsgegenständen vollgestellt, die als gemütlich gelten. Diese Einrichtungspraxis betrifft insbesondere bundesdeutsche Wohnzimmer.43 Wie stark das Bedürfnis nach gemütlichen Einrichtungen ist, zeigt sich aber auch an der Küche, die trotz top down-Richtlinien zum Ort des gemütlichen Wohnens wird. Die funktionalen Arbeitsabläufe der Hausfrau in der Frankfurter Küche der 1930er-Jahre werden in der Wohnküche der 1950er-Jahre als hybride Form zwischen Arbeit und Freizeit neu bestimmt. Vor allem in Arbeiterhaushalten wird in der Küche auch gewohnt; die Ausstattung dieses Raums hat Priorität noch vor dem Schlafzimmer und der guten Stube.44 Gleichzeitig finden sich vielerorts improvisierte Küchen vor: Kleinstherde und Miniaturküchen werden in Zeitschriften empfohlen für Untermieter ohne Küchenbenutzung und Einraum-Wohnungen ohne Kochgelegenheit.45 42 | Ebd., S. 46f. 43 | Siehe insbesondere den 3. Teil der Wohnstudie von Meyer-Ehlers: „III. Die einzelnen Objekte im Urteil der Bewohner – Möblierungsvorschläge der Architekten im Vergleich mit der tatsächlichen Möblierung durch die Mieter“. Vgl. ebd., S. 155-258. 44 | Vgl. von Saldern: Häuserleben, S. 305f. 45 | Vgl. Anonymus: Heim und Garten. Extra für Sie. Küchen auf kleinstem Raum. In: HörZu (1966), H. 6, S. 22.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

Abb. 2: Mieterimprovisationen: Mittels eines Vorhangs vom Wohnraum abgetrennter Flur

Das Wohnzimmer stellt jedoch eine weitaus größere Reibungsfläche dar: In diesem Szenario wird versucht, zweckrationale Serienmöbel mit der Maxime einer gemütlichen Einrichtung (Kapitel 2.1 im vorliegenden Teil) in Einklang zu bringen. Arbeiterhaushalte stehen den neuen Serienmöbeln jedoch kritisch gegenüber. Dem Leitbild des offenen Wohnens entsprechend wird zwar auch die gute Stube aus den Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus wegrationalisiert. Wie Christopher Oestereich darlegt, stellt sie aber gleichzeitig weiterhin eine gängige Einrichtungspraxis dar, die insbesondere unter Bergleuten verbreitet ist. Häufig werden Kredite aufgenommen, um Küchenbuffets im Stile des ‚Gelsenkirchener Barocks‘ zu erwerben.46 Trotz räumlicher Beengtheit unterliegen die vorherrschenden Möbelstile der 1950er-Jahre dem Ideal der Vollständigkeit im Sinne der guten Stube, wie sie Warnke beschreibt (siehe Teil II, Kapitel 1.3).47 In Komplettgarnitur eingerichtete Wohnzimmer sind Zeichen von Wohlstand und sozialem Aufstieg. In seiner empirischen Studie zu den Wohnwün-

46 | Vgl. Oestereich, Christopher: „Gute Form“ im Wiederaufbau. Zur Geschichte der Produktgestaltung in Westdeutschland nach 1945. Berlin: Lukas 2000, S. 365. Oestereich bezieht sich hier auf Pfeil, Elisabeth: Die Wohnwünsche der Bergarbeiter. Soziologische Erhebung und Kritik der Wohnvorstellungen eines Berufes. Tübingen: Mohr Siebeck 1954, S. 109-112. 47 | Siehe hierzu auch von Saldern: Von der „guten Stube“ zur „guten Wohnung“, S. 251.

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schen von Bergarbeitern in Neubausiedlungen zeigt sich der Soziologe Hans Paul Bahrdt angesichts der vorfindlichen Einrichtungspraktiken verwundert: „Grundsätzlich werden Zimmereinrichtungen ‚komplett‘ gekauft [...]. Die ‚Komplettheit‘ ist ein besonderer Wert. Die Dimensionen der Schränke [...] sind zyklopisch. Man riskiert, Möbel in dieser Größe zu kaufen, obwohl man längst gehört hat, daß Neubauwohnungen in der Regel sehr kleine Zimmer haben. Auch die sonstige Ausstattung der Zimmer entspricht dem neuwilhelminischen Stil der Möbel. Tapeten mit süßlichen Blumenmustern, Schondeckchen zieren die Stuben von Männern, die 800 Meter unter Tage schwerste und gefährliche Arbeit leisten.“48

Soziologen, die Anfang der 1950er-Jahre das Wohnen der Bundesbürger erkunden, sehen sich mit der Erkenntnis konfrontiert, dass die Leute nicht einem ihnen zugeordneten Lebensstil entsprechend eingerichtet sind. Im Gegensatz zu den klaren Linien und Wohnvorstellungen der Architekten werden zugestellte Wohnräume, und seien sie noch so beengt, mit häuslicher Gemütlichkeit assoziiert. Das Bedürfnis, es sich zuhause gemütlich zu machen, ist zum einen zurückzuführen auf ein größeres Freizeit-Budget: Ab Mitte der 1950er-Jahre beschert die Durchsetzung der Fünf-Tage-Arbeitswoche vielen Arbeitnehmern in der Bundesrepublik zunehmend ein langes Wochenende.49 In dieser Entwicklung haben Diskurse zu Gemütlichkeit und Geselligkeit massiv Anteil daran, dass die Themen Wohnen und Häuslichkeit an Bedeutung gewinnen. So prägen etwa Möbelhersteller Slogans wie „Gemütlichkeit nach Maß“ und werben für gemütliche Einrichtungen, mit denen das Versprechen einhergeht, „die Wohnung zum Heim“ zu machen. Die verschiedensten Holzarten werden zu Trägern dieser heimischen Gemütlichkeit.50 In ihrer kulturwissenschaftlichen Studie zum Begriff der „Gemütlichkeit“ verdeutlicht Brigitta Schmidt-Lauber, dass diese Identifizierung des Gemütlichen mit dem Privatraum im Alltagsverständnis bis heute Bestand habe: „Eine Wohnung als Ganzes oder die Wohnungseinrichtung werden als gemütlich bezeichnet, einzelne Räume oder Objekte der Wohn-Umwelt wie die Wohnküche oder das Sofa, aber auch Dinge des persönlichen Gebrauchs wie die besonderen Pantoffeln mit Lammfell oder der altbewährte Jogginganzug gelten als gemütlich.“51

48 | Bahrdt, Hans Paul: Wie leben die Bewohner neuer Stadtteile und wie wollen sie eigentlich leben? In: Baukunst und Werkform: Monatsschrift für alle Gebiete der Gestaltung (1952), Heft 6/7, S. 56-63, S. 60f. 49 | Vgl. Schildt, Axel: „Mach mal Pause!“ Freie Zeit, Freizeitverhalten und Freizeit-Diskurse in der westdeutschen Wiederaufbau-Gesellschaft der 1950er Jahre. In: Archiv für Sozialgeschichte (1993), 33. Jg., S. 357-406, S. 358. 50 | Vgl. Werbeanzeige des Möbelherstellers Musterring. In: HörZu (1958), H. 46, S. 14. 51 | Vgl. Schmidt-Lauber, Brigitta: Gemütlichkeit. Eine kulturwissenschaftliche Annäherung. Frankfurt a.M.: Campus 2003, S. 38.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

Im allgemeinen Sprachgebrauch steht Gemütlichkeit insbesondere für ein eben solches Gefühl, das auf eine behagliche Atmosphäre und zwangloses Beisammensein zurückzuführen ist.52 Dieses Konzept von heimischer Gemütlichkeit geht zurück auf ein bürgerliches Ideal von Privatheit. „Der ‚Drang nach Gemütlichkeit‘ ist ein historisch vergleichsweise neues Phänomen, das seit dem späten 18. Jahrhundert belegt ist, so recht im 19. Jahrhundert Verbreitung findet und maßgeblich mit der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft in ihrer spezifischen Ausprägung in Deutschland zu erklären ist.“53

Hinter dem Konzept der Gemütlichkeit steht denn auch die „These einer spezifischen deutschen Innerlichkeit […] mit Rekurs auf deutsche Dichter, Denker und Maler“.54 Als konstitutiver Bestandteil dieser Entwicklung sollte sich die Formierung des Wohnzimmers erweisen. Die von Warnke dargelegte Genese der Sofaecke avanciert so zum zentralen Dingensemble des bürgerlichen Wohnens. In dieser Prägung stellt Gemütlichkeit eine auf die Familie konzentrierte Form von Privatheit dar, ganz im Gegensatz zum britischen Verständnis von Geselligkeit, das auf Besuch und Austausch ausgerichtet ist (siehe Teil II, Kapitel 1.3). Begriffsgeschichtlich leitet sich Gemütlichkeit her von „Gemüt“.55 Das Gemüt „bezeichnet zunächst die Gesamtheit aller Sinnesregungen und seelischen Kräfte“.56 Um 1800 spitzt sich diese Bedeutung zu; von nun an sind insbesondere gefühlsmäßige Empfindungen und Stimmungen dem Gemüt zugehörig.57 So begreift der Romantiker Friedrich Schlegel das Gemüt als ‚Sitz der inneren Empfindung‘ und damit als Gegensatz zum Verstand.58 Unter der Facette der Betonung der Wärme seelischer Empfindungen wird das Gemüt zu einem zentralen Begriff der Biedermeierzeit.59 An diese Auslegung des Gemüts als innere Gefühlslage knüpft der Begriff der Gemütlichkeit an, der zu dieser Zeit aufkommt. „Zum kulturellen Leitbild des Biedermeiers avancierte das beschauliche Wohnen, gepaart mit einer anheimelnden, gemütlichen, intim wirkenden

52 | Lemma „Gemütlichkeit“. In: Duden – Deutsches Universalwörterbuch. 6. Auflage. Mannheim 2006 [CD-Rom]. 53 | Schmidt-Lauber: Gemütlichkeit, S. 144f. 54 | Ebd., S. 144. 55 | Vgl. ebd., S. 140f. Schmidt Lauber bezieht sich hier auf das Lemma „Gemüt“ in Paul, Hermann: Deutsches Wörterbuch. 9., vollst. neu bearb. Auflage. Tübingen 1992, S. 334. 56 | Vgl. Lemma „Gemüt“. In: Pfeifer, Braun, (Hg.): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. A-L. 2. Auflage. Durchgesehen und ergänzt von Wolfgang Pfeifer. Berlin [u.a.]: Akademie 1996, S. 422. 57 | Vgl. ebd. 58 | Vgl. Lemma „Gemüt“. In: Paul: Deutsches Wörterbuch, S. 334. 59 | Vgl. ebd.

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Atmosphäre.“60 Biedermeier-Möbel stehen für einen nach innen gerichteten Wohn- und Lebensstil in bürgerlichen Haushalten. Insbesondere die zu dieser Zeit typischen Biedermeier-Sitzgruppen – bestehend aus einer Couch und ein paar Stühlen, die um einen runden Tisch angeordnet sind – stehen für diese Einrichtungspraxis, die auf das Private ausgerichtet ist und weniger auf Repräsentativität nach außen.61 Mit dem Biedermeier-Stilzitat in Form der sogenannten ‚Gelsenkirchener Barock‘-Möbel in den 1950er-Jahren hält diese Facette einer nach innen gerichteten Gemütlichkeit erneut Einzug in die Wohnräume der Bundesrepublik. Wie weiter oben herausgestellt, handelt es sich hierbei um eine Einrichtungspraxis, die zwar generell in Mode kommt, insbesondere aber in Arbeiterhaushalten vorzufinden ist. Zeichnen sich die Biedermeier-Einrichtungen um 1800 noch dadurch aus, dass sie gerade nicht dem Zweck der Repräsentativität unterstellt sein sollen,62 so ist dies gerade kennzeichnend für die Möbel, die den Biedermeier-Stil um 1950 kopieren. In Flandern sind es denn auch Einrichtungsgegenstände ‚mit einer Seele‘, die das gemütliche Zuhause konstituieren.63 Alte Einrichtungs- und Dekorationsgegenstände werden als gemütlich empfunden. Nicht zuletzt machen die Stilmöbel des Wohnzimmers diesen Ort zur ‚Seele des Hauses‘.64 Während das Medium Fernsehen aufgrund der Tatsache, dass es qua Programm fremde Seelen ins Haus bringt, gerade als etwas Unheimliches empfunden wird, scheinen die gemütlichen Stilmöbel dieser Tendenz des Fernsehens entgegenzustehen und kompensieren sie in gewisser Hinsicht sogar. Wie de Vos zeigt, tragen Frauen die Verantwortung für eine gemütliche Einrichtung [gezellig interieur]; sie sorgen dafür, dass diese Form häuslicher Geselligkeit aufkommen kann. Dabei handelt es sich um eine alles andere als gemütliche Angelegenheit: erst ein Haus, das ausreichend rein gehalten wird, gilt als behaglich.65 Der Traum von wohnlicher Gemütlichkeit ist für einige Mitglieder eines Hauses arbeitsintensiver als für andere. Hier deutet sich bereits an, dass hinter dem Ideal häuslicher Gemütlichkeit ein großer Aufwand steht, der einige Akteure im Wohnraum stärker betrifft als andere. Wie ist nun die Integration der ersten Fernsehgeräte auf das Phänomen der Gemütlichkeit in bundesdeutschen Haushalten bezogen? Wenn der Fernsehapparat – wie von Warnke dargelegt – die Krise der Couchecke einleitet, so ließe 60 | von Saldern, Adelheid: Im Hause, zu Hause. Wohnen im Spannungsfeld von Gegebenheiten und Aneignungen. In: Reulecke, Jürgen (Hg.): Geschichte des Wohnens. Band 3. 18001913. Das bürgerliche Zeitalter. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1997, S. 145-332, S. 160. 61 | Vgl. Lemma „Biedermeier“. In: Freytag, Claudia: Möbel-Lexikon. München: Bruckmann 1978, S. 46. 62 | Vgl. ebd. 63 | Vgl. de Vos: Hoe zouden weg graag wonen, S. 85. 64 | Vgl. ebd. 65 | Vgl. ebd., S. 175.

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sich daran anknüpfend fragen, ob er gleichsam die damit etablierte Gemütlichkeit im Privatraum infrage stellt. Attfield zeigt in ihrer Studie, wie sich in Großbritannien in der unmittelbaren Nachkriegszeit mit dem nach US-amerikanischem Vorbild gemütlich gewordenen Couchtisch der sogenannte horizontale Einrichtungsstil durchsetzt, an dem der TV-Apparat als verbündeter Akteur wiederum aktiv mitwirkt (siehe Teil II, Kapitel 1.3): Die Möbel der Couchecke sind allesamt auf Kniehöhe geschrumpft; einhergehend mit dieser räumlich-dinglichen Allianz wird die Sitzecke zum gemütlichen Wohnbereich, der die Bewohner in eine entspannte Körperhaltung bringt. Der horizontale Einrichtungsstil, wie er sich mit Beginn der 1950er-Jahre in Form des Couchtischs, der Couchecke und des Fernsehapparats als zentralem Möbelensemble des Wohnzimmers schnell in Großbritannien verbreitet, kommt in der Bundesrepublik erst langsam in den Haushalten an. Vorerst prägt er das Wohnen der GIs in Deutschland: „Den hohen Eßtischen sägten sie erbarmungslos die Beine ab, so daß Couchtische entstanden. Grundsätzlich waren in ihren Wohnungen immer alle Türen offen, es entstand ein fließender Raumeindruck, der damals in Deutschland allgemein weitgehend noch unbekannt war. Sie legten auch Teppichböden, lebten ohne Vorhänge, schalteten am hellen Tage das elektrische Licht ein, nahmen alle Spitzendeckchen von den Möbeln und die Tischtücher von den Tischen.“66

Erst in den 1960er-Jahren etabliert sich in bundesdeutschen Haushalten der flache Einrichtungsstil, der die Möbel auf eine gemütliche Höhe bringt. Mit der Entwicklung des Wohnraums von der Nutzung als gute Stube zum sogenannten „Allraum“67 (siehe Teil II, Kapitel 1.3) richtet man sich gemütlicher ein. Vorläufig vermitteln hybride Möbel wie „[h]öhenverstellbare lift-o-mat-Tische“ (Abb. 3) zwischen guter Stube und gemütlichem Wohnzimmer.68 Wie die HörZu 1965 moniert, haben Designer Wohnzimmertische als Gebrauchsmöbel jahrelang vernachlässigt, da es an Materialien fehle, die flexible Gestaltungen ermöglichen: „Neue Werkstoffe erschließen neue Möglichkeiten; geheime Mechanismen erlauben ungeahnte Vielseitigkeit: man kann sie [die neuen Tische] rauf- und runterstellen, ausziehen, zusammenklappen und ineinanderschachteln. Und man kann sie als Prunkstücke stehen lassen (ohne Fransendecke!).“69 66 | Vgl. Günther: Die fünfziger Jahre, S. 143. 67 | Vgl. Silbermann, Alphons: Vom Wohnen der Deutschen. Eine soziologische Studie über das Wohnerlebnis. Köln [u.a.]: Westdeutscher Verlag 1963, S. 82. 68 | Siehe eine Werbeanzeige der Ilse-Werke. In: Schöner Wohnen (1967), H. 12, S. 99. 69 | Anonymus: Heim und Garten. Schöner wohnen im guten Stil unserer Zeit, aber ohne übertriebenen Aufwand und kostspieligen Luxus. In: HörZu (1965), H. 1, S. 14. (Erg. M.M.)

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Abgesenkte Couchtische entsprechen weiterhin dem Bedürfnis nach Repräsentation im Wohnraum; gleichzeitig vermitteln sie das Gefühl, sich modern einzurichten und die Signifikanten der guten Stube hinter sich zu lassen.

Abb. 3: Lift-o-Mat-Tische (1967)

Geht es in der guten Stube noch weitestgehend um die Simulation von Gemütlichkeit, schließlich verweisen Schonbezüge darauf, dass das Sofa nicht wirklich genutzt wird, so steht das moderne Wohnzimmer als Mediennutzungszimmer70 synonym für ‚ungezwungenes‘ Beisammensein im Kreis der Familie. Auch wenn im hier skizzierten Diskursfeld zu Gemütlichkeit ständig verhandelt wird, wie man sich am besten repräsentieren kann, so zeugen gerade die widersprüchlichen 70 | Vgl. Bartz, Christina: Einrichten. In: Bickenbach, Matthias; Christians, Heiko; Wegmann, Nikolaus (Hg.): Historisches Wörterbuch des Mediengebrauchs. Wien [u.a.]: Böhlau 2014, S. 195208, S. 203.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

Tendenzen im Gastlichkeitsideal davon, dass man eigentlich lieber unter sich bleibt. Im Unterschied zu Großbritannien stellt bundesdeutsche Geselligkeit eine stärker regulierte Form des Austauschs dar, bei der mehr die Idee des Besuchs von außen wichtig zu sein scheint als die tatsächliche Umsetzung. Im Zuge der sich formierenden Feierabendkultur spielt der Fernsehapparat eine zentrale Rolle in den diskursiv perpetuierten Maximen der familienbezogenen Geselligkeit. Erst jetzt wird es tatsächlich gemütlich.

Abb. 4: Fernsehapparat als Akteur in gemütlichen Einrichtungen (1961)

Mit Beginn der 1960er-Jahre werden denn auch Fernsehapparate in die Werbung für gemütliche Möbel einbezogen. Unter dem Slogan „Gemütlichkeit ist Trumpf!“ führt etwa der Möbelhersteller Musterring Fernsehapparate als selbstverständlichen Akteur seiner gemütlichen Einrichtungen auf: „Ob im geselligen Kreis oder beim Fernsehen, ob in der stillen Häuslichkeit des Feierabends oder beim zurückgezogenen Schreiben und Lesen daheim“; die Möbel aus der Anbauserie stellen

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

der werblichen Beschreibung nach eine „behagliche Kulisse“ dar.71 Das Anzeigenbild zeigt eine Kombination aus Anbaumöbeln in Teak, die eine Nische für das Fernsehgerät etwa auf der Höhe des Couchtischs bereithält, der wiederum von einer Couch/-Sesselgarnitur flankiert wird (Abb. 4). Wie die Musterring-Anzeige verdeutlicht, besteht die agency des Fernsehgeräts darin, dass es selbst zu einem Akteur im Wohnraum geworden ist, der die Couchecke tatsächlich gemütlich macht. Mit dem Fernsehen werden auch weitere technische Medien in das gemütliche Wohnen einbezogen, wie es an anderer Stelle verdeutlicht wird: „Kombiniert mit Rundfunkempfänger und Plattenspieler oder als einzelne Truhe kann es [das Fernsehgerät] zum Mittelpunkt der Wohnzimmereinrichtung werden, einbezogen in den gemütlichen Bereich der Sitzgruppe“.72

Nicht nur als Teil der Schrankwand, sondern als alleinstehendes Medienmöbel wird der störende Fernseher als Teil der Couchecke zum Träger von häuslicher Gemütlichkeit. Gemütlichkeit zuhause wird nicht nur als Attribut von Fernsehgeräten verhandelt, sondern ganz grundsätzlich auf eine gemütliche Einrichtung zurückgeführt. Der Autor des Artikels „Manche Leute wohnen wie im Schaufenster“,73 der 1966 in der HörZu erscheint, spricht sich denn auch gegen komplett neu ausgestattete Wohnungen aus, in denen alles perfekt aufeinander abgestimmt ist. Zueinander passendes Besteck und Gläser sowie Möbel ohne Kratzer wirken demnach künstlich: „Gardinen, Tapeten – alles wie im Fernsehen.“74 In einer solchen Logik tritt das Fernsehen sogar als Gegenteil von ‚echter‘ Gemütlichkeit zuhause auf. Im einheitlichen Stil möblierte Wohnungen sehen aus wie Fernsehkulissen. Entscheidend für Gemütlichkeit zuhause seien weniger eine teure Ausstattung, sondern vielmehr die Charaktereigenschaften der Frau des Hauses. So heißt es in dem Artikel weiter: „Ja, warum ist es eigentlich so gemütlich bei uns? Vor Mitternacht geht keiner. Natürlich ist das der Charme meiner Frau.“75 Wie in Flandern scheint Gemütlichkeit auch in der BRD zur weiblichen Vormachtstellung beizutragen und gleichzeitig eine weibliche Pflicht zu sein. Ein nah verwandtes Diskursfeld, das in den 1950er-Jahren Konjunktur hat, ist das der Gastlichkeit, wie es im obigen Zitat bereits mit häuslicher Gemütlichkeit in Verbindung gebracht wird. In Zeitschriften erscheinen nun vermehrt Artikel und Bildstrecken, die sich mit Fragen der Gastlichkeit auseinandersetzen und neben gemütlichen Runden im Kreis der Familie auch gesellige Treffen mit Besuch als Option für 71 | Werbeanzeige des Möbelherstellers Musterring. In: HörZu (1961), H. 16, S. 77. 72 | Anonymus: Das Fernsehen wird gemütlich. In: Haus und Heim (1960), 9. Jg. H. 3, S. 2. (Erg. M.M.) 73 | Anonymus: Manche Leute wohnen wie im Schaufenster. In: HörZu (1966), H. 39, S. 14-15. 74 | Ebd., S. 14. 75 | Ebd.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

die Freizeitgestaltung thematisieren. Dieser Umstand scheint sich auch Anfang der 1960er-Jahre noch nicht geändert zu haben. Der Artikel „Hilfe! Wir haben Besuch“ etwa, der 1960 in der HörZu erscheint, beschreibt das stillschweigende Übereinkommen, Bekannte aus Höflichkeit einzuladen, bei gleichzeitiger Gewissheit, dass diese der Einladung ohnehin nicht nachkommen werden. Wenn der Besuch dann wider Erwarten doch vor der Tür stehe, sei häusliche Unordnung die Folge: „In wenigen Minuten ist der Haushalt auf den Kopf gestellt.“76 An Beispielen wie diesen zeigt sich eindringlich, wie das Ideal privater Gemütlichkeit andere Formen der Zusammenkunft zuhause ausschließt, wie etwa eine nach außen hin geöffnete Form von Gemütlichkeit, die sich etwa zeitglich in Großbritannien etabliert (siehe Teil II, Kapitel 1.3). Diese Diskursstrategie scheint den tatsächlichen zeitgenössischen Freizeitgewohnheiten zu entsprechen. In den 1950er-Jahren gibt es laut Studien der empirischen Sozialforschung nur wenig außerfamiliäre Kontakte. „Auch am Ende der 1950er Jahre herrschte das gleiche Bild feierabendlicher Ruhe und Beschaulichkeit im Haus wie zu Beginn des Jahrzehnts, zentriert um Lektüre, Haus- und Gartenarbeit sowie Hörfunk- und Fernsehkonsum.“77

Trotz gegenteiliger Bemühungen haben die meisten Menschen in der Bundesrepublik kein Interesse am Ideal der Nachbarschaftsbeziehungen, das seitens der Stadtplanung, Architekten und Soziologen propagiert wird. „Individualisierungsprozesse, soziale und räumliche Mobilität sowie die Wirkung der neuen Medien, insbesondere des Fernsehens seit den 1960er Jahren, verstärkten den Trend zur Distanzhaltenden Nachbarschaftsbeziehung.“78

Es scheint, als habe man lieber seine Ruhe. Auf diese Tendenzen zur Einbunkerung trifft nun das Medium Fernsehen. Das Diskursfeld der Gastlichkeit erweist sich im Hinblick auf die Inbetriebnahme des Fernsehens im häuslichen Raum als durchaus widersprüchliches Phänomen. Zwar macht erst das Fernsehen das Zuhause richtig gemütlich. Die wohlwollenden diskursiven Aufwertungen des neuen Mediums zeugen jedoch gleichzeitig immer auch von seinem prekären Status im häuslichen Raum. Karl Tetzner und Gerhard Eckert etwa beschreiben in Fernsehen ohne Geheimnisse den Fernsehapparat als Gast im eigenen Haus, den es beim „ersten Rendezvous“ richtig in Empfang zu nehmen gilt.79 Mit dieser Strategie der Anthropomorphi76 | Anonymus: Hilfe! Wir haben Besuch. In: HörZu (1960), H. 13, S. 21-22. 77 | Schild: „Mach mal Pause!“, S. 368. 78 | von Saldern: Von der „guten Stube“ zur „guten Wohnung, S. 249. 79 | Vgl. Tetzner, Karl; Eckert, Gerhard: Fernsehen ohne Geheimnisse. München: Franzis-Verlag 1954, S. 7-10.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

sierung wird der fremde technische Apparat unter den Vorzeichen der Gastlichkeit als Besucher in den häuslichen Raum eingeschleust. Wie prekär sich dieser Besuch der Technik zuhause gestaltet, zeigt sich in Momenten, in denen der Apparat zum störenden Gast wird, der die häusliche Gemütlichkeit nicht etwa befördert, sondern gerade gefährdet, was sich etwa in der Befürchtung äußert, dass er die familiäre Geselligkeit hemmt (weitere Ausführungen dazu, wie der Fernsehapparat häusliche Routinen stört siehe Teil II, Kapitel 2.3). Diese beiden gegenläufigen Tendenzen – in denen das Medium Fernsehen zum einen als Eindringling und zum anderen als ein die Gemütlichkeit befördernder Teil der Einrichtung erscheint – werden in den hier skizzierten Diskursfeldern wie selbstverständlich gleich verhandelt. Darüber hinaus schreibt das Abendprogramm bis wenigstens Mitte der 1960er-Jahre ein bestimmtes Setting vor. Auch wenn der häusliche Fernsehempfang den Aspekt der privaten Sesshaftigkeit zu verstärken scheint, muss man sich mit der Inbesitznahme eines Empfängers gerade auf Gäste einstellen. Fernsehbesuche seien zwar nicht ideal, Alphons Silbermann wertet sie jedoch als ein Phänomen, das „angesichts der relativen Neuheit diese [sic] Mediums und seines relativ hohen Anschaffungspreises im Augenblick als ein noch stets häufig in Erscheinung tretendes Verhaltensmuster verständlich ist.“80 Der versöhnliche Ton, den Silbermann hier anschlägt, stellt eher die Ausnahme in der diskursiven Aushandlung des Phänomens Fernsehbesuch dar. In diesem Sinne geht es in der Frühphase der Verhäuslichung gerade darum, Vorstellungen vom Fernsehen als Medium der Kollektivrezeption rückgängig zu machen. Gemeinsame Fernsehabende mit Freunden und Bekannten sollten solchen belehrenden Quellen zufolge mehr die Ausnahme denn die Regel sein: „Böse sein kann Ihnen niemand deshalb. Kein Gedanke! Im Gegenteil: es werden alle ein wenig beschämt sein, daß sie nicht selbst schon gemerkt haben, daß der Besitz eines Fernsehgerätes aus Ihrer Wohnung keine öffentliche Fernsehstube macht.“81

Kollektivität als Spezifikum der Rezeption sei demzufolge dem Dispositiv Kino vorbehalten. Von der großen Bedeutung des Ideals der Gastlichkeit für zeitgenössische Diskurse zeugt die Tatsache, dass es nicht auf das Wohnzimmer beschränkt bleibt, sondern auch andere Orte affiziert. Sind Kneipenbesuche insbesondere in den 1950er-Jahren stark rückläufig,82 so lässt sich dies nur bedingt als Absage an Feierkultur generell verstehen. Als Kompensation trifft man sich im Laufe der 1960er-Jahre immer öfter in bundesdeutschen Kellern. Im Unterschied zum familiengebundenen und gesitteten Beisammensein im Wohnzimmer steht von 80 | Silbermann: Vom Wohnen der Deutschen, S. 78. 81 | Tetzner, Eckert: Fernsehen ohne Geheimnisse, S. 13. 82 | Vgl. Schildt: „Mach mal Pause!“, S. 369.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

nun an die Kellerbar für losgelöste Partykultur. Diese sich im unteren Teil des Wohnens vollziehenden Zusammenkünfte bewahren gewissermaßen das Unbewusste des Hauses.83 Während das Wohnzimmer der Familie vorbehalten ist und Gäste eine Gefahr für das Funktionieren häuslicher Routinen darstellen, scheint der Untergrund des Hauses ein Residuum öffentlichen Austauschs darzustellen. Noch vor dem Keller entdecken die Bundesbürger jedoch in den 1950er-Jahren ferngelegene außerhäusliche Orte für sich, was den Tourismus zu einem aufstrebenden Wirtschaftszweig werden lässt. Schildt attestiert diesbezüglich einen Aufstieg von Erlebniskulturen jenseits des Zuhauses. Für ein widersprüchliches Freizeitverhalten stehe etwa „die Herausbildung einer sich im folgenden immer weiter ausdifferenzierenden jugendlichen Teilkultur und der Aufschwung des modernen Massentourismus, gewissermaßen als Gegenpol der neu befestigten und weiterhin dominierenden Häuslichkeit.“84

Wie dominant das Ideal der Häuslichkeit jedoch tatsächlich sein sollte, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass der Urlaub zu dieser Zeit gerne auch auf einem rollenden Zuhause, dem Wohnmobil, bestritten wird.

3.2 Die Fernsehecke: Häusliche Medien-/ Möbelanordnungen und Machtverhältnisse im Wohnraum Wie sich aus den bisherigen Ausführungen herleiten lässt, ist die Integration von Fernsehgeräten in bundesdeutsche Wohnungen gekennzeichnet von Konkurrenzen mit und Verbindungen zu anderen Akteuren im Wohnraum. Fernsehapparate und Stereoanlagen geben funktionslosen Wohnzimmern wieder einen neuen Sinn, stehen aber gleichzeitig in Konkurrenz zu bereits etablierten Akteuren. Kurzum: Das Verhältnis von Medien und Möbeln im Wohnraum ist geprägt von Konkurrenz und Anpassung. Im Weiteren geht es nun darum, den Akteuren des Wohnraums zu folgen und so die Verbindungen von Fernsehgeräten zu weiteren Einrichtungs- und Dekorationsgegenständen neu zu hinterfragen. Es wird gezeigt, welche weiteren Akteure neben dem Fernsehapparat den häuslichen Wan83 | Vgl. Anonymus: Eine Kellerbar für 50 DM. Extra für Sie. In: HörZu (1966), H. 7, S. 25. In diesem Sinne ist die Kellerbar auch einer der frühen Orte, an dem das Interieur vom Leitsatz des Do-It-Yourself geprägt ist: „Prima, wozu Apfelsinenkisten gut sind! Als Plattenschrank, z.B. und als Barhocker (Sitzfläche mit Klebefolie überziehen). Bei langen Gesprächen hockt man natürlich viel gemütlicher auf ausgestopften Kaffeesäcken.“ Ebd. 84 | Schild: „Mach mal Pause!“, S. 406.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

del konstituieren. Es geht darum, ihre agency an der oben dargelegten Tendenz zur Einbunkerung aufzuführen und zu ermitteln, welche Rollenzuweisungen mit dieser Netzwerkbildung einhergehen. Hierzu werden zuerst die zentralen Konkurrenzen von Fernsehapparaten in häuslichen Netzwerken dargelegt, welche (1) den Esstisch und (2) den Kamin betreffen. Während gerade der Aspekt der Konkurrenzen in den Fernsehwissenschaften vereinzelt diskutiert wird, tun sich mit der Konzeption des Wohnzimmers als Netzwerk weitere Verbindungen zu den Akteuren des häuslichen Raums auf. Wie anschließend zu zeigen ist, gehen Fernsehapparate wichtige Allianzen mit anderen Akteuren im Wohnraum ein. Diese gehen so weit, dass sie Inseln im Wohnraum bilden und diesen in spezifische Sphären aufteilen. Um eben diese räumlich-dinglichen Verbindungen und ihre geschlechts- und schichtspezifischen Bedeutungen geht es am Schluss des vorliegenden Unterkapitels.

a) Konkurrenzen von Fernsehmöbeln: Wohnzimmertisch und Kamin Wie in der vorliegenden Arbeit bereits dargestellt, sind Konkurrenzen prägend sowohl für die frühe Verhäuslichung des Fernsehens (Teil I, Kapitel 1) als auch für die Phase, in der Fernsehgeräte tatsächlich auf bundedeutsche Wohnungen treffen (Teil II, sowie das vorherige Kapitel des vorliegenden Teils). Wie Warnke in seiner Studie zeigt, wird häuslicher Wandel angetrieben von Konkurrenz (und Anpassung) unter den Einrichtungs- und Dekorationsgegenständen im Wohnraum. Die tragende Konkurrenz für den Funktionswandel des Wohnzimmers um 1950 ergibt sich Warnke zufolge zwischen dem Fernsehapparat und der Couchecke. Der Fernseher sprenge die „geschlossene Zelle“ der Sitzmöbel auf und bringe sie in eine neue Stellung, die sich dem TV-Apparat und damit gleichsam der Außenwelt zuwendet (siehe auch Teil II, Kapitel 1.3). Während das Wohnzimmer vor dem Einzug des Fernsehers ganz auf die Sofaecke ausgerichtet ist, bringt der Fernsehapparat die häusliche Ordnung durcheinander. Die Couchecke, die aufgrund eines entsprechenden Dingarrangements aus Teppichen, Bildern und Stehlampe als „Sondersphäre“ im Wohnraum in Erscheinung tritt, wird mit Ankunft des Fernsehgeräts aufgebrochen.85 Vorläufig sind die Akteure von ihren eigentlichen Funktionszuweisungen im Wohnraum freigestellt. Über das von Warnke dargelegte Szenario hinaus lassen sich weitere Konkurrenzen benennen, die dazu führen, dass bestehende Verbindungen im häuslichen Netzwerk in Frage gestellt werden. Eine weitere Konkurrenzsituation in Nachkriegswohnzimmern betrifft die zwischen dem Fernsehapparat und dem großen

85 | Vgl. Warnke: Zur Situation der Couchecke, S. 676.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

Wohnzimmertisch. In seiner medienkritischen Schrift86 Die Antiquiertheit des Menschen. Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution von 1956 beschreibt der Philosoph Günther Anders das Medium Fernsehen mit dem Begriff des „negativen Familientisch[s]“.87 Damit hebt Anders darauf ab, dass sich die Möblierung des Wohnraums mit dem Einzug des Fernsehens wandelt: statt dass sich die Familie wie vormals um den großen Wohnzimmertisch in der Mitte des Raums versammelt, ist sie nun auf den Fernseher ausgerichtet. Während der klassische Tisch im Wohnraum als Träger der geselligen (Familien-)Kommunikation88 funktioniere, kehre das massenmediale Ensemble, das gerade in die Wohnräume einzieht, dieses Verhältnis um: „Radio und Bildschirm werden zum negativen Familientisch; die Familie wird zum Publikum en miniature.“89 Dem „soziale[n] Symptommöbel“ Wohnzimmertisch kommt dabei eine Rolle als eine Art Seismograph gelungenen familiären Zusammenlebens zu.90 Auffällig ist, dass Anders ein romantisiertes Bild familiären Beisammenseins zu Tisch kultiviert: Der Tisch macht die Familie nicht nur physisch zum Mittelpunkt des Geschehens, sondern auch ideell. Dies spiegelt sich nicht zuletzt an der Sitzordnung. Das Kommunikationsnetz der Familie beruht auf der einander zugewendeten Ausrichtung der Einzelnen um den Tisch herum, was einen angeregten Austausch untereinander befördere.91 Das Medium Fernsehen ist laut Anders der Grund dafür, dass sich dieses Zentrum des Wohnraums in den 1950er-Jahren auflöse bzw. in einigen Wohnungen schon gar nicht mehr vorfindlich sei. Statt um den großen Familientisch versammeln sich die Familienmitglieder vor dem Fernsehgerät. Problematisch an dieser Entwicklung ist nun, dass sich mit der Gravitationskraft des Fernsehens im häuslichen Raum eine Art Anti-Zentrum im Wohnzimmers bildet: statt sie zu befördern, löse der Fernseher die gelungene Kommunikation unter den Familienmitgliedern auf. 86 | Zu den zentralen Begriffen in Günther Anders’ Kultur- und Medienkritik, wie er sie in den zwei Bänden seiner Studie Die Antiquiertheit des Menschen entwirft, siehe weiterführend Kleiner, Marcus S.: Zur Einführung. Wirklichkeitsinszenierungen und Entertainmentfalle. In: ders. (Hg.): Grundlagentexte zur sozialwissenschaftlichen Medienkritik. Wiesbaden: VS Verlag 2010, S. 332-344, S. 332ff. Die folgenden Ausführungen zu Anders’ Fernsehkritik beziehen sich auf das Kapitel „Die Welt als Phantom und Matrize“ im ersten Band und hier insbesondere auf den Abschnitt „Die ins Haus gelieferte Welt“, § 3, in dem Anders das Medium Fernsehen als „negativen Familientisch“ beschreibt. Siehe Anders, Günther: Die Antiquiertheit des Menschen. Band 1. Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution. München: Beck 1956, S. 104-107; Anders, Günther: Die Antiquiertheit des Menschen. Band 2. Über die Zerstörung des Lebens im Zeitalter der dritten industriellen Revolution. München: Beck 1984. 87 | Anders: Die Antiquiertheit des Menschen. Band 1, S. 104. (Hervorh. weggel.) 88 | Knapp 150 Jahre vor Anders beschreibt Immanuel Kant den Tisch als „Vehikel“ für die gelungene Konversation der Tischgesellschaft. Vgl. Kant, Immanuel: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Hrsg. und eingel. von Wolfgang Becker. Stuttgart: Reclam 1983, S. 226. 89 | Anders: Die Antiquiertheit des Menschen. Band 1, S. 104. (Hervorh. weggel.) 90 | Ebd., S. 105. 91 | Vgl. ebd., S. 106.

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Als negativer Familientisch befördere das Fernsehen dem Ideal klassischer Tischkonversation entgegengesetzte Praktiken. Der kommunikative Austausch geht in dem Moment verloren, in dem nicht länger die Familienmitglieder selbst, sondern der Bildschirm Zentrum des Geschehens ist: „die Stuhlanordnung vor dem Schirm ist bloße Juxtaposition, die Möglichkeit, einander zu sehen, einander anzusehen, besteht nur noch aus Versehen“.92 Anders’ Einschätzung, dass die Ausrichtung der Möbel und Menschen auf den Fernseher die zwischenmenschliche Kommunikation im Raum unterbinde, stellt in gewisser Hinsicht eine Gegenthese zu Warnke dar, laut dem die fernsehbezogene Möblierung des Wohnraums eine „empfangsbereite Außenwendung“ bedeute.93 Warnke zufolge öffnet sich die Kommunikationssituation mit dem Fernsehen gerade; die Fernsehecke im Wohnraum sei demzufolge der offenen Konstellation des Salons ähnlicher als der geschlossenen Zelle, wie sie die gute Stube darstelle (siehe Teil II, Kapitel 1.3).94 Infolge dieser räumlich-dinglichen Anordnung werden die einzelnen Familienmitglieder Anders zufolge zu „Solisten des Massenkonsums“95 – die Familie hat sich in ein „Miniaturpublikum“ verwandelt.96 Das Verschwinden der Familie ereignet sich im Kontext einer „Welt als Phantom“, womit eine „Wirklichkeitszerstörung durch die Medien“ benannt ist.97 Indem die Welt den Radio- und Fernseh-Rezipienten ins Haus geliefert und somit nicht länger direkt erfahren wird, gleite die Nahwelt ins Phantomhafte ab, sie erscheint irreal: „denn was nun durch TV zu Hause herrscht, ist die gesendete – wirkliche oder fiktive – Außenwelt; und diese herrscht so unumschränkt, daß sie damit die Realität des Heims – nicht nur die der vier Wände und des Mobiliars, sondern eben die des gemeinsamen Lebens, ungültig und phantomhaft macht.“98

Hieraus ergibt sich eine doppelte Phantomhaftigkeit: Das Phantomhafte, in diesem Fall das Fernsehen, wird zur Wirklichkeit; das Wirkliche, also die Familie, wird zum Phantom. Über Anders’ medienphilosophische Ausführungen hinaus ist in der fernsehwissenschaftlichen Forschung als eine der Konkurrenzen des Fernsehens im Wohnraum die mit dem Kamin am besten erfasst. Wie Spigel in ihren Studien herausstellt, rückt das Fernsehgerät Anfang der 1950er-Jahre gleich zu Beginn 92 | Ebd. 93 | Vgl. Warnke: Zur Situation der Couchecke, S. 685. 94 | Vgl. ebd. 95 | Vgl. Anders: Die Antiquiertheit des Menschen. Band 1, S. 106. 96 | Vgl. ebd., S. 110. 97 | Grisko, Michael: Einleitung: Günther Anders: Die Antiquiertheit des Menschen. In: ders. (Hg.): Texte zur Theorie und Geschichte des Fernsehens. Stuttgart: Reclam 2009, S. 99-100, S. 99. 98 | Anders: Die Antiquiertheit des Menschen. Band 1, S. 105. (Hervorh. im Orig.)

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

seiner Integration in den Wohnraum in die Nähe des Kamins. US-amerikanische Einrichtungszeitschriften zeigen in den Kaminsims eingelassene Fernsehgeräte.99 Die Tendenz geht dahin, dass die Wohnräume nicht länger auf den Kamin, sondern auf den Fernsehapparat ausgerichtet sind. In einigen Beispielen löse der Fernseher den Kamin sogar ganz ab, indem er an seiner Stelle den entsprechenden Platz im Wohnraum einnehme.100 In diesem Sinne erscheint der Fernseher nicht nur als Konkurrent des Kamins sondern als sein direkter Nachfolger im Wohnraum. Wie Cecilia Tichi zeigt, wird dieser räumlich-dinglichen Konkurrenzsituation zwischen dem Fernseher und dem Kamin eine symbolisch aufgeladene Allianz entgegengesetzt. In späteren Darstellungen sei die direkte Rivalität nämlich in ihr Gegenteil umgeschlagen. Von nun an wird der Fernseher mit den symbolischen Bedeutungen des Kamins in Verbindung gebracht, insbesondere dahingehend, dass er die Familie um sich herum versammele.101 Unter dieser Perspektive erscheint der Fernsehapparat als Kamin im neuen Gewand: „The hearth does not disappear, [...] but is rematerialized and renewed in the TV set.“102 In populären Darstellungen werde der Fernsehapparat denn auch, wie vor ihm schon der Kamin, als Akteur inszeniert, der die Familie und die Nation näher zusammenbringt.103 In der jungen Bundesrepublik spielt der Kamin eine weniger zentrale Rolle als räumlicher Bezugspunkt in der Verhäuslichung des Fernsehens. Während der Kamin in Großbritannien als häuslicher Akteur sicherlich etablierter ist als in der Bundesrepublik, wäre im Hinblick auf die USA in Frage zu stellen, inwiefern er tatsächlich eine so dominante Rolle im Wohnzimmer einnimmt, wie Spigel es darstellt. Vielleicht handelt es sich dort ähnlich wie in der Bundesrepublik um eine Wunschkonstellation,104 die sich für Spigel nicht als solche zeigt, weil sie ihr Quellenmaterial an dieser Stelle als Spiegel tatsächlicher Wohnverhältnisse begreift. Ein Blick in bundesdeutsche Einrichtungszeitschriften der frühen 1950er-Jahre zeigt, dass der Kamin als Wunschobjekt ähnliche Funktionsstellen besetzt, wie sie etwa zeitgleich kennzeichnend für die Verhäuslichung des Mediums Fernsehen werden. So wird in den Einrichtungszeitschriften immer wieder betont, dass der Kamin und der Wohnraum aufeinander bezogen sein sollten. Darüber hinaus sei es entscheidend, dass der Kamin die Geselligkeit der Familie befördere. 99 | Vgl. Spigel: Make Room for TV, S. 38. 100 | Vgl. ebd. Spigel verweist darauf, dass seit dieser Zeit bei einigen Sendeanstalten die Tradition bestehe, an Weihnachten brennendes Feuerholz im Programm zu zeigen. Vgl. ebd. 101 | Vgl. Tichi, Cecilia: Electronic Hearth: Creating an American Television Culture. New York: Oxford UP 1991, S. 45f. 102 | Ebd., S. 46. 103 | Vgl. ebd., S. 61. 104 | Vgl. Winkler, Hartmut: Docuverse. Zur Medientheorie der Computer. München: Boer 1997, S. 16f. Zu Wunschkonstellationen im Hinblick auf Medien siehe Teil I, Kapitel 1.1.

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In dem Artikel „Der offene Kamin“, der 1953 in Die Kunst und das schöne Heim erscheint, werden die verschiedenen Optionen der Integration des Kamins in das Wohnzimmer dargelegt: „Er [der offene Kamin] kann z.B. als eine Öffnung in der Wand gestaltet sein, die die Aufmerksamkeit nur dann auf sich lenkt, wenn das Feuer lodert, aber auch so kräftig aufgebaut werden, daß er ein überraschendes Element im Zimmer darstellt und dieses aufteilt.“105

Für welche Option man sich auch entscheide: In jedem Fall sollten Kamin und Wohnumfeld gut aufeinander bezogen sein. Das Ideal, das allen angeführten Einrichtungsbeispielen zugrunde liegt, ist „ein weit offener Kamin, der mit der Umgebung übereinstimmt.“106 In einem der aufgeführten Beispiele wird die gelungene Integration des Kamins in den Wohnraum damit begründet, dass Sitzecke und Kamin gut aneinander ausgerichtet sind: „Die Platte vor der Feueröffnung befindet sich beinahe in Tischhöhe. Bemerke das Zusammenspiel zwischen Tisch und Stuhl.“107 In einem weiteren Beispiel wird dieses Zusammenspiel von Kamin und Wohnraum ins Extreme getrieben, indem beide nahtlos ineinander übergehen und eine Kaminecke formen (Abb. 5). Hier wird der Mantel des Kamins zur rechten und linken Seite verlängert in zwei Sitzgelegenheiten. Zudem führt der Fußboden des Zimmers direkt in den Kamin hinein, was die simulierte Einheit noch verstärkt.108

Abb. 5: Auf den Wohnraum abgestimmter Kamin (1953)

105 | Der offene Kamin. In die Kunst und das schöne Heim (1953), Heft 51, S. 72-75, S. 72. (Erg. M.M.) 106 | Ebd., S. 74. 107 | Ebd., S. 72. 108 | Vgl. ebd., S. 73.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

Dabei erfüllt der offene Kamin weniger eine Funktion als Ersatz für einen Heizkörper, um etwa den Wohnraum an kalten Tagen bewohnbar zu machen. Statt für seine Heizkraft wird er für eine ganz andere Form von Wärme geschätzt: „Als Wärmespender hat der offene Kamin weniger Wert; er ist aber ein begehrter Spender von Gemütlichkeit. Wenn man sich um den Kamin versammelt, empfindet man Wohlbefinden, weil die Augen dem unruhigen Spiel der Flammen folgen und die Wärme einem entgegenströmt.“109

Hier zeigt sich der Kamin als Zentrum des Zusammenseins im Kreis der Familie. Im Hinblick auf den anglo-amerikanischen Kulturkreis beschreibt Morley den Kamin als Einrichtungsgegenstand, der seit jeher einen ‚heiligen‘ Ort in der Inneneinrichtung bilde. Diese Sichtweise sei in der fernsehwissenschaftlichen Forschung nicht hinreichend verfolgt worden: „if it is now a commonplace to note that television has replaced the hearth as the centerpiece of the family’s main living space, we should note that this replacement occurs literally at the centre of the symbolic space of the family home: a ‚sacred‘ space, by any definition, within our culture.“110

Eben diesem Aspekt geht die Architekturtheoretikerin Els de Vos in ihrer Studie Hoe zouden we graag wonen nach. De Vos stellt heraus, dass es gerade die Symbolkraft des Feuers ist, die den Kamin in die Nähe des Heiligen bringt, und seine Vormachtstellung in der Konkurrenz zum TV-Apparat bis in die 1960er-Jahre hinein sichern sollte.111 In Flandern kann der Fernseher die Vormachtstellung des Kamins nur schwer streitig machen, da das Feuer eingebunden ist in den christlichen Glauben und der Fernseher gerade für das Menschliche bzw. Profane steht.112 De Vos beschreibt den Kamin denn auch als wichtigsten Akteur in flämischen Wohnzimmern. Eine noch zentralere, wenngleich weniger gut sichtbare Rolle für den Wandel des Wohnens sollte die Zentralheizung spielen. Dieser Perspektive zufolge sorgt nicht etwa der Einzug des Fernsehapparats dafür, dass die gute Stube [beste kamer] an Bedeutung verliert, sondern die Zentralheizung. Da nun nicht länger ausschließlich in der guten Stube geheizt wird, lassen sich auch andere Räume von den Bewohnern nutzen, wie etwas das Schlafzimmer, in dem man sich nun nicht länger nur zum Schlafen aufhält.113 De Vos sieht die 109 | Ebd., S. 73. 110 | Morley, David: Television. Not So Much a Visual Medium, More a Visible Object. In: Jenks, Chris (Hg.): Visual Culture. Reprint. London [u.a.]: Routledge 2006, S. 170-189, S. 181. 111 | Vgl. de Vos: Hoe zouden we graag wonen, S. 168. 112 | Vgl. ebd. 113 | Vgl. ebd., S. 166.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Individualisierung der Familienmitglieder im Wohnraum folglich nicht so sehr vom Medium Fernsehen angetrieben, sondern von der Zentralheizung. Dass der Fernsehapparat nicht gleich einen zentralen Akteur häuslicher Netzwerke darstellt, lässt sich de Vos zufolge an Einrichtungszeitschriften ablesen, die Skizzen aufführen, in denen der Fernsehapparat aus der restlichen Einrichtung herausfällt und weitestgehend verloren neben dem Kamin steht.114

Abb. 6: Einsamer Fernsehapparat, der neben einem großen Durchbruch steht und wenig auf die restliche Möblierung bezogen ist Abb. 7: Spektakulärer Stellplatz über dem Türrahmen des Schlafzimmers

Auch in der Bundesrepublik werden Fernsehapparate zu Beginn ihrer Verhäuslichung oftmals wenig erfolgreich in den Wohnraum integriert und wirken unter dem weiteren Mobiliar ähnlich verloren wie in Flandern (Abb. 6).115 Gleichzeitig gibt es bereits zu dieser Zeit vereinzelt Einrichtungsdarstellungen, in denen Fernsehapparate mit spektakulären Designs und Stellplätzen auftrumpfen, etwa wenn riesige Apparate auf Chromgestellen angebracht sind, die über den Türrahmen von Schlafzimmern montiert werden (Abb. 7).116 In einer umgekehrten Lesart zeugen solche Platzierungen auch von der vorläufigen Un114 | Vgl. ebd., S. 168, S. 156. 115 | Vgl. Anonymus: Komfortable Kleinwohnung. In: Die Kunst und das schöne Heim (1958), 56. Jg., S. 118-119. 116 | Anonymus: Eine alte Wohnung – neu eingerichtet. In: Die Kunst und das schöne Heim (1959), 57. Jg., S. 460-463, S. 461.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

sicherheit in Bezug auf die Integration des Mediums. In der Regel finden Fernsehapparate in diversen Bildstrecken vorerst einen Stellplatz in Wandschränken und Regalen. Die vorläufige räumliche Ungebundenheit des Fernsehens, die sich aus den Konkurrenzen zu anderen Akteuren im Wohnraum ergibt, kehrt sich bald ins Gegenteil um. Über räumlich-dingliche Verbindungen mit bereits etablierten Akteuren im Wohnraum sichert sich der Fernseher einen Platz in eben diesem, wie im Weiteren anhand einzelner Operationsketten veranschaulicht werden soll. Wie noch zu zeigen sein wird, teilen diese Verbindungen den Wohnraum in einzelne Inseln auf und sind zurückzuführen auf das aufkommende Paradigma der privaten Geselligkeit, für das der Fernsehapparat wie weiter oben bereits aufgeführt bald zum zentralen Sinnbild wird.

b) Allianzen von Fernsehmöbeln: Inseln bilden Wie im ANT-Teil der vorliegenden Arbeit bereits hergeleitet, steht der Fernseher als Akteur nicht ausschließlich in Konkurrenz zu weiteren Akteuren im Wohnraum, sondern kann wichtige Allianzen knüpfen, um seine Stellung im Netzwerk zu stärken, etwa mit dem Servierwagen und dem Kühlschrank. Mit dem Konzept der Operationsketten wurden genau solche kollektiven Verknüpfungen in Netzwerken angesprochen und als Gruppenbildungsprozesse beschrieben (siehe Teil II, Kapitel 2.2). Wie es sich in diesem Zusammenhang bereits angedeutet hat, gehen Fernsehapparate im Wohnraum Verbindungen mit Teppichen ein. Ausgehend vom Akteur Teppich lässt sich an dieser Stelle noch einmal plausibel machen, wie zentral die Allianzen zu weiteren Akteuren im Wohnraum für die Verhäuslichung des Fernsehens sind. Teppiche stellen wichtige Akteure dar, die bundesdeutsche Wohnräume spätestens mit Beginn der 1960er-Jahre in einzelne Funktionsbereiche unterteilen, insbesondere in eine Ess- und eine Sitz- bzw. Fernsehecke. Neben den Teppichböden werden die Wohnungen mit zusätzlichen Läufern und Teppichen ausgelegt. Dieses räumlich-dingliche Ensemble begründet die Einrichtungspraxis des sogenannten „Inseln-Bildens“, die neben den Neubauten auch den Altbaubestand erfasst. In dem Artikel „Wir richten uns ein: Inseln im Wohnraum“,117 der 1960 in Haus und Heim erscheint, heißt es: „In den letzten Jahren hat sich in der Raumgestaltung eine Linie herausgebildet, die man heute ganz präzis den ‚Insel-Stil‘ nennt.“118 Unter den Vorzeichen dieses sogenannten Insel-Stils werden die Einrichtungsgegenstände im Wohnraum neu angeordnet. Dieser Einrichtungspraxis liegt die von Anders kritisch diskutierte Konkurrenz117 | Anonymus: Wir richten uns ein: Inseln im Wohnraum. Das Standardzimmer weicht der persönlichen Einrichtung. In: Haus und Heim (1960), 9. Jg., H. 8, S. 8-10. 118 | Ebd., S. 8.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

situation zwischen dem Wohnzimmertisch und einer für das Fernsehen erforderlichen Möblierung zugrunde. Während der Wohnraum in traditioneller Möblierung mit einem großen, mit Stühlen umstellten Esstisch in der Mitte sowie wuchtigen Möbeln an den Wänden (etwa einem Büffet), einer Couch und einem Polstersessel ausgestattet ist, trennt sie der Insel-Stil in eine Ess- und eine Sitz- bzw. „Fernseh-Insel“, wie sie zu dieser Zeit „schon zu vielen Wohnräumen gehört“.119 Die Teppiche, von denen diese räumlich-dingliche Grenzziehung ausgeht, sollten sich laut Artikel zwar optisch voneinander unterscheiden (etwa indem unterschiedliche Materialien wie Bouclé für die Essecke und weicheres Velours für die Sitzecke verwendet werden), ästhetisch sollten sie aber wiederum miteinander harmonieren (etwa indem ähnliche Designs verwendet werden).120 Zusammengehalten wird diese räumliche Trennung vom Teppichboden selbst, weshalb die weiteren Teppiche auch gut zu ihm passen sollten.121 Hier zeigt sich, dass diese Neueinteilung des Wohnens dem Ideal unterliegt, einzelne Bereiche voneinander zu isolieren ohne sie gleich ganz voneinander zu entkoppeln: „Der Insel-Stil löst nun den Wohnraum nach seinen Hauptaufgaben auf, ohne ihm die Harmonie einer in sich geschlossenen Einheit zu nehmen. Man teilt also ohne zu trennen.“122 Darüber hinaus kommt Teppichen eine weitere verbindende Funktion zu. Dank ihrer schalldämpfenden Eigenschaften sorgen sie dafür, dass sich die Inseln des Wohnraums in „Inseln der Ruhe“ verwandeln, die Geräusche von draußen dämpfen und so dem belastenden „Lärm der modernen Industriegesellschaft“ entgegenwirken.123 „So bringen Teppich und Teppichboden im Heim nicht nur die Gemütlichkeit, vernünftige Repräsentation, sondern auch die ersehnte Ruhe.“124 Wie die weiteren Ausführungen zeigen, nehmen Fernsehapparate eine besondere Rolle in dieser Einrichtungspraxis des Inseln-Bildens ein. Zwar lässt sich durchaus zurückverfolgen, dass die agency von Fernsehgeräten gerade darin besteht, dass sie, wie von Warnke diagnostiziert, eine gewisse Sprengkraft im Hinblick auf die vorher vorfindliche Möblierung aufweisen. In gewisser Hinsicht erweist sich der Fernseher also als wirkmächtiger Akteur, der es vermag, das häusliche Netzwerk neu auszurichten und in Inseln aufzuteilen. Bevor er jedoch als solcher erscheint und zum gemütlichen Bestandteil des Wohnzimmers wird, muss er sich als Akteur im Wohnraum etablieren und Verbindungen zu bereits etablierten Akteuren herstellen. Neben dem Teppich kommen weitere Akteure hinzu, mit denen Fernsehapparate in ihrer Funktion als Möbel räumlich-dingliche-Allianzen 119 | Ebd., S. 10. 120 | Vgl. ebd., S. 8. 121 | Vgl. ebd. 122 | Ebd. 123 | Ebd., S. 10. 124 | Ebd.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

eingehen, die den Wohnraum neu einteilen (Teil II, Kapitel 2). Im Weiteren werden folgende drei besonders wirkmächtigen Allianzen des Mediums Fernsehen im Wohnraum herausgestellt, und zwar (1) mit dem Bücherregal, (2) der Hausbar und (3) der Gardine. Wie noch zu zeigen ist, stellen sich einige fernsehwissenschaftlichen Annahmen zur Verhäuslichung des Mediums Fernsehen unter einer Möbel-Perspektive durchaus anders dar. Zu Beginn ihrer Verhäuslichung werden Fernseher insbesondere in Schrankwänden untergebracht. Statt wie vorher als freistehendes Möbel Platz für sich zu beanspruchen, stellen Fernsehapparate nun vorläufig integrierte Möbel im Wohnraum dar. Dieser Stellplatz lässt sich ganz grundlegend auf den Platzmangel in bundesdeutschen Wohnungen zurückführen. Neben der Beengtheit des Wohnraums findet sich ein weiterer Grund darin, dass die Schrankwand gerade zu Beginn der Verhäuslichung als ein gutes Versteck für den Fernseher funktioniert. In diesem Sinne stellt sie ein zweites Gehäuse des Fernsehapparats dar. Die Flexibilisierung des Interieurs ergreift im Laufe der 1950er-Jahre auch die Schrankwand (siehe Kapitel 2.1 im vorliegenden Teil). Der Clou der Schrankwände im neuen Gewand besteht darin, dass einzelne Segmente mit passenden Türen und Verblendungen versehen werden,125 womit sich neben dem Eindruck von Geschlossenheit auch einzelne, im Wohnraum weniger beliebte Gegenstände auf Wunsch gewissermaßen unsichtbar machen lassen. Dieser Aspekt bleibt bis in die 1960er-Jahre relevant, wie der Artikel „Hochgelobt die Schrankwand“, der 1964 in Haus und Heim erscheint, verdeutlicht: „In den offenen Fächern der Schrankwand stehen die Bücher, immer verfügbar, ständig zugänglich und nie und nimmer hinter Glas versiegelt. Hier fügen sich Plattenspieler, Radio und Fernsehapparat in die Wand ein. Dieser unauffällige Standort für das Fernsehgerät ist geradezu ideal. Hier drängt es sich nicht auf, hier nimmt es die untergeordnete Stelle rein äußerlich ein, die ihm bei aller Sympathie zukommt.“126

Die gezeichnete Abbildung zeigt eine Schrankwand, in der der Fernsehapparat gerade nicht hinter einer der Türen und Blenden, sondern in einem offenen Fach aufgestellt ist (Abb. 8). Gerahmt wird er zur rechten und linken Seite von Büchern, die von unten nach oben reichen. Während Bücher selbstverständlich gut sichtbar im Regal ausgestellt werden, wird die Präsenz technischer Medien im Wohnraum – insbesondere dem Fernsehen – erst über eine Allianz mit dem Regal bzw. den darin befindlichen Büchern legitimiert. Inmitten von Bücherreihen nimmt der Fernsehapparat eine – dies macht das obige Zitat klar – „untergeordnete Stelle“127 ein. 125 | Vgl. Anonymus: Anbauelemente sind architektonische Bausteine. In: Die Kunst und das schöne Heim (1966-67), 65. Jg., S. 354. 126 | Anonymus: Hochgelobt die Schrankwand. In: Haus und Heim (1964), 13. Jg., H. 11, S. 6. 127 | Ebd.

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Abb. 8: Offener Stellplatz in der Schrankwand (1964)

Unter dieser Perspektive ist es eben nicht nur Platzmangel, der den Stellplatz des Fernsehapparats im Regal begründet, sondern seine Allianz mit den darin verwahrten Büchern, die ihn gewissermaßen räumlich-materiell zur „Kulturmaschine“128 erheben. Dieser Status des Fernsehens würde sich dann nicht so sehr über „die Programme einer Unterhaltungs- und Informationsindustrie“129 ergeben, sondern über eine ganz bestimmte Anordnung von Medien und Möbeln im Wohnraum. Das Medium Fernsehen erscheint vermittelt über diese Praktiken des Einrichtens, genauer eine Allianz mit dem Bücherregal, als Kulturgut, wie es Pleister in den 1950er-Jahren für das Fernsehen auf institutioneller Ebene entwirft (siehe Teil I, Kapitel 1.1). Während das Medium Buch und das Medium Fernsehen auf der Ebene der Kulturtechniken zu Konkurrenten werden – und, wie Tichi im Hinblick auf die USA herausstellt, in populären Diskursen gerade als miteinander unversöhnlich dargestellt werden130 – sind sie im Wohnraum miteinander Verbündete. Statt monolithischer Bücherwände (die ja doch nur den Verdacht erzeugen, dass die darin befindlichen Bücher rein dekorativ sind und nicht gelesen werden), 128 | Siehe Hickethier, Knut: Der Fernseher. Zwischen Teilhabe und Medienkonsum. In: Ruppert, Wolfgang (Hg.): Fahrrad, Auto, Fernsehschrank. Zur Kulturgeschichte der Alltagsdinge. Frankfurt a.M.: Fischer 1993, S. 162-235, S. 164. Hickethier bezieht sich hier auf Arnold Schwengeler: Kulturmaschinen. In: Fernsehen (1956), 4. Jg., H. 9, S. 481ff. 129 | Hickethier: Der Fernseher, S. 64. 130 | Vgl. Tichi: Electronic Hearth, S. 176.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

stattet man die Wohnungen lieber mit Regalen aus, schlicht weil sie die Dinge griffbereit halten. Bezeichnenderweise bezieht sich dieses Argument der schnellen Handhabe vorerst nur auf die darin befindlichen Bücher und – wie es sich im Zitat weiter oben bereits zeigt – weniger auf technische Medien im Wohnraum: „Die Zeiten, in denen man sich – aus Dekorationsgründen – sämtliche deutschen Klassiker in Goldeinband kaufte, sind (hoffentlich!) vorbei. Der gewaltige Bücherschrank, der zur gepflegten Einrichtung gehörte, ist aus modernen Wohnungen ebenfalls verbannt. Man stellt sie in Regale, um sie jederzeit schnell und bequem greifen zu können.“131

Hier zeigt sich, dass Bücher im Wohnraum bei aller Beliebtheit seit jeher ein Einrichtungsproblem darstellen. Wie lassen sie sich bändigen, damit sie keine Unruhe in das Wohnumfeld bringen? Wie das Zitat anzeigt, zielen althergebrachte Lösungen darauf ab, einheitliche Nachschlagewerke zu erwerben, die mit ihren hübschen Buchrücken eine einheitliche Front darstellen. Mit den leichten und offenen Regalen wird nun nicht nur der traditionelle bildungsbürgerliche Geschmack entstaubt, sondern auch der Wohnraum räumlich flexibler eingeteilt. In einem weiteren Einrichtungsvorschlag zu Bücherschränken wird dazu geraten, einen Teppich vor ein leichtes Bücherregal zu legen, um so eine „Lese-Insel“132 zu schaffen. Die beweglich gewordenen Regalwände gehen mit dem Versprechen einher, platzsparend zu sein und kleine Räume größer wirken zu lassen: indem das Möbel direkt an der Wand steht und in der Tiefe reduziert ist, wirkt es insgesamt weniger „wuchtig“.133 Regale im Wohnraum werden als modern empfunden, sie befreien vom Staub der Einrichtungsvorlieben vergangener Generationen. In der Sektion „Heim und Garten“ stellt die HörZu „[e]ine ganz leichte aufgelockerte Regalwand für junge Leute [vor], die sich erst nach und nach Bücher anschaffen wollen. Die unteren Regale sind so breit, daß sie als Schreibtisch (rechts), und als Ablage und Fernsehtisch (links) dienen.“134

Ende der 1960er-Jahre geht die Allianz von Fernsehapparaten mit Bücherregalwänden so weit, dass sie in ihren Abmessungen aufeinander bezogen sind. Als Vorteil modularer Medien-/Bücher-Regale erscheint zudem, dass sie sich den wandelnden Einrichtungsbedürfnissen anpassen und sich mit ein paar Handgriffen einfach zu einer ganzen Regalwand erweitern lassen. Der tüftelnde 131 | Anonymus: Heim und Garten. In: HörZu (1964), H. 49, S. 21. 132 | Vgl. Anonymus: „Bleibt das so?“ Vom natürlichen Wechsel in einer Holzwand. In: Haus und Heim (1960), 9. Jg., H. 5, S. 6-7. 133 | Vgl. Anonymus: Schwedische Einrichtungskultur – mit String. In: Die Kunst und das schöne Heim (1959), 57. Jg., S. 358. 134 | Anonymus: Heim und Garten. In: HörZu (1964), H. 49, S. 21.

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Heimhandwerker habe lediglich darauf zu achten „daß die Abstände zwischen den Brettern hoch genug sind. Die Hausfrau soll die Bücher bequem mit dem Staubsauger entstauben können.“135 Die Spuren, die darauf verweisen, dass die Bücher dann doch im Regal zustauben und weitaus weniger häufig in Gebrauch sind, beseitigen Frauen. In dem Artikel „Im Blickpunkt: Das Fernsehgerät“, der 1965 in der HörZu erscheint, wird die räumliche Verbindung zwischen den Akteuren als praktische Lösung für eine noch auszumachende Behausung des Fernsehapparats ausgemacht: „Verstellbare Bücherborde sind als ‚Untersatz‘ für Fernsehgeräte gut geeignet. In gebührendem Abstand stehen die bequemen Sessel hinter dem Couchtisch. Das ist praktisch.“136 In diesem Zusammenhang wird auch die richtige Beleuchtung der räumlich-dinglichen Allianz wichtig. Schließlich erfordere der Fernseher eine speziell darauf abgestimmte „Umfeldbeleuchtung“; erst mittels einer Lichtquelle, die vor oder hinter dem Empfänger steht, kommen die Zuschauer in einen Fernsehgenuss, bei dem der Kontrast zwischen dem Flimmern auf dem Bildschirm und dem Wohnumfeld nicht zu groß und damit angenehm ist für das menschliche Auge.137 Neben diesen gesundheitlichen Aspekten macht das Licht die zur räumlich-dinglichen Insel verbundenen Akteure als Einheit wahrnehmbar. In dem Artikel „Schwedische Einrichtungskultur – mit String“138 wird das inzwischen zum Designklassiker avancierte Regalsystem des schwedischen Möbelherstellers String als neue Möbellösung für beengte Wohnräume vorgestellt. Neben dem filigranen Design wird die Modul-Logik der Regale hervorgehoben: integrierbare Einzelteile wie Kästen, Schreibtischplatten und Zeitschriftenablagen machen sie zu multifunktionalen Möbelstücken. Gleichsam unauffällig ließe sich so ein Ensemble technischer Medien ins Wohnen eingliedern. Eine beigefügte Abbildung zeigt etwa eine Regalkombination aus Teakholz, in deren unterstem Fach – noch unter der Höhe des davor stehenden Couchtischs – ein Fernsehgerät steht und die gleich daneben hinter einer aufklappbaren Tür Platz für Schallplattenspieler und Fächer für Schallplatten bietet (Abb. 9).139 Wie in diesem Artikel wird der Fernseher nun auch immer öfter im Begleittext als Teil der Inneneinrichtung markiert. In Anzeigen wirbt String für „[F]ernseh- und [R]adiogeräte mit [E]inhänge-[B]eschlag“140. Im Zuge dessen werden die Fernsehapparate im neuen Stil als „regal-flach“ beschrieben141 – große Bildschirme und ein schmales Gehäuse werden als besonders schlicht und modern empfunden. 135 | Ebd. 136 | Anonymus: Heim und Garten. Im Blickpunkt: Das Fernsehgerät. In: HörZu (1965), H. 17, S. 27. 137 | Vgl. ebd. 138 | Anonymus: Schwedische Einrichtungskultur – mit String, S. 356-360. 139 | Vgl. ebd., S. 358. 140 | Werbeanzeige des Herstellers String. In: HörZu (1963), H. 21, S. 70. 141 | Wie in einer Werbeanzeige von Telefunken. In: HörZu (1964), H. 40, S. 14.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

Abb. 9: Fernseher als Bestandteil skandinavischer Möbelkultur (1959)

Zurückzuführen ist dieser neue Einrichtungsstil im Wohnraum ganz grundlegend darauf, dass man sich an skandinavischer Möbelkultur orientiert. Zwar seien etwa die String-Regallösungen preiswerter als die wuchtigen Schrankwände im Stile des ‚Gelsenkirchener Barock‘. Generell scheinen skandinavische Einrichtungen aber auch besonders dadurch hervorzustechen, dass sie schlicht und elegant im Design sind und mit Teak ein edles Holz in den Wohnraum einführen: „Das Eigentümliche an nordischer neuzeitlicher Möbelkultur scheint uns die schlichte Unauffälligkeit zu sein, mit welcher die Gegenstände sich im einzelnen darbieten und in fast jede Umgebung einfügen lassen, auch zu alten Möbeln, Bilderrahmen und Wandleuchtern. Sie sind im Gebrauch recht praktisch, leicht und zugleich dauerhaft. Die verwendeten Hölzer sind edel und in Maserung und Tönung zueinander abgestimmt.“142

Wie das Zitat weiterhin verdeutlicht, besteht ein zentraler Vorteil skandinavischer Möbelmaterialien darin, dass sie sich gut aneinander anreihen und miteinander kombinieren lassen. In Einrichtungsbeispielen wie diesem wird der Fernseher als neumodischer Apparat unter Rückbezug auf skandinavisches Design weitestgehend unauffällig in die bestehende Inneneinrichtung integriert. Auffällig daran ist nun wiederum gerade, dass dies nur zu gelten scheint, wenn man sie ganz unten im Regal platziert oder zwischen Büchern versteckt, wie es in den aufgeführten Abbildungen der Fall ist. Am betont schlichten Design wird nun gerade ein Aspekt schichtspezifischen Einrichtens sichtbar: Skandinavische Möbel richten sich an eine Klientel, die modern wohnen möchte. Die Distinktion qua Design zeichnet 142 | Anonymus: Skandinavische Möbel. In: Die Kunst und das schöne Heim (1959), 57. Jg., S. 72-75, S. 74.

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sich gerade dadurch aus, dass die entsprechenden Möbel nicht von allen als gemütlich empfunden werden sollen. Die Allianz zwischen Fernsehapparaten und Bücherregalen, die wegweisend ist für die Verhäuslichung des Fernsehens, verändert sich mit dem Farbfernsehen. Wie im vorherigen Kapitel gezeigt, werden mit dem Farbfernsehen Ende der 1960er-Jahre nicht nur vereinzelt die Gehäuse der Fernsehgeräte bunt, sondern auch die Einrichtungen selbst, indem buntes Plastik als Material zur Ausstattung der Wohnung in Mode kommt (siehe Kapitel 2.1 im vorliegenden Teil). Mit dem Fernseher als Akteur im bunten Gewand wird die Frage nach seinem Stellplatz erneut relevant: „Wohin mit dem Farbfernseher? – Die neuen Geräte können nicht einfach auf den Platz der Schwarzweiß-Empfänger gestellt werden“,143 stellt etwa die HörZu kritisch fest. Die neuen Farbgeräte sind – wenigstens vorläufig – größer und schwerer als ihre Vorgänger und können nicht einfach zurück auf den bereits etablierten Stellplatz im Regal: „Nur zwei Knöpfe mehr. Und eine ganze Menge tiefer“.144 Zudem wird darauf verwiesen, dass es aus technischen Gründen nicht mehr möglich sei, Dekor (wie Bücher und Deckchen) unmittelbar darauf abzustellen (wegen der nötigen Luftschlitze).145 Hier zeigt sich noch einmal, dass Netzwerke der ständigen Veränderung unterliegen. Mit dem Wandel eines Akteurs, in diesem Fall des Fernsehens, werden bereits bestehende Verbindungen im häuslichen Netzwerk in Frage gestellt und neue geknüpft. In diesem Sinne werden bereits etablierte Stellplätze im Wohnraum mit der zunehmenden Zahl der Geräte an der Peripherie des Fernsehens, wie sie nur ein paar Jahre später in Form von Video die Wohnräume betrifft, erneut irritiert (siehe Kapitel 2.1 im vorliegenden Teil). Während Bücher im Wohnraum offen zur Schau gestellt werden – man muss sich nicht dafür schämen, dass man liest –, werden viele der in den 1950er-/60erJahren in Mode kommenden Hausbars strategisch hinter Regaltüren versteckt. In dieser Hinsicht gehen sie eine Allianz mit den technischen Medien des Wohnraums ein, insbesondere dem Medium Fernsehen. Der Artikel „Bild- und Tongeräte im Wohnraum“,146 der 1958 in Die Kunst und das schöne Heim erscheint, zeigt eine Sitzecke mit einer eingebauten Bücher- und Fernsehwand – und zwar mit geschlossenen und geöffneten Regaltüren aus Nussbaumholz (Abb. 10 + Abb. 11). Ein Fernsehgerät und eine Hausbar werden darin hinter weißen Fronten versteckt. Hinter einer weiteren, dunkel gehaltenen Tür verbergen sich ein Radioapparat, ein Bandgerät und ein Plattenspieler. In diesem Sinne werden nicht nur der Fernsehapparat und die Hausbar eingehegt, sondern der ganze Medienverbund zuhause, schließlich werden Medien im Wohnraum generell als 143 | Anonymus: Farbe, Farbe über alles. In: HörZu (1967), H. 36, S. 30-40, S. 36. 144 | Ebd. 145 | Vgl. ebd. 146 | Anonymus: Bild- und Tongeräte im Wohnraum. In: Die Kunst und das schöne Heim (1958), 56. Jg., S. 158-159.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

„aktuelle[s] Problem“147 eingestuft. So heißt es im Artikel weiter: „Anspruchsvoll und mächtig und immer stehen diese Apparaturen da, obgleich sie Diener sein sollten und nur anwesend, wenn man ihrer bedarf.“148 Ausschlaggebend für seine Verhäuslichung sind dementsprechend nicht ausschließlich das Medium Fernsehen, sondern seine Allianzen im Wohnraum.

Abb. 10: Schrankwand mit geschlossenen Türen (1958)

Auch wenn Fernsehgeräte über die oben dargelegte Allianz mit Bücherregalen zu – wenngleich prekären – ausstellungswürdigeren Objekten im Wohnraum avancieren, untergraben ihre Allianzen mit der Hausbar diese Position gerade wieder. Auch wenn Trinken und Fernsehen als sinnstiftende kulturelle und soziale Tätigkeiten eingestuft werden, so bleibt ihr Status im Wohnzimmer gleichermaßen prekär. Ihre Verbindung zu Amüsement und Unterhaltung im Privaten sorgt dafür, dass sie häufig direkt nebeneinander im Regal stehen – und wie im oben aufgeführten Beispiel im Nichtgebrauch im Wohnraum invisibilisiert werden. Warnke beschreibt die Bar als eines der öffentlichen Phänomene, das mit dem Funktionswandel des Wohnzimmers Einzug in die Haushalte hält, womit die Grenzen zwischen dem Öffentlichen und Privaten immer weiter verwischen (siehe Teil II, Kapitel 1.3 sowie die Ausführungen zu Gastlichkeit und 147 | Ebd., S. 159. 148 | Ebd.

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Kellerbars in Kapitel 3.1 des vorliegenden Teils). Insofern sowohl die Hausbar als auch der Fernseher für Amüsement und Unterhaltung stehen, werden sie im Wohnraum nicht dauerhaft ausgestellt. Türen und Verkleidungen im Regal versprechen hier Abhilfe: sobald es die häusliche Situation erfordert, lassen sich Bar und Fernseher verstecken.

Abb. 11: Schrankwand mit geöffneten Türen (1958)

Eine besonders spektakuläre innenarchitektonische Umsetzung der Allianz zwischen dem Fernsehgerät und der Hausbar zeigt Die Kunst und das schöne Heim 1959 in dem Artikel „Wohnungsumbau in einem Einfamilienhaus“. Die Renovierung des Hauses ist ganz vom Gedanken des offenen Wohnens bestimmt: „‚Speisezimmer‘ und ‚Salon‘, früher durch Glasvitrinen voneinander getrennt, wurden zu einem großen Wohnraum zusammengefaßt; der durchgehende Auslegeteppich betont die räumliche Einheit.“149

Der große Wohnraum, dessen Mittelpunkt eine große Couchecke bildet, weist zudem eine kleine Sitzecke auf, die vor einer leichten Bücherwand steht. Auffällig ist nun, dass der Fernsehapparat nicht in einer der beiden Sitzecken untergebracht ist, sondern in einer weiteren Ecke im Wohnraum, die von einer großen Hausbar 149 | Anonymus: Wohnungsumbau in einem Einfamilienhaus. In: Die Kunst und das schöne Heim (1959), 57. Jg., S. 423-425.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

bestimmt ist (Abb. 12). Der Fernsehapparat ist in die dahinterliegende Holzwand eingebaut, damit sich die Bildfläche bei Bedarf wieder unsichtbar machen lässt. In dieser Einrichtung ist die Verbindung zwischen dem Medium Fernsehen und der Raum gewordenen Hausbar gut sichtbar und sinnstiftend für die „Partyecke“, die häusliches Amüsement verspricht. Gleichzeitig ist ihr Verschwinden in dieser Inneneirichtung von vorhinein im Entwurf mitkonzipiert.

Abb. 12: Partyecke mit TV-Apparat und Hausbar (1959)

Eine weitere Allianz des Mediums Fernsehen im Wohnraum betrifft Gardinen und Vorhänge. Neben verlegten und freiliegenden Teppichböden statten die Bundesbürger ihre Wohnungen in den 1950er-Jahren mit Gardinen und Vorhängen aus.150 Größere Fensterfronten in Form sogenannter Panoramafenster in städtischen Hochhäusern sowie in vorstädtischen Einfamilien-Bungalows machen sie zu wichtigen Akteuren im Wohnraum. Zudem sind Gardinen und Vorhänge aus neuen Chemiefasern erschwinglicher als teure Stoffbahnen aus Seide und Wolle. In Einrichtungs- und Programmzeitschriften erscheinen nun Bildstrecken, in denen Einrichtungshinweise zur zeitgenössischen Gardinenkultur gegeben werden.151 Wie der Artikel „Gardinenpredigt für Ihre Fenster“, der 1966 in der HörZu erscheint, verdeutlicht, ist es längst zur Einrichtungsnorm geworden, die Fenster des Wohnzimmers mit Gardinen auszustatten. Gleichzeitig zeugt der Artikel davon, dass die konkrete Umsetzung individuellen Bedürfnissen folgt. Idealerweise sollten die Gardinen nämlich bis zum Boden reichen. 150 | Vgl. Silbermann: Vom Wohnen der Deutschen, S. 179. 151 | Anonymus: Gardinenpredigt für Ihre Fenster. Heim und Garten. Extra für Sie. In: HörZu (1966), H. 2, S. 23-24; sowie Anonymus: Gardinenpredigt für Ihre Fenster (2). Heim und Garten. Extra für Sie. In: HörZu (1966), H. 3, S. 23-24.

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Da viele Bundesbürger jedoch ihre tiefen Fensterbänke mit Grünpflanzen dekorieren, wird angeraten, dass der Gardinensaum knapp über den Pflanzen endet. Höhere Gewächse wiederum sollten vor der Gardine stehen, die dann näher am Fenster anzubringen ist. Von Fenstern in Zimmerecken wird ganz abgeraten, da sie unruhig wirken.152 Wie Silbermann in seiner Wohnstudie herausstellt, gehört die Gardine neben der Couch, dem Schrank und dem Sessel Anfang der 1960er-Jahre zu den Einrichtungsgegenständen, die sich Bundesbürger für ihr Wohnzimmer unbedingt anschaffen und mit besonderer Sorgfalt aussuchen.153 Bis zu Silbermanns zweiter Wohnstudie im Jahr 1989 führt die Gardine die Rangliste der beliebtesten Einrichtungsgegenstände des Wohnzimmers als wichtigsten Raum der Wohnung an. Gleich darauf folgen Fernseher, Blumen und Hängelampen.154 Silbermann führt die Gardine denn auch als „Beispiel für die Resistenz gegenüber Veränderungen“ in Bezug auf Wohnkultur an.155 Ihr Erfolg als häuslicher Akteur ist insbesondere zurückzuführen auf die Widersprüchlichkeit zwischen Funktionalität und Repräsentativität, zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, die von ihr ausgeht: „Die aus feinem, grobem, kostbarem oder billigem Material hergestellte, gerade, krumm oder gerüscht im Fenster hängende Gardine bietet von draußen betrachtet, ein genormtes in sich geordnetes Bild der gesellschaftlichen Anpassung, von drinnen bietet sie Verborgenheit vor dem Blick von draußen, ohne den Blick von drinnen nach draußen unverhältnismäßig einzuschränken – Privatheit ist garantiert, Öffentlichkeit indes nicht ausgeschlossen, Funktionalität im Sinne von Abdeckung und Dekoration erzielt und Repräsentativität im Sinne von Entsprechung der gesellschaftlichen Normen gewährleistet.“156

Zugespitzt ließe sich Silbermanns Diagnose zur Gardine dahingehend zusammenfassen, dass ihre Funktionalität darin besteht, sich nach außen hin abzuschotten und zu sehen, ohne gesehen zu werden. Diese Feststellung trifft sich mit Warnkes Analysen des Wohnraums, der die Einrichtungspraxis der mittels Gardinen zugezogenen Fenster als konstitutives Element familiärer Geselligkeit zuhause beschreibt (siehe Teil II, Kapitel 1.3). Auffällig ist nun, dass Gardinen dem Fenster zugehörig sind, und damit einer Stelle am Haus, an der der Austausch zwischen öffentlicher und privater Sphäre stattfindet.157 Die Gardinenkultur der 1950er-Jahre lässt sich als Ausdruck verstehen, diesen Austausch mit fließenden Stoffbahnen zu regulieren. In dem Artikel „Der Vorhang, Kleid des Fensters“, wird das Fenster als Ort am Haus begriffen, 152 | Vgl. Anonymus: Gardinenpredigt für Ihre Fenster, S. 23. 153 | Vgl. Silbermann: Vom Wohnen der Deutschen, S. 193. 154 | Vgl. Silbermann, Alphons: Neues vom Wohnen der Deutschen (West). Köln: Verl. Wiss. u. Politik 1991, S. 35. 155 | Vgl. ebd., S. 125. 156 | Ebd., S. 126. 157 | Vgl. ebd.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

der den Wohnraum zwar an die außerhäusliche Sphäre anschließt, gleichzeitig aber eine klare Grenze zu eben dieser darstellt: „Fenster sind Nahtstellen unseres Lebens, Grenzen zwischen dem engen Drinnen und dem unendlichen Draußen, zwischen dem abgeschlossenen Ich und der nicht zu überschauenden Welt.“158 In diesem Bedürfnis nach Abschottung dienen Gardinen als Akteure dazu, die häusliche Ordnung zu wahren, indem sie die überfordernden Geschehnisse außerhalb der eigenen vier Wände nicht nur symbolisch ausblenden. Wie stark dieser Wunsch ist, zeigt sich in einer Mieterbefragung im Hansaviertel in Berlin. So beschweren sich viele der Mieter darüber, dass Fensterober- und -seitenkanten zu gering bemessen seien und nicht ausreichend Platz für Gardinen ließen, was zur Folge hätte, dass die Gardinen beim Öffnen der Fenster eingequetscht werden.159 Obwohl viele der Fenstermaße zu knapp ausfallen, versehen die Bundesbürger ihre Fenster zusätzlich mit Seitenschals und Vorhängen – und kapseln den Innenraum so doppelt ein. Die Allianz zwischen den Akteuren Fernsehgerät und Gardine ergibt sich maßgeblich über das Fenster. Die Gardine verdeckt das Fenster und schottet es so von der Außenwelt ab. Das Fernsehen wiederum wird über seine Bezeichnung als „Fenster zur Welt“ in populären Diskursen zum Bestandteil des Hauses (Teil I, Kapitel 1.1). Laut Silbermann verstärke das Medium Fernsehen die häusliche Einkapslung, die mit der Gardine einhergeht: „Doch noch ein weiteres nicht zu übersehendes Element fördert und verstärkt die Abgrenzungsbewegung gegenüber dem Draußen, also der Öffentlichkeit, und das ist zweifelsohne das Fernsehen inklusive der daran anschließbaren Geräte. Das Fernsehen ist insofern zu einem Bequemlichkeitsutensil geworden, als es das öffentliche Geschehen mehr oder minder wohl verpackt ins Haus bringt.“160

Da, wo Fenster und Gardinen abtrennen, verschaltet das Fernsehen den Wohnraum wieder mit der Außenwelt. Es ermöglicht den Bewohnern einen Blick nach draußen, der über die Straße vor der Tür hinausgeht, ohne dass man dafür das Haus verlassen müsste. Gleichzeitig – und dies legt Silbermanns pessimistische Deutung nahe – stellt es einen bequemen Austausch dar, der die Sesshaftigkeit der Zuschauer befördere und letztendlich die Abschottung der Bewohner intensiviere. Dabei kommt der Gardine als Einrichtungsgegenstand in katholischen Haushalten mehr Bedeutung zu als in den Wohnungen von Bundesbürgern, die anderen Konfessionen zugehörig sind.161 Die Schutzfunktion der Gardine lässt sich so weit deuten, dass sie es den Bewohnern erlaubt, nicht nur ungestört, sondern auch unbeobachtet fernzusehen. 158 | Anonymus: Der Vorhang, Kleid des Fensters. In: Haus und Heim (1965), 14. Jg., H. 8, S. 5-6, S. 5. 159 | Vgl. Meyer-Ehlers: Wohnerfahrungen, S. 21. 160 | Silbermann: Neues vom Wohnen der Deutschen, S. 138. (Hervorh. im Orig.) 161 | Vgl. Silbermann: Vom Wohnen der Deutschen, S. 197.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Eine weitere Nähe des Fernsehens zu den Gardinen und Vorhängen des Wohnzimmers findet sich neben der dargelegten Regulation des Informationsaustauschs zwischen der häuslichen und außerhäuslichen Sphäre in ihren raumstrukturierenden Eigenschaften. Während Gardinen das Haus nach außen hin abgrenzen, kommt Vorhängen darüber hinaus die Funktion zu, auch im Inneren Bereiche räumlich voneinander abzutrennen (siehe etwa Abb. 2, S. 279). In einer Werbeanzeige für Vorhänge des Herstellers Dralon wird der Vorhang explizit als Raumtrenner gezeigt, mit dem sich auf Wunsch der Kaminbereich vom restlichen Wohnzimmer abtrennen lässt (Abb. 13).162 Der Werbetext hebt explizit darauf ab, dass Vorhänge praktische Raumtrenner für junge Paare darstellen und zudem frische, brillante Farben in die Wohnung bringen. Eben diesen Aspekt greift auch das Anzeigenbild auf. Hinter dem roten, halb zugezogenen Samtvorhang schauen ein Teil der Stereoanlage und ein Fernsehapparat hervor. In diesem Sinne dienen Vorhänge also gleichzeitig dazu, technische Medien im Wohnraum, insbesondere das Fernsehen, bei Bedarf vom Wohnen auszuschließen. Gleichzeitig deutet sich hier bereits an, dass auch Fernsehmöbel die Funktion von Raumtrennern übernehmen, indem sie etwa in raumstrukturierenden Regalen untergebracht werden.

Abb. 13: Allianz zwischen Fernsehapparaten und Vorhängen im Wohnraum

162 | Werbeanzeige für Vorhänge des Herstellers Dralon. In: Hörzu (1968), H. 41, S. 19.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

Abb. 14: Weibliche Einkapselung als Überwachung (1963) Abb. 15: Männliche Freizeitgestaltung im Wohnraum (1963)

Die Tendenz zur Abschottung und räumlichen Einkapselung, wie sie sich in der Allianz zwischen Gardine und Fernsehgerät räumlich-dinglich materialisiert, hat eine geschlechtsspezifische Dimension. Eine Werbeanzeige für Diolen-Gardinen und -Vorhänge zeigt einen Wohnraum, dessen Balkonfenster komplett mit Gardinenstoff verhangen und zusätzlich mit einem Vorgang verkleidet ist (Abb. 14). Auf dem Teppichboden vor dem fast bodentiefen Panoramafenster spielen zwei Kinder. Zu ihrer Linken schaut die Mutter, die mit einem Bein auf dem Balkon steht und das andere angewinkelt hat als würde sie gleich hineingehen, den beiden Jungen wohlwollend zu. Wie die Frau auf den Balkon gekommen ist, lässt sich nur spekulativ beantworten. Eine Möglichkeit wäre eine Fenstertür, die auf der linken Seite außerhalb des Bildraums liegt. Mit ihrer linken Hand berührt die Frau die Gardine leicht, um sie zur Seite zu schieben. Im Werbetext heißt es: „Eine Mutter, die ihre Jüngsten beim Spielen belauscht – in einer Atmosphäre, wie wir sie alle lieben. Diese Atmosphäre können auch Sie haben – in jedem Raum. Greifen Sie nur zu den richtigen Gardinen und Vorhängen.“163

Die Form der häuslichen Einkapselung, die hier gezeigt wird, beruht auf einer mütterlichen Fürsorge, die an Überwachung grenzt. Auf der Höhe der Gardine 163 | Werbeanzeige des Gardinen-Herstellers Diolen. In: HörZu (1963), H. 37, S. 19.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

stehend, wird sie zum einen zum passiven Bestandteil eben dieses dekorativen Elements des Wohnraums. Gleichzeitig ist sie dahingehend aktiv, dass sie selbst zwischen innen und außen vermittelt, indem sie die Gardine gewissermaßen bedient. In diesem Szenario ermöglichen Gardinen nicht nur eine Abgrenzeng vom Außen, sondern auch eine weibliche Kontrolle über den Raum. Eine weitere Anzeige der Diolen-Werbekampagne zeigt ein ähnliches Setting, nur dass diesmal die Akteure ausgetauscht sind: Statt Mutter und Kindern sehen wir den „Hausherr[n] bei seiner Lektüre“, die er – ohne spielende Kinder im Hintergrund – sorglos und entspannt in einem Sessel sitzend verfolgen kann (Abb. 15).164 Zwar erscheint auch er auf den ersten Blick eingeschlossen in der von den Gardinen vermittelten Atmosphäre. Im Gegensatz zur Frau ist er jedoch im Zuge seiner Zeitschriftenlektüre an außerhäusliche Ereignisse angeschlossen. Zudem schimmern durch das mit einer Gardine verhangene Fenster im Erdgeschoss des Hauses ein zugeklappter Sonnenschirm sowie ein Gartentisch und -stühle hindurch, die so aussehen, als würden sie nur darauf warten, dass der Hausherr seine Lektüre gleich entspannt im Freien fortsetzt. Und auch die Utensilien, die auf dem kleinen Beistelltischchen neben dem Sessel im Wohnraum stehen, verweisen auf häusliches Amüsement: Ein Bier trinkend und eine Pfeife rauchend hat es sich der Hausherr in seinem Feierabendsessel gemütlich gemacht. Während die Frau zwar die Kontrolle über das Geschehen im Wohnraum hat, trägt sie gleichzeitig die Verantwortung dafür. Hier zeigt sich die Hartnäckigkeit von visuellen Stereotypen in der Werbung, die auch transnational funktionieren. Wie Roland Marchand in seinen Analysen zum Familienkreis herausstellt, lesen Männer in US-amerikanischen Anzeigen in den USA in den 1920er- und 1930er-Jahren oft die Zeitung, während Frauen in Literatur vertieft sind (siehe Kapitel 1.2 im vorliegenden Teil). Auch in der Werbung für Gardinen in der BRD rund zwanzig Jahre später werden Frauen vom außerhäuslichen Geschehen isoliert. Statt jedoch eigene Interessen wie das Lesen eines Buchs zu verfolgen, gehen sie vollständig darin auf, die häusliche Szenerie zu überwachen. Laut Silbermanns empirischer Untersuchung weisen die Einrichtungsgegenstände des Wohnzimmers besondere geschlechtsspezifische Codierungen auf. Der affektive Wert von Teppichen, Gardinen, Fernsehgeräten, Tapeten und Vorhängen sei bei Frauen höher als bei Männern. Seiner Statistik zufolge interessieren sich Männer mehr für Couches, Sessel, Schränke, Schreibtische und Musiktruhen. Besonders deutlich scheint die geschlechtsspezifische Zuweisung beim Servierwagen auszufallen. Als sei schon die Frage, ob dieser Gegenstand für sie eine persönliche Bedeutung habe, ein Affront, machen Männer hierzu – als einzigem Gegenstand in der Liste – keine Angabe.165

164 | Werbeanzeige für Gardinen des Herstellers Diolen. In: HörZu (1963), H. 45, S. 15. 165 | Vgl. Silbermann: Vom Wohnen der Deutschen, S. 197.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

In der Allianz zwischen Fernsehern und Gardinen kommen zudem kulturelle Differenzen zum Ausdruck. Während man sich in der jungen Bundesrepublik lieber hinter Gardinen versteckt, zeigen US-amerikanische Einrichtungszeitschriften „nackte“ Fenster. Spigel beschreibt, dass in den 1940er-Jahren populäre Architekturstile das Innere und Äußere des Hauses mittels großer Glasfronten miteinander verbinden. Wände aus Glas verwandeln Fenster in PanoramaAnsichten.166 Diese paradoxe Beziehung von innen und außen, von Abgrenzung und Nähe, materialisiert sich in der Wohnungsarchitektur der Vorstädte, insbesondere in den aufkommenden Reihenhaussiedlungen.167 Die Glasschiebetüren stehen Spigel zufolge für eine „Ästhetik der fließenden Übergänge“.168 Der Fernsehapparat klinke sich in diesen Wohnungsbaustil ein, konnte er doch „ebenfalls private und öffentliche Sphären verschmelzen [und] war [somit] in diesen Vorstadtdomizilen der ideale Gefährte und Hausfreund.“169 Auch in Flandern steht der Fernseher in direkter Verbindung mit dem Fenster. Der „Guckkasten“ [kijkkast] wird als Fenster verstanden, das den Bewohnern Einblick gibt in die Welt da draußen.170 Damit bringt es gerade das Menschliche ins Heim, im Unterschied zum Göttlichen, womit wie weiter oben dargestellt der Kamin assoziiert wird.171 Einrichtungszeitschriften raten dazu an, den Fernseher weder vor noch gegenüber dem Fenster aufzustellen, da das Bild sonst aufgrund von Gegenlicht und Spiegelung schwieriger wahrzunehmen ist.172 In diesem Sinne wird die Gardine in der Nachkriegszeit nicht zuletzt deshalb wichtig im Wohnraum, weil es diesen Akteur braucht, um vernünftig fernsehen zu können. Eine weitere Allianz des Fernsehens im Wohnraum betrifft die mit der Tapete. Ähnlich wie Gardinen und Vorhänge erfahren auch Tapeten in den 1950er-Jahren in der BRD eine Konjunktur im Wohnraum. Die Bewohner des neugebauten Hansaviertels beklagen sich über die kahlen Wände, sie „hätten lieber Tapeten in allen Räumen. ‚Tapeten wirken viel wärmer.‘“173 Wie weiter oben bereits dargelegt, geben gerade Frauen an, dass Tapeten für sie eine große persönliche Bedeutung hinsichtlich des Wohngefühls haben. Einen vermeintlichen Grund hierfür liefert die Werbung, in der eine gut eingerichtete Wohnung als Grundlage für eine glückliche Ehe hochstilisiert wird. Demzufolge führen die beengten Verhältnisse in den kleinen Wohnungen schnell zu Streitigkeiten. 166 | Vgl. Spigel: Make Room for TV, S. 104. 167 | Vgl. Spigel, Lynn: Der suburbane Hausfreund. Fernsehen und das Ideal von Nachbarschaft im Nachkriegsamerika. In: Ortlepp, Anke; Ribbat, Christoph (Hg.): Mit den Dingen leben. Zur Geschichte der Alltagsgegenstände. Stuttgart: Steiner 2010, S. 187-217, S. 188. 168 | Ebd., S. 189. 169 | Ebd. 170 | Vgl. de Vos: Hoe zouden we graag wonen, S. 168. 171 | Vgl. ebd. 172 | Vgl. ebd., S. 293. 173 | Meyer-Ehlers: Wohnerfahrungen, S. 26.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Moderne Tapeten hingegen rückten Möbel und Blumen ins rechte Licht, wovon letztendlich die Beziehung profitieren würde.174 Wie Spigel in Make Room for TV herausstellt, ziehen in den USA zeitgleich zum Wohnen mit Fernsehern Bildtapeten in die Vorstadthäuser ein. In hochpreisigen Architekturmagazinen werden Frühstücksräume mit Tapeten verkleidet, die Ansichten von französischen Cafés in das eigene Zuhause holen.175 Einrichtungszeitschriften zeigen Mittelschichtshaushalte, deren Tapeten fremde Städte oder Naturschauplätze abbilden, und damit exotische Bilder an die eigenen Wände bringen.176 Diese stofflichen Panorama-Ansichten sind dem Fernsehen dahingehend ähnlich, dass sie innen und außen miteinander verschmelzen. In Flandern zeigt sich, dass Tapeten nicht nur zu einer bestimmten Atmosphäre zuhause beitragen sollen, sondern zudem eine raumverbindende bzw. -trennende Funktion haben. Dies verdeutlicht sich im Wandel von der guten Stube [beste kamer] zum Wohnzimmer [woonkamer].177 In diesem Prozess wird die beste kamer erweitert um die Wohnküche (in Arbeiterhaushalten) und das Esszimmer (in bürgerlichen Haushalten) und so zur größeren woonkamer. Architekten schlagen vor, diese beiden getrennten Raumfunktionen (der Sitz- und der Essecke) qua einer entsprechenden Möblierung zu markieren, indem Einrichtungsgegenstände wie Bücherregale entlang der imaginären Trennlinie platziert werden.178 Um die Zweiteilung des Wohnzimmers ästhetisch zu entschärfen und beide funktional getrennten Sphären wieder ineinander übergehen zu lassen, wird eine einheitliche Tapezierung der beiden Bereiche nahelegt.179 In diesem Beispiel erscheint die Tapete in Verbindung mit dem Mobiliar als Akteur, der neben räumlichen Sichtbarkeiten und Unsichtbarkeiten räumliche Trennungen und Verbindungen antreibt. In der Sitzecke des Wohnzimmers, der vormals besten kamer, findet wiederum der Fernseher Platz. Mittels der Tapete rückt auch er, zumindest qua Raumgestaltung, in die Nähe des Essbereichs des Wohnens. Wie die obigen Ausführungen zur Allianz zwischen den Akteuren Fernsehgerät und Tapete nahelegen, lässt sich die fernsehwissenschaftliche Metapher von Fernsehen als Bildtapete, die für eine dauerhafte und passive Bilder-Berieselung steht,180 aus einer Möbel-Perspektive auch anders denken. Aus diesem Blickwinkel erscheint das Fernsehen nicht so sehr als Nebenbei-Medium, sondern es werden 174 | Vgl. Werbeanzeige Tapeten können zaubern… Ihr Fachhändler berät sie dabei! In: HörZu (1957), H. 17, S. 47. 175 | Vgl. Spigel: Make Room for TV, S. 102. 176 | Vgl. ebd. 177 | In den 1950er-Jahren wird noch die englische Bezeichnung „living“ verwendet, erst in den 1960er-Jahren setzt sich das niederländische Wort „woonkamer“ durch. Vgl. de Vos: Hoe zouden we graag wonen, S. 139. 178 | Vgl. ebd. 179 | Vgl. ebd. 180 | Vgl. Steinmaurer, Thomas: Tele-Visionen. Zur Theorie und Geschichte des FernsehEmpfangs. Innsbruck [u.a.]: Studien-Verlag 1999, S. 347.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

seine raunstiftenden Funktionen betont. Zwar holt auch das Fernsehen in den 1950er-Jahren Bilder aus fernen Welten ins Wohnzimmer, wie es bereits ab Mitte des 18. Jahrhunderts kennzeichnend ist für Bildtapeten an den Wänden bürgerlicher Interieurs.181 Aus einer Möbel-Perspektive ist jedoch weniger die Bildlichkeit von Fernsehern und Tapeten relevant. Begreift man nämlich „Bildtapeten [...] als Teil eines relationalen Raumgefüges“,182 wird ihr Verhältnis zu weiteren Akteuren im Wohnraum wichtig. Dies trifft auch dann zu, wenn die Tapeten keine Bildtapeten im eigentlichen Sinne darstellen, die narrative Szenarien abbilden,183 sondern florale Muster, Ornamente oder geografische Muster und skizzenhafte Motive zeigen, wie sie in den 1950er-Jahren in Mode kommen.184 „Tapetenräume sind also Teil eines Displays, als das die Anordnungen im Interieur verstanden werden können“.185 In dieser Hinsicht besteht die Allianz zwischen Fernsehgeräten und Tapeten im Wohnraum gerade nicht so sehr darin, dass sie Ansichten im Hintergrund zeigen, die nebenbei mitlaufen. Vielmehr ist die Wirkmächtigkeit dieser Verbindung daran festzumachen, dass von ihr Trennungen und Verbindungen im Raum ausgehen. Die hier skizzierten Tendenzen eines räumlich-dinglich motivierten Einbunkerns zuhause qua entsprechender Einrichtungen zeigen sich auch darin, dass Amüsement nun auch zuhause und nicht mehr unbedingt vor der eigenen Haustür stattfindet. Auch wenn Hausbars wie oben ausgeführt im Wohnraum oft invisbilisert werden, gibt es in den 1960er-Jahren vermehrt Entwürfe für Unterhaltungsräume zuhause. Diese neue Form häuslicher Partykultur materialisiert sich insbesondere in Wohnungen mit großem Fernsehbereich. Die Kunst und das schöne Heim zeigt ein solches Architekturbeispiel in Form einer dauerhaften Ferienwohnung in Italien. Diese ist mit einem „Musik-, Tanz-, und Fernsehraum“ ausgestattet, der nahelegt, dass man nicht auszugehen braucht, um sich zu amüsieren (Abb. 16). Die moderne Schrankwand mit einer edlen Front aus Teak wirkt nur auf den ersten Blick monolithisch und starr. „Der Fernsehapparat auf segmentartigem Schlitten kann in jede gewünschte Richtung gebracht werden“186 und passt sich so ein in die mobile Partykultur zuhause. Weiter unten im flexiblen Wandschrank befindet sich ein Plattenspieler, der den Sound für ausgelassene Partynächte beisteuert. 181 | Vgl. Eck, Katharina; Schönhagen, Astrid Silvia: Imaginationsräume des (bürgerlichen) Selbst. Möglichkeiten und Herausforderungen kulturwissenschaftlicher Analysen des Wohnens in Bildtapeten-Interieurs im frühen 19. Jahrhundert. In: dies. (Hg.): Interieur und Bildtapete. Narrative des Wohnens um 1800. Bielefeld: transcript 2014, S. 13-64, S. 33. 182 | Ebd., S. 16. 183 | Vgl. ebd., S. 22f. 184 | Zu Tapeten-Mustern in den 1950er-Jahren siehe etwa folgenden Artikel: Anonymus: Tapeten, Tapeten.... In: Die Kunst und das schöne Heim (1955), 53. Jg., S. 391-393. 185 | Eck, Schönhagen: Imaginationsräume des (bürgerlichen) Selbst, S. 16. 186 | Anonymus: Ferien-Dauerwohnung mit Dachterrasse in Italien. In: Die Kunst und das schöne Heim (1960), 58. Jg., S. 154-160.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Abb. 16: Amüsierräume des Fernsehens (1960)

An den Tanz- und Fernsehbereich grenzt eine Spielnische an; bei Bedarf lassen sich beide Bereiche mit einem Batikvorhang voneinander trennen. Hieraus ergeben sich fließende, ineinander übergehende Räume der (abendlichen) Unterhaltung, die bei Bedarf in unterschiedliche Zonen des Amüsements, wie etwa Fernsehen, Tanzen und Spielen abgegrenzt werden können. „Das ‚Wohnen‘ entwickelt sich in einem einzigen großen Wohnbereich, der sich von Osten (Eßplatz) nach Westen (Unterhaltungsraum mit Fernsehen und Tanz) über den eigentlichen Wohnraum (mit seinen Spiel- und Sitzplätzen) stufenweise entwickelt.“187

Diese räumlich-materielle Entwicklung zu häuslichem Amüsement, die in diesem Beispiel über einen großen, in einzelne Inseln aufgeteilten Wohnraum funktioniert, stellt eine generelle Tendenz in den 1960er-Jahren dar. So schreibt Silbermann: „Es dient also heute der Wohnraum in erster Linie der Zerstreuung und Unterhaltung, und danach folgt ein Typ von Verhaltensweisen, den wir, wie Schlafen, Kochen, Essen, Ausruhen oder Körperpflege usw., als ‚rekreative Tätigkeiten‘ bezeichnen.“188

Einsatzpunkt scheint hier das Medium Fernsehen zu sein, das – als Möbel in den Wohnraum eingebunden – die vergnüglichen Einrichtungen antreibt. Die aufgeführte häusliche Amüsier-Architektur ist noch in einer anderen Hinsicht aufschlussreich. Wie Judy Attfield herausstellt, bringt in Großbritan187 | Ebd., S. 155f. 188 | Silbermann: Vom Wohnen der Deutschen, S. 80.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

nien etwa zeitgleich der Einzug des niedrigen Couchtischs italienische Kaffeekultur und einen kosmopolitischen Lebensstil in britische Wohnzimmer (siehe Teil II, Kapitel 1.3). Die Ferienwohnung in Italien zeugt nun davon, dass das italienische Lebensgefühl auch in der Bundesrepublik an Bedeutung gewinnt und die Einrichtungen affiziert. Die sich im Grundriss materialisierende italienische Lebenshaltung wird zum Vorbild für deutsche Einrichtungen erhoben. „Der Aufenthalt in der eigenen Wohnung kann zu Langeweile führen und diese wiederum den Drang zum ‚Ausgehen‘ hervorrufen oder verstärken. Darum bemühen sich einsichtige Architekten zusammen mit ihrem Auftraggeber, vielgestaltige Anreize zu bieten, immer wechselnde Eindrücke zu erzeugen.“189

Wie der Artikel weiter ausführt, seien schließlich auch in Italien die Großstädte immer weniger einladend.190 Um den rauen Sitten vor der Haustür aus dem Weg zu gehen, feiert man lieber zuhause. Unter dieser Perspektive schlägt ausgelassenes Feiern um in kontrolliertes Vergnügen. Spätestens Ende der 1960er-Jahre formieren sich in der BRD alternative Zusammenschlüsse, die die These des privaten Amüsements irritierten. In der florierenden Diskotheken- und Kneipenkultur finden wilde Diskussionsabende statt. Der Starrheit der Möbel in bürgerlichen Lokalen setzten linke Kneipen mobile Einrichtungen entgegen, die eine Beweglichkeit im Denken symbolisieren sollen. Ende der 1960er-Jahre findet die oben dargelegte Dingkultur des Wohnzimmers der 1950er-Jahre als sogenanntes „Omaplüsch“ Eingang in Berliner Szenekneipen der Studentenbewegung.191 Die Kneipen sind ausgestattet mit Matratzen und als altbacken empfundenen Polstermöbeln. Das Fernsehmöbel im Stil des ‚Gelsenkirchener Barock‘ fristet Ende der 1960er-Jahre, zumindest in bestimmten Milieus, ein Dasein als ironisches Zitat. Auch diese Entwicklungen sind geprägt von Widersprüchen. Allen ironischen Distanzierungsbemühungen zum Trotz zeigen die Akteure der 68er-Bewegung eine engere Verbundenheit zum Privaten, als von ihnen intendiert. Philipp Felsch beschreibt das ironische Interieur in Szenekneipen als Rückkehr des Unbewussten der linken Bewegung: „Das Allerheiligste von Wohn- und Schlafzimmer erwies sich als zählebig. Nachdem es in den Wohngemeinschaften längst überwunden schien, kehrte es wie eine verdrängte Wahrheit im Nachtleben zurück.“192 189 | Anonymus: Ferien-Dauerwohnung mit Dachterrasse in Italien. In: Die Kunst und das schöne Heim (1960), 58. Jg., S. 154-160, S. 156. 190 | Vgl. ebd., S. 156. 191 | Vgl. Felsch, Philipp: Der lange Sommer der Theorie: Geschichte einer Revolte 19601990. München: Beck 2015, S. 221. 192 | Ebd.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Das Ideals der Privatheit erweist sich als hartnäckig. Auf ausschweifende Kneipenabende folgt über kurz oder lang der Rückzug in Privatwohnungen, wo von nun an Diskussionsabende und privatistische Partykultur verschränkt werden. Wie die obige Beschreibung der Allianzen von Fernsehern mit weiteren Einrichtungs- und Dekorationsgegenständen des Wohnraums zeigt, produzieren solche räumlich-dinglichen Verbindungen immer auch Ein- und Ausschlüsse anderer Akteure im häuslichen Netzwerk. Diese Spur wird im Weiteren vertieft, und zwar indem den Verknotungen der Netze noch weiter gefolgt wird, um die Verbindungen zwischen den Akteuren anhand entsprechender Operationsketten aufzuzeigen. Gegenstand der folgenden Ausführungen sind insbesondere soziale Asymmetrien, die mit der Netzwerkbildung rund um die Integration von Fernsehapparaten in den Wohnraum einhergehen. Mit der Veränderung des häuslichen Raums wird auch der soziale Raum neu aufgeteilt; diese sozialen und symbolischen Ordnungen betreffen insbesondere Kategorien wie Familie, Geschlecht und imaginierte Nutzungsweisen. Dabei wird im Weiteren gezeigt, dass sich in diesem Prozess neue Sphären im Wohnraum bilden, die einige Akteure stärker mobilisieren als andere.

c) verbinden/trennen: Rollenzuweisungen der Akteure Wenn im Kreis der 68er-Bewegung auf improvisierte Einrichtungen gesetzt wird, die auf Mobilität im Denken verweisen sollen, so zeigt sich hierin eine grundsätzlichere Bedeutung des Mobiliars an. Das Wort „Möbel“ geht begriffsgeschichtlich zurück auf den lateinischen Begriff mobil, was „beweglich“ meint.193 Hierauf ist auch das französische Adjektiv meuble zurückzuführen, das als Substantiv einen juristischen Terminus bezeichnet, der für „bewegliches Habe“ steht. Bis ins 15./16. Jahrhundert steht auch das frühneudeutsche möbel für eben diese Bedeutung.194 Losgelöst von diesem Verwendungszusammenhang kommt zur gleichen Zeit eine weitere Bedeutung des Begriffs auf, nämlich Möbel verstanden als Haushaltsgegenstand bzw. Hausrat und im 17. Jahrhundert noch spezifischer als Einrichtungsgegenstand. Das eingedeutschte Wort Mobilien steht Ende des 17. Jahrhunderts für bewegliche Dinge generell und konkurriert zeitweise mit den Möbeln und Meubles, um 1800 kommt es jedoch zu einer erneuten Trennung der Bedeutungen.195 193 | Lemma „Möbel“. In: Pfeifer, Wolfgang; Braun, Wilhelm (Hg.): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. A-L. 2. Auflage. Durchgesehen und ergänzt von Wolfgang Pfeifer. Berlin [u.a.]: Akademie 1996, S. 880-881, S. 880. 194 | Vgl. ebd. 195 | Lemma „Mobilie“: In: Pfeifer; Braun, (Hg.): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. M-Z. 2. Auflage. Durchgesehen und ergänzt von Wolfgang Pfeifer. Berlin [u.a.]: Akademie 1996, S. 880.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

Wie diese kurze begriffsgeschichtliche Herleitung veranschaulicht, steht das Wort „Möbel“ für solche Gegenstände, die zwar dem Haus zugehörig, per definitionem aber mobiler sind als eben dieses, schließlich wird es nicht umsonst auch als Immobilie bezeichnet. Kennzeichnend für die Inneneinrichtungen und entsprechende Wohndiskurse der 1950er-/60er-Jahre ist nun gerade, dass die Gegensätze zwischen Beweglichkeit und Starrheit konstitutiv für sie zu sein scheinen. Die Kompletteinrichtungen zeichnen sich Anfang der 1950er-Jahre durch eine enorme Schwerfälligkeit aus, was der eigentlichen Bedeutung des Begriffs Möbel gerade entgegensteht. Mit der Spanplatte und weiteren neuen Materialien im Wohnraum, wie etwa Rattan und Bugholz, die mit dem skandinavischen Design in die Wohnungen einziehen, suggerieren auch die Möbel eine neue Mobilität: „Beweglichkeit lautete die Devise der neuen Zeit, und beweglich sollte auch die Wohnungseinrichtung sein“.196 Viele der schwerfälligen Möbel scheinen dieser Aufbruchstimmung in der Bundesrepublik qua Gestaltung jedoch gerade im Wege zu stehen. Das vorherige Kapitel hat gezeigt, dass genau dieser Wunsch nach einer zunehmenden Beweglichkeit der Einrichtungsgegenstände im Haus Mitte der 1960er-Jahren auch für Fernsehmöbel relevant wird. Schlanker und leichter im Design als ihre Vorgänger, sind sie besser im Haus transportabel und flexibler in der Ausrichtung ihres Bildschirms. Diese Flexibilität im Stellplatz kommt dem Wunsch nach einer Individualisierung des Mediengebrauchs nach: „Fernsehen ist nicht nur Abendunterhaltung. Die Hausfrau möchte in der Küche vom Nachmittagsprogramm profitieren, der Hausherr schon mal ein Fußballspiel von der Essecke her verfolgen. Ob Staatsempfang, Satellitenstart, Sportereignis – man will ‚dabeisein‘. Doch die meisten Geräte sind Möbel und nicht ‚mobil‘. Ein kleiner Dreh genügt manchmal schon, und es entgeht einem nichts mehr.“197

In gewisser Hinsicht werden Fernsehapparate so zu flexiblen Akteuren, die in der Einrichtung vermitteln. Das angeführte Zitat verweist schon darauf, dass mit der Mobilmachung der Einrichtung nicht nur den Fernsehmöbeln jeweils spezifische Stellplätze und Rollen zugewiesen werden, sondern gleichzeitig auch den Bewohnern. Wer ist in welchen Bereichen des Hauses mobil? Welche räumlich-dinglichen Verbindungen entstehen mit dieser Mobilmachung des Interieurs? In der fernsehwissenschaftlichen Forschung wird die Verhäuslichung des Mediums Fernsehen in den 1950er-/60er-Jahren mit dem Bild der Sesshaftigkeit der Zuschauer beschrieben (siehe Teil 1, Kapitel 1.2), wovon auch die oberen Ausführungen zur Einbunkerung zuhause zeugen. Ausgehend von dieser Beobachtung fragen die folgenden 196 | Günther: Die fünfziger Jahre, S. 36. 197 | Anonymus: Heim und Garten. Extra für sie. Fernsehen mit kleinem Dreh. In: HörZu (1967), H. 25, S. 72.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Ausführungen danach, welche Akteure nun – im Gegensatz dazu – gerade besonders aktiv sein müssen, damit ein solches Setting häuslicher Sesshaftigkeit überhaupt funktionieren kann. Hierbei geht es insbesondere um die Fernsehecke und alle weiteren Akteure, die daran beteiligt sind, dass sich diese als vermeintlich gut funktionierendes räumlich-dingliches Arrangement stabilisiert. Mit der Frage nach den Rollenzuweisungen der Akteure, die sich durch die Konstitution des häuslichen Netzwerks im Hinblick auf den Fernsehapparat ergibt, sind auch Raumordnungen und soziale Codes angesprochen. Bernhard Siegert beschreibt das Haus als einen Ort, mit dem seit jeher spezifische (symbolische) Grenzenzziehungen einhergehen: „Die Gliederung des häuslichen Raumes verhält sich dem alltäglichen Leben gegenüber keineswegs neutral, sie übt nicht nur Macht auf unser Leben aus, sie artikuliert das Leben auch im Sinne spezifisch historisch kontingenter Codes.“198

Ein grundlegendes Beispiel dafür, wie Räume zu Trägern kultureller Codes und zu symbolischen Ordnungen werden, sei die Unterscheidung zwischen innen und außen, die konstitutiv ist für Privatsphären.199 Daran hängen sich weitere Dualismen auf, die den häuslichen Raum strukturieren, wie Siegert unter Bezugnahme auf Pierre Bourdieus Analyse des kabylischen Hauses darlegt: „Der Raum des Hauses ist aus einem Gefüge homologer Oppositionen aufgebaut: Feuer/ Wasser, gekocht/roh, oben/unten, Licht/Schatten, Tag/Nacht, männlich/weiblich, [...] Kultur/ Natur. Die strukturelle Differenzierung und Semantisierung des inneren Raumes wiederholt überdies noch einmal die Differenz zwischen innen und außen insgesamt.“200

Die faktisch-materielle Aufteilung des häuslichen Raums verlängert diesen ins Symbolische, womit Zuweisungen bezüglich der darin einzunehmenden Rollen, und letztendlich auch Ein- und Ausschlüsse produziert werden. Gegenstand der weiteren Ausführungen ist genau diese „Macht, die die gewohnte Gliederung des häuslichen Raums auf unser Leben ausübt“.201 198 | Siegert, Bernhard: Türen. Zur Materialität des Symbolischen. In: Zeitschrift für Medienund Kulturforschung (2010), H. 1, S. 151-170, S. 158. 199 | Vgl. ebd., S. 153f. 200 | Siegert, Bernhard: Weiße Flecken und finstre Herzen. Von der symbolischen Weltordnung zur Weltentwurfsforschung. In: Gethmann, Daniel; Hauser, Susanne (Hg.): Kulturtechnik Entwerfen. Praktiken, Konzepte und Medien in Architektur und Design Science. Bielefeld: transcript 2009, S. 19-47, S. 29. Siegert bezieht sich hier auf Pierre Bourdieus erste soziologische Studie, die die kabylische Gesellschaft in Algerien zum Gegenstand hatte: Bourdieu, Pierre: Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1979, S. 48-65. 201 | Evans, Robin: Menschen, Türen, Korridore. In: Arch+. Zeitschrift für Architektur und Städtebau (1996), H. 134/135, S. 85-97, S. 85.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

Übertragen auf den häuslichen Raum in den 1950er-/60er-Jahren, der sich auch als sich wandelndes Netzwerk begreifen lässt (siehe Teil II, Kapitel 2), werden diese Zuordnungen erneut verhandelt. Mit den Veränderungen des Wohnraums wird auch der soziale Raum neu bestimmt. Auch wenn sich die oben dargelegten Oppositionen im Haus als hartnäckig erweisen und davon ausgegangen werden kann, dass sie als gesellschaftliche Routinen eine relative Dauerhaftigkeit erlangen, so unterliegen sie doch einer steten Veränderung dahingehend, dass sie neu ausgehandelt werden. So ist die Trennung zwischen innen und außen, die mit der Architektur des Hauses gesetzt wird, verhältnismäßig konstant.202 Gleichzeitig stehen die symbolischen Zuweisungen immer wieder zur Disposition und es wird jeweils neu bestimmt, welche Akteure mit ihnen inkludiert und welche exkludiert werden. Mit der Integration des Fernsehers als neuen Akteur im Wohnraum verändert sich nicht nur wie weiter oben dargelegt die Aufteilung des häuslichen Raums selbst. Mit ihm wird auch die soziale Ordnung neu verhandelt. Wie Attfield in ihren Analysen zeigt (siehe Teil II, Kapitel 1.3), entsteht mit der Couchecke eine räumliche Einrichtung, die wenigstens theoretisch weniger hierarchisch funktioniert, da sie mit den gender- und schichtspezifischen Zuweisungen bricht, die noch mit dem Kamin als zentralem Akteur im Wohnraum einhergingen.203 Die folgenden Ausführungen gehen nun gerade solchen sozialen Ordnungen und Ausschlüssen nach, die mit der Sphärenbildung im häuslichen Raum zusammenhängen. Die weiter oben dargelegten Allianzen zwischen Akteuren im Wohnraum, die dieser Neueinteilung des Häuslichen zugrunde liegen, haben bereits angezeigt, dass die räumlich-dinglichen Verbindungen zwischen Akteuren geschlechts- und schichtspezifische Bereiche im Wohnraum produzieren. So markiert etwa die Allianz zwischen Fernsehmöbel und Hausbar eine Insel häuslichen Amüsements, die in diesem konkreten Fall zwischen Kultur und Unterhaltung unterscheidet. In der Verbindung zwischen Fernsehern und Gardinen wird, vermittelt über das Fenster, nicht nur zwischen innen und außen prozessiert, sondern es werden gleichsam Rollenzuweisungen in Bezug auf männliche und weibliche Aufgabenbereiche verhandelt. Diesen Allianzen lassen sich weitere hinzufügen. Die weiteren Akteure der materiellen und symbolischen Sphärenbildung, denen nun gefolgt wird, umfassen (1) Türen, (2) Raumtrenner und (3) Einrichtungsgegenstände, die zwischen solchen architektonischen Elementen der Raumstrukturierung wieder vermitteln.

202 | Gleichzeitig gibt es gesellschaftliche Aushandlungen, die solche vermeintlich eindeutigen Grenzziehungen irritieren, wofür das von Spigel angeführte Panoramafenster der US-amerikanischen Vorstädte nur ein Beispiel unter vielen ist. 203 | Vgl. Attfield, Judy: Design as a Practice of Modernity: A Case for the Study of the Coffee Table in the Mid-Century Domestic Interior. In: Journal of Material Culture (1997) 2. Jg., H. 3, S. 267-289, S. 280.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Die Innenarchitekturen der Nachkriegsphase geben top down eine spezifische Strukturierung des Wohnraums vor, die sich wie weiter oben dargelegt nur bedingt durchsetzen lässt. Im Gebrauch allerdings sehen die Einrichtungen und mit ihnen die Aufteilungen der Wohnbereiche anders aus, als von den Instanzen der Wohnkultur geplant. Dies zeigt sich u.a. auch darin, dass sich die Anzahl, Art und Lage der elektrischen Installationen der Wohnungen nicht mit den Einrichtungswünschen der Bewohner decken. So befinden sich etwa die Anschlüsse für Deckenlampen meist in der Mitte des Raumes, was vorsieht, dass ein Esstisch darunter platziert wird.204 Wie die Wohnbefrager feststellen, ist diese vorgesehene Einrichtungspraxis unter den Bewohnern nicht länger beliebt: „Weiterhin wurde beobachtet, daß die Deckenbeleuchtung überhaupt in ihrer Bedeutung etwas zurückgetreten ist gegenüber der Wandbeleuchtung. Die ausgesprochene Vorliebe für Wandbeleuchtungen scheint in Zusammenhang zu stehen mit der wachsenden Neigung, das Zimmer in einzelne Zonen zu teilen, wobei das Licht diese Raumgliederung unterstreicht.“205

Mit der Einrichtungspraxis des Inseln-Bildens wird mit dem Verschwinden des Esstischs aus der Mitte des Wohnraums auch der entsprechende Hängeleuchter-Anschluss obsolet. Wie weiter oben dargelegt, wird gerade die Fernsehecke als Bestanteil der Sphäreneinteilung des Wohnraums – trotz entsprechender Installationen, wie Antennen- und Stromsteckdosen – von den Bewohnern anders umgesetzt als die Planung es vorsieht. Wie den elektrischen Installationen kommen auch den Türen der Wohnung ermöglichende bzw. begrenzende Eigenschaften im Hinblick auf häusliche Einrichtungspraktiken zu. Türen sind Teil des Grundrisses; mit ihnen lassen sich Wände öffnen und schließen. Laut Siegert stellt die Tür insofern ein kulturtechnisches Medium dar, als sie zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren vermittle und die architektonische Leitdifferenz zwischen innen und außen sowie die Operationen des Öffnens und Schließens prozessiere.206 Türen stellen auch Übergänge dar hinsichtlich räumlich codierter symbolischer Ordnungen. Ob ein Raum eine Tür hat oder einen offenen Durchgang, legt fest, wie privat oder öffentlich sich dieser Bereich des Hauses gestaltet. In diesem Sinne lässt sich die Tür für die weiteren Ausführungen als Schwelle zwischen geschlechtlich codierten Bereichen des Wohnens begreifen. Dem oben dargelegten architektonischen Leitprinzip der offenen Grundrisse steht der Wunsch der Bewohner nach geschlossenen Wohnbereichen entgegen. Wie Wohnstudien zeigen, wünschen sich insbesondere Frauen geschlossene Räume, die mittels Türen, die sich öffnen und schließen lassen, miteinander verbunden sind.207 204 | Vgl. Meyer-Ehlers: Wohnerfahrungen, S. 34. 205 | Ebd., S. 35. 206 | Vgl. Siegert: Türen, S. 153. 207 | Vgl. Meyer-Ehlers: Wohnerfahrungen, S. 350.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

Abb. 17: Grundriss eines umfunktionierten Durchgangszimmers: „Zu viele Türen stören die Gemütlichkeit“ (1964) Abb. 18: Neuer Bereich für die Dame: Die Nähecke (1964)

Gleichzeitig werden Räume mit mehr als einer Tür als ungemütlich empfunden: „Zu viele Türen stören die Gemütlichkeit“208 heißt es etwa in der HörZu. Der entsprechende Artikel führt den Grundriss eines Raums auf, der mit drei Türen und einem Fenster versehen ist (Abb. 17).209 Das Zimmer, das nur ein Durchgangszimmer ist, stellt in zweifacher Hinsicht ein Einrichtungsproblem dar. Zum einen lässt es sich nur schwer möblieren, da die Türen mögliche Stellplätze an der Wand minimieren und gerade verhindern, dass die Ecken der Räume gut ausgenutzt werden können. Zum anderen erschwert die Verbundenheit des Wohnens, die der Raum als Durchgangszimmer symbolisiert, das Aufbauen von Privatsphäre. Die Lösung für dieses Problem zeigt der Artikel in Form einer fotografischen Abbildung, die den Grundriss in eine konkrete Möblierung übersetzt: Der Türrahmen wird mit Regalbrettern aus Kiefernholz ausgefüllt, um die Tür so stillzulegen und in ihrer Funktion neu zu bestimmen (Abb. 18). Damit wird gleichzeitig eine neue Raumcodierung möglich, mit der eine geschlechtsspezifische Rollenzuweisung einhergeht: „Gewonnen wurde eine Zimmerecke gegenüber dem Fenster, die sich die Hausfrau als ‚ihren‘ Platz ausgebeten und erhalten hat.“210 208 | Anonymus: Heim und Garten. In: HörZu (1964), H. 45, S. 38. 209 | Wie Robin Evans in seinem architekturtheoretischen Text „Menschen, Türen, Korridore“ herausstellt, unterliegt die Anzahl der als angemessen empfundenen Türen für einen Raum in öffentlichen und privaten Gebäuden historischen Schwankungen und kulturellen Unterschieden: Während in Italien im 16. Jahrhundert gerade viele Türen als praktisch empfunden werden, weil sie die Räume miteinander verbinden, zieht man in Großbritannien im 19. Jahrhundert eine einzige Tür für jeden Raum vor. Vgl. Evans: Menschen, Türen, Korridore, S. 87. 210 | Anonymus: Heim & Garten. In: HörZu (1964), H. 45, S. 38.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Diese Einrichtung einer eigenen Sphäre für die Frau des Hauses hat historische Vorläufer. In ihrem Aufsatz „The Split Wall: Domestic Voyeurism“211 analysiert Beatriz Colomina das „Zimmer der Dame“ der Villa Müller, die der Architekt Adolf Loos 1930 entwirft. Ähnlich wie Spigel und Preciado interessiert sich Colomina dabei insbesondere für häusliche Raumaufteilungen und die genderspezifischen Zuweisungen, die damit einhergehen. Das Damenzimmer der Villa Müller nimmt das Zentrum des Hauses ein, was es laut Colomina zum intimsten Raum des Hauses mache. Hiervon zeuge auch die Tatsache, dass das Zimmer nicht über Fenster mit der Außenwelt verbunden ist, sondern lediglich über ein Innenfenster verfügt, das das Zimmer der Dame mit dem Wohnzimmer verbindet. Laut Colomina bringe das Interieur die Frau in die widersprüchliche Position, das häusliche Geschehen von ihrem Sockel aus überwachen zu können und gleichzeitig – von Möbeln eingezwängt – in einer Art Theaterbox gefangen zu sein.212 Die Ecke der Dame, wie sie Mitte der 1960er-Jahre als Entwurf in der HörZu abgebildet wird, stellt einen ähnlich widersprüchlich codierten weiblichen Rückzugsort im Haus dar. Zwar befindet sich auch dieser Ort als umfunktioniertes Durchgangszimmer direkt im Herzen der Wohnung. Statt eines eigenen Zimmers bleibt der Dame jedoch nur ein Restbestand in Form einer eigenen Ecke. In dieser Hinsicht hat sich der ihr zugewiesene Raum zwar verkleinert, gleichzeitig spielt aber auch in dieser Ecke für die Frau das Verhältnis von Intimität und Kontrolle eine entscheidende Rolle. So stellt die Ecke für die Dame zwar einen Bereich dar, der für die Frau privater ist als es das vorherige Durchgangszimmer war. Gleichzeitig verweist das große Fenster des Raumes, das sich direkt gegenüber der Ecke befindet, aber darauf, dass wenigstens theoretisch eine konstante Verbindung zum außerhäuslichen Geschehen besteht. Auch hier zeigt sich ein Schauspiel von Sichtbarkeit versus Unsichtbarkeit: Aus der Nähecke heraus hat die Frau einen guten Überblick über das, was sich draußen vor dem Fenster abspielt, und ist selbst wiederum von draußen gut sichtbar. Die dargelegte Sphärenbildung im Wohnraum und die geschlechtlichen Zuweisungen, die sich darin materialisieren und von ihr ausgehen, wird vom Fernsehapparat als Akteur im häuslichen Netzwerk in besonderer Weise angetrieben. Nicht nur, dass die Einrichtungspraxis des Inseln-Bildens im Wohnraum wie weiter oben dargelegt ganz massiv vom Fernseher und seinen Verbindungen zu weiteren Akteuren im Wohnraum getragen wird. In ihrer Funktion als Möbel werden Fernsehapparate im Wohnraum auch als Raumtrenner verwendet. Raumteiler werden Anfang der 1950er-Jahre aus Platzmangel im Wohnraum besonders relevant und avancieren bis in die 1960er-Jahre hinein vom funktionalen Einrichtungsgegenstand zum modischen Accessoire. Mit Raumtrennern lassen sich im Zimmer neu etablierte Bereiche, wie etwa die Nähecke der Dame weiter 211 | Colomina, Beatriz: The Split Wall: Domestic Voyeurism. In: dies. (Hg.): Sexuality & Space. New York: Princeton Architectural Press 1992, S. 73-128. 212 | Vgl. ebd., S. 75, S. 79.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

oben, tatsächlich vom restlichen Raum abtrennen. Sie gliedern den Wohnraum in temporäre Sphären, die Sichtbarkeiten im Raum neu ordnen. Seiner Funktion entsprechend wird der Raumtrenner in zeitgenössischen Diskursen auch als „fünfte Wand“ eines Zimmers bezeichnet.213 Im Unterschied zu den tragenden Wänden eines Raums ist diese jedoch flexibel in Form und Material: Raumtrenner können kniehoch sein oder knapp bis unter die Decke reichen, sie sind aus Stoff oder aus Holz, blickdicht oder transparent. Als Einrichtungsgegenstände passen sie sich in eine ausdifferenzierte Wohnkultur ein: „Das Material für Wandschirme ist verschieden und paßt sich jedem Wohnstil an. Bunte Stoffe, Geflechte, glänzende Lackflächen oder Spanplatten stehen zur Verfügung.“214 Das Material entscheidet nicht nur über die modische Zuordnung dieses Eirichtungsgegenstands, sondern auch über seine Funktion: je blickdichter der Werkstoff des Raumtrenners, desto stärker wird der Aspekt des Verbergens: „Hinter ihnen verstecken sich die unaufgeräumten Spielecken der Sprößlinge, die ‚Nähstube‘ der Hausfrau oder die Bastelecke des Sohnes.“215 Neben Dingen, die die häusliche Ordnung stören, wie etwa herumliegendes Nähzeug, verbergen Raumtrenner auch private Praktiken: „Beim Schminken hat man nicht gern Zuschauer“ – für den „besten Sichtschutz“ der Frau des Hauses wird ein vierteiliger, lackierter Wandschirm auf Rollen empfohlen.216 Die besondere Mobilität von Wandschirmen wird hier dazu verwendet, im Haus, in dem es – wie Siegert weiter oben darlegt – feste Zuordnungen von privaten und öffentlichen Sphären gibt, temporäre Bereiche zu errichten, die diese eindeutigen Grenzziehungen irritieren. Die sich schminkende Frau kann für die ungestörte Ausübung dieser Tätigkeit den Kontakt mit einzelnen Familienmitgliedern verringern und so einen Bereich eines für die Familie vorgesehenen Raums zu ihrem eigenen machen. Raumtrenner lassen sich in dieser Hinsicht als Wunsch nach Individualisierung im Wohnraum lesen. Das Prinzip der Individualisierung der Familienmitglieder im Wohnraum, wie es die fernsehwissenschaftliche Forschung insbesondere mit dem Einzug von Zweit- und Drittgeräten in Form von tragbaren Empfängern in die Haushalte beschreibt,217 lässt sich folglich bereits am Phänomen der im Wohnraum bereits etablierten Einrichtungspraxis der Raumabtrennung beobachten. Die Raumtrenner werden auch für die Stellung des Fernsehens im Wohnraum relevant. Die sogenannten „regalflachen“ Fernseher, die Mitte der 1960er-Jahre aufkommen, 213 | Anonymus: Heim und Garten. Die fünfte Wand. In HörZu (1965), H. 45, S. 18. 214 | Ebd. 215 | Ebd. 216 | Ebd. 217 | Siehe etwa Spigel, Lynn: Welcome to the Dreamhouse. Popular Media and Postwar Suburbs. Durham [u.a.]: Duke UP 2001, S. 67; sowie Tichi: The Electronic Hearth, S. 67. Während in den USA bereits Ende der 1950er-Jahre mehr als ein Empfänger pro Haushalt zumindest massiv beworben werden, sind Zwei- und Drittgeräte in der Bundesrepublik ab Mitte der 1960er-Jahre relevant (siehe Kapitel 2.2 im vorliegenden Teil).

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

lassen sich in raumtrennende Möbel einfügen, wie etwa Kommoden und Regale, die den Ess- und Fernsehbereich im Wohnzimmer qua Möblierung noch stärker voneinander trennen, womit die einzelnen Inseln im Wohnraum noch sichtbarer voneinander unterschieden werden. Spigel beschreibt die Einrichtungspraxis des getrennten Raums qua Fernsehen als „sociosexual devision of space“.218 In Möbel eingebaute Fernseher dienen dazu, die Bereiche der Arbeit und der Freizeit im Wohnraum voneinander abzuschirmen. In diesem Sinne beschreibt Spigel die Raumtrenner als ‚diskrete‘ Objekte, die einen Kompromiss ermöglichen, ohne das eigentliche Problem thematisieren zu müssen: „It was in the sense of this compromise that American Homes’s ‚discrete‘ room divider seperated a wife’s work space from her husband’s television space in a house that, nevertheless, was designed for ‚family living‘.“219

Die Raumtrenner verstärken den Ausschluss von Frauen aus dem Bereich des Fernsehens; gleichzeitig symbolisieren sie deren Integration, indem sie eben nur von der Sphäre der Freizeit, nicht aber aus dem Familienraum generell ausgeschlossen werden.220 Wenn der Wohnraum in den 1950er-/60er-Jahren aus Inseln und abgetrennten Nischen besteht, so werden zeitgleich Einrichtungsgegenstände relevant, die zwischen diesen Bereichen vermitteln. Die Fernsehecke kann sich als Akteur erst etablieren, wenn sie andere Akteure im Wohnraum für sich interessieren kann, die ihre eigene räumliche Standhaftigkeit kompensieren. Wie in der methodisch-theoretischen Herleitung der ANT gezeigt, etabliert sich der Servierwagen zu dieser Zeit als wichtiger Akteur, der etwa zwischen dem TV-Apparat und dem Kühlschrank und damit dem Wohnzimmer und der Küche vermittelt (Teil II, Kapitel 2.2). Mit der Fernsehecke entsteht ein Akteurs-Netzwerk, das die Akteure in bestimmte Rollen übersetzt. Hinter der Fernsehecke als geschlossene Zelle, wie sie Warnke in seiner Analyse beschreibt (Teil II, Kapitel 1.3), steht ein enormer Aufwand, dieses Netzwerk stabilisieren zu wollen, dies macht das Konzept des Blackboxings klar (siehe hierzu Teil II, Kapitel 2.3). Aus dem Grundriss wird ein Akteur, der an diesem Prozess maßgeblich teilhat. Während technische Geräte in der Küche und im Wirtschaftsraum „die in diesem Bereich zu verrichtenden Hausarbeiten auf ein Minimum reduzieren“ sollen, trägt der Grundriss zu dieser Form von Wohnkomfort bei, indem er „eine günstige Lage des Eßplatzes zur Küche, die weite Wege erspart“, vorsieht.221 218 | Spigel: Make Room for TV, S. 69. 219 | Ebd., S. 93. 220 | Vgl. ebd. 221 | Anonymus: Wohnkomfort beginnt beim Grundriss. In: Haus und Heim (1965), 14. Jg., H. 8, S. 2.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

Hinter den vermeintlich kurzen Wegen im Wohnraum, die das häusliche Akteurs-Netzwerk in den 1950er-Jahren kennzeichnen sollen, steht eine enorme Anstrengung bzw. Mobilisierung bestimmter Akteure. Während sich einige Akteure fest etablieren können, wie etwa die Ess- und Fernsehecke, müssen andere beweglich bleiben, um diese Standhaftigkeit zu ermöglichen. Einhergehend mit der Fernsehecke entsteht eine häusliche Servicekultur, die von den hier skizzierten Akteuren getragen wird. Der Akteur Servierwagen wird in diesem Prozess zu einem gendered object insofern er Frauen in eine bestimmte Rolle übersetzt. Über eine Allianz mit dem Servierwagen werden Frauen zu Akteuren, die pendeln müssen, um die Fernsehecke als vermeintlich reibungslos funktionierendes räumlich-dingliches Arrangement am Laufen zu halten. Eine fotografische Abbildung in einer Werbeanzeige für Servierwagen des Herstellers Dinett verdeutlicht diesen Aspekt auf eindrückliche Art und Weise (siehe Abb. 6, Teil II, Kapitel 2.2, S. 153): der zweistöckige Rollwagen, dessen Tabletts von einem Chromgestell zusammengehalten werden, wird bedient von einer Frau, die verdreifacht ist. Mit sechs Händen führt das weibliche Testimonial die flexiblen Einstellungen des Servierwagens vor – zusammen-, halb- und ganz aufgeklappt – und lächelt die Betrachter mit drei Köpfen an. Die dynamischen Bewegungen der Frau symbolisieren die Flexibilität des Rollwagens. Gleichzeitig lässt die Bildlichkeit nicht nur Rückschlüsse auf die Attribute des beworbenen Produkts zu, sondern darüber hinaus auch auf die Frau, die es bedient. In gewisser Hinsicht erinnert die Abbildung an den Darstellungsmodus „vielgliedriger Gottheiten“, bei denen vervielfältigte Körperteile auf eine gewisse Potenz im Handlungsspektrum verweisen.222 Mit solch „krakenhafte[n] Wesenheiten“ ist eine ganz bestimmte Ikonografie angesprochen, wie sie sich laut Stefan Rieger in aktualisierter Form insbesondere in kontemporären Diskursen zum Phänomen des Multitaskings zeige.223 Die Bildlichkeit der Dinett-Frau lässt sich durchaus als ein historischer Vorläufer einstufen: während sich heutige Multitaskerinnen jedoch dadurch auszeichnen, dass sie mit ihren Krakenarmen den unterschiedlichsten Aufgaben gleichzeitig nachgehen,224 widmet die Dinett-Frau ihre ganze Aufmerksamkeit noch ganz einer einzigen Anforderung. Zudem hebt die Darstellung auf eine fotografiegeschichtliche und -technische Pointe ab: Der Stroboskop-Effekt, der sich durch eine Mehrfachbelichtung ergibt, wird in der Fotografie zur Aufnahme von Bewegungsabläufen verwendet.225 In dieser Hinsicht liefert die Anzeige selbst eine fotografische Evidenz dafür, dass sich Frauen 222 | Vgl. Rieger, Stefan: Multitasking. Zur Ökonomie der Spaltung. Berlin: Suhrkamp 2012, S. 11. 223 | Vgl. ebd. 224 | Vgl. ebd. 225 | Rieger verweist im Hinblick auf die (medientechnische) Bildlichkeit der Zerstreuung in der Überblendungsfotografie auf Bexte, Peter: Polymorphe Bilder. In: Neue Gesellschaft für Bildende Kunst und der Europäischen Medienwissenschaft (Hg.): Multitasking – Synchronität als kulturelle Praxis. Berlin: NGBK 2007, S. 25-30.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

im entstehenden Akteurs-Netzwerk gewissermaßen verdreifachen müssen, um den Aufgaben im häuslichen Raum nachzukommen. Darauf weisen neben der fotografischen Abbildung auch die aufgeführten Zeichnungen hin, die häusliche Situationen zeigen, in denen der Dinett zum Einsatz kommt. So wird der Rollwagen als Helfer der Hausfrau beim Kochen in der Küche, beim Eindecken und Abräumen des Esstischs und als Ablage für Arbeitsmaterial und Akten des Mannes inszeniert. Während Frauen Servierwagen benutzen, um die häusliche Ordnung über multiple Szenarien am Laufen zu halten, dienen sie Männern als Helfer in kreativen Arbeitsprozessen, denen sie wie zeichnerisch dargestellt als Architekt oder Designer nachgehen. Und auch bei der gemeinsamen Nutzung als Beistelltisch „[f]ür die Familie beim Fernsehen“ ist die Frau dem Tischchen näher zugewandt und schenkt den darauf stehenden Abendtee für beide ein – schließlich hat der rauchende Mann keine Hand dafür frei. Nicht zuletzt zeigt sich die Anforderung an die Mobilität bestimmter Akteure am Servierwagen selbst. Als dienendes Ding im Haushalt 226 besteht seine Handlungsmacht gerade darin, dass er flexibel einsetzbar ist und sich im Falle des Nichtgebrauchs zusammenklappen und qua Stellplatz zwischen Wand und Schrank unsichtbar machen lässt: „Immer zur Stelle – wenn man ihn braucht. Sofort verschwunden, wenn seine Arbeit getan.“227 Darüber hinaus zeugen die Rollen des Klapptischs davon, dass er als mobiler Akteur zwischen anderen Akteuren im häuslichen Netzwerk vermittelt. In diese Richtung lässt sich auch das verwendete Material deuten: „Elegant und zeitlos schön ist der verchromte Stahlrohrahmen; am oberen Bügel ist DINETT mit einer Hand zu lenken und leicht über Unebenheiten zu heben.“228 Die Anforderung an Mobilität bringt mit Akteuren wie dem Servierwagen den Werkstoff Stahlrohr in die Wohnungen, noch bevor er dann in den 1970er-/80er-Jahren tatsächlich in Mode kommt.229 Dies ist insofern erstaunlich, als das glänzende Material die weiter oben dargelegte These der Gemütlichkeit bundesdeutscher Nachkriegsmöblierungen komplett irritiert. Bevor also mit dem Farbfernsehen, wie im vorherigen Kapitel dargelegt (Kapitel 2.1), der Werkstoff Plastik in die Wohnungen einzieht und die Einrichtungen bunt macht, stellt Stahlrohr die qua Möblierung etablierte Gemütlichkeit zuhause 226 | Zu (medien-)technischen Dienern im Haushalt siehe Kapitel 1.2 des vorliegenden Teils. 227 | Werbeanzeige für den rollenden Klapptisch „Dinett“. In: HörZu (1960), H. 49, S. 52. 228 | Ebd. 229 | Wie im vorherigen Kapitel bereits erwähnt, ist der Möbelhersteller Knoll International bereits in den 1960er-Jahren bekannt für seine Sitzmöbel mit Füßen aus Stahlrohr. Hierbei handelt es sich jedoch um ein avantgardistisches Design, das an eine weniger breite Käuferschicht adressiert ist, als es etwa für den Servierwagen kennzeichnend ist. Weitaus früher ist das Material Stahlrohr kennzeichnend für Möbel im Stil des Bauhauses, wie die zum Klassiker avancierten Stahlrohr-Freischwinger von Thonet.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

in Frage. Die Kälte, die vom verchromten Stahl im Gegensatz zu Holz ausgeht, stellt schlichtweg ein notweniges Übel dar, das besonders mobile Akteure im Wohnraum mit sich bringen. Mit den Dingen, die mit Rollen versehen werden, müssen auch Frauen im Wohnraum besonders mobil sein. Während der männliche Hausvorstand, wie zu Beginn dieses Teils dargelegt (Kapitel 1.2), die Verantwortung dafür trägt, dass das Fernsehgerät die häuslichen Routinen nicht stört, werden Frauen in eine Rolle übersetzt, mit der sie sich um alle weiteren häuslichen Delegationen kümmern, die nötig sind, um die Fernsehecke zu stabilisieren. In diesem Sinne sind sie diejenigen, die die mobile Dingkultur im Wohnraum bedienen. Während sich bis in die frühe Neuzeit hinein noch der männliche Hausvorstand in seiner Rolle als pater familias um die Belange häuslicher Ökonomik kümmert, taucht in den 1950er/60er-Jahren eine ganze Dingkultur von gendered objects im Haushalt auf, die Frauen an diese Rolle bindet. Die skizzierten räumlich materiellen-Verbindungen bringen Frauen in die Rolle von häuslichem Personal. Wie Tichi beschreibt, werden Frauen im Zuge der Praxis des Essens vor dem Fernseher, die sich mit dem neuen Akteur im Wohnraum etabliert, zu häuslichen Servicekräften, was wiederum eine öffentliche Rolle im Privaten darstelle.230 Neben dem Servierwagen kommen unzählige weitere vermittelnde Gegenstände im Wohnraum in Mode, die diese Rollenzuweisung bekräftigen. „Wie kann man seinen Gästen den Besuch verschönern? Wie bewirtet man appetitlich und mit schmuckvollem ‚Drumherum‘, ohne gleich protzig zu wirken?“ heißt es in dem Artikel „Geschmackvoll serviert“,231 der 1965 in der HörZu erscheint. Als Lösung für dieses häusliche Problem werden Teewagen und Serviertabletts vorgestellt. Die kleinen Haushaltshelfer seien „erschwinglich und geschmackvoll, sie erleichtern das Servieren und bieten, allein schon im ‚Ruhezustand‘, einen erfreulichen Anblick.“232 Insbesondere die bunten Tragetabletts weisen ein besonders großes Spektrum an Farben, Formen und Materialien auf, die den unterschiedlichen Bedürfnissen von Frauen gerecht werden sollen: Für weniger Tragesichere gibt es Tabletts mit Henkel; für ältere Damen gebe es vergoldete Tabletts; junge Mädchen hingegen würden flotte Muster bevorzugen.233 Über diese Klassifizierung der Geschmackvorlieben bundesdeutscher Frauen hinaus verweist der Artikel auf ein globales Netzwerk häuslicher Servicekulturen. Als „Klassiker“ erweist sich etwa ein verziertes Metall-Tablett aus England.234 Hinzu kommen „exotische“ Servieraccessoires wie etwa ein Palmblatt-Körbchen aus Thailand, das laut Beschreibung ausreichend Platz bietet für Obst. 230 | Vgl. Tichy: The Electronic Hearth, S. 24. 231 | Anonymus: Geschmackvoll serviert. In: HörZu (1965), H. 39, S. 20. 232 | Ebd. 233 | Vgl. ebd. 234 | In Großbritannien werden Serviertabletts schon früher relevant für die Einrichtung des Wohnzimmers, insbesondere in Form von Couchtischen, die – wie Attfield herausstellt – über eine abnehmbare Servierplatte verfügen (siehe Teil II, Kapitel 1.3).

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Auch wenn sich diese dienenden Dinge qua Gestaltung auf den ersten Blick gut in eine sich ausdifferenzierende Wohnkultur einpassen, so zeugen einige der Designs gerade davon, wie wichtig die Mobilität der Dinge im Haushalt für die Inselbildung im Wohnraum ist, zu der neben der Essecke auch die Fernsehecke zählt. Die abgebildeten Tee- und Servierwagen weisen weitere an ihre Funktion rückgebundene Elemente auf, die die gemütliche Atmosphäre gerade stören. Einer der abgebildeten Teewagen besteht aus einer Teakholz-Platte, die auf Vierkant-Stahlrohr angebracht ist und an der ein Zeitschriftenkorb befestigt ist. Um die nötige Mobilität zu gewährleisten, befinden sich vorne zwei große Gummiräder, die eher an außerhäusliche Fortbewegungsmittel als an einen gemütlichen Wohnraum denken lassen. Ein weiterer Servierwagen ist mit einer elektrischen Warmhalteplatte ausgestattet, die nun nicht länger eine symbolische, sondern eine tatsächliche Verlängerung der Küche bis in den Wohnraum bedeutet. In diesem Setting, das ganz darauf ausgerichtet ist, die Fernseh- und damit auch die Essecke zu stabilisieren, lassen sich Akteure ausmachen, die dazwischenfunken. Als Gegenspieler von Servierwagen erweisen sich Türschwellen. So hebt Meyer-Ehlers in ihrer Wohnstudie hervor, dass die Mehrzahl der Mieter Türschwellen ablehne.235 Zum einen sei die Unfallgefahr zu groß, da man leicht darüber stolpere. Zum anderen behindern sie die Hausarbeit: viele Mieter „haben einen Teewagen, den sie gern von der Küche in den Wohnraum schieben würden, was aber durch die Schwellen sehr erschwert wird.“236 Nicht umsonst wirbt der Hersteller Dinett wie weiter oben dargelegt damit, dass sein rollender Klapptisch leicht über Unebenheiten zu heben sei. Gleichzeitig werden Türschwellen als wichtiger Akteur im Wohnraum angesehen, da sie Zugluft zwischen Spalt und Tür stoppen und verhindern, dass sich die Teppiche unter der geöffneten Tür festklemmen.237 Ein weiterer vermittelnder Einrichtungsgegenstand im entstehenden Akteurs-Netzwerk ist der Fernsehsessel, wie es im ANT-Teil bereits angedeutet wurde (Teil II, Kapitel 1.2). Den gemütlichen Einrichtungen entsprechend gewinnen bequeme Sessel an Bedeutung. Diese Sessel zeichnen sich dadurch aus, dass sie selbst flexibel geworden sind: „Es gibt bereits einige Fernsehsessel-Modelle, die wirklich unwahrscheinlich bequem sind. In aller Ruhe lässt sich so, im Sessel ‚liegend‘, das Fernsehprogramm verfolgen.“238 Solche „Feierabendsessel“ verfügen über verschiedene Modi der Entspannung, wie etwa eine Ruhe-, Fernseh-, und Liegestellung. Ihre agency besteht folglich darin, dass sie die Körper der darauf Sitzenden in eine bestimmte Position bringen, die gleichsam auf eine symbolische Ordnung verweist. Wer nun bequem in den verschiedenen Stellungen fernsehen 235 | Vgl. Meyer-Ehlers: Wohnerfahrungen, S. 16. 236 | Ebd. 237 | Vgl. ebd., S. 16. 238 | Anonymus: Das Fernsehen wird gemütlich. In: Haus und Heim (1960), 9. Jg., H. 3, S. 2.

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

darf – schließlich kann nur eine Person im Haushalt diesen Einrichtungsgegenstand wirklich „besitzen“ – erweist sich als durchaus widersprüchlich. Eine Werbeanzeige für Profilia-Feierabendsessel zeigt in einer fotografischen Abbildung eine schick gekleidete Frau, die es sich in der Fernsehstellung bequem gemacht hat (Abb. 19).239 Ihr souveräner Blick, der den Betrachtern zugewendet ist, gibt zu verstehen, dass es sich hierbei um ihren Stuhl handelt. Gleichzeitig wird diese weibliche Vorherrschaft über den Fernsehsessel im Bildhintergrund konterkariert. Dieser zeigt in einer Skizze die vier Feierabendpositionen, die anhand eines Dummys plausibel gemacht werden, der klar männlich konnotiert ist. In dieser Anzeige werden Frauen folglich für die Fernsehecke interessiert, obwohl das Bild eigentlich verrät, dass jemand anderes darüber verfügt. Trotz offensiver gegenteiliger Bemühungen zeigt die Anzeige häusliche Freizeit und Regeneration als eine Tätigkeit, die Männern vorbehalten ist. Tichi beschreibt den Liegesessel denn auch als Thron für den ‚König‘ des Haushalts.240 Konventionelle Sessel verwandeln sich im Kontext der Fernsehecke nicht nur in Einrichtungsgegenstände, die horizontal bzw. vertikal justierbar sind und so zwischen verschiedenen Freizeitgraden wechseln. Auch zu den Seiten hin werden sie flexibel: In einer späteren Anzeige (siehe Abb. 7 in Teil II, Kapitel 2.2, S. 154) stellt Profilia den verbesserten Feierabendsessel vor: war das Gestell seines Vorgängers noch aus Bugholz gefertigt, das zwar dynamisch aussieht, aber nicht beweglich ist, so steht der neue Sessel auf einem Ständer aus Chrom. Drehbare Fernsehsessel lassen sich als Bedürfnis deuten, sich in fließenden Bewegungen dem Apparat und den anderen Familienmitgliedern zuzuwenden, um so zwischen ihnen zu vermitteln. Auch hier verweist die Gestaltung – wie schon weiter oben beim Servierwagen – darauf, wie stark das Bedürfnis nach Vermittlung ist, schließlich stehen Chromständer den gemütlichen Einrichtungen entgegen. Diese Idee der Vermittlung qua Rotation ist zwar einerseits auf die neuen Praktiken des Einrichtens zurückzuführen, andererseits ist sie nicht so recht im häuslichen Raum zuhause. Darauf verweist auch die neue Umwelt des Sessels, die in der Anzeige zu sehen ist. In gewisser Hinsicht findet sich hier das von Spigel beschriebene Prinzip der privatisierten Mobilität wieder.241 In der abgebildeten herbstlichen Natur – vielleicht handelt es sich um einen großzügigen Garten – finden sich neben dem Sessel weitere Verweise auf den häuslichen Raum: Auf einem großen Stein steht eine rustikale Tischlampe, direkt vor dem Sessel liegt ein marmoriertes Serviertablett, auf dem sich eine Flasche Whiskey oder Portwein befindet. Bezeichnenderweise werden die verschiedenen Sitzpositionen immer noch mit der gleichen Skizze dargestellt wie bei der vorherigen Anzeige. 239 | Werbeanzeige für einen Profilia-Feierabendsessel. In: HörZu (1960), H. 13, S. 63. 240 | Vgl. Tichi: The Electronic Hearth, S. 18. 241 | Vgl. Spigel, Lynn: Medienhaushalte. Damals und heute. In: Bartz, Christina; Miggelbrink, Monique (Hg.): Zeitschrift für Medienwissenschaft (2/2013), H. 9, Themenschwerpunkt „Werbung“, S. 79-94, S. 84f. Siehe auch Kapitel 2.2 im vorliegenden Teil.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

Abb. 19: Vermeintlicher Feierabendsessel für die Frau (1960)

3. Netzwerk: Einrichtungspraktiken in Bezug auf Fernsehmöbel

Der verwaiste Stuhl in der freien Natur und die darum drapierten Dinge sind als Arrangement wenig darum bemüht, den Eindruck einer authentischen Feierabendsituation herzustellen. Tatsächlich wirken die Dinge darin etwas verloren und nicht so, als würde noch jemand kommen, um Gebrauch von ihnen zu machen. In diesem Sinne verweisen die alleine gelassenen Dinge immer auch auf eine Form menschlicher Handlungsmacht, selbst wenn – oder gerade weil – diese ausbleibt. In anderen Anzeigen, die verwaiste Fernsehsessel zeigen, wirken die darauf abgebildeten Dinge wiederum so, als hätte sie gerade jemand benutzt und nur kurz abgelegt. In der Regel handelt es sich hierbei um auf Beistelltischen deponierte dicke schwarze Hornbrillen, Biergläser- und Flaschen, Zeitungen und Pfeifen.242 Weingläser, Bücher, Lippenstifte und Handtaschen – oder andere ‚typisch‘ weiblich konnotierte Gegenstände – findet man hier nicht. Es ist auffällig, dass diese Anzeigen so gut wie nie Männer in einer Relax-Haltung zeigen – scheinbar ist eine solche Körperhaltung nicht mit männlicher Handlungsmacht zu vereinen. In dieser Hinsicht erscheint auch die Pose der Frau im Profilia-Feierabendsessel weniger souverän, sondern der Tatsache geschuldet, dass sie den Sessel als dekoratives Element ziert. Dieses widersprüchliche Verhältnis zwischen der Präsenz der Dinge und der Ab- und Anwesenheit menschlicher Handlungsmacht ist nicht nur für die Werbung für Fernsehsessel relevant. Vielmehr verweist sie auf einen größeren Zusammenhang, nämlich auf die Frage, was auf den Abbildungen zu sehen bzw. nicht zu sehen ist. Diese Sichtbarkeit/Unsichtbarkeit der Akteure betrifft nicht nur die Werbung, sondern ist für das gesamte Analysematerial der vorliegenden Arbeit relevant. Die weiter oben besprochene Näheecke (siehe Abb. 18), die einen eigenen Bereich für die Hausfrau markieren soll, zeigt nicht etwa eben diese, sondern nur ihre Spuren. Bei genauem Hinsehen fällt allerdings auf, dass nicht etwa Nähutensilien herumliegen. Vielleicht sind diese aufbewahrt in den Schubladen des Nähschränkchens in der Ecke. Vielleicht sind auch Apfel und Buch, die auf dem Schränkchen liegen, ihr zuzuordnen. Offensichtlicher als diese vagen Spuren sind jedoch andere: auf dem Couchtisch ist eine Partie „Mensch-ÄrgerDich-Nicht“ aufgebaut, die nicht zuende gespielte wurde; daneben liegt eine Pfeife, der Aschenbecher ist noch voll mit Tabakresten. Die Spuren des Gebrauchs, die die Nähecke offenlegt, verweisen auf die Familie generell (das Brettspiel) und den Ehemann (Pfeife), nicht jedoch auf eine Tätigkeit, die die Frau ganz für sich alleine ausführt. Insgesamt erweckt das im Rahmen der vorliegenden Arbeit analysierte Material den Eindruck, als wäre in den 1950er-/60er-Jahren – der These der Sesshaftigkeit zum Trotz – niemand zuhause gewesen. Die Bewohner der Haushalte 242 | Siehe etwa eine Werbeanzeige des Herstellers WK-Möbel für den Feierabendsessel „King Chair“. In: Schöner Wohnen (1971), H. 2, S. 153. Dieser Produktname untermauert auf eindringliche Art und Weise Tichis These vom Fernsehsessel als Thron des Hausherrn. Vgl. Tichi: The Electronic Hearth, S. 18.

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Teil III: Analyse der Gehäuse-/Interface-Designs und Einrichtungspraktiken

sind insgesamt eigenartig absent. In Das System der Dinge führt Jean Baudrillard aus, warum auf Abbildungen in der Möbelwerbung der 1960er-Jahre so gut wie nie Menschen zu sehen sind: Während das Subjekt im Werbetext in seiner Handlungsmacht angesprochen wird (also zum Bedienen und Manipulieren der Dinge aufgefordert wird), seien in den Werbebildern lediglich die Signatur der Bewohner zu sehen (in Form der Spuren des Einrichtens und Ordnens).243 Sowohl in der Werbung als auch in den Einrichtungszeitschriften werden die Subjekte nicht etwa über Bilder, sondern über den Begleittext adressiert. Statt der menschlichen Akteure scheinen vielmehr die Fernsehmöbel selbst und mit ihnen die weiteren Einrichtungs- und Dekorationsgegenstände im Wohnraum im Vordergrund zu stehen.

243 | Vgl. Baudrillard, Jean: Das System der Dinge. Über unser Verhältnis zu den alltäglichen Gegenständen [1968]. Frankfurt a.M: Campus 1991, S. 36.

Fazit und Ausblick Als Zusammenfassung der Materialanalyse in den letzten beiden Kapiteln lässt sich festhalten, dass Fernsehgeräte in den 1950er- und 1960er-Jahren sowohl hinsichtlich ihrer Gehäuse-Designs als auch entsprechender Einrichtungspraktiken an die Logiken des Wohnens angeschlossen werden und dahingehend als Möbel erscheinen. Das Gehäuse ist der zentrale Schauplatz der Vermöbelung des Mediums Fernsehen. Sein Möbel-Werden erschöpft sich darin jedoch nicht, vielmehr schließen Einrichtungspraktiken unmittelbar daran an. Diese Annäherung des technischen Mediums an das häusliche Interieur verläuft nicht ohne Reibungen: Wie die Auswertung des Materials verdeutlicht hat, wird die Vermöbelung von Fernsehapparaten begleitet von gesellschaftlichen Aushandlungen zu Geschlecht und sozialer Schicht. Fortschrittlichkeit, ‚guter‘ Geschmack und eine nutzerfreundliche Bedienung werden direkt am Gehäuse bzw. Interface ausgemacht. Und auch an Einrichtungspraktiken mit dem Fernsehen wird deutlich, wie stark der Wille ist, das Medium als Möbel in den Wohnraum zu integrieren. Wie die Analyse gezeigt hat, werden insbesondere im Prozess der Netzwerkbildung in Form der Fernsehecke als räumlich-dinglicher Verbindung im Wohnraum geschlechts- und schichtspezifische Rollenzuweisungen der Akteure geblackboxt. Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass die Gestaltungen und Gebrauchsweisen von Fernsehapparaten als Möbel einen integralen Bestandteil im Prozess der Verhäuslichung des Fernsehens darstellen. Dabei konnten gängige medienwissenschaftliche Auffassungen zur Verhäuslichung von Medien hinterfragt und neu perspektiviert werden, indem dieser Prozess nicht länger ausschließlich von den Logiken der Medien selbst, sondern von der Inneneinrichtung her gedacht wurde. Unter einer Möbel-Perspektive stellen sich einige Aspekte der Verhäuslichung des Fernsehens anders dar als es üblicherweise in der fernsehwissenschaftlichen Forschungsliteratur erfasst wird. Ein Blick auf die Gehäuse des Fernsehens zeigt, dass seine Gestaltung nicht ausschließlich einer technischen Logik folgt, sondern vielmehr den Regeln des Wohnraums entspricht, wie es sich etwa an den Spanplatten-Gehäusen und bunten Verkleidungen von Fernsehapparaten beobachten lässt. Folgt man den Akteuren, die im Wohnraum an der Integration des Fernsehens in eben diesen beteiligt sind, zeigt sich, dass das Fernsehen nicht etwa umgehend als wirkmächtiger Akteur erscheint, der alle weiteren Akteure des Netz-

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werks Wohnraum reibungslos auf sich auszurichten vermag. Vielmehr muss er sie für sich interessieren, indem er Verbindungen zu ihnen knüpft. Wie die Analyse verdeutlicht hat, sind diese Allianzen des Fernsehens über die technischen Spezifika des Mediums hinaus entscheidend für seine Verhäuslichung. Eine der zentralen Fragen der Arbeit, nämlich wie im häuslichen Raum zwischen Medien und Möbeln vermittelt wird, ist über den Untersuchungszeitraum der vorliegenden Arbeit hinaus relevant. Wie gezeigt wurde, gibt es infolge der Ausdifferenzierung des Wohnens in den 1950er-/60er-Jahren auch mehr Gerätetypen zu kaufen. Gegen Ende der 1960er-Jahre steigt mit der Videotechnologie die Anzahl der Gadgets an der Peripherie des Fernsehens. Diese Entwicklung setzt sich in den 1970er-Jahren fort; Fernsehgeräte sind von nun an immer häufiger in mehreren Räumen einer Wohnung zu finden; Zweit- und Drittgeräte stehen in Schlaf-, Kinderzimmern und Küchen. Auf dem Höhepunkt seiner Verhäuslichung wird das Medium Fernsehen zum kritischen (Kunst-)Gegenstand von Subkulturen, die das extreme Gegenteil zu den Logiken des häuslichen Raums verkörpern, nämlich von Punks.1 Die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Fernsehmöbel der 1950er-/60er-Jahre, die heute noch als Teil von Retro-Einrichtungen auftauchen, scheinen schon damals – zumindest in bestimmten Milieus wie in Szenekneipen – ein Dasein als ironisches Zitat zu fristen (siehe auch Teil III, Kapitel 3.2). Statt eine Synthese vorzunehmen, scheint es am Schluss dieser Arbeit aufschlussreicher danach zu fragen, auf welche Art und Weise sich die entwickelte Möbel-Perspektive auf aktuelle Gestaltungen und Gebrauchsweisen von Fernsehgeräten übertragen lässt. Hier soll an die Einleitung angeknüpft werden, wo sich bereits unter Bezugnahme auf das 2012 erschienene Ikea-Fernsehmöbel Uppleva angekündigt hat, dass Möbel-Aspekte in der Verhäuslichung des Mediums auch heute noch relevant sind. Im Weiteren geht es also um kontemporäre und zukünftige Gestaltungen von und Einrichtungspraktiken mit Fernsehern und die Frage, wie das Medium Fernsehen und das Wohnen aktuell aufeinander bezogen sind. In seinem Text „Nicht mehr Kino, nicht mehr Fernsehen“2 taxiert Siegfried Zielinski Vergangenheit und Zukunft des Fernsehens Anfang der 1990er-Jahre in einem kurzen Statement zu einer „Genealogie des televisuellen Sehens“ wie folgt: „Zu Beginn dominierte das Apparative völlig das Image; in der ersten privaten Empfängerphase beherrschte der Möbelcharakter die Sicht [...]; perspektivisch verschwindet auch der Möbelcharakter hinter dem virtuellen Wandbild [...].“3 1 | Ich danke Rembert Hüser für diesen Hinweis. 2 | Zielinski, Siegfried: Nicht mehr Kino, nicht mehr Fernsehen. In: Haberl, Georg; Schlemmer, Gottfried (Hg.): Die Magie des Rechtecks. Filmästhetik zwischen Leinwand und Bildschirm. Wien [u.a.]: Europaverlag 1991, S. 41-58. 3 | Ebd., S. 49.

Fazit und Ausblick

Auf den ersten Blick scheint es so, als würde Zielinski mit dieser Einschätzung recht behalten. In gewisser Hinsicht übertreffen aktuelle Entwicklungen seine Prognose sogar noch: Als Flachbildschirme sind Fernsehapparate heute fast nur noch schmal umrahmtes Bewegtbild, das an den Wänden der Wohnungen hängt. Fast möchte man meinen, man bringt keine Technik, sondern tatsächlich ein Bild an der Wand an.4 Das Gehäuse fungiert nur noch als eine Art Bilderrahmen, der Fernsehapparat selbst ist reines Bild. Durch ihre Anbringung an der Wand erscheinen Fernsehapparate aktuell nicht nur als Wandbilder, sondern als tatsächlich realisiertes „Fenster zur Welt“, wie Werner Pleister das Medium Fernsehen 1952 in seiner Eröffnungsrede des offiziellen Sendebetriebs des NWDR charakterisiert hat (siehe Teil I, Kapitel 1.1). Im Unterschied zur Phase der Integration der ersten Fernsehmöbel in die Wohnräume geht heute mit Widescreens, 4K-Auflösung und HDTV eine erhöhte Sichtbarkeit von Bildschirmen im Haus einher. Waren vor allem in den 1950er-Jahren die Gehäuse der Fernsehapparate noch dominant gegenüber ihren Interfaces (siehe Teil III, Kapitel 2.1), so hat sich dieses Verhältnis umgekehrt. Heute sind die Bildschirme dominant gegenüber ihren Gehäusen, die das Bild nur noch als eine Art Rahmen zu umranden scheinen. Doch darin erschöpft sich die neue Sichtbarkeit des Bewegtbilds in den Wohnräumen nicht. Als Zuspitzung der Gadget-Entwicklung der 1970er-Jahre scheint das audiovisuelle Bewegtbild aktuell selbst zum raffinierten Zubehör zu werden. Im Zuge der Digitalisierung meint Fernsehen in Form von Handhelds nunmehr omnipräsentes mobiles Bewegtbild.5 Televisuelle Unterhaltung (und Teleworking)6 findet nun in allen Räumen des Wohnens statt. Das Fernsehen hat wenigstens theoretisch alle Räume des Wohnens eingenommen. Hat diese Entwicklung nun wirklich nichts mehr mit einer Vermöbelung zu tun, wie es Zielinski im obigen Zitat darlegt? Dann hätte sich das Wohnen mit dem Medium Fernsehen weitestgehend von den in der vorliegenden Arbeit untersuchten Aspekten losgelöst. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass Fernsehen mittels digitaler Geräte meint, dass es in seiner Möbelhaftigkeit immer weiter aus dem Wohnraum verschwindet. Mit der Minimierung des Gehäuses scheint auch der zentrale Schauplatz der Vermöbelung von Fernsehgeräten verloren gegangen zu sein. In4 | Zur Inszenierung von Flachbildfernsehern als gerahmte Bilder siehe Newman, Michael Z.; Levine, Elana: Fernsehbilder und das Bild des Fernsehens. In: montage/av. Zeitschrift für Theorie & Geschichte audiovisueller Kommunikation (2012), H. 21/1, S. 11-40, S. 24f. 5 | Für weitere Ausführungen zu mobilem Fernsehen mittels Mobiltelefon vgl. Bartz, Christina: Was tun, wenn’s klingelt? – Handy-Fernsehen. In: Schneider, Irmela; Epping-Jäger, Cornelia (Hg.): Formationen der Mediennutzung III. Dispositive Ordnungen im Umbau. Bielefeld: transcript 2008, S. 97-111. 6 | Lynn Spigel stellt im Hinblick auf die USA heraus, wie Arbeit und Freizeit im digitalen Arbeitszimmer zuhause verschmelzen. Vgl. Spigel, Lynn: Medienhaushalte. Damals und heute. In: Bartz, Christina; Miggelbrink, Monique (Hg.): Zeitschrift für Medienwissenschaft (2/2013), H. 9, Themenschwerpunkt „Werbung“, S. 79-94, S. 92f.

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teressant an dieser Entwicklung ist nun aus der Perspektive der vorliegenden Arbeit die Tatsache, dass Flachbildfernseher – aller Dominanz der Bildfläche zum Trotz – gleichzeitig explizit an Möbel-Aspekte bzw. den Wohnraum gekoppelt werden. Neben den in der Einleitung zu dieser Arbeit genannten Modellen lässt etwa der „Serif-TV“7 von Samsung den Flachbildschirm wenigstens abstrakt als Möbel in Erscheinung treten, und zwar indem er mit einer zusätzlichen Möbel-Verkleidung versehen wird (Abb. 1). Der Hersteller verspricht ein zeitloses Design: Der Flatscreen sieht aufgrund des Rahmens – der oben und unten breiter ausfällt – von der Seite aus wie ein hölzernes typografisches I, auf dessen Oberfläche sich dekorative Dinge, wie etwa kleine Figuren, Blumentöpfe oder Bücher stellen lassen. Wahlweise kann das Modell zudem mit dünnen Stellfüßen versehen werden. Wie schon bei seinen Vorläufern zeigt sich beim Fernsehmöbel im neuen Gewand, wie stark das Bedürfnis ist, es qua Gestaltung an die Inneneinrichtung anschließen zu können.

Abb. 1: Samsung-Fernsehmöbel als ‚gutes‘ Design im Wohnraum (2016)

Ein weiterer Hinweis auf die Aktualität der Möbel-Frage findet sich in den werblichen Vorstellungen hinsichtlich einer gelungenen Integration des Fernsehens in den Wohnraum. Wie das in der Einleitung bereits zitierte Werbevideo für das Ikea-Fernsehmöbel Uppleva zeigt,8 handelt es sich hierbei um ein aktuelles Problem. Jedoch hat diesbezüglich eine Verschiebung stattgefunden. In dem Spot führt eine junge Frau durch diverse Ansichten von in Ikea-Wohnzimmer integrierten Flachbildfernsehern und stellt fest, dass nicht so sehr der Apparat 7 | Ich danke Elena Fingerhut für diesen Hinweis. 8 | Ikea Sverige. Ikea Uppleva. 16.04.2012. https://www.youtube.com/watch?v=0Nm7-EuctOs, abgerufen am 03.08.2016.

Fazit und Ausblick

selbst das Problem sei, sondern „all the things that come with a TV, like digital boxes, blu-ray players, surround sound, remote controls, and the cables – cables, cables, cables“9 (Abb. 2). Die These, dass die Zunahme an Peripheriegeräten des Fernsehens heute einen kritischen Zenit erreicht habe, inszeniert der Werbeclip in einer dramatischen Bildsprache. Die digitale Dämmerung kündigt sich in Form von oben herabsteigender DVD-Player, Kabel und Steckdosenleisten an (Abb. 3). Die vermeintliche Leichtigkeit des Alltagslebens, die sich als Versprechen und Wunsch an die Digitalisierung bindet, stößt im Wohnraum an ihre Grenzen. Fast scheint es so, als werde hier ein digitales Unbewusstes in Form seiner verdrängten Materialitäten heraufbeschworen.

Abb. 2: Peripherie des Fernsehens als Problem bei der Integration in den Wohnraum

Wie in der Einleitung zur vorliegenden Arbeit dargelegt, kommt der UpplevaFernseher zwar qua Gehäuse-Design als Möbel daher. Der Grund für das Möbel-Design liegt nun jedoch weniger im Apparat selbst und seinem Ort in der häuslichen Inneneinrichtung begründet, sondern vor allem in den auf ihn bezogenen Devices und dem Kabelsalat, der sich aus seinen apparativen Allianzen im Wohnraum ergibt. Die glatte Möbelverkleidung soll Ordnung bringen in die aufeinander bezogene Medientechnik im Wohnzimmer, indem sie die nötigen Kabel mittels unsichtbarer Kabeltunnel bündelt und so im Rücken des Fernsehmöbels verschwinden lässt. Gleichzeitig wirkt es so, als habe die Möbelverkleidung eine tiefergehende, weniger funktionale Pointe: Den Dematerialisierungsstrategien, die hinter den digitalen Akteuren im Wohnzimmer stehen – wenn etwa das iPhone Bücher- und Plattensammlung, DVD-Player und Telefonstation im Wohnraum obsolet zu machen verspricht – setzen als Möbel verkleidete Flach9 | Ebd., 0:00:15 Min.

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bildfernseher gerade sinnlich erfahrbare Materialtäten entgegen. Angesichts sich vermeintlich verflüchtigender Medien wirken Fernsehmöbel besonders ‚echt‘. Während in den 1960er-Jahren zweigeteilte Fernsehapparate aufkommen, deren Bildschirme im Dunkeln so aussehen als würden sie im Wohnraum schweben (siehe Teil III, Kapitel 2.1) und somit die harte Seite der Medien qua Design vergessen machen, scheinen aktuelle Gestaltungen den flachen Bildschirmen gerade etwas hinzufügen zu wollen.

Abb. 3: Digitale Dämmerung – Kabelsalat als Bedrohung von oben

Das am Schluss des Werbevideos verkündete Versprechen „[Y]our living room just got its freedom back“10 übersieht dabei, dass diese vermeintlich neugewonnene Freiheit des Wohnzimmers ganz und gar einer medientechnischen Logik zu entsprechen scheint. Die Lösung für die Vermittlung zwischen einem technischen Medium wie dem Fernseher und dem Wohnraum kommt nicht länger aus der Welt der Möbel, wie es kennzeichnend ist für die 1950er-/60er-Jahre, sondern aus der Sphäre der Medien selbst. Hierfür sprechen nicht nur die technisch anmutenden glatten Oberflächen des Ikea-Fernsehmöbels, die die Signale der Fernbedienung durchlassen. Die Tatsache, dass zentrale Impulse für die Gehäuse- und Interface-Designs nicht länger von der zeitgenössischen Möbelkultur auszugehen scheinen, zeigt sich besonders eindrücklich daran, dass der Werbespot das Fernsehmöbel Uppleva in seiner Inszenierung an den Internet-Diskurs anschließt. Das Ikea-Fernsehmöbel wird denn auch als das ‚neue‘ Fernsehen inszeniert, auf dem man alles macht außer fernsehen: „[Y]ou can go to the internet, look at photos of your grandparents or listen to your favourite songs from the mp3-play10 | Ebd., 0:02:04 Min.

Fazit und Ausblick

er.“11 Über weite Teile des Spots sieht die Ansicht eher nach einem Dashboard als nach einem klassischen Fernsehbildschirm aus (Abb. 4). Und auch das Design des Fernsehmöbels lässt sich frei konfigurieren: Das Versprechen „[I]t comes in a number of varieties and colors“12 wird im Video begleitet von Computer-Sounds, die sich anhören, als würde man gerade selbst durch die Ikea-Webseite klicken, um dort ein Fernsehmöbelsystem zusammenzustellen (Abb. 5). Zwar erscheint der Uppleva-Fernseher qua seines Gehäuse-Designs und entsprechender Einrichtungspraktiken noch als Möbel. Gleichzeitig wird das Problem der Passung eines technischen Mediums wie des Fernsehapparats mit dem Wohnraum hier nicht mit Methoden und Konzepten aus der Möbelwelt gelöst, sondern indem das Möbelstück in eine (Benutzer-)Oberfläche verwandelt wird. Letztendlich ist der Fernseher aber auch als digitales Interface eine Form von Gehäuse, das die Technik einkapselt.

Abb. 4: Dashboard-Ansicht des Ikea-Fernsehmöbels

Bei genauerer Betrachtung des aktuellen Verhältnisses zwischen dem Medium Fernsehen und dem Wohnraum zeigt sich folglich, dass der Fernseher im neuen Design nicht komplett von Wohn- und Möbelfragen losgelöst ist, sondern dass sich – viel tiefgreifender – die Relationen von Medientechnik und Haus verschoben haben. Als eines der zentralen Ergebnisse hat die vorliegende Arbeit gezeigt, dass das Möbel-Werden eines Mediums immer dann relevant wird, wenn Medientechnik und das Haus aufeinander treffen. Im Hinblick auf die frühe Verhäuslichung des Mediums Fernsehen konnte gezeigt werden, dass sich die apparative Gestaltung des Mediums in den 1950er-/60er-Jahren weniger aus 11 | Ebd., 0:01:23 Min. 12 | Ebd., 0:01:55 Min.

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einer technischen, sondern aus einer Perspektive der Inneneinrichtung vollzieht. Dieses Verhältnis scheint sich aktuell umzukehren. Heute dominiert die Logik des Technischen das Wohnen mit Medien. Nun zwängt das geräteübergreifende Ensemble der digitalen Medientechnik der Inneneinrichtung seine Logik auf.

Abb. 5: Zusammenstellen des Ikea-Fernsehmöbels

Stehen die einzelnen Medien im häuslichen Raum Ende der 1950er-Jahre in der Schrankwand noch weitgehend kontaktlos nebeneinander, so sind die technischen Medien an der Peripherie des Fernsehens nun direkt aufeinander bezogen. Wer heute einen Fernseher kauft, achtet zunehmend darauf, dass das Gerät mit den weiteren Medien im Wohnraum technisch korrespondiert, jedenfalls zeugen hiervon die Kunden-Rezensionen der Online-Versandhändler. Relevante Informationen zum Fernsehgerät wären dann, ob man seine Dateien vom PC möglichst problemlos darauf abspielen kann oder ob man es gleich von der Playstation oder dem Tablet-PC aus steuern kann. Lassen sich die Soundanlage, ein Satelliten-Receiver und das Kindle-Lesegerät anschließen? Die Eskalation der Peripheriegeräte des Fernsehens führt dazu, dass die Einkapselung der Technik vor neue Herausforderungen gestellt wird: Nicht länger geht es darum, den Fernsehapparat einzuhegen, sondern ganze Medienverbünde zuhause zu orchestrieren. An dieser Stelle ließe sich die Frage stellen, was heute überhaupt noch unter der Peripherie des Geräts zu verstehen ist. Fast scheint es so, als stelle angesichts dieser Entwicklungen nicht länger die Playstation die Peripherie des Fernsehens dar, sondern – genau umgekehrt – der Fernseher die Peripherie für die Playstation und alle weiteren Gadgets ‚am Rande‘ des Fernsehens. Erste Anzeichen für diese Verschiebung im Verhältnis zwischen dem Medium Fernsehen und dem Wohnraum finden sich bereits in den frühen Mediensystemen zum Wohnen, wie etwa dem Medienbaukasten, den Dieter Rams

Fazit und Ausblick

Ende der 1960er-Jahre für Braun entwirft (siehe Teil III, Kapitel 2.1). Der Fernsehapparat hält hier als Teil eines Systems verschiedener audiovisueller Medien Einzug in den Wohnraum. Zwar sind die Elemente des Braun-Medienverbunds aufeinander abgestimmt. Diese Koordination der Geräte beschränkt sich jedoch maßgeblich auf den Standort – sie werden an einer Stelle im Wohnraum durch Aluminiumfußteile zusammengehalten oder per Gestell an die Wand montiert. Lediglich die Audiobausteine korrespondieren auch technisch miteinander. Die Einheiten sind somit nicht allesamt technisch aufeinander abgestimmt, wie es kennzeichnend ist für aktuelle Entwürfe zum Wohnen mit Medien. Noch handelt es sich hier um ein auf das Wohnen zwar bezogenes, aber nicht in ihm aufgehendes Mediensystem, das somit gewissermaßen eine Vorstufe zu aktuellen Logiken von Fernsehmöbeln darstellt. Wie der Ikea-Werbespot verdeutlicht, erweist sich infolge der räumlichen Entkoppelung der Geräte nun die steigende Anzahl der Kabel im Wohnraum als Hauptproblem. Das Kabel ist aktuell der größte Störfaktor im ‚Smart‘-Werden des Fernsehers und des Wohnraums generell.13 Das Ikea-Fernsehmöbel stellt insofern eine Referenz zu Rams’ Entwurf dar, als es die einzelnen Medien wieder an einem Standort bündelt und die Kabel im ‚Rücken‘ des Geräts verschwinden lässt. In avancierteren Lösungen wird auf eine völlige Kabelfreiheit per WLAN gesetzt. Stellen sichtbare Kabel bereits in den 1950er-Jahren eines der zentralen Probleme im Möbel-Werden des Fernsehapparats dar (siehe Teil III, Kapitel 2.1), so werden diese heute einer weiteren Stufe der Unsichtbarmachung unterzogen, indem man versucht, sie komplett aus dem Wohnraum zu verbannen. Wie das Ikea-Video eindringlich darlegt, scheint der Grund hierfür darin zu liegen, dass es mit der Digitalisierung tendenziell erst einmal zu einer Zunahme von Kabeln kommt. Während das Medienbaukastensystem von Braun in den 1960er-Jahren noch vorsieht, dass die Kabel im Falle einer Wandmontage durch Unterputzverkleidung mit der Wand verschmelzen und so tatsächlich zum direkten Bestandteil des Hauses werden, machen aktuelle Lösungen das Kabel einfach obsolet. In Anbetracht der Digitalisierung muss heute auch das Kabel ganz aus dem Wohnraum verschwinden. Im Vergleich zu seinen historischen Vorgängern lässt sich in Bezug auf aktuelle Fernsehmöbel – und zwar trotz eines Siegeszugs des Bildschirms – eine Zunahme von Taktilität in den Benutzergesten konstatieren. Diese bezieht sich allerdings nicht länger auf das Gehäuse des Fernsehgeräts selbst. Der gestiegene Aufwand in der Bedienung von Smart-TVs – wenn man sich etwa durch die Apps der Mediatheken und Video-on-Demand-Anbieter wie Netflix navigieren muss – wird komplett an die Periphere des Fernsehapparats abgegeben. Wer das Smartphone oder die Fernbedienung verlegt, für den stehen die Chancen schlecht, Programme und Lautstärke am Gerät überhaupt noch justieren zu können. Welche 13 | Für diesen Hinweis zur Rolle des Kabels in aktuellen Entwürfen zum Wohnen mit Medien danke ich Florian Sprenger.

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Funktion kommt dem Gehäuse noch zu, wenn es fast keine Bedienelemente mehr aufführt? Lässt sich hier überhaupt noch von einem Gehäuse sprechen? Führt der ‚smarte‘ Fernseher nicht vielmehr nur noch Bild auf und wird damit primär zur Displaytechnik wie etwa das Smartphone? Oder haben wir es, im Gegenteil, mit der ultimativen Vergehäusung von Technik zu tun? Wo keine Bedienelemente mehr angebracht sind, wäre dann nur noch Gehäuse. Die Taktilität wandert dann endgültig an die Peripherie des Fernsehens ab. Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit systematisierten Aushandlungen zu Fernsehmöbeln lassen sich als wichtiger Vorläufer für aktuelle Diskurse rund um das smart home14 und ‚smarte‘ Geräte für den Gebrauch zuhause begreifen. Das im Rahmen der vorliegenden Arbeit hergeleitete Konzept des Möbel-Werdens von Medien ließe sich in Bezug auf aktuelle Entwicklungen umdrehen in ein Medien-Werden von Möbeln.15 Nachttische und Lampen werden zu smart furniture, auf denen sich digitale Gadgets wie Smartphones direkt aufladen lassen, womit auch als störend empfundene Kabel optisch aus dem Wohnraum verbannt werden.16 Bereits bevor Ikea 2015 die ersten Induktionsladestationen in seine Möbel einbaut, zirkulieren Anleitungen zum Selberbauen von Möbeln mit Induktionsladestationen in der Do-it-Yourself- und Hacker-Community.17 Eines der Ziele der vorliegenden Arbeit war es, mit einer Möbel-Perspektive feste Zuschreibungen in der Beschreibung der Verhäuslichung des Mediums, wie etwa männlich/ weiblich, privat/öffentlich zu irritieren. Ob Möbel-Werden von Medien oder Medien-Werden von Möbeln: Letztendlich unterläuft eine Möbel-Perspektive auf die Verhäuslichung technischer Medien nicht nur den Dualismus Technik/ Möbel, sondern perspektivisch auch die Unterscheidung analog/digital. Damit ist sie geeignet, den häuslichen Umgang mit Medien in seinem historischen Wandel differenziert zu beschreiben, ohne einer aufgeregten Digitalisierungsrhetorik aufzusitzen.

14 | Spigel zeigt in einer diachronen Analyse, inwiefern „die Ideale von Mobilität, Freiheit und Fortschritt – […] immer noch zentrale Motive in heutigen Vorstellungen von Häuslichkeit und neuen digitalen Technologien“ darstellen. Spigel, Medienhaushalte, S. 91. Zu den retrofuturistischen Entwürfen des Zuhauses der Zukunft in den 1950er-/60er-Jahren sowie zur aktuellen Metapher des smart home siehe Spigel, Lynn: Welcome to the Dreamhouse. Popular Media and Postwar Suburbs. Durham [u.a.]: Duke UP 2001, S. 382-405. 15 | Zur Medialität von Möbeln generell siehe den Sammelband Hackenschmidt, Sebastian; Engelhorn, Klaus (Hg.): Möbel als Medien. Beiträge zu einer Kulturgeschichte der Dinge. Bielefeld: transcript 2011. 16 | Auch hier hat Ikea entsprechende Produkte auf den Markt gebracht. Vgl. Husemann, Rebecca: Ikea lädt Smartphones kabellos. Heise online. 17.04.2015. http://www.heise.de/make/ meldung/Ikea-laedt-Smartphones-kabellos-2611721.html, abgerufen an 3.8.2016. 17 | McAllister, Shep: Integrate a Wireless Charger Into Your Nightstand. Lifehacker. 28.4.2013. http://lifehacker.com/integrate-a-wireless-charger-into-your-nightstand-478949465, abgerufen am 3.8.2016.

Quellenverzeichnis L iteratur Abramson, Albert: Die Geschichte des Fernsehens. München: Fink 2002. Altemeier, Katharina: Wohnstudie 2012. Wie wohnen die Deutschen? Januar 2013. https://www.goethe.de/ins/lt/de/kul/mag/20378699.html, abgerufen am 30.11.2016. Anders, Günther: Die Antiquiertheit des Menschen. Band 1. Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution. München: Beck 1956. –: Die Antiquiertheit des Menschen. Band 2. Über die Zerstörung des Lebens im Zeitalter der dritten industriellen Revolution. München: Beck 1984. Andriopoulos, Stefan: Psychic Television. In: Critical Inquiry (2005), Jg. 31, H. 3, S. 618-637. Ang, Ien: Living Room Wars. London: Routledge 1996. Anonymus: Anbauelemente sind architektonische Bausteine. In: Die Kunst und das schöne Heim (1966-67), 65. Jg., S. 354. –: „Bleibt das so?“ Vom natürlichen Wechsel in einer Holzwand. In: Haus und Heim (1960), 9. Jg., H. 5, S. 6-7. –: Bild‐ und Tongeräte im Wohnraum. In: Die Kunst und das schöne Heim (1958), 56. Jg., S. 158‐159. –: Das Fernsehen wird gemütlich. In: Haus und Heim (1960), 9. Jg., H. 3, S. 2. –: „Das Fernseh-Lexikon: Wie wir wohnen“ am 21.10.1957, um 17.40 Uhr im NWDR. In: HörZu (1957), H. 43, S. 52. –: Das Studio in HörZu: Der Schwenkbare. In: HörZu (1966), H. 37, S. 69. –: Das Studio in HörZu. Dieser Schrank läßt keine Wünsche offen. In: HörZu (1965), H. 32, S. 73. –: Das Studio in HörZu. Hinter der Klappe: fein abgestimmt. In: HörZu (1968), H. 42, S. 50. –: Das Studio in HörZu. Klappe zu. In: Hörzu (1967), H. 17, S. 80. –: Das Studio in HörZu: Krimi zu jeder Stunde. In: HörZu (1966), H. 39, S. 75. –: Das Studio in HörZu. Zeit: ein Fünfundzwanzigstel. In: HörZu (1968), H. 45, S. 48. –: Der Vorhang, Kleid des Fensters, In: Haus und Heim (1965), 14. Jg., H. 8, S. 5-6.

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A bbildungen Die Autorin hat sich bemüht, für alle verwendeten Abbildungen die Urheber zu benennen und Rechteinhaber zu kontaktieren. Leider war dies nicht immer möglich bzw. erfolgreich. Ich bitte daher etwaige Rechteinhaber, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Teil I, Kapitel 1 Abb. 1: Keller, Wilhelm: Hundert Jahre Fernsehen. 1883-1983. Berlin [u.a.]: VDE 1983, S. 78. Abb. 2: Keller, Wilhelm: Hundert Jahre Fernsehen. 1883-1983. Berlin [u.a.]: VDE 1983, S. 78. Abb. 3: Keller, Wilhelm: Hundert Jahre Fernsehen. 1883-1983. Berlin [u.a.]: VDE 1983, S. 81. Abb. 4: Keller, Wilhelm: Hundert Jahre Fernsehen. 1883-1983. Berlin [u.a.]: VDE 1983, S. 81. Abb. 5: Lipfert, Kurt: Fernsehen auf der 15. Großen Deutschen Rundfunkausstellung in Berlin 1938. In: Fernsehen und Tonfilm. Zeitschrift für Technik und Kultur des Fernsehens und Tonfilms 9 (1938), S. 65-72, S. 69. Abb. 6: Meyer-Ehlers, Grete: Wohnerfahrungen. Ergebnisse einer Wohnungsuntersuchung. Wiesbaden [u.a.]: Bauverlag 1963, S. 102. Teil I, Kapitel 2 Abb. 1: Bausinger, Hermann: Alltag, Technik, Medien. In: Pross, Harry; Rath, Claus-Dieter (Hg.): Rituale der Medienkommunikation. Gänge durch den Medienalltag. Berlin: Guttandin & Hoppe 1983, S. 24-36, S. 26. Teil II, Kapitel 2 Abb. 1: Heillos, Hans K.: Die Form bestimmt den Wert der Ware. In: Haus und Heim (1962), 11. Jg., H. 6, S. 15-18, S. 16f. Abb. 2: Brödner, E.: Der Hauswirtschaftsraum. In: Haus und Heim (1963), 12. Jg., H. 1, S. 4-16, S. 6. Abb. 3: Brödner, E.: Der Hauswirtschaftsraum. In: Haus und Heim (1963), 12. Jg., H. 1, S. 4-16, S. 6. Abb. 4: Jaspert, W. P.: Hi-Fi im Wohnraum. In: Die Kunst und das schöne Heim (1959), H. 57, S. 400.

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Abb. 5: Jaspert, W. P.: Hi-Fi im Wohnraum. In: Die Kunst und das schöne Heim (1959), H. 57, S. 400. Abb. 6: Werbeanzeige für den rollenden Klapptisch „Dinett“. In: HörZu (1960), H. 49, S. 52. Abb. 7: Werbeanzeige für einen Fernseh-/Feierabendsessel des Möbelherstellers Profilia. In: Schöner Wohnen (1965), H. 10, S. 33. Abb. 8: Riedel, Heide: 70 Jahre Funkausstellung. Politik, Wirtschaft, Programm. Berlin: Vistas 1994, S. 172. Abb. 9: Anonymus: Das Fernsehen wird gemütlich. In: Haus und Heim (1960), 9. Jg., H. 3, S. 2. Abb. 10: Deckblatt. In: HörZu (1963), H. 38. Teil III, Kapitel 1 Abb. 1: „Wir richten ein: Ein Zimmer geteilt für Tochter und Sohn“. Mit Wilfried Köhnemann und Angelika Feldmann, am 25.03.1963 um 17:15 Uhr im NWDR. In: HörZu (1963), H. 47, S. 92. Abb. 2: Anonymus: Sieh fern mit HörZu! Wir richten ein. Eine Sendung für die Frau. Im Fernsehen am Mittwoch um 17.20 Uhr. In: HörZu (1960), H. 3, S. 38. Teil III, Kapitel 2 Abb. 1: Nicht mehr alles im Kasten. In: HörZu (1968), Nr. 52, S. 6-8, S. 6. Abb. 2: Nicht mehr alles im Kasten. In: HörZu (1968), Nr. 52, S. 6-8, S. 8. Abb. 3: Eigenes Schaubild. Abb. 4: Werbeanzeige für eine Schrankwand des Möbelherstellers Welle. In: HörZu (1954), H. 52, S. 15. Abb. 5: Philips-Werbeanzeige für Fernsehgeräte. In: HörZu (1952), H. 52, S. 10. Abb. 6: Werbeanzeige für einen Loewe/Opta-Fernsehempfänger. In: HörZu (1958), H. 46, S. 47. Abb. 7: Habers, Guido: Radios und Fernsehgeräte aus der Produktion der Fa. Max Braun, Frankfurt/Main. In: Die Kunst und das schöne Heim (1957), 55. Jg., S. 160. Abb. 8: Neuer Stil für Fernsehgeräte. In: Haus und Heim (1962), H. 6, S. 19. Abb. 9: Das Studio in HörZu. Klappe zu. In: HörZu (1967), H. 17, S. 80. Abb. 10: Fernsehtischgerät mit Holzjalousie. In: Haus und Heim (1963), H. 7, S. 25. Abb. 11: Das Studio in HörZu. Dieser Schrank läßt keine Wünsche offen. In: HörZu (1965), H. 32, S. 73. Abb. 12: Mehr Komfort für Aug’ und Ohr, in: HörZu (1965), H. 35, S. 8-9, S. 8. Abb. 13: Das Studio in HörZu: Der Schwenkbare. In: HörZu (1966), H. 37, S. 69. Abb. 14: Werbeanzeige für den Wegavision 2000. In: HörZu (1963), H. 45, S. 73. Abb. 15: Werbeanzeige für das Modell Leonardo Spezial von Philips. In: HörZu (1958), H. 45, S. 10. Abb. 16: Werbeanzeige für Metz-Fernsehgeräte mit Zauberauge-Funktion. In: HörZu (1958), H. 38, S. 13.

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Abb. 17: Werbeanzeige für Nordmende-Farbfernseher. In: HörZu (1966), H. 40, S. 67. Abb. 18: Werbeanzeige für „Möbel aus der Tüte“ des Herstellers Rego. In: Schöner Wohnen (1969), H. 12, S. 12. Abb. 19: Anonymus: Phonotruhe – nach Maß gebaut. In: Schöner Wohnen (1971), H. 11, S. 12. Abb. 20: Hören und Sehen im System. In: Form (1965), H. 29, S. 40-45, S. 40. Abb. 21: Hören und Sehen im System. In: Form (1965), H. 29, S. 40-45, S. 41. Abb. 22: „Ein Westdeutscher Teppich. Dein Teppich. Insel der Gemütlichkeit“. In: Die Innenarchitektur (1959), 7. Jg., S. 191. Abb. 23: Jörges, Christel; Gold, Helmut (Hg.): Telefone 1863 bis heute. Aus den Sammlungen der Museen für Kommunikation. Heidelberg: Edition Braus 2001, S. 197. Abb. 24: Komfort Gebührenfrei. In: HörZu (1967), H. 21, S. 84. Teil III, Kapitel 3 Abb. 1: Meyer-Ehlers, Grete: Wohnerfahrungen. Ergebnisse einer Wohnungsuntersuchung. Wiesbaden [u.a.]: Bauverlag 1963, S. 100. Abb. 2: Meyer-Ehlers, Grete: Wohnerfahrungen. Ergebnisse einer Wohnungsuntersuchung. Wiesbaden [u.a.]: Bauverlag 1963, S. 47. Abb. 3: Werbeanzeige der Ilse-Werke. In: Schöner Wohnen (1967), H. 12, S. 99. Abb. 4: Anzeigenwerbung des Möbelherstellers Musterring. In: HörZu (1961), H. 16, S. 77. Abb. 5: Der offene Kamin. In: Die Kunst und das schöne Heim (1953), 51. Jg., S. 72-75, S. 73. Abb. 6: Komfortable Kleinwohnung. In: Die Kunst und das schöne Heim (1958), 56. Jg., S. 118-119, S. 118. Abb. 7: Eine alte Wohnung – neu eingerichtet. In: Die Kunst und das schöne Heim (1959), 57. Jg., S. 460-463, S. 461. Abb. 8: Hochgelobt die Schrankwand. In: Haus und Heim (1964), H. 11, S. 6. Abb. 9: Schwedische Einrichtungskultur – mit String. In: Die Kunst und das schöne Heim (1959) 57. Jg., S. 356-360, S. 358. Abb. 10: Anonymus: Bild- und Tongeräte im Wohnraum. In: Die Kunst und das schöne Heim (1958), 56. Jg., S. 158-159, S. 158. Abb. 11: Anonymus: Bild- und Tongeräte im Wohnraum. In: Die Kunst und das schöne Heim (1958), 56. Jg., S. 158-159, S. 159. Abb. 12: Wohnungsumbau in einem Einfamilienhaus. In: Die Kunst und das schöne Heim (1959), 57. Jg., S. 423-425, S. 425. Abb. 13: Werbeanzeige für Vorhänge des Herstellers Dralon. In: HörZu (1968), H. 41, S. 19. Abb. 14: Werbeanzeige des Gardinen-Herstellers Diolen. In: HörZu (1963), H. 37, S. 19.

Quellenverzeichnis

Abb. 15: Werbeanzeige für Gardinen des Herstellers Diolen. In: HörZu (1963), H. 45, S. 15. Abb. 16: Ferien-Dauerwohnung mit Dachterrasse in Italien. In: Die Kunst und das schöne Heim (1960), 58. Jg., S. 154-160, S. 155. Abb. 17: Heim & Garten. In: HörZu (1964), H. 45, S. 38. Abb. 18: Heim & Garten. In: HörZu (1964), H. 45, S. 38. Abb. 19: Werbeanzeige für einen Profilia-Feierabendsessel. In: HörZu (1960), H. 13, S. 63. Fazit Abb. 1: Samsung Newsroom U.S. 13.7.16 https://news.samsung.com/us/2016/07/ 13/samsung-announces-us-availability-serif-tv/, abgerufen am 3.8.16. Abb. 2: Ikea Sverige. Ikea Uppleva. 16.4.2012. https://www.youtube.com/watch?v=0Nm7-EuctOs, abgerufen am 3.8.2016. Time Code: 0:00:15 Min. Abb. 3: Ikea Sverige. Ikea Uppleva. 16.4.2012. https://www.youtube.com/watch?v=0Nm7-EuctOs, abgerufen am 3.8.2016. Time Code: 0:00:27 Min. Abb. 4: Ikea Sverige. Ikea Uppleva. 16.4.2012. https://www.youtube.com/watch?v=0Nm7-EuctOs, abgerufen am 3.8.2016. Time Code: 0:01:50 Min. Abb. 5: Ikea Sverige. Ikea Uppleva. 16.4.2012. https://www.youtube.com/watch?v=0Nm7-EuctOs, abgerufen am 3.8.2016. Time Code: 0:01:58 Min.

G enannte Fernsehsendungen Wir richten ein (NWDR, 1960-1963); Moderation: Wilfried Köhnemann, Ignaz Gerlach, Angelika Feldmann.

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Medienwissenschaft Susan Leigh Star

Grenzobjekte und Medienforschung (hg. von Sebastian Gießmann und Nadine Taha) 2017, 536 S., kart. 29,99 € (DE), 978-3-8376-3126-5 E-Book kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation PDF: ISBN 978-3-8394-3126-9 EPUB: ISBN 978-3-7328-3126-5

Geert Lovink

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