Amt und Ordination bei Luther und Melanchthon 9783666551147, 9783525551141


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Amt und Ordination bei Luther und Melanchthon
 9783666551147, 9783525551141

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Hellmut Lieberg Amt und Ordination bei Luther und Melanchthon

H E L L M U T

L I E B E R G

Amt und Ordination bei Luther und Melanchthon

V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T IN G Ö T T I N G E N

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Band 11

©

Vandenhoeck & Ruprecht, Gattingen 1962 - Printed in Germany

Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, d u Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen 7915

Vorwort Einige neueste Veröffentlichungen zum Thema konnte ich erst nach Vollendung meiner Arbeit hinzuziehen. So die Arbeit von Klaus Tuchel, Luthers Auffassung vom geistlichen Amt, in: Luther-Jahrbuch, Jahrgang X X V 1958 (Festgabe für Paul Althaus), Luth. Verlagshaus Berlin, S. 61—98, mit deren Ergebnissen ich wesentlich übereinstimme, zumal in der Betonung der ,Doppellinigkeit' von Luthers Amtslehre, der bei Luther vorliegenden zwiefachen (ordnungs- und stiftungsbedingten) Amtsbegründung. Ferner die Untersuchung von Wilhelm Brunotte, Das geistliche Amt bei Luther, Luth. Verlagshaus Berlin 1959. Trotz vielfacher Ubereinstimmung in Einzelpunkten kann ich der Hauptthese Brunottes, bei Luther liege keinerlei Ableitung des geistlichen Amtes aus dem allgemeinen Priestertum, keinerlei Übertragungslehre vor, das geistliche Amt sei bei ihm einzig in der göttlichen Stiftung begründet, nicht zustimmen. Ich habe darum da, wo es mir geboten schien, eine Auseinandersetzung mit Brunotte nachträglich in die Anmerkungen eingearbeitet, ohne jedoch auf der anderen Seite audi den vielfach vorliegenden Consensus an den jeweiligen Stellen besonders zu vermerken. Die Untersuchung von Peter Brunner über Nikolaus von Amsdorf als Bischof von Naumburg, Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte Nr. 179, Jg. 67/2 und 68, Gütersloh 1961, lag bei Abfassung meiner Arbeit ebenfalls noch nicht vor. Sie wirft neues Licht auf die Naumburger Bischofsweihe, auf die ich unter dem Gesichtspunkt von Luthers Ordinationsauffassung auch eingehe, und muß dazu verglichen werden. Kurz vor der Drucklegung konnte idi noch den in der Theologischen Literaturzeitung Nr. 5/86. Jg. Mai 1961, Sp. 321—332, erschienenen Aufsatz von Regin Prenter, Die göttliche Einsetzung des Predigtamtes und das allgemeine Priestertum bei Luther, lesen. Auf die darin vertretene Beurteilung von Luthers Amtskonzeption, die im wesentlichen mit Brunottes Position übereinkommt, bin ich auch noch in den Anmerkungen kurz eingegangen und beziehe midi in dieser Hinsicht außerdem auf die mit Brunotte erfolgte Auseinandersetzung. Die vorliegende Arbeit hat als Dissertation der Theologischen Fakultät der Universität Erlangen vorgelegen. Wesentliche Förderung habe ich besonders von Herrn Professor D. Dr. h. c. Paul Althaus erfahren. Ihm sei an dieser Stelle ausdrücklich und herzlich gedankt. 5

Mein Dank gilt ferner der Braunschweigischen ev.-luth. Landeskirche, die die Veröffentlichung meiner Arbeit durch Gewährung einer Druckbeihilfe gefördert hat, sowie dem Verlage Vandenhoeck & Ruprecht und der Evangelischen Verlagsanstalt Berlin. Braunschweig, im November 1961

6

Hellmut Lieberg

Inhalt Vorwort

5

Einleitung

11

I.

Teil:AmtundOrdinationbeiLuther

I. Kapitel: Grundlegung des Amtsbegriffs im sola gratia und sola fide • ·

19

1.Die innere Wurzel von Luthers Amtsbegriff: Die Notwendigkeit des Dienstes am Wort von der Rechtfertigung her

ig

2. Die äußere Wurzel von Luthers Amtsbegriff: Die notwendige Polemik gegen die römische Entstellung des Amtes

24 25 29 34

a) Die satisfaktorische Entstellung b) Die legalistische Entstellung c) Die hierarchische Entstellung

II. Kapitel: Das allgemeine Priestertum als Inbegriff des Amtes

40

1.Der geistliche Stand aller Christen 2. Die Begründung des allgemeinen Priestertums in der Taufe und im Glauben 3. Das allgemeine Priestertum und die Gewalt am Wort und Sakrament 4. Recht und Pflicht jedes Christen aus dem allgemeinen Priestertum j. Der Gedanke der Gleichheit aller Christen auf Grund des allgemeinen Priestertums 6. Die Gemeinde als Inhaberin aller Rechte und Gewalten

40 47 50 60 63 65

III. Kapitel: Die Begründung des konkreten Amtes aus dem allgemeinen Priestertum

69

1.Das 2. Das 3. Der 4. Die j. Die 6. Der 7. Die 8. Die 9. Die

69 74 77 79 82 89 92 94 97

konkrete Amt als öffentliches Amt Ordnungsmotiv als Begründung des konkreten Amtes Bruderschaftsgedanke als Begründung des konkreten Amtes Verschiedenheit der Gaben als Begründung des konkreten Amtes delegatio durch die Gemeinde Amtsträger als Repräsentant der Gesamtheit Auftragsbestimmtheit des Amtes im Hinblick auf Christi Befehl Funktionsbestimmtheit des Amtes Absetzbarkeit des Dieners im Amt

.

7

IV. Kapitel: Der göttliche Charakter des konkreten Amtes

104

ι . Die 2. Die 3. Der 4. Der 5. Die und 6. Die

göttliche Einsetzung der Amtsfunktion Bindung der Amtsfunktion an bestimmte Personen: die Stiftung des Amtes Amtsträger als Diener und Legat Gottes Amtsträger als Instrument Gottes Bindung der Autorität und Instrumentalität des Amtsträgers an das W o r t die Lehre Freiheit des Amtsträgers von der Gemeinde

104 106 121 123

V. Kapitel: Die Vokation zum Amt als Legitimierung des Amtsträgers . .

132

ι . Vocatio generalis und vocatio specialis 2. Ausübung der Amtsfunktion ohne besondere Berufung 3. Die Notwendigkeit der Vokation zum öffentlichen A m t 4. Vocatio immediata und vocatio mediata j . Die V o k a t i o n durch die Gemeinde 6. Die V o k a t i o n durch geistliche Amtsträger 7. Die V o k a t i o n durch die christliche Obrigkeit 8. Würdigkeit und Eignung der Person als Voraussetzung der V o k a t i o n 9. Die geistliche Bedeutung der V o k a t i o n für den Amtsträger

132 134 139 143 145 152 159 162 165

VI. Kapitel: Die Bedeutung der Ordination

168

ι . Luthers Stellung zur römischen Ordination 2. Der positive Sinn der kanonischen Ordinationshandlung 3. Der Ordinationsakt in ,De instituendis ministris' 4. Die Einrichtung der Ordinationshandlung in Wittenberg j . Luthers Ordinationsformular 6. D e r wahre Sinn der Ordination nach Luthers Ordinationsformular 7. Die Elemente der Ordination 8. Das Verständnis der Handauflegung bei der Ordination 9. D e r minister ordinationis 10. Die Ordinationsgabe 11. Die Notwendigkeit der Ordination 12. Das Verhältnis von Vokation und Ordination

168 171 179 181 191 196 207 213 216 223 229 232

VII. Kapitel: Zusammenfassung

235

ι. 2. 3. 4.

235 238 239 241

Die Zweipoligkeit von Luthers Amtslehre Entwicklung bei Luther Die Situationsbedingtheit der Lehre Luthers Die stets wirksame, tragende Grundanschauung Luthers

II. T e i l : A m t u n d O r d i n a t i o n b e i

126 128

Melanchthon

1. Kapitel: Grundlagen des Amtsbegriffs

245

ι . Die Heilsnotwendigkeit des Dienstes am Evangelium 2. Die Verankerung des Amtes im Kirchenbegrifi 3. Die Bedeutung des allgemeinen Priestertums für das A m t

245 250 259

8

II. Kapitel: Das Amt als göttliche Institution

268

ι. 2. 4. 3. j. 6.

268 270 285 291 303 307

Ministerium docendi Evangelium et administrando Sacramenta Institutum Dei Amtsauftrag und Amtsgewalt Instrumentum Spiritus Sancti Die Autorität des Amtes D i e politia ecclesiastica

III. Kapitel: Die rechtmäßige Berufung ins Amt

314

1 . D i e Notwendigkeit der Berufung zum A m t 2. Unmittelbare und mittelbare Berufung zum A m t 3. Die konkreten Instanzen der Berufung 4. Die Bestandteile der Berufung

314 321 322 330

IV. Kapitel: Die Ordination

34°

1.Begriff der Ordination 2. Der Sinn der Ordination 3. Ordination als Sakrament 4. Die Bestandteile des Ordinationsritus 5. Der Sinn der Handauflegung bei der Ordination 6. Das ius divinum in der Ordination darin Exkurs: D e r Fredersche Ordinationsstreit 7. Die Ordination als Funktion des Amtes

340 341 348 352 354 357 360 373

V . Kapitel: Melanchthon und Luther

379

Schlußbetrachtung

385

Literaturverzeichnis

388

9

Einleitung Die Lehre vom Geistlichen Amt ist im letzten Jahrzehnt wieder stark in den Brennpunkt des theologischen Interesses gerückt und hat verschiedentlich neue Bearbeitung gefunden. Die aus den Auseinandersetzungen um dieses Lehrstück im vorigen Jahrhundert unerledigt liegengebliebenen Probleme sind in neuer Weise angefaßt und einer Lösung nähergebracht worden. In erster Linie ist hier das Problem des Verhältnisses zwischen Geistlichem Amt und allgemeinem Priestertum der Gläubigen zu nennen und dann das Ordinationsproblem. Auf beiden Gebieten ist es in der neueren Theologie zu einer beachtlichen Umorientierung gekommen. Die Theorie von der Ableitung des Amtes aus dem allgemeinen Priestertum, als sei das Amt nur Exponent oder Delegation des allgemeinen Priestertums, ist heute in der lutherischen Theologie weithin aufgegeben. Das hat ζ. B. die 5. Tagung des Theologischen Konvents Augsburgischen Bekenntnisses im Jahre 1951 in Fulda gezeigt1. Ernst Kinder hat da in Darlegung des neutestamentlichen Befundes die Eigenständigkeit der beiden Komplexe Priestertum und Amt hervorgehoben1, Ernst Sommerlath in umfassender systematischer Besinnung die Deduktion des besonderen Amtes aus dem allgemeinen Priestertum als in einem falschen Kirchenbegriff wurzelnd und dem Neuen Testament nicht gemäß erwiesen3. Es sei an der Zeit, „sie endlich fallen zu lassen"4. Man kann sagen, daß sich in diesen Worten eine Erkenntnis Ausdruck verschafft, die sich in der lutherischen Theologie heute durchgesetzt hat5. 1 Vgl. den Bericht von E. Wilkens darüber in: Schriften des Theol. Konvents Augsb. Bekenntnisses, H e f t j , Berlin 1953, S. 90 ff. und die Referate der Tagung selbst, ebda. S. 5 ff. 2 „Allgemeines Priestertum" im Neuen Testament, ebda. S. j — 2 3 . 3 Amt und Allgemeines Priestertum, ebda. S. 40—89. 4 ebda. S. 55. 5 Vgl. E. Wilkens, a. a. O., S. 90, der von einem „geradezu beängstigenden Ausmaß des Konsensus" spricht; weiter: P. Althaus, Die christliche Wahrheit II, 1948, S. 298 ; E. Sommerlath, Das Amt und die Ämter, in: V i v a vox evangelii, München 1 9 5 1 , S. 304 f.; Credo ecclesiam (Hrsg. v. d. Ev. Michaelsbruderschaft), Kassel 1955, S. 34; J . Heubach, Die Ordination zum Amt der Kirche, Berlin 19$6, S. 97, Anm. 84; audi S. 130 f., 164. — Im vorigen Jahrhundert wurde die Deduktion des Amtes aus dem allgemeinen Priestertum bereits bekämpft von W . Löhe (Ges. Werke, Bd. V , 1, Neuendettelsau 1954, S. 262.294), Th. Kliefoth (Lit. Abh. I, 1854, S. 341.343), A . F. C . Vilmar (Dogm. II, 1937, S. 2 7 8 ® . ; Lehre v. Geistl. Amt, 1870, S. 89.97 ff.), F · JStahl (Die Kirchenverfassung nach Lehre u. Redit d. Prot., 2. Aufl. 1862, S. 94 ff.),

II

Der göttliche Stiftungscharakter des Geistlichen Amtes ist in neuer Weise erkannt und von daher manche eingebürgerte Vorstellung über Amt und Gemeinde revidiert worden. Damit hängt nun auch eine Neubesinnung auf das Wesen der Ordination zusammen, die in der neueren lutherischen Theologie stattgefunden hat und für die besonders zwei Arbeiten kennzeichnend sind: Eduard Lohse, Die Ordination im Spätjudentum und im Neuen Testament, Göttingen 1951, und Joachim Heubach, Die Ordination zum Amt der Kirche, Berlin 1956. Beide Arbeiten richten sich in ihren Ergebnissen gegen eine reiii deklaratorische Ordinationsauffassung und gegen ein rein symbolistisch-dekoratives Verständnis von der Handauflegung bei der Ordination. Lohse zeigt, wie schon im Alten Testament die semikhah zur Übermittlung einer realen geistlichen Gabe diente6 und wie bei der Ordination der jüdischen Schriftgelehrten in der Handauflegung die Verleihung einer geistlichen Gabe und K r a f t gesehen wurde7. Er lehrt die neutestamentlichen Ordinationstexte auf dem Hintergrund dieser alttestamentlichen und jüdisch-rabbinischen semikhah verstehen und kommt zu dem Ergebnis, daß „die Handauflegung als lediglich äußeres Zeichen, dem keine inhaltliche Bedeutung zukäme, . . . im Neuen Testament nicht zu belegen" ist, daß man für sie „nicht nur einen bestätigenden Charakter" annehmen dürfe8. Die Ordination mit Handauflegung sei im Neuen Testament als wirksame Bevollmächtigung zur Wortverkündigung in der Gemeinde und als Verleihung des Amtscharismas zu verstehen*. In der gleichen Richtung geht Heubachs Arbeit, in der der Versuch unternommen wird, „Grundzüge einer lutherischen ,Theologia ordinationis' zu erarbeiten" 10 . Heubachs Darlegung wendet sich in scharfer Kritik vor allem gegen die durch G. Rietschel11 maßgeblich tradierte Ordinationsauffassung, die in der Ordination lediglich die kirchenregimentliche Approbation der rechtmäßig erfolgten Vokation und die eindrucksvolle Bestätigung der Wahl in gottesdienstlicher Feier durch Handauflegung und Gebet erblickt12. Heubach sucht die Ordination als theologisches (nicht bloß kirchenrechtliches) Phänomen zu erfassen und gewinnt aus einer neutestamentlichen Besinnung die Sätze: „Die Ordination gehört zum Dogma der Kirche", sie gehört „wesentlich zum Amt und damit zum Evangelium", „sie ist niemals ein adiaphorischer Ritus"". Das Wesen der Ordination liege in der Einheit von vocatio, benedictio und aber auch von dem so besonnenen und maßvollen Theod. Harnack (Die Kirche, ihr Amt, ihr Regiment, Neudruck 1947, S. 47). 7 * a . a . O . , S. 20. bes. S. 5$. 8 S. 96. · S. 78.82 f. 97. 10 a. a. O., S. 10. 11 Luther und die Ordination, 2. Aufl. Wittenberg 1889; Lehrb. der Liturgik, Bd. I 1900, Bd. II 1909. 13 " Heubach S. 3$ f. S. 7 6 ; vgl. S. 128.

12

missio, worin der Herr der Kirche selbst an den Ordinanden handelt14. Insbesondere bekennt Heubach sidi zur realistischen Segnung in der Ordination15 und versteht gerade auch die Handauflegung in dieser Richtung 1 '. Man wird zwar nicht sagen können, daß das in den beiden Arbeiten von Lohse und Heubach zutage getretene Ordinationsverständnis Allgemeingut der lutherischen Theologie von heute geworden ist, dodi aber geht die Entwicklung deutlich in dieser Richtung17. Das tritt auch bei der liturgischen Neuordnung der Ordinationshandlung in der V E L K D hervor, bei der man die gleiche Linie verfolgt hat18. Diese hier gekennzeichneten neuen Aspekte in der Amtslehre werfen nun aber die Frage auf, wie es sich in dieser Hinsicht mit der Lehre Luthers, Melanchthons und der Bekenntnisschriften verhält. Sowohl die Ableitung des Amtes aus dem allgemeinen Priestertum als auch die deklaratorische Ordinationsauffassung soll ja — so war jedenfalls die bisherige Schau — auf Luther selbst zurückgehen. G. Rietschel hat dies in seiner Studie „Luther und die Ordination" (2. Aufl. 1889) mit Nachdruck behauptet und zu belegen versucht, und die Forschung ist ihm darin weitgehend gefolgt. Dementsprechend hat jetzt E. Sommerlath von den neuen Positionen her an verschiedenen Lutheräußerungen Kritik geübt1* und festgestellt, daß die Reformation in dieser Hinsicht Aufgaben zurückgelassen habe, die erst noch gelöst werden müssen20. Heubach wiederum stellt G. Rietschels Lutherinterpretation indirekt dadurch in Frage, daß er Rietschels mit Luther gerechtfertigtes Ordinationsverständnis verwirft und andererseits Luther selbst gelegentlich für die neue von ihm vertretene Ordinationsauffassung anführt 21 . Man kann nicht sagen, daß gegenwärtig über Luthers Amts- und Ordinationslehre volle Klarheit herrscht. Zwar fehlt es nicht auch an neueren Bearbeitungen dieses Ge14

S . 7 6 8 . u. 85 ff. Christus ordinator. S. 1 0 1 . 1 1 3 ; audi S. 106 f. u. 1 1 2 . 18 S. 109; überhaupt S. 105 ff. " Vgl. audi G. Werner, Tröstet euch der Ordination, Bek. Luth. Kirche H e f t 13, Neuendettelsau 1954, S. 18 ff.; Credo ecclesiam, Kassel 1955, S. 30.34.41. — Damit werden heute Motive der konfessionellen Theologie des vorigen Jahrhunderts neu aufgenommen (vgl. Löhe, Ges. Werke, Bd. V , 1 , S. 296; Kliefoth, a. a. O., S. 402.407. 4 1 1 f . 418 ff.; Vilmar, Dogm. I I , S. 277; Lehre v. Gstl. Amt, S. 24 ff. 48). 16 Agende f. ev. luth. Kirchen u. Gemeinden Bd. I V , Berlin 1952, S. 21 f. Vgl. die Ordinätionsformel: „Mein Bruder N . N., kraft der Vollmadit, die Jesus Christus seiner Gemeinde gegeben hat, überantworten wir dir durch Gebet und Auflegung unserer Hände das Amt der Kirche, wir segnen, ordnen und senden dich zum Dienst am Wort und Sakrament im Namen + des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" (S. 22). " Amt und allg. Priestertum, S. 48 f. 54. î0 ebda. S. 4 1 ; vgl. derselbe, Das Amt u. d. Ämter, in: Viva vox evangelii, S . 292 f. Vgl. audi Heubach, a. a. O., S. 65 ; Lohse, a. a. O., S. 10 und G. Werner, a. a. O., S. 3. » z . B . S. 108 f. 15

x

3

bietes. So sind da die schwedischen Arbeiten von Gösta H ö k " und Vilmos V a j t a " zu nennen, weiter die Abhandlung von Hans Storck über „Das allgemeine Priestertum bei Luther" 24 und Partien der jüngsten Arbeit Peter Brunners über das lutherische Bischofsamt". Aber sie sind ζ. T . dodi nur recht skizzenhaft und behandeln die uns besonders vorliegende Fragestellung nach dem Verhältnis von Amt und allgemeinem Priestertum und dem von Vokation und Ordination bei Luther teilweise nur am Rande oder doch nicht umfassend und sind z. T . audi nicht frei von Einseitigkeiten in der Darstellung und in den Ergebnissen. Es soll darum in dieser Arbeit ein neuer Versuch unternommen werden, Luthers Lehre von Amt und Ordination zu klären und damit einen bescheidenen Beitrag zu leisten zur allgemeinen theologischen Neuorientierung auf diesem Gebiet. Ebenso wichtig fast wie Luthers Lehre ist nun aber für die lutherische Lehrentwicklung auch Melanchthons Lehre gewesen, und zwar besonders dadurch, daß letzterem vor allem die Gestaltung der öffentlichen Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche in der Reformationszeit zufiel. Die Confessio Augustana und deren Apologie, sowie der Tractatus de potestate et primatu Papae enthalten in den Bekenntnisschriften die entscheidenden Bestimmungen über die lutherische Lehre von Amt und Ordination. Will man sie recht interpretieren, so muß man sie auf dem Hintergrunde der melanchthonischen Gesamtanschauung von Amt und Ordination, also im Lichte aller anderen Melanchthonäußerungen zu diesem Thema verstehen. Es ist für die rechte Beurteilung der reformatorischen Lehrposition also erforderlidi, außer Luther auch Melanchthon ins Auge zu fassen und seine Lehre von Amt und Ordination der Luthers an die Seite zu stellen. Wir ziehen also auch Melanchthons Lehre in den Bereich unserer Arbeit und haben dies um so mehr zu tun, als die letzten Veröffentlichungen über Melanchthons Amtslehre verhältnismäßig weit zurückliegen: das sind die beiden Dissertationen von W. Thomas, Die Lehre Melanchthons vom geistlichen Amt (Leipzig 1901), und H. Busch, Die Lehre von der Kirche bei Melanchthon (1918), sowie die Untersuchungen O. Ritschis im 1. Bande seiner Dogmengeschichte des Protestantismus (Leipzig 1908). Zwar haben die Aussagen der Bekenntnisschriften über Amt und Ordination auch in der jüngeren und jüngsten Zeit verschiedentlich Bearbeitung gefunden26, aber dabei konnte es sich 22

Luthers lära om kyrkans ämbete, in: En bok om kyrkans ämbete, Uppsala

1951. 23

Die Theol. des Gottesdienstes bei Luther, Göttingen 1954, S. 196—222. Theol. Existenz heute, N . F. N r . 37, München 1953. 25 Vom Amt des Bischofs, in: Schriften des Theol. Konvents Augsb. Bek., H e f t 9, Berlin 1955, S. j — 7 7 . 24 H . Bernau, Die Bedeutung der Ordination nach den luth. Bekenntnissdiriften, Kirche und A m t I, Beiheft zur Ev. Theol. Bd. 2, München 1940, S. 4 7 — 8 8 ; W . O. 24

M

naturgemäß nur um einen Ausschnitt aus dem ganzen Komplex der Amtslehre Melanchthons handeln. In der hier vorliegenden Arbeit soll im zweiten Teil versucht werden, unter Mitverwertung der melanchthonischen Bekenntnisschriften ein Gesamtbild von Melanchthons Amtsund Ordinationslehre zu zeichnen. Obwohl in vielem auf dem von Thomas, Busch und O. Ritsehl über Melanchthon Erarbeiteten wird aufgebaut werden können, werden sich doch auch neue Perspektiven ergeben und Ergänzungen bzw. Berichtigungen der älteren Arbeiten notwendig werden. Aus den Ergebnissen unserer Darstellung der Amts- und Ordinationslehre bei Luther (I. Teil) und Melanchthon (II. Teil) wird — wie wir hoffen — auch neues Licht fallen auf die eingangs gekennzeichneten Positionen, die heute in der Amtslehre vertreten werden. Insofern soll sich der Sinn dieser Arbeit nicht in einem historischen Interesse erschöpfen.

Münter, Die Gestalt der Kirche .nach göttlichem Redit', Kirche und Amt II, Beiträge zur Ev. Theol. Bd. j , München 1 9 4 1 ; derselbe, Begriff und Wirklichkeit des geistlichen Amtes, Beiträge zur ev. Theol. Bd. 2 1 , München 1 9 5 5 ; E . Schlink, Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften, 2. Aufl. München 1946; F. Brunstäd, Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften, Gütersloh 1 9 J 1 ; und zuletzt besonders W . Maurer, Pfarrerredit und Bekenntnis, Berlin 1957.

15

I. T E I L

AMT UND

ORDINATION

BEI LUTHER

I. Kapitel: Grundlegung des Amtsbegriffs im sola gratia und sola fide

ι. Die innere Wurzel von Luthers Amtsbegriff: Die Notwendigkeit des Dienstes am Wort von der Rechtfertigung her Das Herz der Theologie Luthers schlägt im Artikel von der Rechtfertigung des Sünders sola gratia, sola fide, propter Christum 1 . „Von diesem Artickel kan man nichts weichen oder nachgeben, Es falle Himel und Erden oder was nicht bleiben will'". Sein ganzes reformatorisches Werk und seinen Kampf mit dem Papsttum begreift Luther selbst unter diesen Artikel von der Rechtfertigung 3 . Sollte in diesem Artikel etwa keine völlige Gewißheit aus der Schrift bestehen, dann „ . . . ist's alles verlorn, und behellt Bapst und Teuffei und alles, wider uns, den sieg und redit" 4 . Die Rechtfertigung des Sünders um Christi willen durch den Glauben beruht nun aber ganz und gar auf dem vermittelnden Dienst des Wortes. Das Evangelium trägt uns den Schatz der rechtfertigenden Gnade Gottes in Christo zu. Darum ist es selbst der wahre Schatz der Kirche5. Aus 1 Zur vollen Klarheit über die Lehre von der forensischen Rechtfertigung als eines synthetischen Urteils Gottes, als der imputatio der Gerechtigkeit Christi per fidem (iustitia dei passiva) w a r Luther jedenfalls 1520 endgültig durchgedrungen und hat diese Lehre von da an ausschließlich vertreten. V g l . T h . Harnack, Luthers Theologie, Bd. II, München 1927, S. 327 ff. 2

W A jo, 199, 22 ff.

50, 199, 31 ff.: Und auff diesem Artidtel stehet alles, das w i r wider den Bapst, Teuffei und W e l l t leren und leben. 8

4 50, 200, 2 ff. Den Gegensatz zum Papsttum sieht Luther so sehr von der Rechtfertigung her bestimmt, daß er audi sagen kann: H o c impetrato, scilicet quod solus Deus ex mera gratia per Christum iustifìcet, non solum volumus Papam in manibus portare, imo etiam ei osculari pedes (4o 1 , 181, 11 ff.). 5 ι , 236, 22 f.: Verus thesaurus ecclesie est sacrosanctum euangelium glorie et gratie dei (62. These wider den A b l a ß ) ; 30I, 14$, 16 f.: Denn das w o r t Gottes ist das heiligtumb über alle heiligtumb, ia das einige, das wir Christen wissen und haben; 30I, 145, 20 f.; vgl. 50, 629, 2 f.

I1

19

ihm kommt die Gerechtigkeit des Glaubens. Das Wort als Gnadenmittel ist für Luther der Ermöglichungsgrund der Rechtfertigung. Weder der einzelne noch die Kirche kann darum ohne das Wort sein". „So müssen wir nu gewiß seyn, das die seele kan allis dings emperen on des worts gottis, und on das wort gottis ist yhr mit keynem ding beholffen"7. Die Heilstat Gottes in Christo wird im Wort präsent, „durchs Euangelion" beruft der heilige Geist zum Glauben an Christus, und im Wort nur kann der Glaube Christum ergreifen8. Das Wort als Gnadenmittel aber legt sich auseinander in die Doppelheit von Gesetz und Evangelium. „Und ist zu wissen, das die gantze heylige schrifft wirt yn zweyerley wort geteyllet, wilche seyn Gebot oder gesetz Gottes und vorheyschen oder zusagunge. Die gebott . . . seyn . . . nur datzu geordnet, das der mensch drynnen sehe sein unvormiigen zu dem gutten und lerne an yhm selbs vortzweyfFeln . . . Dan ßo kumpt das ander wort, Die gottlich vorheyschung und zusagung und spricht , . . . glaub in Christum, yn wilchem ich dir zusag alle gnad, gerechtickeyt, frid und freyheyt . . " 9 . In der Predigt des Gesetzes geschieht es, „ . . . das du hörist deynen gott zu dir reden, Wie alle deyn leben und werck nichts seyn fur gott, sondern müßsist mit allen dem das ynn dir ist ewiglich vorterben . . ." 10 . Das Evangelium aber verkündet die Rettung aus diesem Verderben: „ . . . Das du aber auß dir und von dir, das ist auß deynem vorterbenn, kommen mügist, ßo setzt er dir fur seynen lieben ßon Jhesum Christum, und leßsit dir durch seyn lebendigs trostlidis wort sagen: Du solt ynn den selben mit festem glauben dich ergeben und frisch ynn yhn vortrawen, So sollen dir umb desselben glaubens willen alle deyne sund vorgeben, alle deyn vorterben uberwunden seyn"". Die Predigt von Gesetz und Evangelium ist das von Gott gestiftete Mittel der Rechtfertigung des Sünders. Und da die ganze Heilsveranstaltung Gottes in Christo sich um diesen Angelpunkt der Rechtfertigung dreht, ist also die Funktion des Wortes in Gesetz und Evangelium selbst Heilshandeln Gottes mit den Menschen und gehört untrennbar zur Kirche, die darin ihren Sinn und ihr Wesen hat, daß die Sünder zur Rechtfertigung vor Gott kommen. So ist für Luther das Evangelium das Haupterkennungszeichender wahren Kirche. „Da bey aber soll man die 9 Die Notwendigkeit des Evangeliums steht für Luther über der des Sakraments: ι , 604, 35 f.: melius est . . . omittere sacramentum quam euangelium non nunciare; 38, 2 $ 3 , 1 2 ff.: . . . Und zur not einer on Sacrament, aber nicht on das wort kündte selig werden, als die, so da sterben, ehe sie die begerte Tauffe erlangen. 7

7, 22, 9 ff.; vgl. 3 ff. u. i j . f f .

8

30I, 296, 28; vgl. 30I, 1S8, 6 ff.

» 7, 23, 29

20

ff.

10

7, 22, 26

ff.

11

7.

31

Christlich gemeyne gewißlich erkennen: wo das lautter Euangelion gepredigt wirt" 12 . Es ist für Luther in der an das Wort geknüpften Verheißung (Jes. 55, i i ) begründet, daß wo das Evangelium ist, audi Christen, d. h. an Christus Glaubende und durch den Glauben Gerechtfertigte sein müssen. „ D a her sind w y r sicher, das unmuglidi ist, das nicht Christen seyn sollten, da das Euangelion gehet" 13 . Aber ebenso ist es auch unmöglich, „das da Christen und nicht eyttel heyden seyn sollten, da das Euangelion nicht gehet und menschen lere regirn . . D i e Kirche ist auf das "Wort von der Versöhnung gegründet und kann ohne es nicht bestehen. Das Wort ist das entscheidende konstitutive Element der Kirche15. L u t h e r unterscheidet zwisdien der „geystlichen ynnerlidien C h r i s t e n h e i t " (6, 2 9 7 , 1 ) , der „ v o r s a m m l u n g e aller Christgleubigen auff e r d e n " (6, 292, 38), die eine „ V e r s a m m lung der hertzen in einem glauben'' ist (6, 293, 4), und der „leyplichen, euszerlidien C h r i s t e n h e i t " (6, 297, 2), der äußeren V e r s a m m l u n g u m W o r t und Sakrament. In ersterer Hinsicht ist die Kirche unsichtbar, Glaubens- nicht Sehartikel (6,' 300, 32 f í . ; v g l . 7, 710, ι f f . ; 7, 722, 4 ff.), in letzterer ist sie' sichtbar. D i e innerliche und äußer·: liehe Christenheit sind f ü r Luther aber nicht z w e i selbständige, zusammenhanglos nebeneinander stehende G r ö ß e n , sondern liegen ineinander und verhalten sich zueinander w i e L e i b und Seele i m Menschen (6, 297, 4 f.). „ S i e w e r d e n zusammengehalten durch das identische Z e n t r u m , das ist das w i r k s a m e göttliche W o r t " (R. Seeberg, Dogmengeschichte I V , 1, D i e Lehre Luthers, L e i p z i g 1 9 1 7 , 3. A u f l . , S. 292; v g l . auch S. 96 und 279 ff.; sowie E. Seeberg, Luthers T h e o l o g i e , Bd. I I , S t u t t g a r t 1937, S. 290). U m das W o r t w i r d die sichtbare Kirche gesammelt und durch das W o r t w i r d die unsichtbare V e r s a m m l u n g aller Christgläubigen a u f Erden in ihr erzeugt und erhalten 1 6 . D i e Z u g e h ö r i g k e i t z u r sichtbaren V e r s a m m l u n g um W o r t und S a k r a m e n t ist darum

" II, 408, 9 f., II f.; v g l . 8, 4 9 1 , 3J f . ; 4 1 , 1 3 1 , 14 ff.; j o , 628, 29 f. Z u beachten ist hierbei, d a ß Luther mit dem W o r t die v i v a v o x evangelii in der mündlichen Pred i g t v o r A u g e n hat ( j o , 629, 16 ff.: W i r reden aber v o n dem eusserlidien w o r t , durch menschen, als durch dich und mich mündlich gepredigt, D e n n solchs hat Christus hinder sich gelassen als ein eusserlidi zeichen, d a b e y m a n solt erkennen seine kirchen oder sein Christlich heilig V o l c k in der weit). D a ß v o m W o r t die S a k r a m e n t e nicht ausgeschlossen, sondern v i e l m e h r in es einbegriffen sind, erhellt aus j o , 630 ff.; besonders 631, 2$ ff.: D e n n w i e droben v o m w o r t gesagt, w o G o t t e s w o r t ist, da mus die Kirche sein, also auch, w o die T a u f f e und Sacrament sind, muss G o t t e s v o l c k sein, und w i d e r u m b . 1 1 i i , 408, 16 ff.; vgl. 50, 629, 34 f.: D e n n G o t t e s w o r t k a n nicht on G o t t e s V o l c k sein, w i d e r u m b G o t t e s V o l c k k a n nicht on G o t t e s w o r t sein; auch 2, 208, 2$ ff.; 3, 2 j 8 , 38; 6, 301, $ f. 14 II, 408, 19 f . ; vgl. II, 4 1 1 , 22 f.; 30I, 189, i f f . : . . . w o m a n nicht v o n C h r i s t o predigt, da ist kein heiliger Geist, welcher die Christliche k y r d i e machet, beruffet und zusamen bringet, ausser welcher niemand z u d e m H e r r n C h r i s t o komen kan. 1 5 D i e innere V e r b i n d u n g v o n Luthers Kirchenbegriff m i t der Reditfertigungslehre durch das W o r t hebt K . H o l l (Ges. A u f s ä t z e I, Luther, 6. A u f l . 1932, S. 288 f.) als eine ursprüngliche K o n z e p t i o n Luthers h e r v o r .

" 6, 560, 33 fr.; 8, 491, 34 f . ; 8, 419, 34 ff.; 12, 191, i i f f . ; v g l . auch 2, 191, 34 f.; 2, 205, 27 ff.; 7, 7 2 1 , 12 f . ; 30I, 188, 23 ff. 21

Voraussetzung der Zugehörigkeit zur unsichtbaren Gemeinde der Gläubigen und Heiligen. Abseits des Evangeliums ist keine Kirche und also auch keine Zugehörigkeit zu ihr". Der Begriff des Evangeliums schlägt — wie K. Holl gesagt hat — bei Luther „die Brücke von der unsichtbaren zur sichtbaren Kirche hinüber" (a. a. O., S. 3 0 4 f.). Das Evangelium ist für Luther Existenzgrund und Einheitspunkt der Christenheit1*. Auch in der klassischen Formulierung des Kirchenbegriffs in den Sdimalkaldisdien Artikeln „Denn es weyß, Gott Lob, eyn kind von V I I Jaren, Was die kirche sey, Nemlich, die heyligen gleubigen und die sdiefflin, die yres Hirten stymme hören" ( $ 0 , 2 J 0 , ι ff.) tritt diese Verklammerung des Kirchenbegriffs mit dem Evangelium („yres Hirten stymme") hell ins Licht. Insofern die Kirche als Gemeinschaft sich bei Luther auf das institutionelle Moment der Evangeliumspredigt begründet, ist also E. Seeberg zuzustimmen, daß der soziologische Kirchenbegriff bei Luther „eben doch auf dem institutionellen" beruht (Luthers Theol. II, S. 4 4 2 ) . — Zum Kirchenbegriff Luthers vgl. Jul. Köstlin, Luthers Lehre von der Kirche, Stuttgart 18$3; W. Waither, Das Erbe der Reformation, H e f t IV, Luthers Kirche, Leipzig 1 9 1 7 ; R. Seeberg, Dogmengeschichte IV, 1, Die Lehre Luthers, 3. Aufl., Leipzig 1 9 1 7 , S. 2 7 8 ff.; F. Kattenbusch, Die Doppelschichtigkeit in Luthers Kirchenbegriff, in: Lutherana V (j. Lutherheft der Theol. Stud. u. Kritiken), Gotha 1 9 2 8 ; W. Eiert, Morphologie des Luthertums, Bd. I, München 1 9 J 2 , S. 2 2 4 ff. und die dort angegebene weitere Literatur. —

Wenn das Heil des einzelnen und die Existenz der ganzen Kirche an das Wort gebunden ist, bedarf es also mit Notwendigkeit des Dienstes am Wort. Damit ist der Begriff des ministerium verbi gegeben. Das Wort muß ausgerichtet werden, wenn der Heilsratschluß Gottes in Christo an den einzelnen Menschen zur Ausführung kommen soll, wenn die Sünder durch den Glauben die Rechtfertigung erlangen sollen19. Sowohl das sola gratia als das sola fide der Rechtfertigungslehre fordert den Dienst am Wort. Das sola gratia besagt, daß der Mensch das Heil nicht aus sich selbst wirken kann, daß es ihm vielmehr geschenkt wird, daß er es nur so geschenkweise, gratis empfangen kann. Damit ist aber auch gesagt, daß es von außen ohne sein Zutun an ihn herangetragen werden muß, mithin das ministerium verbi, der Dienst am Wort und Sakrament, innerlich gefordert. Im sola gratia wurzelt Luthers leidenschaftlicher Widerspruch gegen den Enthusiasmus, der das äußere Wort als Gnadenmittel verachtet, in der Meinung, der Gnade und des heiligen Geistes selbst mächtig zu sein. „Und jnn diesen stücken, so das mündlich, eusserliche wort betreffen, ist fest darauff zu bleiben, das Gott niemand seinen Geist oder gnade gibt on durch oder mit dem vorgehend eusserlichem wort, Damit wir uns bewaren fur den Enthusiasten, das ist geistern, so 1 7 3 0 1 , 1 8 9 , i f f . ; 1 9 0 , 8 ff.: . . . eingeleibet dadurch das ich Gottes wort gehöret habe und noch höre, Weichs ist der anfang hynein zukomen; 1 9 0 , 3 2 f.; 1 9 2 , 10 ff. 18 26, jo6, 3 0 ff., wo die Christenheit in innigster Verbindung mit dem Evangelium geschildert wird, besonders 3 9 f.: versandet geistlich ynn einem Euangelio und glauben unter ein heubt, das Jhesus Christus ist.

" 3 0 ' , 1 9 0 , 2 1 ff.; W A T R j , 4 3 1 , 8 , Nr. $ 9 9 8 : ecclesia fidelis verbi ministerio consistit. 22

sich rhümen, on und vor dem wort den geist zu haben . . ." 20 . Dieser das äußere W o r t überspringende Enthusiasmus ist für Luther „aller Ketzerey . . . ursprung, krafft und madit" 2 1 . Es beruht zutiefst auf dem sola gratia, wenn Luther als tragenden Leitsatz aufstellt, „das Gott nidit wil mit uns Menschen handeln, denn durch sein eusserlich wort und Sacrament. Alles aber was on solch W o r t und Sacrament vom Geist gerhümet wird, das ist der Teufel" 2 2 . Der Gnadenwille Gottes, der durdi das Kreuz Christi den in Sünden verderbten Menschen erlösen und retten will, ist derselbe, der nicht anders mit uns handeln will als durch das äußere W o r t und Sakrament. Sola gratia heißt non sine verbo 23 . Dieses die Gnade Gottes uns kundmachende Wort ist aber ganz entscheidend eben Wort der Verheißung, das den Glauben fordert und nur im Glauben ergriffen werden kann24. So hängt an dem sola gratia das sola fide. Dieses ist nun also nicht, wie die Schwärmer es verstehen, die Loslösung von allen äußeren Medien des Heils, vielmehr setzt es dieselben gerade voraus, und es kommen diese in ihm zum Ziel. Luther brandmarkt die Schwärmer, die „so toll" sind, „das sie von ander scheiden den glauben und das ding, daran der glaube hafftet und gebunden ist, ob es gleich eusserlich ist" 25 . „Das wollen aber die blinden leiter nicht sehen, das der glaube etwas haben mus, das er glaube, das ist daran er sich halte und darauff stehe und fusse" 28 . Gerade audi vom sola fide her gilt: „ J a es sol und mus eusserlidi sein, das mans mit synnen fassen und begreiffen und 20

50, 245, i f f . ; vgl. I I , 95, 18 f.; 37, i j 6, 9 ff.; 45, 3 1 2 , 1 f. 50, 246, 23 f. 22 50, 246, 25 ff.; vgl. 43, 8 1 , 2$ ff.: posset docere et illuminare corda sine ministerio verbi, sed non vult. Ideo ordinavit ministerium externum, et instituit Sacramenta; 30II, 4 J J , 18 ff. 38 ff.: . . . sey gewis, das Gott kein ander weise hat nodi haben w i l , die sunde zuuergeben, denn durch das mündliche Wort, so er uns mensdien befolhen hat, wenn du die Vergebung nicht ym wort suchst, da sie Gott hingelegt hat, so wirstu vergebens gen himel nach der gnade gaffen; 30U, 456, 17 fr.; 497, 25 ff.; 498, 26 ff.; T R 5, 2, 23 ff., N r . 5189. — Zur Inverbation des heiligen Geistes bei Luther vgl. K . D . Schmidt, Luthers Lehre vom Heiligen Geiste, in: Schrift und Bekenntnis, Festschrift f. J . S. Schöffel, Hamburg-Berlin 1950, S. 145 ff. 28 Im Wort sind bei Luther — wie schon erwähnt — auch die Sakramente einbegriffen, die ja erst durch das Wort überhaupt zum Sakrament werden und ohne dasselbe gar nicht existieren. 38, 231, 8 ff.: denn die Sacrament on das w o r t nidit sein können . . . ; 38, 253, 3 0 f f . : es ligt audi alles am w o r t Gottes als am höhesten ampt . . . Müssen dodi alle Sacrament durchs Wort werden, als durchs f ü r nemest stücke ynn allen Sacramenten. 30I, 214, 18 ff. 36 f. 21 j , i j f . Audi die Sakramente dienen zum Glauben und vermitteln das Heil ($2, 570, 18 ff.). N u r dem Wort allerdings eignet absolute Heilsnotwendigkeit (12, 1 7 1 , 21 f. 31 ff.). — Vgl. zur Frage .Sakrament und Wort': M. Doerne, Luth. Pfarramt, Theol. mil. H e f t 10, Leipzig 1937, S. 10 und E. Roth, Sakrament nach Luther, Berlin 19J2. 24 30I, 2 1 6 , 24 f . : Gottes werck aber ( = die Gnadenmittel) sind heilsam und not zur Seligkeit und sdiliessen nidit aus sondern fodern den glauben, denn on glauben künde man sie nicht fassen. 25 28 30I, 2 1 5 , 32 ff. 30I, 2 1 5 , 24 ff. 11

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dadurch yns hertz bringen könne, wie denn das gantze Euangelion ein eusserliche mündliche predigt ist. Summa, was Gott ynn uns thuet und wircket, wil er durch solch eusserliche Ordnung wircken"". Unermüdlich wird von Luther sowohl unter dem Gesichtspunkt des sola gratia wie unter dem des sola fide die Notwendigkeit des Wortes und der Sakramente zur Heilsaneignung betont und dieselbe in einer göttlidhen Ordnung begründet, die den Charakter der Ausschließlichkeit trägt und darum unbedingt respektiert sein will, wenn der Mensch nicht des Heils verlustig gehen soll. Die göttliche Ordnung der Gnadenmittel Wort und Sakrament aber schließt in sich die positive Anordnung des Dienstes am Wort und Sakrament, wie sie in der Schrift in dem Befehl Christi zur Evangeliumspredigt und Sakramentsverwaltung zutage tritt. Das Evangelium erfüllt seinen Sinn nur als tatsächlich gehandeltes Evangelium und die Sakramente nur als tatsächlich gehandelte Sakramente. Nur als in lebendiger Funktion stehend sind Wort und Sakrament die Gnadenrm'ííe/, durch die tatsächlich Rechtfertigung sich ereignet. Notwendig also werden Wort und Sakrament nach der göttlichen Heilsordnung zum Dienst am Wort und Sakrament, zum ministerium verbi et sacramentorum. Das Amt ist in Luthers Denken zutiefst in dieser Notwendigkeit verwurzelt, wodurch sein Amtsbegriff von vornherein eine funktionale Prägung erhält. Mit dem Bisherigen haben wir die eine Komponente in den Grundlagen von Luthers Amtsbegriff aufgezeigt. Von der hier jetzt geschilderten inneren Basis aus blieben aber immer noch verschiedene Möglichkeiten zur Ausführung der Lehre vom Amt im einzelnen offen. Die dann tatsächlich bei Luther vorliegende Gestalt der Amtslehre ist wesentlich mitbestimmt durch die Situation, in die Luther durch seinen reformatorischen Kampf und besonders die Auseinandersetzung mit der päpstlichen Kirche gestellt war und die in vielem die Bahnen vorzeichnete, in denen Luthers Amtsdenken sich praktisch vollzog.

2. Die äußere Wurzel von Luthers Amtsbegriff : Die notwendige Polemik gegen die römische Entstellung des Amtes Das überlieferte Bild von der Kirche und ihren Autoritäten zerbrach Luther endgültig im Zusammenhang mit der Leipziger Disputation (Juni/Juli 1519)". Das göttliche Recht des Papsttums, das ihm schon in der Zeit nach dem Augsburger Verhör (Herbst 1518) fraglich geworden war, sowie die Irrtumslosigkeit der Konzilien konnte er nicht mehr aufrechterhalten. Damit fiel von der ganzen hierarchischen Organisation " M

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30I, 2 1 5 , 34 ff.; vgl. 17I, 329, 14 ff. Vgl. R. Seeberg, a. a. O., S. 281 ff.

der römischen Kirche der Mantel des Göttlichen herab, und der Weg w a r frei zu einer unbefangenen kritischen Beurteilung dessen, was sich in der päpstlichen Kirche Luther als „geistlicher S t a n d " darbot. Dabei stieß Luther — stets getrieben von Motiven seiner Rechtfertigungslehre — auf Elemente, die zu der Schrift in krassem "Widerspruch standen und darum seine Polemik herausforderten. W i r nennen deren drei: die satisfaktorische, die legalistische und die hierarchische Entstellung. Der Widerspruch gegen diese dreifache Entstellung des römischen Amtes liegt deutlich in den reformatorischen Hauptschriften des Jahres 1 5 2 0 v o r und w i r d von da an stets v o n Luther vorgetragen. Luthers Amtsbegriff nun hat sich offensichtlich auf dem Hintergrunde dieser römischen Entstellung des Amtes und in ständiger Wechselbeziehung zu seiner notwendigen Polemik dagegen herausgebildet". In dem, was Luther positiv über das A m t sagt, spiegelt sich stets der Protest gegen die Fehlgestalt des Amtes in der ihm vor Augen stehenden päpstlichen Kirche. D a m i t soll nicht behauptet sein, daß Luthers Amtsbegriff sekundäres Produkt einer polemischen Situation ist. W i r haben bereits gezeigt, wie Luthers Amtsbegriff sachlich-inhaltlich in seiner Rechtfertigungslehre begründet ist. Es ist audi nicht zu übersehen, in welch starkem Maße Luthers Aussagen über das A m t einfach von der sachgemäßen Exegese der v o m A m t handelnden Schriftstellen bestimmt sind. Jedoch gesellt sich unwillkürlich zu dem sachlichen Motiv von der Rechtfertigungslehre her und dem f o r malen Motiv, der Schrift gehorsam zu sein, als weiteres Motiv die Kampfstellung gegenüber dem in R o m entstellten Amte. Dieses dritte Motiv ist in seiner Bedeutung f ü r das Ganze von Luthers Amtslehre nicht zu unterschätzen. W i r nennen es darum die äußere Wurzel von Luthers Amtsbegriff. D e r polemischen Situation gegenüber den Schwärmern kommt f ü r die Ausbildung von Luthers Amtsbegriff nicht die prägende Bedeutung zu, wie der gegenüber R o m , weil Luthers Amtsbegriff in seinen Grundzügen bereits feststand, als die Auseinandersetzung mit den Schwärmern begann und diese selbst nur neue Nuancen in Luthers Amtsdenken bewirkte, nicht aber neue Grundlinien und eine Umgestaltung des Amtsbegriffs überhaupt. W i r wenden uns nun der Gestalt des römischen Amtes im einzelnen zu, sofern sie die K r i t i k Luthers erfährt. a) Die satisfaktorische Entstellung D e r römische ordo übertrug die Vollmacht zur Darbringung des Meßopfers. Dieses hatte satisfaktorischen Charakter. D e r Meßpriester, der es darbrachte und gerade zu diesem W e r k geweiht worden war, hatte so eine Mittlerstellung zwischen Gott und Mensch inne. Hierdurch wurde " Vgl die Ausführungen von G. Hök, a. a. O., S. 177, der auch darauf hinweist, daß Luthers Amtsbegriff wesentlich aus der Negation des Meßopfers und der kurialen Machtpolitik resultiert. Auch E. Sommerlath, Amt und Allgemeines Priestertum, S. 49.

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das Kreuz Christi, seine alleinige Heilsmittlerschaft, sein allein sühnendes und einmaliges Opfer verdunkelt und der ganze Charakter der Gnadenmitteldarbietung ins Gegenteil der eigentlichen Stiftungsintention Gottes verkehrt. In der Funktion des satisfaktorischen Priestertums trat die Richtung vom Menschen zu Gott bestimmend hervor und verderbte den gesamten Kultus, der somit unter den Gesichtspunkt des meritorischen Werks des Menschen trat und seine Begründung in der freien Gabe und dem Geschenk Gottes verlor30. Der Artikel von der Rechtfertigung sola gratia und sola fide wurde dadurch auf den Kopf gestellt. Luther mußte von seiner Rechtfertigungslehre her die römische Opfermesse mit ihrem satisfaktorischen Charakter als den „grossesten und schrecklichsten Grewel" ansehen, der „stracks und gewaltiglich, wider diesen Heubtartickel strebt"31. Das Meßopfer nun war auf den ordo gestützt, der seinerseits wiederum von diesem her seine charakteristische Prägung empfing. Die Entstellung und Pervertierung der Messe, des heiligen Abendmahls, aus einer Heilsgabe Gottes an die Menschen zum meritorisch-satisfaktorischen Opferwerk, das der Mensch Gott darbringt, bedingte die Entstellung des Amtes zu einem Opferpriestertum. Hiergegen bestimmt Luther den wahren Charakter des Amtes als ministerium verbi, nicht sacerdotium. Wir wollen das an einigen grundlegenden Schriften Luthers nachweisen. In der Schrift De captivitate babylonica von 1520 bestreitet Luther den sakramentalen Charakter der römischen Priesterweihe und kommt zu dem Ergebnis, sacramentum ordinis pulcherrima machina fuit et est ad stabilienda universa portenta, quae hactenus facta sunt et adhuc fiunt in Ecclesia32. Dieses Urteil ist im Hinblick darauf gesprochen, daß die römische Priesterweihe nicht zum Predigen und Sakramentreichen beruft, sondern zum Opfermeßhalten und Horenlesen33. Im Anschluß an Mal. 2, 7 erkennt Luther dem den wahren priesterlichen Charakter ab, der nicht predigt bzw. nicht zum Predigen berufen worden ist34. Das wahre sacerdotium des Amtes ist nichts anderes als das ministerium verbi, Dienst am Wort für die Gemeinde35. Die, die nur ad horas Canónicas legendas et Missas offerendas ordiniert wurden, mögen zwar papi30

V. Vajta hat gezeigt, wie die Amtsanschauung zwangsläufig mit der Gottesdienstauffassung verbunden und von ihr abhängig ist. „Mit der sacrificium-Messe . . . ist ein Priestertum verknüpft, das vor Gott einen Opferdienst vollzieht" (so in Rom), „Mit dem Gottesdienst als beneficium hängt das ministerium verbi divini auf das allerintimste zusammen" (so bei Luther). Theol. d. Gottesdienstes, S. 199. 31

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50, 2 0 0 , 9 f f . ; v g l . 2 0 2 , 2 6 f f .

6, $ 6 4 , ι f f . 33 6, $ 6 $ , ι ff. 1 0 f.; $66, 1 0 ff. M 6, 564, 20 ff. — Daß der römische ordo die Berufung zum Predigen damals nicht in sich Schloß, erweist Luther daraus, daß von den römischen Priestern keiner predigte, nisi denuo alia vocatione ultra ordinem sacramentalem vocetur (6, $6$, 1 f.). 35 6, 564, I i ff.; $67, 17 f.; $66, $ f. 9.32 f. Vgl. auch unten, S. 47. A n m · 47-

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stische Priester sein, sind aber keine christlichen Priester, vielmehr Idola quaedam viva 36 , monstra sacerdotalia37, gemalte Priester58, ja eine pestis Ecclesiae" und nach Jes. j , 13 f. der wahre populus perditionis aeternae40. Die satisfaktorische Entstellung der Amtsfunktion und der Weiheintention veranlaßt Luther zu dem Urteil: ordinem, qui velut sacramentum hoc hominum genus in clericos ordinat, esse vere, mere omninoque figmentum ex hominibus natum, nihil de re Ecclesiastica, de sacerdotio, de ministerio verbi, de sacramentis intelligentibus41. Figmentum ist für Luther der ordo, der ohne Bezug auf das wahre ministerium verbi et sacramentorum zum Opferdienst ordiniert und ein sacerdotium hervorbringt, das ein alius status ab offitio praedicandi ist". Es darf nicht übersehen werden, daß die Polemik Luthers im Grunde nicht dem ordo überhaupt, sondern eben speziell dem Meßopferordo, also der satisfaktorischen Entstellung des ordo gilt. In der Schrift „Vom Mißbrauch der Messe" (1521) will Luther „des Bapsts priesterthum mit dem ampt, ßo Christus den Apostelin gegeben unnd befolhen hat, umbstossen, Denn eyn priester soll predigen"43. Der Apostel Amt war Predigtamt, nicht Opferpriestertum. Beides ist conträr. Im Neuen Testament ist Christus der einzige Priester im eigentlichen Sinne des Wortes (also Opferpriester), in seinem Opfer ist das levitische Priestertum des Alten Testaments erfüllt, außer ihm ist im Neuen Bunde kein „eußerlicher, sichtbarlicher priester"44, wir bedürfen auch „keyns andern priesters odder mittlers denn Christum" 45 . Die Schrift sagt nichts von einem besonderen mittlerischen, satisfaktorischen Priestertum im Neuen Testament (wie das römische sacerdotium es sein will), und „was seyn ankunfft auß der schrifft nicht hatt, das ist gewißlich vom teufiel selbst"46. So beurteilt Luther „diß bepstisch priesterthum unnd Meß opffern" als Teufelswerk 47 , durch das die wahre Messe und das wahre Priestertum, die edelsten Schätze der Kirche, zerstört werden48. Wegen seiner satisfaktorischen Funktion, die Christus als einzigen Mittler zwischen Gott und Menschen verdrängt, ist das römische Opferpriestertum ein „verdampt priesterthum"48, das Christus die Ehre nimmt und sein Priestertum aufhebt50. 37 » 6, J 6 4 ( 24 ff. 6, J Ö J , 33 f. 38 6, s66, $ f. 39 6 t 5 g 7 ) 3 . « 6, 567, io. « 6, $6$, 6 ff. 45 4t 6, 564, 27 f. 8, 494, 36 ff. 44 45 8, 486, 19 f.; vgl. dazu 2, in, 24 ff. 8, 486, 29. 48 8, 491, 14 ff.; vgl. 8, 488, 3 ff.; 489, 10 ff.; $04, 33 ff. — An anderer Stelle weist Luther darauf hin, daß die Schrift das, was man heute Priesterschaft nennt, ministerium etc. heiße „unnd an keinem ortt sacerdotium . . . " (7, 630, 12 ff.), vgl. audi 12, 190, 11 ff. 4 48 41 ' », 499. 17 f· ». SO h i f f · 16 ff.; 8, 538, 3 ff.; i 4 i , 4 f. 8, 541, 4 f. M 8, 489, 16 ff. Vgl. audi 12, 175, 9 ff. Darum werden die zum Opfern berufenen Priester von Luther audi „gleysner und olgotzen" genannt (6, 407, 20 f.).

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In dem Sendschreiben an die Böhmen De instituendis ministris (1523) wirft Luther dem römischen ordo ebenfalls vor, daß er nicht auf das ministerium publicum verbi, quo dispensantur mysteria dei51, ausgerichtet ist. Das Amt des Wortes ist omnium in Ecclesia et summa et maxima, in qua tota vis Ecclesiastici status consistit, cum sine verbo nihil constet in Ecclesia et per solum verbum omnia constent52. Die papistische Weihe aber macht nicht Diener des Wortes, sondern nur sacrificos missarum et auditores confitentium53. Keinem wird da aufgetragen, ut mysteria Christi dispenset et Euangelion doceat et Ecclesiam dei regat, quam acquisivit sanguine suo". Durch die Verquickung mit dem Meßopfer wird der ordo in Luthers Augen zu etwas Verabscheuungswiirdigem, alles darin geht summa et impiissima perversitate vor sich55. Die Weihe zum Opferpriestertum ist ihm merum mendacium et irrisio dei58. Durch sie wird niemand zum wahren Priester Gottes, zum minister verbi, vielmehr schafft sie nur larvae mendacii et vanitatis57, sacerdotes satanae58 und ist sub anathemate dei zu fliehen5". Es ist an der Schrift an die Böhmen deutlich zu sehen, wie Luthers ganze Polemik gegen den römischen ordo von der Bestreitung des Meßopfers und des satisfaktorischen Opferpriestertums getrieben ist. Ganz die gleiche Haltung finden wir in der Schrift „Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe" (1533). Luther faßt audi da die Frage ins Auge, wozu die Priester im Papsttum eigentlich geweiht werden. Antwort: „zum eigen opffer Pfaffen, zum eigen werck Pfaffen, nicht zum gemeinen kirchen Pfaffen", der predigt und Sakramente austeilt80. Das heißt denn allerdings „widder Christum geweyhet" 81 , „mehr entweyhet denn geweyhet" 02 , ja „zu einem Teuffei entweyhet" sein", zu einem „öffentlichen Gottes dieb und kirchen reuber" gemacht werden (insofern nämlich der Opferpriester das Sakrament opfert statt es auszuteilen)84. Von dieser Opferpriesterweihe muß gelten, daß sie „gewislidi falsch, 51

1 2 , 1 7 3 , I ff. 1 2 , 1 7 3 , 4 ff.; vgl. 180, 5 f.; 1 8 1 , 1 7 f.; a u d i 10UI, 170, 5 ff.; 11, 4 1 $ , 26 f.; 1 2 , 3 1 8 , 28; 22, 184, 2 f.; 26, 52, 29 ff.; 38, 2 3 1 , 8 ff.; 423, 2 1 ff.; 53, 253, 32 f. 53 1 2 , 174, 1 2 f. 54 1 2 , 1 7 3 , 21 ff. 3 1 ff.: D a s W o r t a r m w i r d im P a p s t t u m als res longe o m n i u m vilissima et facillima b e h a n d e l t u n d den S dllechtesten ü b e r t r a g e n . M 58 1 2 , 172, 32 ff. 1 2 , 174, 28 ff. 57 58 1 2 , 174, 20. 1 2 , 1 7 J , 4 1 ; vgl. 187, 17. 59 1 2 , 176, 7 f.; vgl. 172, 32 ff. — L u t h e r bestreitet hier auch ü b e r h a u p t die G ü l tigkeit der papistischen W e i h e n . Durch den Bezug auf den M e ß o p f e r o r d o w i r d die sacra o r d i n a t i o aufgelöst ( 1 2 , 174, 16 f.). 52

80 3 8 » !99> l 9 f·; vgl. 203, 22 ff.; 220, 16 ff.: Es ist w a h r , „ d a s u n t e r d e m B a p s t t u m n i e kein P f a f f z u m P f a r h e r o d d e r Prediger geweyhet ist, sondern allein z u m Winckel P f a f f e n , das k a n n i e m a n d leucken"; 220, 3 0 f . 61 38, 199, 33. 28 f.: w i d d e r alle Ordnung und meinung C h r i s t i ; 203, 33 f . : w i d d e r die m e i n u n g u n d glauben der Kirchen. 1)2 M 38, 203, 34. ™ 3 8 , 2oS, 1 2 ff. 38, 207, 33 ff.; vgl. 2 2 1 , i j f .

28

Widderchristissch und lauter nichts"88, „viel nichtiger und erger denn der glocken tauffe und stein weyhe""", „grewel über grewel" 67 ist. „Von solcher "Weyhe weis Christus nicht, Das ist gewis"68. Dies alles sagt Luther wohlgemerkt nicht von der Weihe an sich, deren rechten Brauch als Berufung zum Predigt- und Pfarramt er sehr wohl zu schätzen weiß69, sondern von der durch den Meßopfergedanken entstellten Weihe zum Opferpriestertum. Es zieht sich auf der ganzen Linie durch Luthers Äußerungen zum Amt und zur Ordination diese aus seiner Rechtfertigungslehre sich ergebende Polemik gegen das Meßopferpriestertum und die satisfaktorische Entstellung des ordo. Mit letzterer Hand in Hand aber geht eine weitere Entstellung des Amtes im römischen System, deren Abwehr ebenfalls in Luthers Amtsbegriff ihre Spuren zeigt, das ist die legalistische Entstellung. b) Die legalistische Entstellung Der Heilsweg des Meßopfers ist der des Gesetzes. Das Opfertun des Priesters bzw. die Beteiligung der einzelnen an demselben soll das Heil beschaffen. Die ergistisch-meritorische Auffassung vom Zustandekommen des Heils ist wesenhaft Gesetzeslehre. Das Gesetz fordert das Tun und kennt nur das Tun. Unter dieser Prämisse wird auch das Evangelium legalistisch umgebogen und in eine nova lex verwandelt, was zur Folge hat, daß auch das Amt, das im Neuen Testament ein Amt des Evangeliums sein sollte, zu einem Amt des Buchstabens und der Gesetzesknechtschaft wird. In solcher legalistischen Entstellung aber kann es seinen Sinn, durch die Verheißung des Evangeliums den Glaubenden das Heil zu übermitteln, nicht mehr erfüllen. Der Weg des Gesetzes ist kein Heilsweg. Man bleibt nach Luther im Verständnis des wahren Gesetzes Gottes immer nur an der Peripherie hängen, wenn man es von einem äußerlichen, erfüllbaren Tun versteht und seine wahre, die vollkommene Gerechtigkeit des Herzens betreffende Forderung übersieht. Der Sünder kann dem wahren Gesetz Gottes niemals gerecht werden. So führt ihn der Gesetzesweg nicht zum Heil und Leben, sondern entweder (bei oberflächlichem Verständnis) in Heuchelei und Scheinheiligkeit oder aber (bei rechtem Verständnis der Forderung des Gesetzes) in die Verzweiflung 70 . Die durch das Gesetz vor Gott gerecht werden wollen, stehen so oder so nicht nur noch unter dem knechtischen Joch", sondern auch nodi unter dem Fluch72. Sie können der Anklage des Gesetzes auf die Dauer nicht standhalten und gehen am Gesetz zugrunde73. 65

38. 199. 34 f· 38, 199, 4 f· ™ 36, 15, 28 72 2, ji6, 21 f. 68

" 38. 204. 8. «7 38, 199, ff.; vgl. 228, 16 f. 38, 220, i j f f . 34 ff.; 228, 19 fr.; 238, 7 ff.; 256, 3 ff. 71 ff. 40Π 8, 5; 8, 26 ff.; 4oI, $53, 3 ff. 73 44, 503, 27 ff.; 2, 564, 32 ff. n

29

Freilich erschließt sich diese Erkenntnis des Zustandes unter dem Gesetz erst vom Evangelium her. Luthers Entdeckung des Evangeliums ist darum zugleich die Entdeckung der Unterschiedenheit von Gesetz und Evangelium. Das Gesetz gehört als opus alienum zu dem zürnenden Gott, das Evangelium als opus proprium zu dem gnädigen Gott, der in Christo vom Fluch des Gesetzes erlöst. Das Gesetz wirkt in seiner richtenden Funktion, daß der Sünder, dem seine Eigengerechtigkeit durch es zerschlagen wird, seine Zuflucht zu dem sola gratia nimmt und durch den Glauben an das Evangelium die Rechtfertigung erfährt. So ist das Gesetz Zuchtmeister auf Christum hin und bereitet dem Wirken des Evangeliums den Weg". Diese Wechselbeziehung zwischen Gesetz und Evangelium bei strenger wesensmäßiger Unterscheidung der beiden Größen gehört unmittelbar in die Grundlagen von Luthers Rechtfertigungslehre hinein. Ohne die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium kann diese gar nicht bestehen. So sieht Luther den locus de discrimine legis et Evangelii als die summa totius Christianae doctrinae an75. Gesetz und Evangelium recht zu scheiden ist „die höchste Kunst jnn der Christenheit, die wir wissen sollen"76. Nisi enim diserte discernatur Evangelium a Lege, non potest salva retineri doctrina Christiana. Cognita autem ista distinctione cognoscitur vera ratio iustificandi77. Durch das Vermengen von Gesetz und Evangelium wird die Rechtfertigung sola gratia sola fide zugrunde gerichtet. Wird nämlich das Evangelium mit dem Gesetz vermischt, so „wird eitel lex draus"78, das aber wiederum heißt, daß Christus und die Gerechtigkeit des Glaubens nicht herrschen können, denn dazu bedarf es des lauteren, mit dem Gesetz unvermischten Evangeliums. Die, die Gesetz und Evangelium vermengen, werden mit zwingender Notwendigkeit zu Bestreitern des Evangeliums und verhindern die Rechtfertigung aus der Gnade Christi79. In diesem Lichte mußte Luther das römische Amt sehen. Es war gekennzeichnet durch die prinzipielle Vermengung von Gesetz und Evangelium, durch die Erhebung des Gesetzes zur absoluten Dominante. Alles Evangelium wurde in Gesetz und Gesetze umgesetzt, alle Gottestaten in Menschentun, sei es in der speziellen Amtsfunktion oder in dem, was 74

75 7 6 36, 9, 28 f . 40I, 529, I I ff.; 2, 528, I ff. 40I, 209, 16 f . 40I, 486, 26 ff. Wer diese Unterscheidung nicht versteht, kann audi keinen Christen von einem Juden oder Heiden unterscheiden, quia in isto discrimine leits gar miteinander (36, 9, 5 ff.). 78 40', 469, I I ff. 79 40 1 , 1 1 4 , 12 ff. (Dr): . . . quia cum Evangelio legem miscent, non possunt non esse Evangelii subversores. Aut enim Christus stabit et Lex peribit, aut Lex stabit et Christus peribit. Christus et lex nullo modo possunt simul convenire et dominari in conscientia. Ubi dominatur iustitia legis, ibi non potest dominari iustitia gratiae, Et vicissim ubi dominatur iustitia gratiae, ibi non potest dominari iustitia legis. — Zu Luthers Lehre von Gesetz und Evangelium vgl. Th. Harnack, Luthers Theologie I, 1927, S. 365 ff. 77

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seitens des Amtes den Menschen als Heilsweg nahegelegt wurde. Die Priester bewegten sich in ihrem priesterlichen Tun auf dem Gesetzesweg und sie führten die Gewissen der Menschen auf diesen Weg. Dementgegen bestimmt Luther das wahre Wesen des Amtes als ministerium non legis, sed Euangelii"0. Ganz und gar nicht bedeutet das die Ausschaltung der Gesetzespredigt. Das Predigtamt hat auch das richtende, tötende Wort des Gesetzes zu verkündigen, damit der falsche Heilsweg abgeschnitten wird. Luther hat wider Joh. Agricola stets an der Notwendigkeit der Gesetzespredigt festgehalten 81 . Ohne die Gesetzespredigt kann es ja gar nicht zum eigentlichen Erfassen des Evangeliums kommen. Das ist alles ganz klar. Aber — und darin liegt das proprium des evangelischen Amtes — das Gesetz steht in seiner Zusammenordnung mit dem Evangelium auf alle Fälle unter der Dominante des letzteren, ist immer auf das Evangelium hin ausgerichtet, dient dem Evangelium, indem es ihm den Weg bereitet, ist niemals Selbstzweck. Das Amt des Neuen Testaments ist getragen vom Geist des Evangeliums, ist ein ministerium spiritus, non literae, es schreitet von der Gesetzespredigt stets fort zur evangelischen Gnadenpredigt und gerade darin erfüllt es seine gottgegebene Bestimmung, Instrument zu sein, durch das das Heil zu den Menschen kommt8*. Die legalistische Entstellung des Amtes im Papsttum wird Luther besonders deutlich an der Auffassung vom Schlüsselamt83. Die Schlüssel werden da vornehmlich als Jurisdiktionsvollmacht gefaßt. Binden und Lösen soll bedeuten: Kirdiengesetze erlassen und davon dispensieren84. Die Funktion der Schlüssel ist auf die gesetzliche Ebene verschoben. Dabei ist es gar nicht das göttliche Gesetz, mit dem die Gewissen da gebunden werden, sondern es sind menschliche, von der Kirche erlassene Ge"

6, 566, 32 ff.

V g l . die Disputationen wider die Antinomer W A 39 1 , 345 ff. und die Schrift W i d e r die Antinomer W A j o , 468 ff., sowie die Galaterkommentare v o n 1519 ( W A 2, 436 ff.) und 1535 ( W A 40I). 81

82 Im Ansdiluß an 2. K o r . 3, 6 ff. sagt Luther: „des alten testaments priester, prediger und predigeten handeln nit mehr denn das gesetz gottis . . . A b e r y m newen testament predigt man eyttel gnad und geyst, durch Christum uns geben . . . Darumb nennet hie S. Paulus des newen testaments prediget »ministerium spiritus, Ein dienst des geystes', das ist, ein predig ampt, durch wildis furtragen unnd angepotten wirt der geyst unnd gnade Gottis allen denen, die durchs gesetz beschweret, tödtet und gnad gyrig worden seynd" (7, 654, 21 ff.); „Sihe, das heyst ministerium spiritus, non literae, prediget des geystis, prediget der gnadenn, predigt rechts ablas, predigt von Christo, das ist das new testament" (7, 655, 19 ff.). 83

V g l . hierzu G . H ö k , a . a . O . , S. i j 8 f f . , w o sich auch eine ausführliche Darstel-

lung von Luthers Lehre v o n den Schlüsseln findet; auch E. Roth, Die Privatbeichte und Schlüsselgewalt i. d. Theologie d. Reformatoren, Gütersloh 1952, S. 61 ff. 84 12, 183, 19 fr.; vgl. 6, 312, i f f . ; 6, 543, 12 ff.; 7, 171, 11 ff.; 7, 644, i j ff.; 28, 478, 14 ff.; 30II, 436, 7 ff.; 4 3 9 ) 32 ff.; 465, 20 ff.

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setze. So ist beides verdeckt, das Evangelium und das wahre Gesetz in seiner .pädagogischen, auf Christum zielenden Funktion85. Die Schlüssel sind dann nur Instrument der Herrschaft des kanonischen Rechtes. Das Amt hat seine Beziehung zu den Menschen auf dem Boden dieser kirchlichen Gesetze, die priesterlichen Werke sind vor allem das mandare, exigere, minari, urgere, premere86, der Trost des Evangeliums in den Schlüsseln ist vollkommen verschüttet. Nach Luther sind die Schlüssel „ein Ampt, macht odder befelh von Gott der Christenheit gegeben durch Christum, den menschen die sunden zu behalten und zu vergeben"87, „und ist eytel errichtet ding, was sie anders unnd weytter ausz den schlussel yhn zuschreybenn"88. Binde- und Löseschlüssel gehören zusammen, es soll der eine nicht ohne den andern getrieben werden8'. Der Bindeschlüssel treibt das Werk des Gesetzes und bringt die Sünde ans Tageslicht, der Löseschlüssel tut das Werk des Evangeliums, indem er die Vergebung der Sünde verheißt80. Hat der Bindeschlüssel auch mit dem Gesetz zu tun, so ist er dodi nicht ein Binden mit kirchlichen Gesetzen wie im Papsttum91, sondern ein „göttlich Drewen"92, und „das ist dahin gericht, das es den sünder wil von den sünden erlösen"93. Auch der Bindeschlüssel steht unter der Prämisse des Evangeliums, soll nur der Anwendung des Löseschlüssels den Weg bereiten, indem er den Sünder zur Buße führt und ihn in die rechte Verfassung bringt, die Absolution zu empfangen. So liegt bei Luther das Schwergewicht ganz auf dem Löseschlüssel als dem Vollzug des Evangeliums. Der Diener, der die Schlüssel handelt, ist ein Diener des Evangeliums. Im römischen Jurisdiktionsamt dagegen liegt der Ton einseitig auf dem Bindeschlüssel in dem Verständnis eines Bindens mit kirchlichen Gesetzen, worin der Papst für sich Unfehlbarkeit beansprucht. Der Bindeschlüssel soll unfehlbar treffen, während der Löseschlüssel als Sündenvergebung ungewiß bleibt, weil er nur unter der Voraussetzung gelten soll, daß die Reue recht war, darüber aber keine Gewißheit zu erlangen ist94. So kommt im römischen 85 β

7 , 661,

ι

ee

ff.

6, 564,

i.

' 30II, 498, 18 ff.; v g l . 4 6 7 , 4 ff.; 4 J J , 3 0 f.; 4 5 6 , 25 ff.; 503, 18 ff.

88

6, 4 1 2 , 3 f. 30II, 503, 2 6

ff.

88

3 0 " , $06, 5 ff.; auch 4 5 7 , 5 ff.

81

30Π

467,

1 0 ff.

82

30II, 468, 2 3 ; 4 j 6 , 2 9 fr.; 4 J 9 , ι ff.; vgl. 468, 2 2 ff.

«

3 0 » , 4 6 7 . 2 3 f.

84

30H, 4 7 6 , 3 1 ff.; 4 7 7 , 1 0 ff.; v g l . 4 4 6 , 1 7 ff.; 4 J 3 , 8 ff. M i t Ingrimm k ä m p f t Luther gegen die A u f f a s s u n g v o m clavis errans, dem sog. „feylschlüssel", in den sich der Lösesdilüssel verwandeln soll, wenn die Reue nicht recht gewesen ist. „ F e y l schlüssel" ist f ü r Luther „ein verflucht, verdampt w o r t . . . vom teuffei selbs erticht und y n n die Christenheit geworifen, damit er den glauben an Christo verstoret, allen trost und rat unsers gewissens w e g genomen hat, Denn unser seel odder gewissen mus warlich des gar trefflidi gewis sein, darauff sie sich bawen, verlassen und trösten sol w i d d e r die sund und ewigen tod. N u mus sie sich warlich auff die sdilussel lassen,

3*

Verständnis des Schlüsselamtes alles auf die Gesetzesforderung hinaus, die das Gewissen bindet und es gerade nicht dazu kommen läßt, wozu die Schlüssel eingesetzt sind, zur Heilsgewißheit. Diese legalistische Entstellung des Amtes, die das Evangelium aufhebt, beurteilt Luther nicht minder scharf als die satisfaktorische. Die Schlüssel des Papstes sind gegen Christus, denn Christus bringt mit den Schlüsseln Gnade und Vergebung, der Papst aber fordert mit seinen Schlüsseln Werke95. Weil des Papstes Schlüssel aber gegen Christus sind, sind sie auch leer und ohne Kraft und Gültigkeit96 und ist ihr Gebrauch in dieser gesetzlichen Entstellung ein abusus damnabilis97. Das gleiche Urteil, das Luther über den satisfaktorischen Meßopferordo gefällt hat, spricht er ebenso über das legalistische Jurisdiktionsamt im Papsttum aus98. So war die Verbrennung des corpus iuris canonici am ι o.Dezember 1520 vor dem Elstertor in Wittenberg ein sinnvoller symbolischer Akt, der anzeigte, daß die Herrschaft des Gesetzes — d. h. gerade der kirchlichen Gesetze — über die Gewissen gebrochen werden mußte, damit das Evangelium freien Lauf bekam99. Gesetzgebungsmacht ist Herrschermacht. Mit der legalistischen Entstellung des römischen Amtes war notwendig die klerikal-hierarchische Entstellung verknüpft, die den dritten Punkt darstellt, in dem Luther gegen den römischen Amtsbegriff Front macht. dadurch sie losgesprochen wird, und Vergebung der sunden kriegt, Solt aber das ungewis sein und feylen, so must sie warlich ewiglich verzweifeln und verderben" (30!!, 453, 2 j ff.)· Vgl. 30II, 449, 6 f.: „Denn ungewisse absolution ist eben als keine absolution". β5

30",

468,

3

ff.

»e 3 0 " , 484, 33 ff.; 50, 632, 16 ff.

87

12, 183, 26; vgl. 8, J05, 22 ff.: das rechte priesterlidie Amt ist verloschen „und an seyn Stadt eyn abgott menschlicher lere und gesetz auffgericht". • 8 Vgl. J u l . Köstlin, Luthers Lehre von der Kirche, Stuttgart i 8 j 3 , S. 27. ·* Vgl. 8, 4 J 9 , 38 f.: Impossibile est igitur Euangelium simul cum iure canonico regnare. — Z u Luthers Stellung gegenüber dem römischen Kirchenrecht vgl. R . Sohm, Kirchenrecht I , Leipzig 1892, S. 460 ff. Allerdings verzeichnet Sohm das Bild gröblich, insofern er behauptet, Luther habe nicht nur das vorliegende kanonische Recht, sondern ein Kirchenrecht und eine rechtliche Verfassung der K i r d i e überhaupt verworfen. G . Holstein (Die Grundlagen des ev. Kirchenrechts, Tübingen 1928, S. 84 ff.) hat nachgewiesen, daß Sohm Luthers Aussagen über das kanonische Redit überinterpretiert. Luther habe nie das Kirchenrecht an sich verworfen. V g l . auch G . T ö r n v a l l (Geistliches und weltliches Regiment bei Luther, München 1947, S. 1 1 6 , Anm. 1 5 5 ) , der Sohms These von der Unmöglichkeit eines Kirchenrechts als direkte Folge der spiritualistisdien Auffassung des Gottesreichsbegriffs bei Sohm kennzeichnet. Ebenso sieht W. O. Munter (Die Gestalt der Kirche ,nach göttl. Recht', München 1 9 4 1 , S. 50) die Wurzel der Ablehnung allen Kirchenrechts bei Sohm in seinem spiritualistischen Doketismus, der ihn die wahre Fleischwerdung Gottes und damit die Menschlichkeit der Kirche übersehen ließ. In Luther liest Sohm seine Gedanken hinein. V g l . zur Sohmkritik insbesondere neuerdings W. Maurer, Pfarrerrecht und Bekenntnis, Berlin 1 9 J 7 . 3

791$ Lieberg, Amt

33

c) Die hierarchische Entstellung Aus dem gesetzlichen Verständnis des Amtes folgt die Verkehrung seines Wesens aus einem Dienst an der Gemeinde in ein Herrschen über die Gemeinde100. Die Konsequenz wiederum aus solchem Amtsverständnis ist die Schwergewichtsverlagerung von der Amtsfunktion auf den Amtsstand, der zudem durch die satisfaktorische Entstellung des Amtsdenkens mit dem Glorienschein heilsmittlerischer Qualitäten umgeben war. Der geistliche Stand als solcher — also auch abgesehen von seiner rechten Funktion — wird so zum eigentlichen Träger des geistlichen Wesens der Kirche, und es wird ein tiefer Graben zwischen dem Klerus und den Laien, dem ordo und dem populus aufgerissen. Daß man sich damit vom Neuen Testament entfernt hatte, hat Luther mit scharfem Blick erkannt. Besonders seit ihm in der Leipziger Disputation 1519 das gesamte römische Autoritätensystem fragwürdig geworden war, kam ihm die Idee des allgemeinen Priestertums immer deutlicher ins Blickfeld. Am 18. Dezember 1519 schreibt er an Spalatin, daß ihm der Unterschied zwischen Priestern und Laien — so oft er darüber nachdenke — nur in dem ministerium, dem Dienst am Wort und Sakrament, zu liegen scheine (wenn man von den Pflichten absieht, die die römische Kurie den Priestern aufgelegt hat)101. Der Gedanke des allgemeinen Priestertums aus ι. Petr. 2 und Offb. 5 hat deutlich bei dieser Einsicht Pate gestanden102. Im Jahre 1520 sind dann diese Erkenntnisse zu voller Klarheit gereift. In der Schrift „An den christlichen Adel" lehrt Luther in Anknüpfung an ι. Kor. 12, daß der Unterschied zwischen den Christen, die ja alle Glieder des einen Leibes Christi sind, nur in dem verschiedenen Werk und Amt ( = Dienst) liegt, mit dem sie einander dienen103. Der Dienstgedanke beherrscht die Auffassung Luthers von den Funktionen und dem Zusammenwirken der einzelnen Glieder des einen Körpers. Auch das geistliche Amt hat sein Wesen nur im Dienen. Das Gegenteil davon aber stellte sich Luther in der römischen Amtsgestalt dar. In de captivitate babylonica greift er aufs schärfste die tyrannis clericorum in laicos an und wirft dem päpstlichen Klerus vor, daß er — die Bestimmung des Amtes zum Dienen vergessend — in pharisäischer Überheblichkeit, im Vertrauen auf die Salbung der Hände, auf Rasur und priesterliche Kleidung sich über die christlichen Laien, die doch auch mit dem heiligen Geist gesalbt sind, erhaben dünke und sie für unwürdige Hunde halte104. 100 Audi das Abgleiten in politisch-weltliche Herrschaft bei den römischen Bischöfen und dem Papst ist aus einem gesetzlichen Verständnis des Amtes zu begreifen. Wer nicht Gesetz und Evangelium zu unterscheiden versteht, versteht audi nicht die zwei Reiche Gottes auseinanderzuhalten. 101 10S 144

34

10£ W A Br i, $95, 16 ff. 30 f. ibid. Z. 28 ff. 6, 407, i j ff.; 408, 26 ff.; 409, ι ff.; vgl. 15, 625, 7. 6, 563, 31 ff.; vgl. 6, 3 J 4 , 15 ff.

Die fraterni tas Christiana geht darüber in die Brüdie105, aus Hirten werden Wölfe, aus Knechten Tyrannen, aus Geistlichen mehr als Weltliche10'. Das Amt ist da nicht mehr am anderen orientiert, sondern an sich selbst und wird in diesem egozentrischen Verstände zum Bauchdienst107. Luther setzt entgegen, daß das Amt aliud nihil est quam ministerium108. Die Amtsträger haben kein ius imperii, nisi quantum nos sponte nostra admitteremus109. Wo ein solches Recht zum Herrschen dennoch in Anspruch genommen wird, liegt nach Luther ein Abfall vom Evangelium und eine Perversion ins Antichristliche hinein vor. Christus hat den Aposteln mit der Übertragung der Schlüsselgewalt nicht ein dominium, sondern ein ministerium gegeben, die Schlüssel sind nicht irdische Herrschaft, sondern Hilfe zum Eingang ins Himmelreich durch Vergebung der Sünden110. Das gleiche gilt von denen, die im Amt der Kirche den Aposteln nachfolgen. Episcopi enim successoresque Apostolorum non dominationes sed ministeria habent. Servi vocati Ecclesiae Christi, sicut Paulus -Colos. ι dicit111. Die Verkehrung des Dienstamtes in ein Herrscheramt bedeutet notwendig die Preisgabe des funktionalen Charakters des Amtes zugunsten eines statischen Verständnisses. Hand in Hand mit der Bekämpfung der hierarchischen Entstellung des Amtes geht darum bei Luther die Bekämpfung der römischen Lehre vom geistlichen Stand, in der Luther die Legitimation der Depravation erblickte. Nach der römischen Lehre war der geistliche Stand auf den seinsmäßig eingeprägten character indele»os é, j 6 4 > 3 f.

107

™6,S64,

4 f.

38, 221, 9 ff.: . . . Ja wol, Sie werden jnen selber und allein jrem bauche geweyhet; vgl. 38, 199, 2 ff.; 208, 3 j ff. 108 6, 564, 13 f.; vgl. 6, 564, I i f.: sacerdotes . . . quos vocamus ministri sunt; 6, 566, 32 f.; $67, 17 f.; 2, 676, 37: Potestas P a p a e servitus est, non dominium. Vgl. auch E. Chr. Adielis, Studien über das geistliche Amt', Theol. Stud. u. Kritiken 1889, S. 34 f - 7 3 ff· 10 * 6, 564, 9; vgl. W A Br 5, 492, 27 ff. (Luthers Stellungnahme zu der Frage, ob und inwieweit die Bischöfe der Kirche Zeremonien gebieten dürfen): episcopus ut episcopus nullam habet potestatem super ecclesiam suam ullius traditionis aut ceremoniae imponendae, nisi consensu ecclesiae vel expresso vel tacito. Quia ecclesia est libera et domina, et episcopi non debent dominari fidei ecclesiarum . . . Sunt enim ministri et oeconomi tantum, non ecclesiae domini . . . ; audi Br. j , 493, 63 ff. und W A 2, 677, 27 ff.; 8, 2J4, 17 ff. — Bezüglich der Stelle 6, J64, 9 besteht die Kritik W . Brunottes (Das geistl. Amt bei Luther, Berlin 19J9, S. $8) an A. W . Diedchoffs Interpretation wohl zu Recht. 110 4 i , 461, i j f f . ; vgl. i, J96, 29 ff.; 2, 248, 35 ff.: sanct Peter odder ein priester ist ein diner an den Sdilüsseln, Die kirch ist die f r a w und brawt, der er sol dienen mit der schlüssel gewalt: Das Weiden von Joh. 21 ist nidit Herrschaft, sondern Predigen: 2, 19$, 19, ff.; 6, $64, 23 f. 111 7> 7$3> 28 f.; vgl. 2, 678, 6 ff.; 6, J43, 28: N o n enim imperia, non potestates, non dominationes, sed ministeria in Ecclesia sua constituit; 8, J02, 17 f.: nidit hirsdien, sondern den schaffen dienen . . . ; 11, 271, 11 ff. — Vgl. P. Althaus, Communio sanctorum, München 1929, S. 65 f.

3'

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bilis gegründet ohne innere Beziehung auf die Wahrnehmung der rechten Amtsfunktion. So konnte es geschehen, daß auf Rechte und Würdigkeiten des geistlichen Standes gepocht wurde, während die redite Amtsfunktion überhaupt unterblieb. Luther hatte ein nicht predigendes und die von Christus geordnete Gnadenmittelverwaltung vernachlässigendes Amt in der päpstlichen Kirche vor Augen 1 ". Das ist ihm ein Widerspruch in sich selbst, denn: sacerdotis munus est praedicare 113 . Wenn Luther sagt: Ministerium verbi facit sacerdotem et Episcopum 114 , so ist das ,facit' im strengen Sinne zu nehmen. Es besagt, daß für Luther die tatsächliche Ausübung der rechten Amtsfunktion so zum A m t gehört, daß es ohne dieselbe nicht im vollen Sinne existent ist. Das A m t ist ihm ganz wesenhaft Dienst und Werk, in seinem Sein funktional bestimmt. Zum Nachweis dessen greift Luther gerne auf die Amtsterminologie des Neuen Testaments zurück, das Ausdrücke verwendet, welche stets auf die Funktion des Amtes hinweisen. „Die schrifft, sag ich, heysset den geystlichën und priesterstand eynn dienst, eyn pflege, eynn ampt, ein aider, ein wartte, eynn hutt, eyn prediger ampt, hyrtten" 1 1 5 . Damit verbindet Luther eine weitreichende Feststellung. Wenn Paulus sage ,dispensano', ,Economia', ,ministerium',,minister', ,servus' etc., dann tue er es zu dem Zweck, ut ubique non statum, ordinem, ins sett dignitatem quandam (ut nostri volunt) erigerei, sed officium et opus tantum commendaret, iure 112 38, 222, 2J ff.: Diese P f a f f e n üben der obgenanten stück keines, die zur Kirchen erhaltung Christus geordent hat, Sie Predigen nicht, Sie Teuffen nicht, Sie reichen das Sacrament nicht, Sie Absolvirn nicht . . . Sie sind jnn keinem ampt der seelsorgen noch bey den sterbenden etwas thun, Sondern es ist das unnutz faul, mussig gesinde, die allein das Sacrament (wie sie meinen) handeln und f u r ein opffer und werde verkeuffen, fressen da f ü r beide, der Christen und unchristen, güter . . . ; vgl. 38, 223, II ff.; 41, I J 6 , 2j.f.; 41, 183, 7 f . : nostri Episcopi, quia habent nomen, opus vero nolunt attingere; 50, 248, i f f . — Vgl. auch oben S. 26 ff. — Die Ausflucht: das Predigen und Weiden werde von Papst und Bischöfen dodi „per alios" wahrgenommen, läßt Luther nicht gelten. Vgl. 2, 179, 6 ff.: hoc verbum (pasee oves meas) insuperabiliter concludit, aut pastores esse debere, etiam per seipsos amantes et docentes, aut, si non per seipsos amant et docent, nihil hoc verbum ad eos pertinere; 2, 670, 22 ff. 30 ff.: nisi pontífices ipsi pascant, orent, regant, non sunt pontífices, et verbum .pascere' nihil ad eos pertinet prorsus. Allerdings hat sich Luther gelegentlich auch anders dazu geäußert. S o in der Schrift über die Naumburger Bisdiofsweihe I J 4 2 : 53, 253, 2 1 ff.: „Doch dringen wir nicht so hart darauff, das ein Bisdioff fur seine Person solch Bischoffliche Ampt ausrichten müsse. Gantz hertzlich gerne wollen wir auch fur Gott das auff uns nemen „ . . das sie S. Valerij Exempel mochten nach folgen . . . " ; so audi in der Vermahnung an die Geistlichen zu Augsburg 1530: 30II, 340, 20 ff. Jedoch sind soldie Äußerungen nicht grundsätzlich zu verstehen, sondern als Rücksichtnahme auf vorhandene, schwer zu ändernde Gegebenheiten und als Zugeständnis an dieselben. 118 6, j66, $ f . ; vgl. 26, J2, 29 ff.: Audivimus, Episcopum debere hanc gratiam habere, ut bene doceat et libenter. H o c est enim principale opus et officium Episcopi: ministerium verbi; j o , 247, 3 ff.: Ein rechter christlicher Bischof, „der die Kirdie mit Gottes Wort und Sacramenten versorget". 114

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6, J66, 9.

118

7, 630, 14 ff.; vgl. 8, 247, I J f.; 4 1 , 210, 6 ff.

et dignitate sacerdotii in communi relictis1". Die Entgegensetzung von status, ordo etc. auf der einen Seite und officium et opus auf der anderen Seite ist bezeichnend. Die Antithese zur hierarchischen Entstellung des Amtes im Papsttum führt Luther dazu, in einem seinsmäßig von den Laien abgehobenen geistlichen Stande überhaupt ein Übel zu sehen, das bekämpft werden muß. So zerbricht Luther unter dem Gesichtspunkt der funktionalen Bestimmtheit des Amtes das römische Standesdenken und ersetzt es durch die dort vergessene Lehre vom allgemeinen Priestertum aller Gläubigen. Dabei spielt für Luther auch der Gedanke der geistlichen Einheit der Christenheit eine wichtige Rolle. Die seinsmäßige Trennung von Klerikern und Laien und die damit verbundene Heraushebung des Klerus über die Laien ist ihm Zerreißung der christlichen Einheit117. „Die . . . solche secten ym Christlichen volck eyngefurt unnd das geteyllt haben ynn clericken unnd leyhen . . . : die selbigen, die solchs erfunden, haben die eynickeytt des Christlichen volcks tzur teyllt und tzuschnytten"118. Bischof und Priester sind „keyn name eyner secten, ßondern eyn name des ampts""9. Es geht beim geistlichen Amt nicht um den besonderen privilegierten Stand, sondern um den besonderen Dienst an der Gemeinde. Besonders gefährlich wird für Luther die Lehre von der seinsmäßigen Verschiedenheit von Klerus und Laien nun vor allem dadurch, daß dieser seinsmäßig über die Laien hinausgehobene geistliche 116

12, 190, 19 ff. — Die römisch-hierarchische Entwicklung setzt nadi Luther da ein, w o „dise namen Apostel, Bischoff und annder nicht empter oder dienste, sondern wirdigkeiten und herschafften zu seyn begynnen" (17II, ij6, 7 f.). Vgl. 7, 28, 26 ff.: „Die heylige schrifft gibt keynen andern untersdieyd, denn das sie die gelereten odder geweyheten nennet ministros, servos, oeconomos, das ist, diener, knedit, Schaffner, die do sollen den andern Christum, glauben und Christliche freyheit predigen . . . Aber nu ist aus der schaffnerey worden eyn soldi weltlich, eußerliche, preditige forchtsam hirschafft und gewalt, das yhr die redit weltlich macht ynn keynem weg mag gleychen . . v g l . 2, 234, 38; 23J, 1; 2, 196, 36 ff.; 2, 670, 11; 12, 390, 3 fr. 117 Dadurch, daß clerici et laici plus discernerentur Euangelicae communionis confusio entstanden (6, 563, andere Besonderheiten des Klerus) sieht Luther unter sich dadurch noch weiter von den übrigen Christen 565, I i ) .

quam coelum et terra, ist eine 29 ff.). Auch den Zölibat (und dem Gesichtspunkt, daß man tanquam profanis absetzt (6,

118 8, 503, 32 ff.; vgl. 6, 408, 33 ff.: Christus hat nit zwey nodi zweyerley art corper, einen weltlich, den andern geistlich: Ein heubt ist und einen corper hat er; 8, 429, 30 ff.: Christianum populum esse simplicem, in quo prorsus nulla secta, nulla differentia personarum, nullus laicus, nullus clericus, nullus rasus, nullus unctus, nuilus monadius esse debeat, sed sine ullo discrimine omnes vel coniugati vel coelibes arbitrio quique suo, sicut m o d o in civilibus communitatibus videmus naturaliter fieri. Episcopi vero, seu presbyteri seu seniores, seu diaconi prorsus nulla re differre a caeteris Christianis debent nisi solo officio verbi et sacramenti; 8, 503, 23.

" · 8, J04, ι ff.; vgl. 8, 430, 3. — Allerdings m u ß audi beachtet werden, daß Luther unter funktionalem Vorzeichen durchaus selbst eine Untersdiiedenheit zwischen den Pfarrern und den andern Christen lehrt und audi den Begriff des geistlichen Standes im Rahmen seiner Dreiständelehre selbst aufnimmt. Vgl. unten S. 115 ff. 37

Stand heilsmittlerisch verstanden wird. Er allein hat die Gewalt, das Meßopfer darzubringen, durch das das Heil nun konkret gewirkt wird. Um seiner heilsmittlerischen Privilegien willen wird er als höhere Stufe, auch vor Gott, gewertet und von ihm das Heil erwartet statt von Christus. Luther spürt hier die Gefahr für die Rechtfertigung sola gratia sola fide. „Also sollen die prister vor gott nit mer sein dan wir, gleich wie eines fürsten amptleutt. Man sol ia in sie nit getrawen . . ." 1!0 . Die Abwehr des Gedankens an eine höhere Stufe vor Gott, die der ordo geben und die einen Heilswert in sich darstellen soll, treibt Luther besonders dazu, den seinsmäßigen ordo überhaupt zu bekämpfen und ihn durch einen funktionalen Amtsbegriff zu ersetzen. Daß ein seinsmäßiger ordo nicht unbedingt im Gegensatz zur Funktionsbestimmtheit des Amtes stehen muß, bleibt Luther über dem dunklen Bild des die redite Funktion unterlassenden, auf statische Standesprivilegien gestellten und heilsmittlerisch entstellten römischen Amtes seiner Zeit verborgen. Ein weiterer Grund für Luther, die Lehre vom seinsmäßigen geistlichen Stande zu bekämpfen, ist der Umstand, daß sie im Papsttum den Klang hatte, als madie erst der ordo einen geistlichen Menschen, daß sie da verknüpft war mit einer grotesken Unterbewertung der Taufgnade und einer Verdeckung des aus der Taufe sich ergebenden geistlichen Charakters jedes Christenmenschen. Es fehlte der römischen Lehre vom geistlichen Stande die Basis des allgemeinen Priestertums. Um diese wieder herzustellen, tritt Luther der Lehre vom seinsmäßigen ordo überhaupt entgegen. Berücksichtigt man alle diese Motive, so wird man sagen müssen, daß die Antithese ,ηοη status, ordo etc., sed officium et opus' bei Luther von der Entstellung des römischen ordo her zu verstehen ist. Die hierarchische Entstellung des Amtes aus einem Dienstamt zu einem Herrscheramt beruht auf der Verkennung der funktionalen Bestimmtheit des Amtes und führt dazu, daß die Amtsinhaber auf ihren Privilegien sitzen, die sie über das Volk hinausheben und das Volk von ihnen geistlich abhängig machen, und das redite Werk des Amts verleugnen. Demgegenüber trägt Luthers Amtsbegriff die Züge des Dienstgedankens, der als entsdieidenden Inhalt des Amtes die rechte Amtsfunktion betont, und stellt das geistliche Amt auf die den breiten Graben zwischen Klerus und Laien schließende Basis des allgemeinen Priestertums. — ι » Ι0ΙΠ, ι f. V g l . 2 , 196, 38 ff.: impositio officii per verbum .pasce' nullum ei maiorem gradum contulit nec conferre potuit; 2, 4 8 2 , 3 2 ff.; 8, 2 5 4 , 24 f.: A l ß o haben w i r die tzween namen widder abjagt den kirchen rewbern, das sie nit kirdi nodi priester sind mehr denn alle christen; i o 1 1 1 , 396, 24 ff.: D a w ü r t das geistlich recht zu T r ü m m e r n gehen und sie weren nit dörffen sagen, das sie besser sein dan w i r , dann der teufel hat das gestifft; und also hat man uns auf die prister gefiirtt, das w i r gemeint haben die prister sein unser mittel zu gott, durch die w i r müssen selig werden.

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Luthers Amtslehre ist nur zu verstehen auf dem Hintergrund der besonderen Situation, in der er sich befand. Sie ist nicht einfach Produkt dieser Situation, aber sie ist audi nicht zu begreifen abseits dieser Situation. Sie ist innerlichst verwurzelt in dem evangelischen Ansatz, in dem reformatorischen Verständnis des Evangeliums, in der Rechtfertigung sola gratia sola fide, aber sie hat ihre besondere Ausprägung erlangt in dem Konflikt und der Auseinandersetzung mit der Luther gegenüberstehenden römischen Amtsgestalt. Natürlich begründet sich diese Auseinandersetzung ihrerseits wiederum auf Luthers neues Evangeliumsverständnis und seine Rechtfertigungslehre und ist weitgehend deren praktische Anwendung. Darum kann als tragende Kraft für Luthers Amtslehre nur die innere sachliche Komponente, die Notwendigkeit des Dienstes am Wort von der Rechtfertigung her, gelten, die andere äußere, in der polemischen Situation gegenüber Rom wurzelnde Komponente kommt nur als mitformend in Betracht, darf aber keineswegs unberücksichtigt bleiben. Als Ergebnis der Untersuchung der prinzipiellen Voraussetzungen von Luthers Amtsbegriff halten wir fest: Das kirchliche Amt ist für Luther ganz und gar untergeordnet unter das Evangelium, es ist Dienst am Evangelium, zur Übereignung der Heilsgüter des Evangeliums an die Menschen. Es hat sein Wesen in der tatsächlichen Ausrichtung des Evangeliums, das den Glauben an die Heilstat Christi weckt und somit zur Rechtfertigung des Sünders vor Gott führt. Es beruht auf der Heilsnotwendigkeit des verbum externum (antischwärmerische Grundposition) und ist allein von diesem Wort als dem Evangelium von der freien Gnade Gottes in Christo bestimmt (antirömische Grundposition). Wir haben nun nach dieser Grundlegung Luthers Amtsbegriff im einzelnen zu untersuchen und nehmen unsern Ausgang dabei von dem Komplex des allgemeinen Priestertums, nicht nur, weil der Gedankengang des einleitenden Kapitels zu ihm hingeführt hat, sondern weil die Lehre vom allgemeinen Priestertum tatsächlich die Basis für die konkrete Ausführung der gesamten Amtslehre bei Luther abgibt und sein Amtsbegriff also mit sachlicher Notwendigkeit von daher zu entwickeln ist. —

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II. Kapitel: Das allgemeine Priestertum als Inbegriff des Amtes

ι . D e r geistliche S t a n d aller Christen A n die Entdeckung des E v a n g e l i u m s v o n der Glaubensgerechtigkeit propter C h r i s t u m schließt sich bei L u t h e r jene andere Neuentdeckung an, die m a n in den Begriff des allgemeinen Priestertums zusammenfassen kann 1 . D a v o n , daß alle Christen Priester und geistlichen Standes sind, w a r im Papsttum w e n i g oder gar nichts zu hören gewesen. Luther stößt zu dem neutestamentlichen Begriff des Priestertums v o r und lehrt seit 1 5 2 0 in aller K l a r h e i t : „ A l l e Christen sein w a r h a f f t i g geystlichs s t a n d s " 2 und „ . . . omnes sumus sacerdotes, quotquot Christiani sumus" 3 . J e d e r Christ, der an C h r i s t u m glaubt und g e t a u f t ist, ist m i t dem heiligen Geist gesalbt u n d geheiligt an L e i b und Seele 4 , ist v o n G o t t gelehrt u n d gesalbt z u m Priester 5 , ist mit C h r i s t o im Glauben eins und hat darum auch A n t e i l an Christi Priestertum 6 , ist mit Christo z u m Priester ge1

Die innere Verbindung der Lehre vom allgemeinen Priestertum mit der Rechtfertigungslehre Luthers hat ausführlich dargestellt H . Storck, Das allg. Priestertum bei Luther, Theol. Existenz N F Nr. 37, München 19J3, S. 6—20, auch S. 4 f. Vgl. audi F. J . Stahl, Die Kirchenverfassung usw., 2. Aufl. 1862, S. 1 0 1 ; G. Rietschel, Lehrbuch der Liturgik II, 1909, S. 406; K . Holl, Luther, S. 318; G. Niedermeier, Das allg. Priestertum der Gläubigen und das geistliche Amt, Ztschr. f. system. Theol., 1930, S. 345. Jul. Köstlin hat die Verwurzelung der Idee des allg. Priestertums im Kirchengedanken von der Gemeinde der Heiligen bei Luther gezeigt, Luthers Lehre von der Kirche, Stuttgart 1853, S. 47. 1 6, 407, 13 f.; 408, 28 f.; 7, 628, 7.23 f. und 634, 9 ff. 23 ff. s 6, 564, 1 1 ; 566, 27; vgl. 6, 412, 20; 7, 633, 16; 634, 9 ff. 23 fr.; 8, 217, 14; 250, 32; 4 1 J , 23 f.; 486, 27 f.; 487, 10 f. 36 f.; 488, 34; 489, 3.6; 492, 19 fr. 37 fr.; 555, 7 ff.; 12, 178, 28 ff.; 317, 10 f.; 25, 16, 17.23; 38, 247, 21 ff.; 41, 153, 10 f.; 154, 20; i f f . 10; 49. 590» 3 6 · 4 6, 566, 16 f.; vgl. 41, 155, 26 ff.: Aber die Christen müssen eitel heilige Priester sein und heiligen schmuck haben, Denn hie ist ein ander Man, der diese zu Priester weyhet, Nemlidi der einige hohe Priester Christus . . . Und ein ander Chresem odder Salbung und Priester weyhe gibt, nemlich den heiligen Geist, der sie herrlich und heiliglich schmückt und kleidet mit seiner krafft und gaben. 5 Ii, 4 1 1 , 31 ff.; 412, 5 ff. 8 12, 179, 15 ff.; 7, 27, 17 ff.; vgl. 4, 224, 2 1 : omnes fideles per Christum sacerdotem sunt sacerdotes.

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weiht7. Im Neuen Testament gilt nur das Priestertum Christi. „ W y r haben nur eynen eynigen priester, Christum, wilcher sich selbst fur uns und uns alle mit yhm geopffertt hatt" 8 . Aus dem Priestertum Christi aber ergibt sich das Priestertum der Christen. „ D i ß ist eyn geystlich priesterthum, allen Christen gemeyn, da durch w y r alle mit Christo priester sind, das ist, w y r sind kinder Christi, des höchsten priesters"®. i. Petr. 2, 9 auslegend sagt Luther: „ . . . alle sind w y r priester fur Gott, so w y r Christen sind. Denn syntemal w y r auff den steyn gelegt sind, wilcher der ubirst priester fur Gott ist, so haben w y r auch alles, was er hatt" 10 . Der Stein ist Christus, auf ihn gelegt sein, das heißt an ihn glauben, der Glaube aber läßt an Wesen und Gütern Christi partizipieren. Das „heylige und geystliche priesterthum" 11 , um das es Luther geht, bezeichnet zunächst einfach die durch den Glauben an Christus gewonnene Unmittelbarkeit zu Gott, die Gottesgemeinschaft, den Stand der Versöhnung und Gotteskindschaft, den Christenstand 12 . Wer Priester ist, hat freien Zugang zu Gott, darf vor Gottes Angesicht treten13. Das gilt von den Christen, sofern sie in Christo sind, der sie mit Gott versöhnt hat. Sie sind nun auch nach i. Petr. z, j befähigt, Gott geistliche Opfer darzubringen. Es handelt sich um das Opfer des Leibes und das Lob- und Dankopfer der Lippen und der Liebestat14. Das Bekenntnis zu Christus und das Lehren von Christus zur Ausbreitung des Gottesreichs auf Erden, sowie das Leiden in der Nachfolge Christi sind solche heiligen Opfer". Sie können nur dargebracht werden von einem, der bereits geistlichen 7 Ii, 4 1 2 , 1: „die Christen, Christus bruder, die mit yhm zu priester geweyhet sind". Dazu, daß die Christen Christi Brüder sind, vgl. 15, 7 2 0 , 15 und 3 8 , 2 3 0 , 3 f. 7. 8 8 , 4 8 6 , 21 f. * 8 , 4 8 6 , 2 7 ff.; vgl. 4 1 j, 2 2 ff.; 4 1 , 2 0 5 , 5 ff.: es ist ein starete definido, quod neseimus alium priester oder pfaffen quam Jesum Christum, Gottes son, unsern herrn, Et post alle aus im geboren heissen priester kinder . . . Er ist unser vater, w i r seine kinder. Ergo sol man einen iglichen Christen heissen einen gebornen Priester . . . Ergo durffen wir uns des namen nicht Schemen, das wir Priester kinder heissen; vgl. aud) 4 1 , 2 0 4 , 2 9 ff.; 4 9 , 7 1 4 , 3 6 ff.; $ 2 , J 6 7 , u f f .

3 r 7> 4 ff·; v g l - 6, $6γ, 2 9 f.; i o ™ , 3 9 4 , ijS.; 1 2 , 3 0 7 , 2 2 f. 1 2 , 307, 2 2 . 12 Vgl. H . Storck, a. a. O., S. 1 6 f.; R. Josef son, Das A m t der Kirdie, in: Ein Buch von der Kirdie, Göttingen 1 9 5 1 , S. 3 9 2 . 10

I2>

11

1 5 1 2 , 3 1 7 , 2 6 : Priester sein heißt: „das du darffst fur Gott tretten . . . " ; 16, 4 0 6 , 2 1 ; vgl. 1 2 , 3 1 7 , 1 9 f.: eyn priester seyn . . . ist alleyn eyn soldi ampt, das fur Gott handlet; 7 , 2 8 , 7 ff.; 8 , 4 8 6 , 3 1 f.; 4 1 , 1 9 3 , 1 7 ff.; 2 1 2 , 11 f. 14 6> 371, 21 ff·; 8 , 2 J 2 , 3 0 ff.; 8 , 4 2 0 , 3J ff.; 4 9 2 , 16 ff.: (zu Rö. 1 2 , 1 f.) Hie kan niemandt leucken, das er hie das priesterlich ampt beschreybe, wildis nicht anders ist, denn eyn vernunfftiges opffer . . . sidi selber got opffern; 4 9 2 , 2 1 ff. 3 1 ff.; 4 9 3 , 1 ff.; 1 2 , 1 8 5 , 1 9 ff. Vgl. zum Thema .Priestertum und Opfer' bei Luther V . V a j t a , a. a. O., S. 2 7 0 ff. 15

4 1 , IJ4, 2 7 ff.; 2 1 1 , 8 ff.: Das opffern stehet gar im leiden; 4 9 , 7 1 4 , 3 8 f. 41

Standes ist, das heißt a Christiano, qui spiritum Christi habet18. Streng zu scheiden sind diese Opfer der Christen von dem allein für Sünde genugtuenden und sühnenden Opfer Christi, sie sind ein anderes genus von Opfer, wenn sich die Tatsache, daß sie dargebracht werden können, auch auf das eine Opfer Christi gründet, sie sind nicht Opfer für Sünde, sondern Lobopfer für die Erlösung aus der Sünde". Mit dieser Deutung des Priestertums der Christen auf die Unmittelbarkeit zu Gott und die Fähigkeit gottwohlgefällige geistliche Opfer darzubringen, verbindet sich nun aber bei Luther sofort der Bezug auf die anderen, für die ein Christ — dem Exempel Christi folgend — sich opfern und vor Gott priesterlich einstehen soll18. Darauf hat schon Paul Althaus im Zuge der Untersuchung des communio-Gedankens bei Luther hingewiesen18. Indem die Christen Anteil bekommen am Priestertum Christi, treten sie auch in das priesterliche Walten Christi an den anderen ein und werden so der anderen Priester20. Hier spielt für Luther der Gedanke der Gleichförmigkeit des Christen mit Christus, den in jüngster Zeit besonders Hans Stordì 21 und Gösta Hök 22 unterstrichen haben, eine bedeutsame Rolle. Darf der Christ im Glauben an Christus vor Gott treten und geistliche Opfer darbringen, so wird er sofort notwendig in das priesterliche Liebeswerk Christi an den andern hineingezogen und überkommt Verantwortung für den Nächsten, dessen Priester er nun wird. So folgt aus dem ,vor Gott treten' sogleich das ,für andere bitten' 18

12, 186, I ff. 4 1 , 2 1 1 , 7 f.: Non possumus offerre pro peccatis sicut Christus, Das gehört Christo allein zu. Vgl. G. Hök, a . a . O . , S. 158. 18 In dem Bezug auf den anderen liegt nach Luther audi der Unterschied des Priesterbegriffs vom König-Begriff: 16, 407, 33 ff.: Also ist nu ein yglidier Christ ein könig f ü r sich selber und ein priester fur andere, Das Priester thumb ist höher denn das königreich, es breyt sich weitter aus, Denn der Priester treibt das wort nicht allein fur sich, sondern fur andere; vgl. 7, 28, 6 ff.: Ubir das seyn wir priester, das ist noch vil mehr, denn künig sein, darumb, das das priesterthum uns wirdig macht fur gott zu tretten und fur andere zu bitten, Denn fur gottis äugen zu stehn und bitten gepürt niemant denn den priestern . . . wer mag nu außdencken die ehre und höhe eyniß Christen menschen? durch seyn künigreych ist er aller ding meditig, durch sein priesterthum ist er gottis meditig, denn gott thut, das er bittet und wil. 17

18 Communio sanctorum, München 1929, S. 68 ff., bes. S. 69: „Priester ist man immer für andere", „Indem der Einzelne unmittelbar vor Gott gestellt wird, erhält er gerade die Vollmacht der Stellvertretung". — Vgl. audi Jul. Köstlin, Luthers Lehre von der Kirche, 1853, S. 61 ff., der audi schon diese Seite des allg. Priestertums bei Luther hervorgehoben hat. — Neuerdings wieder bei V . Vajta, a. a. O., S. 272. M 10ΠΙ, 309, I i ff. — Vgl. K . Holl, Luther, S. 332. 81 a. a. O., S. 1 7 f., audi S. 26 f., wo von Storck gezeigt wird, wie das Priestertum der Christen sich darin erweist, daß sie bereit sind, die Verantwortung für die ihnen durch ihr jeweiliges besonderes Amt ( = Beruf) anvertrauten Nädisten zu übernehmen. Vgl. audi E. Vogelsang, Der angefochtene Christus bei Luther, Berlin und Leipzig 1932, S. 74 ff. !2 a . a . O . , S. 1$6.

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und dann auch das ,andere lehren', die Verkündigung der Heilstaten Gottes nach i. Petr. z, 9. Als priesterliehe Werke der Christen erscheinen bei Luther nebeneinander nicht nur: vor Gott treten und heilige Opfer darbringen", sondern auch: vor Gott treten, für andere bitten und predigen oder lehren". Es muß aber im Auge behalten werden, daß das primäre Element in dem Begriff des Priestertums bei Luther, aus welchem das Einstehen für andere erst hervorgeht, doch die durch Christus gewonnene Unmittelbarkeit zu Gott, die Gottesgemeinschaft bleibt, deren eben jeder Christ im Glauben teilhaftig ist". Alle Christen sind Priester, das heißt primär immer, sie sind geistlichen Standes vor Gott, erlöste Kinder Gottes durch den Glauben an Christus. Mit dieser Lehre vom allgemeinen Priestertum ist Luther in Gegensatz getreten zu der herrschenden römischen Auffassung vom Priestertum. Die Dazwischenschaltung des mittlerischen Priesters im römischen System, die unbiblisch ist und gegen das einige Mittlertum Christi verstößt, ist abgetan. Der Heilsstand des Christen bedarf keiner solchen mittle13

41, 154, 27 f.: die da jmer f u r Gott stehen und eitel heilige opfïer thun; 212, 8 f.: das ist die ehre, das wir durch Christum so hoch geweihet sind, das wir durffen beten und opfern. 14

7, 28, 7 ff.; 7, J4, 24 f.: per sacerdotium digni sumus coram deo apparere, pro aliis orare et nos invicem ea quae dei sunt docere. Haec enim sacerdotum officia sunt; 8, 487, 3 ff.: . . . sie (die Schrift) macht das gebet, den tzutritt f u r Gott und die lere (wildis als eynem priester eygent und gebürt) allen menschen gemeyn; 12, 307, 2 7 f f . : Nu ist Christus der hohe und ubirste priester von Gott selbs gesalbet, H a t audi seyn eygenen leyb geopffert f u r uns, wilchs das höhiste priester ampt ist. Darnach hat er am Creutz für uns gebeten. Zum dritten hatt er audi das Evangelion verkündiget und alle mensdien geleret, Got und sich erkennen. Diese drey ampt hat er audi uns allen geben. Drumb weyl er priester ist, und wyr seyne briider sind, so habens alle Christen macht und befelh, und müssens thun, das sie predigen und f u r Got treten, eyner fur den andern bitte, und sidi selbs Gotte opffere; 12, 309, 24 ff.: Das ist nu das rechte priesterthumb, wilchs ynn den dreyen stücken stehet . . . : Das man geystlidi opffere, und fur die gemeyn bete und predige. Wer das thun kan, der ist priester; 16, 406, 19 ff.: Was ist nu ein Priester? Inn welches mund Got sein wort legt, . . . Item er opffert und bittet f u r die andern. Ein solch Priester ym glauben darff f u r Gott tretten, f u r das volck bitten, yhr wort reden und yhr bestes bey Gott furwenden, darnach von Gott heraus gehen zu dem voldce, yhnen Gottes antwort und befelh furlegen . . . ; vgl. 407, 14 ff. u. 25, i6, 18 f. Vgl. auch M. Rade, Das königliche Priestertum der Gläubigen und seine Forderung an die ev. Kirche unserer Zeit, T ü bingen 1918, S. 8. Das Moment des Bezuges auf die anderen in Luthers Begriff des allg. Priestertums ignoriert Brunotte (a. a. O., S. 149 ff.). Seine diesbezügliche Polemik gegen H . Storci (ebda.), V. Vajta (a. a. O., S. 151) und P. Althaus (S. 1J3, Anm. 124) erscheint uns gegenstandslos. 25

41, 210, 25 ff.: Fragstu aber: Worin stehet denn nu das Priesterthumb des Christen, oder was sind jre Priester werck? Antwort: Eben die selbigen, davon droben gesagt ist, nemlidi Leren, Opfferrn und Beten. Aber das mus man wissen, . . . das Christus ist der einige hohe Priester, welches Priesterampt wir müssen zuvor haben als uns zu gut gethan, ja zu eigen geschenckt, ehe wir solche Priester werck hinodi thuen.

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rischen Instanz28. Jeder Christ sdion ist durch Christus unmittelbar zu Gott. Luther bekämpft mit seiner Lehre vom allgemeinen Priestertum die Vorstellung, als sei ein geweihter und gesalbter Priester näher zu Gott, heiligeren Standes als ein getaufter Christ, „als seien sie allein Christus eigenthum", als hätten die Priester allein den Charakter, „das geystliche maizeichen jnn der seelen, so kein gemeiner Christ haben sol on allein die geweyheten Priester" 27 . Dieses Priestertum, das den geistlichen Stand vor Gott als sein alleiniges Vorrecht ansieht, ist für Luther ein verfluchtes Widerspiel des wahren und dient zur Entleerung des letzteren28. Jeder Christ hat vermöge seiner Verbindung mit Christus den geistlichen Charakter in der Seele. Erst durch des Papstes Gesetz und Regiment ist es dahin gekommen, „das die kostlichen gemeynen namen ,kirch', ,priester', ,geystlich' und der gleych sint von der gemeyne gewandt allein auflf den aller kleynistenn hauffen, den wir itzt geystlich und priesterstand, und yhr ding der kirchen ding nennen: ßo wir alle yn gemeyn kirche, geystlich, priester seyn, so viel unßer yn Christo glauben"2*. Den geistlichen Charakter auf den Klerus beschränken, hieße die Laien zu prophani erniedrigen30. Das Evangelium aber ist ja nicht allein den Geistlidien gegeben31, sondern allgemein, darum stehen alle Christen im Erbe Christi und sind geistlich32. Die Unterschiede zwischen den Christen, die dadurch entstehen, daß die einen die Funktionen des besonderen Amtes ausüben, die andern nicht, sind nur vor den Menschen, „vor Gott ist kein unterscheide"33. Sowohl im freien Zugang zu 26 8, 486, 28 f.: w y r sind kinder Christi, des höchsten priesters, w y r durften auch keyns andern priesters odder mittler» denn Christum; 487, 8 ff.: Ist doch Christus alleyn und sonst keyner aller Christen mitler und lerer; vgl. 8, 415, 24 ff.

"

38, 227, 31 ff. 20 ff.; vgl. 41, 205, 33 ff. 8, 4J9, 30 f.: H o c igitur maledicto et maledicendoque sacerdotio transfert et evacuai Christianum nostrum sacerdotium. 29 7, 634, 20 ff.; vgl. auch 633, 16; 7, 28, 28 ff.: Es ist dem wortlin ,priester', ,pfaff', .geystlich' und des gleychen unrecht geschehen, das sie von dem gemeynen hauffen seyn getzogen auff den kleynen hauffen, den man itzt nennet den geystlichen stand; 2, 189, 27 f.: est etiam in laicis spiritus Christi; 12, 317, 2 ff. 9 ff.: Darumb wollt idi seer gerne, das diss w o r t t .priester' eben so gemeyn were, als das man uns Christen heysst. Denn es ist alles eyn ding, priester, getauffte Christen . . . ; 8, 254, 6 ff. (gegen Emsers Zweiteilung der geistlidien und leiblichen Priesterschaft): A b e r Sanct Peters w o r t sind gottis wortt, die lassen keyn anderß, denn das eynige gemeyne priesterthum bestehen . . . 28

50 6, 565, 1 1 ; vgl. 7, 29, 2 ff.: . . . gerad als weren die leyen etwas anders denn Christenleuth. 3 1 10ΠΙ, 394, 32 ff.; 39J, 30 ff. 32 10HI, 396, 19 ff.: Die prister sollen in die güter Cristi nit allein unterwerffen, ein ander ist gleich sowol im erbe als sie. 33 10ΠΙ, 396, I i ff.; vgl. 398, 19 ff.: A b e r hie v o r den menschen so müssen w i r unsere priester eren, und in die ere lassen priester zu sein, aber v o r gott nit, dan v o r gott sein w i r alle priester durdi den glauben; 12, 309, 4 f. V g l . audi V . V a j t a , a. a. O . , S. 201.

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Gott als in der priesterlichen Verantwortung für die anderen, sind alle gleich, weil beides aus dem Glauben hervorgeht, der nur einer ist. In der Allgemeinheit des Glaubens ist die Allgemeinheit des Priestertums begründet". Und umgekehrt: wird die Allgemeinheit des Priestertums angetastet, so wird der Glaube zerstört, so ist „damit hyngenummen . . . der gantz vorstand Christlicher gnad, freyheit, glaubens und allis, was wir von Christo habenn, und Christus selbs"35. Es geht Luther bei der Behauptung des allgemeinen Priestertums um alle Güter des Evangeliums, die Negation dieser Lehre ist ihm gleichbedeutend mit der Negation des Evangeliums. Ganz besonders wird durch die Lehre vom geistlichen Stande und Priestertum aller Christen die Bedeutung der Priesterweihe nach römischer Auffassung angegriffen. Das was im Papsttum der Priesterweihe zugesprochen wurde, gibt Luther der Taufe zurück. Nicht der Papst macht mit seinem Weihen einen Christen „odder geystlichen menschen", der macht damit nur „gleysner und olgotzen", — vielmehr Taufe, Evangelium, Glaube „die machen allein geistlich und Christen volck"36. Luther proklamiert die Taufe als die rechte Priesterweihe: „Demnach szo werden wir allesampt durch die tauff zu priestern geweyhet" 37 . Es liegt bei allen Christen von der Taufe her eine seinsmäßige Gleichheit im christlichen Priestertum vor38. In der Schrift an die Böhmen De instituendis ministris (1523) stellt Luther der Erörterung des christlichen Priestertums den Satz voran, daß es im Neuen Testament keinen äußerlich gesalbten Priester gibt und auch nicht geben kann, denn: Sacerdos . . . novo praesertim testamento non fit, sed nascitur, non ordinatur, sed creatur3®. Es 34 6, 370, 24 ff.: Dan der glaub muß allis thun. Er ist allein das recht priesterlidi ampt, und lesset audi niemant anders scyn: darumb seyn all Christen man pfafien, alle weyber pfeffyn, es sey junck oder alt, herr oder knedit, fraw oder magd, geleret oder leye. Hie ist kein unterscheidt, es sey denn der glaub ungleych; 7, 634, 23 ff.;

539> 17 ff·; S55, 7 f.; 10HI, 398, 24 ff.: So idi nun glaub, so bin idi auch ein priester, wer wil mir das laucken? . . . Darümb brengt der glaub die pristerschafft mit im; 12, 308, 34 ff.: untersdieyd wilchs der glaub nidit leyden kan; i j , 720, 10 f.: Quid deus habet, scimus, nempe omnia. Sic Christianus per fidem. Ibi nullum discrimen, sive vir, mulier, anelila . . . ; 29 f.; 36: in commune sit et habeatur nomen sacerdotis et Christiani. Vgl. audi V . Vajta, a. a. O., S. 272. 35 3 7, 29, 3 ff. ° 6, 407, 18 f. 37 6, 407, 22 f.; vgl. 6, 564, 6 f.: nos omnes esse aequaliter sacerdotes, quotquot baptisati sumus, sicut revera sumus. 6, 370, 10 f.: alsampt gleydi geystlidie priester fur gott; 6, $64, 6 f.; 566, 27 (aequaliter); 7, 630, 10: Die sdirifft macht uns alle gleydi priester; 7, 6 3 1 , 28: alle gleydi geystlidi pfaffen; 12, 179, 39: ex aequo. " 12, 178, 26 f.; vgl. 38, 230, 8: unser angeborne und erbliche Priesterschafft; 230, 13 ff.: Da her auch der Heilige Geist im newen Testament mit vleis verhütet hat, das der name sacerdos, Priester oder pfaffe auch keinem Apostel nodi einigen andern ampten ist gegeben, Sondern ist allein der getaufften oder Christen namen, als ein angeborner erblicher name aus der Tauffe; 230, 26.

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ist damit das Priestertum als ein Stück des geistlichen Schöpfungsaktes in der T a u f e gekennzeichnet: Nasci tur vero non carnis, sed spiritus nativitate, nempe ex aqua et spiritu in lavacro regenerationis40. Es steht Luther so fest, daß alle Christen aus der T a u f e Priester sind, daß er fortfährt: Anathemaque sit, sacerdotem alium asserere, quam eum, qui est Christianus. Asseretur enim id absque verbo dei . . Ζ 1 . Wenn geglaubt wird, daß durch äußere Salbung in der Priesterweihe ein Mensch zum Priester werde, so ist das für Luther Ketzerei 42 . Si dico te Christianum, statim dico et sacerdotem 43 . Beides liegt untrennbar ineinander. W i e das Christsein ist auch das Priestertum, der in der T a u f e erlangte geistliche Stand des Menschen, schon Voraussetzung der rechten Weihe und Berufung zum Pfarramt, nicht erst Wirkung derselben. „ . . . priesterschafft unnd macht muß tzuvor da seyn, auß der tauffe mitt bracht, alle Christen gemeyn durch den glawben . . ," 44 . Das w a r in der römischen Amtslehre, nach der erst die Weihe zum Priester im eigentlichen Sinne machte, vollkommen verdunkelt. Der Hypertrophie auf dem Gebiet der Priesterweihe correspondierte die Dystrophie auf dem Gebiet der Taufe. Die Priesterweihe überlagerte die T a u f e und verdeckte ihre Wirkung 4 5 . L u ther fühlt sich in der Polemik gegen diese Lehre von der Weihe durchaus als Verteidiger der Taufgnade 4 6 . Die Lehre vom allgemeinen Priestertum 41 42 f. 1 2 , 1 7 8 , 28 ff. 4 1 , 4 5 7 , 10. " 15, 720, 27 s . ; vgl. 8, 252, 30 ff.; 12, 317, 6 f. 10 f.; 41, 207, 2 f.: Darumb so gemein der namen Christen ist, so gemein sol audi der namen priester sein; 41, 207, 4

® 12, 178, 27

30 ff. 3 7 £. 44

8, 253, 16 ff.; vgl. auch 7, 31, 33 ff.; 7, 633, 12 f.; 38, 229, 14 ff.: Ich sage aber mal, Wo wir nicht vorhin on Bisschoff und Cresem rechte Pfaffen sind, So wird uns der Bisschoff und sein Cresem nimer mehr zu Pfaffen machen; 38, 230, 17 ff.; 41, 208, 7 ff.; 209, 9 f. 24 ff.; 210, 3 f.: Das ampt aber macht mich nidit zu einen priester, sed ich mus es zuvor hin sein; 6, 407, 25 ff.: dan wo nit ein hoher weyen in uns were, den der Bapst odder Bischoff gibt, szo wurd nymmer mehr durch Bapsts unnd Bischoff weyhen ein priester gemacht, mocht audi nodi meß halten, nodi predigenn, nodi absolvieren . . . 45 38, 227, 20 ff.: Aber das ist aller erst der rechten grewel einer widder die liebe und selige Tauffe, das sie sidi rhumen, wie sie mit jrem Cresem und Weyhe Pfaffen madien jnn der heiligen kirchen, das ist, einen weit, weit höhern und heiligern stand, denn die Tauffe gibt, Denn ein geweyheter und mit Cresem gesalbter Pfaffe ist gegen andere getauffte gemeine Christen gleich wie der Morgen stern gegen ein glummend tocht; 38, 229, 10 ff.; 230, 24 ff.: Sihe, das ist das ander stuck . . . , da mit sie unser Tauffe gesdiendet, vertunckelt und gesdiwecht, da zu uns soldie unser herrliche ewige, angeborne, erbliche Priesterlidie ehre so schendlidi und lesterlidi verdruckt und verborgen, da für uns jren todten garstigen Cresem so hoch und herrlidi fürgestellet haben, das wir Got selbs nicht so hoch gefurcht und geehret haben als diese jre nichtige larven und fastnacht spiel. 48 6, 408, 2 ff.; 6, J63, 30 f.; 38, 230, 8 ff.: Diese unser angeborne und erbliche Priesterschafft wollen wir ungenomen, ungehindert und unvertunckelt, sondern erfür gezogen, ausgeruffen und gerhümt haben mit allen ehren, das sie leuchten und scheinen sol wie die liebe Sonne . . .

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soll die herrliche Gabe der Taufe wieder in helles Licht rücken. Während der römische ordo in zweifacher Hinsicht das Priestertum falsch auf sich anwendet, nämlich einmal im satisfaktorischen Sinne (damit das Priestertum Christi schmälernd und verdunkelnd) und dann im exklusiven Sinne (damit die Taufe verdrängend und das Priestertum aller Christen verneinend und auflösend), vollzieht Luther an dem ordo ein doppeltes Reinigungswerk: er trennt den ordo vom satisfaktorischen Priestertum und gibt es Christus zurück und er löst ihn auch von dem zu Unrecht exklusiv beanspruchten rechten Priestertum und gibt dieses allen getauften Christen zurück. So wird alles an die rechte Stelle gesetzt47.

2. Die Begründung des allgemeinen Priestertums in der Taufe und im Glauben Luther begründet das allgemeine Priestertum zunächst einfach im Christsein. Wer ein Christ ist, der ist auch Priester. Fragt man aber weiter, wodurch das Christsein denn konstituiert wird und wo somit nun das allgemeine Priestertum konkret begründet liegt, so finden sich bei Luther zwei Antworten: in der Taufe und im Glauben. Die Mehrzahl der Äußerungen liegt auf der Linie der Taufe. Zumal in den Kampfschriften des Jahres 1520, aber audi später wird die Taufe als die rechte Priesterweihe hervorgehoben48. Wendungen wie „wir allesampt"4*, „ein jeglicher getauffter" 50 , „quotquot baptizati sumus"51 sprechen dafür, daß das Priestertum nach Luther zu dem gehört, was die Taufe objektiv wirkt. Es ist ein Stück des „unaussprechlichen schatzes", der in der Taufe durch das Wasser und das Wort Gottes gegeben wird 52 . Nennt Luther nach Tit. 3, 5 die Taufe das „bad der widdergeburt" 63 , so ist dabei auch an die Neugeburt zum Priester zu denken. Priesterrecht und Priesterwürde gehören zu dem, was in der Taufe per sese liegt54, was grundsätzlich auch durch das Fehlen des rechten Glaubens nicht eintT Wenn Luther audi dagegen kämpft, daß die Weihe zum Priester mache, so liegt ihm dodi nicht unbedingt daran, daß der N a m e ,Priester' für die Amtsträger in W e g fall kommt. Es kommt ihm nur darauf an, daß die Verdunkelung des allgemeinen Priestertums abgetan wird. „ M a n nenne uns, wie man wolle, allein, das man priesterlidi wirdickeit lasse auff Christum bleiben, auff uns geerbet durch die tauffe" ( 4 1 , n i , 3 ff.). S o braucht er auch selbst in Anlehnung an den nun einmal eingebürgerten Sprachgebrauch das W o r t .sacerdos' oder .priester' für die Amtsträger, z. B. 6, 407, 3 4 f f . ; 6, 408, 1 9 ; 6, 564, I i ff. (sacerdotes quos vocamus); 1 7 I , j 1 1 , 5.

48 if 20: 6, 407, 22 f.; 408, 11; $64, 6 f.; 566, 16 f. IJ23: 12, 178, 26 ff. 1J33: 38, 219, 29 ff.; 230, 23 f. ij3j: 41, 207, 26 f. 48 50 6, 407, 22. 41, 207, 26. 81

6, 564, 6 f.

5S

30I, 2 1 5 , 13 f·; 2 1 6 . 1 4 * ·

53

30I, 2 1 5 , 1 9 .

54

3 0 1 , 2 1 6 , 1 4 f. („an y hm selbs").

47

fach aufgehoben wird58. Was die Taufe zusagt und bringt, ist „uberwindung des Teuffels und tods, Vergebung der sunde, Gottes gnade, den gantzen Christum und Heiligen geist mit seinen Gaben"5®, „Denn dadurch werden wir gar heilig und selig"57. Gewiß ist da das Priestertum mit eingeschlossen. Heilig und selig sein heißt ja doch in der Gemeinschaft Gottes stehen und freien Zugang zu ihm haben als sein versöhntes Kind. Christus und den heiligen Geist haben, besagt nichts anderes. Wenn für Luther einem getauften Christen das Priestertum absprechen gleichbedeutend ist mit der Taufgnade Schmach antun58, die Taufe schänden, verdunkeln, schwächen58, so gilt ihm dabei das Priestertum selbstverständlich als ein integrierendes Stück der (objektiven) Taufgnade. Auf der anderen Seite nun begründet Luther das allgemeine Priestertum aber auch einfach im Glauben an Christus, ja, bezeichnet den Glauben selbst als das rechte priesterliche Amt60. Er formuliert sogar exklusiv, daß „alleyne die das heylige und geystliche priesterthum" sind, „wilche redite Christen und auff den steyn gebawet sind", d. h. an Christum glauben61. „ W e r da nicht glewbt, keyn priester ist"". D a Taufe und Glauben im konkreten Fall nicht immer beisammen sind, ja mit dem Unglauben des Täuflings bzw. des Getauften immer gerechnet werden muß, könnte somit der Fall eintreten, daß jemand wohl getauft, nicht aber — weil eben ungläubig — Priester ist. Dann kann das Priestertum nicht als objektive Taufgabe angesehen werden. Es ergibt sich dann aber ein Widerspruch zu den Äußerungen Luthers, in denen er einfach die Taufe und die Neugeburt zum Priester in eins setzt. Die hier zutage tretende Problematik betrifft also das Verhältnis von Taufe und Glauben und ist aus dem Ganzen der Tauflehre Luthers zu lösen. Die Objektivität der Taufgnade wird von Luther deutlidi ge55 30I, 218—220; bes. 220, ι ff. : Darümb sey beschlossen, das die Tauffe allezeit redit und ynn vollem wesen bleibt, wenn gleich nur ein mensch getaufft würde und dazu nicht rechtschaffen gleubte.

" 30!, 217, 17

ff.

57

30I, 217, 36 f.

68

6, 563, 30 f.: . . . ad incredibilem baptismalis gratiae iniuriam; vgl. 6, 408, 2 ff.

59

38, 229, 3 f.; 230, 2$ f.

Vgl. die oben S. 4$, Anm. 34 angegebenen Stellen und noch dazu: 6, 370, 8; 371, 22 f.; 7, 27, 17 ff.; ioI-2, 239, Ii ff. 17; 11, 96, 25; io"I, 394, 27 ff.; 39$, j ff. 31 ff.; 12, 523, $ f.; 16, 406, 26 ff.; 41, 203, 33 f. 00

12, 307, 22 f. 12, 316, 26 f.; vgl. 7, $7, 2 j : Haec . . . sacerdotum officia sunt, quae prorsus nulli incredulo concedi possunt. — H. Behm (Der Begriff des allg. Priestertums, Schwerin 1912) läßt solche Stellen bei Luther unberücksichtigt, wenn er das allg. Priestertum im Sinne Luthers allein auf den character indelebilis der Taufe gegründet sein lassen will. Vgl. S. z8: „Die gesamte Christenheit hat die Weihe des priesterlichen Standes empfangen; nicht die Gläubigen allein, sondern das priesterliche Volk Gottes . . . " . 61

62

48

lehrt63. Allerdings nur in Verbindung mit jenem anderen Axiom, daß die geistlichen Gaben Gottes nur per fidem zu heilbringender Wirkung angeeignet werden können. Sonst fiele ja das sola fide und wirkte die T a u f e ex opere operato zur Seligkeit. Der Taufschatz ist zwar objektiv, unabhängig von Glauben oder Unglauben des Täuflings, durchs Wort im Wasser, er wird nicht erst durch den Glauben zuwege gebracht. Er wird auch objektiv an den Menschen herangetragen durch den legitimen, der göttlichen Einsetzung gemäßen Vollzug der Taufe. Das Faktum der Taufe prägt den Menschen unwiderruflich so, daß er immer zur T a u f e zurückkehren kann04. Aber „der glaube macht die person allein wirdig, das heylsame Göttliche wasser nützlich zu empfahen" 65 , „ O n glauben ist es nichts nütz . . ."ββ, „on Glauben künde man sie nicht fassen"87. Der Glaube ist das Organ, durch das die objektive Taufgabe so ergriffen wird, daß sie ihren Nutzen entfalten und zur heilmäßigen Auswirkung gelangen kann. Auf unsere Frage angewandt, würde das bedeuten: das Priestertum wird zwar jedem Getauften objektiv gegeben, es kommt aber zu K r a f t und Wirkung nur bei den Glaubenden. Man könnte audi so formulieren: aus dem bloßen Vollzug der Taufe erhält der Täufling objektiv (ohne Rücksicht auf Glauben oder Unglauben) die Anlage zum Priestertum, während diese Anlage zu tatsächlichem Leben geweckt wird nur durch den Glauben68. So ist sowohl dem Anliegen der Objektivität und bleibenden K r a f t der Taufe, das Luther gegen die Wiedertäufer so energisch verficht69, als auch dem sola fide Genüge getan. In diesem Sinne wird man zu interpretieren haben, daß in vielen Äußerungen Luthers zum allgemeinen Priestertum beide Elemente unreflektiert nebeneinander gesetzt werden: durch die Taufe und durch den Glauben werden wir alle zu Priestern70. Luther schaut Taufe und Glauben zusammen. Sie M 30I, 216, 14 f.: an yhm selbs ein Göttlicher uberschwenglicher schätz; 220, 1 ff.; vgl. 26, 165, 7 ff.: Welcher aber getaufft wird auff Gottes wort und gebot, wenn da gleich kein glawbe were, dennoch were die tauffe recht und gewis, denn sie geschieht, wie sie Gott geboten hat, Nütze ist sie wol nicht dem unglewbigen teufflinge umb seines unglawbens willen, Aber drumb ist sie nicht unrecht, ungewis odder nichts. 64 30I, 222, 2: das schiff zubricht nicht. 65 30I, 216, 10 f. 66 30I, 216, 13 f. 87 30I, 216, 25. 68 So etwa audi G. Niedermeier, a . a . O . , S. 3J0: „Jeder Getaufte kann Priester Gottes werden, er ist es aber erst, wenn er Glauben hat". Jedoch läßt Niedermeier die objektive Gottestat in der Taufe nicht zu ihrem vollen Recht kommen. 69 30I, 219, 3 ff. 70 Vgl. ζ. B.: 6, 407, 17 ff.: das macht allis, das wir eine tauff, ein Evangelium, eynen glauben haben, unnd seyn gleyche Christen, den die tauff, Evangelium und glauben, die machen allein geistlich und Christen volck; 8, 253, 26 ff.: priester schafft . . . auß der tauffe mitt bracht, alle Christen gemeyn durch den glawben; 10III, 39J, 3 ff.: wir sein ia so wol getaufft als der Bapst, haben auch so wol einen gott als er, hab ich den nun Cristum, so hab ich auch seinen gewalt . . . , Dan wo glaub, da folgt alles das Cristi ist; 41, 207, 28 ff.: Denn das S. Petrus ein Priester ist, das ist er daher, das er an Christum gleubig worden ist, wie idi auch bin, Also

4

79is Lieberg, Amt

49

beide gemeinsam, nicht das eine ohne das andere, setzen in das geistliche Priestertum ein. So sind sowohl die Aussagen, daß alle Getauften Priester sind, als auch die anderen, daß, wer nicht glaubt, kein Priester ist, in höherer Einheit zusammenzuschauen. Soviel ist im Sinne Luthers gewiß: der „Gläubige", der der Taufe nicht zu bedürfen meint, steht in keinem christlichen Priestertum, denn „wer die Tauffe v e r w i r f t , der v e r w i r f t Gottes wort, den Glauben und Christum, der uns dahyn weiset und an die Tauffe bindet" 71 . Auf der anderen Seite ist aber auch gewiß, daß der, der wohl getauft ist, nicht aber die in der Taufe ihm dargebotene Heilsverheißung glaubt, auch nicht im vollen Sinne, jedenfalls nicht im Lebensvollzug Priester ist, denn ohne Glauben kann er's nicht ergreifen, was Gott ihm in der Taufe grundsätzlich schon geschenkt hat. So darf der Satz bei Luther, daß alle Getauften Priester sind, nicht so gepreßt werden, daß dadurch die Notwendigkeit des Glaubens verdunkelt wird, und wiederum der, daß die Nichtglaubenden keine Priester sind, nicht so, daß dadurch die in der Taufe allen objektiv gegebene Anlage zum Priestertum geleugnet wird. Immerhin liegt hier eine gewisse Schwierigkeit für Luthers Amtsbegriff, insofern dieser auf dem allgemeinen Priestertum aufgebaut ist. Durch die Bindung des Priestertums an den Glauben wird die Objektivität des Amtes, das doch von Luther als Ausübung des Priestertums verstanden wird, gefährdet 72 . Zwar gründet Luther seine Ablehnung des Donatismus nicht auf den in der Taufe erteilten unveränderlichen priesterlichen Charakter, der im Glauben wirksam ist, sondern auf Gottes Wort und Gebot, das audi trotz der Unheiligkeit des Dieners aus sich selbst gültig und bewirkend ist78, aber er sagt doch audi wieder, daß nur ein geistlicher Mensch, also ein Priester, geistliche priesterliche Werke tun könne und das Priestertum Voraussetzung der Amtsausübung sei74.

3. Das allgemeine Priestertum und die Gewalt am Wort und Sakrament Mit der Aussage, daß alle Christen Priester sind, ist bei Luther nicht nur der geistliche Stand aller Christen gelehrt, also daß alle durch Taufe und Glauben freien Zugang zu Gottes Thron haben, in Christo geistliche Opfer darbringen und für andere vor Gott eintreten können. Das ist nur das erste und grundlegende Element in Luthers Begriff vom allgemeinen sind wir alle . . . Priesters kinder jnn der Tauffe worden, Darumb so gemein der name Christen und Gotteskind ist (nemlich aller, die an Christum gleuben), so gemeine solt auch sein und verstanden werden der name Priester. 71 30I, 216, 3 ff.; vgl. 212, 28 ff. und 21$, 36 f. 72 Auf die hier liegende Problematik hat auch schon hingewiesen M. Sdiian, Das .allgemeine Priestertum' und die kirchliche Praxis, Studien z. Reformationsgeschichte und z. Prakt. Theol., Kawerau-Festsdirift, Leipzig 1917, S. 126 f. — Vgl. dazu audi Theod. Harnadc, Die Kirche, ihr Amt, ihr Regiment, 1947, S. 48. 75

16,

163, IJFI.;

I6J, 32 f . ;

j o , 6 3 4 , 2 0 ff.

'* 12, 186, ι ff.; 38, 229, 14 ff.; 230, 8 ff. Vgl. oben S. 46, Anm. 44. JO

Priestertum. H i n z u tritt als z w e i t e s wichtiges E l e m e n t die Befähigung, am Wort

Berechtigung und

und

SakramentWas

Bevollmächtigung

zu

allen

grundsätzliche Funktionen

w i r bisher als I n h a l t des allgemeinen

Priestertums bei L u t h e r g e f u n d e n haben ( u n d das ist g e w i ß das G r u n d legende!), liegt alles auf der innerlichen E b e n e des H a n d e l n s v o r G o t t " . A b e r L u t h e r bleibt dabei nicht stehen. Ausdrücklich w e i t e t er —

wie

K a r l H o l l betont h a t " — den Begriff des allgemeinen Priestertums auf alle die F u n k t i o n e n aus, die in der äußeren O r d n u n g der K i r c h e dem kirchlichen A m t z u f a l l e n . A l l g e m e i n e s Priestertum ist bei L u t h e r

auch

der Inbegriff des A m t e s a m W o r t u n d S a k r a m e n t , welches letztere nach L u t h e r aus ersterem hervorgeht 7 8 . D i e F r a g e nach dem I n h a l t des a l l g e meinen Priestertums bei L u t h e r ergibt, daß L u t h e r unter V o r a n s t e l l u n g u n d Z u g r u n d e l e g u n g des geistlichen S t a n d e s aller C h r i s t e n d a n n d o d i auch alle A m t s f u n k t i o n e n

am W o r t

u n d S a k r a m e n t im

allgemeinen

Priestertum beschlossen sieht 7 ®. I n De

captivitate

babylonica

1520

schreibt L u t h e r : Q u i C h r i s t i a n u s

est, C h r i s t u m habet, qui C h r i s t u m habet, o m n i a q u a e C h r i s t i sunt habet, 75

H . Storck nennt als Ergebnis seiner Untersuchung des Begriffs des allg. Priestertums bei Luther drei Inhalte desselben: das unmittelbare Verhältnis des Christen zu Gott, das Opfer des Christen für den Nächsten und die Mächtigkeit des Christen zum Vollzug aller geistlichen Amtshandlungen (a. a. O., S. $3). Das kommt auf dasselbe heraus, wie die hier hervorgehobenen zwei Elemente. 76 7 Vgl. oben S. 4 1 , Anm. 13. ' Luther, S. 3 1 8 ; auch S. 3 1 8 , Anm. j . 78 F. J . Stahls Behauptung, daß Luther nirgends lehre, „daß der Dienst des Wortes selbst Bestandtheil oder Ausfluß des allgemeinen Priesterthums sei" (a. a. O., S. 101), kann nicht aufrechterhalten werden. Zugestimmt werden kann Stahl nur darin, daß Luther dies nicht so lehrt, daß dadurch die positive göttliche Stiftung des Amtes ausgeschlossen wäre (S. 101). Stahl meint, Luthers Lehre vom allgemeinen Priestertum in folgende zwei Punkte fassen zu können: „Der Gebrauch, den Luther von dem Gedanken des allgemeinen Priesterthums macht, ist . . . nur jener zweifache. Er gebraucht ihn fürs erste gegen die Lehre von einer besondern persönlichen Qualität und einem besondern Gnadenstande des Clerus . . . und fürs andere gegen die Lehre von einer Verleihung der Vollmachten (Schlüssel) allein an den Clerus. Es ist jene Wesensgleichheit der Christen und jene Solidarität für die göttlichen Vollmachten, die er aus dem allgemeinen Priesterthum ableitet" (S. 101). Im zweiten Punkte aber geschieht mit dem Ausdruck „Solidarität für die göttlichen Vollmachten" Luther noch nicht Genüge. Es handelt sich bei Luther wirklidi um die Gleichheit der tatsächlich grundsätzlich besessenen Vollmachten bei allen Christen, worauf Luther in einer Hinsicht dann auch den ganzen Amtsbegriff geradezu aufbaut. Vgl. unser I I I . Kapitel, besonders den Abschnitt über die delegatio durch die Gemeinde, unten S. 82 ff. 7 ® Einzig das „Regieren" oder „Weiden" der Gemeinde, das deutlich bei Luther zu den Amtsfunktionen gehört, finde ich dem allgemeinen Priestertum nirgends zugesprochen. Jedoch muß man auch im Auge behalten, daß für Luther alles Regieren und Weiden in der Kirche allein durchs Wort und Sakrament geschieht, diese Funktion aber dem allgemeinen Priestertum nur zu deutlich zuerkannt ist. Vgl. 6, 440, 34 f.: . . . den hauffen und gemeyn . . . regieren mit predigen und sacramenten; 6, 564, 23 f.: pascere, id est docere; 12, 387, j f.: . . . das geystlidi regiment füren, das ist predigen und eyn Christliche gemeyne versorgen.

4'

omnia potens.. Λ Dieser Satz zeigt, wie die beiden Elemente in Luthers Begriff vom allgemeinen Priestertum miteinander verbunden sind. Das zweite ruht auf dem ersten. Die Verbindung mit Christus bringt in den Besitz alles dessen, was Christi ist. .Christum haben durch den Glauben' ist gleichbedeutend mit ,alle Güter Christi haben'81. Zu den Gütern Christi gehören vor allem das Wort, die Sakramente und die Schlüssel, wodurch ja das Heil zustande kommt. Jeder Christ hat vermöge seines geistlichen Priestertums, vermöge seiner Verbindung mit Christus, Macht an diesen Gütern, er ist ein ,omnia potens'. So kommt Luther zu dem Satz: Esto itaque certus et sese agnoscat, quicunque se Christianum esse cognoverit, omnes nos aequaliter esse sacerdotes, hoc est, eandem in verbo et sacramento quocunque habere potestatem8î. Der Begriff des Priestertums ist bei Luther gerade auch mit dieser Macht am Wort und Sakrament gefüllt. An anderer Stelle heißt es: Si dico te Christianum, statim dico et sacerdotem, qui potest dare sacramentum, interpellare coram deo, et iudicare de doctrina8*. Auch in der Schrift An den Adel 1520 verbindet sich die Aussage, daß alle Christen geistlichen Standes sind, alsbald mit jener anderen, daß sie alle grundsätzlich zu den Amtsfunktionen befähigt sind. Wenn Luther sagt: „Dan was ausz der tauff krochen ist, das mag sich rhumen, das es schon priester, Bischoff und Bapst geweyhet sey"84, so ist die Aneinander6, 567, 29 f.; vgl. 12, $23, 4 ff.: Wie Gott Christo alle Gewalt gegeben, „also hat er uns auch yn des selbigen gewalt gesetzt, das die yhenigen so da glawben alle gewalt haben über himel und erden". 81 Vgl. 2, 208, 2$ ff.: fides omnia secum habet, quae ad fidem sequuntur, claves, sacramenta, potestatem et omnia alia; ιοΠΙ, i2o, 12 f.; 213, 18 f.; 394, 26 ff.; 12, 307, 23 ff.: Denn syntemal Christus der brewtigam ist, und wyr die braut sind, so hatt die braut alles, was der breutigam hatt, audi seynen eygenen leyb. Denn wenn er sich der braut gibt, so gibt er sich yhr gar was er ist . . . ; i j , 720, 10 f.; 16, 406, 26 ff. w 6, 5 66, 16 ff. Die angefügte Einschränkung .verum non licere quenquam hac ipsa uti nisi consensu communitatis aut vocatione maioris' hebt den vorangestellten Grundsatz nicht auf. Die potestas in verbo et sacramentis ist im allg. Priestertum bereits gegeben. Die Frage des Gebrauchs dieser potestas ist eine zweite Frage, die wir hier noch nicht ins Auge fassen. Vgl. auch 6, 407, 30 f.: die alle gleiche gewalt haben; 408, 15; io1-2, 239, 18: ein yetlicher Christ hat die gewalt, die der Bapst, Bischoffe, Pfaffen und mündi haben . . . ; 28 f.: wir haben wol alle diße gewaltt (dòdi folgt die gleiche Einschränkung des öff. Gebrauchs dieser Gewalt auf die Berufenen); loIII, 170, 24 ff.; 171, 5 ff.; 398, 37 ff.; 12, 309, 7: nicht das eyner mehr gewallt habe denn der ander; 20 f.: . . . nidit untersdieyd des gewallts; 15, 720, 32 f.: Si sumus (sc. sacerdotes), habemus potestatem loqui dei verbum, baptizare, ut mulieres eciam faciunt, quod est officium sacerdotis . . . ; 37 f.; 8, 248, 2 ff.: man weyß woll, was priesterschafft fur gewallt mit sich bringt, nemlidi predigen, meß hallten, sacrament handelln unnd des hymels sdiluesd brauchen; 253, 34: der nam (Priester) ist unß allen gemein mit aller seyner gewallt, redit und zuhorung. 80

83

is, 720, iyñ.i vgl. 12, J22, 21 f.; J24, 10.

6, 408, Ii f.; die angefügte Einschränkung „ob wol nit einem yglidien zympt, solch ampt zu oben" (12 f.) liegt zunächst nicht auf der grundsätzlichen Ebene. Vgl. Anm. 82. M

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reihung der drei Begriffe Priester, Bischof, Papst zu beachten. Luther will damit nicht allein sagen, daß jeder Christ durch die Taufe geistlichen Standes geworden ist (obwohl das natürlich grundlegend), sondern — wie aus den anderen beiden Begriffen Bischof und Papst hervorgeht — auch, daß eben das, was bisher Priester, Bischof und Papst vorbehalten war, das Recht am Wort und Sakrament, jedem Getauften zugehört85. Aus der Taufe gekrochen sein heißt Macht haben am Wort und Sakrament, wenngleich die Frage des tatsächlichen Gebrauchs dieser Macht eine andere ist. Zwischen Laien, Priestern, Fürsten und Bischöfen besteht kein anderer Unterschied als der der tatsächlichen Ausübung der Funktion, hinsichtlich der Befähigung und Berechtigung sind alle gleicherweise „warhafftig priester, bischoff und bepste"8". Dieser Gedanke ist auch die Voraussetzung dafür, daß Luther die weltliche Gewalt zum Reformationswerk der Kirche aufruft. Auch die Obrigkeit ist auf Grund der Taufe ein Glied des christlichen Körpers. Wie alle Glieder einander dienen sollen, ein jedes mit seinem besonderen Werk, so soll es die Obrigkeit tun mit dem ihr von Gott anvertrauten Straf- und Schwertamt über die Übeltäter. Sie soll ihr Werk frei und ungehindert gehen lassen gegen jeden Schuldigen, auch gegen Bischof und Papst, und dem Verderben auch in der Kirche nach Kräften wehren, wenn Papst und Bischöfe ihre Gewalt statt zur Besserung zum Schaden und Ärgernis der Christenheit gebrauchen. Dabei ist für Luther aber die Erkenntnis grundlegend, daß die Träger der obrigkeitlichen Gewalt auf Grund der Taufe auch im allgemeinen Priestertum stehen und von daher „mitpriester, mitgeystlich, mitmechtig in allen dingen" sind". In der Schrift Vom Mißbrauch der Messe 1521 will Luther beweisen, „das das eynige, rechte, warhafftige predigampt, gleych wie das priesterthum und opffer, allen Christen gemeyn ist" und führt dafür 2. Kor. 3, 6 an88. Die Worte des Apostels seien „zu allen Christen geredt, das er auß yhn allen diener des geystis mache"8*. Ebenso versteht Luther auch ι . Petr. 2, 9 und 1. Kor. 14, 27 ff., bes. V . 31. Um der Ordnung willen zwar können und sollen nicht alle predigen, aber das hebt nicht ihr grundsätzliches Recht dazu auf: „wie wol sie des alle gewallt haben"*0. Alle Christen sind nach Joh. 6, 45 von Gott gelehrt, „haben . . . gewis alle den geyst und das wortt gottis"®1, von ihnen allen gilt auch Luk. 85

Vgl. auch M. Schian, a. a. O., S. 12 j f.

6, 408, 29; aucb 409, 5 ff.: Ein schuster, ein sdiznid, ein bawr, ein yglidier seyns handwerdts ampt unnd werck hat, un ml dodi alle gleidi geweyhet priester und bisdboffe . . . 8e

87

6, 413 27 ff.; 408, 8 ff.; 409, 31 ff.; 410, 3 ff.

88

8, 495, 12 f.

o» 8, 49i, i i f.; vgl. 488, 33 ff.

°° 8, 49J, 25; 497, 25: ob wol yderman tzu predigen gewallt hat.

" 8> 497» 7; v gl·

auch

171»

5°9>

3 53

ίο, 16: „Wer euch hört, der hört mich"82. Auch Frauen, denen Paulus zwar gemäß i. Mose 3, 16 das Reden in der Gemeinde verbiete, haben doch grundsätzlich vermöge ihres Priestertums das Recht zu predigen, das in bestimmten Fällen audi in Funktion treten kann®3. Es ist Luther aus der Schrift ganz gewiß, „das nicht mehr ist, denn eyn eyniges ampt tzu predigen gottis wort, allen Christen gemeyn, das eyn iglicher reden, predigen und urteylln müge und die andern alle verpflichtet sind, zu zuhören"*4. Ganz ausführlich legt Luther in dem Sendschreiben an die Böhmen De instituendis ministris 152j dar, wie das Priestertum aus der Taufe die Funktionen an Wort und Sakrament in sich begreift. Luther entfaltet da den Begriff des Priestertums in die einzelnen officia sacerdotalia und zählt deren sieben auf: docere, praedicare annunciareque verbum dei, baptisare, consecrare seu Eucharistiam ministrare, ligare et solvere peccata, orare pro aliis, sacrificare et iudicare de omnium doctrinis et spiritibus". Alle diese priesterlichen Funktionen sind allen Christen gemeinsam. An jeder einzelnen weist Luther das nach. Das erste und höchste priesterliche Werk ist die Verkündigung des Wortes". Daß das verbi ministerium allen Christen gemein ist, lehrt vor allem 1. Petr. 2, 9". Die aus der Finsternis zum Licht Berufenen sind nicht etwa bloß die rasae et unctae larvae, sondern alle Christen, und das annuntiare virtutes dei, das hier den Christen auferlegt wird, ist sicher aliud nihil, quam verbum dei praedicare". Dem Einwurf, den Hieronymus Emser und andere in M

n 8, 49Í, 20 ff. 8, 498, 13 f. 8, 498, i j ff. — Vgl. Harleß, Kirche und Amt nach luth. Lehre, Stuttgart 18 J3, S. 14 f. 16. • 5 i l , 180, 2 ff. M 12, 180, $ ff.: Primum . . . et summum omnium, in quo omnia pendent alia, est docere verbum Dei. Nam verbo docemus, verbo consecramus, verbo ligamus et solvimus, verbo baptisamus, verbo sacrificamus, per verbum de omnibus iudicamus. Vgl. oben S. 28, Anm. $2. " 12, 180, 17 fr. Dafür, daß alle die Gewalt zu predigen haben vgl. 10HI, 170, M

ff·; 1 7 1 . S f·; }9S> 3 1 * · 39! 396> 7 ff·; 397» 1 6 { ·'· 4 " ff·! I 2 > 3°9> 16 ff.; 318, 2$ ff.; 4 1 , 212, 24 ff. 88 12, 180, 20 ff.; vgl. auch 8, 253, 8 ff. — In der Auslegung des 1. Petrusbriefes 1523 erläutert Luther das Verkündigen der virtutes dei von i.Petr. 2, 9 so, daß man darin eigentlich nur den (privaten) Zuspruch des Wortes Gottes von einem Bruder zum andern und die öffentliche Verkündigung gegenüber solchen zu sehen habe, die das wunderbare Lidit, zu dem die Christen berufet) sind, nodi nicht kennen: Auf den Satz „Das gehöret eynr priester zu, das er Gottis botte ist und von Gott befelh hatt, das er seyn wortt verkundige" (12, 318, 25 f.) folgt die Exemplifikation: „Und also soll ewer predigen gethan seyn, das eyn bruder dem andern die krefftige thatt Gottis verkundige, Wie yhr von sund, hell und todt und allem unglück durch yhn seyt erlöset worden und zum ewigen leben beruffen. Also sollt yhr ander letti auch unterrichten, wie sie auch zu solchem Hecht komen. Denn dahyn soll es alles geridit seyn, das yhr erkennet, was euch Gott than habe, und euch darnach lasset das furnemlichst werck seyn, das yhr solchs öffentlich verkündigt und yderman ruffet zu dem Hecht,

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der Auslegung dieser Stelle gemacht haben, es sei ein doppeltes Priestertum zu unterscheiden, das spirituale et commune und das speciale et externum, und Petrus rede hier nur von dem ersteren, hält Luther entgegen, daß ja doch das Werk des besonderen und äußeren Priestertums (d. h. des kirchlichen Amtes) hervorragend gerade dies sei, die virtù tes dei zu verkündigen, was aber hier von Petrus gerade allen Christen im allgemeinen Priestertum aufgelegt werde. Also sei eben das besondere Priestertum im Grunde kein anderes als das allgemeine". Ausdrücklich weist Luther hier zurück, daß ein Unterschied bestehe zwischen der Verkündigung in ministerio verbi und der allgemeinen Verkündigung der virtutes dei nach i. Petr. 2, 9100. Non est aliud sacerdotium, quam spirituale illud et omnibus commune101. Die Worte des Herrn bei der Einsetzung des hl. Abendmahls „Dies tut zu meinem Gedächtnis" sind nicht nur den Geschorenen und Gesalbten, sondern allen Christen gesagt, dieses Gedächtnis aber ist nichts anderes als praedicare verbum, den Tod des Herrn verkündigen ( i . K o r . 1 1 , 26), so lege Christus mit diesen an alle Christen gerichteten Worten also allen gleicherweise das verbi ministerium auf 102 . Auch 1. Kor. 14, 26 (ein jeglicher) und 31 (ihr könnt wohl alle weissagen) sind nicht bloß zu einigen Christen gesagt, sondern ad totam Ecclesiam et ad singulos Christianos103. Gerade in diesen Stellen ist für Luther aufs klarste bestimmt, daß das Amt des Wortes in der Kirche nur eines und allen Christen gemeinsam ist104. Das gleiche gilt von den anderen priesterlichen Werken. Daß die Taufe, jedenfalls in der Not, von allen Christen vorgenommen werden kann, ist allgemein anerkannt105. Aus diesem allgemeinen Recht zur Vornahme der Nottaufe folgert Luther, daß alle Christen, auch Frauen, absque rasura et Episcopali charactere Priester sind, die zu allen Funktionen am Wort und Sakrament berechtigt und befähigt sind. Itaque et mulieres, dum baptizant, legitimo funguntur sacerdotio, idque non privato opere, sed publico et Ecclesiastico ministerio, quod ad solum sacerdotem pertinet106. Auch die Verwaltung des hl. Abendmahls, die Konsekrationsvollmacht ist nach Luther allen gemeinsam, denn Christus sage die Worte ,Solches tut' allen den Seinen, praesentibus et futuris, die dieses Brot essen und diesen Kelch trinken würden. Quicquid ergo ibi collatum est, omnibus datzu ihr beruffen seit. Wo ihr lent sehet, die das niât wissen, die selbigen sollt yhr unterweysen und auch leren, wie yhr gelernt habt . . . " (12, 318, 29 ff.). Diese Begrenzungen sind bei der Auslegung dieser Stelle in der Schrift an die Böhmen aber nicht erkennbar. " 12, 180, 20 ff. 100 12, 180, 29 f.; 189, 40 ff. 101 12, 180, 31 f.; vgl. auch 7, 634, 13 ff. 102 12, 180, 33 ff.; I8I, j f.: Christus verbi ministerium hic imponat omnibus idem et aeque. 103 101 12, 181, n f. 12, 181, ι j ff. 17 ff.; vgl. auch 8, 496, 4 ff. 105 106 12, 171, 18 f.; 181, 23 f. 12, 181, 30 ff.; vgl. 182, 3 6 f f .

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collatum est107. "Wenn Paulus ι. Kor. χι, 23 schreibt, daß er das, was er vom Herrn empfangen habe, den Korinthern gegeben habe, so habe er dabei alle Christen zu Korinth im Auge, omnes faciens tales, qualis ipse fuit, id est, consecratores108. Die Vollmacht zu konsekrieren übrigens gilt Luther als das Geringere (id quod minus est) gegenüber der Vollmacht, das Wort zu verkündigen und zu taufen (id quod maius est). Ist letzteres allen gegeben, so erst recht ersteres109. Nicht anders verhält es sich nach Luther mit dem Binden und Lösen der Sünden. Nos . . . omnes, qui Christiani sumus, habemus commune hoc officium clavium 110 . Matth. 18, 18 sind alle Christen angeredet, ihnen allen ist die Vollmacht zu binden und zu lösen gegeben111. Ebenso ist das Beten für andere allen aufgetragen118. Das priesterliche Opfern der Christen bezieht sich nicht auf das Meßopfer, sondern auf die geistlichen Opfer, die durch das "Wort geschehen, das allen gemein ist, — so muß es auch das Opfern sein113. Besonderes Gewicht legt Luther in diesem Zusammenhange auf das Recht Lehre zu urteilen, das er ebenfalls als allen Christen gegeben lehrt 111 . Auf Grund von Joh. 10, 27, Matth. 7, 15 und anderen Stellen, die vor falschen Propheten warnen, kommt er zu der Feststellung, daß jeder Christ ein iudex liberrimus omnium, qui docent eum ist, intus a deo solo doctus115. Dafür wird auch wieder 1. Kor. 14, 30 ff. angeführt, wonach wir alle per singulos possumus prophetare, was auch die Fähigkeit Lehre zu urteilen einschließt118. 107

108 1 2 , 182, 2 f f f . 1 2 , 182, 32 f. 110 » 12, 183, 12 ff. 1 2 , 183, 30 f. 111 1 2 , 183, 32 ff.; 184, I i ff.; vgl. auch 8, 1 7 3 , 28. 112 1 2 , 186, 2 1 ff. 113 1 2 , 1 8 $ , 16 ff. 34 ff.; vgl. audi 1 2 , 308, u f f . 114 1 2 , 188, 29 ff. 115 1 2 , i88, 15 f . ; vgl. 1 7 ff.: Doceat ergo quisquís, quod docet, tibi videndum est tuo summo periculo aut commodo, quid credas, und 38 ff.: Christianus ita certus est,, quid credere et non credere debeat, ut etiam pro eo ipso moriatur aut saltern mori paratus sit. Vgl. auch i i , 4 1 0 , 13 ff. 11β 1 2 , 18 8, 20 ff. — Z u m Recht Lehre zu urteilen vgl. besonders die Schrift „ D a s s ein Christliche Versammlung oder Gemeinde Recht und Macht habe, alle Lehre zu urtheilen usw." von 1523 ( W A 1 1 , 408 ff.). D a bes. 1 1 , 409, 20 ff. Vgl. weiter 6, 4 1 2 , 20 ff.: Ubir das, szo sein w i r yhe alle priester, . . . alle einen glauben, ein E v a n gely, einerley sacrament haben, wie solten w i r den nit auch haben macht, zuschmecken und urteylen, was do recht odder unrecht y m glauben were; 32 f . ; 8, 496, 4 ff.; ioli, 2 1 7 , 14 ff.: De doctrina cognoscere et iudicare pertinet ad omnes et singulos Christianos, et ita pertinet, ut anathema sit, qui hoc ius uno pilo laeserit; i o 1 1 1 , 1 7 3 , 33 ff.: . . . das urteyl ist heimgestelt einem itzlichen christen vor sich selbst, das ein solch gewalt nit menschlich sey, sunder götlich ist uns gewalt geben, alles zu richten und urteyln; 174, 3 1 ff.; 1 5 , 720, 29. — E. Sommerlath hat darauf hingewiesen, daß Luther mit dem Recht Lehre zu urteilen, das er jedem Christen zuspricht, in erster Linie die Unterscheidung der Stimme des guten Hirten von der der falschen Propheten meint — (man vergleiche dazu übrigens folgende Stelle: „ E s hat ja nicht allein die gantze Herde Schafe, sondern auch ein jglidb Schaf f u r sich selbs allein Recht und 10

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Alle diese priesterlidien Werke werden in der Schrift also allen Christen zugeschrieben, so haben auch alle das volle Priestertum. Da nun die Priester im besonderen kirchlichen Amt keine anderen officia haben als diese allen gemeinsamen117, so haben sie auch kein sacerdotium aliud a. laicis, — oder aber, man legt ihnen noch andere officia bei (wie in Rom), dann ergibt sich aber ein sacerdotium Satanae 118 . So hat Luther erwiesen, daß es nur das eine, allen Christen gemeine Priestertum gibt, welches alle Gewalt am Wort und Sakrament in sich begreift. Das besondere Amt erscheint somit nur als Gebrauch der im allgemeinen Priestertum schon grundsätzlich besessenen Vollmacht zur Wort- und Sakramentsfunktion 11 ". Der, der es innehat, ist nicht speziell Priester, sondern minister zu nennen"0. Macht zu fliehen fur den Wolffen, wo es anders jmer vermag": 53, 245, 5 ff.) — und daß er dieses Recht im Blick auf den Notstand behauptet, in dem die Gemeinden tatsächlich waren (Amt und allg. Priestertum, S. 76 f.). Man muß aber im Auge behalten, daß es sich bei dem Recht Lehre zu urteilen im Sinne Luthers nicht lediglich um ein Notstandsrecht handelt, sondern um ein Grundrecht des Christen, das zwar erst im Notstand äußerlich in Erscheinung tritt, jedodi grundsätzlich schon mit dem allgemeinen Priestertum gegeben ist. 117 vgl. 12, 189, 40 ff.: Nos in hoc stamus: Non esse aliud verbum dei, quam quod Omnibus Christianis annunciare praecipitur. Non esse alium baptismum, quam quem quilibet Christianus conferre potest. Non esse aliam memoriam coenae dominicae, quam ubi quilibet Christianus facere potest, quod Christus facere instituit. Non esse aliud peccatum, quam quod Christianus quilibet ligare et solvere debet . Daß Luther ausdrücklich betont, die Werke des besonderen Amtes seien keine anderen als diese officia sacerdotalia des allg. Priestertums, die er als allen gemeinsam erwiesen hat, hat Brunotte außer acht gelassen. Darum trifft seine Kritik an R. Josefson und J . Heubach (a.a.O., S. 83, Anm. 63) nicht. 118 I i , 189, 28ff. 119 Vgl. 12, 189, 34 ff.: Nam fructus huiusmodi publice vel privatim ferre non probat aliud et aliud sacerdotium, sed alium et alium usum eiusdem sacerdotii. — Auch Brunotte bemerkt bei seiner Interpretation von Luthers Gedankengang in der Schrift ,de instituendis ministris' verschiedentlich, daß Luther eben nachweist, es gebe nur das eine Priestertum, das allen Christen, seien sie nun im besonderen Amt oder nicht, grundsätzlich gemeinsam ist (a. a. O., S. 84.88.92.93). Damit widerlegt er aber seine eigene, immer wieder vorgetragene Behauptung, als sei bei Luther das besondere Amt gar nicht aus dem allg. Priestertum abgeleitet. Nach dem von Luther in ,de inst, min.' durchgeführten Gedankengang ist das besondere Amt nur ein besonderer Gebrauch des allg. Priestertums. Es ist von den sonstigen Funktionen des allg. Priestertums nur dadurch abgehoben und unterschieden, daß in ihm die Funktion des allg. Priestertums öffentlich in der Gemeinde geschieht. Auch die Stelle 12, 191, 37 ( . . . ex nobis ipsis, qui iam sine electione eiusmodi per baptismum nati et vocati sumus ad eiusmodi ministerium) zeigt, wie wir gegen Brunotte (a. a. O., S. 90, Anm. 104) meinen, wie Luther in der Taufberufung des allg. Priestertums auch grundsätzlich schon eine solche zum Wort- und Sakramentsdienst des öff. Amtes sieht, weil ihm nämlich das besondere Amt nur eine besondere Funktion des allg. Priestertums ist. Immerhin will Luther damit nicht sagen — und darin stimmen wir Brunotte zu —, daß sich „die Berufung ins geistliche Amt . . . auf Grund des allgemeinen Priestertums erübrige" (ebda.). lm 12, 190, I I ff. 57

Wir haben nun gezeigt, wie Luther in diesen grundlegenden Schriften der ersten reformatorischen Epodie alle Funktionen des Amtes am Wort und Sakrament in dem allgemeinen, jedem Christen eignenden Priestertum Inbegriffen sieht und den Unterschied zwischen den Funktionen des besonderen kirchlichen Amtes und des allgemeinen Priestertums hierin also im Grundsätzlichen aufhebt. Man muß sagen, daß Luther die damit gelegten Grundpositionen seiner Amtslehre auch in späteren Jahren niemals widerrufen hat. Es verdient nun noch besondere Hervorhebung, mit welchem Nachdruck Luther besonders die Schlüsselgewalt als allgemeinen Besitz jedes gläubigen Christen lehrt. Dazu einige Zeugnisse aus verschiedenen Jahren: 1520: Es ist „offenbar gnug, das die schlussel nit allein sanct Petro, sondern der gantzen gemein geben seint" 1 ! 1 . 1522: „ . . . da triickt es das Euangelium ciar aus, das w i r alle mögen absolviren" 1 2 2 . „Also wu ein Crist den glauben hat, so mag er absolviren, predigen und alle andere ding thun die einem prister zu stehen. . . . Ich habe gleich so wol gewalt die siinde zuvorgeben und absolviren als der Bapst, Und den gewalt sollen wir uns nit nemen lassen, sündern darauff fussen und gründen" 12 ®. 1 5 2 3 : (zu Joh. 20, 21) Hoc ad officium quemlibet instituit . . . Et haec potestas non solum data clericis, quanquam apostolis dictum, tarnen omnibus credentibus . . . haec potestas est in cuiuslibet Christiani, spiritualiter, ore 124 . Haec est potestas, quam omnis Christianus habet 125 . ¡¡26: (zu Joh. 20, 22 f.) „Allen Christen wirt hie gegeben diße gewalt". Papst, Bischöfe, P f a f f e n und Mönche, „die sagen öffentlich und unversdiemet, diße gewalt sey jnen allein geben und nichtt auch den Leyen. Aber Christus sagt hie weder von Pfaffen nodi von münichen, sonder spricht: Empfahet den hailigen gaist, Wer den heiligen Geist hat, dem ist diße gewalt geben, das ist: dem, der ein Christen ist. Wer ist aber ein Christen? der da glaubt, wer da gelaubt, der hat den hailigen gaist. Darumb ein yetlicher Christ hat die gewalt, die der Bapst, Bischoffe, Pfaffen und münch haben, in dißem fai die sünde zubehalten oder zu erlassen" 126 . 1530: „ N u ist yhe das gewis das Christus die schlussel nicht den Bissdiouen allein sondern viel mehr seiner lieben kirchen . . . gegeben hat" 1 2 7 . i f j 6 : Wir haben Macht, Absolution zu spredien „sed quia hats gestifft et dedit ministris Ecclesiae, Apostolis et sectatoribus et omnibus . . ," 1 2 8 . 1540: (zu Joh. 20, 2 1 ) Dominus hat befolhen durch ein öffentlich ampt vocatis ministris et unicuique privatim, ut alius alium consoletur und Sprech im zu . . . (die Absolution) 12 *. „Ibi (in dem Wort Joh. 20, 21 ,ich sende euch') Christus hat uns alle geweihet und zu priestern gemacht" 130 . 121 6, 4 1 7 , 37 f. („der gantzen gemein" bedeutet in Luthers Sinne allen gläubigen Christen); vgl. 6, 309, 29 f. 122 10ΙΠ, 394, 23; auch 20 f. «a iolll, 39J, 31 ff.; auch 24 f. 28 f.; 398, 35 ff.; vgl. auch 1 0 M , 21 j , 1 7 ff.; 216,

1 7 f.

124

I I , 96, 19 fr. 36 ff. I I , 97, 24 f.; vgl. 12, 521, 3$ ff.; 522, 27 ff. 128 io 1 · 2 , 239, I i ff. (nadi dem folgenden bleibt nur die öffentliche Ausübung dieser Gewalt auf den von der Gemeinde Erwählten besdiränkt). 127 30II, 437, 21 ff.; vgl. 456, 26; 490, 16; J03, 38 f. 128 4 1 , J43, 1 7 ff.; auch 1 3 ^ 3 2 . 1538: 38, 630, 1 2 ff. 129 49. 139. 22 f.; vgl. 140, 6 f.: Ego missus et quilibet pfarher et quisque Christianus. m 49» 141» Í f· 125

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„Christus hats gestifft, so ut quicunque dixerit proximo in nomine Christi, so thuts Christus" 1 » 1 .

Diese Übersicht zeigt, wie Luther zu allen Zeiten das Sdiliisselamt als allen Christen im allgemeinen Priestertum mitgegeben gelehrt hat. Nidit allein der ganzen Gemeinde, sondern ausdrücklich jedem einzelnen Gliede derselben persönlich gehört die Schlüsselgewalt zu. Claves sunt totius Ecclesiae et cuiuslibet membri eius, tarn iure quam usu et omnibus modis.. .132. Während Luther sonst streng zwischen ius und usus scheidet und nur ersteres als unterschiedslos allen Christen im allgemeinen Priestertum gegeben lehrt183, fällt bei den Schlüsseln diese Unterscheidung hin. Ausdrücklich wird die gegnerische Argumentation, die davon ausgeht, ius clavium esse Ecclesiae, sed usum esse pontificum, als frivol verworfen: Christus hic dat ius et usum clavium cuilibet Christiano134. Die Worte Matth. 18, 17 ff. seien absolute et generaliter omnibus gesagt 1 ". Immerhin will dabei doch beachtet sein, daß Luther den Gebrauch der Schlüssel allen Christen doch nur insoweit zugesteht, als dadurch nicht die Schlüsselverwaltung des geistlichen Amtes beeinträchtigt wird 136 , d. h. praktisch eigentlich nur im Falle der Not 137 oder in der privaten Sphäre138. Wir werden darauf noch zurückzukommen haben. 1,1 49, 140, 39 f.; vgl. 44, 713, 6 f. — E. Sommerlath schreibt: „Bezüglich der Absolution hat Luther bekanntlich in manchen Äußerungen jedem Christen das Recht der Lossprechung zuerkannt. Allein es handelt sich in vielen der von ihm angeführten Beispiele um die brüderliche Tröstung, die consolatio fraterna, in der ein Christ in einem seelsorgerlichen Gespräch einem Bruder den Trost der göttlichen Gnade zusagt . . . " (Amt u. allg. Priestertum, S. 76). Das trifft gewiß zu. Jedoch darf darum nicht übersehen werden, daß es immer wieder auch ausdrücklich die Vollmacht zur speziellen Absolution ist, die Luther jedem Christen zuerkennt. 1S! 12, 184, 21 f. iss Vgl. z.B. 10III, 397, 16 f.: Wir haben alle gewaltt zu predigen, aber wir sollen den nit alle gebrauchen; 25, 16, 23 f.: Christian! habent omnes sacerdotium, sed non omnes functionem, quamquam omnes possint docere; auch 8, 250, 31 ff.; 253, 8 ff. 19 ff.; 424, 24 fr. 1Si 12, 184, 3 f. (Matth. 18, 17 f. ist gemeint); vgl. 8: mit dem ,sit tibi' Christus „non modo ius dat, sed usum et executionem mandat". 155 12, 184, 23; vgl. 27 ff.: In quibus (sc. den zitierten Stellen, bes. Matth. 18) plenissimum ius et praesentissimus usus ligandi et solvendi stabilitur, nisi forte et ipsi Christo in medio duorum habitanti denegaturi sunt ius vel usum clavium. 13e Vgl. 38, 630, 9 ff. 137 /j/9.' „Dan diß gewalt, die sund zuvorgeben, ist nit anders, dan das eyn priester, Ja, ßo es nott ist, eyn yglich Christenn mensch mag zu dem andern sagen . . . sey getrost, dir seyn deyn sund vorgeben . . . ym Newenn Testament hatt sie (sc. die Schlüsselgewalt) eyn yglicher Christen mensch, wo eyn priester nit da ist, durdi die zusagung Christi . . . " (2, 722, 16 ff. 36 ff.); „Da (nämlich Matth. 16 und 18) redt er (Christus) zu der gantzenn Christenheit und eynem yglidien yn ßonderheit" (2, 723, ι f.). 1529: 28, 470, 23. ij36: „ . . . in necessitate suum verbum in os tuum gelegt" (41, 543, 17 ff.). 1340: „Illi (sc. alle Christen) in necessitate seu periculo mortis possunt sese invicem erigere" (49, 139, 7 f.). iss I0 I.2 ; 239, 28 ff. Vgl. darüber ausführlicher unten S. 71 ff. und 134 ff.

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Der Begriff des allgemeinen Priestertums gewinnt bei Luther, wenn man also seinen ganzen Inhalt ins Auge faßt, die Bedeutung, daß alle Christen in geistlichen Dingen grundsätzlich alles können und daß es somit keine Differenzierung in bezug auf die geistliche Potenz gibt.

4. Recht und Pflicht jedes Christen aus dem allgemeinen Priestertum Mit dem geistlichen Priestertum aus der Taufe hat nach Luther jeder Christ grundsätzlich das Recht zur Verwaltung des "Wortes und der Sakramente, wenn auch die tatsächliche Ausübung dieses Redites dann noch an bestimmte weitere Voraussetzungen gebunden ist13®. Luthers Lehre betont dieses grundsätzliche Redit, für das audi,Macht', ,Gewalt', ,Potenz' gesagt werden kann140 und mit dem eine grundsätzliche, von Gott her in der Taufe erfolgte Autorisation zu allen Wort- und Sakramentsfunktionen gemeint ist, stark. In der Argumentation für diese Lehre treten bei Luther deutlidi zwei begründende Gedankengänge hervor. Einmal geht Luther davon aus, daß nach allgemein anerkannter kirchlicher Lehre in der N o t jeder Christ die T a u f e erteilen kann. Wie könnte er das, wenn das geistliche Vermögen zur Wort- und Sakramentsfunktion an eine besondere Weihe oder an das Innehaben des besonderen kirchlichen Amtes gebunden wäre? Er kann es nur, weil er es überhaupt grundsätzlich kann, weil ihm das geistliche Vermögen dazu schon is» V g l . 8, 253, 34 ff.; 41, 209, 18 ff.; 213, 16 f.: Ein ampt ist nur auffgelegt, sed das redit ist aller Christen (Rörer). — V g l . M . Schian, a. a. O., S. 120; W . Eiert, Morphologie des Luthertums I, München 1952, S. 298. Das grundsätzliche Recht und Vermögen zur Amtsfunktion und die tatsächliche Befugnis, dieselbe öffentlich in der Gemeinde auszuüben, muß auseinandergehalten werden. Darin ist H . Behm zuzustimmen, der betont hat, daß Luther mit dem Begriff des allg. Priestertums keinesfalls eine unterschiedslose, allgemeine kirchliche Handlungsbefugnis aller Christen lehrt (a. a. O . , S. 17 f.). Es sei ein Mißverständnis der Äußerungen Luthers, als schreibe er jedem Christen aus dem allg. Priestertum schon die V e r w a l t u n g des kirchlichen A m t s z u (S. 17), das allg. Priestertum gebe nach Luther nur die grundsätzliche „persönlichgeistliche Qualifikation" für das A m t (S. 19). Immerhin stellt Behm auch fest, d a ß manche Lutherstellen doch deutlich den K l a n g eines „kirchenrechtlidien Begriffs v o m allg. Priestertum" haben (S. 39, Anm. 12). Darin spricht sich die Wahrnehmung des von Luther so stark betonten grundsätzlichen Rechtes zur W o r t - und Sakramentsfunktion aus dem allg. Priestertum, sowie der delegativen Begründung des besonderen Amtes aus diesem grundsätzlichen Recht aller Christen (vgl. unten S. 82 ff.) aus. Rudolph Sohm wiederum übersieht dieses von Luther gelehrte grundsätzliche Recht jedes Christen aus dem allg. Priestertum, wenn er schreibt: „ D a s allg. Priestertum verleiht keine einzige Rechtsbefugnis" (Kirchenrecht I, 1892, S. 511 und sonst). 140 6, $66, 28 (potestas); j67, 30 (potens); 8, 253, 3$ (gewalt, redit und zuhorung); 423, 2 (potestas); 495, 32 (gewallt und macht); 497, 25 (gewallt); ιοΙ·2, 239, I i . 18.29 (gewalt); i o n l , 395, 6 (macht). 4.35 (gewalt); 398, 10.15 (gewalt); 11, 412, 6 (recht und macht); 412, 31 (macht und recht); iz, 188, 28 (possumus); 2 j , 16, 24 (posse); 41, 211, 16 (recht und macht).

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in der Taufe gegeben ist. „Daher kumpts, das in der not ein yglicher teuffen und absolvieren kan, das nit muglich were, wen wir nit alle priester weren" — schreibt Luther in „An den Adel" 1520 141 . Wie bereits erwähnt, argumentiert er ebenso in der Schrift an die Böhmen 1523 1 ". Ist in der Not Macht und Recht zu den Funktionen des Amts am Wort und Sakrament da, so ist es also grundsätzlich da und seinsmäßig mit dem Christenstande überhaupt schon gegeben143. Der andere begründende Gedankengang nimmt Bezug auf die in der Schrift erwähnten Beispiele gesegneter Tätigkeit am Wort ohne besondere Berufung. Luther weist besonders auf Apollos (Apg. 18, 24 ff.), der sine ulla vocatione et ordinatione so im Segen gewirkt habe und fragt: Quo iure quaeso iste fungitur ministerio verbi nisi ilio generali et communi144? Das gleiche sagt er zu Stephanus und Philippus, die nur zum ministerium mensae berufen waren, und zu dem Eunuchen aus Apg. 8 : er verkündigte zuhause nullo iure nisi baptismi et fidei suae145. Gewiß übersieht Luther nicht die besonderen Umstände solcher Lehrtätigkeit ohne besondere Berufung und bestreitet darum von diesen biblischen Beispielen her keineswegs die Notwendigkeit besonderer Berufung zur Ausübung der Wort- und Sakramentsfunktion im Gemeindeamt, er entnimmt ihnen nur dies, daß jedem Christen durch Taufe und Glauben ein grundsätzliches Recht und Vermögen zur Wort- und Sakramentsfunktion bereits mitgegeben sein muß. Wie hätten sonst Apollos und die anderen Genannten ohne besondere Berufung und Weihe zum Amt das tun können, was die Schrift so deutlich von ihnen berichtet? Sie konnten es nur auf Grund des ius generale et commune aus dem allgemeinen Priestertum. Eine gewisse Schwierigkeit für die Behauptung des unterschiedslosen grundsätzlichen Rechtes und Vermögens zur Wort- und Sakramentsfunktion bei allen Christen liegt darin, daß offensichtlich nicht alle dazu geeignet sind. Haben alle das grundsätzliche geistliche Vermögen, so wäre zu erwarten, daß sie auch das praktische Vermögen, also die erforderlichen Gaben, haben und dazu geschickt sind. Dies ist aber nicht der Fall, wie Luther oft selbst feststellt 146 . Er führt z. B. Frauen und Kinder an, die zwar tüchtig seien „Gottes wort zu hören, Tauffe, Sacrament, Absolution zu empfahen" und auch „rechte heilige Christen mit sind, wie S. Petrus sagt", doch aber zum Lehramt ungeeignet sind 147 . Im Hinblick auf die Tatsache, daß eben nicht alle das praktische Vermögen zur Wort- und Sakramentsfunktion haben, kommt Luther hier unwillkürlich zu einer gewissen Scheidung des ersten Elementes in seinem Begriff 141

14î 6, 408, Ι f. 12, I8I, 30 ff.; vgl. oben S. 5$. Eine andere Sicht der Nottaufe gibt F. J . Stahl: „es ist . . . jene im Nothfalle jedem Christen zukommende Ausübung der Vollmachten nicht als eine Rückkehr zu der natürlichen Ausübung des allgemeinen Priesterthums, sondern als eine außerordentliche Berufung zur Ausübung des Amtes anzusehen" (Die Kirchenverfassung usw., 1862, S. 1 1 2 ) . Ebenso Theod. Harnack, Die Kirche, ihr Amt, ihr Regiment, Neudruck 1947, S. 48 (These 100). Vgl. P. Althaus, Die dir. Wahrheit II, 1948, S. 298 und E. Sommerlath, Amt u. allg. Priestertum, S. $6. 145

144 ,4e

12, 1 9 1 , 38 if. Vgl. unten S. 79

145

ff.

147

1 2 , 192, 8 ff. 22. jo, 633, 1 2 ff.; vgl. 8, 497, 19 ff.

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v o m allgemeinen Priestertum, d a ß nämlich alle Christen heilig und geistlichen Standes v o r G o t t sind, v o n dem z w e i t e n , d a ß alle grundsätzlich berechtigt sind, alle A m t s f u n k t i o n e n a m W o r t u n d S a k r a m e n t z u üben, und spricht es aus, d a ß letzteres hinsichtlich des praktischen V e r m ö g e n s doch nicht Allgemeinbesitz ist. A b e r er unterläßt es doch, daraus die prinzipiellen Konsequenzen zu ziehen und seine Lehre v o m allgemeinen Priestertum v o n daher umzugestalten. So bleibt es dabei, d a ß Luther w o h l ein grundsätzliches geistliches V e r m ö g e n z u r W o r t - und S a k r a m e n t s f u n k t i o n aus dem allgemeinen Priestertum bei allen Christen lehrt, nicht aber das praktische, w o h l ein grundsätzliches Recht d a z u , nicht aber das auch praktisch ausübbare. D a s ist ein p a r a doxes Element.

Luther bezieht — wie wir verschiedentlich beobachtet haben — den stiftenden Befehl Christi zur Verkündigung des Evangeliums, zur Verwaltung der Schlüssel und der Sakramente auf alle Christen148. Darum verbindet er mit der Lehre vom grundsätzlichen Recht jedes Christen zur Wort- und Sakramentsfunktion auch die von der grundsätzlichen Pflicht dazu 1 ". Besonders gilt ihm diese Pflicht in bezug auf die Verkündigung des Wortes, das Predigen, wofür besonders wieder i.Petr. 2, 9 herangezogen wird: „ N u n wir haben all gewalt zu predigen. Ja, wir müssen Gottes namen predigen unnd ist unns gepotten wie Sanct Petrus saget"150. Jedoch zeigt sich bei genauerem Hinsehen, daß Luther mit der jedem Christen auferlegten Pflicht zu predigen im Grunde nicht die öffentliche Verkündigung unter Christen meint, sondern nur das persönliche Glaubenszeugnis des einzelnen, vornehmlich gegenüber solchen, die noch nicht gläubig sind151. Weiter spielt für Luther hierbei der Beruf, in 148

V g l . 12, 180, 20 ff.; 182, 27.32 f . ; 183, 12 ff.; 184, 11 ff.

u*

38, 2J4, 3 ff.: S o müssen sie freylich macht Und recht haben z u predigen, teuffen, sacrament reichen, sunde vergeben, etc. J a , es ist y h n e n hie mit geboten, das sie es thun sollen; 8, 423, 27 f . : omnes Christiani ius et o f f i c i u m habent d o c e n d i ; 12, 189, 14 f.: (im Blick auf die jedem Christen z u k o m m e n d e n o f f i c i a sacerdotalia) N e q u e enim hic de libito aut licito, sed de p r a e c e p t o et necessario tractamus. 1 5 0 10ΠΙ, 170, 24 ff.; v g l . 8, 422, 36 ff.: Q u i s C h r i s t i a n o r u m n o n est v o c a t u s de tenebris? A t huius est et ius et potestas, i m o nécessitas annunciandi v i r t u t e m sese v o c a n t i s ; 12, 180, 22 f.: Petrus illis non m o d o d a t ius, sed praeceptum quoque, u t annuncient virtutes dei, q u o d certe est aliud nihil, q u a m v e r b u m dei predicare; 12, 181, 19: non m o d o iure sed et p r a e c e p t o ; 12, 309, 26 f.: . . . priester, die sind alle schuldig, das sie das w o r t predigen . . . ; 1 1 , 412, 11 ff.: „ A l ß o das hie abermal g e w i ß ist, das e y n Christen nicht alleyne recht und macht hatt, das gottis w o r t tzu leren, sondern ist das selbige schuldig tzuthun bey seyner seelen Verlust und gottis Ungnad e n " . — Besonders betont Luther die Pflicht aller, Lehre z u urteilen, vgl. 11, 4 1 1 , 4 ff.: . . . also das sye nicht alleyn macht und recht haben, alles w a s gepredigt w i r t t z u urteylen, sondern sinds schuldig t z u urteylen b e y göttlicher majestet Ungnaden; 12, 189, 12 ff. V g l . K . H o l l , Luther, S. 319. 1 5 1 12, 521, 19 fr.: D a s ist das erste und hohiste werck der liebe, das e y n Christ thon soll, w e n n er g l e w b i g ist w o r d e n , das er andere leut auch herzu z u m g l a w b e n bringe, w i e ich d a z u bin k o m e n ; 521, 36 f.: . . . allen Christen befohlen, das sie ö f f e n t lich y h r e n g l a w b e n bekennen unnd andere auch z u m g l a w b e n bringen; $22, j ff. 21 ff.; J23, ι ff. 22 f f . ; 17I, 509, 4 ff.: qui ü b e t Christianus b a p t i z a t u s et credens aeeipit spiritum sanctum. H i c iam habet potestatem p r a e d i c a n d i , et cuiuslibet Christiani o f f i c i u m est ore c o n f i t e n deum et eius v e r b u m fidemque suam, quare Christianus non

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dem der einzelne steht, eine Rolle 1 ". Die Pflicht zur Verkündigung des Wortes besteht für den einzelnen in dem Bereiche seiner Berufung, so also für den Hausvater innerhalb seiner Familie und Hausgemeinschaft153, nicht unbeschränkt. Man wird also auch hinsichtlich der Pflicht zur Wort- und Sakramentsfunktion bei Luther die grundsätzliche von der praktischen Sphäre unterscheiden müssen. Sind die officia sacerdotalia am Wort und Sakrament grundsätzlich im allgemeinen Priestertum jedem Christen übertragen, so werden sie — abgesehen von der Pflicht zum persönlichen Glaubenszeugnis, die immer eine praktische ist — zu konkret-praktischen Pflichten doch nur nach den Grenzen des besonderen Berufes, der dem einzelnen zuteil geworden ist oder in einem Notfall zuteil wird. Darum steht die Lehre von der grundsätzlichen Pflicht jedes Christen zur Wort- und Sakramentsfunktion aus dem allgemeinen Priestertum in keinem inneren Gegensatz zu Existenz und Notwendigkeit des besonderen Amtes154.

j . Der Gedanke der Gleichheit aller Christen auf Grund des allgemeinen Priestertums Recht und Pflicht jedes Christen sind im grundsätzlichen gleich, weil alle das gleiche Priestertum haben, ex aequo Priester sind165. Die gleiche Taufe, das gleiche Evangelium, der gleiche Glaube erzeugen gleiches debet tacere, imo verbum dei loqui debet. — Sachlich-inhaltlich unterscheidet Luther allerdings solche Verkündigung als persönliches Glaubenszeugnis von Mensch zu Mensch nicht von der von Amts wegen vor der Gemeinde geschehenden. Das bringt ein Moment der Unklarheit in seine Lehre hinein. 158 Beruf hier im Sinne von Berufung in einen bestimmten Lebensstand. 155 1 7 1 . 509, I i ff.: Parentes sunt schuldig liberos et familiam per proprium os docere. Ibi parentes utuntur officio praedicatoris. Si hoc facit, ergo est sacerdos et Episcopus. Verbum non debet quis praedicare, nisi sit ei mandatum. Parentibus est mandatum, ergo et securi sunt, quod deo placeant, ergo quique parentes certam habent vocationem und ghet von staten, si in fide docent; vgl. 32, 303, 26 ff.; 30I, 392, 4 ff.; 12, 1 7 1 , 17. 154 Vgl. dazu ausführlicher unten S. 78 ff. Im Hinblick auf die konkrete Begrenzung des mit dem allg. Priestertum gegebenen grundsätzlichen Rechtes und der grundsätzlichen Pflicht zur Wort- und Sakramentsfunktion mag Brunottes Kritik (a. a. O., S. 1 5 1 ff.) an H . Storcks Formulierungen zur „Mächtigkeit des Christen, jede geistliche Amtshandlung zu vollziehen" ihr Recht haben, aber bei Brunotte bleibt nicht immer klar, daß nach Luther das allg. Priestertum die grundsätzliche Vollmacht eben gerade auch zu der im konkreten Amt geschehenden Wort- und Sakramentsfunktion in sich begreift. Vgl. auch das oben S. 57, Anm. 1 1 9 Gesagte. 155 12, 179, 39; vgl. 4 1 , 209, 6 f.: „ . . . des priesterthums halben sind wir alle gleich". — Dem Gedanken der geistlichen Gleichheit aller Christen bei Luther ist ausführlich nachgegangen Friedrich Lezius, Gleichheit und Ungleichheit, Aphorismen zur Theologie und Staatsanschauung Luthers, in: Greifswalder Studien, Gütersloh 189$, S. 285 ff. E r stellt fest, daß die geistliche Gleichheit aller Christen bei Luther

63

Recht, gleiche Gewalt, gleiches Vermögen 156 . Jede Differenziertheit in der Sphäre des geistlichen Seins wird von Luther zurückgewiesen und schroff die eadem potestas am W o r t und jedem Sakrament behauptet 167 . Die Unterschiede zwischen den Christen, die sich auf die verschiedenen G a ben und Charismen, auf verschiedenes Alter und Geschlecht zurückführen, oder die in dem verschiedenen „ampt odder werck" 1 5 8 , der verschiedenen tatsächlich ausgeübten Funktion begründet liegen, sieht Luther nie auf der vertikalen Ebene coram deo, sondern stets auf der horizontalen coram hominibus 16 ". Sie betreffen nicht das geistliche Sein vor Gott, in diesem herrscht vollkommene Gleichheit: Ibi nullum discrimen, si ve vir, mulier, ancilla 160 . Das Hauptmotiv für diese Lehre von der seinsmäßigen Gleichheit aller Christen ist ohne Z w e i f e l in dem Anliegen zu sehen, die bei allen gleiche Glaubensgerechtigkeit per fidem propter Christum in jeder Beziehung zu wahren und einem satisfaktorisch-heilsmittlerisch und hierarchisch entstellten Amtsbegriff, wie er in Rom in Verbindung mit der Lehre von einem seinsmäßigen besonderen Priesterstande in Geltung stand, von vornherein jeden Boden zu entziehen" 1 . Hinzu kommt als weiteres M o tiv die Idee der fraternitas Christiana. Matth. 23, 8.10 gibt Luther die biblische Handhabe, dieses Motiv durchzuführen. ,Unus est magister einerseits „auf der Identität des einem jeden persönlich eignenden Heilsgutes" beruht (S. 288) und andererseits sie in der „Gleichheit ihrer religiösen und kirchlichen Rechte und Pflichten" besteht (S. 289). Ausführliche Nachweise dort. ΐ5β vgl. 6, 407, 18: gleyche Christen; 6, 567, 27ff.: . . . redibitque ad nos laeta libertas, qua nos omnes aequales esse quocunque iure . . . intelligemus; i o 1 " , 396, 3 ff.: die gewalt die ich hab, die hat ein ander audi; 12, 189, 22 f.: qui idem iuris habent. 157

158 Vgl. oben S. 52, Anm. 82. Vgl. 6, 408, 27 f.; 409, 4.8. Vgl. oben S. 44 f., Anm. 33.34. 160 i j , 720, 1 1 ; vgl. 12, 308, 34 ff.; 309, 4 f. 13 ff.: „Wenn du willt die Christen ansehen, so mustu keyn unterscheyd ansehen . . . Es ist alles eyn ding und eyttel geystlich volck". — Den in der Schrift ,Von den Schleichern und Winkelpredigern' I J 3 2 gegen die Schwärmer mit starker Betonung gelehrten Unterschied von Predigern und Laien (30III, j 2 j , 18 ff.) wird man im Sinne Luthers nicht ins Seinshafte wenden dürfen. Es soll dadurch nicht die seinsmäßige Gleichheit aller Christen im allgemeinen Priestertum aufgehoben werden. Vgl. auch unten S. 119, Anm. 81. — Die Gleichheit wird aber von Luther wirklich nur in bezug auf das geistliche Sein (mit den darin eingeschlossenen grundsätzlichen Rechten und Vollmachten) behauptet. H . Behm hat mit Recht darauf hingewiesen, daß Luther „von der geistlich-persönlichen Gleichheit aller im allgemeinen Priestertum unterscheidet die sachfidi-amtliche Differenzierung aller in der sozialen Gliederung des Kirchenkörpers" (a. a. O., S. 16). Darin liegt auch bezüglich Luthers das Wahrheitsmoment in R . Sohms Satz: „Die Lehre vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen bedeutet nicht die Lehre von der allgemeinen Gleichheit der Gläubigen" (Kirchenrecht I , 1892, S. j o j ) . Falsch ist dieser Satz in bezug auf Luthers Lehre nur dann, wenn damit die seinsmäßige Gleichheit aller Gläubigen aus dem allg. Priestertum bestritten sein soll. 159

101

64

Vgl. oben S. 37 f.

vester, Christus, vos autem fratres estis.' Ideo prorsus eiusdem iuris sumus omnes16ï. Die geistliche Rechtsgleichheit aller Christen ist Luther damit gegeben, daß sie alle Brüder sind vor Christus, der allein der Meister ist. Die christliche Bruderschaft und Gemeinschaft läßt nicht zu, ut alter altero superior sit aut plus haereditatis aut iuris habeat, praesertim in rebus spiritualibus163. Sehr bedeutsam ist, daß Luther hier die Begriffe ius und haereditas koordiniert. Dadurch wird auch die Verwurzelung der Lehre von der seinsmäßigen Gleichheit aller Christen in der Rechtfertigungslehre dokumentiert. Das ius des Christen wird von Luther in engster Koppelung mit dem Gnadenstande überhaupt gesehen. Es gibt nur den einen Gnadenstand, darum auch nur die eine Bruderschaft ohne Wertstufung vor Gott. Alle Christen sind in dem königlichen Priestertum, das sie in Christo innehaben, fratres aequales164.

6. Die Gemeinde als Inhaberin aller Rechte und Gewalten. Alle einzelnen Christen haben nach Luther im allgemeinen Priestertum die gleichen Redite und Vollmachten am Wort und Sakrament. Jedoch darf dies nicht individualistisch verstanden werden. Denn das Priestertum, in dem der einzelne diese Rechte hat, verbindet ihn wie mit Christus so mit der Gemeinde, welche ja der Leib Christi ist, ja, es gibt ihm solche Rechte nur vermöge solcher Verbindung. Das königliche Priestertum der Christen ist zugleich (und primär) ein solches der ganzen Gemeinde der Gläubigen. Es darf nicht auf die einzelnen allein bezogen werden, diese haben es nur als membra ecclesiae165. Die Gemeinde als communio sanctorum ist es, der Christus Wort, Taufe, Abendmahl, Schlüssel und alle geistlichen Güter gegeben hat, und die darum audi allein Recht und Macht an ihnen hat16". Besonders deutlich wird dies am Schlüsselamt, welches Luther ja gleichzeitig auch so energisch als jedem einzelnen gegeben behauptet. „Die schlüssel sind nicht des Bapsts . . . , 162

12,

164

1 2 , 1 9 2 , 6 f . ; v g l . auch oben S . 4 5 , A n m . 3 8 . —

danken

189,

8 f.

»'

ausgesprochen,

daß

bei

12,

189, 8 ff.

Luthers

Lehre

von

E . S o m m e r l a t h h a t den

der

geistlichen

aller Christen in d e r Antithese gegen die römische A n s c h a u u n g audi gleichmacherische

Ideen"

mitschwingen

(Amt

Ge-

Rechtsgleichheit „demokratisdi-

u. allg. Priestertum, S . 4 9 ) . D a s

mag

zutreffen, k o m m t aber doch w o h l nur als untergeordnetes M o t i v in Betracht. 165

12,

184,

21 f.:

Claves

sunt totius

Ecclesiae

et cuiuslibet m e m b r i

eius

(man

beachte die R e i h e n f o l g e der Instanzen!). V g l . d a z u G . N i e d e r m e i e r , D a s allg. P r i e stertum der G l ä u b i g e n u. d. geistliche A m t , Zeitsdlr. f. syst. T h e o l . 168

3 8 , 2 3 7 , I i f f . ; 2 3 8 , 7 f f . ; 2 5 2 , 1 3 f f . ; 1 1 , 4 1 3 , 1 7 ff. —

1930, S. 348 f.

G a n z im G e g e n s a t z z u

dieser L e h r e L u t h e r s behauptet R . S o h m (Kirchenrecht I, 1 8 9 2 , S . $ 0 0 ff.; bes. S . 5 0 2 , A n m . 3 3 ) , daß die G e m e i n d e , die Kirche als solche ü b e r h a u p t kein Schlüsselamt u n d kein P r e d i g t a m t , j a , „ w e d e r G l a u b e n nodi G a b e n " habe, jeder einzelne h a b e G l a u b e n , G a b e n , Priestertum, P r e d i g t a m t unmittelbar v o n G o t t . Diese Position h a t mit Luthers L e h r e nichts 5

gemein.

79 i j Lieberg, Amt

sondern der Kirchen, das ist des voldks Christi, des volcks Gottes oder des heiligen Christlichen volcks, so weit die gantze weit ist, oder wo Christen sind", — sagt Luther 1539"'. Das gleiche lehrt er audi schon 1 5 1 9 in der Resolutio Lutheriana super propositione sua X I I I . de potestate Papae108. In der Auslegung von Matth. 16, 18 f., welche Stelle unrechtmäßigerweise auf den Primat des Petrus und dann des Papstes bezogen werde, betont Luther, daß hier die Schlüsselgewalt (d. h die Gewalt Sünde zu vergeben und zu behalten, nicht etwa Gesetze zu erlassen!169) nicht Petrus allein, sondern allen Aposteln gegeben werde170. Das bedeute aber auch, daß die Schlüssel der Kirche gegeben sind 1 ' 1 . Petrus ist nämlich in Matth. 16, 18 der, dem der Vater das Messiasgeheimnis Jesu offenbart hat und der den Glauben an ihn sub totius ecclesiae persona bekennt. Er repräsentiert also die Person der Kirche. In solcher Eigenschaft werden ihm die Schlüssel gegeben, d. h. also, sie werden der Kirche gegeben172. Da wir nun heute von keinem privaten Menschen sicher wissen können, ob er die Offenbarung des Vaters empfangen hat und also an Christus glaubt, muß gesagt werden, daß die Schlüssel keinem einzelnen Menschen, sondern der Kirche gegeben sind, von der man weiß, daß sie Leib Christi ist173. Es ist für Luther hiernach also klar, claves non esse ullius hominis singularis sed ecclesiae et communitatis174. Er bestreitet nicht allein das alleinige Recht des Papstes auf die Schlüsselgewalt, sondern überhaupt, daß die Schlüsselgewalt einer Einzelperson an sich zugehört, sie ist der Kirche als ganzer gegeben175. Wo immer die ecclesia als communio sanctorum in dem Häuflein derer, die das reine Evangelium von Christo bekennen, in Erscheinung tritt, da ist auch die Schlüsselgewalt176, nicht nur in dieser und jener Gemeinde, sondern in jeder177. Die gleiche Auslegung von Matth. 16 findet sich im Sermon von Gewalt S. Peters von IJ22 179 . Die Schlüssel sind dem gegeben, der durch den Glauben auf dem Felsen Christus steht, aber alle Glaubenden können 167 50, 632, 28 ff.; vgl. 243, 13 ff.: Die Schlüssel sind ein Ampt und gewallt der kyrchen von Christo gegeben, zu binden und zu losen die sunde . . . 1M 2, 180—240. 169 1,0 Vgl. oben S. 31 ff. 2, 188, 29 ff. 38 ff.; 189, 25 f. 35 ff. 171 2, 188, 25; 189, 6 f . ; 190, I i ff.; 191, 10 ff.; 208, 36 ff. 178 2, 190, $ ff. 38 ff.; 191, 34 f.; 193, 14; vgl. 2, 248, 33 f.: Es ist war, dy sdilüssel seind sant Peter geben, aber nicht ym alß seiner person, ßondern in person der christenlidien kirche. 17)1 2, 190, I i ff.; 193, 8 ff.; vgl. 2, 191, 8 f. 174 2, 191, 18. 175 2, 194, { ff.: Reliqum ergo est, Euangelium hoc loco nec ad Petrum nec ad succèssorem eius, nec ad ullum Episcopum aut ullum hominem singularem pertinere, sed ad communionem sanctorum, quae est ecclesia; vgl. 30", 437, 21 ff. 176 2, 191, 24 ff. 177 178 2, 191, 22 f.; 192, 29; 194, 20. 10HI, 208—216.

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auch fallen, „Darumb ist nyemant bestympt, dem die Schlüssel gebiiren denn die kirchen, Das ist den die auflf disen Felß steen. Die Christenliche kirche hat allaine den sdiliissel, sunst nyemants . . . " m . Ebenso zeigt nach Luther Matth. 18, 18, daß die Schlüsselgewalt der Gemeinde gegeben ist: „hie gibt Christus die schlussell der gantzen gemeyn und nit S. Petro" 180 . Dasselbe gilt von Joh. 20, 22 f. 181 . Was hier nun vom Schlüsselamt gesagt ist, das ist im Sinne Luthers grundsätzlich auf Wort und Sakrament überhaupt zu beziehen. Die Gemeinde ist Inhaberin aller Gnadenmittel und des Rechtes, sie zu verwalten. Der einzelne Gläubige hat im allgemeinen Priestertum die Macht am Wort und Sakrament nicht in der Isolation, sondern immer nur als Glied der Gemeinde. Das ist ein wichtiges Korrektiv in Luthers Lehre vom allgemeinen Priestertum. Es darf nicht außer acht gelassen werden, wenn nicht das Gesamtbild falsch werden soll. Es wehrt nämlich der Vorstellung vom allgemeinen Priestertum als eines individuellen Personbesitzes, einer einzelpersönlichen Fähigkeit und Potenz, und schiebt überhaupt einem individualistischen Kirchenverständnis einen Riegel vor 182 . Luther hat übrigens, wenn er von Gemeinde redet, hier die communio sanctorum, die ganze Kirche im Auge, die zwar in jeder einzelnen Ortsgemeinde konkret in Erscheinung tritt und in ihr da ist183, aber doch auch alle anderen Gemeinden umgreift. Die einzelne Ortsgemeinde ist als Erscheinung der communio sanctorum nie los von den anderen Gemeinden, vielmehr auf sie bezogen und mit ihnen verbunden. Aller Congregationalismus und Independentismus liegt Luther fern, er sieht die Ortsgemeinde stets im Zusammenhang eines größeren Kirchenverbandes184. Immerhin ist die einzelne Ortsgemeinde für Luther die eigentliche Keimzelle der Funktion am Wort und Sakrament, denn wo die Kirche ist, da ist mit dem Priestertum aller Gläubigen auch die Vollmacht, Wort und 179 ιοΙΠ, 2 1 J , 21 ff.; vgl. 6, 309, 28 ff.: das sanct Petro anstadt der gantzenn gemein, unnd nit fur sein person die schlussel geben seinn; 6, 3 1 1 , 36 f.; 3 1 3 , 3 3 ; 4 1 1 , 37 f.; 30I, 235, 23 ff.: . . . Christus selbs die absolutio seiner Christenheit ynn mund gelegt und befohlen hat uns von sunden auffzulosen. 180

8, 173, 24; vgl. audi 2, 191, ι ff.; 7, 170, 14 f.; 12, 184, 11 ff. 6, 309, 30 ff.; 3 1 1 , 15 ff.; 312, 28 ff.: Die wort Christi seinn eyte! gnedige zusagunge der gantzenn gemein, aller Christenheit gethan; 2, 188, 23 ff. iss Eiert (Morphologie I, S. 299) hat darauf hingewiesen, daß ,Gemeinde' in Luthers Sinn nicht der vereinsmäßige Zusammenschluß von einzelnen gläubigen Individuen, sondern eine transsubjektive Wirklichkeit darstellt. Der Vereinskirchenbegriff ist nicht Luthers Kirchenanschauung. » Vgl. 6, 407, 34 ff. lei v g l . in der Schrift an die Böhmen den Plan der Einrichtung eines evangelischen Erzbistums Böhmen (12, 194, 18 ff.) und das Vorwort zum Unterricht der Visitatoren (26, 195 ff.; bes. 200, 10 ff.). R. Seeberg, Dogmengeschichte I V . i , S. 296; G. Holstein, Die Grundlagen d. ev. Kirchenrechts, Tübingen 1928, S. 99; W . Eiert, Morphologie des Luthertums I, S. 30J ff. und 322 ff. 181

ι'

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Sakrament zu handeln, ja, da ist auch Macht und Recht, das besondere Amt am Wort und Sakrament zu bestellen, wie wir hier schon anmerken können188. In diesem letzteren tritt wohl am besten hervor, daß für Luther die Gemeinde letztlich die eigentliche Inhaberin aller geistlidien Rechte und Gewalten am Wort und Sakrament ist. — Wir haben nun die Lehre vom allgemeinen Priestertum bei Luther mit besonderer Rücksicht auf die Wort- und Sakramentsfunktion untersucht und gefunden, daß das allgemeine Priestertum für Luther die grundsätzliche Berechtigung, Befähigung und Bevollmächtigung zur Wort- und Sakramentsfunktion einschließt, wenngleich das von dem einzelnen Christen nur gilt, insofern er Glied der Kirche ist. Diese Lehre vom allgemeinen Priestertum gibt bei Luther die Basis ab für seine Lehre vom kirchlichen Amt. Das Priestertum aller Christen ist ihm der Inbegriff des besonderen kirchlichen Amtes, insofern alle priesterlichen Funktionen am Wort und Sakrament, die den Inhalt des besonderen Amtes ausmachen, ihm als grundlegend schon im allgemeinen Priestertum gegeben gelten und er darum das besondere kirchliche Amt audi aus dem allgemeinen Priestertum aller Christen entwickelt. Man könnte, um das Verhältnis beider Instanzen bei Luther zu kennzeichnen, von einem ,Amt an sich' im allgemeinen Priestertum und dem konkreten Amt oder von einem allgemeinen Amt am Wort und Sakrament im allgemeinen Priestertum und dem besonderen kirchlichen Amt sprechen. Jedenfalls ist offenkundig, daß Luther das konkrete ministerium ecclesiasticum im allgemeinen Priestertum begründet und aus ihm ableitet. Auf welche Art und Weise das bei ihm geschieht, bildet jetzt den nädisten Gegenstand unserer Untersuchung.

186

38, 2J2, 17; 2J3, r fí.; 41, 241, 12 ff. 3j ff.; 242, 5 ff. Vgl. darüber unten

S. 146 ff.

68

III. Kapitel: Die Begründung des konkreten Amtes aus dem allgemeinen Priestertum ι. Das konkrete Amt als öffentliches Amt Wenn wir von dem konkreten Amt sprechen, so meinen wir das Amt am Wort und Sakrament, das bestimmten Personen zur konkreten stetigen Ausübung innerhalb der christlichen Gemeinde übertragen wird. Dieses konkrete Amt unterscheidet Luther deutlich von dem Priesteramt, das allen Christen gemeinsam ist1, und nennt es das „gemeine Ampt"*, das „dienstlich ampt"*, das „Predig ampt oder Dienst ampt" 4 . ,Dienstamt' heißt es, weil es den andern Christen mit dem Evangelium dient und für diese da ist5. Es beruht auf dem allgemeinen Priestertum, zu dem nun das ,ampt', d. h. der Auftrag zur stetigen Ausübung der Wortund Sakramentsfunktion in der Gemeinde hinzukommt". Luther verwendet den Begriff ,Amt' (ministerium) — wie Gösta H ö k dargelegt hat7 — in einem doppelten Sinne, einmal im Sinne des allgemeinen Priesteramtes, in dem alle Christen stehen, und dann im Sinne des konkreten Predigtamtes der Kirche, das durchaus nicht alle, sondern eben nur die 1 41, 210, 22 ff.; 213, 14 ff· Das stellt z . B . audi J. W. Fr. Höfling fest (Grundsätze ev. luth. Kirchenverfassung, 3. Aufl. Erlangen 18J3, S. 5$ f.). 2

41, 213, 3j.

3

41, 209, 6.

4

41, 210, 22.

4z, 213, 14 ff.: . . . Dazu sind die empter gesetzt, das heist nicht der priesterstand, sed ein ampt fur die andern priestern, id est: Christen . . . 5

* Luther betont gerne, daß das Priestertum schon vorher da ist und da sein muß und das besondere Amt dann nur noch dazu aufgelegt werde. Vgl. 41, 207, 13 f.: die ministri sind nicht sacerdotes propter officium, sondern a nati vi tate; 208, 7 ff.: Als hie wird einer nicht ein burger, wenn er zu einem burgermeister erwelet wird, sondern er ist vor hin burger, da hat er sein burgerredit von, darnach welet man in zum ampt aus dem hauffen, der die burger heissen, bringt also sein burger redit mit sich in das burgermeister ampt, findets nidit drinn Sic ein weib wird da durch nicht ein weib, quod viro nubit, nisi prius esset nata ein weibsbild . . . sie bringt das Weibsbild inn den ehelichen stand, post krieget sie die sdilussel . . . Post kompt das ampt da zu, das man ir aufflegt . . . ; 209, 8 ff.: Sicut ergo ein man mus vor ein man sein, antequam ducat uxorem, so mus vor hin ein prediger, ein bisdwff, ein priester sein. Papa vel Episcopus macht keinen priester, Es mus es einer vor hin sein, wenn er aber nu priester ist, kompt das ampt und madit ein untersdieid; 213, 15 ff. 7

a. a. O., S. 149 f.

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besonders dazu Berufenen innehaben8. Zum Wesen dieses konkreten kirchlichen Amtes gehört nach Luther, daß es öffentliches Amt (ministerium publicum) ist. Erst mit dem Öffentlichkeitscharakter ist die Dimension dieses konkreten ministerium ecclesiasticum, des besonderen Amtes der Kirche erreicht*. „Sihe, also hat und übet ein jglicher Christen solche Priester werck, Aber über das ist nu das gemeine Ampt, so die Lere öffentlich füret und treibt"". Auf das deutlichste ist hier das kirchliche Amt als öffentliches Lehramt vom allgemeinen Priesteramt abgehoben11. 8 Der Kritik H. Storcks (a. a. O., S. 42 f.) an Höks Darlegung über das doppelte Amt bei Luther kann nicht zugestimmt werden. Hök hat unzweifelhaft richtig beobachtet, daß Luther das Amt im weiteren Sinne ( = allgemeines Priesteramt) und das Amt im engeren Sinne ( = ministerium ecclesiae) sachlich und begrifflich sdieidet. • Der öffentlichkeitsdiarakter des besonderen Amtes ist von den meisten Bearbeitern von Luthers Amtslehre hervorgehoben worden. Vgl. ζ. B. Jul. Köstlin, Luthers Lehre von der Kirche, 18 $3, S. 48; E. Wolf, Zur Verwaltung der Sakramente nadi Luther u. luth. Lehre, in: Peregrinatio, Studien zur reformator. Theol. u. z. Kirchenproblem, München 1954, S. 244 u. 252 f.; F. K. Schumann, Amt der Kirche und Berufung zum Amt, in: Wort und Gestalt, Ges. Aufsätze, 1956, S. 316; V. Vajta, Theol. d. Gottesdienstes, 1954, S. 200.216; G. Hök, a. a. O., S. 150. — Es stellt einen Mangel der Untersuchung Storcks über das allgemeine Priestertum bei Luther dar, daß er auf den Öffentlichkeitscharakter des besonderen Amtes bei Luther gar nicht eingeht. So kommt die Besonderheit desselben neben dem allgemeinen Priestertum nicht zu ihrem vollen Recht. Wenn Storci schreibt: „Bei Luther läßt sich kein Unterschied zwischen den Funktionen des geistlichen Amtes und denen des allgemeinen Priestertums feststellen" (a.a.O., S. 41), so ist das materialiter zwar richtig — wir haben dasselbe im vorigen Kapitel immer wieder festgestellt —, muß aber, damit kein falsches Gesamtbild entsteht, durch die Feststellung des (sehr wesentlichen!) formalen Unterschiedes ergänzt werden, daß die Funktionen des geistlichen Amtes öffentliche Funktionen in der Gemeinde sind, während von denen des allgemeinen Priestertums der Öffentlichkeitscharakter in dem dargelegten Sinne nicht gilt. Den öffentlichkeitsdiarakter des konkreten Amtes als Abgrenzung zum allg. Priestertum aller Christen hin betont auch Brunette (a.a.O., S. 159 ff.). Er fügt diesem Moment als zweites Charakteristicum des konkreten Amtes bei Luther im Unterschied zu den Funktionen des allg. Priestertums die Relation zur Kirche hinzu (ebda. S. 161 ff.). Die Funktionen des konkreten Amtes gesdiehen in der Zuordnung zur Kirdie und im Namen der Kirche, was von den Funktionen des allg. Priestertums so nicht gilt. Das ist eine wichtige Ergänzung. Wir kommen darauf in den Abschnitten 5 und 6 dieses Kap. zu sprechen. Nicht stimmen wir allerdings mit Brunotte überein in der Auslegung der Relation von Amt und Kirche bzw. Gemeinde bei Luther. Vgl. zur Auseinandersetzung mit Brunotte in dieser Hinsicht unten S. 82 f., Anm. 79; S. 86, Anm. 91; S. 87f., Anm. 97; S. 91, Anm. 108; S. 92, Anm. i n .

' · 41, 213, 34 f.; vgl. 12, 17, 37; 12, 189, 2$ f.; 30ΙΠ, 519, 30 f. 11 41, 210, 22 ff.: Sihe, also mus man das Predig ampt oder Dienst ampt scheiden von dem gemeinen Priesterstand aller getauffter Christen, Denn solch Ampt ist nicht mehr denn ein öffentlicher dien'st, so etwan einem befolen wird von der gantzen Gemeine, welche alle zugleich Priester sind; 2 1 1 , 18 ff.; Br 7, 339, 29 ff.: „Denn es ist ein gar anders umb ein öffentlich Ampt in der Kirchen und umb ein Hausvater über sein Gesind . . . " — Es ist also für Luther nicht zutreffend, wenn man mit V. Vajta (a.a.O., S. 21 j f., Anm. 69) in der Funktion des Hausvaters auch einfach ,das kirchliche Amt', also das öffentlidie Amt fungieren sieht!

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Christus will, daß das Predigtamt nicht nur „hemlich odder an einem ort, sondern öffentlich durch die gantze w e i t " getrieben werden soll". Fragt man nun, welchen Sinn der Begriff öffentlich' für Luther hat, so findet man in ihm z w e i Elemente. ,öffentlich' heißt: ,vor allen' und ,für alle' im Rahmen des Gemeindekörpers. Dieses öffentliche A m t blickt in die Gemeinde und ist durch und durch Gemeindeamt. D e r in diesem A m t Stehende tut die Amtsfunktion coram ecclesia und in nomine ecclesiae". Er handelt v o r der Gemeinde und in ihm handelt die Gemeinde. Öffentlichkeit ist bei Luther nicht ein rein technischer Begriff, sondern mit einer sachlichen Aussage gefüllt. D a r u m muß der, der das öffentliche A m t handeln soll, getragen sein v o n dem consensus universitatis seu Ecclesiae". Er steht ja für diese ecclesia. Daraus folgt aber auch, daß dieses öffentliche A m t immer bezogen ist auf eine konkrete Gemeinde und parodiialen Charakter hat. Es ist in Luthers Sinne nicht nur einfach „Predigtamt", sondern auch ganz wesenhaft Pfarramt™. A l s solches ist es das A m t der Kirche im eigentlichen Sinne. In ihm f a ß t sich eine konkrete Gemeinde, vor allem hinsichtlich der W o r t - und Sakramentsfunktion zusammen, durch es wird sie mittels dieser W o r t - und Sakramentsfunktion geleitet und regiert 18 . G i b t es neben ihm nodi andere Ämter in der Gemeinde, so sind sie entweder Ausgliederungen des Pfarramtes (so z. B. wenn Prediger als Gehilfen des einen Pfarrers fungieren) oder jedenfalls irgendwie dem Pfarramt zu- und untergeordnet". D a s Pfarramt ist das ministerium publicum ecclesiae. D e m öffentlichen Bereich, in dem das Pfarramt als öffentliches A m t in der Gemeinde w i r k t , steht nun die private und häusliche Sphäre gegenüber, in welcher jeder Christ Gottes W o r t verkündigt und priesterliche Funktionen versieht. Die Übertragung der öffentlichen Ausübung des Priestertums im konkreten A m t auf bestimmte Personen 18 bedeutet nicht, daß die übrigen Glieder der Gemeinde nicht auch priesterliche Funktionen auf Grund des allen gemeinsamen Priestertums ausüben 19 . N u r ge" 32, 351, 3; vgl. 41, 213, 19 ff.: Post teile man die empter aus, das der hauffe nicht inn der irre gehe und das das bekentnis öffentlich gehe, quia, das ich hie predige, geschieht nicht inn eim winckel . . . 1 5 i l , 189, 22 f.; 49, 600, Ii ff. 1 4 12, 189, 16 f. 1 5 Vgl. unten S. n o f f . 1 6 D a f ü r daß das Regieren der Gemeinde durchs W o r t und Sakrament erfolgt vgl. die oben S. 51, Anm. 79 angegebenen Stellen und 6, 441, 24 f.; 41, 210, 15. V g l . dazu auch R. Sohm, Kirchenrecht I, S. 484 ff. 17 V g l . P. Brunner, V o m A m t des Bischofs, in: Schriften des Theol. Konvents Augsb. Bek., H e f t 9, Berlin 1955, S. 27 fr. 18 Vgl. K . Holl, Luther, S. 319: „ . . . sind alle Christen Priester im vollen Sinne des Wortes, so hat der ,kirchische Priester' nichts voraus als dies, daß er allein das allgemeine Priestertum öffentlich ausüben d a r f " . 19 41, 211, 18 ff.: Denn ob w i r w o l nicht alle in öffentlichem A m p t und Beruff sind, so sol und mag doch ein jglicher Christ seinen nehesten Leren, unterrichten,

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sdiehen diese dann im privaten Bereich. Luther scheidet die priesterlichen Funktionen in öffentliche und ,heymliche'20. Ein und dasselbe Priestertum wird in zwei Sphären (öffentlich und ,heymlidi') ausgeübt". Kann man also sagen, daß das besondere Amt das in öffentliche Funktion gesetzte allgemeine Priestertum ist, so muß man aber audi beachten, daß die besondere Art und Weise der öffentlichen Ausübung des Priestertums eben ein neues genus der priesterlichen Funktion schafft, das für das besondere Amt kennzeichnend ist und in dem dieses vom allgemeinen Priestertum klar abgehoben ist. Luther selbst sagt, daß beide Arten der Ausübung des Priestertums „nicht zu mengen . . . noch zu trennen" sind22, d. h. sie müssen unterschieden werden und sind doch beides Funktionen des gleichen Priestertums23. Die häuslich-private Sphäre gibt es nun für Luther nur in bezug auf das Weitersagen des Wortes Gottes von Mensch zu Mensch und das Lehren im Hause durch den Hausvater 2 1 und die mutua consolatio fratrum einschließlich Erteilung der Absolution. Kommt mein Nächster zu mir und sucht bei mir den Trost des Evangeliums und bittet er midi um die Absolution, „so mag ich das frey thun, aber heimlich, sage ich, muß es geschehen"25. Die Erteilung der Absolution ist in der häuslich-privaten Sphäre nicht auf die Amtsträger beschränkt, wenngleich sie öffentlich nur durch solche geschehen darf 26 . Die Absolution im Munde eines guten Freundes — in Gottes Namen gesprochen — ist genau so gültig wie die des Amtsträgers 27 . Luther kann sogar zur Beichte bei einem Laienbruder auffordern: „wen dich dein gewissen peinigt, so gehe zu einem frummen man, clag im dein nott, vergibt er dir die, so söltu es annemen, er darff dazu keins Bapsts Bullen" 28 . Das ist die gleiche Haltung, die wir schon vermanen, trösten, straffen durch Gottes wort, wenn und w o jemand das bedarf! . . . ; vgl. I i , 4 1 2 , 4 ff.; 1 2 , 1 8 0 , 1 7 ff.; J 2 I , 1 9 ff. ioJ-2, 239, 28 ff.; 12, 189, 25 f.; 49, 139, 22 f.: (Christus hat befohlen mit Absolution zu trösten) durch ein öffentlich a m p t vocatis ministris et unicuique privatim. " 12, 189, 34 ff.: N a m fructus huiusmodi publice vel privatim ferre non probat aliud et aliud sacerdotium, sed alium et alium usum eiusdem sacerdotii. B f 7. 339. 30 fDie Unterscheidung der beiden Sphären wird auch von Brunotte (a. a. O . , S . 56 ff.) hervorgehoben, aber Brunotte übersieht, daß es sich bei Luther nur um zwei verschiedene Funktionsarten ein und desselben Priestertums handelt. Es geht um den alium et alium usum eiusdem sacerdotii (12, 189, 35). D i e Abhebung des öffentlichen Amtes v o m allen gemeinsamen Priesteramt bedeutet in dieser Gedankenreihe nodi nicht, daß auch der innere Zusammenhang und die Ableitung des ersteren aus dem letzteren negiert ist, wie Brunotte annimmt. 24 41, 212, 2 j ff.; vgl. auch oben S. 63, Anm. 153. 2 5 ιοΙ·2, 239, 3 2 fί β ιοΙ·2, 239, z9 f· 2 7 i o " I , 3 9 $ , 2 5 ff.; vgl. 4 9 , 1 3 9 , 2 0 ff.; 1 4 0 , 6 ff. 4 0 f. ω io 1 ' 1 , 398, 35 ff.; vgl. die Beichte vor einem .Bruder' im G r . Katechismus: 30I, 235, 18: beichte, so zwischen einem bruder allein geschihet; 20 f.: „ . . . das wir solchs 22 M

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in der Schrift an die Böhmen kennenlernten, w o Luther darauf besteht, daß ius et usus clavium absolute et generaliter omnibus zukomme 28 . Jedoch räumt Luther solchen privaten Gebrauch der Schlüssel nur insoweit ein, als er nicht mit der amtlichen Beichtseelsorge der ministri kollidiert, Luther weiß, wie leicht er zu Sektenbildung und Auflösung jeglicher Gemeindezucht führen kann 30 . Das eigentliche Beichthören, also die amtliche Beichtseelsorge, soll den berufenen ministri allein zustehen 31 . Hier taucht nun die Frage auf, warum Luther überhaupt so entschieden darauf besteht, daß neben der durch das öffentliche A m t geschehenden Beichtseelsorge in der privaten Sphäre doch auch durch Laien Absolution gespendet werden darf und soll. W i r werden wohl nicht fehlgehen in der Meinung, daß dies damit zusammenhängt, daß die Grenzen z w i schen dem tröstenden Zuspruch des Evangeliums, der selbstverständlich jedem Christen zustehen muß, und der eigentlichen Absolution in der Praxis tatsächlich o f t fließend sind. Zudem spielt hier die Lehre von dem überströmenden Reichtum der Gnade herein, der sich in vielen Formen erweist. „ G o t t ist uberschwenglich reich jnn seiner G n a d e " , so daß er sie nicht nur auf eine Weise, sondern auf mancherlei A r t austeilt, durch das mündliche W o r t , durch T a u f e , Abendmahl, Schlüssel „und auch per mutuüm colloquium et consolationem fratrum" 3 2 . Es muß noch ausdrücklich erwähnt werden, daß Luther für die Sakramente der T a u f e und des hl. Abendmahls eine gleiche .heimliche' Funktion in der häuslich-privaten Sphäre nicht vorsieht, ja, sie sogar verw i r f t " . Die T a u f e soll nach Luther außerhalb des besonderen Amtes nur in der N o t , das hl. Abendmahl überhaupt nicht ohne dasselbe verwaltet werden". D i e Unterscheidung v o n öffentlichem und häuslich-privatem Bereich ist notwendig, um das besondere Wesen des konkreten Amtes nach Luther richtig zu erkennen. Letzteres gewinnt rechte Konturen erst, wenn man es in dieser Dimension der Öffentlichkeit betrachtet. — D a s konkrete A m t beruht bei Luther z w a r grundsätzlich auf dem allgemeinen Priestertum der Gemeinde und jedes einzelnen Christen, tritt einem brader klagen". — A b e r natürlich fordert Luther auch auf, z u m Pfarrer zu gehen, wenn man in innerer N o t ist: 2, 249, 12 ff.; 41, 546, 16: Ito ad parodium — 12, 184, 21 ff.; vgl. oben S. 58 f. 80 V g l . 38, 630, 9 ff., w o Luther jedem Bruder den Gebrauch der Schlüsselgewalt zugesteht, dazu aber bemerkt: Sic tarnen ut publica Euangelij contio aut clavium officium non contemnatur, Q u i a non est permittendum in Ecclesia, ut propter libertatem fungendi clavibus privatim, insultetur publicae functioni, H o c enim esset sectas gerere, et gratiam Christi in luxuriam transferre. 81 Vgl. io 1 · 2 , 239, 23 f.: Wenn yederman w o l t beydit hören . . . , wie w o l t es sich sdiidten; 33 ff.: Wenn ich mich w o l t hin setzen in die kirdie, ein ander audi, und woltten alle beicht hören, w i e w o l t es sich reumen. 111 fo, 240, 30 53 41, 214, 27 ff.; Br 7, 338 f. etc. ff. M Nachweis d a f ü r unten S. 136 ff.

73·

aber erst dann konkret in die Erscheinung, wenn es bestimmten Personen zur öffentlichen Ausübung in der Gemeinde aufgelegt wird und diese es vor der Gemeinde und für die Gemeinde ausüben. Wir haben jetzt zu fragen, wie die Notwendigkeit dieses aus dem Priestertum der Gesamtheit herausgesetzten konkreten Amtes bei Luther begründet wird. Bei einer Untersuchung von Luthers Aussagen darüber ergeben sich zwei Grundlinien der Gedankenführung: die eine ist die Begründung aus dem allgemeinen Priestertum aller Christen, die andere die aus der göttlichen Stiftung. Wir haben es hier zunächst nur mit der ersteren zu tun.

2. Das Ordnungsmotiv als Begründung des konkreten Amtes Für die Begründung der Notwendigkeit des konkreten Amtes spielt •das Motiv der Ordnung bei Luther eine wichtige Rolle. Die Ausübung der Wort- und Sakramentsfunktion in der Gemeinde muß im Rahmen einer guten Ordnung geschehen. Es wäre unwürdig, wenn dies in Unordnung geschehen würde. Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern •des Friedens (i. Kor. 14, 33), darum gebietet die Schrift, daß in der Gemeinde alles ehrbar und ordentlich zugehe (1. Kor. 14, 40)35. Was wäre aber, wenn alle die öffentliche Wort- und Sakramentsfunktion in der Gemeinde ausüben würden, wenn alle predigen wollten und Sakramente austeilen oder der Gemeinde vorstehen? „Wenn yederman predigen wolt, wer wolt zuhören, wenn wir alle zugleich predigten, wie wurd es ein geplerr durch einander werden, wie yetz under den fröschen"3®. Es würde wahrlich eine turpis confusio in populo dei geben, ja, die Kirdie würde zu einem rechten Babylon werden37. Darum gilt für Luther: „ . . . der hauffe gantz kan solchs nicht thun, sondern müssens einem befelhen oder lassen befolhen sein"38. Aus den praktisch-technischen Gegebenheiten des Gemeindelebens und dem göttlichen Gesetz der Ordnung folgt die Notwendigkeit des konkreten, mit bestimmten Amtspersonen bestellten Pre•digtamtes, dem die öffentliche Wort- und Sakramentsfunktion ausschließlich übertragen ist39. J5

12, 189, 24 f.; 30III, J24, $ ff. ιοΙ·2, 239, 24 ff.; vgl. ioIII, 397, 17 ff.: wen wir alle würden predigen, so würdt •es gleich werden, Als w e n die weyber zum mardtt gehen, so wil keine der andern zu hören und wollen alle reden. 37 12, 189, 23 f. 38 jo, 633, $ ff.; 7, 28, 33 ff.: Denn ob wir w o l alle gleych priester seyn, ßo künden wir dodi nit alle dienen odder schaffen und predigen; 41, 209, 13: das ampt kunnen wir nicht alle haben; 214, 27 ff.: Denn jnn der Gemeine können sie nicht alle des Ampts gewarten; 49, 600, 13 f.: einer mus sein, der da redet und das wort füret. 39 ιοΙ·2, 239, 2 7 : »Darumb (nämlich weil es um der Ordnung willen nidit anders geht) so sol es also zugeen, das die gemaine einen, der dartzu tüchtig ist, erwele, der se

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Besonders drastisch schildert Luther das Problem der Ordnung in der Schrift ,Von den Schleichern und Winkelpredigern' 1532. Er verbindet da den Grundsatz, daß es nicht zu dulden sei, daß „ein Leye unberuffen sich des predigens unter winde jnn seiner Pfarrkirchen", die öffentliche Predigt solle den berufenen Propheten und Lehrern befohlen sein und bleiben40, mit dem Motiv der Ordnung. Wenn „ein iglicher Leye jnn der Kirche auff stehen will und predigen", — wie soll dann alles ehrbar und ordentlich zugehen in der Gemeinde?" Die gottesdienstliche Versammlung müßte dann einen tumultuarischen Charakter annehmen: „ W e l c h ein fein musther solt mir das werden, W e n n ein P f a r h e r predigt und ein jglicher hette macht, jm jnn die rede zu fallen und sich mit jm zu schelten? Weiter solte den beiden aber mal ein ander jnn die rede fallen und den andern auch heissen s A w e i g e n , Darnach etrwa ein volle bieramsel aus eim kruge daher lauffen und diesen allen dreien jnn die rede fallen und den dritten heissen auch schweigen, U n d zu letzt die W e i b e r auch wolten solch recht haben als ,die sitzerin' und die menner heissen schweigen, darnach jmer ein w e i b das ander, — O welch ein schone k i r d i w e y , kretzschmer und jarmarckt

solt da

werden!

Auff

welchem

Sewkoben

sollt's

nicht

feiner

zugehen denn jnn solcher Kirchen? D a solt der teuffei prediger sein an meine stat" 4 2 .

In ähnlicher Weise schildert Luther im Hinblick auf die Taufe die Notwendigkeit des konkreten Amtes im Sermon von Gewalt S. Peters 1522: „wann die gantz gemain wolt hinfallen und wolten alle Teuffen, so möchten sy wol das kind ertrencken, Denn es giengen wol tausent hend darnach, das zympt sich nit. Darumb muß man ainen Diener haben, der solchß pflegt an der gemain stat"". Die Herausstellung des einen öffentlichen Dieners, der die Taufe vornimmt, ist einfach eine praktischtechnische Notwendigkeit. Auch weil es mit den Sakramenten „ein offenbarlich ding" sein muß und damit man wisse, wer denn eigentlich getauft ist, was bei willkürlichen Haustaufen durch den „gemeinen man" durchaus nicht gewährleistet ist, und damit überhaupt ein geordnetes Gemeindeleben statthaben kann und nicht allgemeine Verwirrung herrscht, sind Pfarrer nötig, die die öffentliche Wort- und Sakramentsfunktion in der Gemeinde für alle ausüben44. Die christliche Gemeinde ist hinsichtlich der Notwendigkeit einer äußeren Ordnung in der gleichen Lage wie andere menschliche Sozialgebilde, etwa ein Königreich oder ein Hausgesinde. Darum führt Luther für die Notwendigkeit des konkreten Amtes in der Gemeinde auch Beispiele aus dem politisch-ökonomischen Bereich an. Wo viel Adel ist, da erwählen sie einen, der im Namen aller anderen das Regiment ausführt, „denn so ein yglicher wolt über land und leute regiern, wie wurde es zugeen?"45 die Sacrament reiche, predige, beidit höre und teuffe . . . " . V g l . V . V a j t a , Theol. d. Gottesdienstes, S . 2 1 0 . 40 42

30ΙΠ, $ 2 4 , 3 f . ; auch j 2 j , 1 2

ff.

41

30I",

J 2 4 , 8. f.

43

44 3θΠΙ, J 2 2 , 2 5 fr. 10ΙΠ, 2 1 6 , 3 ff. 2 1 3 , 7 ff. 4I, 45 ιοΐ·2, 2 3 9 , 3 5 ff· ( v g l · audi das Vorhergehende im T e x t dieser Stelle); vgl. 4 0 7 , 3 2 ff.

6,

75

In einem Hausgesinde muß eine verpflichtende Ordnung sein, „denn wenn alle erben herren wolten sein und regieren, so wurd es ubel zugeen. So aber die anderen zufallen und nemen einen vor und tretten sie ab, gebens dem in die handt, so geet es fein tzu. Also audi hie muß mann audi einenn erlesen, das die Ordnung nitt umgekert wirdt" 48 . Die Begründung der Notwendigkeit des konkreten Amtes im Ordnungsmotiv steht in ursächlichem Zusammenhang mit der Lehre vom allgemeinen Priestertum. Damit, daß es nötig ist, um der Ordnung willen das konkrete Amt zu bestellen, wird — wie Luther sagt — „nicht auff gehaben gemeynschafft des ampts tzu predigen, yha es wirtt da durch bekrefftiget. Denn wo nicht alle menschen predigen mochten und eyner alleyn tzu reden gewallt hatt, was wäre von nötten eyn Ordnung tzu hallten und gepieten? Und eben darumb, das sie alle gewallt unnd macht haben tzu predigen, ist eyn Ordnung tzu hallten von nötten"47. Die Notwendigkeit für die Ordnung zu sorgen, ergibt sich gerade daraus, daß alle Glieder der Gemeinde grundsätzlich gleichen Redites und gleicher Macht am Wort und Sakrament sind. Wäre Berechtigung und Befähigung zur Wort- und Sakramentsfunktion nicht allen gemeinsam, sondern von vornherein auf einzelne bestimmte Personen beschränkt, so wäre die Ordnung damit ja schon vorgezeichnet und gegeben. Nur weil alle Christen im allgemeinen Priestertum grundsätzlich Recht und Macht an Wort und Sakrament haben, gewinnt das Ordnungsmotiv begründende Bedeutung für die Notwendigkeit des konkreten, mit bestimmten Personen bestellten Amtes. Die Begründung des konkreten Amtes um der Ordnung willen ist also auch eine solche aus dem allgemeinen Priestertum48. I O H I , 170, 29 ff. Für das Ordnungsmotiv vgl. nodi 8, 424, 24 ff.: ut servetur ordo et honestas; 25, 16, 23 ff.: ut non simul loquantur; 28, 474, 6 ff. 47 8, 495, 28 ff.; vgl. 423, 6 f.: Ideo enim necessarius est ordo loquendi, quod omnes potestatem habent loquendi. Vgl. auch G. Rietschel, Luther und die Ordination, 1889, S. 33 und H. Storck, a. a. O., S. 31 f. 48 H. E. Creutzig (Amt und Ämter i. d. luth. Kirche, Theologia militans, Heft 22, Leipzig 1938, S. 18) hat mit Redit darauf hingewiesen, daß die Begründung mit der Ordnung bei Luther nicht rein äußerlich gefaßt werden darf, da die Ordnung ja Gottes Gebot ist. In der Tat ist mit der Notwendigkeit des konkreten Amtes um der Ordnung willen indirekt audi sdion eine göttliche Notwendigkeit ausgesagt. Das Ordnungsmotiv führt jedenfalls sdion nahe an ein jus divinum des konkreten Amtes heran. Auch Brunotte (a.a.O., S. 130fr.) betont, daß Luther das Ordnungsmotiv in einer ausdrücklichen Anordnung Gottes (nämlidi in 1. Kor. 14, 40 als gotti. Befehl gefaßt) begründet sieht, es nidit einfach als allgemein sittliches Gesetz faßt, wie etwa Höfling. Brunotte geht aber zu weit, wenn er in dem 1. Kor. 14, 40 ausgesprochenen Ordnungsgebot der Schrift im Sinne Luthers schon eine direkte göttliche Anordnung und Einsetzung des Amtes finden will und somit die Begründung mit der Ordnung völlig mit der Begründung mit der göttlidien Stiftung bei Luther identifiziert. Es ist doch zweierlei, ob gesagt wird: Gott hat die Ordnung geboten, die Ordnung kann — da alle im allg. Priestertum gleiche Rechte und Gewalten haben — nur so erhalten 4 8

76

3· Der Bruderschaftsgedanke als Begründung des konkreten Amtes Es wurde schon darauf hingewiesen, welche Bedeutung der Bruderschaftsgedanke für Luther hat49. Alle Glieder der Gemeinde sind in der fraternitas Christiana miteinander verbunden und einander zugeordnet. N u n sind sie alle im allgemeinen Priestertum grundsätzlich gleichen Rechtes und gleicher Macht. So kommt in der Gemeinde eine communio iuris zustande60, die praktisch für jeden einzelnen bedeutet, daß er nicht ein freier Herr über sein Recht ist, sondern es immer in einer Beziehung zur Gesamtheit sehen muß. Dazu zwingt ihn die christliche Liebe. Neben ihm sind Menschen, die das gleiche Recht haben und an die er ebenso gewiesen ist, wie sie an ihn. Wollte nun einer diese Bezogenheit auf die anderen überspringen und willkürlich, ohne Ruf und Willen der Gesamtheit, von seinem grundsätzlichen Recht an Wort und Sakrament öffentlichen Gebrauch machen und damit das allen gemeinsame Recht an Wort und Sakrament, das aber doch um der Ordnung willen nicht von allen gleicherweise öffentlich ausgeübt werden kann, eigenmächtig hinsichtlich der öffentlichen Ausübung an sich reißen, so wäre das eine Mißachtung der brüderlichen Gemeinschaft und ein Verstoß gegen die christliche Liebe. „Den was gemeyne ist, mag niemandt on der gemeyne willen und befehle an sich nehmen"51. Luther gebraucht hier Wendungen wie ,es ziemt sich nicht', ,es schickt sich nicht', ,es gebührt nicht', ,man soll es nicht', ,man darf es nicht', ,man kann es nicht', im Lateinischen ,ηοη licet' 52 . Es haben diese Ausdrücke unbedingt das Gewicht eines Verwerden, daß ein bes. Amt bestellt wird, also ist audi dieses A m t von Gott geboten — oder: Gott hat das bes. Amt selbst eingesetzt und gestiftet. Im ersteren Fall ist das Amt nur indirekt auf Gottes Willen zurückgeführt, in letzterem direkt. Bei Luther sind beide Arten der Amtsbegründung vorhanden und man vereinfacht unzulässig, wenn man beides als ein und dasselbe nimmt. Darum ist auch die Polemik Brunottes gegen E. Sommerlath und K. Tuchel, die auch von den zwei Amtsbegründungen bei Luther sprechen, abwegig. — Das gleiche wäre gegen die Auffassung von Regin Prenter zu sagen, der ebenfalls die Begründung des Amtes mit der Ordnung bei Luther mit der in der göttlidien Stiftung identifiziert (Theol. Lit.ztg. 5/86. Jg., Sp. 325 ff.). Die von uns angeführten Texte zeigen deutlich, daß Luther hier bei dem Ordnungsbegriff von ι . Kor. 14, 40 tatsächlich ,Ruhe und Ordnung' im äußerlichen Sinne im Auge hat und — hier — nicht an eine der Gemeinde eingestiftete Ordnung im tieferen Sinne denkt. 54 Vgl. oben S. 64 f. 12, 189, 21. 6, 408, 15 ff.; vgl. 6, 566, 29 f.: Quod enim omnium est communiter, nullus singulariter potest sibi arrogare, donee vocetur; 12, 189, 17 ff.; vgl. 12, 309, 7 ff.; IoIII > 39S> 40 ff· 52 6, 408, 12 f.: . . . nit einem yglichen zympt, solch ampt zu üben; 5 66, 28: non licere; 30: nullus potest; 8, 253, 29: . . . solch gewallt tzu üben und ynß werck füren, gepurtt nit yderman; 8, 495, 24: . . . das y h r viel tzu gleych nicht predigen sollen; w e w ιοΙ·2, 239, 2 3 i ° l t es sich schicken; 10ΠΙ, 395, 40: Das gebürtt aber nit einem iczlichen; 396, 3: es gehört nit einem iczlichen; 397, 17: aber wir sollen den nit alle gebraudien; 12, 189, 18: nulli licet; 26: publice exequi non licet; 309, 7: soll keyner; 49 51

77

bots im strengen Sinne. Das geht auch daraus hervor, d a ß Luther die Überschreitung dieses Verbots mit moralisch disqualifizierenden Ausdrücken kennzeichnet wie ,Vermessenheit', .Arroganz' 5 3 . Dem Verbot liegt allerdings nidit n u r die Gemeinschaftsbezogenheit jedes einzelnen zugrunde, sondern auch ganz wesentlich der Grundsatz, d a ß man in geistlichen Dingen nichts aus sich heraus beginnen d a r f , vielmehr gerufen sein m u ß . Jedoch w i r d dieser Gesichtspunkt weiter unten eine ausführlichere Darstellung finden".

Die Einordnung in die fraternitas Christiana macht eine ungeregelte öffentliche Ausübung des allen in der Taufe gegebenen Priesterrechtes mit der Macht am Wort und Sakrament unmöglich. Das Zusammenfallen und Zusammengehören der Rechte aller einzelnen Christen in der Gemeinde zwingt zu dem geordneten Verfahren einer Wahl und Berufung, durch das einer oder mehrere von der Gesamtheit zur öffentlichen Ausübung der Wort- und Sakramentsfunktion herausgestellt werden, die dann das konkrete Amt im Namen aller verwalten 55 . So ist die N o t wendigkeit des konkreten Amtes auch in dem Gedanken der fraternitas Christiana begründet. D e r Bruderschaftsgedanke beschränkt die öffentliche Ausübung der W o r t - und Sakramentsfunktion auf den von der Gemeinde ins konkrete A m t Berufenen. D a m i t sind aber die grundsätzlichen Rechte und Pflichten der anderen am W o r t und Sakrament nicht einfach aufgehoben. Vielmehr denkt Luther sich die grundsätzlichen Rechte und Pflichten aller anderen an der priesterlichen W o r t - und Sakramentsfunktion n u n auf den einen ins konkrete A m t Berufenen delegiert und sieht in dessen A m t s f u n k t i o n alle übrigen Glieder der Gemeinde mittätig. Luther rechnet hier mit einem wirklich realen Gesetz der Stellvertretung, k r a f t dessen das W e r k des einen das W e r k aller w i r d und das W e r k aller in dem W e r k des einen geschieht 5 ". I m tieferen Sinne ist dies nichts anderes als die geistliche Realität der christlichen Bruderschaft. Ganz besonders w i r d auch in diesem Zusammenhang deutlich, wie jedes individualistische Verständnis des christlichen Priestertums bei Luther ausgeschlossen ist. Alle Rechte u n d Pflichten des einzelnen sind eingebettet in die Bezogenheit auf die Gemeinschaft, in der er steht. Das grundsätzliche Recht und Vermögen zur W o r t - und Sakramentsfunktion, das jedem im allgemeinen Priestertum gegeben ist, w i r d durch den Bruderschaftsgedanken dabei nicht zur praktischen Bedeutungslosigkeit verurteilt, sondern nur gewissermaßen transformiert in das Recht und die Pflicht, f ü r die rechte Bestellung

41, 210, 14 f.: sollen wir doch . . . nicht alle Predigen odder Leren und Regieren; 41, 214, 28: so schicket sidis auch nicht . . . 55

6, 408, 14 f.; ioI-2, 239, 29 (sich unterwinden); 6, 566, j o (arrogare).

54

Vgl. unten S. 139 ff.

55

12, 189, 21 ff.: haec communio iuris cogit, ut unus, aut quotquot placuerint communitati, eligantur vel acceptentur, qui vice et nomine omnium, qui idem iuris habent, exequantur officia ista publice. — K. H o l l sieht in diesem Sachverhalt bestätigt, d a ß Luther das allg. Priestertum tatsächlich als ein Verfassungsprinzip anwendet (Luther, S. 318 f., Anm. 5). Insofern Luther das geistliche A m t aus dem allg. Priestertum begründet u n d dasselbe das Rückgrat der Kirchenverfassung darstellt, kann man das wirklich sagen. 56

78

Vgl. unten S. 90 ff. Nachweis daselbst.

des besonderen Amtes und die rechte Ausübung der öffentlichen W o r t - und S a k r a mentsfunktion durch dasselbe V e r a n t w o r t u n g zu t r a g e n " .

4. Die Verschiedenheit der Gaben als Begründung des konkreten Amtes Wir haben oben festgestellt, daß Luther mit aller Deutlichkeit die Gleichheit der geistlichen Potenz hinsichtlich der Wort- und Sakramentsfunktion bei allen Christen lehrt68. Wir haben auch darauf hingewiesen, daß eine Schwierigkeit für diese Lehre darin liegt, daß nicht alle Christen mit den zur Ausübung der Wort- und Sakramentsfunktion tatsächlich erforderlichen Gaben ausgerüstet sind59. Luther läßt allerdings durch diese Schwierigkeit seine Lehre von der gleicherweise bei allen vorhandenen geistlichen Potenz zur Wort- und Sakramentsfunktion nicht in Frage stellen, sie fördert ihm vielmehr nur die Begründung des konkreten Amtes aus dem allgemeinen Priestertum und wird so zum dritten Motiv für die Notwendigkeit des konkreten Amtes: Alle sind wohl Priester, alle haben grundsätzlich Recht und Macht am Wort und Sakrament, da aber Gott nicht allen die nötigen Gaben zur praktischen Ausübung dieser Macht gegeben hat, ist es notwendig, daß alle anderen ihr Recht auf den (besonders) Tauglichen, dem Gott eben die. nötigen Gaben deutlich verliehen hat, übertragen und von diesem ausüben lassen60. Es sollen zur öffentlichen Wort- und Sakramentsfunktion nur die erwählt werden, „welchen denn Gott sonderliche gaben und geschickligkeit da zu gibt» das sie zum Ampt tügen"61. Wer die nötigen Gaben nicht hat, „der schweygt billich still unnd lest eyn andern reden"82, der legt sein grund57

Für die aus dem allg. Priestertum jedes einzelnen Christen erwachsende M i t v e r a n t w o r t u n g f ü r die Berufung ins Amt und die rechte Ausübung des Amtes vgl. audi Brunotte, a . a . O . , S. 182. Den Gedanken der delegado bei Luther will Brunotte jedoch nicht anerkennen. Vgl. dazu die Auseinandersetzung mit ihm S. 82 f., A n m . 79; 5. 86, A n m . 9 1 ; S. 87 f., A n m . 97; S. 91, Anm. 108; S. 92, Anm. i n . 58 Vgl. oben S. 60 ff. 5 » Vgl. oben S. 61 ff. 80 41, 209, 31 ff. — Auf das Moment der Ungleichheit der Gaben als Begründung f ü r die Notwendigkeit des konkreten Amtes hat R. Sohm schon aufmerksam gemacht (Kirchenrecht I, S. 49J, A n m . 26). Er sieht darin die göttliche Notwendigkeit f ü r das A m t , w ä h r e n d er in dem Ordnungsmotiv nur die menschliche erblickt. Letzteres allerdings ist nicht richtig. Genauso wie die Verschiedenheit der Gaben sich auf Gott zurückführt, so ja audi die Notwendigkeit der O r d n u n g , wie w i r bereits angemerkt haben (vgl. oben S. 76, Anm. 48). In beiden Momenten aber ist die Zurückführung der Notwendigkeit des konkreten Amtes auf Gottes Willen im Grunde n u r eine indirekte, die direkte begegnet allein in dem Stiftungsgedanken. — Vgl. zum göttlichen C h a r a k t e r der Amtsbegründung in den verschiedenen Gaben auch F. K. Schum a n n , A m t d. Kirche u. Berufung zum A m t , in: W o r t u. Gestalt, 1956, S. 3 1 7 . " 41, 209, 30 f.; vgl. ι ο ' Λ 239, 27 f.; 8, 424, 24 ff.; 8, 497, 25 ff.: O b wol yderm a n tzu predigen gewallt hat, ßo soll m a n dodi niemant d a t z u gebrauchen, sich des audi r.iemant unterwinden, er sey denn f u r andern datzu geschickt. 82

8, 497. 33 f.

79

sätzliches Priesterrecht an der W o r t - und Sakramentsfunktion einem andern auf 8 3 , und das kommt ihm auch wieder selbst zugute, insofern er von dem, der nun (auch an seiner Statt!) im konkreten Amte steht, Stärkung und H i l f e im geistlichen Leben empfängt, ohne welche er in A n fechtungen und Versuchungen gar nicht bestehen könnte64. Aus der V e r schiedenheit der Gaben unter den Christen ergibt sich zwingend die Notwendigkeit des konkreten Amtes. Hinzu kommen nun noch die Unterschiede in Alter und Geschlecht, die ebenfalls die Ausübung der öffentlichen Amtsfunktion durch all und jeden Christen unmöglich machen und somit die Notwendigkeit des konkreten Amtes unterstreichen. „ W a r ists aber, das in diesem stück der heilige Geist ausgenomen hat Weiber, Kinder und untüchtige Leute, sondern allein tüchtige mans Personen hiezu erwelet (ausgenommen die not) wie man das liset in S. Pauli Episteln hin und wider" 6 5 . Ausdrücklich schränkt Luther die Fähigkeit zum konkreten A m t auf die (tauglichen) Männer ein: „Summa, es sol ein geschickter, auserwelter man sein" 66 . Daß die Frau nicht für das öffentliche kirchliche Amt in Frage kommt, leitet Luther an Hand der apostolischen Verbote i. Kor. 14, 34 und 1. Ti. 2, 12 aus der Natur- und Schöpfungsordnung her, wie sie im Gesetz (1. Mose 2, 18 und 3, 16) ausgesprochen ist und durch die Erfahrung bestätigt wird87. Solche natürliche Ordnung wird durch das Evangelium nach Luther keineswegs aufgehoben, vielmehr als „Gottes Ordnung und geschepffe" bestätigt68. In der Schrift ,Von den Schleichern und Winkelpredigern' 1532 nennt Luther die apostolische Anordnung, daß Frauen in der Gemeinde nicht predigen sollen, eine Ordnung des heiligen Geistes und im Hinblick auf i.Kor. 14, 37 ein Herrengebot: „Aber im Newen Testament ordent der Heilige geist durch Sanct Paulus, das die weiber sollen schweigen jnn der Kirchen odder Gemeine und spricht: Es sey des H E R R N gebot"6". Natürlich weiß Luther, daß Gott in außerordentlicher Weise audi Frauen zu Prophetinnen berufen hat und daß für den neuen Bund verheißen ist ,eure Töchter sollen weissagen' (Joel 3, 1 f.), jedoch folgert er daraus nicht, daß Frauen zum öffentlichen Predigtamt in der Gemeinde zuzulassen wären, 63

8, 424, 30: . . . merito suum ius alteri supponit. 12, 389, 10 ff. zeigt Luther die Notwendigkeit des besonderen Predigtamtes um der Schwachen und Angefochtenen willen, die der Stärkung und Bewahrung bedürfen und ohne dasselbe wehrlos dem Wolfe ausgeliefert wären. 65 50, 633, 12 ff. 69 50, 633, 16 ff.; „weib sol nicht leren im volck" (633, 16). — Der Notfall verlangt eine gesonderte Behandlung. 67 50, 633, 20 ff.: Denn solch unterscheid auch die natur und Gottes Creatur gibt, das weiber (viel weniger Kinder oder Narren) kein Regiment haben können noch sollen, wie die erfarung gibt und Mose Gen. 3 spricht; vgl. 12, 309, 17 ff.: on das weyber nicht ynn der gemeyn reden sollen, sondern die menner predigen lassen, umb des gepotts willen, das sie yhren mennern sollen unterthan seyn, wie S. Paulus leret i.Cor. 14. 68 S°> 633, 23 f.; vgl. 12, 309, 20: „Solch Ordnung lesset Gott bleyben . . . " — Auf Grund der Stelle 50, 633, 20 ff. schreibt M. Doerne, Luth. Pfarramt, Theol. mil. Heft 10, Leipzig 1937, S. 13, es sei für Luther undenkbar gewesen, „daß eine Frau mit dem Amt des Wortes betraut wird". Vgl. auch Brunotte, a.a.O., S. n o f . 112. 64

68

80

30III, 524, 2 7 ff.

im Gegenteil: „Aber jnn der Gemeine odder Kirchen, da das predigamt ist, sollen sie schweigen und nicht predigen, Sonst mügen sie wol mit beten, singen, loben und Amen sprechen und da heimen lesen und sich unternander leren, vermanen, trösten, auch die schriefit auslegen, das beste sie jmer können" 70 . In anderen (früheren) Schriften Luthers tritt auch der menschliche Gesichtspunkt der Schicklichkeit und des Auslands („ehre unnd tzucht", „honestas et ordo") hervor, der das Predigen der Frau verbietet, obwohl derselbe dann von Luther doch auch gemäß den apostolischen Weisungen und ihrer Begründung im Gesetz auf die göttliche Schöpfungsordnung zurückgeführt wird 7 1 . Luther betont in diesen Schriften, daß sich das Verbot des Predigtamtes für Frauen auf normale Gemeinden bezieht, in denen also auch Männer sind: „ Y n n der gemeyn, da menner sind", verbietet der Apostel das Predigen den Frauen 72 . W o nur Frauen sind, wie etwa in Nonnenklöstern, soll es ihnen nach Luther gestattet sein 73 . Ebenso eröffnet der Notfall nach Luther die Möglichkeit der Amtsausübung durch Frauen 74 . Als Notfall sieht Luther an, wenn es dahin kommt, daß überhaupt nur noch Frauen da sind (was er sich aber kaum vorstellen kann!) 75 oder aber kein Mann bereit oder fähig ist, das Predigtamt wahrzunehmen 76 . In solchen Fällen ließe dann die Not das allgemeine Priestertum 70

71

30ΠΙ, J 2 4 ,

3 2 ff.

1 3 2 1 : 8, 497, 34 ff.: Alßo verpeutt Paulus den weybern tzu predigen ynn der Gemeyn, da menner sind, wilche tzu reden geschickt sind, das ehre unnd tzucht gehallten werde, die weyl eynem man viel mehr tzu reden eygent und gebürt unnd auch datzu geschickter ist. Und Paulus hatt das nicht auß seynem eygen hawbt verpotten, ßondern er berufft sich auffs gesetz, wilchs sagt, die weyber sollen unterthenig seyn. Darauß Paulus gewiß war, das der geyst yhm selbs nicht entkegen were . . . ; vgl. 8, 424, 30 ff. 1528: 26, 46, 13 ff.; 47, 22: probatum iure divino et humano (!), nach 1. Ti. 2, 1 1 ff. — Der Gesichtspunkt der Schicklichkeit wird bei der Darstellung von Luthers Haltung zum Frauenpredigtamt von H . Storck (a. a. O., S. 33) ganz einseitig herausgestellt. Storck übersieht, daß derselbe bei Luther in einer tieferen Schicht, nämlich der göttlichen Schöpfungsordnung bzw. dem Gesetz wurzelt. Auf die wichtigen Stellen in den Schriften ,Von den Schleichern und Winkelpredigern 1532' und ,Von Konziliis und Kirchen 1539' geht Storck gar nicht ein. Das Bild, das so bei ihm von Luthers Einstellung zum Frauenpredigtamt entsteht, ist darum schief. In der Kritik an H . Storck und H . Brunotte hierin, wie überhaupt in der A u f fassung vom Frauenpredigtamt bei Luther, gehen wir mit W. Brunotte, a. a. O., S. 195 ff. einig. Auch Brunotte weist auf die Bezugnahme Luthers auf das i . K o r . 14, 37 erwähnte diesbezügliche Herrengebot. 72 8, 497, 34; 424, 30; 1522: 10III, 171, 7 f., wo es im Hinblick auf die Möglichkeit, daß Frauen auf Grund ihres Rechtes aus dem allgemeinen Priestertum das Predigtamt beanspruchen könnten, heißt: „ N e y n , sant Paulus verbeut das, wenn sich ein weyb wolt thun in versamlung der menner tzu predigen . . . " ; 26, 46, 25 f.: ubi vir est, ibi nec mulier debet docere, dominari . . . ; 46, 32 ff.: non permittit ei ministerium verbi . . . intellige semper: si adsint viri. 73

1523: 12, 309, 21 ff.; 26, 46, 2 j f. — Vgl. H . H . Kramm, Bischof, Pastor und Gemeinde, Luthertum H e f t 13, Berlin 1954, S. 28. 74

Vgl. jo, 633, 14: ausgenommen die not.

75

10ΠΙ, 1 7 1 , 10 fF.: Wenn es dahin kem (das ich nit meyne), das kein man nit weer, sunder eyttel weiber, da mocht den ein weyb auff tretten und den anderen predigen auffs beste sie kündt, sunst nit. 76

8, 4 9 8 ,

1 2 ff.:

schweygen, w e n n

Darumb

foddert

die Ordnung,

die menner reden; w e n n

tzucht

aber k e y n m a n

unnd

eher,

das

weyber

prediget, ßo w e r ß

von

nötten, das die w e y b e r predigeten; v g l . 8, 4 2 5 , 4 f f . 6

7915 Lieberg, Amt

8l

audi der Frau hinsichtlich der öffentlichen Wort- und Sakramentsfunktion zu praktischer Bedeutung kommen. Besonders betont Luther diese Möglichkeit im Falle der Nottaufe' 7 .

5. Die delegatio durch die Gemeinde Zweierlei steht nach unserer bisherigen Untersuchung bei Luther fest: ι . Jeder Christ ist Priester und hat vermöge seines Priestertums grundsätzlich die Gewalt am Wort und Sakrament und 2. wegen der von Gott gewollten Ordnung in der Gemeinde, wegen der christlichen Bruderschaft, der jeder einzelne Christ verbunden und verpflichtet ist, und in Anbetracht der verschiedenen Verteilung der Gaben auf die einzelnen können nicht alle diese Gewalt am Wort und Sakrament auch tatsächlich ausüben, ist es vielmehr notwendig, einen oder einige aus der Gemeinde zur öffentlichen Ausübung des konkreten Amtes herauszustellen. Den V o r gang nun, der auf dem Grunde und der Voraussetzung des ersteren das letztere verwirklicht, beschreibt Luther in folgender Weise: Es wird einer aus dem Haufen derer, die alle gleiche Gewalt haben, genommen und ihm befohlen, dieselbe Gewalt „für die andern" auszurichten78. Zur Verdeutlichung dient das Beispiel von den zehn Königskindern, die alle in gleicher Weise Erben sind und dann einen erwählen, „das erb fur sie zu regieren" 79 . Dieser eine steht für alle anderen und nimmt ihre Rechte mit 78 12, 1 8 1 , 30 ff. 6, 407, 30 f. 6, 407, 32 ff.; vgl. io 1 · 2 , 239, 3$ ff.: Das nymm ein exempel, wo vil Adels ist, da erwöllen sie mit verwilligung der andern aller einen, der hat das regimendt allein von wegen der andern, denn so ein yeglidier wolt über land und leut regiera, wie wurde es zugeen? wie wol sie doch alle geleich diße gewaldt haben, die der hat, der da regieret. Also ist es auch hie mit dyßer gewalt sünde zu erlassen unnd sünde zu behalten; 10HI, 396, 21 ff.: Also es sein sechs brüder, die haben ein gutt zu teylen, sie haben alle teil, daran, also ist dem auch: Den gewalt den gott hie im Euangelio austrückt, der ist unser, unser aller . . . ; 12, 309, 5 ff.: „ . . . und werden nur darumb etiliche auss dem hauffen erfurtzogen, das sie anstatt der gemeyn das ampt füren und treyben, wilchs sie alle haben, nicht das eyner mehr gewallt habe denn der ander". — Die Wendungen „ f ü r die andern", „ f ü r sie" (6, 407, 30.32) interpretiert unrichtig Brunotte (a. a. O., S. 38 ff.). Brunotte deutet sie als „zugunsten der anderen" (S. 38, Anm. 44) und übersieht völlig, daß damit in erster Linie das Moment der Stellvertretung der anderen und der Bevollmächtigung durch die anderen zum Ausdruck gebracht ist. „Für die andern" heißt „anstelle, im Namen, von wegen der andern" (vgl. alle von uns in diesem und dem nächsten Abschnitt angeführten Lutherstellen dazu). Das ist auch nach dem Zusammenhang der Schrift ,An den Adel' klar. Alle haben aus dem Priestertum der Taufe die „gleiche gewalt", der eine wird herausgestellt, daß er diese Gewalt — da nicht alle sie gleichzeitig öffentlich ausüben können — „ f ü r die andern", an ihrer Stelle und in ihrer aller Namen (öffentlich) ausrichte. Als unzutreffend für diese Stelle erscheint uns die von Brunotte vorgetragene Unterscheidung der Begriffe „hauffen" und „gantze Sammlung" (a. a. O., S. 39, Anm. 49, Punkt 2). Es könnte hier höchstens insofern eine Unterscheidung vorliegen, als in dem Begriff „gantze Sammlung" (an deren Stelle der Bischof bei der Berufung fungiert) der Aspekt auf die Gesamtkirche mitenthalten ist, während bei dem Begriff „hauffen" lediglich die Personenzahl der Ortsgemeinde ins Auge gefaßt ist. Aber audi

"

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wahr, nachdem sie auf ihn delegiert sind. W i r sprechen darum von diesem Vorgang, in welchem von vielen Gleichberechtigten einer zur öfientdas ist ganz unsicher. Die gleiche Gewalt wird von Luther an dieser Stelle jedenfalls von allen Christen in der Ortsgemeinde behauptet, und der Berufene hat nun diese Gewalt im Namen und an Stelle aller anderen öffentlich auszurichten. (Übrigens: es geht nicht um Übertragung der Gewalt, sondern des Rechtes zur öffentlichen Ausübung dieser Gewalt, — gegen Brunotte, a. a. O., S. 45, Anm. 78.) Man wird dodi daran festzuhalten haben, daß nach Luther der ins konkrete Amt Gewählte auch „in der Autorität derer handelt, die ihn beauftragt haben", wie Brunotte nicht gelten lassen will (a. a. O., S. 43). Auf der anderen Seite begründet Luther das Amt auch in der göttlichen Stiftung, audi schon in der Schrift ,An den Adel', wie Brunotte, a. a. O., S. 40 ff. trefflich zeigt. Aber das delegative Element ist zugleich mit dem Stiftungsgedanken und in Spannung mit demselben ebenfalls bei Luther vorhanden, und zwar ganz akzentuiert. — In der Auslegung des Beispiels von den zehn Königskindern ignoriert Brunotte ebenfalls dieses delegative Element, das ohne Frage darin vorliegt (a. a. O., S. 44). Luther geht davon aus, daß alle zehn Königskinder das gleiche Königsrecht und die gleiche Königsgewalt haben. Da aber nicht alle das Königsamt tatsächlich ausüben können, tut es der eine an ihrer Statt, „für sie". Wenn Brunotte dagegen hält, das Königsamt sei ja seiner Natur nach eines und infolgedessen hätten es nidit schon alle und könne nicht von einer Delegierung der Redite aller auf den einen die Rede sein, so ist zuzugeben, daß darin in der Tat die schwache Stelle des von Luther herangezogenen Vergleichs liegt. In Wirklichkeit ist es ja nicht so, daß die Königskinder als Gleichberechtigte einen aus ihrer Mitte zur Ausübung des Königsamtes wählen und delegieren, die Thronfolge ist ja normalerweise schon a priori geregelt und kommt nicht durch freie Übereinkunft der Königskinder zustande. Aber hier ist entscheidend, in welchem Sinn Luther dieses Beispiel hier anzieht und verwendet. Und da kann kein Zweifel bestehen: Luther betont die gleiche vorhandene Gewalt und Macht und die Übertragung der öffentlichen Regierungsgewalt auf den einen Herausgestellten an Stelle aller andern. Das tertium comparationis liegt in der bei allen vorhandenen gleichen Gewalt und der Delegation der öffentl. Ausübung derselben auf den einen Herausgestellten. Brunotte übersieht auch hier ganz das entscheidende „für sie" (6, 407, 32). — Wir können somit Brunotte in seiner Polemik gegen Dieckhoffs Auffassung der Stelle und dessen Wahrnehmung einer Ableitung des bes. Amtes aus dem allg. Priestertum bei Luther (a. a. O., S. 39, Anm. 49; S. 44 f., Anm, 78; S. 46, Anm. 82) nicht folgen. Dieckhoff hat hier hinsichtlich des delegativen Elements bei Luther den wahren Sachverhalt klarer gesehen als Brunotte, womit wir aber Dieckhoff nicht auch darin Recht geben wollen, daß in dem delegativen Element notwendigerweise ein Widerspruch zu dem Stiftungselement gegeben ist, worin er mit Brunotte übereinstimmt. Brunotte kommt zu seiner Auffassung der besprochenen Stellen durch die Wahrnehmung, daß Luther in derselben Schrift ,An den Adel' auch die göttliche Stiftung des geistl. Amtes lehrt, womit ja die delegative Ableitung des Amtes aus dem allg. Priestertum unvereinbar sei. Vgl. a. a. O., S. 43 : „Das Wesen des geistlichen Amtes kann weder aus dem allg. Priestertum der Berufenden . . . , nodi aus dem des Berufenen abgeleitet werden. Das ist für diese Schrift eindeutig belegt mit der Bestimmung, daß das geistliche Amt in dem Befehl Gottes gründet". Das ist eine axiomatische Voraussetzung, und es ist nicht geraten, sie zum Auslegungsprinzip zu machen, wenn man die ganze complexe Vorstellung Luthers in den Blick bekommen will. Es liegen bei Luther beide Weisen der Amtsbegründung ineinander und es ist verfehlt, als Ansicht Luthers etwa zu formulieren: das Wesen des Amtes sei nicht aus dem allg. Priestertum, sondern aus der göttlichen Einsetzung abzuleiten und zu begründen (Brunotte, a. a. O., S. 46). Sowohl das eine als das andere ist bei Luther der Fall. 6'

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lichen Ausübung des allen gemeinsamen Redites abgeordnet wird, als von einer delegatio80. Das Subjekt der delegatio sind bei Luther zunächst die die Gemeinde bildenden einzelnen Christen, die ,Wir alle'·. „"Wie söl ichs den machen? Also: die gewalt die ich hab, die hat ein ander auch, wie der text lautt, So söl ich nun nit herfür tretten und sagen: Ich hab so wol gewalt zu predigen als du, Nein, die prister sollen den gewalt an aller unser statt vol für en und wir sollen sagen: Nachdem wir alle gewalt haben zu predigen, absolviren und zu tauffen, Aber wir gebieten dir anstatt aller unser, Du wollest tauffen, uns das Euangelium predigen, die Sunde vergeben und das Sacramenti reichen und andere ding für uns verfüren. Dise person söl uns allen für sein"81. „Also sollen wir sagen zu den geistlichen: Wir wissen das ir das ampt habt zu absolviren, predigen und tauffen, Es ist uns audi so wol nach gelassen als euch. Aber wir geben euch den gewalt, Derhalben predigt uns das Euangelium und wir wollen richten"82. Das ,wir' ist zu verstehen als die Summe der einzelnen Christen, die die Gemeinde bilden. In der Gemeinde sind die einzelnen Christen, die ja alle gleiche Rechte haben, beisammen. Es ergibt sich so eine communio iuris in der Gemeinde83. Da auf Grund dieses Sachverhaltes nicht alle ihr Recht öffentlich ausüben können, muß es einem vice et nomine omnium, qui idem iuris habent, übertragen werden84. So delegieren die einzelnen Christen in der Gemeinde also ihre vielen Einzelrechte auf den einen, der das allen gemeinsame Recht nun öffentlich „an statt aller unser" ausüben darf und soll85. Man kann nicht leugnen, daß hier in Luthers Denken ein genossenschaftsrechtliches Element vorhanden 80 Natürlich ist dieser Begriff nicht zu pressen und gibt es darin auch Inkongruentes. Wir gebrauchen ihn, weil er das Wesentliche hier richtig wiedergibt. Auch W. Eiert (Morphologie des Luthertums I, München 1952, S. 301 und 303) spricht von einer Delegierung des allgemeinen Redits auf den einzelnen bei Luther. Rudolph Sohm nennt den gleichen Vorgang die „Gestattung" durch die Versammlung der Christen (Kirchenrecht I, 1892, S. j o o f f . ; vgl. auch S. j i ff.). Man könnte ihn auch in Luthers eigener Terminologie mit dem Ausdrude „Verwilligung" bezeichnen (z. B. ιοΙ·2, 239, 35! 49> 600, 14 u. a. St.). 81 io'H, 396, 7 ff.; vgl. I i , 412, 30 ff.: wenn er aber da ist, da Christen an dem ortt sind, die mit yhm gleyche macht und recht haben, da soll er sich selb nicht erfur thun, sondern sich beruffen und erfurtziehen lassen, das er anstad und befelh der andern predige und lere. 82

10III, 398, 8 ff.; vgl. i j , 721, 3 ff. 12, 189, ii. 84 12, 189, 22 f. 85 8, 424, 30: suum ius alteri supponit; 6, 407, 31 (fur die andern); 10I·2, 239, 36 f. (von wegen der andern); 12, 309, 6 (anstatt der gemeyn); io'H, 171, i f f . : So aber (in einem Hausgesinde) die anderen zufallen und nemen einen vor und tretten sie ab, gebens dem in die handt, so geet es fein tzu; 38, 230, 19 f.: dar nach nimpt man aus solchen gebornen Pfaffen und berufft odder erwelet sie zu solchen emptern, die von unser aller wegen soldi ampt aus richten sollen. 83

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ist88. Weil jeder einzelne Christ in der Gemeinde von wegen seines Priesterrechtes an dem Vorgang der delegatio beteiligt ist, darum ist gerade der consensus für die Berufung ins besondere Amt erforderlich87. Die Wahl einer Person setzt ja immer einen bestimmten consensus unter den Wählenden voraus. Hier aber kommt derselbe nicht nur in diesem technischen Sinne in Betracht, sondern hat sachlich tragende Bedeutung. Der Wille der anderen ist Voraussetzung für die Herausstellung des einen konkreten Amtsträgers, der dann „aus befelh und verwilligung der andern" das öffentliche Amt ausübt88. Bedenkt man nun, daß alle einzelnen ihre Priesterrechte ja dodi nur qua membra ecclesiae haben, so ergibt sich, daß die delegatio der einzel86

Das hat besonders G. Holstein (Die Grundlagen des ev. Kirchenrechts, Tübingen 1928, S. 95 ff.) hervorgehoben. H. bemerkt zu dem (oben von uns angeführten) Gleichnis von den zehn Königskindern, mit dem Luther die delegative Übertragung des besonderen Rechtes zur öffentlichen Wort- und Sakramentsfunktion auf einen einzelnen verdeutlichen will: „ D . h . die Uebertragung des Amtes erfolgt durch freie Willensentschließung unter sich rechtsgleicher Genossen, oder anders gesprochen, das Amt ist genossenschaftsrechtlich fundamentiert" (S. 97); vgl. auch: „Die Organisation der empirischen Kirche wird . . . von unten her, durch Willenseinung und Amtsübertragung freier, unter sich gleicher Rechtsgenossen vollzogen" (S. 98). Man muß immerhin sagen, daß Holstein mit solchen Urteilen nicht ganz Unrecht hat. Allerdings trifft der Ausdruck .durch freie Willensentschließung' nicht auf Luthers Amtslehre zu, weil nach Luther die Gemeinde zu solchem amtsbestellenden Tun durch den Befehl Christi zur Verwaltung der Gnadenmittel genötigt ist, dasselbe also auf dem Gehorsam gegen Christi Befehl und nicht eigentlich auf „freier Willensentschließung" beruht (vgl. den Abschnitt über die Auftragsbestimmtheit des Amtes, unten S. 92 ff.). Zudem ist Holstein Luther mit seiner genossenschaftsreditlidien Interpretation insofern nicht voll gerecht geworden, als es bei Luther außer der von uns hier eben behandelten delegativen Amtsbegründung die andere in der stiftenden Ordnung Christi gibt, die Holstein nicht in Rechnung stellt. Sein Satz, die Institution eines besonderen Amtes habe bei Luther „ihre rechtlichen Wurzeln nidit in einer anstaltlichen Verleihung, sondern in einer genossenschaftlichen Berufung" (S. 97) beruht auf einseitigen Beobachtungen und ist in dieser gegensätzlichen Formulierung für Luther nicht zutreffend. Tatsächlich ist beides bei Luther vorhanden: das genossenschaftliche Element, das uns in diesem Abschnitt hier besonders beschäftigt, und auch das anstaltliche, das wir noch darzustellen haben werden (vgl. unten S. 106 ff.). Immerhin hat Holstein insoweit jedenfalls richtig beobachtet, als genossenschaftliche Momente in Luthers Amtsdenken vorhanden sind, zumindest anklingen. 87 12, 189, 26.32 ff.; 12, 191, 26 f.: consensus communis fidelium; 6, 564, 7 f.: nostro . . . consensu commissum; 6, $66, 28 f.: non licere . . . uti nisi consensu communitatis. Vgl. G. Holstein, a.a.O., S. 97: „wenn jeder das Redit hat, können nur alle zusammen es delegieren". Die konstitutive Bedeutung des consensus fidelium für das Zustandekommen des konkreten Amtes in der Gemeinde bei Luther hat audi W. Eiert betont (Morphologie I, S. 303 f. u. 322). Bei Brunotte wird dieses Moment bei der Besprechung der Stelle 6, j64, 6 ff. (a. a. O., S. 52 ff.) und ebenfalls der Stellen in ,de inst, min.' (a. a. O., S. 89 ff.) nicht hinreichend ausgewertet. 88 49, 600, 14; vgl. 6, 408, 14 f.: niemand darf sich hervortun „an unszer bewilligen und erwelen"; jo, 633, 9 f.: „die andern alle des zufrieden sein und drein willigen". — Vgl. zum Wesen der vocatio als Verwilligung der Gemeinde F. K. Schumann, Amt der Kirdie usw., a. a. O., S. 317 und 325.

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nen zugleich auch als delegatio der Gemeinde, der Gesamtheit, anzusehen ist"*. Die tota universitas ist es, die das Amt communibus suffragiis einem oder mehreren vice sua überträgt90. Keiner kann im Amt stehen „on der gemeyne willen und befehle" 91 . Der öffentliche Diener wird „von dem gemeinen hauffen der Christen'" 2 , „von der gantzen Gemeine, welche alle zugleich Priester sind"98 erwählt, ausgesondert und bevollmächtigt. Seine Legitimation ist im Grunde die, daß er „im ampt ist und vom hauffen geduldet wird" 94 , d. h. daß die einmal vollzogene Delegation in K r a f t steht und von der Gemeinde aufrechterhalten wird. Sie, die Gemeinde, als die Zusammenfassung der einzelnen Christen und ihrer Priesterrechte ist die Instanz, durch die die delegatio ins Werk gesetzt wird und in deren delegierendem Willen die Autorität des öffentlichen Dieners im Amt begründet liegt. Auch Papst und Bischof haben nur von der Gemeinde ihre Gewalt 95 . Delegatio bedeutet Übertragung der vielen Rechte der einzelnen Christen und also des Gemeinderechtes auf den einen, der dadurch legitimiert ist, dieses Recht im konkreten öffentlichen Amt auszuüben. Indem die einzelnen ihr Recht delegieren, überträgt es die Gemeinde. Die Gemeinde aber eines Ortes ist ja konkrete Erscheinung der communio sanctorum, der Gemeinde aller Gläubigen, der ganzen Christenheit, die der Leib Christi ist96. So muß man in der delegatio der einzelnen Gemeinde bei Luther auch die ganze Kirche handeln sehen. Es sind an diesem Vorgang einmal — wenn man den Blick nach innen wendet — alle einzelnen Glieder dieser einzelnen Gemeinde auf Grund ihres Priesterrechtes beteiligt, dann aber auch — wenn man jetzt den Blick nach außen auf das 89 Z u r V e r k n ü p f u n g und Aufeinanderbegründung der beiden Elemente vgl. 12, 190, 36 fï.: N a m ubi id monstratum est evidenter, habere unumquenque ius ministrandi verbi . . . Quomodo non multo magis ius ac praeceptum habebit tota aliqua universitas...

12, 190, 40 f. 6, 408, 16. W i r stimmen also mit Brunotte darin überein, daß bei der Berufung des öffentlichen Dieners nach Luther die gemeyne als Gesamtheit handelt (a. a. O . , S. 44; audi S. 39 f., A n m . 49, Punkt 3). A b e r Brunotte vereinfacht Luther, wenn er auf Grund dessen das die Summe der einzelnen in der Gemeinde bezeichnende Element wegstreicht. Es ist bei Luther beides vorhanden. In dem Handeln der „gemeyne" sieht Luther hier doch audi das Handeln der vielen einzelnen, die dié Gemeinde bilden. M

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82 41, 208, 28. " 41, 210, 24 f. Man beachte auch hier die beiden Momente in ihrer Verschlingung: das korporative und das die Gesamtheit in die vielen einzelnen aufgliedernde. 9 1 50, 634, 26 f. 95 10HI, 215, 23 f. — Allerdings muß man bei allen diesen Äußerungen Luthers im A u g e behalten, daß es sich hierbei nur um eine Perspektive handelt, die nicht isoliert von der anderen, weiter unten zu behandelnden (vgl. S. 121 ff.) in Geltung steht. 90 Vgl. K . Müller, Kirche, Gemeinde u. Obrigkeit nadi Luther, Tübingen 1910, S. 46.

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Ganze richtet — alle anderen Gemeinden, d. h. die Gesamtheit der Kirche, die ecclesia catholica. So ist das delegatio-Denken bei Luther wohl einerseits (und grundlegend) genossenschaftlich orientiert, andererseits aber ist dieses genossenschaftliche Element doch von der Gesamtkonzeption von der Kirche, die nicht-congregationalistisch ist, umgriffen und gewissermaßen eingeklammert, so daß es sich nicht nach Analogie säkularen Genossenschaftsrechts entfalten kann. P. Brunner hat neuerdings (Vom Amt des Bischofs, Sdir. d. Theol. Konv. Augsb. Bek., H e f t 9, Berlin 1955, S. 12 ff.) versucht, einer der Kernstellen f ü r die delegative Amtsbegründung bei Luther, 12, 189, 17—27, einen neuen Sinn abzugewinnen. Es werde da nicht gelehrt, daß auf Grund der konkurrierenden Rechtsansprüche der vielen einzelnen in der Gemeinde in der vocatio diese vielen Einzelredite eben auf den einen Berufenen als den Mandatar, Sachwalter und Vertrauensmann der anderen übertragen würden, der sie dann für die anderen ausübte. Man müsse hier die Begriffe Gemeinschaft, Gesamtheit, Recht, Stellvertretung' aus dem pneumatischen Wesen der Ekklesia verstehen, und es handelten bei der vocatio „die, die das ministerium zur öffentlichen Ausübung bestellen, . . . hier selbst als solche, unter denen die eine, katholische, apostolische Kirche mit dem ihr eingestifteten ministerium gegenwärtig ist. Anstatt dieser einen, katholischen, apostolischen Kirche handeln die Berufenden. Die Berufenden tun nichts anderes, als daß sie das dieser einen, in ihrer Mitte sich manifestierenden ecclesia catholica eingestiftete ministerium als vollmächtige Glieder dieser Kirche gleichsam in die Hand nehmen und für die öffentliche Ausübung auf den zu Berufenden konzentrieren und so in dem zu Berufenden konkretisieren" (S. 14). Man wird dieser Deutung in bonam partem jedenfalls darin zustimmen können und müssen, daß im Sinne Luthers in dem delegativen Handeln der einzelnen, bzw. der Gemeinde zugleich die ecclesia catholica, die communio sanctorum handelt. Es ist aber zu fragen, ob es auf Grund dieser Sicht gerechtfertigt ist, das delegative, genossenschaftliche Element aus dieser Stelle überhaupt zu eliminieren. Soll dem Text nicht Gewalt angetan werden, so darf in der Auslegung dieser Stelle jedenfalls nicht fortgelassen werden, daß nach ihr eben das Zusammentreffen der vielen gleichen Einzelredite der Christen, qui idem iuris habent (Z. 22 f.), in der Gemeinde es ist, was zur Herausstellung des einen öffentlichen Dieners nötigt (vgl. Z. 1 7 ff.: Nam cum omnium Christianorum baec sint omnia . . . communia, nulli licet in medium prodire autoritate propria et sibi arripere soli, quod omnium est; und Ζ. 2i f.: haec communio iuris cogit, ut unus, aut quotquot placuerint communitati, eligantur vel acceptentur . . . ) und ebenfalls nicht, daß dieser eine dann an Stelle und im Namen all dieser vielen gleichberechtigten einzelnen das Amt öffentlich ausübt (vgl. Z. 22 f.: vice et nomine omnium, qui idem iuris habent . . . ) . Das Amt wird hier von Luther aus der tatsächlichen priesterlichen Rechtsgleichheit aller einzelnen Christen in der Gemeinde mittels delegativen Denkens konstruiert. Luther tut das gleiche ja, wie wir gesehen haben, an verschiedenen anderen Stellen ebenfalls. Brunner erwähnt selbst die Stelle 6, 407, 29 mit dem Gleichnis von den zehn Königskindern, in der Luther ein solches Verständnis nahelege (S. 13, Anm. 8). Man müßte aber noch weitere Stellen hinzunehmen (besonders sei auf die oben S. 84, Anm. 8$ erwähnten Stellen verwiesen). Durch die Vergleichung dieser anderen Lutherstellen wird es weiter erschwert, sidi an dieser Stelle 12, 189, 1 7 ff. das delegative, genossenschaftliche Moment ganz wegzudenken* 7 . 97 In der Auffassung dieser Stelle stimmen mit uns überein E. Sommerlath (Amt und allgemeines Priestertum, S. 48 f.) und die meisten älteren Bearbeiter. Ganz unbefriedigend bleibt die Auslegung dieser Stelle bei Brunotte (a. a. O., S. 85 ff.). Den Begriff .communis' (ius commune) mit .grundsätzlich' wiederzugeben (a. a. O., S. 86 f.,

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Es ist tatsächlich auch vorhanden, wenngleich eingefaßt von dem Gedanken der sich in der einzelnen Gemeinde manifestierenden ecclesia catholica, die corpus Christi ist. Diese letztere Einschränkung darf natürlich keineswegs übersehen werden. Vgl. hierzu auch F.K.Schumann, a . a . O . , S. 315 f. und in Anlehnung an Schumann H. Thimme, Welche Folgerungen ergeben sich aus der Lehre der Kirche für ihre Ordnung, in: Schriften d. Theol. Konv. Augsb. Bek. Heft 8, Berlin 195J, S. 45 f. — Ähnlich P. Brunner hat audi V. Vajta das soziologische, genossenschaftliche Element in Luthers Amtsbegriff in Frage gestellt (Theologie des Gottesdienstes bei Luther, Göttingen 1954, S. 211 ff.). Er betont mit Recht, daß hinter dem Berufen der Gemeinde als eigentliches Subjekt der Berufung Gott zu sehen ist, der auch der Gemeinde den Auftrag zur Amtsbestellung gegeben hat. Wir werden im Zusammenhang unserer Untersuchung auch noch darauf zu sprechen kommen (vgl. unten S. 92 ff., 139 f., 143 ff.). Dennoch aber liegt bei Luther ein soziologisch-genossenschaftliches Element im Amtsdenken vor, eben doch auch — wie wir gegen Vajta meinen sagen zu müssen — das Amt „als eine Übereinkunft zwischen Individuen" (S. 211), wenn man hier .Individuen' die vielen einzelnen in der Gemeinde sich zusammenfindenden und zusammengeschlossenen Christen nennen will. Gewiß ist es nicht das einzige und auch nicht das Bestimmende, weil durch andere Gedanken begrenzt und gewissermaßen entschärft, aber vorhanden ist es unleugbar. Vajta sagt, daß die Stellen, in denen Luther davon spricht, daß der Amtsträger seine Funktion an Stelle und im Namen der Gemeinde tut, keineswegs meinen, „daß der Auftrag zur Verkündigung des Wortes und Verwaltung der Sakramente von Menschen käme" (S. 214), denn es sei ja Anm. 83) ist insofern gewagt, als damit nur ein Aspekt in diesem Begriff zum Ausdruck gebracht wird, nicht aber der ganze gemeinte Gehalt desselben. Luther will damit ja gerade auch die Allgemeinheit dieses Rechtes zu den officia sacerdotafia bezeichnen: Alle haben dieses gleiche Redit, jeder hat das idem ius (Z. 23). Der entscheidende Passus: qui vice et nomine omnium, qui idem iuris habent, exequantur officia ista publice, der den Stellvertretungsgedanken und das delegative Prinzip ausspricht, wird von Brunotte umgedeutet ( a . a . O . , S. 91, Anm. 114). Brunotte ignoriert das ,vice', wenn er meint, hier sei keine Stellvertretung aller einzelnen angenommen. ,Omnes' bezeichnet eben dodi auch die Summe der einzelnen gleichberechtigten Christen in der Gemeinde. Was sollte sonst der Zusatz: qui idem iuris habent? Luther sieht den Amtsträger eben dodi audi als Delegat aller einzelnen Christen in der Gemeinde. Und der Passus ,haec communio iuris cogit . . l e i t e t dodi ganz klar „die Notwendigkeit der Berufung ins geistliche Amt aus den konkurrierenden Rechten der einzelnen Christen her" (wie Brunotte nicht zugeben will: a. a. O., S. 93), wenngleich das nicht die einzige Amtsbegründung bei Luther ist, wie natürlich betont werden muß. Vgl. unten S. 106 ff. Brunotte hat gewiß recht, wenn er die Auffassung zurückweist, Luther habe die Notwendigkeit der Berufung ins geistliche Amt „allein mit dem immanenten Ordnungsprinzip begründet" (a. a. O., S. 93), wie es etwa von Höfling Luther untergelegt wurde. Von dem .allein' kann aufs Ganze gesehen nidit die Rede sein. Aber dodi von einem ,audi'. Auch diese Begründung liegt bei Luther offensichtlich vor. — Wir geben Brunotte gerne zu, daß die Christenrechte aus dem allg. Priestertum bei Luther nicht als „Individualrechte eines in sich ruhenden Individuums" (a. a. O., S. 142) verstanden sind. Sie bestehen nicht in und mit dem Individuum an und für sich, sondern nur insofern der einzelne Christ der ecclesia eingegliedert ist als deren Glied. Das haben wir auch immer wieder hervorgehoben (z. B. S. 65 ff. 85 f.). Aber nichtsdestoweniger bleiben es nach Luther audi £¿»ze/redite innerhalb der ecclesia. Das Gemeinderedit legt sich nach Luther doch auch in die Einzelredite der Gemeindeglieder auseinander, die alle, insofern sie sich zur ecclesia halten, jeder für sich ihre Priesterredite besitzen und sie bei der Berufung eines öffentlichen Dieners in Anschlag bringen.

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„Christi A u f t r a g an alle Christen durch die T a u f e , seine Priesterschaft zu sein, durch die er selbst w i r k t " (ebda.). Das ist gewiß richtig. A b e r damit ist doch nicht aufgehoben, daß eben, da ja nicht alle gleicherweise diesen A u f t r a g Christi tatsächlich ausführen, der eine, der es nun im A m t öffentlich tut, zu dieser Funktion nach den in Frage stehenden Lutherstellen erst von der Gemeinde delegativ ermäditigt wird. Gew i ß wird dann von ihm „der A u f t r a g Christi an die ganze Gemeinde" ausgeführt (S. 214), aber doch auf Grund der Voraussetzung, daß diese ihn damit beauftragt und dazu bevollmächtigt hat in einem delegativen Verfahren, so daß er jetzt vice et nomine omnium, qui idem iuris habent, es tut. V a j t a selbst sagt: „ E r hat diesen A u f trag durch die Gemeinde bekommen als durdi die priesterliche Schar, die ihn um der Ordnung willen im öffentlichen Gottesdienstleben der Gemeinde allein das W o r t verkündigen und die Sakramente austeilen l ä ß t " (ebda.). Damit erkennt V . an, daß nach diesen Lutherstellen die allgemeine Beauftragung durch Christus zur speziellen Beauftragung inmitten der Gemeinde doch nur durch den A u f t r a g der Gemeinde selbst wird, und z w a r um der O r d n u n g willen, nämlich wegen des Zusammentreffens der vielen Einzelrechte, wegen der communio iuris, — und das ist eben das delegative Element. V . sieht in diesen Lutherstellen eine Hervorhebung der „Mittlerrolle der Gemeinde bei der Ausführung des göttlichen A u f t r a g s " (S. 214), erwähnt aber audi, daß der in ihnen vorliegende A k z e n t notwendig sei „ z u r Betonung der Begründung des Pfarramtes in der priesterlichen Berufung aller Christen und der Gleichgestelltheit des Pfarrers mit allen diesen übrigen Priestern" (S. 215), — und damit bezeichnet er eben das Element der delegativen Begründung des konkreten Amtes im allgemeinen Priestertum. Dieser A k z e n t bringt aber notwendigerweise einen soziologisch-genossenschaftlichen Z u g in den Amtsbegriff, wenngleich dieser durch andere Seiten im Amtsbegriff dann überlagert wird und darum nicht voll zum Tragen kommt. Falsch ist nidit die Feststellung eines soziologischen Elementes in Luthers Amtsbegriff, sondern nur etwa die Behauptung, Luthers Amtsbegriff wäre rein soziologisch. Das ist er nicht»8.

6. Der Amtsträger als Repräsentant der Gesamtheit Wer das öffentliche Amt innehat, ist mittels der delegatio der Gemeinde in es hinein gelangt. Er ist weder von sich selbst aus in diese Stellung gekommen, nodi hat Gott ihn direkt ohne Vermittlung der Kirche hineingesetzt, die Gemeinde hat ihn in dieses Amt abgeordnet. Er muß sich darum audi stets als Repräsentant der Gesamtheit verstehen und ist der Gesamtheit der Gemeinde jeden Augenblick verpflichtet". Sein Amtstun ist das Amtstun der ganzen Gemeinde. Wenn er die Schlüssel verwaltet, so tut er das non suo iure sed ministerio (quia ecclesiae minister est) Ecclesiae und gebraucht sie nec tanquam suis aut sibi sed ecclesiae traditis100. Es ist audi nicht so, daß die Gemeinde sich durch die M Das gleiche wäre mutatis mutandis gegen Brunottes Position zu sagen (z. B. a. a. O . , S. 43 ff. 76.85 ff. und sonst). " Der mit dem geistlichen A m t Beauftragte steht nach Luther nicht allein in der Autorität Gottes im A m t , wie Brunette (a. a. O., S. 43) w i l l , sondern durchaus auch in der Autorität der Gemeinde, derer, die ihn ins A m t berufen und delegiert, mit dem A m t beauftragt haben. 1M

2, 191,

i9f.

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d e l e g a t i o ihres Rechtes grundsätzlich

entäußerte u n d er, der A m t s t r ä g e r ,

n u n dieses R e c h t n u r allein noch innehätte, v i e l m e h r bleibt die G e m e i n d e g r u n d s ä t z l i c h stets I n h a b e r i n aller R e d i t e u n d G e w a l t e n — n u r die A u s ü b u n g , der öffentliche G e b r a u c h

des grundsätzlichen R e c h t e s w i r d

delegiert u n d sozusagen „ a b g e t r e t e n " 1 0 1

ja

— , w e s w e g e n sie aus b e g r ü n -

deter V e r a n l a s s u n g einen gegebenen A u f t r a g a u d i w i e d e r zurückziehen, die d e l e g a t i o r ü c k g ä n g i g m a c h e n k a n n 1 0 2 . D e r A m t s t r ä g e r m u ß sich dieser R ü d k b e z i e h u n g seines A m t e s u n d seines A m t s t u n s a u f die ihn autorisierende und tragende Gesamtheit

stets b e w u ß t

sein. „ A i n

Pfarrer

der

p f l e g t des A m p t s der schlüssel, T e ü f f t , p r e d i g e t u n d r a y c h t d a s S a c r a m e n t , n i t v o n seinet w e g e n , sonder v o n der g e m a i n w e g e n . D a n n er ist a i n diener der g a n t z e n g e m a i n , w ö l c h e n die schlüssel gegeben seind . . . " l o s , er ist in seinem A m t s t u n n u r M u n d u n d H a n d der G e m e i n d e , i h r W e r k z e u g . B e s o n d e r s gilt dies v o m

liturgischen V o l l z u g 1 0 4 . D e r

eigentliche

T r ä g e r desselben, der eigentliche „ p f a f f , der das w e r c k t h u t u n d schickt", ist die „ g e m e y n e p r i e s t e r s c h a f f t " , der Priester a m A l t a r ist n u r B o t e u n d K n e c h t , „ d e r es t r e g t u n d b r i n g e t " 1 0 5 . 101 ioIH, 1 7 1 , ι ff. ist audi nur die .Abtretung' des konkreten Gebrauchs der Gew a l t gemeint. — Vgl. audi F. K . Schumann, Amt der Kirche usw., a . a . O . , S. j i $ f. 102 v g l . z . B . 12, 309, 9 f . : „ . . . man muss eynen auss dem hauffen furtzihen und auff setzen, den man müge wider absetzen, wenn man wollt". — Ausführlich wird auf diesen Fragenkomplex unten S. 97 ff. eingegangen. 10» joIII, 215, 25 ff.; vgl. 396, 3 ff.; 8, 253, 30 ff.: Wer von dem hawffen oder dem, der des hawffen befelh und willen hat, berufft wirt, der thut denn solch werck an stat und person des hawffen und gemeyner gewallt. 101 Vgl. die schöne Stelle in der Schrift ,Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe' ( 1 J 3 3 ) 38, 247, 23.fi.: Der Pfarrer tritt vor den Altar und singt die Einsetzungsworte, alle anderen Mitpriester knien rings umher „ U n d jnn solcher unser angeborner, erblicher Priesterlidien ehre und schmudc sind wir da, haben . . . unser gulden kronen auff den heubten, harffen jnn der hand und gulden reuchfesser, Und lassen unsern Pfarrher nicht für sich, als f ü r seine personen, die Ordnung Christi sprechen, Sondern er ist unser aller mund und w i r alle sprechen sie mit jm von hertzen und mit auffgeriditem glauben zu dem Lam Gottes, das da für uns und bey uns ist und seiner Ordnung nadi uns speiset mit seinem leibe und blut". Oder die andere Stelle aus der Predigt bei der Einweihung der Schloßkirdie zu Torgau (1J44) 49, 600, 1 1 ff.: „Denn das ich, so wir in der Gemeine zusamen komen, predige, das ist nicht mein wort oder thun, Sondern geschieht umb ewer aller willen und von wegen der gantzen Kirchen, one, das einer mus sein, der da redet und das wort füret aus befehl und verwilligung der andern, welche sich doch damit, das sie die predigt hören, alle zu dem wort bekennen und also andere auch leren. Also das ein kindlein getaufft w i r d , das thut nicht allein der Pfarher, sondern auch die Baten, als zeugen, ja die gantze Kirche, Denn die T a u f f e gleich wie das Wort und Christus selbs ist ein gemein gut aller Christen, Also auch beten, singen und dancken sie alle miteinander, und ist hie nichts das einer f u r sich selbs alleine habe oder thue, Sondern was ein jglidier hat, das ist audi des andern". Der Pfarrer ist zumal als Liturg der Wortführer der Gemeinde, die in ihm redet und handelt. Vgl. dieselbe Stelle in Rörers Nachschrift: Omnes, qui audiunt, etiam loquuntur (49, 600, 1). 105

90

7. 634, 9 ff-

Prägnant wird das Verhältnis des besonderen Amtsträgers zur Gemeinde, die ihn delegiert hat, von Luther dadurch bezeichnet, daß er sagt, dieser übe öffentlich die priesterlichen Werke vice et nomine omnium™. Faßt man diese Formel genauer ins Auge, so erkennt man, daß sie zweierlei aussagt. Das ,vice omnium' bezeichnet das Element der Stellvertretung, die Repräsentation. Der Amtsträger steht an Stelle der anderen da, er verkörpert als Amtsträger die Person der Gemeinde. Das ist das eine. Das ,nomine omnium' hingegen enthält das Moment der Bevollmächtigung. Der Amtsträger handelt im Namen aller, im Namen der Gemeinde, das heißt: bevollmächtigt von den anderen, von der Gemeinde. Er verkörpert die Vollmacht der Gemeinde, die sie wiederum von ihrem Herrn hat. Das ist das andere. Beide Momente finden sich häufig bei Luther. Die Pfarrer tun ihren Dienst „für uns und an unser statt" ( = vice omnium) und sie sollen „den gewalt von unsert wegen tragen" ( = nomine omnium) 107 . Der öffentliche Diener soll sich hervorziehen und berufen lassen, „das er an stad ( = vice) und befelh ( = nomine) der andern predige und lere" 108 . Seine Funktion geschieht einmal in Vertretung der andern und dann auf Befehl, d. h. in der Vollmacht der andern. Man muß Pfarrer oder Prediger haben, „die öffentlich und sonderlich die obgenanten vier stück odder heilthum geben, reichen und üben, von wegen und im namen der kirchen . . ." 10i . Beide Momente können auch in einen Ausdruck zusammengezogen werden 110 . 104

107 12, 189, 22. ioIII, 396, ι f. I i , 412, 32 f.; I i , 413, 22: an yhrer stad. — Brunotte sucht dem in diesen Wendungen ausgesprochenen Stellvertretungsgedanken dadurch auszuweichen, daß er als die Instanz, an deren Statt also der Amtsträger steht, die Gemeinde im Gegensatz zu den einzelnen Christen hinstellt ( a . a . O . , S. 67, Anm. 55; S. 68.74). Jedodi hat Luther es so nicht gemeint. Das zeigt schon die von uns im Text angeführte Stelle I i , 412, 32 f., wo es ja heißt: , . . . an stad und befelh der anderen'. Hierbei ist der Blick auf die übrigen einzelnen Christen der Gemeinde gerichtet. Es ist ganz und gar nicht einzusehen, wieso diese Stelle „eindeutig" besagen soll, „daß der Beauftragte auf Befehl und anstelle der Christlichen Gemeinde verkündigt und nicht etwa auf sich die Individualrechte der anderen Christen vereinigt" (a. a. O., S. 73, Anm. 93). Wir haben in ihr vielmehr doch einen Beleg der delegativen Amtsauffassung bei Luther zu sehen. Die Gemeinde wird für Luther konkret durchaus in der Summe der einzelnen Personen, die sich an einem Orte zum reinen Evangelium bekennen und halten. Die Kirche als überpersönliche Größe ist ja nur in dieser leibhaften Sammlung der einzelnen Christen vorhanden. So äußert Brunotte selbst verschiedentlich ( a . a . O . , S. 91. 16$ f. 179 u. ö.). Zwar konstituieren nach Luther die einzelnen Christen nicht durch ihren Zusammenschluß die Kirche — die Kirche wird konstituiert durch das Wort Gottes, das die einzelnen ruft —, aber sie sind als einzelne mit ihren Einzelrechten bei der gedanklichen Konstruktion des besonderen Amtes von Luther in Anschlag gebracht. Vgl. auch das oben S. 87 f., Anm. 97 zu Brunotte Gesagte. 108

108 5°. 63 3 > 1 ff- Die Fortsetzung „viel mehr aber aus einsetzung Christi" wird uns im 4. Kapitel näher zu beschäftigen haben, kann aber hier außer Betracht bleiben. Vgl. audi 8, 2J3, 31 f.: an stat und person des hawfïen und gemeyner gewallt; 49, 600, 12 ff.: von wegen der gantzen Kirchen — aus befehl und verwilligung der andern. 110 ,νοη wegen': i 0 I-2, 239, 36 f.; 10M, 21J, 26; 38, 230, 20: Es müssen etliche dazu ausgesondert werden, „die das Lere ampt füren . . . die Sacrament von wegen der Gemeinde handien"; 41, 214, 31 f.: „die von unser aller wegen soldi ampt aus-

91

Stets tritt bei Luther dieser Charakter des öffentlichen Amtes als einer Repräsentation der Gesamtheit und ihrer Vollmacht stark hervor. Alle priesterlichen Werke in diesem Amte werden getan nostro nomine 111 . Von größter Wichtigkeit jedoch ist, daß Luther mit solchen Feststellungen auch eine andere verbindet: Wird die priesterlidie Funktion am Wort und Sakrament im öffentlichen Amt getan im Namen und anstatt der Gemeinde, „so thut es die kirch, Thut es dann die Kirch, so thut es Got .. . " m . Die Charakterisierung des Amtsträgers als Repräsentant der Gemeinde geschieht im Sinne Luthers also nicht im Gegensatz dazu oder auch nur in Distanz davon, daß er auch Repräsentant Gottes des Herrn ist113. Die Gemeinde, in deren Namen er fungiert, die er repräsentiert, ist eben doch nicht nur irdische Genossenschaft, sondern zugleich die communio sanctorum, die Leib Christi ist. In ihr ist die Autorität Christi wirksam, die alsdann auch in dem Amtsträger, der vice et nomine omnium da steht, sich verkörpert. Wir haben hier eine Nahtstelle in Luthers Lehre vor uns, an der sich die Herleitung der Autorität des Amtes aus der Gemeinde und die aus dem stiftenden Willen Gottes unmittelbar berühren.

7. Die Auftragsbestimmtheit des Amtes im Hinblick auf Christi Befehl Das genossenschaftliche delegatio-Denken ist bei Luther begrenzt einmal dadurch, daß er in der delegierenden Gemeinde die communio sanctorum als Leib Christi handeln sieht, ferner aber audi dadurch, daß die Gemeinde bei ihrem zum Amt delegierenden Handeln ja nur Christi richten sollen", ¡anstatt': 10HI, 216, 1; 396, 6.8; u , 413, 22; 12, 191, 1; 309, 6 f. ,/«/: 6, 407, 29.31.33. ,im Namen': 6, 564, 12. 111 6, 564, 12. Auch in bezug auf diese Stelle in ,de captivitate babylonica' (6, $64, 6 ff.) ist Brunottes These, es werde hiermit keine delegative Amtsbegründung, keine Übertragungsvorstellung ausgesprochen ( a . a . O . , S. 58 f.), unzutreffend. A u f dem Grunde des bei allen gleichen Priestertums und seiner Gewalt wird der öffentliche Diener von der Priesterschaft herausgestellt und ihm der (öffentliche) Dienst nostro consensu übertragen (ministerium commissum!). Die Übertragung ist soviel wie Gestattung, Verwilligung, daß dieser eine den Dienst für die anderen ausführt. Darum tut er in seinem Amt auch alles ,nostro nomine', als Repräsentant, Mandatar, Delegat und Kommissär der .Wir'. Bei dem ,Wir' ist aber keineswegs von Luther nur an eine überpersönliche, ganzheitliche Größe Kirche gedacht, wie Brunotte will (a. a. O., S. 59), sondern gerade audi an die einzelnen alle (,nos omnes'!), die gleicherweise alle Priester sind in dem Verband der Gemeinde. — Brunottes Polemik gegen Dieckhoff hinsichtlich der Interpretation des Passus , . . . ius imperii, nisi quantum nos sponte nostra admitteremus' in dieser Stelle müssen wir aber als zu Recht bestehend bezeichnen. «2 I 0 III, 216, ι ff. (im folgenden erscheint die Begründung der Herausstellung des einen öff. Dieners um der Ordnung willen!). m

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Vgl. V . Vajta, a . a . O . , S. 21 j .

Befehl nachkommt, das Wort zu verkündigen und die Sakramente zu verwalten 114 . Die Gesamtheit der Christen in der Gemeinde ist Empfängerin dieses Befehls 115 , sie ist darum verantwortlich für seine Ausführung zu allen Zeiten. Sie hat so nicht nur ein ius, sondern ein praeceptum, id officii . . . alicui uni vel pluribus vice sua committere116. Sie ist dies zu tun schuldig bei Verlust der ewigen Seligkeit 117 . Darum delegiert sie zum Amt und legt einem (oder mehreren) aus ihrer Mitte die Pflicht auf, das Priestertum hinsichtlich der öffentlichen Wort- und Sakramentsfunktion an der Stelle und im Namen aller auszuüben. In der delegatio durch die Gemeinde werden also nicht irgendwelche von Christus gelösten, der Gemeinde auch abgesehen von Christus innewohnenden Redite und Vollmachten auf den einen gelegt, der ins öffentliche Amt tritt, sondern eben dieser Auftrag Christi zur Predigt des Evangeliums und zur Verwaltung der Sakramente. Das Amt dieses einen ist ganz von diesem Auftrag Christi bestimmt, der wohl durch die Gemeinde zu ihm kommt, letztlich aber doch von Christus selbst118. Es steht und fällt mit diesem Auftrag, der zwar schon in der Taufe mit dem allgemeinen Priestertum grundsätzlich dem einzelnen gegeben ist, nun aber durch die delegatio der Gemeinde zur öffentlichen Ausübung entbunden wird. So müssen wir von einer Auftragsbestimmtheit des Amtes sprechen. Der Inhalt dieses Auftrages ist ganz fest umrissen. Das Häuflein frommer Christen in einer Wüstenei, von dem Luther in der Schrift ,An den Adel 1520' spricht, erwählt sich einen und befiehlt ihm nicht einfach generell seine Stellvertretung in allen möglichen Sachen, sondern „das ampt zu teuffen, mesz halten, absolvieren und predigenn" 119 . Die „amptleut und diener" sind „datzu gesetzt, das sie ynn der gemeyn predigen und die sacrament aussteylen"120. Man muß auf den Befehl achten, „Das ein jeder der zum Predigampt beruffen ist, Macht und Gewalt habe zu predigen, Teuffen, Absoluiren" 121 . Die Amtsträger haben nicht ihre Geheimnisse auszuspenden, sondern Gottes122. Der Auftrag, der in der delegatio der Gemeinde aktualisiert wird, ist kein anderer als der, die von 111

Vgl. Vajta, a . a . O . , S. 2 1 3 f. 2, 190, 5 ff.; 30«, 498, 18 ff. »« 12, 190, 40 f. 117 I i , 4 1 1 , 24 ff.; 4 1 3 , 23 ff.; 4 1 4 , I i ff. 30 ff. 118 Vgl. G. Chr. A . Harleß, Kirche und Amt nach luth. Lehre, Stuttgart 1853, S. 19, auch E. Sommerlath, Amt u. allg. Priestertum, S. 42. 119 6, 407, 38 f.; vgl. 10ΠΙ, 396, 8 ff. 120 12, 3 1 7 , 4 ff.; vgl. 2, 249, 1 2 : . . . da zu seind die priester eingesetzt (näml. Absolution zu sprechen); 6, 409, 3 f.; 8, $03, 29 f.: tzu predigen das wort gottis unnd tzu reychen die Sacrament; 38, 228, 26 f.; 253, 1 1 ; 427, 20 ff.; 428, 7 ff. 121 28, 470, 38 ff. 122 Br. 3, 210, 49 ff.; vgl. ioIII, 120, 13 ff.; 38, 240, 28 ff.; 4 1 , 2 4 1 , 39 f.; 50, 634, 28 ff.; 6, 530, 24. 115

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Christus eingesetzte Wort- und Sakramentsfunktion öffentlich in der Gemeinde auszuüben. So fest sieht Luther das Amt an diesen A u f t r a g gebunden, daß er eine Berufung zum Amt, die unter Außerachtlassung desselben vollzogen wird, für nichtig hält 123 . Es ist ein Wesensmerkmal der Diener im öffentlichen Amt, „ . . . das sie das wort gottis unnd die sacrament sollen handeln, das ist yhr werck unnd ampt" 124 . Durch die Betonung der Auftragsbestimmtheit des Amtes wird die Grenze aufgezeigt, innerhalb deren die Bevollmächtigung und delegatio des konkreten Amtsträgers durch die Gemeinde bleibt und bleiben muß. Die Gemeinde ist an den Auftrag Christi gebunden wie der von ihr bestellte öffentliche Diener. Von keiner Seite ist Willkür erlaubt. Der Amtsträger darf nichts tun, als was der Auftrag Christi fordert, die Gemeinde darf nichts von dem Amtsträger erwarten, als was der Auftrag Christi besagt. Beide Instanzen, die delegierende Gemeinde und der delegierte Amtsträger, sind von dieser Klammer des Auftrags Christi umfaßt und in eindeutiger Weise festgelegt. Die Auftragsbestimmtheit des Amtes trägt somit entscheidend dazu bei, das genossenschaftliche Element in Luthers Amtsbegründung gewissermaßen zu neutralisieren und eine säkular-demokratische Ausdeutung zu verhindern.

8. Die Funktionsbestimmtheit des Amtes Der dem Amtsträger aufgelegte Auftrag, der der Existenzgrund des Amtes ist, zielt ab auf die tatsächlich ausgeübte Funktion. Ein Amt ohne Funktion ist für Luther nicht denkbar. Das Amt besteht ihm geradezu in der rechten Funktion. Ein Nichtausüben der Amtsfunktion wäre als Boykott gegen den Auftrag Christi und Verbrechen an der Kirche zu beurteilen. Wir haben die harten Worte Luthers über die nichtpredigenden Meßpfaffen bereits angeführt 125 . Wo die Funktion nicht ausgeführt wird, ist das wahre Amt hinfällig, ja ist es zum teuflischen Widerspiel desselben geworden 126 . „ . . . alle Apostell, Bischoff, priester und gantzer geystlicher stand alleyn umb des worts willen ist beruffen und eyngesetzt' n ", das heißt damit die Wortfunktion wirklich geschieht. Daran, ob der Amtsträger die Amtsfunktion tatsächlich übt oder nicht, hängt 123

121 Vgl. oben S. 28 f . 6, 409, 3 f. Vgl. oben S. 26 f. und 36. 12e v g l . 6, 564, 15 ff.: Ex quibus fit, ut is, qui non praedicat verbum, ad hoc ipsum per Ecclesiam vocatus, nequaquam sit sacerdos . . . ; 566, 5 ff.: Sacerdoti; munus est praedicare: quod nisi fecerit, sic est sacerdos, sicut homo pictus est homo; 567, ι ff.: . . . ita eum, qui vel ignorât vel non praedicat Euangelium, non modo non esse sacerdotem vel Episcopum sed pestem quandam Ecclesiae; 38, 199, 23 ff.; 222, 25 ff.; 223, u f f . 127 7, 22, 20 ff. 125

94

ganz seine Autorität und Gewalt128. Das tatsächliche Geschehen der Amtsfunktion ist für Luther ein Wesensmerkmal des besonderen Amtes, darum haben wir von der Funktionsbestimmtheit des Amtes zu reden12". In der besonderen Funktion liegt nach Luther der alleinige Unterschied zwischen den Dienern im öffentlichen Amt und den anderen Christen130, „an yhm selb", also im Sein, ist kein Unterschied131. Luther zieht zur Veranschaulichung des funktionalen Charakters des Amtes gerne den Vergleich zu dem Dienst eines weltlichen Amtmanns, Richters oder Bürgermeisters, den ja auch nur die besondere Funktion, die er gerade innehat, von den übrigen Bürgern unterscheidet, und will damit immer unterstreichen, daß auch das kirchliche Amt nicht seinshaft und unlösbar mit der Person des jeweiligen Dieners verbunden wird, sondern in der tatsächlich geschehenden Funktion sein Wesen hat132. Das Verhältnis zwischen dem Amt und der Person des Amtsträgers bedarf noch genauerer Beleuchtung. Luther liegt viel daran, daß Amt 128 iol'l, 122, 22 ff. — V. Vajta (a. a. O., S. 196 f.) betont, daß das Amt nach Luther „seine Legitimation von dem W o r t und den Sacramenten her empfängt, die Christus in Gebrauch nehmen will . . . Das W o r t ist also das Primäre und begründet das kirchliche A m t " (S. 196). Es umgekehrt s idi vorzustellen, daß also das Amt erst W o r t und Sakrament legitimierte, wäre „von Luthers Denken aus völlig verfehlt" (S. 197). „Die Auffassung des Wortes als das Amt begründend und die Auffassung der Sukzession als das W o r t garantierend" stünden nicht in einem ,Sowohl-als-audiVerhältnis', sondern in einem .Entweder-oder-Verhältnis', „zwischen diesen beiden Möglichkeiten hat man zu wählen" (S. 198). Vajta hat damit Luther sicher richtig interpretiert. Wenn Luther die Funktionsbestimmtheit des Amtes so betont, so hat das seinen tieferen Grund eben darin, daß das Amt von dem wirkenden Worte selbst getragen wird. Vgl. 39II, 182, 1: Ministerium verbi facit ministros; non ministri ministerium verbi. Verbum das thuts.

Luther braucht zur Bezeichnung der Funktion verschiedene Ausdrücke: ,ampt' (6, 407, 14 f.), ,werde' (6, 407, 16), ,ampt odder werde' (6, 408, 28; 409, 4.8; $0, 248, ι ff.), ,dienst' (41, 210, 24 f.), .ministerium' (6, 564, 13), .officium' (6, 564, 28). — Die funktionale Bestimmtheit des Amtes bei Luther darf aber nicht so gesehen werden, als würde damit der Auftrag zu der Funktion in das Gebiet des Irrelevanten geschoben. Der Begriff .Ampt", der bei Luther o f t besonders auf die tatsächlich geschehende Funktion abzielt, begreift doch stets das Aufgetragensein dieser Funktion mit ein. Vgl. z . B . 30HI, 521, 7 f.: „Entweder beweiset den beruff und befelh zu predigen, odder kurtzumb stil geschwigen und das predigen verboten, denn es heisst ein Ampt, ja ein predigampt, Ein ampt aber kan niemand haben ausser und on befelh odder beruff". Zu dieser Bedeutung des Wortes ,Amt' vgl. audi Α. F. C. Vilmar, Die Lehre v. geistl. Amt, Marburg 1870, S. 2. Die Funktionsbestimmtheit des Amtes darf im Sinne Luthers nicht gegen die Auftragsbestimmtheit oder die Notwendigkeit und Bedeutsamkeit der besonderen Berufung zum A m t gewandt werden. 6, 408, 26 ff.; 407, 13 ff.; 567, 19 (nihil nisi ministerio); 12, 309, 3 ff.; Br. ι , 5 9Í> 29 ff.; Br. 2, 86, 10 ff.: . . . oportet, ut nihil discernas inter sacerdotem et laicum . . . nisi quod illius est ministerium, non autem hujus. m 8, J 0 3 , 26 ff.; vgl. 8, 4 2 9 , 34 ff. m 6, 408, 18 ff.; 7, 6 3 1 , 30 fr.; 8, 503, 3 0 ff.; 1 2 , 309, 2 ; 3 1 7 , j ; 4 1 , 208, 6 ff.; 45, 310, 2 (Rörer). 1S0

95

und Person voneinander unterschieden werden 1 ". Das Amt steht ihm gewissermaßen als eine selbständige Größe der Person dessen, der in es gerufen wird, gegenüber, ohne mit ihr zu verschmelzen. Es ist als ideelle Größe, nämlich als angeordneter Dienst, als von Christus her gegebener Auftrag schon vor ihm und überlebt ihn als einzelnen Amtsträger, fällt heute auf diesen und morgen wieder auf einen anderen134. Die Verbindung der einzelnen Person mit ihm ist nur gewährleistet in der tatsächlich geschehenden Funktion und nur diese letztere ist an dieser Verbindung von Wichtigkeit, weil sie ja dazu dienen soll, daß die ideelle Größe des Auftrags zur praktisch-konkreten des Dienstes wird. Das Amt verändert einen Christen im Sein nicht, es ist „nur auffgelegt"135, „nicht mehr denn ein öffentlicher dienst, so etwan einem befolhen wird von der gantzen Gemeine"136, ministerium commissum137, es besteht in dem „einigen werck, Nemlich geben odder darreichen das Euangelion, von Christo befolhen zu Predigen"138. Die Berufung ins besondere Amt macht den Amtsträger zwar — wenn auch nicht zum Priester, was er ja schon von der Taufe her ist — so doch zum Knecht und Diener der übrigen Priester, zum „diener und amptmann der gemeynen priesterschafft"139, aber diese neue Beziehung zur Gemeinde, in der sich der Amtsträger befindet, ist verwurzelt in der besonderen Funktion, die er nun zu tun hat, und nicht seinshaft. Sie kann jederzeit wieder abgelöst werden. Das Amt bleibt letztlich immer von der Person seines jeweiligen Trägers abgehoben140. Diese Abhebung des Amtes von der Person ist ein wesentliches Motiv in Luthers Amtsbegriff und dient ihm besonders zur antidonatistischen Stellungnahme. Die Amtsfunktion des verkündigten Wortes und der gehandelten Sakramente ist in ihrer Wirkung unabhängig von der per133 28, 467, 29 ff.; 469, 4 ff. 38 ff.; 32, 316, I J : D e n n idi sonst offt gesagt habe, das m a n die z w e y w e i t unterscheiden mus, Arnpt und person . . . ; 38, 243, 10 ff. 134 17!, 510, 6 f.: quamquam sim in officio, officium non est meum, eras potest alius habere; 15, 721, 13 ff.: Item debent ministerium suum agere, sed non perpetuo . . . Perpetuum est sacerdotium, quod a Christo aeeepimus. Illud est ministerium; 38, 241, 17 ff.: . . . da Judas z u m teuffei fur, nam er sein Apostel ampt nicht mit sich, sondern lies es hinder sich, und kriegts Mathias an seine stat. D i e ampt und Sacrament bleiben jmer dar jnn der Kirchen, die person endern sich teglich. Man beruffe und setze nur drein, die sie können aus richten, so gehen und geschehen sie gewis, D e r gaul ist gezeumet und gesattelt, Setze drauf auch einen nacketen knaben, der reiten kan, so gehet der gaul eben so w o l , als w e n n jn der Keiser odder Bapst ritte; 41, 210, 19 ff.; 4 1 , 4 J 7 , 3: 1 pfarherr stirbt nach dem andern, ampt bleibt. 135

41,

213,

16.

136

41, 210, 24 f.; vgl. 12, 190, 2 2 : officium et opus. 137 6 , 5 6 4 , 7 f. 138 38, 239, 10 ff.; vgl. 30 ff. A u f das Wesen des Amtes als Darreichung der Gaben Gottes weist besonders Vajta, a. a. O., S. 205 hin. Vgl. auch J. Heubach, a. a. O., S. 66, A n m . 1. 139

96

7» 633, 13

ff.

140

Vgl. Vajta, a. a. O., S. 202.

sönlichen Beschaffenheit des Dieners im Amt. „Es sey Judas odder Sanct Peter, da las dir nichts an ligen, scheide du das ampt von der personen und das heilgthum vom grewel" 141 , „seine person macht dir Gottes wort und Sacrament weder erger noch besser"142. Auch ein Böser kann minister sanctae et iustae ecclesiae sein143, wenn er nur die aufgetragene Funktion in der rechten Weise vollzieht144. So hilft die Funktionsbestimmtheit des Amtes mit, die Objektivität desselben zu sichern. Für Luther folgt aus dem funktionalen Charakter des Amtes, daß es keinen Stand im seinshaften Sinne begründen kann. Wir haben bereits dargelegt, wie Luther in der Polemik gegen die satisfaktorisch und hierarchisch entstellte römische Lehre vom geistlichen Stande und character indelebilis zu dieser Meinung geführt wurde145. Luther kennt also nur einen Stand im seinshaften Sinne, den Christenstand, alle anderen Differenzierungen in der Christenheit sind ihm nur funktional bedingt. Wenn er selbst im Zuge seiner Dreiständelehre, bzw. der Lehre von den drei Orden oder Hierarchien im Blick auf die, die im kirchlichen Amt stehen, vom geistlichen Stande spricht, so meint er da doch keine habituelle Qualität, die dem Sein anhaftet146. Er versteht darunter nur eine göttliche Ordnung, in der bestimmte Menschen ihr besonderes Werk haben. Das zur öffentlichen Amtsfunktion nötige Sein ist nach Luther allen Christen mit dem allgemeinen Priestertum in der Taufe gegeben, es bedarf dann nur noch der Berufung der Gemeinde, damit die Funktion im besonderen Amt geschehen kann. 9. Die Absetzbarkeit des Dieners im Amt Da das Amt nach Luther ganz wesentlich Funktion ist, steht und fällt es damit, daß die Funktion tatsächlich ausgeübt wird, und zwar in der rechten Weise, auftragsgemäß. Es kann nun aber der Fall eintreten, daß dies seitens des Amtsträgers nicht geschieht. Es kann dazu kommen, daß Amtsträger ihre Funktion versäumen, nicht predigen, nicht die Sakramente austeilen — Luther hatte das bei dem römischen Klerus seiner Zeit vor Augen — oder aber die Funktion zwar ausüben, aber nicht gemäß dem Auftrag und der Einsetzung Christi. Es können Amtsträger zu falschen Lehrern werden. Was hat in solchen Fällen zu geschehen? Hat die Gemeinde die Befugnis, sie abzusetzen? 111

3 8 , 2 4 3 , 2 $ ff.; v g l . 2 2 , 1 8 6 , 5 ff.

142

50, 6 3 4 , 2 7 f . ; v g l . 4 1 , 2 4 1 , 38 f . : N o n ligt an der person.

143

2, 1 9 3 , 39 f í .

144

V g l . 50, 6 3 4 , 3 0 ; 3 8 , 2 4 0 , i f i .

14β

Vgl.

F.

Kattenbusch,

Die

» « V g l . oben S . 3 5 ff.

Doppelschiditigkeit

in

Luthers

Kirchenbegriff,

in:

L u t h e r a n a V (5. L u t h e r h e f t der T h e o l . S t u d . u. K r i t . ) , G o t h a 1 9 2 8 , S . 3 4 6 ; M . D o e r n e , L u t h . P f a r r a m t , L e i p z i g 1 9 3 7 , S. 6 ff. und H . Storck, a . a . O . , S. 2 5 . — Z u dem g a n zen hier angerührten F r a g e n k o m p l e x siehe auch unten S . 1 1 5 ff. 7

7915 Lieberg, Amt

97

Nach allem Bisherigen kann die Antwort nicht zweifelhaft sein. Luther lehrt, daß die Gemeinde nicht nur das Redit, sondern die ausgesprochene Pflicht hat, untreue Diener im Amt, die den Amtsauftrag versäumen, abzusetzen und andere, treue Diener an ihre Stelle zu setzen147. Das gilt auch für den Fall des ärgerlichen Lebenswandels eines Amtsträgers" 8 . Deponi minister potest, si fidelis esse desinat149. Das Verbleiben eines Dieners im A m t hängt davon ab, ob und wie er die Amtsfunktion versieht. Das Urteil hierüber obliegt dem verantwortlichen Ermessen der universitas Ecclesiae. Er kann solange im Amt geduldet werden, wie es der Gesamtheit gefällt, d. h. wie es von ihr verantwortet werden kann 150 . Darin ist es beim kirchlichen Amt nicht anders als bei weltlichen Ämtern, in denen ein administrator rerum civilium auch nur solange im Amt sein 147 12, 172, 1 0 f f . : der congregano credentium ist die libérrima facultas et copia gegeben, omnes impios ministros profligendi et non nisi idoneos et pios vocandi et instituendi, quoties placuerit. — Das .quoties placuerit' ist nicht im Sinne der Willkür aufzufassen. Luther will damit jedenfalls kein unbegründetes Davonjagen rechtfertigen. Vgl. unten S. 101 und 128 ff. — Die Kirche zu Naumburg hat nach Luther recht getan, daß sie den vom Kapitel gewählten Bischof wegen seiner unreinen Lehre nicht angenommen hat, vielmehr einen anderen rechten Bischof gegen das Kapitel gewählt hat: 53, 231 ff. Gott gebietet, daß ein Irrlehrer nicht lehren soll. Damit ist ihm das Handwerk gelegt „und er seins Bistumbs entsetzt nicht von Bapst oder Keyser, ja nicht von Engeln, sondern von der Hohen ewigen Göttlichen Majestet selbs, da er urteilet und donnert also. Du solt nicht ander Götter haben nodi meinen Namen misbrauchen" (53, 233, 34 ff.). In solchem Fall ist es „nicht allein erleubet . . . Sondern gezwungen durch Gottes Gebot, sich von jm zu sondern und jn fur keinen Bischoff Sondern fur einen Wolff, ja fur einen Teuffei zu halten. Dis alles ist ja nicht mein wort oder meinung . . . Sondern Gottes selbs wort und ernstlich Gebot, mit Drewen und zorn bestettigt, da er spricht: Du sollt kein ander Götter haben, Und Matthei vij.: Ir solt die wolffe nicht hören, sondern euch hüten fur jnen" (53, 234, 6 ff.). Die einen irrlehrenden Bischof hören wollen, die sind „sampt jrem Bischove zum Hellischen Feur verdampt" (234, 20). Sollen die Schafe die Fremden fliehen und meiden und nicht hören, „so haben sie freilich macht und recht, jren Wolffsbischoff zu entsetzen, Eben damit, das sie macht und recht haben, jm nicht gehorsam zu sein, ja viel mehr . . . durch Gottes Gebot gezwungen jm widerzustehen, schweige denn gehorsam zu sein" (53, 234, 3 J ff.). „ . . . Wer ein falscher Prophet sein und bleiben,

nicht hören noch a b l a s s e n w i l , der sol b e y Verlust d e r Seligkeit nicht gehört, s o n d e r n

verlassen, gemidden 242, 17 ff.); vgl. j 3 , recht . . . unnd der lehren, „abtzu thun 148

und verdampt, schweige denn entsetzt oder abgesetzt sein" (53, 2 3 J , 30 ff.; 241, 2 j ff.; 245, 5 ff. — 1 1 , 4 1 1 , 20 f.: Es ist „gottlich seelen selickeyt not", Bischöfe, die gegen Gott und sein Wort odder tzu meyden".

50, 634, 30 f.: on das die kirdie öffentliche laster nicht leiden sol, noch leiden

kan. 149

12, 190, 25 f.; vgl. 6, 408, 17 f. (durch seinen miszbrauch wurd abgesetzt); 409, 32 f.: der allg. Grundsatz „wer schuldig ist der leyde" macht auch vor dem minister verbi nicht halt; 6, 567, 19 f.: a ministerio deponi non impossibile. 150

12, 190, 26 ff. Der Begriff .universitas Ecclesiae' umfaßt nicht nur alle Christen einer Ortsgemeinde, sondern hat auch einen größeren gesamtkirchlichen Aspekt in sich. — Vgl. auch jo, 634, 26 f.: . . . weil er im ampt ist und vom hauffen geduldet wird.

98

kann, als er in seiner Amtsausübung von den fratres aequales gebilligt wird. Allerdings kann dem kirchlichen Amtsträger nicht so viel Geduld erzeigt werden, wie es in weltlichen Ämtern möglich ist, weil seine Untreue viel schwerwiegendere Folgen hat als die eines weltlichen Beamten, geht es doch beim kirchlichen Amt um ewige Güter, die durch einen schlechten Diener im Amt dem Volk vorenthalten werden bzw. verlorengehen können. Er ist also nodi viel mobilior als ein weltlicher Beamter. Ideo reliquorum fratrum est illum excommunicare et alium substituere151, sagt Luther in der Schrift an die Böhmen 1523. Die Brüder, die ihn dann absetzen sollen, sind nach dieser Stelle keineswegs etwa die Amtsgenossen, die anderen Amtsträger, sondern eben die fratres aequales, die ihn ins Amt delegiert haben, die anderen Christen, die grundsätzlich alle gleich ihm das Priesterrecht und als Gesamtheit die Verantwortung für die rechte Ausrichtung des ministerium verbi in der Gemeinde haben152. Die ministri werden durch die Einsetzung ins besondere Amt also nicht in eine exklusive selbständige Verantwortung entlassen, die Gemeinde, die universitas Ecclesiae hat dieselbe stets mitzutragen, weil der Auftrag Christi, der insbesondere dem öffentlichen Diener aufgelegt ist, ja doch auch allen anderen Christen und der ganzen Gemeinde gilt. Der öffentliche Diener bleibt immer dem Urteil der universitas unterworfen (vorausgesetzt, daß dieses mit dem Auftrag Christi in Einklang steht). So gehört die Absetzbarkeit nach Luther geradezu zum Charakter des öffentlichen Dieners. „ W y r alle mit dem gantzen hauffen seyn priester, on des Bischoffs weyhen, aber durch das weyhen werden wir der andernn priester knecht, diener und amptleut, die do mugen abgesetzt und wandelt

151

12,

190,

270.31.

Es m u ß jedodi beachtet werden, daß Luther in der Schrift an die Böhmen sein Urteil angesichts des akuten Notstandes bildet, daß kein treuer Bischof da ist, der untreue ministri absetzen könnte. Im Blick auf diese Lage behauptet er als Grundrecht der Gemeinde das Absetzungsrecht. Unter normalen Umständen aber sieht Luther als wahrnehmende Instanz dieses Grundrechtes der universitas Ecclesiae die Bischöfe an. So ist es auch in der Schrift , D a ß eine christliche Versammlung oder Gemeinde Macht und Recht habe, alle Lehre zu urteilen und Lehrer zu berufen und ein- und abzusetzen usw.' IJ23. Luther stellt da w o h l als grundsätzliches Recht und grundsätzliche Pflicht der Gemeinde heraus, untreue Diener abzusetzen, jedoch erw ä h n t er als praktischen Fall, in dem die Gemeinde von diesem Recht Gebrauch machen müßte, eigentlich nur den einen, daß die vorhandenen Bischöfe es nicht tun und damit also ihre Pflicht versäumen. Eigentlich müßten es auch nach Luthers Meinung die Bischöfe tun (11, 4 1 1 , 24 ff.; 413, 28 ff.; 414, 30 ff.). Das hat besonders W . Walther, Das Erbe der Reformation 4, Luthers Kirche, Leipzig 1917, S. 139 ff. herausgestellt, und es darf keineswegs übersehen werden. Die normale Instanz für die Absetzung untreuer Diener sind nach Luther die Bischöfe, nur im Falle von deren Versagen ist es die Ortsgemeinde selbst. Das ändert nichts daran, daß es ein Grundrecht der Gemeinde ist, über die rechte Ausübung des Amtes zu wachen und Unrechte Lehrer abzusetzen. 152



99

'werden"l5\ Mit dieser Feststellung wird nicht nur einfach der Möglichkeit, daß auch ein Pfarrer versagen und abfallen kann, Rechnung getragen, sondern sie ist für Luther eine Konsequenz der funktionalen Bestimmtheit des Amtes. Das Recht der Gemeinde, den minister wieder vom Amt zu setzen, wenn er untreu ist, hängt mit dem Redit Lehre zu urteilen zusammen. Mit Nachdruck wird von Luther dieses Recht allen Christen und der Gemeinde zugesprochen, wie wir bereits dargelegt haben154. Alle prophetischen und apostolischen Warnungen vor Irr- und Menschenlehre, „Die thun nichts anders denn das sie das recht und macht, alle lere tzu urteylen, von den lerern nemen und mit ernstlichem gepott bey der seelen verlust den zuhorern aufflegen", so daß sie nicht nur das Recht, sondern die Pflidit dazu haben und „ . . . sinds schuldig tzu urteylen bey gottlicher maiestet Ungnaden"155. Aus der Pflicht Lehre zu urteilen folgt für Luther dann auch die Pflicht, Unrechte Lehrer abzusetzen156. Die Absetzung des untreuen Amtsträgers ist eine Maßnahme, die darauf abzielt, weiteren Schaden zu verhüten und die Ausführung des Auftrages Christi unter allen Umständen zu gewährleisten. Sie ist ein Dienst an der Gesamtheit. Zu diesem Dienst sind alle Glieder der Gemeinde verpflichtet. Es wäre „unnaturlich, schweyg unchristlich, das ein glid dem andern nit helifen, seinem vorterben nit weren sol"15'. So ist sogar die weltliche Gewalt als „ein mitglid des Christlichen Corpers"158, auf Grund dessen, daß ihre Träger auch geistlichen Standes und Priester aus der Taufe sind, verpflichtet einzuschreiten, und zwar mit den ihr zu Gebote stehenden weltlichen Machtmitteln, wenn die Kirche sich eines ärgerlichen Amtsträgers aus eigener Kraft nicht entledigen kann159. Jeder hat die Pflidit und Schuldigkeit, nach Kräften dem entgegenzutreten, „wo ein gemeyn regierend gelid ubel handelt, wilchs durch seinen handel viel schaden und ergernisz gibt den andern"160. Die Gewalt des Amtsträgers hat ganz allgemein an der generellen Norm ihre Grenze, daß es keine Gewalt in der Kirche geben kann, „den nur zur besserung"161. Übt 153 7, 633, 16 ff. In dem „Weihen des Bisdiofs" sieht Luther die Berufung der Gemeinde wirksam, die eben durch ihn als Werkzeug geschieht. 154 Ygi 0 ben S. 56 f. und S. 98, Anm. 147. 155 Ii, 411, 3 ff.; vgl. vorher schon 409, 20 ff.; 410, 13 ff. 154 Vgl. K. Holl, Luther, 6. Aufl. 1932, S. 319 u. 338. 157

6,

409,

13

ff.

158

6,

410,

4.

6, 409 fr. Vgl. H Storck, a . a . O . , S. 47 f.; audi Κ. Holl, Luther, S. 333 ff. 349 f. 3Î4, der betont, daß das eben nur für den Notfall zutrifft, während Luther sonst die weltliche Obrigkeit aus den Dingen der Kirche heraushalten wolle. Letzteres trifft aber ζ. B. in bezug auf das Vokationsrecht der Obrigkeit nach Luther nidit zu, vgl. unten S. 159 ff. 159

180

161

6,

413,

8

ff.

6, 414, 7; vgl. 10HI, 123, do besserlich ist. 100

8 f.: Es ist kein gewalt von Christo dann allein die

er sie nicht zur Besserung, so ist sie hinfällig und muß er abgesetzt werden. Jedoch gibt es keine willkürliche Absetzung durch die Gemeinde162. Luther hat gelegentlich Äußerungen getan, die einen solchen Verdacht aufkommen lassen könnten und so klingen, als wäre nach ihm der Gesamtheit die Freiheit gegeben, einen Amtsträger je nach Belieben zu behalten oder wieder vom Amt zu setzen163. Jedoch können unter Berücksichtigung anderer ganz klarer Äußerungen Luthers audi diese Stellen nicht anders ausgelegt werden, als daß auch bei ihnen die stillschweigende Voraussetzung gemacht ist: wenn der Amtsträger untreu wird 164 . Das Handeln der Gemeinde bleibt auch in dieser Hinsicht stets an den Auftrag Christi und die Norm seines Willens gebunden, sie kann und darf nur dann zur Absetzung schreiten, wenn sie das Wort Gottes auf ihrer Seite hat165. Luther gibt aber auch der Möglichkeit Raum, daß ein minister verbi von sich aus von seinem Amt abtritt: „Wenn ich nicht mher predigen kan oder wil, trit ich wider inn den gemeinen hauffen, bin wie du, und prediget ein ander . . ." 166 . Hiernach wäre der Amtsauftrag nach Luther auch wieder ablegbar. Es ist aber schwer vorzustellen, daß Luther in einem solchen Handeln eines Amtsträgers nicht audi ein Verschulden sehen sollte, zumindest als Verletzung der Liebespflicht gegenüber dem Nächsten, die zur Erfüllung des Amtsauftrages zwingen müßte. Dem funktionalen Charakter des Amtes entspricht es nun nach Luther, daß der, der sein Amt niedergelegt hat, bzw. vom Amt gesetzt worden ist, dann wieder „bawr odder burger wie die andern" 167 , „nichts anders denn ein jglicher gemeiner Christen" 168 ist. Er ist dann „gleich wie vorhyn" 189 , also in dem gleichen Zustand, in dem er war, bevor er zum Amt berufen wurde, es bleibt an ihm nichts von dem Amt, das er getragen hatte. Ein character indelebilis gilt Luther als Menschenerfindung und er lehnt ihn ab170. —

162

V g l . dazu unten S. 1 2 8 ff.

les

So 1 2 , 1 7 2 , 1 0 ff.: quoties placuerit (vgl. oben S. 98, A n m . 1 4 7 ) ; 1 2 , 309, 9 f.: . . . den man müge wider absetzen, wenn man wollt; i j , 7 2 1 , 1 3 ff.: Item debent ministerium suum agere, sed non perpetuo: possumus ei hodie commendare, eras iterum adimere. 184 V g l . bes. die unten S. 1 2 8 ff. angeführten Stellen. 165

V g l . G . Holstein, a. a. O., S. 99.

166

4 1 , 209,

167

6, 408, 20 f.

Ii ff.;

vgl. 2 1 0 , 18 ff.

6, fé/,

168

4 1 , 2 1 0 , 20 f . ; vgl.

169

6, 408,

170

6, 408, 2 2 ff.; vgl. 6, 5 6 7 , 2 2 ; 562, 3 0 ff.

1 7 ff.

18.

ΙΟΙ

Im Vorstehenden ist die Begründung des konkreten Amtes aus dem allgemeinen Priestertum bei Luther dargestellt worden 171 . Wir haben den wesenhaften Unterschied zwischen dem konkreten Amt und dem im allgemeinen Priestertum schon jedem Christen mitgegebenen allgemeinen Amte im Öffentlichkeitscharakter des ersteren aufgezeigt (i), alsdann haben wir die Motive aufgeführt, durch welche das konkrete Amt vom allgemeinen Priestertum aller Christen her in seiner Notwendigkeit begründet ist (2—4), schließlich ist die Form der Bestellung des konkreten Amtes in der Sicht vom allgemeinen Priestertum her als delegatio gekennzeichnet worden (5) und sind vier Aussagen über das so zustande gekommene konkrete Amt hinzugefügt worden: es ist Repräsentation der Gesamtheit (6), es ist durch den Auftrag Christi bestimmt (7), es ist wesenhaft Funktion (8) und darum nicht unwiderruflich verliehen (9). Bei diesen Darlegungen ist versucht worden klarzustellen, daß die Begründung des konkreten Amtes aus dem allgemeinen Priestertum bei Luther zwar nicht der genossenschaftsrechtlichen Elemente entbehrt, diese aber doch durch andere Momente so gebunden sind, daß sie nicht im Sinne eines säkularen Genossenschaftsrechts zur Geltung kommen können und keine rein demokratische Verfaßtheit des Amtes bewirken. Der delegative Amtsbegriff, der hier bei Luther vorliegt, ist verzahnt mit der Lehre von der Kirche als communio sanctorum und mit dem vorgegebenen Auftrag Christi (ganz abgesehen von der Verbindung mit der anderen Amtsbegründung, die uns noch zu beschäftigen haben wird). Immerhin ist diese Begründung des besonderen Amtes aus dem allgemeinen Priestertum als Begründung ,νοη unten her', ,aus der Gemeinde heraus' zu kennzeichnen172. Bei ihr fällt die Betonung auf die Abhängigkeit des öffentlichen Dieners von der Gemeinde, auf seine stete Rückbeziehung auf sie. Daß er vice et nomine omnium steht, ist dafür die kürzeste und treffendste Formel. Wir konnten nun schon diese Gedankenreihe bei Luther nicht darstellen, ohne immer wieder darauf zu stoßen, daß hinter der handelnden, ins Amt rufenden universitas Ecclesiae göttliche Gegebenheiten stehen, die dieses Handeln der Gemeinde bestimmen. Um ein vollständiges Bild von Luthers Amtslehre zu gewinnen, müssen wir nun aber diesen Ge171 v g l . f ü r ¿¡e Begründung des Amtes aus dem allg. Priestertum bei Luther besonders H ö f l i n g , Grundsätze ev.-luth. Kirchenverfassung, 3. A u f l . , Erlangen 1853, S. J7 ff., dessen Darstellung dieser Gedankenreihe Luthers als zutreffend beurteilt werden muß. Falsch w i r d das Bild von Luthers Amtslehre bei H ö f l i n g erst dadurch, daß er die andere Amtsbegründung bei Luther in der göttlichen Stiftung ignoriert. — V g l . ferner für die Ableitung des Amtes aus dem allg. Priestertum bei Luther M. Rade, Das königl. Priestertum d. Gläubigen usw., Tübingen 1918, S. 9 und M. Doerne, Luth. Pfarramt, S. 13. 172 W . Eiert hat bezüglich dieser einen Begründung des Amtes bei Luther auf Parallelen zu Marsilius von Padua aufmerksam gemacht (Morphologie d. Luthertums I, S. 299).

102

sichtspunkt, daß das konkrete Amt sich auf ein ius divinum zurückführt, thematisch in den Mittelpunkt stellen und ihn gesondert von der Delegationslehre für sich behandeln. Das folgende Kapitel wird sich also mit dem göttlichen Charakter des konkreten Amtes zu befassen haben. Wenn wir bei der bisherigen Untersuchung schon sahen, wie nach Luther die Wurzeln des konkreten Amtes in göttlichen Tatbeständen liegen, so wurde dies doch immer nur auf dem Wege des gedanklichen Rückschlusses deutlich: Das konkrete Amt muß sein, weil die Ordnung es verlangt. Die Ordnung ist Gottes Wille, also will Gott auch das konkrete Amt. Oder: Das konkrete Amt muß sein, weil die Bruderschaft der gleichberechtigten Priester da ist und verlangt, daß einer die öffentliche Amtsfunktion für alle ausübt. Die Bruderschaft und das Priestertum jedes einzelnen ist von Gott, also will Gott auch das konkrete Amt. Oder: Das konkrete Amt muß sein, weil nicht alle die dazu erforderlichen Gaben zur Amtsausübung besitzen. Daß nicht alle diese haben, beruht auf Gottes Willen, von dem die Gaben kommen, also muß Gott auch das konkrete Amt wollen. So konnte die göttliche Einsetzung des konkreten Amtes bisher aus konsekutiven Tatbeständen erschlossen werden. Nunmehr treten wir in eine neue Betrachtungsweise ein, indem wir nicht von der Gemeinde und deren Notwendigkeiten ausgehen, sondern unmittelbar von Christus und seinem stiftenden Willen. Es liegt bei Luther auch ganz ausgeprägt diese andere Gedankenreihe vor, die das Amt von oben her, direkt von Christus her begründet, ja, man muß sagen, daß im Ganzen der Amtslehre bei Luther auf dieser Art der Begründung der stärkere Ton liegt173. Sie verbindet sich dann mit seiner Lehre vom allgemeinen Priestertum und der Begründung des Amtes von daher, woraus sich dann das eigentlich Kennzeichnende für Luthers Amtslehre ergibt.

178 V g l . die Beobachtung H . E . Creutzigs ( A m t und Ä m t e r in der luth. Kirche, in: T h e o l . mil. H e f t 2 2 , Leipzig 1 9 3 8 , S. 10): „Zahlenmäßig gesehen sind diese A u s sprüche . . . (die die Vollmacht des Amtes aus dem allg. Priestertum herleiten) . . . gering im Vergleich zu denen, die das A m t als göttlich verordnet anerkennen . . . " . — Darin stimmen w i r mit Creutzig allerdings nicht überein, daß man die Begründung des Amtes aus dem allg. Priestertum bei Luther nur als K a m p f p r o d u k t anzusehen habe. Es handelt sich doch auch um eine ursprüngliche und eigenständige Konzeption Luthers.

103

IV. Kapitel: Der göttliche Charakter des konkreten Amtes ι . Die göttliche Einsetzung der Amtsfunktion W i r haben eingangs v o n der Notwendigkeit des Dienstes am W o r t im Hinblick auf die Rechtfertigung und von der scharfen Antithese Luthers gegen die Schwarmgeister, die den Geist ohne das W o r t und äußere Medien erlangen wollten, gesprochen 1 . Für Luther ist die Kirche auf das W o r t gegründet und kann ohne dasselbe gar nicht bestehen 2 , weil nur durch W o r t und Sakrament Christus ihr gegenwärtig ist und nur durch W o r t und Sakrament das Heil, das Christus ihr erworben hat, zu den Menschen kommen kann. Durch die Funktion der Gnadenmittel „passio Christi et resurrectio kompt in usum" 3 . Es gibt keinen andern Heilsweg. Die Funktion am W o r t und Sakrament ist aber natürlich keineswegs nur als Postulat der Rechtfertigungslehre anzusehen, sondern in der Einsetzung Christi positiv begründet. Christus hat W o r t und Sakrament gestiftet und Befehl gegeben, sie zu üben 4 . A l s Stücke, „die zur Kirchen erhaltung Christus geordent hat" 5 , gehören sie zum Wesen der Kirche und sind ihre Erkennungszeichen". W o r t und Sakrament sind nun nichts Statisches, sondern müssen in Funktion sein, damit sie zu den Menschen kommen 7 . So als Funktionen hat Christus sie eingesetzt und befohlen. „ W i r reden aber von dem eusserlichen wort, durch menschen, als durch dich und midi mündlich geV g l . oben S. 19 ff. V g l . 12, 191, 16 ff.; 41, 124, 8 ff.; 148, 28. * 34I, 318, 16; vgl. 319, 17: H i e w y r d t das leyden Christi y n brauch gebracht; 28, 476, 12 ff.; 41, $41, 15 f.: Der Herr hat nicht lang kund harren, sed voluit in totum mundum bringen usum und krafft resurrectionis; Br. 3, 210, $1: . . . per quorum verbum venit ad ecclesiam mysterium Dei. 4 31I, 196, 9 ff.; 41, J43, 17.23; 544, 15 f.; 49, 139, 22: Dominus hat befolhen . . . ; 140, 39 f.: Christus hats gestifftet . . . ; 50, 647, 6 ff. 5 38, 222, 25 ff.; vgl. 223, I i ff.; 38, 240, 28 ff.: Summa, die ampt und Sacrament sind nicht unser sondern Christi. Denn er hat soldis alles geordent und hinder sich gelassen jnn der kirchen zu üben und gebraudien bis an der weit ende, und leuget und treuget uns nicht. Darumb können w i r auch nichts anders draus machen, sondern müssen seinem befelh nach thun und solchs halten. 6 50, 628 ff.; vgl. 41, 124, 4. — V g l . audi oben S. 20 f. 7 50, 634, 24 f.: Denn es ist alles gegeben, nicht dem, ders hat, sondern dem, ders durch sein ampt kriegen sol. 1

2

104

predigt"*,

v o n dem heiligen S a k r a m e n t der T a u f e , „ w o es recht nach

Christi Ordnung geleret, gegleubt

und gebraucht

wird"9, vom Altarsakra-

ment, „ w o es redit nach Christus einsetzung gereicht, fangen

gegleubt

w i r d " 1 0 , v o n den Schlüsseln, w o sie öffentlich gebraucht

und

emp-

werden11.

Durch die S t i f t u n g der Gnadenmittel ist v o n Christus eine F u n k t i o n gesetzt, die w i r zusammenfassend einfach die A m t s f u n k t i o n nennen könn e n " . D e r Inhalt dieser Funktion (das , W a s ' der Funktion) ist ebenso in Gottes "Willen begründet w i e ihr V o l l z u g (also das , D a ß ' der F u n k tion). M a n darf und muß gewiß sein, „ d a s beyde das w o r t und a m p t gottlich und v o n G o t t befolhen s e y " 1 3 . A u s der Einsetzung der Gnadenmittel steht also fest, daß es Gottes "Wille ist, daß in der Kirche die A m t s f u n k t i o n e n geschehen. A b e r damit ist noch nicht gesagt, wie die A u s ü b u n g der v o n G o t t befohlenen A m t s funktion v o r sich zu gehen hat, ob durch alle Christen oder nur bestimmte Personen, ob nach fester Regelung oder „durch den zufälligen persönlichen V e r k e h r " , w i e K . H o l l im Anschluß an R . S o h m aus einer Lutherstelle meinte entnehmen zu können 1 4 . Ist e t w a die nähere Festlegung der A r t und "Weise, w i e die v o n Christus eingesetzte A m t s f u n k tion konkret ins W e r k gesetzt w i r d , dem Ermessen der Gemeinde überlassen? D i e im vorigen K a p i t e l angeführten M o t i v e zur Ü b e r t r a g u n g des A m t e s (und damit also der A m t s f u n k t i o n ) auf bestimmte Personen er8 jo, 629, 16 ff.; vgl. 12, J18, 28 ff.; 41, 124, 22 f.: Nu ist ja solcher Scepter nicht mehr denn das blosse wort oder mündliche predigt und ein leibliche stimme; 47, 191, 38 ff.: das Ampt gestifft ist von Gott, das man predigt und die gewalt der Schlüssel gebraucht werden. — H. Storck, a. a. O., S. 9 f., hat darauf hingewiesen, daß mit dem Begriff ,Wort' bei Luther einmal der Inhalt des Wortes und dann auch die Form der Funktion in Verkündigen und Lehren bezeichnet wird. In beiderlei Hinsicht ist das Wort von Gott gesetzt. • 50, 630, 2 2 f. 10 50, 6 3 1 , 7 f. 11

jo, 6 3 1 , 3 6 ff.

12

Man kann bei Luther eine dreifache Bedeutung des Begriffs ,ampt' im Zusammenhang seiner Amtslehre nachweisen: 1. ,ampt' bezeichnet eine von Christus befohlene (gottesdienstlidie) Handlung, also materiell Wort und Sakrament: z . B . 30H, 498, 18 ff.; 38, 240, 28. 2. ,ampt' bezeichnet den tatsächlichen Vollzug solcher Handlung, die geschehende Amtsfunktion, also das Predigen und Sakramentausteilen: ζ. B. 19, 233, j f . i j f . ; 34I, 318, 15; 47, 191, 38 ff. 3. ,ampt' (zumal .predigampt') bezeichnet die Amtsinstitution, in der das von Christus befohlene Werk auf Grund besonderer Berufung dazu vollzogen wird, also das konkrete Amt im engeren Sinne: z . B . 28, 470, 39; jo, 632, 3 j f. und die im nächsten Abschnitt angeführten Stellen. Meist liegen alle drei Aspekte in dem Begriff ,ampt' bei Luther vor, wobei der Ton einmal mehr auf dem einen, dann wieder auf dem anderen Moment liegt. 13 19, 233, j ff.; vgl. 34I, 318, 1 5 : Ibi befilht er das ampt, quod est praedicare et Euangelium. 14 Luther, 6. Aufl. 1932, S. 324 f., Anm. 3. Die Interpretation der zugrunde liegenden Stelle 6, 297, 13 ff., bei Holl und Sohm ist nicht zu halten, zumal wenn man die Menge der anderen Lutherstellen vergleicht, die direkt vom Amte reden. Vgl. den folgenden Abschnitt.

105

wachsen aus den soziologischen Gegebenheiten in der Gemeinde, sind darum eigentlich menschlichen Rechtes, könnten jedenfalls nur indirekt als göttlich legitimiert in Betracht kommen. Die Frage, der wir jetzt nachzugehen haben, ist eben die, ob nach Luther ein göttliches Mandat dafür vorliegt, daß die Amtsfunktion an einzelne bestimmte Personen gebunden wird, die zur Ausübung derselben für die Dauer bestellt werden, mit anderen Worten, es ist die Frage, ob das konkrete Amt, das öffentliche Predigtamt als kirchliche Institution nach Luther direkt auf Christi Einsetzung beruht. 2. Die Bindung der Amtsfunktion an bestimmte Personen: die Stiftung des Amtes Schon die mannigfachen Äußerungen bei Luther, daß die Gemeinde Befehl von Gott habe, Prediger zu berufen und das konkrete Amt zu bestellen15, weisen die Richtung, in der wir die Antwort auf die Frage nach der göttlichen Einsetzung des konkreten Amtes bei Luther zu suchen haben. Luther versteht das konkrete Amt, das einzelnen übertragen wird, als eine ständige Einrichtung, die zum Wesen der Kirche gehört, und führt diese Einrichtung unmittelbar auf den göttlichen Willen, auf Christi Einsetzung zurück. Nicht nur das Wort und die Sakramente sind göttlich eingesetzt, sondern audi das Amt, das letztere geordnet öffentlich in der Gemeinde verwaltet 16 . Nicht nur die Gnadenmittel selbst (das Wort, Taufe, Abendmahl, Schlüssel) sind Kennzeichen der Kirche, führt Luther in der Schrift ,Von Konziliis und Kirchen 1539' aus, sondern „zum fünfften kennet man die Kirche eusserlich da bey, das sie Kirchen diener weihet oder berufft oder empter hat, die sie bestellen sol, Denn man mus Bisschove, Pfarrher oder Prediger haben, die öffentlich und sonderlich die obgenannten vier stück odder heilthum geben, reichen und üben, von wegen und im namen der Kirchen, vielmehr aber aus einsetzung Christi, wie S. Paulus Ephe. 4 sagt" 17 . Daß die Kirche Amtspersonen beruft, die die Funktion des Amtes ,öffentlich und sonderlich'18 15 Vgl. oben S. 93, bes. Anm. 1 1 6 und 1 1 7 mit den da angegebenen Stellen; außerdem nodi 4 1 , 456, 14 und Enders, Luthers Briefwechsel, Bd. n , S. 279, Z . 23. 18 Daß Wort und Amt bei Luther nidit einfach ineinander aufgehen, sondern als zweierlei begrifflich geschieden werden, geht z. B. schon deutlich aus der Stelle 47, 193, j hervor: „ . . . das Wortt gottis, dorauff das ampt gestijft ist". Hier werden Wort und Amt deutlich unterschieden. Das Wort ist die Grundlage, auf der und für die das Amt gestiftet ist. Und unter ,ampt' ist hier nach dem Kontext eindeutig gerade die konkrete Institution zu verstehen, die bestimmte Amtspersonen fordert. Vgl. 193, 3 f.: „Derhalben so sehen wir, das einer beruffen ist, so ist ehr in einem ampt". 17

50, 632, 35 ff. 50, 633, 1 ; .sonderlich' bedeutet hier: in der Einzelseelsorge. Bei der Besprechung der Schlüssel in dieser Schrift Luthers treten diese beiden Begriffe .öffentlich' und .sonderlich' in diesem Sinne auf. 18

10 6

wahrnehmen, ist nicht Sache menschlicher Administration, sondern v o n Christus so geordnet 1 9 . D a s ist g a n z offensichtlich die Bedeutung dieser Stelle. Ephes. 4, 1 1 ff. w i r d in diesem Z u s a m m e n h a n g v o n L u t h e r so v e r standen, daß Christus zur A u f e r b a u u n g seines Leibes das A m t b z w . die Ä m t e r eingesetzt und gestiftet hat, die v o n der Kirche mit bestimmten Personen zu bestellen sind 20 . In einer Epistelpredigt über 1. Kor. 12, 1 ff. von i j j j sagt Luther: „Was Empter sind, ist leicht zu verstehen, Denn ein Ampt heisset ein geordnet ding, so in einem jeden Regiment sein mus, das es mandierley bestellete und befolhene werck habe von wegen des, der die herrschafft hat . . . Also sind in der Kirchen audi mandierley Empter, als das einer ein Apostel, ein ander ein Euangelist, ein ander ein Lerer etc. ist . . . Also sind jtzund geordnete und unterschiedene Ampt, Pfar herrn, Prediger, Diener oder Priester, die da Beicht hören, Sacrament reichen . . ," 2 1 . Luther charakterisiert hier (wie in der eben angeführten Stelle aus der Schrift ,Von Konziliis und Kirdien') die Ämter näherhin alle als Abarten und Unterteilungen des einen ministerium ecclesiasticum. Es geht also auch in dieser Mehrzahl ,Ämter' im Grunde nur um das eine konkrete Amt. Ausdrücklich werden von Luther nun diese Ämter von den Kräften und Gaben, von denen an der gleichen Stelle die Rede ist, unterschieden22. Wenn Luther hier von Ämtern spricht, so handelt es sich ausdrücklich also nicht bloß um die Charismen, sondern im Unterschied dazu um die Amtsinstitution, zu der Personen gehören, denen das Amt befohlen wird 23 . Von diesen, mit Personen bestellten Ämtern heißt es dann: „das Christus ist der HErr, des die empter sind, und die selben ordnet und erhelt, und dazu Gott seine Kreffte und der Heilige Geist seine gaben gibt" 24 . „Denn geistliche Empter und geistliche gaben geben, das stehet keiner Crea19

Vgl. P. Brunner, Vom Amt des Bischofs, S. 16 f., Anm. 1 1 . Der Versuch Rudolph Sohms, diese Stelle aus der Schrift ,Von Konziliis und Kirdien' so umzudeuten, als wolle Luther hier nur die verschiedenen Gaben und Charismen in der Christenheit auf göttliche Einsetzung zurückführen, nicht aber die göttliche Einsetzung des öffentlichen Predigtamtes als solchen behaupten (Kirchenrecht I, 1892, S. 499, Anm. 31), muß als mißlungen bezeichnet werden. Die Gaben aus Ephes. 4, 8 sind in Luthers Auslegung dieser Stelle nicht einfach nur die subjektiven Charismen, sondern die Ämter und Amtspersonen selbst. Viel richtiger im Sinne Luthers sieht F. J . Stahl die Dinge, wenn er feststellt: „Das Göttliche oder Uebernatürlidie des Amtes besteht sonach nicht blos darin, daß Gott die Gabe (das Charisma) für das Amt gibt, so fortwährend für die Kirche sorgt, sondern audi darin, daß er positiv Befehl für Bestellung des Amtes und die erste Stiftung desselben gab, und daß er dem nach solchen Befehl bestellten Amt Vollmacht und Verheissung gibt" (Die Kirdienverfassung usw., 1862, S. 114). In diesem letzteren Sinne versteht Luther die göttliche Einsetzung des Predigtamtes nach Ephes. 4. Vgl. audi Brunotte, a. a. O., S. 106 ff. Wenn Brunotte allerdings an anderer Stelle (S. 127) meint, Eph. 4 werde von Luther nur indirekt für die göttlidie Stiftung des Amtes herangezogen, so können wir ihm darin nicht folgen. An dieser Stelle $0, 632, 3J ff. sieht Luther in Eph. 4 die direkte göttliche Einsetzung des Amtes ausgesprochen. 21 22, 183, 22 ff. 22 22, 183, 33 ff. 23 22, 184, i f f . : Denn das man die selben . . . füren und aus richten möge, da gehören auch Leute zu . . . ; 22, 183, 34 f.: . . . allein die, denen es befolhen wird. 24 22, 184, 7 ff.; vgl. 184, 36 ff.; 22, 1 8 1 , 24 f.: . . . Christi, des Sons Gottes, von dem als dem Heubt der Kirchen alle Empter gehen; 22, 186, 31 f.: . . . wo er (Gott) sie (das Amt, Gaben und Kräfte) nicht selbs geordnet und gegeben hette . . . 20

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turn zu, vermag audi niemand weder Gott alleine"* 5 . Das kirchliche Amt ersdieint in dieser Predigt sehr deutlich als Ordnung und Stiftung Christi.

Es kann keinen Zweifel daran geben, daß es nach Luther in der Stiftung Christi begründet liegt, daß die Kirche bestimmte Personen aus der Gesamtheit aussondert, zum Amt beruft und die ebenfalls gestiftete Amtsfunktion am Wort und Sakrament ihnen überträgt. Das konkrete Amt ist nach Luther de iure divino™. Dieses gestiftete Amt ist nach Luther im Zusammenhang der göttlichen Heilsordnung in der Kirche zu sehen. Im Blick darauf, daß durch dieses Amt das durch Leiden und Sterben Christi erworbene Heilsgut zu den Menschen gebracht wird, sagt Luther, daß das Pfarramt Gottes unseres Herrn ist, „ders mit seinem blut uns erworben, geschenckt und gestifftet hat zu unser Seligkeit"2,1. Das Amt ist als Institution eingebettet in den Heilsprozeß, durch den Gott den Sünder zur Rechtfertigung führen will. Denn „durch dis Ampt und Wort werden wir von Sunden los, gerecht und selig für Gott, So wir dem Wort gleuben, welches der Pfarherr uns an Christus stat verkündigt" 28 . Christus wendet uns durch die Heilsinstitution des Amtes in Wort und Sakrament die Früchte seiner Erlösung

25

2 2 , 1 8 1 , 34 ff.

28

Stahls Satz: „es ist der positive ,Befehl Gottes', daß es bestehe" (a. a. O., S. n o ) gibt genau auch die Meinung Luthers wieder. Die göttliche Stiftung des Amtes ist bei Luther an vielen Stellen gelehrt: 28, 470, 39 ff.: . . . das solch Ampt nicht sey der Menschen, Sondern des Herrn Christi, Der solch Ampt hie stifftet, ordnet und den Menschen befilhet; 28, 468, 6 ff.; 470, 16; 476, 6 (.. . eingesetzt . . . ) ; 479, 31 f. (ein Ampt des heiligen Geistes); 3ο 1 1 , 598, 33 f.: . . . das predig ampt hat dodi Gott nicht dazu gestifft . . . ; 38, 240, 24 ff.: Das müssen wir gleuben und gewis sein, das das Predig ampt nicht unser sondern Christi sey; 243, 29 f.: das Pfarrampt, weldis nicht sein, sondern Christi ampt ist; 4 1 , 241, 39 f.: Die empter sind Christi, qui instituit; 41, J43, 17 ff.; 41, 456, 24: . . . gestifft ein öffentlich ministerium; 457, 5 f.: Das Amt von Christus gemacht und „sein"; 47, 191, 38 (gestifft); 193, 5 (gestifft); 50, 647, 6 ff.: (Wort, Sakrament, Ämter) von Gott geboten, gestifft und geordent . . . Gottes selber Wort, Tauffe, Sacrament oder Vergebung, Ampt; Br. 10, 2$$, 18 ff.: Idi hoffe ia, yhr werdet so viel Christlidis verstand haben, das Ein pfarrampt, predigampt und das Euangelion sey nicht unser noch einiges menschen, ia audi keines Engels, Sondern allein Gottes unsers herren, ders . . . gestifftet hat . . . ; 2J7, 87 ff.: ihr habt . . . nichts gestifftet, Sondern allein Gottes son. Die positive göttliche Stiftung des geistlichen Amtes bei Luther weist besonders Brunotte nach ( a . a . O . , S. 118 ff.). Brunotte zeigt auch, wie Luther zu allen Zeiten und an allen Fronten seines Lebens den göttlichen Stiftungscharakter des Amtes festgehalten hat. 27 Br. io, 2 J 5 , 21 ff. Ruben Josef son (Das Amt der Kirdie, in: Ein Budi von der Kirdie, Göttingen 1951, S. 395) hat darauf hingewiesen, daß nach Luther die Stiftung des Amtes nicht nur in bestimmten Jesusworten, sondern unmittelbar in der Tatsache der Versöhnung durch Christi Blut begründet liegt. Vgl. bes. 30 11 , 530, 1 ff. 28

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28, 4 7 9 , 36 ff.

zu 29 , darum ist sie eine res m a x i m a et necessaria . . . omnibus ecclesiis30. Christi „gantzes Reich und Regiment" steht in dieser Ordnung, „so viel man das eusserlich sehen und ergreifíen k a n " 3 1 , unser Leben und Seligkeit liegt in ihr beschlossen32. Unter diesem Aspekt gewinnt die Stiftung des Amtes besonderes Gewicht in Luthers Lehre. Für Luther ist Christus sowohl im historischen Sinne als auch im aktuellen Sinne der Initiator des Amtes. E r hat „jnn eigener Person solch öffentlich Predig A m p t des Euangelij aufï erden angefangen und gefurt und den Aposteln jnn alle weit aus zu breiten befolhen bis an den J ü n g sten tag" 3 3 . U n d er handelt selbst in der vocatio ministrorum, die er als eine bleibende Ordnung der Kirche „hinder sich gelassen" hat 34 . Das „beruffen odder ordinirn zum P f a r a m p t , Predigampt odder seelsorge" gehört zu den „Ordnungen und Früchten Christi" 3 5 . "Weil Christus selbst zum A m t beruft, ist auch er der Erhalter des Amtes. Dieses ist ein ministerium a deo solo datum et conservatimi 36 . In allem "Wechsel der einzelnen Amtspersonen bleibt dodi das A m t , solange die Kirche ist, weil es Gottes Stiftung und Schöpfung ist 37 . Gott hat es zu allen Zeiten, auch unter dem Papsttum, erhalten 38 und w i r d dies weiter tun. Ohne dieses A m t kann die Kirche auch gar nicht leben, es muß bestellt werden, sonst geht die Kirche unter: „die Kirche kan on solche Bisschove, Pfarher, Prediger, Priester nicht sein, U n d widerumb sie auch nicht on die Kirche, sie müssen bey einander sein" 39 . So fest gehört das konkrete A m t , d. h. 29

49, 141, 33: (dominus) instituit, ut communicentur (die Gnadengüter des Evangeliums) nobis per ministros. G. Törnvall (Geistliches und weltliches Regiment bei Luther, München 1947, S. 19) betont, daß das Predigtamt bei Luther nicht bloß eine Funktion ist, sondern selbst „die Segnung, die das Evangelium mitteilen will" und 30 weist hierzu audi auf 40I, 387, 4 ff. 38, 423, 21 ff. 31 41, 123, 37 f.; vgl. 34II, 245, 24 ff.: Gott köndte wol die weh regieren ohn die Empter alle, so er wolte, Aber er wils nicht thun, Sondern hat die Empter bestellet, daß sie seine Gehülffen sein. 32 28, 466, 13 ff.: . . . was das Predigampt sey, Nemlich ein solch Ampt, darinne unser Leben und Seligkeit stehet . . . 33 41, 187, 26 ff.; vgl. 41, 123, 34 ff.; 49, 140, 32 ff. 34 4 1 » 456> 14; vg 1 · 28, 472, 26 ff. 35 38, 221, 2$ ff. 31 ff.; vgl. 47, 192, 5 ff., wo Luther von der Sendung ins Amt sagt: „Den Gott hat sie gebotten". 36 38, 432, 23 ff.; vgl. 22, 184, 8 f.; 30", 530, 3 ff. 37 41, 456, 38 ff.: Non gestifft, ut nec Euangelium. Ehe sterbe, wer da wolle, bleibt ministerium, quod solius dei, donee Ecclesia est, hic manet Euangelium, baptismus, claves, Sacramentum, predigampt. 1 pfarher stirbt nach dem andern, ampt bleibt; vgl. 41, 195, 26 ff.: das Predig ampt des Euangelij, Tauffe und Sacrament und die krafft desselben gehen sol, so lange die weit stehet. 38 38, 243, 28 f. 39 jo, 641, 18 f.; vgl. jo, 634, I i ff.: Haben nu die Apostel und Propheten auffgehöret, So müssen ander an jre stat komen sein und nodi komen bis zu ende der weit. Denn die Kirche sol nicht auffhören bis an der weit ende, darumb müssen Apostel, Evangelisten, Propheten bleiben, sie heissen auch, wie sie wollen oder können, die Gottes wort und werck treiben; 12, 191, 16 ff. 109

also das mit bestimmten Amtspersonen bestellte öffentliche Predigtamt zum Wesen der Kirche, daß am Vorhandensein desselben die Kirche nachgewiesen werden kann, ja, daß diese nicht in Abstraktion von demselben gedacht werden kann. Dabei darf das A m t im Sinne Luthers nicht gelöst von den Amtspersonen vorgestellt werden. W o h l haben wir oben gesehen, daß Luther grundsätzlich das A m t von der Person des Amtstragers abhebt 40 , jedoch bedeutet das nicht eine doketisch-spiritualistische Verflüchtigung des Amtes in den Bereich des Nichtkonkreten. Das A m t erweist seine Realität auch für Luther nur als bestelltes A m t , d. h. in den Amtspersonen, die es dann auch tatsächlich ausüben". So fordert es ja wiederum der funktionale Charakter des Amtes. Es ist sehr zu beachten, daß Luther „ E m p t e r " und „ A m p t l e u t e " als Austauschbegriffe verwendet: „ W o du nu solche Empter oder Amptleute sihest, da wisse, das gewislich das heilige Christliche Volck sein mus . . ." 42 . W e n n Gott das A m t gestiftet hat, so heißt das gerade auch, daß er in der Gemeinde „seine Priester und Prediger bestellet" hat, „welchen er das ampt befolhen hat, das sie leren, vermanen, straffen, trösten und summa, das w o r t Gottes treiben sollen" 43 . Z u N u m . i i , 16 ff. sagt Luther: „ I t e m er (Gott) hat auch da zu (nämlich zum W o r t - und Sakramentsdienst) erweit partem hominum, nempe pfarrer, prediger, die sind kaum das 70. teil. Istos etiam ordinavit, ut sit sonderlich tag und bestimpte person et locus" 44 . M i t dem konkreten A m t ist eine A n z a h l bestimmter Amtspersonen notwendig gegeben. Die Bindung der Amtsfunktion an bestimmte, dazu besonders berufene Amtspersonen geht auf Gottes Willen und Anordnung zurück, ist also de iure divino. Das ist Luthers deutliche Lehre. Es ist nun weiter zu beachten, daß dieses konkrete v o n Christus der Kirche eingestiftete Predigtamt bei Luther stets die Beziehung zu einer Parochie hat. Es ist Pfarramt, d. h. A m t mit einem Pfarrbezirk, einem Seelsorgebereich, dem es zugeordnet und innerhalb dessen es zuständig ist45. Schon 1520 in der Schrift ,An den A d e l ' hebt Luther hervor, „ d a s nach Christus und der Apostel einsetzenn ein ygliche Stadt einen pfarrer odder Bisschoff sol haben, wie klerlich Paulus schreybt T i t . 1 . . . D e n ein Bisschoff und p f a r ist ein ding bey sanct Paul" 4 6 . D e r „pfarr stand" ist es, „den got eingesetzt hat, der ein gemeyn mit predigen unnd sacramenten regierenn musz, bey yhnen wonen und zeytlich hausz halten . . - Z u m konkreten A m t gehört eine konkrete Gemeinde, deren Pfarrer der Amtsträger ist, die er mit W o r t und Sakramenten zu V g l . oben S. 95 f. V g l . V . V a j t a , a. a. O., S. 196; audi Α . F. C . Vilmar, Die Lehre vom geistl. A m t , 1870, S. 2 und W . Löhe, N e u e Aphorismen, Ges. W e r k e Bd. V . 1, S. $37. 42 50, 641, 16 43 31I, 196, 6 44 34II, 296, 5 ff. ff. ff. 45 Gerade audi vom Pfarramt wird von Luther die göttliche Stiftung ausgesagt: 38, 243, 22 f. 29; Br. 10, 255, 18 f. 48 6, 440, 21 ff. " 6, 441, 24 ff. 40 41

ι ΙΟ

regieren hat. Ebenso äußert Luther sich in der Schrift ,Vom Mißbrauch der Messen 1521'. Audi da findet er in der Anweisung Pauli an Titus, in allen Städten Presbyter einzusetzen (Tit. 1, j), die göttliche Einsetzung des parochialen Pfarramtes ausgesprochen. Durch Paulus rede hier der Geist Christi und wer das glaubt, der erkenne wohl, „das diß eyn göttlich eynsetzung unnd Ordnung sey, das ynn eyner iglichen Stadt viel Bisschoff, oder auffs wenigst eyner sey"48. Das von Gott gestiftete Amt ist für Luther Amt in einer Stadt, d. h. in einer bestimmten parochial umgrenzten Gemeinde. Besonders betont Luther den parochialen Charakter des Amtes in der Schrift ,Von den Schleichern und Winkelpredigern 15 32'". Der Pfarrer hat in der Gemeinde „den Predigstul, Tauffe, Sakrament jnnen und alle seel sorgen ist jm befohlen" (nämlich in seiner Parochie)50. Alle Christen, die in der Parochie wohnen, sind bei Gefahr der Seligkeit verpflichtet, sich zu ihrem Pfarrer zu halten und die Schleicher anzuzeigen, die die Leute von ihrem Pfarrer abwenden, „Denn wo sie es nicht thun, da helfïen sie dem teuffels boten und Schleicher, dem Pfarher (ja Gotte selbs) sein predig ampt, Tauffe, Sacrament und seelsorge, dazu die Pfar kinder heimlich Stelen und also die Pfarre (so Gott geordent hat) verwüsten und zu nichte machen"51. Die Pfarre ist göttliche Ordnung und darum auch das Predigtamt de iure divino Pfarramt. Die Berufung zum Amt stellt einen Pfarrer in eine bestimmte Gemeinde, da ist er minister verbi, da bestimmt er auch, wen er predigen läßt, wen nicht52. Uber seine Parochie hinaus reicht nach Luther seine unmittelbare Verantwortung nicht. An die Christen zu Straßburg schreibt Luther: 4 8 8, foo, 16 fi. Vgl. j o i , 3 ff.: . . . Paulus Bissdioffe sind eherlich und ehlidie menner yn eyner Stadt, ßo viel yhr nott ist, das volck zu versorgen. Diß sind w o r t t . . . des heyligen geysts unnd Jhesu Christi, ja der gottlichen majestet; 501, 18 f.: Der heylige geyst hatt ynn eyner Stadt viel Bisschoff eyngesetzt. Zu der an diesen Stellen (Fußnoten 47 und 48) zutage tretenden Schriftauffassung Luthers vgl. Brunotte, a. a. O., S. 41 und 123. 4 * Vgl. dazu W . Eiert, Morphologie I, S. 305, audi S. 302. 50 30ΊΙ, 519, 3 f.; vgl. 30 ff. Die ganze Darlegung 30HI, j i 8 f f . zeigt den parochialen Charakter des Predigtamtes als göttliches Recht. Vgl. auch 28, 475, 1 ff. 5 1 3 0 " 1 , $19, 20 ff. Vgl. J20, 2i ff.: Warumb lessestu deine Kirche, da du getaufft, gelerei, beridit bist und da hin du gehörest durch Gottes Ordnung, und kreuchst jnn den winckel?; 3il, 2 1 1 , 18 f.; audi Br. 10, 257, 82 ff. 87 ff., wo Luther wie vom Predigtamt so auch von den „Pfarrhen" die göttliche Stiftung aussagt. 52 3 ° m > JI9) i f f · ; 31 1 . 211. 4 ff- »ein iglidier Bisschoff odder Pfarher hat sein bestimpt kirchspiel odder pfarre, weldie S. Petrus j. Pet. v. audi darumb cleros heisst, das ist Teile, das einem iglidien sein teil volcks befolhen ist, wie S. Paulus Tito audi schreibt, darinn kein ander odder frembder on sein wissen und willen sich unterstehen sol, seine pfarkinder zu leren widder heimlich nodi öffentlich". Man vgl. audi den 15. der .Artikel wider die ganze Satansschule . . . " von 1530: „Christliche kirdi aber heißt die zal oder hauffen der getaufften und gleubigen, so 2u einem pfarher oder Bisschoff gehören, es sey in einer Stadt odder jnn einem gantzen lande odder in der gantzen welt" (30II, 42J, 22 ff.; vgl. 421, 19 ff.). Auch hier liegt der parodiiale Charakter des Pfarramtes zugrunde.

III

„ N u m e y n allerliebsten freunde, idi b y n ewer prediger nicht. N i e m a n d ist m y r auch schuldig zu gleuben . . U m

den P f a r r e r zu charakteri-

sieren, sagt L u t h e r : „ ü b e r das, das er Christen und priester ist, mus er audi ein a m p t und ein befolhen kirdispiel haben . . . " ä \ M a n muß sagen, daß f ü r Luther diese parochiale Bezogenheit des konkreten A m t e s , weil in der Schrift begründet, als ius divinum gilt 5 5 . L u t h e r lehrt also die Bindung der öffentlichen A m t s f u n k t i o n an bestimmte d a z u ausgesonderte Amtspersonen im Sinne eines parochial bestimmten P f a r r a m t e s als der Kirche eingestiftete göttliche O r d n u n g , das konkrete A m t ist nicht menschliche Einrichtung, sondern göttliches

Insti-

tut5e. D a r u m nennt er es auch sanctum et divinum ministerium 5 ', Christi „heiliges, liebes P f a r r a m p t " 5 8 , ja hoc sanctissimum ministerium 5 0 , w a s 53 J

5> 393. 6 f· Vgl. dazu unten S. 142. 31I, m , 18 ff.; vgl. Br. 1, 59$, 37 ff. r5 ' An diesem Punkte liegt u. a. der Irrtum R. Sohms in seiner Auffassung von Luthers Amtsansdiauung. Sohm anerkennt, daß nach Luther das Amt göttlich gestiftet ist und daß es göttliche Ordnung ist, daß einzelne in dieses Amt berufen werden (z. B. Kirchenrecht I, S. 472), verwirft aber die Folgerung, daß damit auch ein göttlich gegebenes Kirchenrecht nach luth. Lehre vorhanden sei (S. 473 ff.). „Aber das ordentlich berufene Lehramt stellt als solches kein rechtlich bestelltes Lehramt dar . . . Ja, die rechtliche Ordnung des Lehramts ist ausgeschlossen" (S. 475). Dies wäre allenfalls möglich, wenn das gestiftete Amt keinen parochialen Charakter trüge. Nach Luther hat es aber diesen, und zwar kraft göttlicher Ordnung. Damit ist notwendig auch die Rechtsordnung des Amtes gegeben (vgl. audi W. O. Miinter, Die Gestalt der Kirche ,nach göttlichem Recht', Kirche und Amt II, Beitr. ζ. Ev. Theol. Bd. 5, München 1941, S. 60). Daß Luther das gestiftete Amt als parodiiales Pfarramt gelehrt hat, hat Sohm ganz übersehen. Zur Kritik von Sohms Rechtsbegriff vgl. oben S. 33, Anm. 99. — Den parochialen Charakter des gestifteten Amtes bei Luther übersieht auch S. Schöffel (Das Predigt- u. Hirtenant, in: Credo ecclesiam, Festgabe f. W. Zoellner, 1930, S. 200 f.), wenn er zwischen Predigtamt und Pfarramt so streng scheidet und nur ersterem nach evang. Verständnis die göttliche Einsetzung zuspricht. Luther hat da anders gedacht. — W. Eiert (Morphologie I, S. 324 f.) schreibt wohl, daß das Vorhandensein des Pfarramts in der Kirche nach Luther göttlichen Rechtes ist, erklärt aber dann doch, daß die Differenzierung der Amtswirksamkeit in einzelne ortsgebundene Pfarrämter „aus praktischen Gründen" geschehe und daß die lokale Gliederung der Kirche in Parochien iuris humani sei (S. 325). Dem stehen die von uns angeführten Äußerungen Luthers entgegen. 54

M

Man kann hiergegen nicht die Stelle aus der Schrift ,Auf das überchristlich usw. Buch Bock Emsers Antwort 1 5 2 1 ' anführen, in der Luther von der „kirchischen Priesterschafft" spricht und diese Bezeichnung damit begründet, daß diese Priesterschaft „von der kirchen Ordnung herkummen ist und nit ynn der schrifft gegrundt" (7, 631, 2 j f.; vgl. 635, 4 ff.; 636, 19 ff.). Luther will damit nicht die positive göttliche Einsetzung des besonderen Amtes in Frage stellen, vielmehr hat er hier die Priesterschaft im Auge, die durch die Entstellung des Amtes in Rom gekennzeichnet ist („die Bischoff, die itzt seyn": 7, 631, 19 f.), die also den geistlichen Stand für sich allein in Anspruch nimmt und den Laien den geistlichen Charakter abspricht usw. (vgl. 7, 635, 7 ff.). 57 58 59

112

38. 425. ι f· 38, 243. 29· 41. 7 6 3> ι 6 ·

alles unmöglich wäre, wenn der göttliche Stiftungscharakter des Amtes ihm nicht feststünde60. Der Gedanke der göttlichen Stiftung des konkreten Amtes bei Luther ist von vielen Forschern entweder ganz übersehen oder dodi umgedeutet worden. Blicken wir zunächst in das 19. Jahrhundert. Ganz einseitig hat da }. W. Fr. Höfling (Grundsätze ev.-luth. Kirchenverfassung, 3. Aufl. Erlangen 1853) die Begründung des konkreten Amtes in den praktischen Gegebenheiten der priesterlichen Gemeinde bei Luther hervorgehoben (und — wie man hinzufügen muß — damit die Lutherbetrachtung mehrerer Generationen in diesem Punkte bestimmt). Er läßt die Notwendigkeit des Amtes in vier Gründen beruhen: 1. in dem Recht der Gemeinschaft, 2. in dem allgemeinen göttlichen Gesetz der Ordnung, 3. in der vorhandenen charismatischen Gliederung des Leibes Christi und 4. in der inneren Natur des Amtes selbst (es können nicht alle Subjekt und Objekt zugleich sein) (S. 67 f.), aber die positive göttliche Stiftung des Amtes leugnet er (auch im Hinblick auf Luther) (S. 7$). Göttlich eingesetzt ist ihm nur das allgemeine Amt des Priestertums aller Christen bzw. die Funktion von Wort und Sakrament (S. 77 f.). — Auch G. Chr. A. Harleß (Kirche und Amt nach luth. Lehre, Stuttgart 1853) sieht bei Luther nur die göttliche Einsetzung der Amtsfunktion, des Dienstes am Wort und Sakrament (vgl. S. 21-25), aus der sich dann allerdings mit Notwendigkeit die Bestellung des konkreten Amtes ergibt, er wagt aber nicht, diese Notwendigkeit auf positive göttliche Anordnung zurückzuführen. — Bei W. Preger (Die Geschichte der Lehre vom geistlichen Amt usw., Nördlingen 1857) liest man in seinem Lutherabschnitt von einer göttlichen Einsetzung des Amtes nichts. — H. Heppe (Dogmatik d. dtschen Protestantismus i. 16. Jh., Bd. I I I , Gotha 1857) behauptet offensichtlich auch für Luther: nur um guter und notwendiger Ordnung willen ist es nötig, daß die öffentliche Verwaltung und Spendung des Wortes im A u f trage der kirchlichen Gemeinschaft von einzelnen bestimmten Personen übernommen werde" (S. 32$). Audi Heppe weiß zwar, daß das ministerium ecclesiasticum bei Luther und den luth. Vätern „nicht als ein in seinem Bestände und in seiner Befugnis von dem Gemeindewillen abhängiger Gemeindedienst", sondern als „ein schlechthin auf der Stiftung und Gewalt Christi beruhender Kirchendienst" (S. 32 j) anzusehen ist. Die Amtsfunktion gilt ihm als gestiftet. E r sieht aber nicht, daß nach Luther auch die Übertragung dieser Funktion auf einzelne auf göttlichem Willen beruht. Es ist bei Luther eben nicht nur auf „das Bedürfnis kirchlichen Gemeinschaftslebens" zurückzuführen, „daß der priesterliche Beruf, der allen Gläubigen eignet, öffentlich nur von Einzelnen ausgeübt werden kann" (S. 331), sondern auf die positive Anordnung Christi. — H.Jacoby (Die Liturgik d. Reformatoren I, Gotha 1871) schreibt: „Erst durch die Reflexion auf die Bethätigung der Kirche und auf die Gestaltung eines äußeren religiös-sittlichen Gemeindelebens erwächst ihm (Luther) der Begriff des Amtes und der amtlichen Verfassung" (S. 162). Wie fernab von dem wahren Luther liegt dieses Urteil! — G. Rietschel (Luther und die Ordination, 2. Aufl. Wittenberg 1889) meint, daß Luther in allem, „was ordnungsmäßig nach Gottes Willen in der Gemeinde und durch die Gemeinde geschieht", eine göttliche Institution sieht und daß er insofern das Amt eine göttliche Einsetzung nenne, als Wort und Sakrament von Christus unmittelbar eingesetzt und bestimmte einzelne Verwalter von Wort und Sakrament und daher die Bestellung eines besonderen Amtes schlechterdings nötig sind (S. 41 f.). Im Grunde ist damit nur die göttliche Stiftung der Amtsfunktion anerkannt und der göttliche Charakter des Amtes aus dem Ordnungswillen Gottes hergeleitet. So zieht Rietschel denn auch eine spezielle Einsetzung des konkreten Amtes durch Christus 60

H . H . Kramm (Bischof, Pastor und Gemeinde, Luthertum H e f t 13, Berlin 19J4, S. 3 j ) hat sehr verdienstvollerweise darauf hingewiesen, daß in dem Begriff .ministerium' nicht nur der funktionale, sondern durchaus auch der institutionelle Charakter des Amtes enthalten ist. 8

7915 Lieberg, Amt

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ausdrücklich in Zweifel und deutet die von ihm zitierte klare Lutherstelle, die von der Stiftung des geistlichen Standes redet, so um, daß eben damit nur das Gegebensein des Predigtamtes mit der Stiftung von Wort und Sakrament und mit dem Ordnungswillen Gottes gelehrt werde, nicht die positive Einsetzung desselben durch Gott (S. 42; vgl. auch Lehrbuch d. Liturgik II, 1909, S. 410 ff.). Das ist aber nicht Luthers Meinung dabei61. Ganz in die Irre führt die Behauptung Rietschels, für Luther sei die Frage, ob das Amt de iure divino oder de iure humano sei, gar nicht vorhanden, alle menschlichen Ordnungen hier auf Erden seien für Luther eben audi göttliche Ordnungen (Lehrbuch d. Lit. II, 1909, S. 410; — verwunderlicherweise ist diese Behauptung Rietsdiels von Grafi auch in der Neuauflage des Rietschelsdien Kompendiums Göttingen 19 j2 neu dargeboten worden, ebda. S. 840). Die Unterscheidung von dem, was hier auf Erden de iure divino und was nur de iure humano ist, hat für Luther stets die größte Bedeutung gehabt. — Auf der anderen Seite haben andere Männer im 19. Jahrhundert die Lehre von der göttlichen Einsetzung des konkreten Amtes hochgehalten und auch kräftig betont, daß Luther diese Lehre deutlich geführt hat. Genannt seien hier W. Löhe (Ges. Werke, Neuendettelsau 1954, Bd. V.i, S. 549 ff.), F. J. Stahl (Die Kirchenverfassung usw., 1862, S. 399 ff.), Th. Kliefoth (Liturg. Abhandlungen I, 1854, S. 341 ff.) und vor allem A. W. Diedthoff mit seiner tiefschürfenden Untersuchung ,Luthers Lehre von der kirchlichen Gewalt', Berlin 1865 (darin bes. die Seiten 98, 106 f., 116 f., 149 ff.), schließlich auch Jul. Köstlin (Luthers Lehre von der Kirche, Stuttgart 1853, S. 74: „Ueberall bezeichnet er es als von Gott eingesetzt"). Allerdings betont Köstlin später (Luthers Theologie II, 1901, S. 266 f.) recht einseitig die andere Begründung des Amtes bei Luther um der Ordnung willen: „Und auch das, daß die Gemeinde solche Amtsträger berufen und keiner ohne solche Berufung auftreten solle, begründet Luther nicht auf eine direkte Vorschrift oder Verheißung Christi, sondern er beruft sich dafür auf ein allgemeines Bedürfnis der Ordnung, dessen alle von selbst sich bewußt sein müßten" (S. 266). Im 20. Jahrhundert wird der Gedanke der göttlichen Einsetzung des Amtes bei Luther auch von vielen Bearbeitern ignoriert. Besonders gilt dies für die Arbeiten aus der Zeit nach dem 1. Weltkrieg, wobei sich eine allgemeine demokratische Zeitstimmung bemerkbar macht. M. Rade (Das königliche Priestertum der Gläubigen u. seine Forderung an die ev. Kirche unserer Zeit, Tübingen 1918, S. 11 f.) sieht das Pfarramt des einen auf dem Hintergrund des königlichen Priestertums aller bei Luther nur als Forderung der „praktischen Vernunft", des „natürlichen Rechtes" (S. 11). „Letzte Instanz ist der übereinstimmende Verstand aller Einsichtigen auf Grund der Erfahrung" (S. 12). „Und nur der Ordnung wegen, daß alles sittig zugehe, und weil ,was gemeinsam ist', ,nach natürlichem Recht Niemand ohne der Gemeinde Willen und Befehl an sich nehmen' darf, nur darum tritt in praxi besser der Eine als bewilligter und erwählter Vertreter Aller in Funktion, wo Alle, die sichtbar öffentlich zusammenkommen, Priester sind" (S. 28). So sei das Amt auch, weil eben auf Vernunftgründen beruhend, veränderlich. Rade sieht nur die eine Seite der Amtsbegründung bei Luther, und so wird sein Gesamturteil völlig falsch. Ebenso erwähnt W. Zoellner (Das allg. Priestertum d. Gläubigen und die Bedeutung des Gnadenmittelamtes, Leipzig 1919, S. j f.) nur die eine Begründung des konkreten Amtes um der Ordnung willen bei Luther. Auch bei K. Holl (Luther, S. 318 f.) ist der Gedanke der Stiftung des Amtes bei Luther völlig übergangen, desgleichen bei R. Seeberg (Dogmengesdiidite IV. 1, Die Lehre Luthers, 2. u. 3. Aufl., Leipzig 1917, S. 292 ff.). Seeberg meint Luther damit wiederzugeben, wenn er sagt: „Die Gemeinde überträgt um der Ordnung willen die Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung bestimmten Personen, die sie für geeignet hält" (S. 292) und: „ . . . von einer dogmatischen Notwendigkeit des Amtes ist 61 Audi Brunotte (a.a.O., S. 108, Anm. 53) tritt dieser falschen Auslegung Rietsdiels erfreulicherweise entgegen.

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im Sinne Luthers nicht zu reden" (S. 294, Anm. 2). Auch F. Kattenbusch (Die Doppelschichtigkeit in Luthers Kirchenbegriff, Gotha 1928) trägt nur die Begründung des konkreten Amtes um der Ordnung -willen bei Luther vor (vgl. Z.B. S. 343: „ . . . die Ordnung verlangt . . . " ) , ebenso Erich Seeberg (Luthers Theologie II, Stuttgart 1937, S. 441: „lediglich um der Ordnung willen"; Luthers Theologie in ihren Grundzügen, 2. Aufl., Stuttgart 1950, S. 170: „lediglich der Ordnung wegen"; S. 1 7 j : nur um der Ordnung willen sind Pfarrer notwendig). Nicht anders G. Niedermeier (Das allg. Priestertum der Gläubigen und das geistliche Amt, Ztsdir. f. syst. Theol. 1930, S. 337 ff.). Auch H. Asmussen (Warum noch luth. Kirche, Stuttgart 1949, S. 90) erwähnt im Blick auf Luther nur die eine Begründung des Amtes „um einer formalen Ordnung willen". — Andererseits können aber dann audi Forscher genannt werden, die in jüngerer Zeit die Lehre von der göttlichen Einsetzung des konkreten Amtes bei Luther gesehen und deutlich hervorgehoben haben. So ganz besonders W. Eiert (Morphologie des Luthertums, I, München 19J2, S. 301 ff., 321). Eiert führt viele Lutherstellen dafür an und urteilt: „Wird er (näml. der Gedanke der gotti. Stiftung) meistens nur beiläufig ausgesprochen, so ist daraus zu schließen, daß Luther diese Anschauung als selbstverständlich ansah" (S. 301). Ferner M. Doerne (Luth. Pfarramt, Leipzig 1937, S. $ ff.). E. Sommerlath (Amt und allg. Priestertum, a. a. O., S. 49 f.) betont ebenfalls, daß nach Luther das Amt als Beauftragung einzelner auf den Willen des Herrn der Kirche selbst zurückzuführen ist. Ebenso P. Brunner (Vom Amt des Bischofs, a. a. O., S. 16 f.). Auch die jüngste schwedische Arbeit zu Luthers Amtslehre von Gösta Hök (Luthers läran om kyrkans ämbete, in: En bok om kyrkans ämbete, Uppsala 1951) zeigt diese Linie bei Luther klar auf: z. B. S. 150: „kyrkans ämbete och dess ursprung ur gudomlig rätt . . . " , „kyrkans ämbete är en gudomlig ordning oberoende av och före det allmänna prästadömet". H.Storck (Das allg. Priestertum bei Luther, München 1953, S. 39 f.) spricht wohl auch von der „von Gott gestifteten Ordnung des Amtes", macht aber doch mit dem ius divinum des konkreten Amtes bei Luther- nicht ernst, wenn er meint, man könne im Sinne Luthers die Ordnung des geistlichen Amtes in der Kirdie unter das Wort stellen, das Luther von der Gottesdienstordnung gesprochen hat, es sei ja zwar an dieser äußerlichen Ordnung vor Gott nichts gelegen, aber weil' sie dem Nächsten nützlich sein könne, sollen wir sie in der Liebe respektieren (S. 40). Nicht nur wie eine andere menschliche Ordnung in der Kirche um der Liebe willen hat der Christ nach Luther das besondere Amt zu respektieren — so muß man gegen Storch geltend machen —, sondern als eine göttliche Ordnung, die unbedingten Gehorsam verlangt12. Besonders unterstrichen wird die Bindung der Amtsfunktion an bestimmte, zu diesem Dienst ausgesonderte und berufene Amtspersonen durch die Lehre vom geistlichen Stand. Luther kann für den Begriff des geistlichen Amtes auch den des geistlichen Standes setzen und lehrt also mit der göttlichen Einsetzung des Amtes audi die des geistlichen Standes63. Dabei steht Luther das Leitbild der Drei-Stände-Ordnung der 61 Als neueste Arbeit wäre hier noch die von Wilhelm Brunotte, Das geistliche Amt bei Luther, Berlin 19J9, zu erwähnen, die die göttliche Stiftung des geistlichen Amtes bei Luther ganz besonders betont (a.a.O., S. 40 ff. 118 ff. und passim). ,s 6, 441, 24: „Ich wil reden von dem pfarr stand, den Got eingesetzt hat"; 7, 22, 20 ff.: Auch alle Apostell, Bischoff, priester und gantzer geystlicher stand alleyn umb des worts willen ist beruffen und eyn gesetzt; 30'!, J26, 17 ff.: Ich hoffe ia, das die gleubigen und was Christen heissen wil, fast wol wissen, das der geistliche stand sey von Gott eingesetzt und gestifftet; ebenso J30, 1 ff. Zur Gleichstellung von Amt und Stand vgl. 30Π, 530, 13: geistlich ampt und stand; 531, 7: predig ampt und geistlicher stand.

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Christenheit vor Augen' 4 . Priesteramt, Ehestand und weltliche Obrigkeit sind „die heiligen Orden und rechten stiffte von Gott eingesetzt" 65 , die „drey Jerarchien, von Gott geordent" 6 ", die „drey stiffte odder orden", die „ynn Gottes wort und gebot gefasset sind"67. Die Lehre von den drei Ständen ist in deutlicher Antithese zum römischen Mönchsstand bei I.uther herausgebildet, bei dem der Stand gleichzeitig als ein „weg zur Seligkeit" und also meritorisch aufgefaßt wurde68. Nach Luther ist „keiner solcher örden ein weg zur Seligkeit, Sondern bleibt der einige weg über diese alle, nemlich der glaube an Jhesum Christum" 68 . Die Orden oder Stände sind nur die von Gott vorgezeichneten Bahnen, in denen sich der Glaube im Gehorsam und in der Liebe zum Nächsten üben soll, „Denn Gott wil solche werck von uns haben zu seinem lob und ehre, Und alle die, so ynn dem glauben Christi selig sind, die thun solche werck und halten solche orden" 70 . Somit ist deutlich, daß die Lehre von den drei Orden oder Ständen bei Luther auf das besondere Werk ausgerichtet ist, das in ihnen gemäß Gottes Willen und Anordnung getan wird. Das kommt auch darin zum Ausdruck, daß Luther von dem diese drei Orden durchgreifenden und ihnen vorgeordneten „gemeinen orden der Christlichen liebe" spricht, in dem ein jeder an dem Nächsten Barmherzigkeit üben soll71. Die drei Orden bezeichnen drei bestimmte göttlich geordnete Funktionsbereiche, in die die Christen von Gott berufen werden. Dabei will Luther zu den einzelnen Ständen auch die beigeordneten Lebensbereiche gerechnet wissen, wie zum Ehestande auch den Witwenund Jungfraustand 72 und zum Priesterstande auch die, die die niederen Kirchendienste versehen wie Küster, Schulmeister und andere Hilfskräfte". Allerdings gehören diese Hilfskräfte zum geistlichen Stande nur als Ausgliederungen des einen ministerium ecclesiasticum, also nur vermöge ihres Zusammenhangs mit dem geistlichen Amt selbst. M Z u Luthers Lehre v o n den drei Ständen oder Hierarchien als S t i f t u n g e n G o t t e s v g l . F. Kattenbusch, D i e Doppelsdiichtigkeit in Luthers Kirchenbegriff, S. 314 ff. und E. W o l f , P o l i t i a Christi, in: P e r e g r i n a n o , Studien z. r e f o r m a t . T h e o l . u. z . K i r d i e n problem, München 1954, S. 232 f. Stellennachweis zu dieser Lehre siehe bes. bei F. Lezius, Gleichheit und Ungleichheit, A p h o r i s m e n z. T h e o l . u. Staatsanschauung L u thers, in: G r e i f s w a l d e r Studien, Gütersloh 1895, S. 292, A n m . 1. 6 5 26, 504, 30 f . ; v g l . 30 1 , 397, ι f. (allerley heilige orden und stende); 49, 6 1 1 , 20; j o , 652, 36 (von disen seligen Göttlichen Stenden und rechten); 26, 508, 25 f. (Ehe u. Priesteramt „heilige orden an y h m selbs").

j o , 652, 18; 6 j 3 , 3 (drey G o t t e s Jerarchien); 43, 524, 22 ff. (tres hierarchiae). 26, $05, 7 ff.; v g l . 31!, 2 1 7 , 10 ff.: D a r u m b heissen solche stende, so mit Gottes w o r t gestifftet sind, alles heilige, Göttliche stende, o b gleich die personen nicht heilig sind. 86

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V g l . bes. im G r . Bekenntnis v o m A b e n d m a h l C h r i s t i : 26, $04 ff. 70 26, 505, 2 i 7 1 26, fos, I i 72 26, J05, 23 fr. «· 26, j o j , 16 ff. ff. ff. 73 26, J04, 34 f.; 38, 25s, 27 fr.; 30!!, $28, I i ff. (die nachfolgende biblische E x e m plifikation, in der nur das P r e d i g t a m t angezogen w i r d , zeigt deutlich, d a ß m i t d e m geistlichen S t a n d e eigentlich das A m t selbst gemeint ist, z u dem die Hilfsdienste nur abgeleiteterweise z u rechnen sind). 68

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Luther betont, daß alle drei Stände gleicherweise heilige Stände sind, damit in Gegensatz tretend zu der römischen Beschränkung der heiligen und geistlichen Werke auf die religiosi und clerici. Aus dieser formalen Gleichordnung ist aber nicht zu entnehmen, daß Luther einer Nivellierung des Wesensunterschiedes das Wort geredet hätte, der zwischen dem geistlichen Stande einerseits und den beiden anderen Ständen andererseits nun dodi besteht. Dieser Wesensunterschied ist vorhanden in Ursprung, Inhalt und Zwecksetzung der Stände. In dieser dreifachen Hinsicht ist der geistliche Stand nach Luther anders als die beiden anderen Stände und durchaus auch ein höheres genus. Im Unterschied zu den weltlichen Ständen ist der geistliche Stand von Gott eingesetzt und gestiftet durch das Blut und Sterben des eingeborenen Sohnes Gottes, unseres Herrn Jesu Christi. Dadurch ist er über die weltlichen Stände hinausgehoben74. Damit ist auch seine andere, höhere Zwecksetzung gegeben: während die weltlichen Stände nur dem zeitlichen vergänglichen Leben dienen und irdische Güter vermitteln, dient der geistliche Stand — wie er „zu unser Seligkeit" gestiftet ist75 — dem ewigen Leben im Reiche Gottes und schenkt unvergängliche Gaben. „So viel nu das ewige leben ubertrifft das zeitliche leben, so weit und hoch gehet auch das predigampt über welltliche ampt das ist, gleich wie ein schatten gegen dem corper selbs"7". Während die anderen beiden Stände sich dem weltlichen 74

3 oII > ÍÍ4» 2 ff- U n d zum ersten ists wol w a r , das die welltliche oberkeit odder ampt, gar ynn keinem weg, zuuergleichen ist dem geistlichen predigampt, wie es S. Paulus nennet, Denn es ist nicht so theur und hoch erarnt, durch das blut und sterben des sons Gottes, wie das predig a m p t . . . ; vgl. 30", j27, 1 ff.: (Der geistl. Stand von G o t t eingesetzt u. gestiftet) nicht mit gold noch silber, sondern mit dem theuren blute und bittern tode seines einigen sons unsers herrn Jhesu Christi, Denn aus seinen w u n d e n fliessen, warlich . . . die Sacrament u n d hatts warlich theur erarnt, das man y n n der gantzen wellt soldi ampt hat, zu predigen teuffen, lösen binden, sacrament reichen, trösten, warnen vermanen, mit Gottes w o r t und was mehr zum ampt der seelsorgen gehöret; vgl. 30", 583, 5 ff. und 530, 1 ff.; $32, 3 ff. 75

Vgl. Br. 10, 255, 2 1 f.; 256, 53 f.

3°"> 554, 4 ff. 9 ff. — Diese höhere W e r t u n g des Predigtamtes im Vergleich zu den weltlichen Ämtern wird unerwähnt gelassen von G. Wingren (Die Predigt, Göttingen 19JJ, S. 135 u. 138), der die Besonderheit des P f a r r a m t e s f ü r das Luthertum nur darin zu sehen vermag, „ d a ß es eben einen Sonderfall innerhalb der großen Fülle von verschiedenen Berufen darstellt" (S. 135). Die Differenzierung der beiden Regimente Gottes und die daraus sich ergebenden Folgen f ü r die W e r t u n g des Predigtamtes bleiben bei Wingren in diesem Zusammenhang unbeachtet. — A u d i bei H . Storck (a. a. O., S. 2 1 ff.) und E. Wolf (Zur Verwaltung der Sakramente nach Luther und luth. Lehre, in: Peregrinatio, München 1954, S. 247 f.) fehlt dieser Gesiditspunkt. E. W o l f s besonderes Anliegen, die göttliche S t i f t u n g des geistlidien Amtes bei Luther rein formal aus seiner Dreiständelehre, nicht aber sadilidi von der Gnadenmittelverwaltung (die auf Rechtfertigung und ewiges Heil abzielt) her zu begreifen (S. 247 f.), k a n n nicht als im Einklang mit Luthers Absichten beurteilt werden. W e n n Luther vom geistlichen Stande redet, so ist dabei ganz spezifisch die Beziehung zu W o r t und Sakrament vorhanden. Vgl. z. B. : „den stand meine ich der das predig ampt und 76

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Regiment Gottes eingliedern, dient der geistliche Stand ausschließlich dem geistlichen Regiment Gottes. Das ist ein fundamentaler Unterschied! So ist audi der Inhalt des geistlichen Standes, d. h. seine Gewalt eine andere als in den beiden weltlichen Ständen. Da muß äußere Gewalt angewandt werden, im geistlichen Stande hingegen gilt nur die geistliche Gewalt des Wortes 77 . So muß also die Verzahnung der Lehre von den drei Ständen bei Luther mit der von den beiden Regimenten Gottes berücksichtigt werden, aus der eine deutliche Sonderbewertung des geistlichen Standes im Vergleich zu den anderen Ständen resultiert78. dienst des worts und der sacrament hat, Weichs gibt den geist und alle Seligkeit . . . " (30Π, 528, 8 ff.). 77 V g l . audi 47, 246, 37 ff.; 49, 137, 10 ff.; 138, 1 ff.; Ε. A . 3, 450 und zum Unterschied der einzelnen Stände allgemein: J. Köstlin, Luthers Theologie II, 1901, S. 304 ff. und derselbe, Luthers Lehre v o n der Kirche, 1863, S. 166 ff. Zur Lehre v o m geistlichen und weltlichen Regiment Gottes bei Luther vgl. E. Kinder, Geistliches und weltliches Regiment Gottes nach Luther, Weimar 1940, und G . T ö r n v a l l , Geistliches und weltliches Regiment bei Luther, München 1947. 78 V . V a j t a (Theol. d. Gottes., S. 200 ff.) stellt fest: „ D a s Predigtamt hat also seinen O r t unter den verschiedenen Ämtern, mit denen G o t t weltlich und geistlidi sein Regiment führt. Die verschiedenen Ämter sind einander gleichgestellt, aber v o n einander unterschieden. D e r Unterschied beruht darauf, dass G o t t durch' die O b r i g keit für das zeitliche W o h l der Menschen sorgt . . . , während er durch das Predigtamt ewige Gaben schenkt" (S. 200 f.; vgl. S. 203). Das trifft zu, wenngleich zu bemerken ist, daß die Gleichgestelltheit nur in bezug auf die göttliche Anordnung, die zugrunde liegt, und in bezug auf die Seinsqualitas des Trägers des Amtes vor G o t t gilt. Wenn V a j t a dann weiter im Anschluß an T ö r n v a l l (Geistl. u. weit. Regim. b. Luther, S. 85) den Unterschied zwischen den weltlichen Amtern und dem geistlichen A m t auch darin erblickt, daß die weltlichen Ä m t e r „ v o n Gott überlassene Macht" verwalten, das geistliche A m t jedoch nur eine „ G o t t vorbehaltene Macht" (S. 203 f.), so können w i r dem nidit so ohne weiteres folgen. V a j t a erläutert diesen Unterschied so, daß er sagt, der Fürst sei „eine wirkliche Obrigkeit, die als Herrscher über die Menschen gesetzt ist", auf dem Gebiet des geistlichen Regiments aber gebe es „keine andere Obrigkeit als Gott selbst durch seinen Sohn, Jesus Christus, der der einzige H e r r der Kirche ist. Christus selbst hat die Macht, und nicht die Inhaber des kirchlichen Amtes" (S. 203). Das sind bedenkliche Formulierungen. Der Begriff „ G o t t vorbehaltene Macht" r u f t die Vorstellung hervor, als sei in ganz unlutherischer Weise Gottes tatsächliches H a n deln nicht unbedingt in dem Handeln des Amtsträgers, als könne also ζ. B. eine T a u f e vollzogen werden, ohne d a ß Gott garantiert durch sie gehandelt habe. D a s führt hinüber zu reformierten Vorstellungen bezüglich der Trennung von W o r t und Geist und ist nichts weniger als lutherisch. Für Luther ist das Handeln des Amtsträgers in seinem A m t — sofern er sich an Gottes W o r t und A u f t r a g hält, also die Gnadenmittel stiftungsgemäß verwaltet — immer objektiv das Handeln Christi selbst, daher ζ . B. auch die Absolution exhibitiv verstanden. Der Begriff „ G o t t vorbehaltene Macht" bedeutet eine Distanzierung der Macht Gottes und des Handelns des Amtsträgers, welches letztere dann gewissermaßen nur unter Vorbehalt Gottes Handeln ist. Das wäre aber nicht Luthers Ansicht. V a j t a hat mit dem Begriff „ G o t t vorbehaltene Macht" gewiß nicht dies lehren wollen, sondern nur, daß der Amtsträger nicht eigenmächtig über die ihm anvertraute; G e w a l t verfügen dürfe. Tatsächlich aber weist der Begriff in diese Richtung und ist zur Kennzeichnung der Besonderheit des geistlichen Amtes im Unterschied zum weltlichen A m t e der Obrigkeit ganz ungeeignet. Die

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In dem geistlichen Stande sind die Amtspersonen zusammengefaßt, die die Funktion des besonderen A m t e s üben. Sie bilden auf G r u n d ihres gleicherweise ausgeübten besonderen Dienstes einen S t a n d in der Kirche 79 . W e r in diesem Stande steht, befindet sich in einer besonderen, v o n G o t t eingesetzten und gestifteten O r d n u n g u n d Gliederung der Kirche, die unmittelbar mit der S t i f t u n g des A m t e s selbst gegeben ist, da es sich ja um das konkrete, mit Personen bestellte A m t handelt. A l l e A m t s t r ä g e r sind auch nach Luther in einem ordo, w e n n dieser v o n Luther auch nicht seinshaft mit character indelebilis und habitus spiritualis gedacht ist80. Immerhin setzt das A m t als heiliger O r d e n einen Unterschied zwischen den Christen 8 1 . Sehr einfach und lapidar k o m m t dieser Unterschied in der F o r m e l z u m Ausdruck: „ a l l e Christen sind priester, A b e r nicht alle P f a r r e r " 8 2 . D i e Unterscheidung gründet w i e das A m t selbst in dem ius divinum der S t i f t u n g Christi. — Stellen, die Vajta aus Luther hierfür anführt, bezeugen gerade das Insein Christi in dem Handeln des Amtsträgers und stellen somit den Begriff „Gott vorbehaltene Macht" gerade in Frage (s. S. 204). ™ Vgl. C. Mahrenholz, Begleitwort zu Agende f. ev.-luth. Kirchen u. Gemeinden Bd. IV, Berlin 1952, S. 13 f. — Im vorigen Jahrhundert hat schon F. J . Stahl richtig gesehen, daß Luther in diesem Sinne durchaus einen göttlich eingesetzten geistlichen Stand lehrt (Die Kirchenverfassung usw., S. 110). W. O. Münters Kritik an Stahls These, daß mit dem Amt auch ein besonderer Stand gestiftet sei (Die Gestalt der Kirche nach ,göttlichem Recht', 1941, S. 51 ff.) ist insofern verfehlt, als M. übersieht, daß Stahl die Träger des geistlichen Standes keinesfalls durch eine besondere Qualifikation von den anderen Christen abgehoben sein läßt, sondern durch ihr besonderes Amtstun. Auch Stahl faßt die Amtsträger nicht abseits ihrer Amtsfunktion. 80 Vgl. 26, 504, 31 ff.: Alle die, so ym pfar ampt odder dienst des worts funden werden, sind ynn einem heiligen, rechten, guten, Gott angenemen orden und stand, als die da predigen, sacrament reichen . . . 81 In der Schrift ,Von den Schleidlern und Winkelpredigern' 1532 hebt Luther bei der Auslegung von 1. Kor. 14, 29 ff. hervor, daß St. Paulus hier „einen gewissen unterschied macht der Propheten und des volcks. Die Propheten reden, die Gemeine höret zu" (3o 11 !, 525, 11 f.). St. Paulus rede da von den Predigern „und nicht der Gemeine zu predigen befilht, sondern mit den Predigern, so jnn der Gemeinde odder versamlung predigen, handelt . . . " (523, 6 f.). „Dis ist ja klar gnug, das er hie der Gemeine das hören und besserung befilht und nicht die lere noch predigampt. Darnach macht er noch ein klerer unterschied und heisst die Gemeine Leyen . . . Da ist aber mal ein unterschied des Predigers und Leyen gestellet . . . " (52$, 18 ff.); vgl. J 2 J , 30 ff. — Luther vertritt hier übrigens das Gegenteil von dem, was er 1521 und 1523 in den Schriften ,Vom Mißbrauch der Messen' (8, 495, 24 ff.) und ,De instituendis ministris' (12, 181, 1 1 ff.) in der Auslegung derselben Stelle geschrieben hatte. Vgl. dazu auch A. W. Dieckhoff (a.a.O., S. 152 ff.) und W. Eiert (Morphologie I, S. 303). — Ferner vgl. folgende Stellen: 41, 203, 34 ff.: Hie mus man aber unterscheid nemen zwischen dem Ampt oder Dienst der Bissdiove, Pfarhern und Predigern und zwischen dem gemeinen Christen stand . . . ; 4 1 , 209, 10 f.: Es mus es einer vor hin sein, wenn er aber nu priester ist, kompt das ampt und macht einen unterscheid . . . (vgl. 26 ff.). 82 31I, 2 1 1 , 17 f.; vgl. 33, 551, 41 f.: ich bin dazu nicht geborn, sondern gemacht unnd ordiniret Zum prediger; 38, 230, 17 fr. — Vgl. P. Brunner, Vom Amt des Bischofs, S. 25. 119

A n z u f ü g e n wäre noch ein W o r t über die Stufung des Amtes. Das göttlich gestiftete A m t ist nach Luther eines, einzelne Amtsstufen sind nicht mitgestiftet. Die Schrift weiß nach Luther von solchen nichts. D a ß „einer ubir viel pfarr regiere", ist „ v o n n Christlicher gemeyn Ordnung gesetzt", also menschlichen Rechts83. Die Stifter der Bischöfe hat Gott nicht eingesetzt84. Bischof und Presbyter (Pfarrer) sind nach göttlichem Redit gleichgestellt 85 . Ebenso gilt das von den Stufen über den Bischöfen bis hin zum Papst 8 ". Ist die Stufung des Amtes de iure humano, so bedeutet das aber keineswegs, daß Luther sie gering achtet. Im Gegenteil: Den Böhmen, die ihr A m t neu zu bestellen haben, empfiehlt er gleich, daß die neuerwählten Bischöfe einen oder mehrere unter sich auswählen, die die anderen visitieren und die maiores sein sollen 87 . Die Stufung des Amtes ist ihm z w a r menschliche, aber doch gute Ordnung 88 . Luther wünschte, das böhmische Kirchenwesen möglichst wieder als ein (evangelisches) Erzbistum im Sinne der Tradition eingerichtet zu sehen, wenn es sich dabei auch nicht um eine göttlich vorgeschriebene O r d n u n g handelt 8 '. A l s Kern des Bischofsamtes sieht Luther das Aufseher- oder Visitatorenamt 90 . Aus der Schrift weiß er, „ w i e ein göttlich, heilsam werde es sey, die pfarher und Christlichen gemeinen durch verstendige geschickte leute zu besuchen"' 1 , und aus seiner Erfahrung heraus muß er bekennen, daß er das „recht Bischöflich und besucheampt als auffs höhest von nötten gerne widder angericht gesehen" hätte' 2 . U n d er hat ja auch dafür gesorgt, daß es tat83 6, 440, 29; vgl. 6, 300, 25 ff.: das ausz menschlicher ordenung einer über den andern ist in der euszerlichen kirdien. — V g l . H . H . Kramm, a. a. O., S. 54 f. (weitere Stellen dort). 84 6, 441, 22 f. 85 V g l . Luthers Zustimmung zu Hieronymus' diesbezüglicher Lehre (zitiert: 2, 227, 32 ff. u. 2, 229, 29 ff.): Stat sententia, non dispensationis divinae veritate sed ecclesiae consuetudine Episcopos esse maiores presbyteris (2, 230, 9 f.); . . . patet . . r e ipsa aequales Episcopos inter se et presbyteros solo usu et ecclesiae causa alium alii praeferendum (2, 230, 21 f.); vgl. auch 2$, 16, 25 ff. 89 z . B . jo, 213, i f f . 87 12, 194, 14 ff. 88 V g l . P. Brunner, V o m A m t des Bischofs, S. 27 ff. Sehr beachtlich sind die Ausführungen Brunners zu Luthers Auffassung von dem Charakter des Pfarramtes als Regieramt und der sich daraus ergebenden Einschätzung eines übergeordneten bischöflichen Aufsichtsamtes S. 30 ff. Vgl. dazu auch A . W . Dieckhoff, Luthers Lehre v o n der kirchl. Gewalt, 1865, S. 108 ff. u. 12? ff. Zum Bischofsamt im luth. Sinne allgemein vgl. O . Söhngen, Kirchenregiment, Bischofsamt u. Predigtamt (Kirche in dieser Zeit H e f t 8), Berlin 1948, S. 10 ff. e e 12, 194, 18 f. 26, 196, j ff.: Denn eigentlich heisst ein Bischoff ein auff seher odder visitator und ein Ertzbischoff, der über die selbigen auff seher und visitatores ist, darumb das ein iglicher Pfarher seine pfarkinder besuchen, warten und auff sehen sol, wie man da leret und lebet, U n d der Ertzbischoff solche bisschove besuchen, warten und auff sehen sol, wie die selbigen leren . . . M 26, 195, 4 92 26, 197, 12 ff. ff.

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sächlich (wenn auch erst nur durch den Landesherrn) eingerichtet wurde 93 . Immerhin bleibt es Luther feststehen, daß das konkrete A m t von Gott als wesensmäßig eines eingesetzt ist und daß die Stufen in ihm grundsätzlich iuris humani sind.

3. Der Amtsträger als Diener und Legat Gottes Beruht das A m t auf göttlicher Stiftung und Anordnung und ist der Inhalt des Amtes, W o r t und Sakrament, ebenfalls von Gott gegeben, so steht der Amtsträger der Gemeinde wahrlich nicht nur als Privatperson und nicht nur als ihr Delegat gegenüber. E r verkörpert dann vielmehr in seinem A m t die Autorität Gottes. E r steht nicht ex humana potentia da, sondern ex eius befelh, der ihn gesandt hat' 4 , „durch Göttlichen Befelh darein (nämlich ins A m t ) gesetzt" 95 . E r ist Bote des Herrn" 8 und Legat Gottes 97 . Prediger sind „ w i e eines fürsten amptleutt", sagt Luther 98 , sie vertreten den Herrn, reden nicht ihr, sondern sein Wort, verkündigen das Evangelium „an Christus stat" 99 . Darum gebührt ihnen Gehorsam und Ehrerbietung um ihres Amtes willen 100 . In seinem A m t muß man den Pfarrer hören nicht ut hominem, sed ut deum 101 . W e r den Pfarrer ,s

Κ. Holl hat dargelegt, wie Luther das landesherrliche Kirchenregiment nur als Notlösung angesehen und ein Besuchsamt wirklicher Bischöfe angestrebt hat (Luther, S. 375 ff.). 94 49. 139. 4 f· • 5 28, 472, 27 f. ·• 12, 318, 2$; vgl. 41, 123, 29 ff. "

M

4 ° ' , i ö , 24

ff·

»8 ιοΠΙ, 397, ι f .

28, 479, 38 f.; vgl. 478, 35 ff.; 477, 3; 37, 381, 13 ff. (an Christus stad); 49, 138, 37; 141, 42 ff. Allerdings liegt bei Luther die Vorstellung fern, als wäre Christus wirklich abwesend und ließe sich so in Abwesenheit vertreten. Die Diener im Amt vertreten mit ihrer Person den Herrn nur, was seine Sichtbarkeit betrifft, unsichtbar ist gerade er selbst in ihnen gegenwärtig. Vgl. auch den nächsten Abschnitt. — Völlig falsch stellt K. Frank, Histor., dogmat. u. krit. Beiträge z. Lehre v. d. prot. Ordination, Jur. Diss., Greifswald 1913, Luthers Anschauung dar, wenn er Luther „in dem Pfarrer lediglich einen von der Gemeinde oder doch unter ihrer Mitwirkung bestellten Beamten" sehen läßt, „der die von jedem andern vornehmbaren kirchlichen Handlungen berufsmäßig zu vollziehen hat" (S. 12). 100 6, 408, 20: weil er am ampt ist, geht er vohr . . . ; 28, 469, 7 ff.: Das Ampt sol man fürchten und ehren und der Person gehorsam sein in allem, was sie nadi dem Ampt thut, Denn hie heissts ,Wer verachtet, der verachtet nidit Menschen, Sondern Gott . . . ' ; vgl. audi 30I, 155, 3 ff. im Gr. Katediismus beim 4. Gebot: den geistlichen Vätern, „die uns durch Gottes wort regieren und furstehen" ist zwiefache Ehre entgegenzubringen. 101 49, 140, 38. — Das läßt H. Storck außer acht, wenn er a. a. O., S. 40 schreibt: „Die Respektierung des berufenen Pfarrers von Seiten der gleichberechtigten Brüder ist ein Akt der Liebe" oder diese auch eine Forderung der Vernunft nennt (ebda.). Die viel stärkere und gewichtigere Begründung der Autorität des Pfarrers liegt nadi Luther darin, daß er in seinem Amt an Christi Statt der Gemeinde gegenübersteht. 121

verachtet, handelt „widder Gott" 108 und hat Strafe zu Tgewarten103, er ist den Lästerern und Feinden der Kirche Christi zuzuredinen104. Luther liegt sehr daran, daß in dem Pfarrer die Autorität Gottes erkannt und geehrt wird, wiewohl er hierbei die Person als solche von dem Amt zu unterscheiden weiß105. Die Autorität des Amtsträgers liegt in dem Amt selbst, das ihm auferlegt ist, in dem Wort, das er verkündigt, in den Sakramenten, die er handelt. Seine Autorität ist, die, daß er Christus repräsentiert, unabhängig davon, wie seine Person sonst beschaffen ist. Die Gemeinde soll darum nicht auf seine Person, seine menschlichen Eigenschaften gaffen, sondern „ . . . sol auff diesen Befelh acht haben, Das ein jeder, Der zum Predigampt beruften ist, Macht und Gewalt habe zu predigen, Teuffen, Absolvirn, Und erkennen, daß solch Ampt nicht sey der Menschen, Sondern des HErrn Christi" 10 ". Auf Grund seines Amtsauftrages und seiner Amtsvollmacht tritt in dem Träger des Amtes die Autorität Christi in Erscheinung, wenn er die "Werke seines Amts tut107. 1OT

Jll, 210, 2$ f.

103

T R 6, 194, 20 ff·

1 0 4 30ΙΠ, 5 1 9 , 6 f. 105 Vgl. 30III, J70, 37 £f.: Idi wolt, das man die jugent und pobel nidit allein gewehnet zu sagen .Wirdiger herr', sondern auch .Heiliger Herr, heiliger vater' und müsten die Bejidit heilig, die Absolution heilig, die predigt heilig und alles, was zum wort gehöret, heilig heißen . . . ; J 7 1 , 1 ff.: Idi hoffe, Es solte jn kein bein brechen, noch große Ketzerey stiften, Sintemal solch ehre nidit der person, sondern dem ampt und dem wort Gottes gesdiidit, Wenn im Bapstum kein jrthum were, denn das der Babst der Allerheiligst hiesse, so wolt ich jn drey mal den allerheiligsten heissen . . . Luther beschreibt die Würde eines Pfarrers mit den höchsten Worten: Er nennt ihn „einen Engel Gottes, einen rechten Bisschoff fur Gott, einen heiland vieler leute, einen konig und fursten jnn Christus reich und ynn Gottes voids einen lerer, ein liedit der wellt, Und wer wil odder kan alle ehre und tugent erzelen eines rechten trewen pfarhers, so er fur Gott hat? Es ist ia kein theurer schätz, nodi edler ding auff erden

und ynn diesem leben, denn ein rechter, trewer pfarher odder prediger" ( 3 0 1 1 , 4 ff.). 106

533,

2 8 , 4 7 0 , 3 8 ff.

R. Sohm macht einseitig geltend, daß die Verwaltung und Ausübung des Lehramts nach Luther immer nur „ k r a f t freier Gestattung seitens der Versammlung möglich" sei (Kirdienredit I, 1 8 9 2 , S. 4 7 4 ) , obwohl das A m t selbst von Gott komme (S. 4 7 4 , Anm. 3 1 ) . Das ist bei Luther aber eben nur die eine Komponente, die aus seiner delegativen Auffassung des Amtes als Produkt des allg. Priestertums. Die andere, die das Amt und seine Autorität eigenständig in der Stiftung Gottes begründet sein läßt, ist bei Luther für die Autoritätsbegründung des Amtsträgers im Gegenüber zur Gemeinde aber viel stärker in Anschlag zu bringen. Der Amtsträger ist nach Luther nidit nur Delegat der Gemeinde, sondern vor allem — gerade eben in der Ausübung des Amtes — der Mandatar Gottes des Herrn. Die Gestattung, die nach Luther in der Berufung eines minister verbi wirksam wird, ist keine freie Gestattung, sondern eben eine solche, die sich damit gerade bindet, in dem so Berufenen nunmehr die Autorität Gottes zu respektieren. 107

122

4· Der Amtsträger als Instrument Gottes Der Amtsträger steht in seinem A m t e an Christi Statt. D e r Christus aber, den er repräsentiert mit W o r t und Sakrament, ist der, durch den G o t t rechtfertigend und erlösend an den Menschen handelt 108 . So ist der Amtsträger in seinem Amtstun Instrument des Heilshandelns Gottes. „ E i n Prediger ist Gottes Diener und Rüstzeug, Welches Gott brauchet z u seinem Werck. W e n n ich Predige, Teuffe, Absolvire, Sacrament reiche, So brauchet Gott meines Mundes und meiner H a n d eusserlich zu seinem werck, das er inwendig aus richten w i l . . ," 1 0 °. A m besten kommt die reine Instrumentalität des Dieners im A m t in der Formulierung zum Ausdruck: „ J a , er (nämlich Gott) Prediget selbs durch mich" 1 1 0 . W e i l der Inhalt der Amtsfunktion nicht von Menschen erdacht ist, ist auch die Funktion selbst nicht Menschenfunktion 1 1 1 . „ . . . es ist nicht sein, w a s er (sc. der minister) redet oder thut, sondern Christus, dein H e r r und der Heilige Geist redet und thuts alles . . . " U 2 . Der Diener im A m t leiht dem 108 Daß sich im Amte eine „Vergegenwärtigung des heilschaffenden Christus" vollzieht, hat Η. E. Creutzig (Amt u. Ämter i. d. luth. Kirche, in: Luthertum 1938, S. 114 ff.) mit Redit betont. 108 45, 310, 26 ff. (Dr); vgl. 41, 543, 28 f.; 41, 455, 1 ff.: . . . tantum sumus instrumentum und mittel, per quod Christus loquitur et utitur zu ewren erhen . . . Nos der leffel, er trendkt durch uns, speise und tranck domini . . . (wir sind) organa dei, per quae operatur; 456, 32: Ego werckzeug; 45, 312, j f.: dei instrumentum; 47, 4 j ι , 2 1 : Christus ist der Heuptprediger, solche (sc. doctores u. prediger) sind seine Instrument und Zungen; 1 1 , 99, 2 f.: instrumentum et os dei; 12, 524, 8 ff.; T R 3, 671, 8 ff. (Nr. 3868): . . . nos . . . tantum sumus instrumentum et cooperarli Dei, per quos Deus agit et operatur; T R 4, 531, 16 ff. (Nr. 4812): Deus, creator coeli et terrae, tecum loquitur per praedicatores suos; baptizat, catediizat, absolvit te per sacramentorum suorum ministeria; T R $, 2, 23 ff.: . . . Predigtamt . . . das ist der Werkzeug und die Rohre, dadurch Gott der heilig Geist das Herz rühret . . . 110

45, 310, 37 fr .(Dr)· Vgl. 38, 239, 2 ff.: . . . ein Pfarrher odder Prediger macht nicht das Euangelion, und durch sein predigen odder ampt wird sein wort nicht zum Euangelion . . . Sondern er reicht allein und gibt durch sein predigen das Euangelion, Denn das Euangelion ist zuvor da und mus zuvor da sein, das hat unser HERr Christus gemacht, her gebradit und hinder sich gelassen . . . ; 27 ff.: Unser thun aber reicht allein und gibt solche Tauffe, geordent und gemacht durch Christus befelh und einsetzung. Darumb ist und bleibt er allein der einige, rechte, ewiger Teuffer, der seine Tauffe durch unser thun odder dienst teglidi aus teilet, bis an den Jüngsten tag . . . lw 50, 634, 28 ff. (zu der angefügten Bedingung „so fern er bleibt in der rechten weise zu leren und zu thun" vgl. unten S. 126 ff.); vgl. 10IH, 395, 1 1 ff.: Wen nun der prister ein kindt taufft, so spricht er: ,Ich tauff dich im namen des vaters . . . ' . Das ist eittel Euangelium und ist gleich so vil als taufft dich Cristus selbs . . . (und von der Absolution:) . . . idi thu das nicht, sündern Gott thutt es . . . (und vom Altarsakrament:) . . . So ich nun das Sacramentt nim, So spricht der pfaff die wortt Cristi an gottes statt ,Das ist mein leidinam'; 28, 479, 32 f.: Ob es schon Menschen sind die da predigen, Teuffen, Sünde vergeben, So prediget, Teuffet doch der heilige Geist, Des Werde und Ampt es ist; 34I, 39$, i j f.: Im predigampt loquitur deus nobiscum; 41, 188, 11 f.; Br. 3, 210, 49 ff. 111

" 3

Herrn nur Stimme und Zunge dazu 1 1 3 . Bei der Feier des heiligen Sakraments hören wir die Konsekrationsworte ,Das ist mein Leib . . n i c h t „als jnn der person des Pfarrhers odder dieners gesprochen, Sondern als aus Christus eigenem munde" 1 1 1 . Unser W e r k und Sprechen könnte w a h r lich das Brot nicht zum Leib Christi und den Wein nicht zum Blute Christi machen 115 , aber in der Person des Dieners am Altar redet und handelt eben Christus, der die Person des Pfarrers so in Dienst nimmt, daß sie qua persona humana nicht mehr von Belang ist, nur noch das A m t , das sie trägt 116 . So werden die W o r t e des Dieners im A m t — sind sie im Gehorsam gegenüber der Einsetzung Christi gesprochen — W o r t e Christi selbst. „ W i r hören Christum selbs durchs P f a r hers mund mit uns reden und befelhen" 1 1 7 . Quando ego praedico, ipse (sc. Christus) praedicat in me 118 . Quando audis verbum, audis deum 119 . Indem Christus einem Menschen das Schlüsselamt gibt und befiehlt, gewährleistet er auch, daß er durch diesen Menschen wirkt: „Peters mund ist mein (sc. Christi) mund, sein ampt ist mein ampt, seine Schlüssel sind meine schlüssel"120. Darum kann der, der die Absolution empfangen hat, sagen: „ N o n p f a r -

113 45, 310, 38 f.: Das wort ist sein, Ob idi sdion meine Zungen und Stimm dazu leihe . . . ; vgl. 22, 186, 23 ff.: . . . Gabe, Ampt nodi Werde . . . welche sind Gottes alleine, und dodi durch Menschen mund und hende ausgerichtet werden; 45, 310, 6 ff. (Rörer): Ideo dico me esse zeug. Sic quando praedico, dico verum verbum, Gott nimpt mein zung und stim und predigt. Ego meo verbo non kom in animam, meum verbum non rénovât animam. Sed deus, qui . . . instituit et vult per hominem als zeug dare vitam, spiritum sanctum. 114

38, 240, 14 ff. 38, 240, II f. 11β 3θΙΙ, j 3 4 , 8 ff.: Nicht das ers thue als ein mensdi, sondern sein ampt, von Gott dazu geordent, das thuts, und das wort Gottes, das er leret. Denn er ist ja das wergzeug da selbest zu. 115

117 38, 240, 20 f.; vgl. 43, 70, j ff.: Est igitur haec ingens gloria, qua nos ornat Majestas divina, quod sic per nos operatur, ut nostrum verbum suum esse dicat, et nostras actiones suas, ita ut vere possis dicere. Os pii Doctoris esse os Dei . . . ; 47, 2 1 3 , 2 0 f f . : Idi hore wol . . . die stimme des pfarherrs, aber die wortt, so ehr redet, sind nicht seiner person . . . sondern die hohe maiestet Gottes redet durch ihnen; 47, 298, 36: wen man den Prediger höret, so höret man Gott selbst. — K . D. Schmidt (Luthers Lehre vom Hlg. Geist, in: Schrift und Bekenntnis, Festsdir. f. Simon Schöffel, Hamburg-Berlin 1950, S. 155) hat darauf hingewiesen, daß Luther in sdiarfem Gegensatz zu etwa Bullinger (der sagte: ,Der Mensdi predigt . . . der hl. Geist wirkt', also sidi den Vorgang in einem Parallelismus dachte) lehrt, daß Gott predigt, droht, tröstet, tauft, wenn der Prediger es tut. „Das verkündigte Wort ist im vollen Sinne des Wortes das Werkzeug, dessen sich Gott zur Aufrichtung seiner Herrschaft in den Seelen bedient. Diese Verklammerung von Geist und Wort beruht auf Gottes Ordnung" (S. 155). — Vgl. V . Vajta, a. a. O., S. 207. 118

20, 350, 6 (Rörer); 42, 194, 19 f. 37, 136, 16.

120

30H, 4 J 5 , 18 ff.; vgl. 497, 25 ff. und besonders 498, 5 ff.; audi 10IH, 395, 1 4 ® . ;

37. 3 8i > M· 124

herr me a b s o l v i t . . . S e d D e u s per ipsum l o c u t u s " 1 2 1 . L e g t der D i e n e r im A m t mir die H ä n d e a u f , so tut es C h r i s t u s s e l b s t 1 " . M u n d u n d H a n d des D i e n e r s sind M u n d u n d H a n d Gottes 1 2 3 . W ä r e es anders, so könnte nach L u t h e r s A u f f a s s u n g das A m t g a r nicht ausgerichtet w e r d e n 1 2 4 . In diesem Z u s a m m e n h a n g ist an die allgemeine V o r s t e l l u n g bei L u t h e r a n z u k n ü p f e n , d a ß Gott

nicht nude

ven,

W o r t u n d S a k r a m e n t sind schon solche L a r v e n

in Verkleidungen.

an uns bandelt,

sondern

durch

Lar-

Gottes. A b e r auch die D i e n e r im A m t . „ M e a manus, os sein instrument u m , l a r v e n , et tarnen ipse f a c i t " 1 2 5 . O h n e das es äußerlich e r k e n n b a r ist, v e r b o r g e n h a n d e l t G o t t durch den, der im A m t fungiert 1 2 6 . S o nennt L u t h e r das P r e d i g e r a m t nach Ps. 6 8 , 2 4 audi den „ F u ß C h r i s t i " 1 2 7 . I n der Instrumentalität der D i e n e r i m A m t tut sich eine bestimmte göttliche H e i l s o r d n u n g k u n d , die nicht u m g a n g e n w e r d e n soll u n d k a n n . G o t t w i l l durch äußere M i t t e l m i t uns handeln, durch sein W o r t u n d S a k r a m e n t , d a er diese nun aber einem A m t e a n v e r t r a u t hat, das durch bestimmte Personen ausgeübt w i r d , so sind w i r durch

Gottes

Ordnung

a n die ministri gewiesen, die hier „ m i t helfier u n d m i t e r b e y t e r " Gottes sind 1 2 8 . N a t ü r l i c h könnte G o t t auch ohne die A m t s t r ä g e r das H e i l s g u t 121

49, 139, 16 f.: vgl. 2, 249, 18 f.: . . . er wills lasen los sein ym hymel, wan der priester los gibt; 1 1 , 97, 2 f.: Si dico .peccata remittuntur', est dei verbum non meum; 4 j , 460, 6 ff.: . . . ipse Deus sese demittit et ordinat auctoritate divina, quod absolutio hominis debeat esse absolutio ipsius Dei. Ita ut qui audit hominem absolventem, certus esse debeat sese ab ipso Deo in coelis esse absolutum; 49, 142, 26 ff.: Scio quidem hominem esse parodium, sed verba, quae mihi loquitur, non sunt hominis, sed Dei, Christi, qui ei commisit et dixit: ,Vade, confirma fratres'; 49, 148, 20 fi.; T R 3, 671, 6 ff. (Nr. 3868): dicimus, quod hominis praedicatoris verbum, absolutio, sacramentum non est opus hominis, sed vox Dei, mundatio et operatio Dei . . . 122

49, 140, 10 f.: Si manus in te ponit minister, edam ipse Christus. 43, 600, 26 f.; vgl. 8, 683, 13 ff.; 37, 381, 13 ff.: Das ist ein gros ding, das eines iglidien pfarrers munde Christi munde ist . . . 124 4 1 , 456, 34 ff.: Si non scio deum per me praedicare, absolvere etc. so wils ich ungelassen haben, non coniungere sponsum et sponsam, si non scio deum facere; 49, 148, 24 f. 125 4 1 . 4í6, 12 f. 126 4 1 , 456, 9 ff.: Sic discernite, quod Christus suae Ecclesiae oberster Bischof und Bapst, qui facit omnia officia ordine, quod ab ipso audimus Euangelium, absolvimur, consolationem accipimus etc. an das die larven über äugen zogen, quod non videmus. 123

127

8, 24, 13. 17II, 179, 2 i ff.; vgl. 4 1 , 458, 25 f.: Nos dei dispensatores, eius servi und austeilen sein schetz; 44, 648, 30 f.: Paulus appellat Apostolos cooperatores Dei. Solus quidem operatur ipse, sed per nos; T R 3, 671, 6 ff. 9 (cooperarli Dei). — Vgl. V . Vajta, a. a. O., S. 206 f., der ausführt, daß cooperatio bei Luther nicht den menschlichen Kräften eine Heilsbedeutung beimißt: „ . . . cooperatio ereignet sich . . . nicht so, als ob die Gnadengabe aus einem Zusammenwirken göttlicher und menschlicher K r ä f t e bestünde, sondern hier wirkt ganz und gar Gott; der Mensch hat nur die Stellung des Dienenden Cooperatio' ist also nur ein Ausdruck dafür, dass wir Gott, solange diese Weltzeit dauert, nicht von Angesicht zu Angesicht begegnen, sondern nur durch seine larvae, in denen er sein Werk verborgen hält" (S. 207). 128

X25

vermitteln, aber „ E r wil das predigampt nicht auffheben und jederman etwas sonderliche machen", darum weist er alle zum Predigtstuhl, zum Pfarrer: „Har, ich wil dirs bestellen, wil dir einen Engel schicken, gehe hin höre von deinem pfarherr das Euangelium, da findest du es" 1 ". Von den Schlüsseln heißt es: „Ich habe kein andere, weis audi von keinen andern . . ." 1S0 . Amt und Amtsträger sind so Instrument Christi, daß jeder, der des Heils teilhaftig werden will, an diese Instanzen gewiesen ist" 1 . Auf die Frage, wozu das Predigtamt eingesetzt ist und was es ausrichten soll, antwortet Luther: „ . . . eben das, darumb Christus in die Welt komen, dazu Er vom Vater gesand ist und das Er ausgerichtet hat. Das ist das allerherrlichste Stück, das Er (sc. Christus) den Aposteln und jren Nachkomen nicht allein gibt Gewalt und Macht zu predigen und sie beruffet und sendet das Ampt der Schlüssel zu üben in seinem Reich . . . , Sondern sendet sie auch in aller Masse, wie Er vom Vater gesand ist, Und leget die Kr äfft und das Werck seiner Aufferstehung in der Apostel und aller Prediger (die das Ampt und Wort haben) Mund und unterw i r f t jnen Sünde und Gerechtigkeit, Himel und Helle, Das sie mit Gewalt drein greiffen, von Sünden entweder loß sprechen oder mit Sünden beschweren, den Himel entweder auffschliessen oder zuschliessen"1". Insofern steht audi in dem öffentlichen Predigtamt der Kirche Christi „gantzes Reich und Regiment" 133 . 5. Die Bindung der Autorität und Instrumentalität des Amtsträgers an das Wort und die Lehre Sowohl Autorität als Instrumentalität des Dieners im Amt sind nun aber an eine Voraussetzung gebunden. Die Voraussetzung ist die gehorsame Einfügung des Amtsträgers in das ihm aufgetragene Amt 134 . Weicht der Amtsträger in seiner Amtsfunktion von Auftrag und Ordnung Chri» · 37, 269, 18 ff. m

3 0 " , 455, 20 u. 498, 7 f. Allerdings gilt dies nidit ausschließlich von dem Sdilüsselamt, das der Pfarrer öffentlich ausübt, sondern von dem Schlüsselamt überhaupt, das nach Luther in der privaten, häuslidien Sphäre von jedem gläubigen Christen ausgeübt werden kann. Audi in letzterem Falle ist der die Absolution Sprechende Gottes Werkzeug. Vgl. 49, 140, 40 f. und 146, 9 f.; 10HI, 395, 25 ff. ist v g l . 49, 139, 29 f.: Sine fide hilfït dichs nichts, quia heist midi pro homine, so geschieht dir redit. Ideo kan dir nidit geholffen werden. m 28, 476, 7 ff.; vgl. 478, 2 j ff.; 479, 24 ff.: Durdi ewern Mund sollet jr die Leute geredit machen, Nemlidi das ir jnen verkündiget Vergebung der Sünde in meinem Namen; 34I, 3 1 8 , 15 ff.; 49, 142, 32 ff. 1,3 4 1 , 123, 3 7 ; vgl. 4 1 , 195, 3 j f . : Und jnn der selben (sc. der Kirche) regieret er (sc. Christus) als ein Priester oder rechter Bapst durch das Predigampt und krafft des Heiligen Geistes . . . 134 28, 469, 29 ff.: Wenn dein Pfarherr mit dir handelt nach seinem Ampt . . . nach Christus Wort und Befelh, So soltu es in aller Furcht, Demut, Gehorsam und Glauben annemen . . . Wenn er aber mit dir handelt wider sein Ampt on Gottes Wort und

126

sti ab, so steht er damit grundsätzlich außerhalb des Amtes überhaupt135, verliert somit alle Autorität und kann rieht mehr Gottes Instrument sein. Die Gemeinde muß sich dann vor ihm als vor einem falschen Propheten hüten. Unter diesem Gesichtspunkt vor allem sind Luthers Urteile über den römischen Klerus seiner Zeit zu verstehen136. Durch die Verkehrung des Wortamtes in ein satisfaktorisches Opferamt war die Stiftung Christi zerbrochen. Luther sieht darum die, die das Opferamt führen, als außerhalb des wahren Amtes stehend an, damit ist ihm ihre Autorität hin, sie können nicht beanspruchen, rechte Priester Gottes zu sein, man muß sie fliehen und absetzen, wo immer man kann137. Besser ist es nach Luther sogar, gar keinen Pfarrer zu haben als einen gottlosen, sakrilegischen, der die Bindung an das Wort Gottes und die rechte Lehre mißachtet, der Schaden, der in der Kirche durch ihn angerichtet wird, ist schlimmer, als wenn das Amt zeitwéilig gar nicht bestellt ist138. So ernst nimmt Luther die Bindung des minister verbi an den durch göttliche Stiftung festgelegten Amtsinhalt. Es ist ja nicht irgendeine Amtsfunktion von Gott angeordnet, sondern eine ganz bestimmte: beide, „das ampt und des ampts wort" sind „ynn gottlichen befelh gefasset" 139 . Von daher ist es klar, daß die Autorität des Amtsträgers nicht einfach in der Funktion des Predigens, sondern in dem rechten Inhalt seiner Predigt begründet liegt. Nur mit einer schriftgemäßen Predigt hat der Amtsträger Autorität und ist er das Sprachrohr Gottes. „Wenn ich Gottes Wort rechtschaften Predige, So brauchet Gott meiner Zunge und Stimme zur Predigt seines Wortes . . ." 14 °. Reden und Tun des Pfarrers sind Reden und Tun Christi nur, „so fern er bleibt in der rechten weise zu leren und zu thun"1*1. Befelh und seines Ampts mißbrauchet . . . (so nicht!); 28, 470, i f f . : Du must des gewis sein, Wenn dein Pfarherr und Lerer in seinem Ampt bleibet und wenn er eraus schreitet, Auff das du wissest, wenn du jhm solt gehorchen und wenn du jn solt meiden . . . ; audi 470, 1 7 f r . ; 4 7 1 , i f f . 1,5 Vgl. K . Thieme, Die Augsburg. Konfession und Luthers Katediismen, Gießen 1930, S. 12.

Vgl. oben S. 26 ff. Ii, 4 1 1 , 18; jo, 634, 6 ff.: Darumb, wie sie Kirchen sind, so sind sie audi Apostel, Evangelisten und Propheten, das ist, sie sind des Teuffels Apostel, Evangelisten u. Propheten, Denn die rechten Apostel, Evangelisten u. Propheten predigen Gottes wort und nicht wider Gottes Wort; 53, 246, 23 ff.: Es ist beschlossen durch Gottes Urteil: Ein Wolff sol kein Bisdioff sein in seiner Christlidien Kirchen; 2, 452, 26 ff.; Br. 3, 210, 61 ff.: si qui sunt, qui aliud dispensant aut docent, quam ista mysteria Dei, tales sunt ñeque apostoli ñeque episcopi, sed latrones et fures, qui perdunt oves, quibus Paulus Galat. 1 sic maledicit. Von daher bestimmt sich aud> Luthers Stellung zum Papst. Weil er Gott:s Wort verfolgt und der Kirdie Schaden tut, ist hin seine Madit u. Autorität, er muß entfernt werden: vgl. 2, 677, 3 ff. u. 6, 409 ff. Vgl. audi überhaupt oben S. 100 f. 137

»» 12, 1 7 2 , 6 ' « 4 j , 3 1 0 , 36 f.

ff.

»» 19, 233, 6 f. 50,634,30.

141

12 7

Es gibt also nach Luther keine absolute Autorität des Amtsträgers. Der Gehorsam, der dem Amtsträger gebührt, ist nur konditional zu leisten, unter der Voraussetzung, daß der Diener im Amt mit seinem Amtstun innerhalb der Amtsstiftung bleibt142. Der Fall des Abweichens des Dieners von seinem Amt muß grundsätzlich immer in Rechnung gestellt werden, denn das Amt bestimmt die Person seines Trägers nicht unwiderstehlich, sondern verlangt immer neuen Gehorsam von ihm. Jeder Diener im Amt steht und fällt hinsichtlich seiner Autorität und seiner Instrumentalität für Gottes Heilshandeln mit seiner Treue gegenüber dem Wort, „dorauff das ampt gestifFt ist" 143 .

6. Die Freiheit des Amtsträgers von der Gemeinde Wenn der Amtsträger von seinem Amt, d. h. von der Einsetzung und Ordnung Christi weicht und in solchem Abweichen verharrt, kann und muß er abgesetzt werden, das ist bereits festgestellt worden144. Auch der göttliche Charakter des Amtes hindert daran nicht, ja im Gegenteil, verlangt, daß es so geschieht. Andererseits aber schützt er den Amtsträger unbedingt vor Willkür seitens der Gemeinde und gibt ihm die innere Freiheit ihr gegenüber, die zur rechten Ausübung des Amtes unerläßlich ist. Der minister verbi ist nach Luther nicht Knecht der Gemeinde, sondern Knecht Christi, durch dessen Auftrag er absolut gebunden ist140. 142

28, 469, I i ff.: Wenn aber die Person etwas thut nicht nach dem Ampt, Sondern wider das Ampt, So sol man nicht gehorsam sein, Denn das thut nicht der heilige Geist; vgl. 32 ff.; 10HI, 122, 20 ff.: wenn der Bischoff oder Official eudi predigen das Euangelium, solt ir sie hören, predigen sie es euch nit, so haben sie verlorn ire gewalt. Predigen sie das Euangelium, so haben sie gewalt, predigen sie das nit, ist schon auß ire gewalt; i o 1 1 ' , 174, 1 1 ff.: idi bin ein schaff gottes, des wort wil ich haben und auffnemen und w o ir mir das wort werd geben, so wil idi euch fur einen hirten haltenn, w o ir mir aber ein neben leer werdt setzen, und das Ewangelium nicht lautter geben, so wil idi euch nicht fur einen hirten haben und ewer stimm nicht annemen, denn diß ampt streckt sich nit weiter, denn so ferre das wort geht; 10W, 398, I i ff.: Also sölt es sein, Predigt er nun nit das wortt gottes, So söl ein ander auftretten und predigen, das wort gottes sollen wir hören und kein anders. 143 47, 193, 3 ff.; vgl. auch 7, 22, 20 f. — W. Eiert, Morphologie I, S. 325. — Diese Zusammenhänge sind audi der tiefere Grund dafür, daß für Luther Ordinationsexamen und Ordinationsverpfliditung eine gewichtige Rolle spielen. Vgl. auch M. Doerne, Luth. Pfarramt, S. 14 ff. 144 Vgl. oben S. 97 ff. 145 Ganz im Sinne Luthers schreibt Simon Schöffel (Das Predigt- u. Hirtenamt, a . a . O . , S. 2 1 1 ) : „Es (sc. das Predigtamt) ist gebunden an Gottes Wort und keine Gemeinde kann diese Bindung aufheben oder lockern oder dem Amte einen andern Inhalt geben: der Prediger steht frei und unabhängig vor seiner Gemeinde, nur dem Herrn verantwortlich, der ihn zum Dienste am Worte gesetzt hat". Der Anspruch der Gemeinde an den Amtsträger kann audi nach Luther nur der sein, daß er das Wort Gottes rein predigt.

J 28

Diese seine Bindung an den Auftrag Christi konstituiert eine ganz persönliche Verantwortung des Dieners im Amt vor GottiW, in der er der Gemeinde auch gegenübersteht und die nicht dadurch geschmälert werden darf, daß jedes Gemeindeglied sich in sie einmischt. Luther geht mit denen, die leichtfertig über ihren Pfarrer urteilen und ihn verlassen, streng ins Gericht: „Wer hat dir befolhen, deinen Pfarhern zu verachten, zu verurteilen, zu verdammen jn rucken, ehe er verhöret odder verklagt ist? "Wo her bistu solcher Richter über deinen Pfarher, ja auch dein eigen selbs richter worden?" 117 . Wenn der Pfarrer nicht einer Verschuldung klar überführt ist, steht es durchaus nicht jedem Gemeindegliede zu, über ihn zu urteilen148. Soldi willkürliches, leichtfertiges Urteilen über den Pfarrer fällt auf den, der es übt, selbst zurück und richtet ihn selbst. Der Pfarrer hat das Predigtamt inne, fällt ein „Leye" (also jemand, der selbst nicht zum Predigtamt berufen ist) ihm ins Wort, so muß das als ein „in ein fremdes Amt Greifen" beurteilt werden, das die Schrift nicht duldet14®. Die Gemeinde ist also keineswegs einfach Herr über den Pfarrer. Dieser steht vielmehr durch sein Amt der Gemeinde in der Autorität Gottes gegenüber. Sie hat keine Macht über ihn, es sei denn, er weicht von Christi Ordnung und Stiftung. In diesem Zusammenhang ist ein Brief Luthers an den Amtmann Georg von Harstall und den Rat von Creuzburg vom 27. Januar 1543 bedeutsam150. Letztere wollten einen Pfarrer aus seinem Amt entfernen, weil er ihnen durch seine ernsten Bußpredigten unbequem wurde. Luther weist sie in seinem Schreiben zuerst auf den göttlichen Charakter des Amtes hin. Es ist von Christus gestiftet, „Darumb er (sc. Christus) gar hart urteilet die verechter und spricht: ,Wer euch verachtet, der verachtet mich'" 151 . Dann hält Luther ihnen vor, daß Christus ihnen „sein wort und sacrament, das ist, sein blut, sterben und leben, durch seinen trewen fromen diener, ewren pfarher, so rein und reichlich mit teilet" 152 . Sie sollten dafür dankbar sein und sich nicht gegen ihren Pfarrer auflehnen, was schlimme Folgen haben müsse. Die Kirchen seien ja nicht darum gebaut und die Pfarren nicht dazu gestiftet, „das man solle die heraus stossen, die Gottes wort leren und hören wollen, Und die drinnen lasse, die Gottes wort nicht durffen noch hören wollen, Sondern sie sind gebawet und gestifftet umb der willen, die es gern hören und nicht entperen können"15®. Luther behauptet als146 Vgl. H. Liermann (Grundlagen des kirdil. Verfassungsrechts nach luth. Auffassung, Luthertum Heft 1 1 , Berlin 1954, S. 13), der als Kennzeichen des luth. Amtsbegriffs erwähnt, daß er „ohne eine höchst persönliche Verantwortung vor Gott nicht denkbar ist" (S. 13). Trefflich und in Luthers Sinn ist auch die Formulierung, daß „der Pfarrer zwar der Gemeinde dient, aber nicht ihr Knecht ist" (S. 17). 147 30III, J20, 25 ff. 1 « 30IH, 522, 12 ff.: Da her meinen die Schleicher, Inn welche Kirche sie komen, do haben sie macht und recht, die Prediger zu urteilen und anders zu predigen. Aber das ist weit, weit gefeilet . . . ; vgl. J23, 23 ff.; 524, 1 ff. 149 30III, 524, 37 ff.; vgl. 519, 32 ff. Man beachte in der Schrift ,Von den Schleichern u. Winkelpredigern' die Stenge Unterscheidung zwischen Predigern und Laien: 30III, 524, ι ff.; $25, 23 ff. Auch T R 4, 166, 19fr. Im Blick auf den Aufruhr gegen den Pfarrer spricht Luther auch vom „pobel": 30HI, 522, 17; 52$, 30. 150 151 Br. io, 252—258. Br. 10, 255, 22 f. 152 153 Br. 10, 255, 32 ff. Br. 10, 257, 82 ff.

9 791$ Lieberg, Amt

129

dann die innere Freiheit des Pfarramtes: „Ihr seid nicht herrn über die pfarrhen und predigampt, habt sie nicht gestifftet, Sondern allein Gottes son, Habt auch nichts dazu gegeben, und viel weniger redit dran, weder der Teufïel am hymelreidi, Solt sie nicht meistern noch leren, auch nicht wehren zu straffen. Denn es ist Gottes und nicht mensdien straffe, der wils ungewehret, sondern gebotten haben" 1 5 4 . Denn das yhr fur habt, ist ein bose exempel, und taug nicht, das ein Jder Ampt man, Richter oder Ratherr, wolt einen pfarher (des er kein recht nodi fug nodi sadie hat) nach seiner laun freuenlidi vertreiben" 155 . Hier wird von Luther mit dem göttlichen Charakter des Amtes jeder Herrschaftsanspruch aus der Gemeinde über das Amt und jede ungeistlidie Einmischung in die Verkündigung zurückgewiesen. Das Amt steht als göttliche Stiftung in der Gemeinde, danach muß sich das Verhalten der Gemeindeglieder gegen ihren Pfarrer regeln. Aufsdilußreich ist für unseren Zusammenhang auch ein Vorfall, auf den W . W a l ther hingewiesen hat 1 5 6 : 1 5 3 1 hatte der Rat von Zwickau einen Prediger namens Lorenz Soranus ohne triftigen Grund abgesetzt und jemand anders an seine Stelle gesetzt. Luther rügt in mehreren Schreiben an den Rat und an den Kurfürsten 157 , daß der Rat ohne Grund und ordentliches Verfahren 1 5 8 und auch „ohn Wissen und Willen des Pfarrhers" 1 5 9 (nämlich des Parodius Nikolaus Hausmann, dem der Prediger unterstellt war) den Soranus entsetzt und einen anderen an die Stelle gesetzt habe und über die Einkünfte der Pfarre verfüge, die ihm nicht gehörten. Er legt in einem anderen Schreiben dem Pfarrherrn Nik. Hausmann nahe, beim Rat deswegen vorstellig zu werden und dagegen zu protestieren160 und nennt das Vorgehen des Rates ein sacrilegium 161 . Das bezieht sich sowohl auf die grundlose Absetzung als auf die Übergehung der Verantwortlichkeit des zuständigen Pfarrherrn. Wir kommen auf diese Begebenheit nodi in anderem Zusammenhang weiter unten zurück 162 . Auch in diesem Falle verteidigt Luther also die Freiheit und Unabhängigkeit des Amtes gegenüber Willkürakten aus der Gemeinde, und er hat das stets getan. Die

Gebundenheit

an

Gottes

Auftrag

involviert

nach

Luther

die

innere U n a b h ä n g i g k e i t des P f a r r e r s v o n der G e m e i n d e u n d die v e r a n t wortliche Freiheit, ihr v o n seinem A u f t r a g her in der A u t o r i t ä t gegenüberzutreten.

Tut

der

minister

verbi

dies i m

vollen

Gottes

Gehorsam

g e g e n seinen H e r r n , d e r auch d e r H e r r d e r G e m e i n d e ist, so ist e r in seinem A m t s h a n d e l n (insoweit!) tatsächlich s a k r o s a n k t .



F a s s e n w i r z u s a m m e n : D e r g ö t t l i c h e C h a r a k t e r des k o n k r e t e n

Amtes

ist b e i L u t h e r g a n z a k z e n t u i e r t u n d a u s g e p r ä g t g e l e h r t . D i e A m t s f u n k tion, W o r t

und

Sakrament,

ist g e s t i f t e t , u n d

auch

das

Amtsinstitut,

d u r c h d a s d i e A u s ü b u n g dieser A m t s f u n k t i o n a n b e s t i m m t e , d a z u

aus-

g e s o n d e r t e u n d b e r u f e n e P e r s o n e n g e b u n d e n w i r d , ist v o n C h r i s t u s g e stiftet. D i e 1M

Amtspersonen,

die

dieses

Amtsinstitut

Gottes

verwalten,.

Br. 10, 257, 87 ff. Br. 10, 257, 1 1 8 ff. 156 Das Erbe der Reformation, Heft 4, Luthers Kirche, Leipzig 1 9 1 7 , S. 141 f. 167 Br. 6, 4 5 — 4 7 ; 4 7 — 4 8 ; 48—49· iss v g l . Br. 6, 77, 16 f.: ñeque accusatum neque convictum coram ullo iudice. 158 Br. 6, 46, s f. 160 Br. 6, 7 7 ff. Br. 6, 77, 19. 162 Vgl. unten S. 1 5 6 f . 155

130

stehen in der Autorität des Herrn der Gemeinde gegenüber, durch ihren Dienst mit W o r t und Sakrament handelt Christus rechtfertigend und heilsdiaffend an ihr. Der göttliche Charakter des Amtes fordert von den Amtspersonen gewissenhaften Gehorsam gegen das A m t selbst, gibt ihnen aber dann unter der Voraussetzung dieses Gehorsams den festen, objektiven Rückhalt, dessen sie zur gedeihlichen Ausrichtung des Amtes bedürfen. Es ist in alledem die Begründung des Amtes ,νοη oben her', in der Stiftung des Herrn bei Luther dargelegt worden. Vergleicht man damit die andere Begründung des Amtes bei Luther aus den soziologischen Notwendigkeiten der priesterlichen Gemeinde, so muß man zwei eigenständige Gedankenreihen bei Luther konstatieren, die erst zusammengenommen Luthers Amtsbegriff ergeben. Es tritt in Luthers Äußerungen — je nachdem im Blick auf wen er spricht oder schreibt — einmal die eine, dann wieder die andere Gedankenreihe stärker in den Vordergrund, ohne daß dabei die eine von der anderen jemals völlig absorbiert würde. Für eine zutreffende Beurteilung von Luthers Amtsbegriff ist die Zusammenschau beider Gedankenkomplexe die unerläßliche Voraussetzung. Es war ein Fehler in der Amtsdiskussion des vorigen Jahrhunderts, daß vielfach jeweils nur die eine Seite in Luthers Amtslehre gesehen und diese dann verabsolutiert wurde. In neuerer Zeit hat besonders W. Eiert die beiden Weisen der Begründung des konkreten Amtes bei Luther hervorgehoben (Morphologie I, S. 298 ff.)les. Eiert weist darauf hin, daß sich bei Luther mit der rein praktischen, fast utilitaristisdien Begründung des Amtes die aus der Stiftung Christi verbindet, ohne daß Luther in letzterer einen Gegensatz zu der praktischen Begründung empfunden hätte (S. 301). Diese Beobachtung ist sehr wesentlich. Man wird die beiden Arten der Amtsbegründung bei Luther nicht in sich gegenseitig ausschließender Weise interpretieren dürfen. Für Luther erhebt sidi das konkrete Amt auf dem Grunde des allgemeinen Priestertums aller Christen und der christlichen Gemeinde. Zur Begründung dieses konkreten Amtes in seiner Notwendigkeit und in seinem Wesen bedient sich Luther 1. der soziologischen Ableitung aus dem allgemeinen Priestertum, um dann aber 2. die Zurückführung auf die positive Stiftung Christi um so kräftiger hinzuzufügen. Man wird vielleicht die erste Art der Begründung als eine sozusagen äußere Sdiau, die zweite aber als die eigentliche Innenschau bezeichnen dürfen. Es handelt sidi dabei gewissermaßen um zwei Seiten ein und derselben Sache. Das konkrete Amt trägt sowohl eine menschliche Notwendigkeit in sich als auch eine göttliche, es hat eine soziologische wie audi eine institutionelle Seite. — Die Einheitlichkeit von Luthers Amtsbegriff trotz der beiden vorhandenen Linien, der soziologischen und der institutionellen, hat neuerdings V. Vajta dadurch" aufzuweisen gesucht, daß er besonders den cooperatio-Gedanken bei Luther herausgearbeitet hat (a. a. O., S. 208 f., 211 fi.). „In der Berufung kooperiert die Gemeinde mit Gott", „die Berufung der Gemeinde (ist) eine von Gott ausgehende Berufung" (S. 212). 183 Ebenso K. Tudiel (Luthers Auffassung vom geistl. Amt, Luther-Jahrbudi 1958, S. 61—98). Als die Mitte des Nebeneinanders von ordnungsbedingter und stiftungsbedingter Amtsbegründung bei Luther sieht Tuchel Luthers Ansdiauung vom Christen als simul iustus et peccator und führt also die Doppelheit der Amtsbegründung bei Luther auf Motive der Reditfertigungslehre zurück (S. 87 f.).

9'

„Luthers Auffassung v o n der Wirksamkeit Gottes in der W e l t durdi cooperatio verschiedener Werkzeuge der Schöpfung findet somit auch auf seinen Amtsbegriff A n w e n d u n g " (S. 213). Das ist jedenfalls ein konstruktiver Gedanke. Allerdings kann man nidit sagen, daß es V a j t a dabei ganz gelungen ist, die beiden Seiten in Luthers Amtsbegründung, jede in ihrer vollen Eigentümlichkeit, un verwischt zu erhalten. Und das ist doch notwendig, wenn einer unzutreffenden Vereinfachung gewehrt werden soll. Immerhin muß V a j t a s Versuch als eine durchaus weiterführende Konzeption voll positiv gewertet werden. —

Nachdem nun das allgemeine Priestertum und das konkrete Amt in ihrem Verhältnis zueinander bei Luther untersucht sind, ergibt sich die Notwendigkeit, den A k t darzustellen, durch welchen eine Person in das konkrete Amt gelangt. Und das ist die Vokàtion bzw. Ordination. Wir haben also im weiteren jetzt diese Komplexe der Amtslehre Luthers ins Auge zu fassen. —

V.Kapitel: Die Vokation zum Amt als Legitimierung des Amtsträgers ι. Vocatio generalis und vocatio specialis In der Taufe wird ein Mensch in den Christenstand berufen (vocatio generalis). D a wird er in das allgemeine Priestertum eingesetzt und erhält Priesterrechte und -pflichten. Dazu gehört, wie wir sahen1, erstlich der freie Zugang zu Gott und die Fähigkeit, in Christo Gott geistliche Opfer darzubringen und vor ihm für andere einzutreten. Aber es schließt auch in sich das grundsätzliche Vermögen zur priesterlichen Amtsfunktion am Wort und Sakrament. Alle Christen sind per baptismum nati et vocati ad eiusmodi ministerium2. D a in der Taufe ist ihnen nach Luther ein ius generale zur Predigt des Evangeliums und zur Verwaltung der Sakramente gegeben. Auf Grund dieses allgemeinen Rechtes und der allgemeinen Taufberufung predigten Apollos, Stephanus und Philippus und kann jeder Christ im Falle der N o t das Amt ausüben3. Aber von dieser vocatio generalis zu unterscheiden ist bei Luther die vocatio specialis, die Berufung zum öffentlichen Predigtamt, zum konkreten Amt der Kirche 1 . Sie ist eine neue und weitere, über die T a u f 2 12, 191, 37. 3 12, 191, 38 ff. V g l . oben S. 40 ff. Luther sieht audi andere weltliche Berufe, in denen ein Christ stehen kann, auf dem Grunde einer besonderen Berufung. V g l . H . Storck, a . a . O . , S. 25 f. und 38 f., sowie überhaupt G. Wingren, Luthers Lehre v o m Beruf, München 1952. Vocatio ist bei Luther häufig einfach der Beruf, in dem man ein besonderes W e r k hat. A b e r im Hinblick auf das Predigtamt meint Luther mit .vocatio' „nicht das A m t als solches", sondern den „ A k t , durch welchen man eigentlich in das A m t hineinkommt" (Wingren, S. IJ). V g l . audi W . Maurer, Pfarrerrecht und Bekenntnis, Berlin 1957, S. 121. 1

4

132

berufung hinausgehende und zur Taufberufung hinzutretende Berufung. Im Ordinationsformular nennt Luther sie altera sanctificatio und stellt sie der prima sanctificatio per verbum et sacramentum baptismi gegenüber6. Durch erstere ist man in Wort und Sakrament zur creatura bona geworden, d. h. gerechtfertigt und zu Gottes Kind angenommen, durch die letztere wird man berufen ad sanctum et divinum ministerium, d. h. hier zum öffentlichen Predigtamt der Kirche". Das grundsätzlich vorhandene Recht zur Ausübung der Wort- und Sakramentsfunktion wird durch diese besondere Berufung zum öffentlichen Amt so entbunden, daß es in öffentlicher Funktion wirksam werden kann 7 . Es handelt sich bei der besonderen Berufung also gewissermaßen um eine Ermächtigung, die grundsätzlich besessenen Priesterrechte und -fähigkeiten nun audi hinsichtlich der öffentlichen "Wort- und Sakramentsfunktion auszuüben8. Zu einem Pfarrer gehört nach Luther außer der Priesterweihe in der Taufe die ordentliche Berufung in das konkrete Amt". Durch diese erst wird man zum Prediger und Pfarrer gemacht, während man Priester schon von der Taufe her war10. „Der beruff und befelh macht Pfarher und Prediger" 11 . Man muß dies stark betonen, daß bei Luther Priester und Pfarrer nicht einerlei sind, sie führen sich auf zwei voneinander verschiedene Berufungen zurück, die nicht vermengt werden dürfen. Das Priestersein ist Ergebnis der Taufberufung, Spezifikum des Christenstandes, das Pfarrersein hingegen ist Ergebnis der besonderen Berufung ins konkrete Amt (wenngleich das Priestersein dabei die Voraussetzung bil5

38, 424, 21 ff. 38, 424, 25 ff. In dem aus Rörers Sammelbänden von G. Rietschel in Jena ausgegrabenen Exemplar des Ordinationsformulars (in WA mit J bezeichnet), das Rietsdiel für die älteste Rezension hält (vgl. G. Rietsdiel, Luthers Ordinationsformular in seiner ursprünglichen Gestalt, Theol. Stud. u. Krit. 1895, S. 169 ff.) heißt es: Vos autem cum sitis non solum creatura Dei, sed etiam jamdudum sanctiñcati per verbum et sacramentum baptismi, vocatione dei sancta et prima, Nunc etiam vocatione altera ad sanctum et divinum ministerium . . . (bei Rietsdiel, ThStKr 1895, S. 171 u. WA 38, 424, 21 ff., Anm. 12 u. 13). Rietsdiel bestätigt ausdrücklich: „Die Zusammenstellung der Taufe als der ersten Vokation mit der vocatio altera ad sanctum et divinum ministerium ist durchaus dem Gedanken Luthers zugehörig" (ebda. S. 17j). 6

7

12, 189, 25 ff.; 17!, J09, 18 f.: quia vocor, habeo meam functionem fortiter. Vgl. K. Holl, Luther, S. 318 f., Anm. 5 und R. Seeberg, Dogmengesdiidite IV. 1, Die Lehre Luthers, 2. u. 3. Aufl. Leipzig 1917, S. 293. • 38, 247, 12 ff.: Da tritt für den Altar unser Pfarrher, Bissdioff odder Diener im Pfarrampt, recht und redlich und ordentlich beruffen, zuvor aber jnn der Tauffe geweyhet, gesalbet und geborn zum Priester Christi . . . 10 12, 178, 9 f. 26 f.; vgl. 33, 5JI, 41 f.; 38, 230, 17 ff.: Denn unser keiner wird jnn der Tauffe ein Apostel, Prediger, Lerer, Pfarher geboren, Sondern eitel Priester und Pfaffen werden wir alle geborn, dar nach nimpt man aus solchen gebornen Pfaffen und berufft odder erwelet sie zu solchen emptern. 8

11

31', 211, 19 f.; auch vorher 4 ff. Vgl. V. Vajta, a.a.O., S. 210 f. 133

det)". Niemals hat Luther den Unterschied zwischen den beiden Gattungen geleugnet. Audi in den Schriften gegen Hieronymus Emser, in denen Luther den Gedanken des allgemeinen Priestertums so stark betont, unterscheidet er von der heiligen geistlichen Priesterschaft, die aus der Taufe zustande kommt und an der alle wahren Christen teilhaben, die „kirchische Priesterschafft", die nur die umfaßt, die zum konkreten Amt besonders berufen sind". Ausdrücklich weist er den Vorwurf Emsers, als ebne er diesen Unterschied ein, zurück14. Vocatio generalis in den Christenstand und vocatio specialis in das konkrete Amt sind bei Luther also wohl auseinanderzuhalten.

2. Ausübung der Amtsfunktion ohne besondere Berufung Luther kennt eine Ausübung der Wort- und Sakramentsfunktion auch ohne besondere Berufung. Dies gilt einmal, wie wir gesehen haben, in bezug auf die häuslich-private Sphäre für das Lehren des Wortes im Hause durch den Hausvater und die consolatio fratrum unter den Christen einschließ lidi der Absolution". Es gilt aber auch von bestimmten Funktionen des öjffewt/tc&e» Predigtamtes. Luther rechnet damit, daß in bestimmten Fällen jeder Christ Recht und Pflicht haben kann, Funktionen, die eigentlich dem besonderen Amt vorbehalten sind, auszuüben. Ein allgemeiner Gesichtspunkt hierfür ist ihm das Eintreten des Notfalls bzw. das Vorliegen eines Notstandes. W o es die N o t erfordert, ist jeder Christ audi ohne besondere Berufung ins Amt zur Ausübung bestimmter Funktionen des Amtes berechtigt und verpflichtet. In necessitate utatur quicunque voluerit", . . . quilibet Christianus facere tenetur, si viderit 12 2 j , 16, i j f.: quamquam omnes . . . sacerdotes, tarnen non omnes ministri; 1 7 f r . : Christiani omnes sunt sacerdotes . . . Sed non omnes sunt presbyteri i. e. ministri, ut praecepit T i t o ; 23 f.: Christiani habent omnes sacerdotium sed non omnes functionem; 31', 211, 17 f.; 41, 209, 4 f. 13; 41, 213, 14 ff.; i o 1 1 1 , 170, 24 ff.; 22, 183, 33 ff·: Solche Empter können und sollen nidit alle, die da Christen sind, in gemein füren und üben, sondern allein die, denen es befolhen wird, D a r u m b sind sie unterscheiden von den andern beiden stücken, die er nennet kreffte und gaben. 1 1 7, 629 ff.; vgl. 8, 250, 31 ff.: Ich hab ynn allen meynen schrifften nit mehr gewollet, denn nur so viel, das alle Christen priester seyen, aber doch nit alle v o n bisschoffen geweyhet, auch nit alle predigen, meß halten und priesterlich ampt üben, sie wurden denn dazu vorordenet und beruffen. H i e ist das end meiner meynung bestanden. 14 7, 629, 17: D a t z u hab ich auch nit gesagt, das alle Christen kirchische priester seynn; 7, 647, 7 ff.: Dermassen leugistu (sc. Emser) auch, das ich alle leyen zu Bisdioffen, priester unnd geystlidi also gemacht habe, das sie bald unberuffen das ampt audi thun mugenn, schweygist . . . das ich danebenn schreyb, niemant soll selbs sidi des unberuffen unterwinden, es were denn die eußerste nott . . . 1 6 V g l . oben S. j8 f. u. 71 ff. 16 12, 189, 27.

134

opus esse verbo et idoneus sit, etiamsi non vocet eum universitas". Wann tritt aber der Notfall konkret ein? Der Notfall ist für Luther einmal dadurch gegeben, daß keine ordentlich berufenen Pfarrer vorhanden sind oder nicht mehr rechtzeitig herbeigeholt werden können18. So kommt es zu Nottaufen 19 oder Laienabsolution bei Sterbenden20. So tritt auch vorübergehend das Lehren des Wortes durch den Hausvater im Hause an die Stelle des öffentlichen Lehrens im Predigtamt, bis letzteres wieder bestellt ist21. Der Notfall ist weiter auch dadurch gegeben, daß der vorhandene Diener am Wort in Irrlehre fällt und sein Amt im Widerspruch zu Christi Einsetzung versieht. Da kann und muß jeder Christ auch ohne besondere Berufung zum Amt sich öffentlich zu Worte melden, um für die Wahrheit einzutreten, wenngleich auch dabei die Regel zu beachten ist, „das es sittig und tzuchtig tzu gehe"22. Diese beiden Arten des Notfalls faßt Luther zusammen, wenn er sagt, daß jeder Christ Recht und Pflicht zur Ausübung bestimmter Amtsfunktionen habe, si viderit vel deesse, qui doceant, vel non recte docere, qui assunf3. Wie bei einer Feuersbrunst jeder, der die Gefahr sieht, zugreifen und löschen muß, ohne auf eine Aufforderung seitens des Bürgermeisters oder anderer zu warten, so ist 12, 192, 4 ff.; vgl. 41, 211, 20. 2, 722, 36 f.: . . . w o eyn priester nit da ist; 45, 313, 17 ff.: Ja, audi w o l in der N o t , w o man nicht Prediger haben kan, durchs W o r t gemeiner Christen und Brüder, welche an jnn gleuben. 19 Luther betont, wie wir gesehen haben (vgl. oben S. j j ) , daß die N o t t a u f e durch einen Laien nidit privato opere, sondern publico et Ecclesiastico ministerio geschehe (12, 181, 30 íí.). Die T a u f e ist immer eine öffentliche Handlung. Es kann für sie nicht eine häuslich-private Sphäre statuiert werden im Unterschied zu der öffentlichen (wie bei dem Lehren des Wortes oder der Absolution). Darum ist sie immer als Funktion des öffentlichen Amtes anzusehen. 17

18

20 D i e Beichtseelsorge an Sterbenden wird im Sinne Luthers nicht als normalerweise ein Stück der consolatio fratrum in der häuslich-privaten Sphäre anzusprechen sein, sondern als Bestandteil der öffentlichen Schlüsselverwaltung des Amtes, als spezielle Amtsfunktion. Das geht z. B. daraus hervor, daß Luther die Erteilung der Absolution durch Laien in solchen Fällen als in der N o t geschehend bezeichnet. V g l . die oben S. J9, Anm. 137 angeführten Stellen und: 41, 456, 2 0 f f . : . . . Christianus, jungfrau, knecht, herr et in periculo debet dicere: Gott der her remittat tibi omnia peccata, f a r hin in dei nomine. Ist billich und recht. Sed quando gesund, sol man nicht verachten kirch, ubi convenitur, quando enim extra periculum vellet suos baptisare, absolvere. Ideo gestifft ein öffentlich ministerium . . . ; 41, 543, 18 f. (in necessitate); $46, i o ff.: N o n gaff ghen caelum, quando vis remitti peccata. Sed hie unden hastus. Si pfarherr vel vicinus in necessitate, non opus, ut absolutionem supra holest . . . ; 16: Ito ad parochum, inn not die ad proximum, ut recitet absolutionem in nomine Jesu Christi, tum habes verbum, quando ipsi faciunt, Christus fecit; 49, 139, 20 f.: pfarherr vel proximus in necessitate.

Vgl. 12, 171 f. Allerdings kann das wirklich nur für eine Übergangszeit gelten. I i , 412, 33 ff. 23 12, 190, 38; vgl. I i , 413, 12 f.: . . . S. Paulus eyn iglichen Christen macht gibet zu leren unter den Christen, wens nott ist (unter Berufung auf i . K o r . 14, 31). 21

22

135

in der N o t , jeder C h r i s t verpflichtet, m i t seinem D i e n s t dem A m t e beizuspringen u n d bestimmte A m t s f u n k t i o n e n zu üben 2 4 , „ d e n n nott ist nott u n d h a t t k e y n m a ß " 2 5 . H i e r b e i ist f ü r L u t h e r der Gesichtspunkt

der Heilsnotwendigkeit

von

großer W i c h t i g k e i t . D e r N o t f a l l ist dadurch gekennzeichnet, daß Heilsnotwendiges

etwas

durch einen berufenen P f a r r e r nicht erlangt w e r d e n

k a n n 2 ' . Das Heilsnotwendige

muß d a n n eben audi durch einen U n b e r u -

fenen ausgespendet w e r d e n . H e i l s n o t w e n d i g aber ist nach L u t h e r nur das "Wort des E v a n g e l i u m s b z w . die A b s o l u t i o n u n d das S a k r a m e n t der T a u f e , nicht jedoch das hl. A b e n d m a h l 2 7 . E i n der N o t t a u f e ,Notabendmahl',

durch einen nicht z u m

öffentlichen A m t

analoges berufenen

Christen gespendet, k e n n t L u t h e r nicht, ja verbietet es. In der Schrift an die Böhmen i¡2j gibt er den Rat, ein jeglicher Hausvater möge in der besonderen Notlage, in der sidi die Böhmen gerade befanden, daß nämlich kein rechtgläubiger Priester zu erreichen war, seinem Hausgesinde das Evangelium lehren und seine Kinder taufen, wenn er auch der Eucharistie entbehren müsse28. Weil die Eucharistie nicht von unbedingter Heilsnotwendigkeit sei — wenn nur Evangelium und Taufe vorhanden sind! —, so tue ein christlicher Hausvater recht daran, si Eucharistiam suspiraret . . . donec deus ex alto misertus aut captivitatem dissolverei aut idoneum verbi ministrum donaret 2 ·. Noch deutlicher findet sich die gleiche Stellungnahme in einem Brief Luthers an den Pfarrer zu Jessen, Wolfgang Brauer, vom jo. Dezember ι$35· Luther schreibt dem Pfarrer, er solle seinem Freunde Sigmund Haugreuter, der nach der Möglichkeit eines Laienabendmahls in der Not gefragt hatte, sagen, „daß er nicht schuldig sei, solche weise furzunehmen, sich und sein Hausvolklein zu communicirn, auch darzu unnötig, weil er dazu nicht berufen noch Befehl hat, und ohn das, wo es die tyrannischen Kirchendiener, so es zu tun wohl schuldig seind, ihm noch den Seinen nicht reichen wollen, dennoch wohl kann in seinem Glauben selig werden durchs Wort. Es würde auch ein gros Ärgernis machen, also in den Häusern das Sacrament hin und wieder reichen und doch die Länge kein gut Ende nehmen und eitel Spaltung und Secten sich erheben, wie denn die Leut itzt seltsam und der Teufel unsinnig ist" 30 . 25 6, 4 1 3 , 33 ff. I i , 414, 8; vgl. 413, 6. 38, 494, 13 ff.: Praeter has potest nécessitas incidere, ut si sint baptisandi, docendi, consolandi, exhortandi fratres, in medio hostium positi. Hie debet quilibet seipsum intrudere, tanquam necessitate fraterne caritatis vocatus, Et omnia facere, quae necessaria sunt pro salute animarum. 27 12, 1 7 1 , 21 f.: Eucharistia enim non est sub periculum salutis necessaria, sufficit autem Euangelion et Baptismus, cum sola fides iustificat et sola Charitas bene vivat. 28 12, 1 7 1 , 17 fr. " 12, 172, 3 ff.; vgl. 1 7 1 , 38 ff.: . . . potest paterfamilias necessaria suis providere per verbum et non necessariis, interim dum in captivitate est, pia humilitate carere. — Luther gebraucht zwar mehrfach die Wendung: Eucharistie . . . , quam sumere vel non auderet vel non posset (172, 3 f.; 1 7 1 , 20 f.). Das könnte so klingen, als sehe Luther es nur als Glaubensschwachheit an, wenn einer das Sakrament unberufen nicht zu handeln wagt, als sei dasselbe in der Not grundsätzlich audi dem Nichtberüfenen erlaubt. Jedoch muß man im Auge behalten, daß Luther 1535 die Verwaltung des Altarsakraments durch Laien audi in der Not ganz grundsätzlich und kategorisch ablehnt. Vgl. das Folgende. Man wird also gut daran tun, jenen Stellen nicht zu viel entnehmen zu wollen. M Br 7, 338, ι ff.

"

26

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Der Hausvater soll wohl den Seinen das Wort Gottes lehren „und ist das Wort einem iglichen befohlen. Aber das Sacrament ist ein offenbarlich Bekenntnis und soll offenbarliche berufene Diener haben, weil dabei stehet, als Christus sagt, man soll es tun zu seinem Gedächtnis . . . und daselbst auch spricht, man solle zusammenkommen, und hart straft die, so sonderlich ein iglicher f ü r sich selbs wollt des Herrn Abendmahl gebraudien . . . Denn es ist ein gar anders umb ein öffentlich Ampt in der K i r chen und umb ein Hausvater über sein Gesind, darumb sie nicht zu mengen sind noch zutrennen . . „ D i e w e i l nun hie kein Not noch Beruf ist, soll man ohn Gottes gewissen Befelch hie nichts aus eigener Andacht fürnehmen, denn es wird nichts Guts daraus" 5 1 . Luther negiert hier die Möglichkeit eines Notabendmahls, durch Laien gespendet, mit der dreifachen Begründung: es sei nicht unbedingt heilsnotwendig, es sei das Sakrament nach Christi Willen eine öffentliche Handlung, die nur durch zum öffentlichen Amt berufene Diener geschehen soll, und es würde Ärgernis geben und Sektenbildung fördern. In einem anderen Zeugnis aus dem Jahre i f j 6 heißt es: „Bei Leib laßt Euch nicht bereden, daß ein iglicher Hauswirt müge das Sacrament in seinem Hause geben! Denn lehren mag ich daheimen, aber öffentlicher Prediger bin ich damit nicht, ich wäre denn öffentlich berufen . . ." 3 3 . „Darumb ist's nichts geredt: Das Sacrament wird durchs Wort gemacht, darumb mag ichs im Hause machen. Denn es ist Gottes Ordnung und Befehl nicht; sondern er will, daß das Sacrament durch öffentlich Ampt gereicht werde. Denn das Sacrament ist eingesetzt zu öffentlicher Bekenntnis . . Mit klarster Eindeutigkeit wird hier auf Gottes Ordnung und Befehl zurückgeführt, daß das Sakrament nur durch das öffentliche Amt gereicht werden soll! Ebenso urteilt Luther in einer Tischrede (Jahreszahl nicht ermittelt), indem er auf die Frage, ob ein Hausvater in casu necessitatis seiner Familie das heilige Abendmahl reichen könne, antwortet: Nequaquam! und das damit begründet, daß er i. dazu 81 Br 7, 339, i8 ff. — Man wird also vorsichtig damit sein müssen, in der Funktion des Hausvaters oder auch dem Lehren eines nichtberufenen Christen unter Heiden einfach das kirchliche Amt fungieren zu sehen, wie V . Vajta es tut (a. a. O., S. 2i j f., Anm. 69). Es ist nach Luther ein „gar anders umb ein öffentlich Ampt in der Kirchen und umb ein Hausvater über sein Gesind"! Es trifft nicht unbedingt Luthers Auffassung, wenn Vajta sagt: „Es gibt nur ein Amt, das in Funktion ist, und damit, dass bei Gelegenheit jeder Christ die Pflichten dieses Amts ausüben kann, wird nicht ein Not-Amt behauptet, sondern die Weite und das Nach-aussen-Gewandtsein des einen kirchlichen Amtes, des Wortes, das die Grenzen eines statisch gedachten Weih-Amtes sprengt und im Dienst des lebendigen Christus steht" (S. 216, Anm. 69} oder: „Das kirchliche Amt fungiert ebenso wahr ohne Ordination in der Gemeinde, im Hause oder unter den Heiden . . . " (ebda.). Das Lehren des Hausvaters im Hause, des (nichtberufenen) Christen unter den Heiden ist nach Luther nicht einfach Funktion des kirchlichen Amtes, sondern Funktion des allgemeinen Priestertums, das ja wohl grundsätzlich das konkrete kirchliche Amt in sich trägt, nicht aber schon dieses ist. Das öffentliche kirchliche Amt ist nach Luther ein Neues über das allgemeine Priestertum hinaus und dies Besondere des öffentlichen Amtes ist nach Luther nicht schon im Lehren des Wortes in der häuslichen Sphäre bzw. unter den Heiden durch einen Nichtberufenen. Vgl. oben S. 71 ff. Es ist hier sehr auf die von G. Hök (a. a. O., S. 149 f.) bei Luther mit Recht konstatierte Unterscheidung von Amt im Sinne des allgemeinen Priestertums und kirchlichem Amt als öffentlichem Amt zu achten. Nur von der Nottaufe kann bei Luther nachgewiesen werden, daß er darin das öffentliche kirchliche Amt fungieren sieht (vgl. oben S. 1 3 $ , Anm. 19).

* Β ' · 7. 339. 31 & 33 Br 7, 366, 36 ff. 34 Br. 7, 366, 41 ff.

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keine vocatio habe und 2. daß Ärgernis entstehen könnte 35 . Es kann kein Zweifel bestehen, daß Luther die Verwaltung des hl. Abendmahls als auf die zum öffentlichen A m t Berufenen beschränkt gesehen h a t " .

Es ist nun auch nodi davon zu reden, daß nach Luther die Not das öffentliche Lehren eines jeden Christen auch da erfordert, wo er sich allein unter Heiden befindet. In solchem Falle wartet ein Christ nicht, „ob yhm befelh odder brieffe von Fürsten odder Bischoff geben werde"87. Da ruft die Seelennot der anderen nach dem Zeugnis von Christus und es ist die Pflicht der brüderlichen Liebe, es zu leisten38. „Wenn er (sc. der Christ) ist an dem ort, da keyn Christen sind, da darff er keyns anders beruffs denn das er eyn Christen ist ynnwendig von gott beruffen und gesalbet"39. So verkündigte der Eunuch aus Äthiopien zuhause nullo iure nisi baptismi et fidei suae, praesertim cum alii ibi non essent40. Es ist deutlich, daß dieses öffentliche Lehren eines getauften Christen unter Heiden von Luther als Funktion des allgemeinen Priestertums angesehen wird, nicht als eine notweise von einem nichtberufenen Christen audi geübte spezielle Funktion des öffentlichen Predigtamtes der Kirche. Dieses letztere ist nach Luther nur unter Christen, in einer christlichen Gemeinde. Und sobald sich eine solche bildet, muß auch das Predigtamt darin bestellt werden. Das öffentliche Lehren eines Christen unter Heiden kommt also nicht als Ausübung einer Funktion des speziellen Predigtamtes in Betracht. Scheidet man also die Funktionen des allgemeinen Priestertums von denen des besonderen Amtes, den häuslich-privaten Bereich, in welchem jeder Hausvater seinem Gesinde das Wort Gottes lehrt und die Christen sich gegenseitig in der consolatio fratrum mit dem Evangelium und der 35 T R j, 621, 26 ff. (Nr. 6361). — Vgl. gegen die Hauscommunion (allerdings ohne daß dabei die Frage berührt wird, ob ein Laie das Sakrament im Hausé verwalten dürfe): Br j , 528, 17 ff. und Br 7, 167 f. — Zum Ganzen vgl. W . Maurer, Pfarrerrecht und Bekenntnis, Berlin 1957, S. 1 1 7 f. 39

So audi Brunotte, a. a. O., S. 80 und 167 f. I i , 4 1 2 , 24 ff.; vgl. 16, 3 J , 31 ff.: „wenn man aber unter den hauffen keme, da nicht Christen weren, da möchte man thun wie die Aposteln und nicht warten des beruffs, denn man hat da nidit das Ampt zu predigen (d. h. es existiert da noch nicht das konkrete Amt) und einer Sprech: Alhie sind nicht Christen, Ich wil predigen und sie unterrichten vom Christenthume . . . " . Allerdings sobald sich ein Haufe zusammentut, erfolgt Erwählung und Berufung eines Dieners zum Amt. Vgl. weiter 17I, J09, 24 fr.: Si autem essem inter Turcas, certe hospiti meo praedicarem et si conflueret populus, facerem itidem, quia Christianus inter hos eciam debet praedicare nomen Christi. 37

38 I i , 4 1 2 , 18 ff.; vgl. 27 fr.: So ist die liebe schuldig, tzu helffen, wo sonst niemant ist, der hilfft odder helffen solt; 4 1 4 , 7 ff. 39 I i , 4 1 2 , 16 ff.; vgl. 12, 319, 3 f. 40 12, 192, 22 f.; vgl. 189, 20 f.: Arripe sane id iuris et exequere, ubi nullus est, qui simile ius habeat; 12, 192, 8 ff.: Stephanus und Philippus predigten, als sie sahen, daß es nötig war, ohne besondere Berufung, einfach proprio motu et generali iure; I i , 4 1 2 , 20 ff. u. 12, 1 9 1 , 38 ff.

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Absolution trösten, von dem öffentlichen Bereich des Amtes in der Gemeinde, in dem der berufene Diener öffentlich lehrt, öffentlich Absolution spendet, öffentlich die Sakramente verwaltet, und fragt man, wann Luther die Ausübung von speziellen Funktionen des besonderen öffentlichen Amtes in der Gemeinde durch Nichtberufene zuläßt, so findet man, daß er dies letzten Endes auf die drei Fälle der Nottaufe, der Laienabsolution bei Sterbenden41 und des öffentlichen Widerspruches gegen öffentliche Irrlehre des Pfarrers beschränkt. Greift jemand abgesehen von diesen klar abgegrenzten Sonderfällen, ohne besondere Vokation zur Ausübung öffentlicher Amtsfunktionen in der Gemeinde, so gilt das Luther als verwerfliche Anmaßung, die vom Teufel ist.

3. Die Notwendigkeit der Vokation zum öffentlichen Amt Die Notwendigkeit der Vokation zum konkreten Amt ist eigentlich schon mit dem konkreten Amt selbst gegeben. Ist das konkrete Amt da und haben nicht alle Christen es inne, so müssen diejenigen, die es innehaben sollen, durch einen bestimmten Akt in es hinein gelangen, d. h. sie müssen dazu berufen werden. Da das konkrete Amt nun nicht nur aus praktischen Notwendigkeiten der Gemeinde hervorgeht, sondern in dem stiftenden Willen Christi begründet ist, ist auch die Vokation zum Amt nicht nur Erfordernis menschlicher Vernunft, sondern de iure divino42. Die Kirche muß das Amt bestellen, d. h. ins Amt berufen, auf Grund eines mandatum divinum43. Gott hat die Sendung von Menschen ins Amt geboten". „Zu diesem Ampt . . . gehört die Sendung"45. Christus faßt „das Predigampt in den Befelh und Göttlichen Beruff", er gibt den Amtsträgern nicht allein „gleiche Gewalt und Macht zu predigen, Sünde zuerlassen und zubehalten, Die Er hat, Sondern versichert sie auch an jrem Ampt durch gewissen Befelh, Beruff und Sendung"48. So 41

Vgl. oben S. 135, Anm. 20. Vgl. P. Brunner, Vom Amt des Bisdiofs, S. 16 und 19. 45 Vgl. Enders 1 1 , 279, 23 (Ordinationszeugnis): . . . Ecclesia mandato divino vocat ministros; Enders 7, 1 3 1 , 20 ff. (Ordinationszeugnis): divinitus praeceptum . . . , ut ecclesiae explorent et ordinent ministros evangelii et aliis ecclesiis praeficiant idoneos gubernatores. 42

44

47. 19*. 8; v g l · 28, 473, 40; 38, 2 2 1 , 25.32 f. 28, 479, 33 f.; vgl. auch 4 1 , 184, 21 ff.: (von einem rechten Priester gilt:) er ist ein Engel des H E R R N , als der von Gott selbs gesand und von jm den beruff und das Ampt empfehet, die Leute zu Leren . . . So ist nu das Erste Ampt, so zu einem Priester gehöret, das er von Gott selbs beruffen, geweihet und gesalbet sey, die leute zu Leren solche lere und wort, das do nicht sein eigen sondern Gottes wort ist; 47, 192, ι ff.: „ . . . die Personen bleiben nicht, sondern sterben, drumb mus man immer naue prediger haben. Das gehet den ohne mittel nicht zu . . . " , d. h. nicht ohne die konkrete Berufung. « 28, 4 7 1 , j ff. 45

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ist die N o t w e n d i g k e i t der V o k a t i o n z u m A m t mit dem ius divinum des konkreten A m t e s überhaupt gegeben, ja, beruht nach Luther geradezu auf einer positiven A n o r d n u n g Christi 4 7 . A b e r auch im Hinblick auf die einzelne Person, die das A m t nun führen soll, und deren subjektive Voraussetzungen beruht die V o k a t i o n z u m A m t auf einer göttlichen N o t w e n d i g k e i t , denn „ G o t t w i l l nichts aus eigener w a l odder andacht, sondern alles aus befelh und beruff gethan haben, sonderlich das p r e d i g a m p t " 4 8 . G o t t selbst setzt den A n f a n g , w i e des Heils so des W e r k s , besonders aber in einem so hochwichtigen A m t , w i e es das P r e d i g t a m t ist. So muß m a n w a r t e n , bis G o t t einen durch Menschen z u m Predigtamt b e r u f t und darf es nicht selbst beginn e n " . L u t h e r f ü h r t hierfür auch R o m . 10, 1 5 an. D a s Predigen kann nur geschehen, w e n n G o t t gesandt hat 50 . Christus muß erst das A m t legen u n d befehlen, anderen zu predigen, ehe dies vonstatten

aufgehen

kann 5 1 . „ S c i t i s " — sagt Luther in einer Predigt v o n 1 5 2 4 über A p g . 1 3 , χ if. — „ q u o d nemo in causa dei agere debet, nisi sit vocatus et ordina" Auf eine weitere Begründung der Notwendigkeit der Berufung ins Amt, nämlich das „Vorhandensein von Menschen . . . , die der geistlichen Nächstenliebe bedürfen" weist H . Storck (a. a. O., S. 32) hin. Vgl. audi W. Eiert, Morphologie I, S. 304 f. 48 31I, 2 1 1 , 31 ff.; vgl. 47, 192, I i ff.: „Drumb wisse ein jeder, das ehr mus gesanth sein, das ist: ehr mus wissen, das ehr beruffen sei, und nicht von sich selbst herein schleiche, sondern öffentlich geschehen. Das heist den eine Sendung von Gott und gesdiiedht gleichewohl durch menschen". — Auf die Analogie zu weltlichen Berufen hinsichtlich der Notwendigkeit einer Berufung bei Luther weist W. Eiert, Morphologie I, S. 304 hin. Vgl. auch V. Vajta, a. a. O., S. 210. ω i o 1 1 ' , 170, 17 ff.: es leyt vil am beruff, denn es sol nyemant dahyn tretten unnd predigen auß eygenem vermessen an befeldi der andern; 23 f.: . . . das sich keiner eindring, ob ims gleich sein andacht eingeh on beruff der anderen; 12, 390, 19 ff.: War ists, Es soll sidi niemant selbs unberuffen zu dem ampt dringen, Aber wenn er beruffen und gefoddert wird, soll er williglich hynan gehen und thun, was seyn ampt foddert; 16, 32, 12 f.; 17II, 263, 16 f.: doch nit ehe, denn w y r werden dartzu gefordert; 17H, 2 j j , 14 ff. 50 17II, 256, 12 ff. — Audi das Sendewort Joh. 20, 21 spielt hier für Luther eine Rolle. Er begründet das Gotteshandeln durch eine menschliche Absolution auch damit, daß der die Absolution Sprechende von Christus dazu gesandt ist: 49, 139, 1 ff.; 140, ι ff.; bes. 140, 4 ff.: ,Ego mitto', commit», heisse euch. Ir solts nicht von eudi selbs thun. Quia vero ex meo geheis, so thue ichs selbs. Vgl. 146, 28 ff.: . . . Gott hat durch jn (nämlich den Pastor bei der Absolution) geredt und solchs gethan, des bin idi gewis, Denn mein Herr Christus hat solchs befolhen und gesagt: .gleich wie Mich der Vater gesand hat, Also sende ich Euch'. Vgl. 141, 4 1 : . . . non auderem ire sine hoc mandato und wüste dir nichts zu helffen und raten. 51 28, 468, 6 ff.; 472, 21 ff.; 49, 612, 13: quis fecit me et alium praedicatorem? . . . Der droben . . . ; 47, 193, 1 1 ff.: niemands gedencke, das Gottes wortt auff erden komme aus menschlicher andacht. Sols gottes wortt sein, so mus gesanth sein. Sonst ists unmuglich, das die heilige schriefft könne verstanden oder ausgelegt werden aus eigener andacht, wilköer. Es giltt nicht, das einer sol reden, und ist nicht beruffen, den Gottes wortt kompt alleine dohehr, das es Gott sendet . . . Wen ehr das Wortt und das ampt nicht gesanth hette, so hetten wir nichts. Darumb so sol man nichts reden noch hören den alleine das wort gottes. 140

tus a Deo, ut possit secura conscientia dicere: Certus sum hoc deum velie et hoc me agere, alioqui non exequatur ñeque consistet neque wirt im gelingen" 52 . N u r wer ordentlich ins A m t berufen ist, kann nach Luther Frucht darin schaffen53. Wer unberufen lehrt, richtet damit nur Schaden an, weil Christus dann nicht mit ihm ist54. Meint jemand auch unberufen predigen zu müssen, etwa eine innerliche Berufung des Geistes dazu zu verspüren, ohne doch äußerlich berufen zu sein, so steht er in einer Verführung des Teufels 55 . T u t er es tatsächlich, so tut er es „mitt frevel" 5 6 , so ist er ein Pseudoprohet57, der nach Jer. 23, 21 läuft, ohne vom Herrn gesandt zu sein58. Er ist dann nicht von Christus, sondern vom Satan gesandt 5 ' und öffnet dem Teufel ein Fenster60. „Summa, die Schleicher und Winckelprediger sind des Teuffels Apostel, da Sanct Paulus allenthalben über klagt" 61 . Das Überspringen und Verachten der ordentlichen Berufung zum Predigtamt ist für Luther das typische Kennzeichen der Schwarmgeisterei. Und diese ist für ihn ein unmittelbar satanisches Phänomen62. Umgekehrt wieder tut nach Luther die vocatio „dem Teuffei sehr wehe" 6 ®. 51 1 7 I , 508, i o f f . ; vgl. 509, 1 6 f f . : E g o praedico in eo nomine, quia ordinatus ad hoc. C u r ego auderem, cum video alios, qui plus spiritus habent quam ego? Sed quia vocor, habeo meam functionem fortiter; 3 3 , 5 5 1 , 1 7 f f . : I d i predige aus befhel und anderer geheiss, sonst predige der T e u f f e i ; B r 10, 436, 7 f . : Quod autem absque vocatione fit, haud Dubie absque fide fit et dissoluitur. 5S

16, 32, 4 f . : U b i deus v o c a t , dringt et zwingt et tum fit opus magnum; 17Π, 262, 1 9 f . : . . . D i e aber gerufïen sind, die thun grosse thaten, sie sind so schwach, gering, eynfeltig, w i e sie wollen. 54 2, 455, 3 f . : Qui . . . non vocatus docet, non sine damno et suo et auditorum docet, quod Christus non sit cum eo; 1 7 1 1 , 259, 1 0 ff. 55 17II, 2 J 5 , 24 ff. 58 1 7 " , 2 J7, 13 f. 57 17I, 360, ι f . : E t haec est natura pseudoprophetarum, quod se intrudunt ad praedicationem; 16 f . ; 17II, 259, 1 2 f . 58 30ΙΠ, 5 2 1 , 20 ff. M 1 7 I , 360, 6 . 2 3 ; 30III, 5 1 8 , 9.18 ff.: Wenn solche Schleicher sonst kein unthettlin an sich hetten und eitel heiligen weren, S o kan doch dis einige stücke (das sie on befelh und ungefoddert komen geschlichen) sie f ü r T e u f f e l s boten und lerer mit gew a l t uberzeugen, Denn der heilige geist schleicht nidit, Sondern fleuget öffentlich v o m himel herab . . . ; 3 1 ; 5 1 9 , 1 1 . 3 2 ff.: A b e r die frembde Schleicher und Meudiler können soldis nicht rhümen und müssen bekennen, das sie frembde herkomen und jnn ein f r e m b d A m p t greiffen und fallen. D a s k a n ja nicht der heilige geist sein, sondern mus der leidige teuffei sein; 38 etc. 60

40I, 61,

16 ff.

61

3 ° n l > 527, 6 ff.; 28, 4 7 2 , 9 ff.: D a r a n erkennet man, welche Christus Apostel und des T e u f f e l s Apostel sind, Nemlich am Beruff und an der Sendung. Christus Apostel werden v o n Christo beruffen und gesand und komen öffentlich. Des Teuffels Apostel sind weder von Gott noch durch Menschen gesand, Sondern schleichen heimlich w i e die Schlangen und Ottern on Beruff und Befelh. 62

V g l . oben S. 22 f . • s T R ι , 34, 18 ff. ( N r . 90).

141

Es steht also für Luther indiskutabel fest: „on Beruff und Befelh sol niemand sich dieses Ampts unter winden" 64 . Daß in der Gemeinde einem jeglichen Freiheit gegeben sei zu predigen und „widder den ordentlichen prediger zu bellen", ist nach Luther „weit weit gefeilet" 65 . „Entweder beweiset den beruff und befelh zupredigen odder kurtz umb stil geschwigen und das predigen verboten" 66 . Daran kann auch der stärkste innere Drang zum Predigen nichts ändern. Si posses totum mundum convertere et scires quoque mortuos excitare, non tarnen debes docere, nisi vocatus fueris et certus sis te vocatum 67 . Die Vokation, deren Notwendigkeit Luther so energisch behauptet, ist in seinem Sinne eine konkrete Berufung in eine bestimmte konkrete, parochial umgrenzte Gemeinde und bezieht sich auf diese. Sie verleiht nicht die Befugnis, überall, auch in anderen Gemeinden ohne weiteres des Amtes zu walten 68 . Die parochiale Struktur der Kirche und der infolgedessen auch parochiale Charakter der Berufung ins Amt steht Luther als göttliche Ordnung so fest, daß er die Überschreitung der Grenzen der lokalen Berufung sogar dann mißbilligt, wenn sie nur erfolgt, um der Irrlehre andernorts zu wehren. Kein Prediger, „wie frum odder rechtschaffen er sey, yn eines Papisten odder Ketzrisschen Pfarhers volck zu predigen odder heimlich zu leren sich unterstehen sol on desselbigen Pfarhers wissen und willen, Denn es ist yhm nicht befolhen. Was aber nidit befolhen ist, das sol man lassen anstehen" 69 . " 28, 479, 33 ff.; vgl. 2, 453, 31 ff.; 8, 2$o, 33 f.; 16, 34, 20 f.: wer aber zum Predigampt hie nidit erwelet ist, der stehet ab und prediget nicht . . . ; 17I, 509, 9 ff.: Sed inter Christianos, ubi Christi nomen est notum, ibi debet sancto spiritui dari honor, ne alius quispiam prae ceteris sibi vindicet provinciam docendi nisi vocatus; 17II, 2 J 7 , 12 ff.; 262, 16 f.; 28, 4 7 1 , 18 ff.: D A stehets, Niemand sol sich unterstehen, die Gewalt Sünde zuvergeben und zubehalten öffentlich zu üben in der Christenheit, Er sey denn dazu gesand und beruffen durch gewissen Befelh. Wer keinen Befelh hat zu predigen, Teuffen, Absolviren, Sacrament zu reichen, Der sey zufrieden und unterstehe sidi sölchs Ampts nicht; 30m, $23, 33 ff.: Solt man nu leiden, das ein frembd land leuffer daher schleichen möcht odder ein Burger unberuffen sich jnn den Rat dringen wolt, den Burgermeister zu straffen odder meistern? Da würde nichts Guts aus . . . ; 524, i f f . : Viel weniger ists zu leiden, das jnn einen geistlichen Rat, das ist jns predigampt odder der Propheten sitz ein frembder sdileidier sich dringe odder ein Leye unberuffen sich des predigens unterwinde jn seiner Pfarrkirchen . . . ; 32, 303, i f f . ; T R I, 400, 24 f. (Nr. 827): Es sol sich keiner nichts untersthen nisi vocatus. "

30III, J 2 2 ) 9 f. ββ 3 0 i n J 2 I > 7 f βτ Jo8j 2off. 40I, 59, 29 ff.: Mihi non licet ire extra hanc sortem meam in aliam civitatem, ubi non sum vocatus, et ibi praedicare, quatenus sum praedicator; vgl. 40I, 59, 12 ff.; 12, 169, 12 f.: Quando enim meum ministerium latius ire me non sinit, quam quo aliena me vocat auctoritas; 16, 34, 14 ff.: . . . wenn ich wolte gen Leipzig gehen und daselbst auff dem Schlos predigen und sagen: ,Der Geist treibet mich, ich mus predigen', das ist unredit; 28, 47$, 20 ff. 69 31I, a n , I i ff.; vgl. 32, 303, i f f . : Solchen schleidlern und Streichern zu weren, solt man schlecht nicht zulassen jemand zu predigen, dem es nidit befolen und das ampt auffgelegt ist, Audi niemand sich unterstehen, ob er schon ein prediger ist, w o 68

142

Luther sieht die Berufung zum konkreten Predigtamt (als parochialem P f a r r a m t ) so im Wesen der Kirche verankert, daß ihm mit derselben die Kirche als organisierte Gemeinschaft gewissermaßen steht und fällt. „Sonst w o man nicht auff dem beruff odder befelh fest stunde und drunge, wurde zu letzt keine Kirche nirgent bleiben" 70 . Auflösung, Z e r trennung und Verwüstung ohne Ende würden die notwendige Folge sein 71 . Es hat die besondere Berufung zum A m t für Luther den C h a r a k ter einer absoluten Notwendigkeit in jeder Hinsicht.

4. Vocatio immediata und vocatio mediata W e n n jemand daherkommt und predigen will, soll nach Luther die Gemeinde fragen: „ W o her kömpstu? W e r hat dich gesand? W e r hat dir befohlen, mir zu predigen? W o hastu sigel und brieue, das du von menschen gesandt seiest? W o sind deine wunderzeichen, das dich Gott gesand hat?" 7 2 Luther unterscheidet hier die Sendung durch Menschen von der Sendung durch Gott, welche letztere nur durch besondere W u n derzeichen ausgewiesen werden kann 7 3 . D a m i t soll aber keineswegs gesagt sein, daß also die erstere A r t der Berufung, die durch Menschen geschieht, nicht auch von Gott sei, vielmehr will Luther damit nur unmittelbare (vocatio immediata) und mittelbare Berufung (vocatio mediata) unterscheiden. „ N u ist z w a y e r l a y beruffung zum predigampt, er einen lugenprediger höret jnn einer papistischen odder andern kirchen, der die leute verfuret, widder jn zupredigen, Auch nicht hin und widder jnn die heuser schleichen und sonderliche winckel predigt ausrichten, sondern daheim bleiben und seines ampts odder predigstuls warten odder still schweigen, wo er nicht wil odder kan öffentlich auff die Canzel treten. Denn Gott wil nicht das man mit seinem wort jrre lauffe, als treibe jemand der heilige geist und musse predigen und also stete und winckelheusser odder predigstüle suche, da er kein ampt hat; 33, 359, 2 ff.: Ich soll unberuffen nicht predigen, ich soll nicht gehn Leipzig nodi gehn Magdeburg gehen und allda predigen wollen, den ich hab dohin keinen beruff noch ampt, und wen ich gleich horete, das zu Leiptzigk lauter Ketzerey gepredigt würde, so lasse sie jmmer hin machen, es gehet mich nicht an, sie predigen, wie sie wollen, ich hab dahin nichts geseet, so darff ich auch nichts einschneidtten; 40I, 60, 10 ff.: etiamsi audiam falsa doceri, seduci, et damnari animas, et ego eas eripere possem ex errore et damnatione, mea sancta doctrina. Sed rem Deo committere debeo, qui suo tempore inveniet occasionem legitime vocandi ministros et dandi verbum. 70

30ΙΠ, J20, 34 ff. 30III, 521, ι ff.; vgl. 38, 49$, 21 ff. 72 3 ° Ι Π . 519. 12 ff·; vgl. 28, 473, 10 ff. 73 Vgl. auch 16, 33, 21 f.: dieser Beruff mus eusserliche zeichen und Zeugnis haben; 17I, 360, 24 ff. — Luther weiß aber sehr wohl auch, daß Wunderzeichen kein absolut zuverlässiges Erkennungszeichen einer göttlichen Berufung sind, denn es können Lügenwunder auch durch falsche Propheten geschehen, darum kommt als weiteres Erkennungszeichen einer unmittelbaren Berufung zu den Wunderzeichen auch die Übereinstimmung der Lehre mit dem Worte Gottes hinzu: 17II, 254, 23 ff. 71

143

aine geschieht on mittel von Got, die andere durch die menschen unnd gleych wol auch von Got"74. Beide Arten der Berufung sind göttlichen Charakters, von der mittelbaren gilt das nicht ein bißchen weniger als von der unmittelbaren". Die Sendung ins Amt auf dem Wege mittelbarer Berufung ist eine soldie „durch menschen und nicht von menschen"78. Luther sieht gerade diese mittelbare Sendung ins Predigtamt durch Menschen in der göttlichen Stiftung des Amtes begründet77, sie hat fundamentum in scriptura78, Gott hat sie geboten und „wen man darzu hulfft, so sendet ehr selbst arbeiter in seinen Weinberg, und dennoch thut ehrs durch menschen"7'. Die in der mittelbaren Berufung handelnden Menschen sind dabei nur Gottes Larven und Werkzeuge80. Luther lehrt also eine duplex vocatio divina81. Zur Unterscheidung der beiden Berufungen nennt er die unmittelbare Berufung auch gerne eine vocatio fidei . . . , quae fit a superiore (audi das „Hohe Senden"82), die mittelbare eine vocatio charitatis, quae fit ab aequali83 (auch fraterna vocatio 84 ). Bei der mittelbaren Berufung kommt für Luther das göttliche Gebot der Liebe ins Spiel85. Der Berufung durch Menschen zu folgen, ist 1 7 " , 254, 22 f.; vgl. auch 25 j , 7 ff.; 38, 493, 39 ff.; T R i , 400, 2$ ff. ( N r . 827). 16, 33, 20 ff.: D i e a n d e r e B e r u f f u n g ist auch Göttlich, aber sie geschiet durch Menschen; 17I, $09, 22 f . : nos v o c a m u r m e d i a n t i b u s hominibus, sed tarnen a D e o ; 26, 5, 8 ff.; 40I, 59, 23: E t haec est v o c a t i o m e d i a t a , q u i a p e r h o m i n e m fit, et tarnen d i v i n a est. — Vgl. R . Josefson, D a s A m t d. Kirche, i n : Ein B u d i v o n der Kirche, B ö t t i n g e n 1951, S. 399. 74

75

7

° 47» 192. 5 f. 47, 191, 38 ff.: D a s a n d e r Senden ist auch w o h l v o n G o t t , geschiecht aber durch menschen u n d mittel, nach d e m das A m p t gestifft ist v o n G o t t , das m a n p r e d i g t , u n d •die gewalt d e r Schlüssel gebraucht w e r d e n . 78 16, 34. ι f. 7 2 ' 47» l92> 7 ff·! v g l · I 2 » 5 f80 Vgl. V. V a j t a , a. a. O . , S. 211 f. K . Tuchel h a t d a r a u f hingewiesen, d a ß L u t h e r m i t d e r Betonung v o n Gottes W i r k e n in der V o k a t i o n „nicht n u r d e n göttlichen O r d nungs-, s o n d e r n auch seinen S t i f t e r w i l l e n in bezug auf das P r e d i g t a m t ausdrücken w i l l " (a. a. O., S. 91). 77

81

40I, 59, 3 ff.

82

47» 191» 36 fT R ι , 400, 25 ff. ( N r . 827); vgl. T R j , 431, 14 ff. ( N r . 5998); 17I, 362, i f f . 13 ff. — L u t h e r f a ß t den Unterschied zwischen u n m i t t e l b a r e r u n d m i t t e l b a r e r Beruf u n g auch in die W o r t e : H o c (sc. voc. m e d i a t a ) est urgere, vocare. A l t e r u m (sc. voc. i m m e d i a t a ) est m i t t e r e : 17!, 362, j . Vgl. 362, 2 0 f f . ( D r ) : Dis heyst geholt, b e r u f f e n u n d getrieben. D a s v o m h y m e l k o m p t , heyst gesand, w e n n der heylig geyst k o m p t u n d gibt zeychen m i t . 83

16, j , 8 ff. Vgl. 16, 3J, 9 ff.: D e r a n d e r beruff, so durch menschen geschiet, ist z u v o r bestetiget durch den b e f e h l G o t t e s auff d e m Berge Sinai. Liebe G o t t , u n d den N e h s t e n als dich selbs. W e n n dich dis G e b o t treibet, so b e d a r f f s t d u keines Zeichens, D e n n G o t t h a t s z u v o r b e f o h l e n , u n d ich m u s es t h u n . . . Also predige ich o n alle zeichen, u n d ist dennoch der beruff Gottes. D e n n er gehet aus d e m gebot d e r Liebe d a h e r u n d 84

85

144

eine Pflicht der brüderlichen Liebe 86 . A b e r zugleich ist darin audi direkt der positive R u f Gottes ins A m t zu hören und zu befolgen. E i n e v o n den beiden A r t e n der B e r u f u n g muß nach Luther der haben, der das P r e d i g t a m t in der Kirche wahrnehmen soll 87 . Allerdings ist keine Verheißung gegeben, daß G o t t heute auch nodi unmittelbar z u m A m t berufen w i l l . D i e unmittelbare Sendung der A p o s t e l ist „ d i e aller l e t z t e " gewesen 88 . Seitdem hat G o t t aufgehört, unmittelbar zu berufen.

Für

heute gilt: Deus v o c a t nos omnes a d ministerium vocatione per hominem, estque d i v i n a vocatio 8 9 . U m diese mittelbare göttliche B e r u f u n g z u m P r e d i g t a m t durch Menschen geht es nun im weiteren unserer U n t e r suchung ausschließlich. Bisweilen führt Luther, den Kirchenvater Hieronymus zitierend, audi eine vierfache Berufung an. So im Galaterkommentar von 1519 und in der Festpostille von 1527: Vier Arten von Aposteln werden unterschieden. 1. Die, welche nicht von Menschen und auch nicht durch Menschen, sondern durch Gott selbst berufen werden wie die Propheten und Apostel, 2. die, welche wohl von Gott, aber durch einen Menschen berufen werden, wie die Apostelschüler und die, die als Bischöfe und Priester den Aposteln legitime sukzedieren, bis ans Ende der Welt, 3. die, welche von Menschen, nicht aber von Gott berufen sind (hier ist an solche zu denken, die durch Umtriebe und Menschengunst eine Berufung erlangt haben), 4. die, welche weder von Gott, noch von Menschen, vielmehr nur durch sich selbst berufen sind wie die Pseudopropheten und Pseudapostel (vgl. Jer. 23, 21) 80 . Zu der vierten Art sagt Luther: Ab hoc malo summe cavendum est 91 .

5. D i e V o k a t i o n durdi die Gemeinde W i r haben festgestellt, daß nach L u t h e r zum konkreten P r e d i g t a m t eine über die allgemeine B e r u f u n g in den Christenstand hinausgehende besondere B e r u f u n g erforderlich ist u n d daß diese nach der Z e i t der Apostel nur noch mittelbar, nämlich „durch menschen an Gottes s t a t " geschieht 92 . W i r f r a g e n weiter: durch welche Menschen? Soviel ist v o n vornherein klar, daß es nur die Menschen sein können, die die Kirche bilden oder in denen die Kirche handelt. D i e Kirche als communio sanctorum ist — w i e w i r oben dargelegt haben 9 3 — bei L u wird von Gott gezwungen; 21 f.: Aber dis ist mein rhum und trotz, das ich weis, das ich recht thue und durch das gebot der liebe dazu beruffen bin. Das ist mein rhum. 86 17I, 362, 15 fï. : . . . Denn ich und du sind das eynander schuldig, Liebe deynen nehisten als dich selbs, So er denn meyn bedarff und foddert mich, so byn ichs schuldig zu thun . . .; vgl. 12, 192, 6 f. 14 f. 87

38. 494, 2 f. 47. 191. 35 ff· ο» 40I, 59. 4 ff00 2, 454, 3 ff.; 17II, 257, 25 ff. " 2, 4J4, 21. 30III, J 2 I , 23. 88

ic

7915 Lieberg, Amt

Ȋ Vgl. oben S. 6$ ff. I45

ther die eigentliche Inhaberin aller Rechte und Gewalten. Sie allein kann das Amt übertragen, ins Amt berufen". Die Vokation zum Amt geschieht im Sinne Luthers immer durò die Kirchen. Das kann aber in concreto verschiedene Gestalt annehmen". Es lassen sich bei Luther zwei verschiedene Gedankenreihen in dieser Hinsicht feststellen. Die eine betont die Berufung durch die Ortsgemeinde auf dem Wege der Wahl, die andere fordert als Berufungsinstanz Personen, die in übergeordneter Amtsstellung sich befinden, durch welche dann die Berufung konkret vorgenommen wird". In beiden Fällen aber handelt in der Berufung die Kirche als communio sanctorum. Wir behandeln zuerst die Vokation durch die Ortsgemeinde. Die Gemeinde als konkrete Erscheinung der communio sanctorum hat Macht und Recht, geeignete Personen in das konkrete Amt zu berufen98, ja, sie hat Befehl dazu". Das Amt ist von Christus gestiftet und es ist sein Wille, daß es bestellt werde durch Vokation. Die Gemeinde kann auch ohne Ausrichtung des Amtes gar nicht leben100. Man darf nicht daran zweifeln, „das die gemeyne, die das Euangelion hatt, muge und solle unter sich selbs erwelen und beruffen, der an yhrer stad das wort lere"101. Indem die Gemeinde das tut, hält sie sich nur „nach der schrifft"10*. Die Vokation durch die Gemeinde sieht Luther als das Gegebene an, weil die Personen für das Amt ja aus der Gemeinde selbst genommen 84

V g l . 2, 194, 8: Haec

minister accipit . . . "

. . . potest claves committere; 2, 196, 26: a qua

tanquam

sacerdos.

V g l . V . V a j t a , a. a. O . , S. 209 f.

D a ß Luther hier nicht einen bestimmten M o d u s z u m unbedingten Gesetz erhebt, ist versdiiedentlich bemerkt w o r d e n . Z . B. A . W . D i e d t h o f f , a. a. O . , S. 174; R . S o h m , Kirchenrecht I, S. 493 ; H . Stordì:, a. a. O . , S. 34. M

,7

V g l . 6, 566, 28 f.: non licere . . . uti nisi consensu communitatis aut v o c a t i o n e

maioris; 38, 493, 40 ff. *8 6, 407, 34 í í . ; 12, 172, 10 f i . : iis, qui credunt et agnoscunt facultas et copia est omnes impíos ministros profligendi et non v o c a n d i et instituendi, quoties placuerit; 38, 252, 1 7 ; 253, 1 ff.; 242, 5 ff.: I d e o Christiana ecclesia semper habet redit und beruff

veritatem, libérrima nisi idoneos et pios 41, 241, 12 ff. 3$ f i . ; da zu.

í í , 4 1 1 , 13 ff.: N i c h t alleyn recht und macht . . s o n d e r n schuldig . . . b e y der seelen selidteyt, y h r e pflicht nadi, die sie C h r i s t o y n n der tauffe gethan h a t t ; 12, 190, 40 f . : ius ac p r a e c e p t u m . 100

I i , 4 1 1 , 22 ff.; 12, 191, 16 ff.

I i , 413, 20 ff.; v g l . 38, 237, I i ff.; 238, 7 f.; 252, 14 ff.: Sölten w i r n u eine heilige Christliche Kirche sein, und die grossten und nottigsten Stüde haben, als G o t t e s w o r t , Christum, geist, glauben, gebet; tauffe, sacrament, schlüssel, a m p t etc. und solten nicht audi das geringst stück haben, nemlidi die macht und redit ettlidie z u m a m p t beruffen, die uns das w o r t , tauffe, sacrament, Vergebung . . . darreichten und drinnen dieneten. W a s w e r e mir das f u r eine K i r d i e . 101

10s

146

I i , 4 1 1 , 28; vgl. 413, 7 ff. 17 ff.

werden103 und dann der Gemeinde dienen104. Die Gemeinde kann selbst am besten über die Eignung ihrer Glieder zum Amt urteilen, weil sie sie am besten kennt. Darum soll sie sie auch selbst berufen105. Jedenfalls aber muß sie ihre Zustimmung zu der Berufung eines Amtsträgers geben108. Mindestens die Zustimmung der Gemeinde zu der Person des Amtsträgers ist auch dadurch gefordert, daß ja alle fratres aequales sind und das allen gemeinsame grundsätzliche Recht des Priestertums nur mit Zustimmung aller von dem einen öffentlich in der Gemeinde ausgeübt werden kann1*". Ist sonach die Berechtigung der Gemeinde zur Vokation klargestellt, so fragen wir jetzt weiter nach Art und Weise derselben. Da stoßen wir auf die entscheidende Bedeutung der Wahl (electio personae). In der Schrift ,An den Adel' 1520 zeigt Luther, wie er sich die Vokation durch die Gemeinde vorstellt. Er führt im Interesse der Klarheit ein extremes Beispiel an: Ist da in einer Wüstenei ein Häuflein frommer (Laien-) Christen, die keinen von einem Bischof geweihten Priester bei sich haben, so erwählen sie einen und befehlen ihm das Amt zu taufen, Messe zu halten, zu absolvieren und zu predigen, und „der wer warhafftig ein priester, als ob yhn alle Bischöffe unnd Bepste hetten geweyhet"108. Hiernach besteht die Vokation aus der Wahl und der Befehlung des Amts durch die Gemeinde. „Alszo lerenn wir ausz dem Apostel (nadi Tit. 1, j) 1M 6, 564, 12: ex nobis electi; 7, 631, 30 fi.; 12, 190, 34®.: Nam hic luce clarius ac fide certius habemus, unde petendi sint sacerdotes seu ministri verbi, scilicet ex ipso grege Christi ac nusquam alibi; 38, 230, 19 f.: nimpt man aus solchen gebornen Pfaffen und berufft odder erwelet sie . . . ; 41, 208, 28 ff.: ausgesondert von dem gemeinen häuften der Christen, nicht anders denn wie man jm weltlichen Regiment ettliche Amptleute welet und setzet aus einer gantzen Bürgerschafft odder Gemeine. 104 2, 248, 36ff.: sanct Peter odder ein priester ist ein diner an den schlüsseln, Die kirch ist die fraw und brawt, der er sol dienen mit der sdilüssel gewalt . . . ; 7, 631, 29 ff. 105 12, 172, 22 ff.; vgl. 2, 231, 2 ff. 16 ff.: Luther führt da zustimmend Cyprians Sätze aus dem 4. Briefe an den Presbyter Felix an, wo dieser die Priesterwahl beschreibt und erklärt, daß es divina auctoritate bestimmt sei, daß der Priester plebe praesente sub omnium oculis deligatur et dignus atque idoneus publico iudicio ac testimonio comprobetur (2, 231, 8 ff.). Das Volk muß dabei sein, weil es das Leben der einzelnen am besten kennt (231, 26 ff.) und ne quis ad altaris ministerium vel ad sacerdotalem locum indignus obrepat (231, 2 j f.). V . Vajta nennt es „eine Selbstverständlichkeit für Luther, dass diese (nämlich die Prediger) durch die Gemeinde selbst aus der Gemeinde geholt werden müssen" ( a . a . O . , S. 210).

Ii, 414, 12 ff.; 12, 172, 22 ff.; 191, ι. Vgl. auch unten S. 1$7. 12, 189, 17 ff. 108 6, 407, 34 ff. — Zu beachten ist allerdings, daß Luther hier die Gemeindebzw. Laienvokation an einem offensiditlidien Notfall illustriert, einen Grenzfall heranzieht, um die äußerste Konsequenz seiner Gedanken aufzudecken. Die Beschreibung der Weihe durch den Bischof im Satz davor zeigt, daß Luther weit entfernt ist, aus einer derartigen Berufung allein durch die Laiengemeinde ein Prinzip zu machen. Im folgenden (408, 1 ff.) wird auf die Nottaufe als auf eine Parallele gewiesen. Auch da ist also deutlidi auf einen Notstand reflektiert. Wie Luther die 106

107

147

klerlich, das in der Christenheit soit alszo zugahenn, dass einn ygliche stat ausz der gemeynn eynen gelereten frumenn burger erwellet, dem selbenn das p f a r ampt beflhe . . ." loe . Den ordo sieht Luther in diesem Zusammenhang als eine A r t des Vollzuges der W a h l und Amtsbefehlung, als xitus quidam eligendi Concionatoris in Ecclesia 110 . V o n exemplarischer Bedeutung ist nun der Vokationsvorgang, wie er von Luther 1523 den Böhmen vorgeschlagen wird, obwohl er ihn nicht zum Gesetz erhoben wissen will 1 1 1 , weil er sich bewußt ist, daß dieser Vokationsakt nur aus dem Glauben heraus geschehen kann 1 ". E r soll getragen werden von solchen, die das Evangelium glauben und bekennen 1 ". Die Wahlhandlung soll nach Luthers Anweisung mit ernstlichen privaten und öffentlichen Gebeten vorbereitet werden. Mit Furcht und Zittern soll die Gemeinde vor dem Gnadenthron Jesu Christi ihre Sünden bekennen und demütig um den heiligen Geist bitten, daß E r wirke Wollen und Vollbringen 1 1 4 . Dann aber soll ein jeder fest glauben, daß Gott gibt, worum er gebeten worden ist, und also gewiß sein, daß jetzt bei der Wahlhandlung nicht menschliches Wollen und menschliche Initiative allein wirksam sind, sondern daß Gott selbst die Wählenden leitet 116 . Die Wahlversammlung soll frei einberufen werden und setzt sich also aus denen zusammen, deren Herzen Gott dazu bewegt hat, an ihr teilzunehmen 11 ". Dann sollen unter Gebet durch Stimmabgabe (comGemeindevokation unter normalen Umständen sieht, geht aus dem Satz 408, 4 ff. hervor: „Auff disse weysze erweleten vortzeyten die Christen ausz dem hauffen yhre Bischoff und priester, die darnach von andern Bischoffen wurden bestetiget on alles prangen". Luther weiß also sehr wohl, daß zur Gemeindewahl normalerweise die bischöfliche Bestätigung hinzutritt. 110 111 '«» 6, 440, 31 ff. 6, $64, 17. 12, 194, 4 ff. 118 12, 192, 24 fr.: Reliquum est ergo, viri clarissimi, ut fide constanti induamini, quo Boemiae vestrae consulatis, fide inquam hic opus est animosa. Nam iis, qui credunt, haec scribimus, qui non credunt, istis non capiuntur. u » 12, 191, 26 f. Vgl. auch W. Walther, Das Erbe d. Reform., Heft 4, Luthers Kirdie, Leipzig 1917, S. 137. 114 12, 193, 22 ff. 30 ff.: Nam si res ista debet feliciter incipi et salubriter perseverare, opus est, ut divina virtute, quam ministrat deus . . . , in vobis fiat. 115 12, 193, 33 ff.: Deinde, ubi sic oraveritis, nihil dubitetis fidelem esse quem rogastis, ut det quod petistis, aperiat pulsantibus, et inveniatur quaerentibus, ut sic certissimi sitis, vos agi in hoc causa, non agere. 118 i2, 193, 3 j f. — P. Brunner (Vom Amt des Bischofs, S. 22 f.) hat darauf hingewiesen, daß der Konvent der Erwählenden hier also von Luther nodi klar vom Volk unterschieden wird. Der Wahlakt wird nicht unbedingt von der Gesamtheit, der numerischen Gesamtheit durchgeführt, sondern von einem Kreis innerhalb der Gesamtheit (S. 23). Brunner sieht in diesem „durch geistliches Urteilsvermögen qualifizierten Kreis" . . . „die ersten Umrisse eines Aufseher- und Regieramtes" sidi abzeichnen (S. 22, Anm. 23). „Jener engere Kreis . . . handelt in der vorausgesetzten Notlage tatsächlich stellvertretend für ,die Bischöfe' " (S. 22 f., Anm. 23). Das ist in der Tat so (gegen Brunotte, a. a. O., S. 94, Anm. 127), wenngleich es noch mehr für den engsten Kreis zutrifft, der sich wiederum aus dem Konvent der Wählenden heraushebt, für die potiores, die den Konfirmationsakt mit Handauflegung vornehmen. 148

munibus suffragiis) einer oder mehrere, die würdig und geeignet sind, ausgewählt werden. Die Erwählten sollen dann von den Angesehensten (qui potiores inter vos fuerint) mit Gebet und Handauflegung bestätigt und der universitas vorgestellt und empfohlen werden und sind dann als rechtmäßige Bischöfe, Diener und Hirten der Gemeinde anzuerkennen117. Solche Vokation durch den consensus communis fidelium, Euangelium agnoscentium ac profitentium ist als unzweifelhaft von Gott geschehen anzusehen118. Man darf aber diesen consensus nicht als einen rein technischen beurteilen. Luther versteht ihn auf dem Hintergrunde des Einswerdens im Gebet nach Matth. 18, 19.20. Es ist hier also ein Gebetsconsensus der Gläubigen, dessen Kraft in der göttlichen Verheißung liegt, die ihm gegeben ist. Handelt Gott durch ihn, so geschieht es in Erhörung eines Gebets und das wiederum in Erfüllung einer Verheißung. Der ganze Vokationsvorgang wird von Luther unter diese Verheißung in Matth. 18, 19—10 gestellt und im Glauben an sie wird die Gewißheit gewonnen, daß Christus selbst in soldier Handlung wirkt 11 *. Bedenkt man dies, daß die Vokationshandlung hier so deutlich vom Gebet her bestimmt ist und ihr göttlicher Charakter auf die Zuversicht der Erhörung gläubigen Gebets gegründet wird, so verbietet sich der Vergleich dieser Wahlhandlung mit der demokratischen Wahl, in der einfach technisch die Mehrheit entscheidet. Diese von Luther hier beschriebene Wahl ist ein durch und durch pneumatisches Phänomen und verschließt sich jeder Parallelisierung mit äußerlich ähnlichen Vorgängen im säkularen Raum. Betrachtet man den ganzen Vokationsvorgang, den Luther hier den Böhmen empfiehlt, unter dem Gesichtspunkt, wo in ihm das Entscheidende vor sich geht, so ergibt sich als der Punkt, an dem die Person des zukünftigen Amtsträgers von dem Vokationsakt sozusagen ergriffen wird, die unter Gebet geschehende Wahl und als der Akt, durch 117

12, 1 9 1 , 22 ff. und 193, 35 ff.

118

12, 1 9 1 , 2$ ff.: . . . indubitata fide credendo, a deo gestum et factum esse, quod hac ratione gesserit et foecerit consensus communis fidelium, Euangelium agnoscentium ac profitentium; vgl. 195, 4 ff.: Quare nihil est, quod dubitetis, quod vos esse Ecclesiam dei, etiam si tantum decern vel sex essent, qui verbum habent. Quicquid autem ii fecerint in hac causa, etiam consentlentibus caeteris, qui verbum nondum habent, plane Christum fecisse certum est, modo cum humilitate et orationibus rem gesserint. — W . Eiert (Morphologie I, S. 303 f.) hat darauf hingewiesen, daß „gerade aus der Beteiligung der Gesamtheit der Gläubigen und Bekennenden die Gewißheit folgt, daß der Einsetzungsakt von Gott geleitet und vollzogen sei". Der consensus fidelium sei gewissermaßen die Bürgschaft dafür, daß hier -wirklich Gott beruft. Dabei muß aber der von uns im folgenden erwähnte Gesichtspunkt des Gebetes beachtet werden. " * 12» 1 9 1 . 32 ff· u. 192, 34 ff. Vgl. allgemein zum Gebet der Gemeinde 49, 593, 2 j f.: . . . das Gebet ist nirgend so krefftig und starck, als wenn der gantze hauffe eintreditiglidi mit einander betet; $94, 16: wie viel mehr sol sidi der zusagung trösten eine gantze Gemeine der Christen, wenn sie eintrechtiglidi mit einander in Christi namen etwas bittet.

149

den diese Wahl endgültig und öffentlich ratifiziert wird, die gottesdienstliche Bestätigung mit Gebet und Handauflegung der potiores, der mit der Amtsbefehlung konform zu sehen ist, von der in der Schrift ,An den Adel* die Rede war. Luther nennt diesen Vokationsvorgang einen liberum et Apostolicum ritum instituendi sacerdotii 1 2 '. Er w i l l nicht, d a ß er überall gewaltsam eingeführt w i r d , weil zum Glauben niemand gezwungen werden s o l l " 1 . Das Beispiel derer, die ihn in Gebraudi nehmen, soll andere allmählich zur Nachahmung reizen 122 . Wenn viele Städte sich auf diese Weise Bischöfe gewählt haben, dann sollen diese Bischöfe unter sich einen oder mehrere z u m erzbischöflichen Visitationsamt erwählen. So soll Böhmen wieder z u einem legitimen evangelischen Erzbistum werden 1 2 3 . Luther will also durch diese notweise aus der Gemeinde heraus geschehende Amtsbestellung nichts weniger als die bisdiöflidie Verfassung der Kirche aufheben 1 2 4 .

Das gleiche Bild einer Vokation durch die Gemeinde bietet sich uns in einer Predigt von 1524, in der Luther sagt: Si . . . scimus pium hominem, extrahimus eum et damus in virtute verbi quod habemus, auctoritatem praedicandi verbum et dandi sacramenta. Hoc est ordinare125. Wahl und Befehlung des Amts machen auch hiernach die Ordination zum Amt, d. h. hier die Bestellung des Amtes aus126. Luther sieht in dieser Predigt dje Wahl als den grundlegenden A k t an. Si ergo concordes fimus, ut ille ordinetur vel alius ad officium, certo est ordinatus 1 ". Die Wahl der Gemeinde kann nach Luther unter Umständen audi dann rechtskräftig sein, wenn eine bischöfliche Bestätigung ausbleibt. Will nämlich ein dem Evangelium feindlicher Bischof die Wahl eines rechtgläubigen Predigers nicht bestätigen, so ist es Luthers Meinung — vorausgesetzt, daß die Wahl christlich legitim geschehen ist — , „das der selb dennoch bestettiget sey durch den gemeyne beruffen" 128 . In der Schrift ,Von der Winkelmesse und Pfaffen weihe' 1533 sagt Luther: 120 12, 194, 21 f.; vgl. 12, 192, 3J f.: diese A r t Bisdiöfe zu wählen ist antiquissima et ex emplis Apostolorum suorumque discipulorum probata. Luther legt W e r t darauf, d a ß die Vokation in der Kirche nach apostolischer Weise vorgenommen wird. V g l . 2$, 17, 13 ff.: N o s apostolico ritu vocamur sumusque Episcopi.

12, 194, 4 ff. 12, 194, 12 ff. 123 12, 194, 14 ff. 124 V g l . besonders auch unten S. 15 y ff. 1 2 5 i j , 721, 3 ff. 128 Die Nebeneinanderstellung dieser beiden Elemente, W a h l und Amtsbefehlung, ist bei Luther immer wieder zu beobachten: 6, 407, 37 f.; 440, 32; I i , 413, 22 ü. 414, 3 f.: erwelen und beruffen; 16, 35, 36: erweleten und beruffeten; 38, 236, 32: durch unser erwelen und beruffen; 41, 210, 16 f.: etliche . . . welen, denen solche A m p t befolhen werde; Enders 11, 40, 19: eligere et constituere; 41, 55: vocatio et electio (Zur Frage, o b dieser T e x t als Luther-Text anzusprechen ist, vgl. unten S. IJ8 f., Anm. 177). 121

122

15, 721, 8 f.; vgl. 12 f.: Ex ordinatione constituitur auß der w a l . . . I i , 414, 14 f. 32 f , ; 41J, 13 f.: W a r u m b sollt nicht auch eyn Christlich gemeyne eyn prediger machen alleyn durch y h r beruffen. 127

128

150

W e n n die Bischöfe die evangelischen Prediger nicht bestätigen wollen, v i e es ihnen v o n uns o f t angeboten w o r d e n ist, dann wollen w i r sehen, „ w i e w i r P f a r r h e r r n und Prediger kriegen aus der T a u f f e u n d Gottes w o r t , on jren Cresem, durch unser erwelen und beruffen geordiniret und bestetigt" 1 2 9 . D i e "Wahl und B e r u f u n g durch die Gemeinde ist im N o t f a l l auch ohne bischöfliche Bestätigung gültige V o k a t i o n . E s muß aber stark betont werden, daß dies nur für den N o t f a l l zutrifft 1 3 0 . E s ist überhaupt bezeichnend, daß L u t h e r v o n der V o k a t i o n durch die G e meinde immer da spricht, w o ihm die N o t l a g e v o r A u g e n steht, die dadurch entstanden ist, daß die rechtmäßigen römischen Bischöfe die V o k a tion und Einsetzung rechter evangelischer Prediger verweigerten 1 8 1 . D a s gilt besonders v o n den Schriften an die Böhmen (de instituendis ministris) und die Leisniger (,Daß ein christliche V e r s a m m l u n g oder

Ge-

meinde Macht und Recht habe usw.') 1 3 2 · Beide Schriften behandeln die Predigerberufung in dieser konkreten N o t l a g e und beziehen sich thematisch auf dieselbe 133 . Z w a r w i r d in ihnen das Recht der Gemeinde P r e diger zu berufen als ein Grundrecht und nicht lediglich als ein N o t standsrecht gelehrt 1 3 4 , aber doch w i r d die praktische

Anwendung

Rechts in Gestalt der L a i e n v o k a t i o n v o n Luther da nur im Hinblick den Notstand

dieses auf

gefordert 1 3 5 . L u t h e r hat sich auch durch die vorliegenden

schwierigsten N o t s t ä n d e nie dahin drängen lassen, die V o k a t i o n durch die Gemeinde grundsätzlich und generell zu verlangen 1 3 8 . " · 38, 236, 30 ff., auch 17 ff. Vgl. F. J . Stahl, a. a. O., S. 102 f. 131 Vgl. auch den Streit um die Besetzung der Altenburger Predigerstellen und Luthers Haltung dabei, wovon K . Müller, Kirche, Gemeinde, Obrigkeit nach Luther, Tübingen 1910, S. 103 ff. beriditet. 13î Dieser Umstand wird ganz übersehen bei G. Rietschel, Luther und die Ordination 1889, S. 43. Wiederum weist nachdrücklich darauf hin W. Walther, Luthers Kirche, S. 137 f. und V. Vajta, a. a. O., S. 209, auch schon G. Plitt, Einleitung in die Augustana II, Erlangen 1868, S. 375 f. 1S0

133 12, 1 7 1 ff.; Ii, 4 1 1 , 13 ff.; 413, 10 f.; 414, 3 ö S . : Nu aber zu unsern zeytten die nott da ist und keyn Bischoff nicht ist, der Euangelisch prediger verschaffe . . . 134 Darin haben G. Holstein (Grundlagen des ev. Kirchenrechts, Tübingen 1928, S. 96) und W. Trillhaas (Die luth. Lehre ,De potestate ecclesiastica', Zwischen den Zeiten 1 1 . Jg. 1933, S. 503, Anm. 13) sicher richtig gesehen. 135 Es ist daher Theod. Kliefoth zuzustimmen, wenn er schreibt: „Man sollte endlich aufhören, auf diesen Brief (an die Böhmen) als auf eine Art Magna Charta oder Kirchengrundgesetz der lutherischen Kirche zu provociren", rede er doch von dem, was nicht in der Ordnung, sondern in äußerster Not zu geschehen habe (Liturg. Abhandlungen I, i8j4, S. 365 f.). Vgl. W. Löhe, Neue Aphorismen, Ges. Werke, Bd. V. ι , S. 549 ff. 136 So urteilt auch Brunotte, a. a. O., S. 179.182. Vgl. A. L. Richter, Geschichte d. ev. Kirchenverfassung i. Deutschld., Leipzig i 8 j i , S. 16, der es „eben nur einen Irrthum" nennt, „wenn in der neueren Zeit die Forderung des freien Wahlrechts der Gemeinden sich auf die Aeußerungen Luthers berufen hat, um für sich die Autorität seines Namens zu gewinnen". Vgl. auch K . Holl, Luther, S. 378: Luther folgere

IJI

6. D i e V o k a t i o n durch geistliche A m t s t r ä g e r D i e V o k a t i o n unmittelbar durch die Gemeinde ist f ü r Luther nur eine Gestalt der V o k a t i o n und er spricht v o n ihr eigentlich nur i m Hinblick auf den N o t s t a n d . Praktisch steht bei ihm stärker im V o r d e r g r u n d die andere Gedankenreihe, die die Vokation

durch übergeordnete

Amtsper-

sonen vorsieht, durch welche Luther dann natürlich auch die Kirche h a n deln sieht 137 . K o m m t irgendeine Privatperson daher und beruft mich z u m Predigen, so darf ich solcher p r i v a t a v o c a t i o nicht folgen, quia per hoc aperitur fenestra ministris Satanae 1 3 8 . D i e V o k a t i o n , soll sie eine rechte sein, durch die Gott

w i r k t , muß v o n Personen erfolgen, die in

rechtmäßiger, amtlicher Funktion stehen 139 und insofern v o n der G e samtheit und dann auch v o n G o t t d a z u autorisiert sind 140 . Personen, die öffentliche Ä m t e r bekleiden, kommen d a f ü r in Betracht 1 4 1 . E s muß sich um homines in sublimitate v e l autoritate constituios handeln 1 4 2 , so daß die B e r u f u n g jedenfalls eine v o c a t i o maioris ist, die B e r u f u n g eines in höherer A u t o r i t ä t und Machtbefugnis Stehenden 1 4 3 . Solche in höherer und öffentlicher Amtsstellung stehende Personen, die also die V o k a t i o n im N a m e n der Kirche durchzuführen berechtigt w ä r e n , können nun nach L u t h e r geistliche

oder

weltliche

Amtsträger

sein, also entweder

die

Bischöfe oder die Fürsten, b z w . Magistrate oder Patrone 1 4 4 . W i r behandeln hier zunächst die Vokation

durch

Bischöfe

bzw.

geistliche

Amts-

träger. nicht, „daß jede Gemeinde das Pfarrwahlrecht haben müsse". Auch F. J . Stahl, a. a. O., S. 105. — W. Eiert hat gezeigt, daß Luther die Berufung wohl zunächst als von der Ortsgemeinde ausgehend versteht, doch aber sie nicht an diese ausschließlich bindet, vielmehr durchaus den größeren Kirchenverband und die Verantwortung desselben für die einzelnen Ortsgemeinden als das Normale im Auge hat (Morphologie I, S. 305 f.). Eiert setzt dies besonders an Luthers Gedanken über die Weiterentwicklung Böhmens in Richtung auf die Wiederherstellung des Erzbistums Böhmen mit der Visitationsbefugnis der maiores unter den Bischöfen ins Licht (a. a. O., S. 306 f.). Auch macht Eiert darauf aufmerksam, daß alle Vorschläge Luthers über die Durchführung der Einrichtung des Pfarramts seitens der Ortsgemeinde „aus Erwägungen der Zweckmäßigkeit" stammen. „Sie können also nicht als Bestimmungen eines göttlichen Verfassungsrechtes der Kirche bewertet werden" (a. a. O., S. 324). 137

Die Darstellung R. Seebergs, Dogmengeschichte IV. 1, Die Lehre Luthers, 1917» S. 292 f. erweckt den Eindruck, als habe Luther nur die Berufung durch die Gemeinde gelehrt. Das gibt ein falsches Bild. Die Wahl des Predigers durch die Gemeinde ist eine Möglichkeit bei Luther, aber nicht die einzige und gar nicht einmal die vorherrschende158

40I, 61, 16 ff. · 40I, 61, ι j f.: per os hominis, qui est in functione legitima. 140 Vgl. W. Eiert, Morphologie I, S. 304. 141 40 1 , 61, j f.: qui gerunt publica officia. 38, 493. 4 ° f. 143 6, j66, 28 f. 144 3«. 493. 40 ff13

Luther weiß aus der Schrift, daß die Apostel Diener ins Amt berufen haben" 5 . Sie haben von Christus Befehl dazu gehabt, das konkrete Amt in der Gemeinde zu bestellen, Bischöfe und Presbyter einzusetzen, und Christus hat auch verheißen, durch ihr Berufen selbst wirksam zu sein140. Die Apostelschüler, besonders Timotheus und Titus, haben auf der Apostel Geheiß hin ebenfalls Presbyter eingesetzt. Luther geht an den Stellen des Neuen Testaments, die dies zeigen, nicht vorbei147. Tit. i, 5 z. B. versteht er so, daß Paulus dem Titus hier sage: Si vides civitates, in quibus non sunt parochi, tu constitue et ordina presbyteros . . .148, . . . Imitare formam meam, vidisti me ordinare in singulis civitatibus aliquot presbyteros, sic et tu149. Luther anerkennt selbstverständlich die Rechtmäßigkeit soldier Vokationen durch die Apostel bzw. andere geistliche Amtsträger im Neuen Testament, ja er zeigt sogar das Vorhandensein einer Sukzessionskette auf, die von den Aposteln bis auf unsere Zeit und darüber hinaus bis zum Jüngsten T a g reicht: Die Apostel sind unmittelbar von Christus selbst berufen, Apostoli postea vocaverunt suos discípulos, ut Paulus Timotheum, Titum etc, Qui deinde Episcopos, ut Tit. ι., Episcopi suos successores vocaverunt usque ad nostra tempora et deinceps usque ad finem mundi150. Ohne daß man aus dieser 1 4 5 38, 494, ι ff.; vgl. 12, 387, 1 0 f f . : (zu i . P e t r . 5, i f f . ) St. Peter und die anderen Apostel haben, wenn sie in eine Stadt gekommen wären, w o Christen waren, da „eynen alten man odder zween, die sich redlidi hielten, w e y b und kind hatten und verstendig waren y n n der sdirifft, auffgeworffen . . . die hat man geheyssen Presbyteros". 148 49, 140, 32 ff.: Ideo mitto, ut curratis per totum mundum et constituatis alios praedicatores, qui auch lauffen, predigen und thun, quod ego et vos usque ad finem mundi; vgl. 47, 192, j ff. 147 V g l . I i , 413, 23 ff. 148 25, 16, 13 ff.; vgl. 21 f.: Primum in genere committit T i t o , ut constituât presbyteros, deinde praescribit quales. » · 2 J, 17, 16 f. 150 40I, 59, 18 ff. (Dr). — In dieser Äußerung lehnt Luther sich offensichtlich an eine Hieronymusstelle an, die er im Zusammenhang der Besprechung der verschiedenen Arten der V o k a t i o n gern und ohne jede K r i t i k an dem darin enthaltenen Sukzessionsgedanken anführt, vgl. oben S. 14$. Die 2. A r t der Berufung ist da die Berufung durdi Menschen, aber doch von Gott w i e bei den discipuli Apostolorum, et qui in finem mundi legitime succedunt Apostolis ut Episcopi et sacerdotes. Et hoc genus sine primo non potest consistere, a quo habet exordium (2, 454, 6 f.). V g l . das gleiche deutsch: „ . . . als die Jüngere der Aposteln und alle, so biß anß ende der weit an stat der Apostel rechtschaffen inn das predigampt tretten, als Bisdioffe und Priester. U n d dise künden an die ersten nicht seyn, v o n wölchenn sie jren anfang haben" (17 1 1 , 257, 29 ff.). D i e gleichen Gedanken begegnen aber auch sonst bei Luther in Luthers eigenen Worten: vgl. jo, 634, 11 ff.: „ H a b e n nu die Apostel, Evangelisten und Propheten auffgehöret, So müssen ander an jre stat komen sein und nodi komen bis z u ende der weit. Denn die Kirche sol nicht auffhören bis an der weit ende, darümb müssen Apostel, Evangelisten, Propheten bleiben, sie heissen auch, wie sie wollen oder können, die Gottes wort und werck treiben". In diesem Zusammenhang will auch das beachtet sein, d a ß Luther von den Dienern am W o r t , den Pfarrern

153

S t e l l e die L e h r e v o n einer Weihesukzession i m spezifischen S i n n e o d e r gar

von

einer

Notwendigkeit

einer

solchen

bei

Luther

herauslesen

k a n n 1 5 1 , muß m a n d o d i konstatieren, daß L u t h e r hier den kontinuierlichen

Zusammenhang

Amtsträger,

einer

Kette

von

Vokationen

durch

geistliche

die v o n den A p o s t e l n ausgeht u n d über die G e g e n w a r t bis

z u m Jüngsten T a g e reicht, v o r A u g e n hat 1 5 2 . A u c h v o n daher w i r d es z u verstehen sein, daß L u t h e r n o r m a l e r w e i s e stets d a v o n ausgeht, daß eigentlich

die Bischöfe, die geistlichen A m t s t r ä g e r , f ü r die E i n s e t z u n g

neuer ministri v e r b i sorgen sollten, sei es, daß sie diese selbst b e r u f e n o d e r doch die B e r u f u n g durch die G e m e i n d e bestätigen. E r läßt diese Möglichkeit der V o k a t i o n durch die Bischöfe nicht n u r frei 1 5 8 , sondern sieht sie eben so als das G e g e b e n e u n d N o r m a l e an, daß er v o n

der

a n d e r e n Möglichkeit, der B e r u f u n g allein durch die Gemeinde, als einer

und Predigern als den 'successores' oder .Nachkamen' der Apostel spricht: 2 1 , 284, I i ff.: Aposteln und derselben nachkomen, Pfarrer, Prediger, Lerer . . . ; 28, 4 7 1 , 5 ff.: Nachkomen (der Apostel); 38, 494, i f f . : successores; 4 1 , 123, 35: Apostel und jre nadikomen; 49, 145, 18 f.: Ir Apostel und ewre Nachkomen bis zur weit ende. — Es ist in Luthers Sinn, was Simon Sdiöffel (Das Predigt- u. Hirtenamt, in: Credo ecclesiam 1930, S. 207) schreibt: „Wohl aber gibt es eine ununterbrochene Linie des Amtes, des Auftrages, das Evangelium zu verwalten, von den Aposteln her. Von Geschlecht zu Geschlecht ist dieser Auftrag weitergegeben worden und so das Amt lebendig geblieben". 181 Luther teilt nidit die römische Auffassung von der Notwendigkeit einer ordinaria successio, verwirft sie vielmehr: 53, 74: . . . Sic in Ecclesia non facit successio Episcoporum Episcopos, Sed Dominus solus est Episcopus noster, suscitans Episcopos, ubi, quos, quando vult, ut in Hieronymo, Augustino, Huß et nobis videmus, neglecta successione, quam iactant Papistae. 152 Der gleiche Gedanke liegt vor, wenn Luther zu Gal. 1, 1 f. (nicht von Menschen berufen) äußert: Quae omnia eo tendunt, ut videas, quanta cura Christus ecclesiam suam instituit atque munivit, ne temere quisquam docere praesumeret, nisi ab ipso vel a se missis missus sit (2, 453, 31 ff.; vgl. 1 7 ! ' , 257, 12 ff.). Die Sendung zum Amt geschieht entweder von Christus selbst (wie in der unmittelbaren Berufung) oder von denen, die von Christus gesandt sind. Damit meint Luther die Apostel bzw. deren Nachfolger, also alle rechtmäßig berufenen Amtsträger. Hiernach hat Christus eine Vokation durch Amtsträger in seiner Gemeinde vorgesehen. Vgl. auch 47, 192, $ ff.: Do ist denn eine andere Sendung, die ist den durch menschen und nicht von menschen. Also sindt wir gesandt und wir erwehlen andere auch und setzen sie in •das ampt, das sie predigen und die Sacramente reichen". Auch hier kennzeichnet Luther als Voraussetzung der Legitimation zum Senden anderer ins Amt die eigene Sendung. — Audi H . Storck hat diese Gedanken bei Luther wahrgenommen, vgl. a . a . O . , S. 29: „Luther kennt eine sukzessive Aufeinanderfolge von geistlichen Ämtern". 15S Vgl. 8, 502, 37 ff.: Christliche Bisschoff sind ehrlich und ehelich, betagte, tapffer menner, gelert ynn dem wort der warheytt, viel yn eyner Stadt, wildie von den nehisten, umbliegenden Bisschoffen odder von yhrem volck erweit sind . . . Diß ist •eyn gottlich urteyl unnd des heyligen geystis form und weyße, Bisschoff tzu setzen; lat.: 8, 429, 6 ff.

iS4

praktisch auszuführenden nur im Blick auf ausgesprochene Notfälle spricht154. Daß dann im Verlaufe der Entwicklung die Vokation durch Bischöfe doch tatsächlich mehr und mehr unterblieb und an andere Instanzen überging (zumal an die Obrigkeit), lag einzig und allein daran, daß die römischen Bischöfe sich nicht der Reformation anschlossen, vielmehr zu Feinden des Evangeliums wurden und damit auch nicht mehr als Apostelnachfolger anerkannt werden konnten. „Wenn unßere Bischoffe und Epte etc. an der Apostel stat sessen, wie sie sich rhumen, were das wol eyn meynung, das man sie ließe thun, das Titus, Timotheus, Paulus und Barnabas thetten mit priester eynsetzen etc" 155 , wo sie aber jetzt Wölfe geworden sind, die das Evangelium nicht lehren wollen, und an des Teufels Statt sitzen, „so gehet sie das predigampt und seel sorge unter den Christen tzu beschicken eben ßo viel an als den turcken und die Juden. Esell sollten sie treyben und hund leytten" 150 . Nur weil „zu unsern zeytten die nott da ist und keyn Bischoff nicht ist, der Euangelisdi prediger verschaffe, gillt hie das exempel von Tito und Timotheo nichts"157. Es war die Häresie der römischen Bischöfe, die hier andere Instanzen als Notbehelf ins Spiel brachte und im evangelischen Lager Lösungen zeitigte, die nicht Luthers eigentlichen Intentionen entsprachen. Wie stark und grundsätzlich Luther für die Amtsbestellung durch Bischöfe war, zeigt sich besonders daran, daß er von sich aus die Vokation durch geistliche Amtsträger (Bischöfe) im zweiten Gliede da vorgesehen hat, wo sie im ersten Gliede nicht von solchen erlangt werden konnte und durch die Gemeinde selbst vorgenommen werden mußte158. 1 5 4 V g l . audi Jul. Köstlin, Luthers Lehre v o n der Kirche, 1853, S. 77. — Bei Brunotte ( a . a . O . , S. 180f.) ist dies nicht genügend hervorgehoben. Es ist im Hinblick auf Luther zu wenig, wenn Brunotte sagt: „ D i e Berufung kann aber u. U . auch erfolgen durch kirchliche Obere, d. h. also durch Bischöfe, die nach der bestehenden kirchlidien Rechtsordnung für die Berufung von Amtsträgern zuständig sind" (S. 180). Luther läßt diese Weise der Berufung nicht nur als u. U . auch möglich frei, sondern sieht sie als die normale, eigentlich gegebene an.

413, 28 ff. 413, 31 f f . 1 5 7 I i , 414, 30 ff. V g l . V . V a j t a , a . a . O . , S. 209. 158 Luther erwähnt in der Schrift an die Böhmen auch die Möglichkeit, daß die Böhmen sich durch den v o n einem papistischen Bischof geweihten Priester Gallus Cahera die neuen ministri berufen und bestätigen lassen könnten, sieht diese aber nur für den Fall vor, daß die Böhmen zu dem von ihm vorgeschlagenen freien und apostolischen Ritus instituendi sacerdotii zu schwach seien und ihn nicht ins W e r k z u setzen wagten (12, 194, 21 ff.). Das sieht so aus, als wäre Luther grundsätzlich nichts daran gelegen, daß die V o k a t i o n durch geistliche Amtsträger geschieht, als sehe er dies nur als Zugeständnis an die Glaubensschwachheit und Skrupulosität der Böhmen an. Jedoch wäre das eine Fehlinterpretation. Die mögliche Glaubensschwachheit der Böhmen sieht Luther nicht darin, daß sie noch meinen, eigentlich müßten Amtsträger von Amtsträgern eingesetzt werden, sondern darin, daß sie noch auf die Weihe von papistischen Bischöfen bei dem, der beruft und bestätigt, W e r t legen könnten. Vgl. 155

Ii,

156

Ii,

155

So schreibt er an die Böhmen, die Gemeinde habe — in der gegebenen Notlage — Recht und Pflicht, das A m t communibus suffragiis einem oder mehreren vice sua zu übertragen, fährt dann aber fort: Et illi deinceps aliis, accedentibus eisdem suffragiis 159 . Werden also audi jetzt im ersten Gliede die neuen ministri erst von der Gemeinde gewählt und eingesetzt, so sollen dann doch diese so berufenen neuen Amtsträger selbst hinfort weitere Amtsträger berufen, nicht also wieder die Gemeinde180. Die Gemeinden sollen bei solchen weiteren Berufungen durch die neugewählten Bischöfe nur mittels ihrer suffragia an ihrem Teile mitwirken. Auch hier wird die Vorstellung einer Vokationssukzession sichtbar, in die Luthers Gedankengang schließlich einmündet. Als Leitbild steht ihm ein evangelisches Erzbistum Böhmen vor Augen, in welchem evangelische Bischöfe auch die Diener am W o r t berufen. Das Ziel, das er am liebsten in Böhmen erreicht sehen würde, wäre dies, daß ganz Böhmen zurückkehren würde ad legitimum rursus et Euangelicum Archiepiscopatum 191 . Aus Luthers Ratschlägen an die Böhmen ist deutlich zu ersehen, daß er eigentlich die bischöfliche Konstitution der Kirche und auch die bischöfliche Vokation der Pfarrer als das Legitime, Normale, am meisten Wünschenswerte beurteilt162. In diesem Zusammenhang muß audi nochmals hingewiesen werden auf die H a l tung, die Luther gegenüber dem Rat von Zwickau einnahm, der 1 5 3 1 ohne Hinzuziehung des Parodius der Stadt, des Pfarrherrn Nik. Hausmann, den Prediger Soranus ab- und einen anderen eingesetzt hatte 163 . Luther spricht da deutlidi und ohne Einschränkung aus: Quid enim aliud est concionatores deponere et sübstituere, quam pastorem esse velie et ministerium verbi sibi assumere? A t hoc isti sacrilegi faciunt 1 8 4 . Luther sieht hier die Ein- und Absetzung von Predigern als eine Funktion des Pfarr12, 194, 23 ff.: . . . permittamus, ut iam ordinatos ab Episcopis papisticis accipiatis, scilicet Galium ilium vestrum et sui similes, et utamini illis vice Episcoporum papalium, ut illi vocent et eligant atque confirment . . . Man vgl. auch 12, 172, 9 f., w o Luther die Meinung, daß es notwendig wäre, von papistiscben Bischöfen geweihte Priester zu haben (die ja die Böhmen veranlaßt hatte, ihre Priesterkandidaten nach Italien zu schicken) als Schwachheit und Skrupulosität bezeichnet. Auf der anderen Seite sieht Luther es durchaus als Pflicht eines evangelischen Bischofs an, Priester zu ordinieren, und zwar als voce apostolica vorgeschrieben (Br. 1 1 , 156, 25 ff.; vgl. unten S. 221, Anm. 284). Deutlich ist hier nur so viel, daß Luther für die Vokation durch geistliche Amtsträger kein unbedingtes ius divinum annimmt. 159

12, 1 9 1 , 2. Das ist bisher meist nicht gebührend berücksichtigt, vielfach ganz übersehen worden. So z. B. bei W. Walther, a. a. O., S. 125 f., auch bei W. Eiert, Morphologie I, S. 297 ff., findet sich kein Hinweis darauf. Deutlich hervorgehoben hat dieses Moment bei Luther aber schon W. Löhe, Neue Aphorismen, Ges. Werke Bd. V . 1 , S. 551. 161 12, 194, 18 ff. Diese Stelle hat F. Lezius nicht beachtet, als er urteilte (Gleichheit und Ungleichheit, Gütersloh 1895, S. 316), Luther habe niemals an eine protestantische Episkopalverfassung gedacht. 162 Vgl. K . Müller, Kirche, Gemeinde u. Obrigkeit nach Luther, Tübingen 1910, S.60. 165 Vgl. oben S. 130. 164 Br 6, 79, 88 ff. m

156

amts, des ministerium verbi, und die Vornahme dieser Funktion durch andere (in Verbindung damit, daß dieser A k t willkürlich geschah) als sakrilegische Anmaßung an. Vorausgesetzt ist hier natürlich, daß der Pfarrer ein treuer Diener des Wortes ist, nidit Feind des Evangeliums. Man muß natürlich auch bemerken, daß es sich hier nicht direkt um die Bestellung des Pfarramtes handelt, sondern um die Berufung zu einem untergeordneten Predigeramt, das dem Pfarrer unterstellt -war. Immerhin ist es das ministerium verbi. Luther sieht den Pfarrer als den Ortsbischof an, dem die Kirche befohlen ist. Ohne ihn darf nichts unternommen werden, audi und gerade keine Einsetzung oder Absetzung v o n ministris verbi: N a m tibi est Ecclesia eredita, ideo sine te non licet ulli earn regere 105 .

Wenn Luther für die bischöfliche Vokation eintritt, so will er die Gemeinden dabei keinesfalls ausgeschaltet und mundtot gemacht wissen. Sie sollen ihre suffragia geben und der Bischoff soll niemand „on der gemeyn wal, will und beruffen" einsetzen168. Aus Apg. 6, ι ff.* entnimmt Luther, daß auch die Apostel nicht ohne die Stimme der Gemeinde Amtsträger eingesetzt haben167, ebensowenig dann Timotheus und Titus168. Immerhin rechnet Luther auch mit dem Notfall, in dem der Bischof ohne die Gemeinde zu hören, einen Amtsträger einsetzen kann, damit die Seelen nicht verderben „aus mangel gottlichs worts" 16 '. In der Schrift ,Contra Henricum Regem Angliae' 1522 sagt er von der Vokation und Institution eines Amtsträgers: sive hoc fiat autori tate unius Apostoli vel pontificis sola, vel populi eligentis et consentientis simul, nihil refert. Quamquam rectius fiat populo eligente et consentiente170. Das ,nihil refert' zeigt, daß Luther hier ein ius divinum für die Wahl und Zustimmung der Gemeinde nicht annimmt. Diese Äußerung dürfte aber verhältnismäßig isoliert dastehen. Abgesehen vom Notfall verlangt Luther sonst stricte die suffragia der Gemeinde171. »» Br 6, 77, 34 f. 166 Ii, 414, 12 f.; vgl. 2 ff.; 12, 172, 22 fi.; 192, 2. V g l . auch K . Holl, Luther, S. 378. 1 , 7 I i , 414, 22 ff. 2 j ff.: So nu eyn soldi ampt, das nur über zeyttlidi narung auszuteylen, die Aposteln nidit thursten v o n eygener uberkeyt eynsetzen, W i e sollten sie so kun gewesen seyn, das sie das höhest ampt zu predigen yemant aus eygener gewallt on der gemeyne wissen, willen und beruffen hetten auffgelegt. 168 Ii, 414, 16; 10H, 221, 2 ff.: N a m ut Paulus T i t o n iubeat presbyteros ordinare, non tarnen sequitur solum T i t o n sua autoritate id fecisse, sed exemplo Apostolorum per suffragia populi eos instituisse alioqui pugnabunt verba Pauli cum exemplo A p o stolorum; vgl. i o l i , 240, 27 ff. 169 I i , 414, 4 ff. — Vgl. dazu W . Walther, a . a . O . , S. 138, der daraus sehr richtig folgert, daß man Luther „nicht als einen Verfechter der Autonomie der Einzelgemeinde bezeichnen" dürfe. 1 , 0 10», 220, 36 ff. — W . Walther, a . a . O . , S. 141, betont, daß Luther bei den vielen Pfarrbesetzungen, mit denen er zu tun hatte, immer drei Dinge im Auge gehabt habe: 1. nur rechtschaffene Prediger dürfen angestellt werden, 2. die bestehenden O r d nungen und Befugnisse müssen gewahrt werden und 3. keiner Gemeinde darf ein Prediger gegen ihren Willen aufgedrängt werden. 1 7 1 Dem .nihil refert' steht aber ein ,Es ligt daran' an einer anderen Stelle gegenüber: vgl. $3, 257, 4 ff.: Es ligt daran, ob die Kirche und der Bischoff eines sind, U n d die Kirdie den Bischoff hören und der Bischoff die Kirche leren wolle.

157

D a s f ü h r t uns a u f die F r a g e , w i e denn ü b e r h a u p t die L e g i t i m a t i o n des A m t s t r ä g e r s z u m H a n d e l n bei der V o k a t i o n

innerlich begründet ist.

E i n m a l beruht sie g e w i ß a u f dem A m t , das er selbst ü b e r k o m m e n hat, a u f der S e n d u n g durch Christus, die i h m selbst zuteil g e w o r d e n ist u n d die er weiterzugeben h a t 1 " , d a n n besonders bei den Bischöfen in ihrer übergeordneten A m t s s t e l l u n g , die z u r A u s ü b u n g v o n

Vokationsbefug-

nissen die besten V o r a u s s e t z u n g e n schafft. A b e r in alledem d a r f

doch

nicht übersehen w e r d e n , daß der z u m A m t b e r u f e n d e A m t s t r ä g e r Organ

der Kirche

als

handelt, auf G r u n d einer ausgesprochenen oder still-

schweigend vorausgesetzten B e a u f t r a g u n g d a z u d u r d i die ( G e s a m t - ) G e meinde. E r ist der, „ d e r des h a w f f e n befelh u n d willen h a t " z u b e r u fen 1 7 3 , der,,,an stat u n d person der gantzen s a m l u n g " es t u t 1 " . E r h a n d e l t nach L u t h e r bei der V o k a t i o n nicht aus eigener persönlicher A u t o r i t ä t , sondern v e r t r i t t in seiner Person die Kirche 1 7 5 . A u c h v o n daher w i r d v e r ständlich, daß der Bischof nicht ohne Z u s t i m m u n g der G e m e i n d e einen A m t s t r ä g e r b e r u f e n soll. F ä l l t der Bischof in H ä r e s i e u n d w i l l er einen Irrlehrer z u m A m t b e r u f e n , so k a n n er nicht m e h r O r g a n der K i r c h e sein u n d das Berufungsrecht f ä l l t an die G e m e i n d e zurück 1 7 ". Zergliedert man den ganzen Vokationsvorgang in seine einzelnen Bestandteile und fragt man nach den f ü r diese besonders zuständigen Instanzen, so weist Luther die Wahl der Person der Gemeinde (bzw. deren Repräsentanten, ζ. B. der Obrigkeit) zu, die Bestätigung der Wahl durch Gebet und Handauflegung den Pastoren 177 . Es ergibt »« Vgl. 47, 192, 5 ff. " » 8, 253, 30 f. 174 6, 407, 29 f. Vgl. V. Vajta, a. a. O., S. 209. 175 Vgl. audi G. Plitt, Einleitung in die Augustana II, Erlangen 1868, S. 3 7 J . ΐ7β v g l . 242, 27 ff.: Wählt das Kapitel (zu Naumburg) einen abgöttischen Bischof, der nicht Bischof sein kann oder will, so darf die Gemeinde ihn nicht annehmen. „Und müste die Kirche zu Neumburg also sagen: Lieben Herrn vom Capitel, Welet wie jr wollet, Und welet aber mal, Welet tausent mal, So keren wir uns an ewr walh noch Bischoff nichts über all". 177 Enders 1 1 , 40, 10 ff. 1 7 ff.: (Apg. 1, 23 ff. und 1. T L 5, 22 werde beides gelehrt) scilicet quod ecclesiae est eligere et constituere aliquos, in quibus videt donum spiritus, doctrinam et probatam vitam; deinde, quod aliorum pastorum est, manus imponere, approbare atque idoneos testari . . . ; vgl. End. 1 1 , 44, 173 f. und 45, 204 ff.: . . . Christus sedens ad dexteram Dei patris . . . dat ecclesiae autoritatem vocandi et eligendi ac offerendi, atque reliquis pastoribus suo nomine jus approbandi, confirmandi, quod haec doctrina sit vere consona Scripturae, imo ipsum verbum, quod locutus est Christus et apostoli. — Zu der Frage, ob es sich hier bei dem Bedenken ,Ob in Erfurt die wahre Kirche Christi sei' (1536) um einen genuinen Luthertext handelt, ist folgendes zu bemerken: Clemen nimmt als das Wahrscheinlichere an, daß die Unterschrift unter diesem Gutachten („D. Martinus Lutherus, Philippus Melanchthon, D. Pomeranus, Justus Jonas idem sentiunt et subscripserunt. Frider. Myconius") nur besagen soll, daß Myconius gewiß ist, daß Luther, Melandithon, Bugenhagen und Jonas dem von ihm erstellten Bedenken zustimmen ( W A Br 7, $09). J e doch läßt der Wortlaut ( . . . subscripserunt!) keine andere Deutung zu, als daß die Erwähnten tatsächlich selbst unterschrieben haben. Ebenso interpretiert Enders ( 1 1 , S. 48, Anm. 1), der als Verfasser audi wie Clemen Myconius annimmt: die anderen

158

sich dann in seiner Lehre das gleiche Zusammenwirken von Amt und Gemeinde bei der Vokation, wie es beim altkirchlidien Vokationsritus zu sehen ist 1 ' 8 .

7. Die Vokation durch die christliche Obrigkeit W e n n Luther äußert, daß die Vokation durch Personen geschehen solle, die publica officia innehaben, die in sublimitate vel auctoritate constituti sind 17 ', so hat er dabei nicht nur geistliche Amtspersonen, sondern auch weltliche, besonders also die christliche Obrigkeit im Auge. Princeps aut magistratus 180 , die potestates carnales et magistratus 181 w e r den von ihm an diesen Stellen gleich als Instanzen der Berufung angeführt. F r a g t man, wie Luther dazu kommt, die christliche Obrigkeit als Vokationsinstanz zu lehren, so haben w i r auf den wesentlichsten Grund bereits hingewiesen 188 , es ist der praktische A u s f a l l der Bischöfe, der Luther zwingt, nach anderen Instanzen für die Amtsbestellung zu suchen. U n d es bot sich die christliche Obrigkeit dafür insofern natürlich besonders an, als es sich da um Personen in übergeordneter Amtsstellung handelte, deren Autorität in allgemeiner Geltung stand. Die Obrigkeit hatte für das Reformationswerk überhaupt ein starkes Gewicht. Schon 1 5 2 0 mußte Luther seinen A p p e l l zur R e f o r m an den Christlichen A d e l deutscher N a t i o n richten, weil die geistliche G e w a l t versagte 183 . Es mußte in der N o t die Obrigkeit angerufen werden, die kirchlichen Verhältnisse zu ordnen. Im ganzen V e r l a u f e der Reformation boten die evangelisch gesinnten Stände den machtpolitischen Rückhalt, ohne den das ganze W e r k der Reformation eine verlorene Sache gewesen wäre. E s w a r darhätten den Inhalt des Gutachtens durdi ihre Unterschrift ausdrücklich bestätigt und" gebilligt. Liest man statt ,idem scntiunt et subscripserunt' ,idem sentit et subscripsit', so bezieht letzteres sich nur auf Myconius und wären Luther etc. als Verfasser anzusehen. Wie man dies auch entscheiden mag, sicher ist, daß Luther den Inhalt des Gutachtens voll gebilligt hat. 178 Luther nennt den von Cyprian im Brief an den Presbyter Felix beschriebenen altkirchlichen Vokationsvorgang, bei dem suffragium des Volkes und iudicium der Bischöfe zusammenwirken (2, 231, 2 ff. 16 ff.), einen ritum sacratissimum et vetustum iurique divino per omnia conformem (2, 232, 4 f.). — Falsch ist bei E. Seeberg (Luthers Theologie in ihren Grundzügen, 2. Aufl., Stuttgart 1950, S. 175) die Entgegensetzung: „Pfarrer wird man jedenfalls nicht durch die Berufung der Bischöfe . . . , sondern durch die Gemeinde". Brunottcs Satz: „Die Zuständigkeit von bestimmten kirchlichen Instanzen für die einzelnen Momente der Berufungshandlung erörtert Luther nicht" (a. a. O., S. 190) kann so nicht aufrechterhalten werden. 179 Vgl. oben S. I 5 2 . 18e 40I, $9, 24 fr.; vgl. 60, j ff.: Si vero princeps, magistratus vocat, tum gloriar! possum, quod fiat mandante deo per vocem hominis. Ibi mandatum dei per os principis, das heissen nodi vocationes verae. 181 38. 494, 2· 182 Vgl. oben S. i j j . 1M Vgl. dazu Κ. Holl, Luther, S. 326 ff. und W. Eiert, Morphologie I, S. 327.

159.

um selbstverständlich, daß kirchliche Regelungen nur in engster Anlehnung an den Landesfürsten und dessen obrigkeitliche Gewalt, wenn nicht direkt vom Landesherrn selbst ausgeführt wurden. Das gilt für die gesamte Umgestaltung des Kirchenwesens und besonders die Einrichtung von Visitationen, die Luther von seinem Landesherrn erbat, weil er die einzige Instanz war, deren von Gott gegebenes Amt sich über das ganze Territorium erstreckte, nachdem die Bischöfe wegen ihrer Häresie nicht mehr in Frage kamen184. Luther sah sich zu diesem Vorgehen durch die tatsächlichen Verhältnisse gezwungen. Die Obrigkeit war die einzige Autorität, die die Neuordnung des Kirchenwesens durchführen konnte, und so mußte der akute Notstand, in dem sich die Kirche befand, ein Eingreifen der Obrigkeit in kirchliche Dinge rechtfertigen186. Grundsätzlich hat Luther auf Grund seiner Zweireichelehre die beiden Gewalten, die geistliche und weltliche, stets sauber geschieden und die Vermischung derselben als schwersten Ubelstand angeprangert186. Hier nun blieb ihm im Interesse des ganzen Reformationswerks keine andere Wahl, als doch aus N o t die weltliche Gewalt mit kirchlichen Aufgaben zu betrauen. Erleichtert wurde ihm allerdings diese Heranziehung der Obrigkeit zu kirchlichen Dingen durch seine Lehre vom allgemeinen Priestertum und die sich daraus ergebende neue Wertung des weltlichen Standes überhaupt. Auch die im obrigkeitlichen Amt stehenden Personen sind ja geistlichen Standes, Mitpriester, mitverantwortlich für alles Geschehen in der Kirche, auch die Obrigkeit ist ein Amt, „das da gehöre und nutzlich sey der Christenlichen gemeyne" 187 . Die Gewalt, die sie als Obrigkeit von Gott bekommen hat, ist sie verpflichtet zur Besserung des Volkes einzusetzen188. So legte es sich für Luther von verschiedenen Gesichts26, 197 ff. K . H o l l hat stark betont, daß für Luther das Eingreifen der Obrigkeit in kirchliche Dinge Notredit darstellt. a . a . O . , S. 3J4. S. 375 ; vgl. audi S. 333 ff. 349 f. und überhaupt den ganzen Abschnitt über das landesherrliche Kirchenregiment S. 326 ff. Ebenso G . Ritter, Die Neugestaltung Europas i. 16. Jh., Berlin 19 j o , S. 117. — V g l . auch R. Seeberg, Dogmengeschichte I V . 1, D i e Lehre Luthers, 1917, S. 301 f. 184

185

186 N a d i R . Sohm (Kirdienrecht I, S. 548 f.) gab es für Luther nur die eine C h r i stenheit (corpus Christianum), in der zwei verschiedene Gewalten (zwei Schwerter) waren, die geistliche und weltliche, beide von Gott eingesetzt, beide mit der A u f g a b e bedacht, die Christenheit zu regieren, aber mit verschiedenen Mitteln, auf verschiedenen Ebenen (irdische W o h l f a h r t — ewige Wohlfahrt). V g l . auch G . Ritter, a. a. O . , S. 117. — K . H o l l hat dem die beiden Gewalten umgreifenden corpus-ChristianumGedanken bei Luther widersprochen (vgl. Luther, S. 339 ff.), ebenso tut es E. Schlink (Theologie der luth. Bek.Schriften, 2. A u f l . München 1946, S. 317, A n m . 8).

6, 408, 10 f. 6, 413, 3 0 f f . : . . . sonderlich die w e y l sie nu auch mitdiristen sein, mitpriester, mitgeystlich, mitmechtig in allen dingen und sol yhre ampt und werck, das sie v o n got haben ubir yderman, lassen f r e y gehen, w o es not und nutz ist zu gehen. V g l . A . W . Dieckhoff, a . a . O . , S. 130®.; E. Foerster, Fragen zu Luthers Kirchenbegriff aus der Gedankenwelt seines Alters, Festgabe f. Jul. K a f t a n , Tübingen 1920, S. 9 j f . ; 187

188

160

punkten her nahe, der Obrigkeit Befugnisse in der Kirche einzuräumen. Daß er dies nun auch in bezug auf das Vokationsrecht tat, wurde nodi durch zwei weitere Motive befördert. Einmal war das Volk weithin zu rechten christlichen Gemeindefunktionen (wie die Wahl und Berufung rechter Prediger eine war) nicht reif, ja unfähig 189 , zum andern lag das Präsentationsrecht vom Mittelalter her ohnehin vielfach bei den Magistraten, den Fürsten oder audi beim Adel (Patronate!). Was sollte nun hindern, die Vokation evangelischer ministri statt von dem (noch unmündigen) Volk und statt von den häretisch gewordenen römischen Bischöfen jetzt von der Obrigkeit ausüben zu lassen, deren Gewalt ja auch zweifelsohne von Gott war. So anerkennt Luther auch die christliche Obrigkeit als rechte Vokationsinstanz190. Jedoch ist hier im Auge zu behalten, daß nach Luther die Obrigkeit bei der Vokation auch nur als commembrum ecclesiae handelt191. Sie vertritt oder verkörpert dabei die christliche Gemeinde. Letztere beruft eigentlich, nur durch sie192. Die spätere Lehre von den praecipua membra ecclesiae bahnt sich bei Luther schon an. Bisweilen nennt Luther als berufende Instanzen Gemeinde (Kirche) und Obrigkeit nebeneinander193. Dieses Nebeneinander ist dann aber im Regelfalle mehr ein Ineinander. Kirche und Obrigkeit werden dabei nicht als zwei getrennte, selbständige Subjekte gedacht, denn die in der Berufung als commembrum ecclesiae handelnde Obrigkeit stellt ja die Kirche dar. Wenn Luther sagt: „Das heist den eine sendung von Gott, und geschiecht gleichewohl durch menschen, als eine Stad, Fürst oder sonst ein Gemeine, die wehlen und erR. Seeberg, Dogmengesch. I V . i, S. 296 fr.; K . Holl, Luther, S. 326 ff.; H . Storck, a. a. O., S. 48 f. 189

Man vgl. auch Luthers Abraten von der Durchführung der das Gemeindeprinzip vorsehenden Reformatio Ecclesiarum Hassiae des Franz Lambert von Avignon (1526). 190 Κ . Holl hat bemerkt, daß die Mitwirkung der Obrigkeit bei der Bestellung des Predigtamtes nicht kraft ihres obrigkeitlichen Amtes geschieht, sondern aus brüderlicher Liebe zum Nächsten (Luther, S. 356, audi S. 354, Anm. 4). — Dies trifft insofern zu, als es nach Luther die brüderliche Liebe sein muß, die den im obrigkeitlichen Amt Stehenden veranlaßt, seine Autorität zur Vokation zu gebrauchen und der Gemeinde rechte Prediger zu setzen. Man vgl. aber zum grundsätzlichen Verständnis der vozierenden Obrigkeit vor allem das folgende. 191 Enders 1 1 , 4 1 , 55 ff.: Vocatio et electio ministrorum . . . non est proprie et principaliter magistratus, sed ecclesiae. Si Magistratus est fidelis et commembrum ecclesiae, vocat, non quia est magistratus, sed quia est commembrum ecclesiae. 192 Darauf weist mit Recht hin G. Rietschel, Lehrbuch der Liturgik II, 1909, S. 4 1 6 ; 2. Aufl. (Graff) 1952, S. 844 f. 193

I I

7 » 362, 13 f.: Die andere beruffung ist, wenn yhn die gemeyne und die obirkeyt darumb bittet; Im Ordinationsformular, 38, 427, 25 ff. (F), heißt es: (die Ordinanden sollen gewiß sein, daß sie von Gott selbst berufen sind) „weil euch die Kiràie, so euch hergesandt, und weltliche Obrickeit beruffen und begert hat. Dann was die Kirche und Obrickeit hirin thut, das thut Gott durch sie". Ii

7 9 i j Lieberg, Amt

kiesen einen aus"" 4 , so ist es charakteristisch, daß er Stadt ( = Magistrat) und Fürst auch als .Gemeinde' anspricht (das geht aus den Worten ,oder sonst ein Gemeine' hervor). Die obrigkeitlichen Personen vertreten und verkörpern nicht nur die weltliche Gemeinde, sondern zugleich auch die christliche (was beides damals ja ineinander aufging). Natürlich kann nun auch der Fall eintreten, daß beide Instanzen, Gemeinde und Obrigkeit, auseinandertreten, nämlich, wenn die Obrigkeit sich mit ihrem Handeln in inneren Widerspruch setzt zur christlichen Gemeinde, aufhört ein treues Glied der Gemeinde zu sein. So war es z.B. in Erfurt 1536, wo der Rat die berufenen Prediger unrechtmäßig davonjagen wollte. In solchem Falle gilt es sich klarzumachen, daß die Obrigkeit Vokationsbefugnisse nur als treues Glied der Kirche ausüben kann. Non . . . ideo ministri Christi facti estis — so wird den angefochtenen Predigern geschrieben — quia quinqué senatus vos vocarunt, sed quia Spiritus sanctus vos unxit, ecclesia vos vocavit, verbum Christi praedicatum ceteri viri verae Dei ecclesiae agnoscunt185. Die Vokation wird eigentlich von der Gemeinde und geistlichen Amtsträgern getragen, die Obrigkeit kann dabei die Gemeinde verkörpern und an deren Stelle handeln, indem sie aber aufhört, treues Glied der Gemeinde zu sein, scheidet sie als Vokationsinstanz automatisch aus.

S. Würdigkeit und Eignung der Person als Voraussetzung der Vokation Die Vokation ist auch hinsichtlich der Person des zu Berufenden an bestimmte Voraussetzungen gebunden186. Nach 2. Ti. 2, 2, auf welche Stelle Luther in diesem Zusammenhang gern Bezug nimmt, soll das Lehramt nur solchen befohlen werden, die dazu audi tüchtig und geeignet sind. Darum schärft Luther den Böhmen ein: es müssen digni et idonei sein, die gewählt werden sollen197. Aber worin besteht Würdigkeit und Eignung zum Amt? Luther hält sich an die apostolischen Regeln in den Pastoralbriefen198. Paulus hat Timotheus und Titus bezüglich der Berufung zum Predigtamt gelehrt, „das sie auff das leben und lehr sehen sollen, das die lehr reyn und gesundt, das leben unergerlich, unnd er zum lehren tüglich sey" 199 . Damit sind die drei Bestandteile der Eignung 1M

47, 192, 13 ff. Enders 11, 44, 169 ff. m Vgl. 2j, 17, 17 f.: Deinde volo, ut non quenquam indistinctim ordines (läßt Luther Paulus zu Titus sagen). 1,7 12, 193, 38; vgl. 191, 3 ff. 23; ιοΙ·2, 239, 27 f.: (die Gemeinde soll einen erwählen), „der dartzu tüchtig ist"; jo, 633, 16 f.: Es sol ein geschickter, auserwelter man sein; i j , 721, 3: pius homo. ι»β vgl. Enders 11, 40, 24 ff. 1,9 j2, 568, 15 ff. Zur Editheit dieser Predigt aus der Hauspostille vgl. unten S. 208, Anm. 234. 1,5

162

angegeben: Lehrreinheit (Orthodoxie christlichen LebenswandelsM1.

Lehrfähigkeit und Zeugnis einés

D i e Lehrfähigkeit umfaßt geistliche und natürliche Gaben. A l s geistliche G a b e hebt Luther besonders hervor: „gnade und verstand der Schrifft, andere zu leren"8·®, w a s er auch einfach mit „ g e y s t " bezeichnet"'. A l s natürliche Gaben werden genannt: k r ä f tige Stimme, gute Aussprache, Beredsamkeit, gutes Gedächtnis®*4. Diese Gaben müssen in besonderem M a ß e vorhanden sein, so daß die zu Berufenden darin über die anderen hinausragen, nur die besten sollen zum Predigtamt berufen werden®·5. Das ist erklärlich, denn das A m t stellt hohe Anforderungen, es geht nicht nur um das Führen der rechten Lehre, sondern auch um die Verteidigung derselben gegen die Widersprecher I ° e .

Die Eignung in diesem Sinne ist für die Vokation conditio sine qua non807. Darum gehört ihre Feststellung unmittelbar zum Vokationsvorgang hinzu und ist ein Bestandteil desselben. Über den Lebenswandel kann die Gemeinde, aus der der zu Berufende genommen wird, am besten urteilen, ja audi in etwa über die Gaben. Wir haben bereits erwähnt, daß Luther auch aus diesem Grunde auf die suffragia der Gemeinde Wert legt, die den zu Berufenden als geeignèt billigen soll, und die Vokation ohne wenigstens Befragen der Gemeinde verwirft* 08 . Andererseits aber ist die Reinheit in der Lehre und die Befähigung zum Lehramt doch entscheidend von anderen Amtsträgern, die selbst schon im Amt stehen, zu beurteilen. Dazu dient das Examen, das nach Luther ein unerläßlicher Bestandteil des vollständigen Vokationsvorgangs ist. Es soll von Geistlichen, die selbst die Lehrbefähigung haben, abgehalten werden; Pauli Anweisung, die Lehrtüchtigkeit zu prüfen, gilt ja Timo« · Vgl. 5 3 , 2 4 2 , 25 ff. V g l . Enders 11, 40, 20: donum spiritus, doctrina, probata v i t a ; 53, 2$8, 17 ff.: S o ist er auch v o n G o t t reichlich begabt, in der heiligen Schrifft gelert und w o l geübt . . . dazu einer erbern Lebens und trewen auffrichten Hertzens . . . Ist auch nach der heiligen Schrifft unstrefflich, w i e Sanct Paulus einen Bischoff malet T i t . j und j. T i m o t . 3. n i

m 49, J91, I i f.; vgl. I i , 4 1 1 , 29 f.; 41, 208, 4 f.: . . . sol können weis und schwartz, versucht sein in sacra scriptura; 214, 30: zu Predigen geschickt und dazu jnn der Schrifft sich üben . . .

22,

**

8, 4 9 7 , 3 1 ; 4 2 4 , 28.

804

8, 497, 31 ff.; 424, 29: v o x , eloquentia, memoria et alia naturalia dona; vgl.

1 8 4 , 3 ff.

8, 424, 25: idoneus prae caeteris; 497, 27; 41, 209, 30 f.: welchen denn G o t t sonderliche gaben und geschickligkeit dazu gibt, das sie zum A m p t tügen. W5

Me

41» 214» 31·

Natürlich bleibt die innere Würdigkeit allein G o t t bekannt, feststellbar ist nur die Würdigkeit coram hominibus, sie aber festzustellen, ist unerläßlidi: 2, 194, 9 f.: haec (sc. ecclesia) deinde potest claves committere tum digno tum indigno, indigno, ínquam, coram deo, quia nescit utrum dignus deo; alioquin non nisi digno coram hominibus committere debet. 107

108

V g l . oben S. 146 ff. i j 7 .

163

theus und Titus als selbst im Amt stehenden Dienern am Wort*". Den Erfurtern wird geschrieben, daß es den anderen Pastoren zukomme, die Berufenen als idoneos testari" 0 . In dem ganzen Gutachten für die Erfurter erscheint die Anerkennung der Berufenen durch die anderen Diener am Wort als wesentliches Element der Berufung 211 . Der später in Wittenberg eingerichteten Ordinationshandlung geht stets das theologische Examen auf Lehrtüchtigkeit und Rechtgläubigkeit, das von der Theol. Fakultät bzw. den Ordinatoren abgehalten wird, voraus212. Auf diesem Examen liegt bei der Feststellung der Eignung das Hauptgewicht. Das Urteil der Gemeinde über eine zu berufende Person ist erst nur vorbereitender Akt, in dem von geistlichen Amtsträgern abgehaltenen Examen kommt die Feststellung der Eignung dann zu dem gültigen Abschluß, wonach dann die Ordination vollzogen werden kann213. In den Ordinationszeugnissen wird stets erwähnt, daß die betreffende Person von den Ordinatoren examiniert und dann, nach Feststellung der Orthodoxie und Lehrtüchtigkeit, ordiniert worden sei214. An Friedrich Myconius schreibt Luther am 24. Oktober 1535: Remittimus vestrum Joannem per vos vocatum et electum, per nos quoque examinatum et publice ... ordinatum et confirmatum . . Die Examination ist damit als wesentlicher Bestandteil des Vokationsvorgangs gekennzeichnet. D a das Examen und die anschließende Ordination von Dienern a m W o r t vorgenommen wird, gehören nach Luther z u einem rechten Vokationsvorgang normalerweise immer mitwirkende geistliche Amtsträger hinzu. Das muß besonders bei seiner Lehre v o n der V o k a t i o n durch die christliche Obrigkeit beachtet werden. Voziert die Obrigkeit, so ist das v o n Luther nicht so gedacht, daß das geistliche A m t dann bei solchem Vokationsvorgang völlig ausgeschaltet wäre, vielmehr setzt Luther dabei v o r aus, d a ß die anderen Diener am W o r t den zu Berufenden vorher examinieren und den dann Berufenen bestätigen und approbieren, so daß also das geistliche A m t durchaus auch seine Funktion dabei hat: Eine Vokation, die völlig ohne irgendwie geartete Beteiligung von im A m t stehenden Dienern am W o r t durchgeführt werden muß, ist für Luther immer Notvokation. Denn grundsätzlich soll bei der V o k a t i o n die Lehrfähigkeit von solchen festgestellt werden, die selbst das Lehramt innehaben. Auch aus «» j2, $68, 1$ ff. 1 1 0 Enders 11, 40, 21 f. m Enders 11, 42, 96 ff.; 44.169 ff. 174 ff.; 45, 211 ff. 1 1 2 V g l . 41, 761, 2 0 f f . : Noster elector . . . decrevit, ut ex omnibus dioecesibus . . . ad nos mittantur et examinentur et confirmentur . . . Sehr wenig glaubhaft ist die von Brunotte ausgesprochene Vermutung, daß nach Luther das Examen nur „aus praktischen Gründen" der Theol. Fakultät zugewiesen wurde, weil das notwendige M a ß von theol. Kenntnissen „eher durch die theologische Fakultät als durch einzelne Gemeinden oder Patrone festgestellt werden konnte" ( a . a . O . , S. 191). Die Feststellung der Lehrfähigkeit v o r der Ordination gehört nach Luther grundsätzlich dem geistlichen A m t zu. V g l . auch unten S. 221 f. 21s V g l . den A n f a n g des Ordinationsformulars: Examinatione f a c t a . . . (38, 423, 6 f.). t M Z . B . Enders n , 227, IJ ff.; 11, 278, 6 ff. * 1S Br 7, 302, 2 ff.

164

diesem Grunde sieht Luther in seiner Schrift an die Böhmen im zweiten Gliede wieder die Vokation durdi die Bischöfe v o r " ' .

9. Die geistliche Bedeutung der Vokation für den Amtsträger Die Vokation hat nach Luther für den Träger des geistlichen Amtes eine große geistliche Bedeutung, die besonders in der Anfechtung deutlich wird. Der minister verbi muß die Gewißheit haben, nicht in eigener Sache zu streiten, sondern in Gottes Namen und Auftrag im Amte zu stehen817. Diese Gewißheit aber kann ihm keine vocatio interna geben. Denn diese kann in die Anfechtung selbst hineingezogen und darum zweifelhaft werden oder auch tatsächlich zweifelhaft sein. Mancher kommt durch heterogene Motive ins Pfarramt. Auf die Vorgänge in seinem Innern, die ihn ins Amt führten, kann niemand sich stützen. Dazu bedarf es vielmehr eines von außen herangetretenen und von dem eigenen Innern unabhängigen Faktums, und das ist eben die vocatio externa oder mediata, die der Berufene nicht selbst gedacht, empfunden, ausgesprochen hat, sondern die andere an ihn herangetragen haben und in diesen anderen Gott selbst. Die Gewißheit, wirklich von Gott berufen zu sein, gründet — heute, wo unmittelbare Berufung nicht mehr statthat — in der vocatio externa durch die Kirche"8. Dieser Vokation soll sich der berufene Diener am Wort nach Luther rühmen und sie herausstreichen, damit seine Autorität erkannt werde. Damit ehrt er nicht sich selbst, sondern Gott, der ihn gesandt hat"9. Er 218 W. Eiert hat gezeigt, wie gerade an der Notwendigkeit der Prüfung vor der Einsetzung ins Amt und der Zuweisung dieser Prüfung an die Inhaber des Visitationsrechtes (nämlich die Pastoren und Bischöfe, bzw. — wie in der Schrift an die Böhmen — die maiores unter ihnen) deutlich wird, daß von einer grundsätzlichen Beschränkung des Berufungsrechtes auf die künftigen Gemeindeglieder des Pfarrers bei Luther nicht die Rede sein kann (Morphologie I, S. 307; vgl. audi S. 322 f.).

" 7 40', j6, 5 ff.: ut unusquisque certus sit de sua vocatione, ut coram deo et hominibus glorietur se praedicare et Missus, ut legaras Regis in hoc gloriatur et superbii, quod venit non ut privata persona sed missa a Rege; vgl. j6, 21 ff. 118

T R ι , 400, 27 f. (Nr. 827): Utraque (sc. voc. immed. et med.) magna est et necessaria ad certificandum conscientiam; T R 5, 4 3 1 , 17 ff. (Nr. J998): Utraque vocatio necessaria est ad confirmationem conscientiarum. Nemo igitur eam tentet, nisi fuerit vocatus. ,le 40!, j6, 9; J7, i f f . : Hoc etiam expedit gloriare coram populo, ut vindicet sibi autoritatem apud populum, ut legatus debet glorificare suam legationem, quia ibi non glorificamus nos sed eum, qui misit, cuius autoritatem volumus esse sacrosanctam; vgl. 40!, 63, 6 ff.: Vides itaque, quam necessaria iactantia ministerii nostri Ad haec valet ista iactantia: ad gloriam dei, ad honorem ministerii nostri et ad salutem populi. Non ambimus aliquid esse in mundo per iactantiam, ut gros, angesehen seyn. Sed ideo, quia sum in vocatione, et populus habet opus; das ist sanctissima superbia et humilitas vera quae se humiliât coram deo contra diabolum; 30'!!, 519, 30 ff. Vgl. audi Κ . H. Rengstorf, Apostolat und Predigtamt, 2. Aufl. Stuttgart 19J4, S. 46. I«J

soll sich seine Vokation auch selbst immer wieder vorhalten, damit er mit fiducia im Amt stehen kann"® und Trost hat in der Anfechtung" 1 . Wenn er sich auf sie gründet, muß der Teufel von ihm ablassen"*. „Mit dem beruff, wo man drauff dringet, kan man dem Teuffei wol bange machen"*". Luther weiß nicht, wie man anders, sine vocatione, das Amt überhaupt sollte führen können"*. Die Vokation ist ihm nicht nur objektiv, sondern auch ganz subjektiv für die Person des Amtsträgers selbst der Ermöglichungsgrund des Predigtamtes. — Wir haben im Vorstehenden die Vokation zum Predigtamt in Luthers Lehre behandelt und allgemein ihre Notwendigkeit, sowie ihre näheren Konditionen besprochen. Dabei haben wir den Gesamtvorgang der Vokation zum Amt im Auge gehabt, sind aber auch schon auf eine Aufgliederung desselben in einzelne Akte gestoßen825. Die Vokation als solche ist ein complexer Vorgang. Aber dodi hebt sich in diesem ganzen Vorgang mit seinen verschiedenen Bestandteilen ein A k t besonders heraus, in dem das ganze Verfahren schließlich zu einem gültigen Abschluß gelangt, und das ist die Ordination. Man wird die Vokation, wie Luther sie — zumal in seiner gereifteren Anschauung — ansieht, nicht zutreffend beurteilen können, wenn man nicht diesen Ordinationsakt in seiner besonderen Bedeutung und in seiner Verknüpfung mit den übrigen A k ten des Vokationsvorgangs genau ins Auge faßt. Wie Luthers Lehrentwicklung von der Betonung der Vokation gegenüber den Schwärmern zur Einrichtung der speziellen Ordination in Wittenberg hinführt, so 40I, 5 6, 11 ff. 40I, 62, I i ff.: Q u i praedicator est et pfarrer, habet consolationem, quod sit in officio Sancto, caelesti et potest resistere universis portis inferi. Sed horrendum, quando conscientia dicit eum fecisse sine vocatione. *** 22, 187, 7 ff.: A u f f d i ß A m p t , werck und gaben kan ich mich brüsten und trotzen im Glauben wider den T e u f e l und seine Hellen Pforten, da ich sonst keinen augenblick wider jn bestehen köndte . . . ; 18 ff.: das ich thue, das thue ich aus seinem befelh und seiner krafft, D a mus er bald von dir ablassen und fleucht nicht deine person oder thun, sondern Christi A m p t und gäbe, die er bey dir findet; 28, 4 7 1 , 22 ff.; audi 471, 3$ ff. 811

* * j o ! " , $19, 19 f. 40I, 62, 12 ff.; 17I, 509, I i ff. — Bei der Durchführung seines reformatorischen Werkes hat für Luther besonders die Berufung zum D o k t o r der Heiligen Schrift die größte geistliche Bedeutung gehabt. Er bekennt selbst: „ I d i habs o f f t gesagt und sag es noch: Idi wolt nicht der wellt gut nemen für mein Doctorat, Denn idi müste warlich z u letzt verzagen und verzweiveln ynn der grossen schweren sachen, so auff mir ligt, w o idi sie als ein Schleicher hette on beruff und befelh angefangen. A b e r nu mus G o t t und alle wellt mit zeugen, das ichs jnn meinem Doctor ampt und Predigampt öffentlich hab angefangen und bis da her gefürt mit Gottes gnaden und hülffe" (30III, J22, 2 ff.). Vgl. dazu auch W . Walther, Luthers Beruf (Luther im neuesten römischen Gericht, }. H e f t ) , Schriften d. Reformationsvereins, Bd. 8, H e f t 31, H a l l e (890. e » V g l . oben S. 147 ff. i j 8 f. u t

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konzentriert sich überhaupt seine Lehre von der Vokation dann in der von der Ordination. Es ist darum nur folgerichtig, daß wir jetzt dazu übergehen, Luthers Lehre von der Ordination zu untersuchen und darzustellen. Dabei handelt es sich also um die Ordination im engeren Sinne, den gottesdienstlichen Akt, in dem die Vokation zu ihrem Abschluß kommt. Luthers Sprachgebrauch ist bezüglich der Ordination nicht einheitlich. Häufig verwendet er den Begriff ,Ordiniren' oder ,Weihen' auch für die Gesamtvokation, dabei pars pro toto setzend228, dann aber hat er mit diesen Begriffen auch wieder nur den speziellen gottesdienstlichen Ordinationsakt im Auge227. Der Klarheit halber stellen wir fest, daß es im folgenden nur um die Ordination in der letzteren spezifischen Bedeutung geht. Was Luther über den speziellen gottesdienstlichen Ordinationsakt lehrt, wird für die Gesamtinterpretation seiner Amtslehre von entscheidender Bedeutung sein, zumal diese Lehre vor allem dem gereifteren Stadium der dreißiger und vierziger Jahre zu entnehmen ist. Wir werden sie also mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten haben. —

224 Z . B . 1 5 , 7 2 1 , 3 ff.; 38, 2 2 1 , ι (ordinirn odder beruff). 6.25 (beruffen odder ordiniren); 2 3 6 , 1 7 ff. 30 ff.; 50, 2 4 7 , 18 f. ( V o n der W e i h e und V o c a t i o n ) ; 6 3 2 , 3 6 (weihet odder beruft). 221

Belege d a f ü r erbringt zur Genüge das folgende Kapitel. — G . Rietschels Behauptung, daß Luther bei dem Begriff ,Ordination, ordinieren' jedenfalls bis 1 5 3 ) immer ganz allgemein an die Vokation, nicht an einen speziellen gottesdienstlidien A k t gedacht habe (Luther u. d. Ordination, 1 8 8 9 , S. 4 9 f. 52) trifft nidit zu, w i e im folgenden Kapitel nachgewiesen werden w i r d . Z w a n z i g Jahre später (Lehrbuch d. Lit. I I , 1909, S. 4 1 9 f.) äußert Rietsdiel übrigens selbst, daß „die besondere A n w e n dung des N a m e n s ,ordinatio, ordinieren' auf die gottesdienstliche H a n d l u n g schon früher als 1 J 3 5 hier und da gebräuchlich w a r " .

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VI. Kapitel: Die Bedeutung der Ordination ι. Luthers Stellung zur römischen Ordination Für Luthers Ordinationsauffassung ist zunächst seine Stellungnahme zur römischen Ordination bedeutsam. Man kann sagen, daß dieselbe überwiegend negativ ist. Warum verwirft Luther die römische Ordination? Es ist da vor allem die falsche Ordinationsintention zu nennen, die einen falschen Ordinationsinhalt zur Folge hat. Wir haben eingangs dieser Untersuchung1 dargestellt, wie Luther die römische Priesterweihe bekämpft, weil sie nicht Ordination zum Predigtamt, zur Verwaltung von Wort und Sakrament ist, sondern Weihe zu einem Opferpriestertum, das sich dann in Winkelmessen betätigt2. Durch die pervertierte Ordinationsintention wird aus der rechten ordinatio eine inordinado diaboli®. Als Symbol dieser falschen Priesterweihe erscheint Luther die Vgl. oben S. 25 ff. 6, 524 ff.; 12, 172 fr.; bes. 6, 564, 20 ff.: Certus ergo sis, qui non est angelus domini exercituum aut ad aliud quam ad angelatum, ut sic dixerim, vocatur, sacerdos prorsus non sit . . . Qua re eos, qui tantum ad horas Canónicas legendas et Missas offerendas ordinantur, esse quidem papisticos, sed non Christianos sacerdotes, quia non modo non praedicant, sed nec vocantur ad praedicandum, immo hoc ipsum agitur, ut sit sacerdotìum eiusmodi alius quidem status ab offitio praedicandi; 12, 173, 6 f.: Papistae . . . mei de hoc ministerio (sc. verbi) ne somniant quidem in suis ordinibus; 20 ff.: Die rogo me crassum fingere aut mentiri, si invenías unum ordinatuni istis ordinibus, qui audeat dicere, sibi inter ordinandum esse mandatum, ut mysteria Christi dispenset et Euangelion doceat et Ecclesiam dei regat, quam acquisivit sanguine suo. Plane nullus hoc audit unquam, nec ad se pertinere putat; 39 ff.: Post haec rotat ira dei has ridiculas larvas Episcoporum, ut non solum contemnant ministerium verbi et loco eius officium sacrificandi ordinent, sed et Baptismum vivificum, quo viventes homines et rationales animae sanctificantur in vitam aeternam, a se relegent . . . ; J2, 569, $ ff. 22 ff. — Besonders deutlich wird die Loslösung der römischen Priesterweihe vom Bezug auf das Amt des Wortes daran, daß zum Predigen eine neue weitere Ermächtigung eine alia vocatio ultra ordinem sacramentalem (6, 565, ι f.; 38, 220, 18 ff.; 23J, 2 ff.) für erforderlich gehalten wurde. „Ja, es bleibt jm (näml. dem geweihten Priester) eben so hart nach der Weyhe verboten als da vor, das er sidi offentlidis predigens jnn der Kirchen und Pfarrampts nicht thar unterwinden on sonderliche newe ordenung und beruffunge" (38, 220, 31 ff.). 1 2

3

54, 428, ι f.: Ritus ordinandi sacrificos Missales, Idest Crucifixores Christi, est inordinatio diaboli.

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Salbung mit Chresem, die er mit Ingrimm bekämpft 4 . Diese verkörpert ihm aber noch eine weitere falsche Ordinationsintention in der römischen Weihe: durch diese soll ein Mensch erst zum Priester im Sinne eines geistlichen Menschen gemacht werden, was in Wahrheit ja bereits in der Taufe geschehen ist. Die Salbung mit Chresem in der Priesterweihe wird so zum Widerspiel der Salbung mit dem heiligen Geist in der Taufe 5 . So sieht Luther die römische Priesterweihe, weil sie dem Wort und der Taufe Schmach antut, als eine Gotteslästerung an0. Hinzu kommt noch ein dritter Fehler in der Ordinationsintention. Der römischen Priesterweihe fehlte jeder Bezug nicht nur auf das Predigtamt, sondern auch speziell auf das Pfarramt, denn sie wurde absolute erteilt, also ohne einen speziellen Beruf an eine Predigtstelle, eine bestimmte Gemeinde, auf eine Pfarre. Auch dagegen wendet sich Luthers scharfe Polemik7. Auf Grund dieser vorhandenen Entstellungen beurteilt Luther die römische Priesterweihe als ungültig und nichtig8. Durch sie erhält niemand die Befähigung, die Werke des kirchlichen Amts zu tun, zu taufen, zu konsekrieren, zu predigen, weil sie sine verbo geschieht'. Allerdings — und das will auch beachtet sein — fordert Luther doch keine Reordi* Vgl. 38, 198 ff. Weihe und Chresem oder audi Chresem und Winkelmesse werden von Luther zusammengesehen. 38, 220, 34 (Weyhe odder Chresem); 20$, 32 (Winckelmesse und Cresem); 35 (Cresem und Messe). * 38, 228, 6 ff.: Das sind die rechten, prechtigen wort und krefftige wirckunge des teuffels, d a mit der heiligen T a u f f e jr heiligkeit und k r a f f t gesdiwecht ist, das jr geistlicher Gottes Cresem, welches der Heilige geist selber ist, gar nichts hat müssen sein gegen dem leiblichen und zeitlichen Cresem der Papisten, durch menschen andadit erfunden; 230, 24 ff.; 234, 24 ff.: Aber es muste der heilige stinckende Cresem mit lügen und betrieglichem schein also ausgeputzt werden, der heiligen T a u f f e zu schmach und Unehre . . . ; vgl. 4 1 , i j j , 20 ff.; j o , 6 3 1 , i j f f . ; auch 1 2 , 179, 8 ff.: . . . neminem faciunt sacerdotem, nisi primum neget se esse sacerdotem. Et ita eo ipso, dum sacerdotem faciunt, revera a sacerdotio semovent, ut sit coram deo illorum ordinatio vere ludiera, tarnen verissima et seria degradatio. Quid enim est dicere: ,Ego ordinor sacerdos', nisi facto fateri: non fui, nondum sum sacerdos? Vgl. auch oben S. 40 ff. * 15, 7 2 1 , ix f . : Qui ergo vult facere sacerdotem, ut fiat minister verbi, blasphemat deum, quia iam ante est. 7

1 2 , 1 7 2 , 27 f.

8

Vgl. die oben S. 25—29 d a f ü r angeführten Stellen.

* 1 2 , 174, 25 ff.: . . . ii, qui hactenus ordinati sunt, doleant sese sic fuisse p e r mendacii larvas illusos. N a m si unquam consecrarunt aut officium ministri Ecclesiastici expleverunt, id certe non virtute sacri ordinis sui, qui est merum mendacium et irrisio dei, fecerunt, sed virtute fidei et spiritus Ecclesiae, quae eos in loco ministerii huius toleravit et admittere coacta fuit; 1 $ , 720, 16 ff.: Ego unctus fui more illorum, missavi, sed auff die selbige weiß non libenter velim unum sacramentum administrare vel sermonem facere. Iam fateor coram mundo non velie me hic talem esse. Nisi baptismi verbum et verbum dei in illis audiissem, quos ordinaverunt, ñeque puto ne unquam consecrasse sacramentum. N o n est aliquid ordo, quia sine verbo fit, ñeque aliquis debet vocari ordinatus ex virtute huius ordinationis. E t qui sic sinit se ordinari, ex sacerdote dei fiet diabolus.

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nationen papistisch Geweihter 10 und hält daran fest, daß Christus audi unter dem Papsttum „das ampt und den berufi zum Predig ampt jnn seiner Heiligen stete" erhalten habe, wenngleich dieses letztere nicht dem Vollzug der papistischen Weihe, sondern dem Umstand zuzuschreiben sei, daß über die Weihe hinaus doch die Pfarren weiter verliehen worden sind". Besonders verschärft wird Luthers negative Stellungnahme zur römischen Priesterweihe noch dadurch, daß sie in Rom als Sakrament des Neuen Bundes ausgegeben wurde. Bestreitet er die römische Weihe mit dem Vorwurf der Perversion, so muß er natürlich erst recht dagegen Einspruch erheben, daß sie noch mit dem sakramentalen Charakter geschmückt wird. Schon 1 5 1 9 waren ihm, wie er in einem Brief an Spalatin äußert, Zweifel an dem sakramentalen Charakter des ordo gekommen 12 . 1520 hat er klar erkannt, daß das sacramentum ordinis ein Menschenfündlein, figmentum ex hominibus natum sei13. Das wird ihm dadurch erhärtet, daß zu einem Sakrament des Neuen Bundes göttliche Einsetzung und Verheißung der Gnade gehört, beides aber für dieses Sakrament in der Hl. Schrift nicht vorliegt 14 . Was Glaubensartikel sein soll, muß mit klaren Schriftzeugnissen begründet sein, id quod in prae.senti sacramento praestare ne tantillum quidem possumus 15 . Fehlt die Verheißung der Gnade in der Schrift, so kann auch die Kirche keine solche statuieren und so von sich aus ein Sakrament machen, denn sie ist nicht supra Deum 1 ®. Wie der göttlichen Einsetzung und Gnadenverheißung entbehrt dieses Sakrament audi des äußeren Zeichens, wie es T a u f e und Abendmahl haben. Aus alledem ist es Luther erwiesen, daß der ordo nicht in dem Sinne wie T a u f e und Abendmahl ein Sakrament sein kann 17 . J a , wird der so pervertierten römischen Ordination die Würde eines Sakraments beigelegt, so heißt das Gott verspotten 18 . Es 10

12, 174, 33 ff.: Qui autem per has larvas ad locum ministerii venit, age, ministerium apprehendat et deinceps pure ac digne administret, sacrificandi officium deserai, docens verbum dei ac regens ecclesiam, caeterum uncturam et totam ordinationem, qua intravit, ex animo damnet ac detestetur. 11 38, 236, 7 ff.; audi 2 2 1 , 18 ff. und 243, 20 ff.: Bei einem im Papsttum Geweihten soll man den Chresem nichts achten, „sondern da sdiaw auff, das er das P f a r r ampt jnnen hat, welchs nicht sein, sondern Christi ampt ist". Br i , 59J, 32 f.: Et satis miramur, unde ordo nomen sacramenti invenerit. Mira haec tibi nonne? 13 6, 565, 6 ff. 14 6, 560, 2i ff.; vgl. 54, 428, 3 f.: Ordo non est sacramentum . . . Non habet promissionem remissionis peccatorum. 15 6, 560, 29 f. " 6, 561, 19 f.; 563, 7 Ö . 17 ioli, 220, 34 ff.: Ego ordinem negavi sacramentum esse, id est promissionem et signum gratiae adiectum, quale est Baptismus et panis; 6, 560, 10 f.: Hoc sacramentum Ecclesia Christi ignorât, inventumque est ab Ecclesia Papae. 18 Vgl. 12, 173, 39 ff. u. 174; auch 172, 35.

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handelt sich dann da in Wahrheit nicht um ein sacramentum, sondern — wie Luther verächtlich sagt — um ein execramentum1'. 2. Der positive Sinn der kanonischen Ordinationshandlung Auf Grund der bisher geschilderten negativen Stellungnahme Luthers zur römischen Ordination, könnte man den Eindruck gewinnen, als wolle Luther die traditionelle kanonische Ordination überhaupt verwerfen und für nichtig und belanglos erklären, als baue er seine Lehre von der Berufung zum Amt in ausschließendem Gegensatz zur römischen Ordination auf. So hat es Georg Rietschel gesehen", und ihm sind darin die meisten neueren Interpreten gefolgt. Jedoch bestätigt sich dieser Eindruck durch das, was die Texte aussagen, nicht. Diese Sicht ist falsch und muß aufgegeben werden. Luther verwirft nicht die kanonische traditionelle Ordination an sich, sondern nur die Mißbräuche, mit denen sie im Papsttum verquickt war 21 . Luther kennt und anerkennt einen rechten Brauch der der römischen Priesterweihe zugrunde liegenden Ordinationshandlung, die mit ihren Wurzeln bis in die apostolische Zeit zurückreicht, wie das Neue Testament ausweist. Gerade in den Schriften, in denen Luther scharf gegen die römische Entstellung der Ordination kämpft, gräbt er den ursprünglichen positiven Sinn der apostolischen und altkirchlichen Ordination aus. So geschieht es schon in der Schrift ,An den Adel' 1520. Bei aller Polemik gegen den falschen Anspruch, als mache die Weihe zum Priester, findet man da die Hervorhebung des echten Sinnes der kirchlichen Ordination: „Drumb ist des Bischoffs Weyhen nit anders, den als wen er . . . eynen ausz dem hauffen nehme . . . und yhm befilh, die selben gewalt . . . ausztzurichten" 22 . In der Ordination wird ein Christ aus dem ganzen Haufen ausgesondert und ihm das Amt befohlen. Luther erkennt mit scharfem Blick das Wesen der altkirchlichen Ordination: das Volk wählte sich seine Bisdiöfe, „die darnach von andern Bischoffen wurden bestetiget on alles prangen"". Die Ordination ist Bestätigung einer vorher getroffenen Wahl, dieselbe als rechtmäßig durchgeführt und darum als gültig und bindend dokumentierend, sie ist somit Aussonderung einer Person aus dem ganzen Haufen und Befehlung des Predigtamts® 4 .

u

"» 17°. SLuther und die Ordination, 1889, S. 48 ff.

M

Vgl. auch Brunotte, a . a . O . , S. 184 f., der ebenfalls betont, daß Luther nicht den traditionellen Ordinationsakt an sich, sondern nur die spezifisch römische A u f fassung desselben bekämpft. "

6, 407, 29 ff.

"

6, 408, 6.

21 Sieht Luther für den Notfall vor, daß ein Häuflein Laienchristen einen aus ihrer Mitte zum Amt erwählt und ihm das Amt befiehlt, so denkt er sich diese Amtsbefehlung (wie zumal auch die Schrift an die Böhmen zeigt) sicher nicht ohne eine spezielle Ordinationshandlung, in der einige die Hände auflegen und über dem Erwählten beten.

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In ,de captivitate babylonica' (1520), in welcher Schrift die leidenschaftliche Polemik gegen die römische Entstellung der Ordination nun wirklich den Ton angibt, will Luther aber doch den durch so viele Jahrhunderte geübten kirchlichen Ordinationsritus nicht verdammen 25 , sondern läßt seine ursprüngliche Bedeutung als ritus quidam eligendi Concionatoris in Ecclesia 28 bzw. als ritus quidam vocandi alicuius in ministerium Ecclesiasticum27 durchaus gelten. Soll die Ordination (hier also im engeren Sinne als Ordinationsritus) ein Ritus der Auswahl der Person, der Berufung der Person sein, dann ist sie gedacht als vollendende Abschlußhandlung der ganzen Vokation. Die Wahl, die ja schon vorher getroffen sein muß, kommt in ihr zur öffentlichen Darstellung und erhält durch sie die Gültigkeit und Verbindlichkeit, die ihr allgemeine Anerkennung verleiht 28 . Als weiteren positiven Sinn der kirchlichen Ordinationshandlung erwähnt Luther dann in dieser Schrift auch eine Zurüstung der Person für das Amt 29 . So geht es ihm in de captivitate babylonica keineswegs um die Negation der kanonischen Ordinationshandlung überhaupt! Zwei Jahre später (1J22) sagt Luther in seiner Schrift ,Contra Henricum regem Angliae' rückblickend auf seine Sätze in de captivitate babylonica: Ego ordinem negavi sacramentum esse, id est, promissionem et signum gratiae adiectum, quale est Baptismus et panis, non negavi, imo asserui esse vocationem et institutionem ministri et concionatoris . . . so . Das war ihm der positive Sinn der kanonischen Ordinationshandlung: Berufung und Einsetzung von Predigern. Daß Luther in de captivitate babylonica nicht den ordo an sich, sondern nur die römischen Mißbräuche desselben treffen will, geht auch daraus redit deutlich hervor, daß er seine Warnung vor Empfangen der römischen Weihe nicht direkt kategorisch faßt, vielmehr der Möglichkeit Raum gibt, sie zwar zu empfangen, aber dann in evangelischer Amtsausübung und überhaupt rechtem Verständnis zum rechten Brauch zu wenden 31 . In den Schriften des Jahres i f i i gegen Hieronymus Emser streitet Luther dagegen, daß die Weihe Priester mache und setzt entgegen, solches geschehe schon durch die Taufe. Während er so der römischen Ordination einen (nämlich den falschen) Inhalt nimmt, bestätigt er aber doch ein anderes (nämlich das richtige) Element: „also macht die weyhe keynen pfaffen, sie macht aber pfaffen knechte" 52 , „ w y r alle mit dem gantzenn hauffen seyn priester, on des Bischoffs weyhen, aber durch das weyhen werden wir der andernn priester knecht, diener und amptleut" 33 . Wie kann man hier (mit Rietschel) übersehen, daß nach Luthers Anschauung die recht verstandene Ordi25

6, $60, 24 f.: Non quod damnandum censeam eum ritum per tanta saecula celebratum. "

6, 564, 16 f.

27

6, 5 66, 30 ff. Vgl. auch Brunotte, a . a . O . , S. j i .

28 Treffend nennt G. Niedermeier (Das allg. Priestertum d. Gläubigen, Ztschr. f. syst. Theol. 1930, S. 352) die Ordination in Luthers Sinn im Anschluß an diese Stelle „Vollzug der Berufung in ein bestimmtes Amt der Christenheit unter Gebet und Handauflegung". Vgl. auch C. A. G. v. Zezschwitz, System d. Prakt. Theologie II, Leipzig 1876, S. 310 f. und W. Diehl, Zur Geschichte der Ordination, Halte was du hast. Ztschr. f. Pastoraltheol., Berlin 1900, S. $94. 28

6, 561, 32 f.: . . . ad officia quaedam ceu vasa et instrumenta parentur.

M

i o 1 1 , 220, 34 ff.

31

6, j66, 10 ff.: Fugite ergo meo Consilio, quicunque tuto vivere vultis: fugite, iuvenes, nec istis sacris initiamini, nisi aut Euangelisare volueritis, aut nisi vos hoc ordinis sacramento nihilo laicis meliores factos credere potestis. M 53

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7. 633, 12 f. 7, 633» 16 ff·

nation zum Diener im Amt macht34 ! Die Weihe wird hier von Luther als Amtseinsetzung gedacht". Noch tiefer dringt Luther in der Schrift an die Böhmen ,de instituendis ministris' 1523 vor, indem er dort mitten in der Polemik gegen den römischen ordo den Begriff einer sacra ordinatio (!) gewinnt und von einer Einsetzung dieser Ordination in der Schrift spricht: Autoritate Scripturarum, deinde exemplo et decretis Apostolorum ist die Ordination dazu eingesetzt, ut ministros verbi in populo institueret38. Daraus ergibt sich die Forderung: Ministerium publicum inquam verbi, quo dispensantur mysteria dei, per sacram ordinationem instituí debet37. Durch diese sacra ordinatio soll das öffentliche Predigtamt bestellt, d. h. mit Personen besetzt werden. Das ist ihr ursprünglicher, gottgewollter Sinn, den Luther unter dem Schutt päpstlicher Mißbräuche wiederentdeckt hat und den er ans Licht gezogen wissen will. Sie weiht nicht zum Opferpriestertum, aber setzt ins Predigtamt ein. Wenn Luther dann den Böhmen selbst einen an die Wahl sich anschließenden gottesdienstlichen Bestätigungsakt mit Gebet und Handauflegung empfiehlt, so beabsichtigt er damit nichts anderes, als die Erneuerung und Wiederaufnahme der ursprünglichen, aus der Schrift zu ersehenden, durch das Beispiel der Apostel und ihrer unmittelbarer Schüler bewährten ratio vocandi instituendique pastoris Ecclesiastici38. Luther knüpft mit seinen konkreten Vorschlägen zur Gestaltung einer neuen Ordinationshandlung bewußt an den ursprünglichen Sinn der kanonischen Ordination an. Ein Jahr später, 1524, äußert Luther, daß die römischen Bischöfe das apostolische Beispiel in Apg. 13, i f f . schlecht imitieren mit ihrer Weihe, daß es aber nötig sei, Priester einzusetzen, und zwar so, daß coram ecclesia für sie gebetet und ihnen die Predigt des Wortes übertragen werde, denn das wäre damals der mos formandi presbyteros gewesen39. Luther hält bei aller Abgrenzung gegen den Mißbrauch der Weihe in Rom als positiven Sinn der zu imitierenden Weihehandlung von Apg. 13, i f f . fest, daß die Einsetzung von Priestern in gottesdienstlichem Ordinationsakt mit Gebet und Amtsbefehlung coram ecclesia geschehen solle. Im selben Jahre 1524 erläutert Luther in einer Predigt die rechte Ordination im Unterschied zu der entstellten papistischen als Bestellung des Amtes. Aussonderung einer geeigneten Person und Ubergabe der auctoritas praedicandi verbum et dandi sacramenta: Hoc est ordinare40. Nehmen wir nun noch die große Kampfschrift ,Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe1 IJ33 hinzu, so wird vollends klar, daß Luther den Kampf gegen die päpstliche Priesterweihe führt, nicht weil er die ordinatio canonica ablehnte, sondern weil er 34

Vgl. auch Th. Kliefoth, Lit. Abhandlungen I, 1854, S. 412. Das übersieht auch völlig G. Hök (a. a. O., S. 144 f.), wenn er diese Stellen dafür anführt, daß die Weihe bei Luther keinerlei Bedeutung für die Berufung ins Amt habe. 36 12, 173, ι f. 37 12, 173, 2 ff. — Vgl. Brunotte, a. a. O., S. 81. 38 12, 169, j ; vgl. 169, 23 ff.: Nos puram et germanam divinis Uteris praescriptam rationem quaerimus . . . ; 192, 34 ff.: ,Nova res est (inquiunt) et sine exemplo, sie eligere et creare Episcopos'. Respondeo: imo antiquissima et exemplis Apostolorum suorumque diseipulorum probata, licet per papistas contrario exemplo et pestilentibus doctrinis abolita et extineta. Proinde hoc magis laborandum, ut recens pestilentiae exemplum explodatis et priscum salutis exemplum revocetis. 3 » 17I, 5 1 1 , 3 ff. 40 1$, 721, 3 ff. — Sagt Luther in der gleichen Predigt, daß Ordinieren nicht gleich Konsekrieren sei, so will er damit vor allem die Verleihung einer priesterlichen Seinsqualitas, die ihm als schon durch die Taufe gegeben feststand, verneinen und betonen, daß die rechte Ordination eben Bestellung des Predigtamts ist. Vgl. auch V. Vajta, a.a.O., S. 217. 35

173

diese in ihrer ursprünglichen Gestalt wieder hervorholen will. Im Chresem bildet sich für Luther — wie wir gesehen haben — die Verkehrung der ursprünglichen Ordination im Papsttum ab. Nun weiß Luther zwar, daß die Väter die Salbung eingeführt haben. Aber er weist ausdrücklich darauf hin, daß die Väter damit nur hätten den Beruf zum christlichen Pfarramt „zieren und malen" wollen „zum unterscheid der andern, die nicht beruffen sind" 41 . Und damit ist ihm eben der rechte ursprüngliche Charakter der Weihe gegeben: „Denn es sol und kan im gründe die weyhe nichts anders sein (sol es recht zu gehen) denn ein beruff odder befelh des Pfarrampts odder Predigampts"42. Luther gibt hier die rechte Definition des Gehaltes der altkirchlichen, in der römischen Kirche verderbten Ordination. In ihr wird die Berufung zum Predigtamt ausgesprochen und der Befehl zur Amtsausübung auf einen Menschen gelegt. Dabei ist die örtliche Vokation in ein bestimmtes konkretes Pfarramt schon vorausgesetzt43. Nun hat G. Rietschel41 gemeint, Luther lege in dieser Schrift ,Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe' „nicht etwa in irgendeinen kirchlichen Weiheakt, sondern in den Beruf und Befehl des Predigtamts selbst die Ordination". Jeder einzelne, der ordentlich aus der Menge der getauften Christen, welche Priester sind, zum Pfarramt erwählt ist, habe „durch diese Berufung schon die rechte Weihe" und bedürfe keines noch besonders hinzutretenden Weiheaktes. „An die Stelle der Ordination der römischen Kirche stellt eben Luther den Ritus der rechten Berufung zum Pfarramt als die wahre Ordination"45. Wie verhält es sich damit? Bevor wir den Gedankengang der Schrift ,Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe' selbst weiter unter dem Blickpunkt dieser Frage verfolgen und die Stellen, auf die Rietschel sich besonders stützt, prüfen, müssen wir erwähnen, daß Rietschel selbst seine Aufstellung im folgenden Abschnitt seiner Untersuchung (auf Grund von Luthers Schrift ,de instituendis ministris') modifizieren muß, indem er nun sagt: „All dieses zusammengefaßt (nämlich: Prüfung der Eignung, Wahl, Konfirmation mit Handauflegung vor der Gemeinde, Gebet) ist nach Luther die ordinatio oder der redite evangelische ordo" 4 ". Das ist durchaus etwas anderes. Es ist ja doch ein großer Unterschied, ob man sagt: nidot der gottesdienstliche Weiheakt, sondern die Wahl und Berufung ist die rechte Ordination, oder: Wahl, Berufung und der gottesdienstliche Gemeindeakt zusammen sind die rechte Ordination. Hätte Rietschel die Texte der zeitlichen Reihenfolge nach (also zuerst die Schrift an die Böhmen, dann die Schrift ,Von der Winkelmesse usw.") betrachtet, hätte er die erstere, die Ordination im Gegensatz zum gottesdienstlichen Weiheakt definierende Aufstellung vielleicht nicht gemacht. Aber audi aus der Schrift ,Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe' allein hätte ihm deutlich werden müssen, daß Luther hier seinen Begriff der rechten Ordination nicht im Gegensatz zu einem gottesdienstlichen Weiheakt überhaupt gewinnt, daß er vielmehr nur dessen wahren Charakter als Akt der Berufung zum Predigtamt hervorheben will und sich also lediglich gegen die Verderbnis des Weiheaktes in der römischen Kirche wendet. Folgen wir nun zum Erweis dessen dem Gedankengang in der Schrift ,Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe'. Luther hatte den wahren Charakter der Weihe als „beruff odder befelh des Pfarrampts odder Predigampts" herausgestellt47. Daran an41

38, 228, 19 ff.; vgl. 41, 4J7, 19. 38, 228, 27 ff.; vgl. 238, 7 f.: ordinirn sol heissen und sein beruffen und befelhen das Pfarrampt; vgl. auch die lateinische Übersetzung von Jonas: Verum sacramentum ordinis, vera ordinatio est vocatio ad pastoralem curam (zitiert in der Einleitung zu Luthers Ordinationsformular von Drews, WA 38, 401). a

43

Vgl. 38, 220, 15 ff.; 222, 25 ff. a. a. O., S. jo. 48 » Ebda. a. a. O., S. 52. 44

174

" 38, 228, 28 f.

schließend fährt er dann fort: „Die Apostel haben on Cresem allein die hende auffî heubt gelegt und gebettet über die, so sie zum ampt berieffen odder sandten . . ." 4S . Chresem ist dann erst von den „lieben Vetern" in Gebrauch genommen worden, in guter Meinung wohl, was aber dahin geraten sei, daß die wahre Priesterweihe in der Taufe verdunkelt wurde. Die rechte Weihe als Berufung zum Pfarramt oder Predigtamt ist bei den Aposteln ohne Chresem geschehen. Ja, aber etwa darum „nicht als gottesdienstlidier Weiheakt" (wie Rietsdiel will)? Keineswegs! Die Apostel haben nach Luther die Berufung und Sendung zum Amt vollzogen, wohl ohne Chresem, aber gerade mit Handauflegung und Gebet, natürlich coram ecclesia! Es handelt sich also bei der apostolischen Weihe und Berufung zum Amt, auf die Luther absichtlich zurückgeht, gerade um einen gottesdienstlichen Gemeindeakt mit Handauflegung und Gebet. Luther wendet sich nicht entfernt gegen den gottesdienstlichen Weiheakt an sich, nur gegen die Verderbnis desselben in Rom durch die falsche Weiheintention. Die rechte Weihe ist da in Rom „nicht mehr eine Weyhe zum beruff odder Pfarrampt blieben" (wie sie es also ursprünglich nach apostolischem Vorbild war), „sondern eine Winckel Weyhe worden" (nämlich in dem geschichtlichen Prozeß einer Entstellung und Verkehrung) „zu ordinirn Winckel Pfaffen zur Winckel messe"4'. Und dieser Verkehrung der rechten Weihe in Rom entspricht die Notwendigkeit ihrer Reformation: „Und wo die Bepstissche Weyhe recht wolt thun, solt sie nichts anders thun, denn solche geborne Pfaffen beruffen zu Pfarrampt" 50 . Man achte darauf, nicht verlangt Luther das Abtun der Weihe, sondern den rechten Brauch derselben. Sie, die Weihehandlung, soll zum Pfarramt und Predigtamt berufen. Dann wäre sie rechte Weihe, dann wäre sie wieder „der Veter Weyhe . . . Denn sie haben Pfarher geweyhet" 51 . Also diesen leider in Rom „verlassenen"62 rechten altkirchlichen und apostolischen Brauch der Weihe gilt es wiederzugewinnen. Durch die falsche Ordinationsintention „haben sie im Bapsthum den beruff odder das Pfarrampt odder Predig ampt gantz lassen ligen — " 5 S , und so hat der Papst „Ministerium und die Vocatio, beruff und die rechte Weyhe zum Predigampt odder Pfarrampt verstöret durch seinen sdiendlichen Winckel Cresem"64. Aber doch hat Christus dabei „das ampt und den beruff zum Predig ampt jnn seiner Heiligen stete erhalten. Denn die Pfarren odder Predig ampt sind allezeit, ausser und über den Cresem, durch Fürsten, Herrn, Stedte, audi von Bisschoven selbs, Epten, Eptissinnen und andern Stenden verlihen, und durch solch verleyhen ist der beruff und die rechte Weyhe zum Ministerio odder ampt blieben"65. Hier nun findet G. Rietschel seine Auffassung bestätigt, die rechte Weihe sei eben nach Luther die Berufung und Verleihung der Pfarre, nicht der gottesdienstliche Weiheakt, und führt dafür auch noch den folgenden Passus ins Feld: „Da neben hat man solche beruffene Pfarher, so solche Lehen und ampt empfangen, auch presentire, das ist zu den Winckel Bisschoven geweiset und sie lassen investirn odder einweisen, wie wol solchs nicht der beruff nodi Lehen, sondern bestettigung solchs beruffs und 48

38, 228, 29 fr. 38, 229, 4 ff.; vgl. 230, 32 f. 34 f.; 234, 30 ff.: Droben aber haben wir angezeigt, wie die Cresems Bisschoue mit irer Weyhe keinen Pfarrer noch Prediger beruffen, sondern allein und eitel Winckel messer machen . . . 50 38, 230, 21 ff.; vgl. $4, 428, 3 f.: Ordo non est sacramentum, Sed ministerium & vocatio ministrorum Ecclesiae; 437, 1 f.: . . . ein gebot, Befelh und Beruff zum Ampt der Christlichen Kirchen. 4i

51

38. 230. 33 f. 38, 230, 3 j f.: der Papst hat Winckel weyhe auffgeridit". » 38, 234, 35 f. 54 38, 236, 5 ff. « 38, 236, 9 ff. 68

der Veter Weyhen verlassen, dafür seine

US

nicht von nöten gewest ist. Denn der beruffen Pfarrher wol an soldi bestetigung hette können sein Pfarrampt aus richten . . ." ββ . Fassen wir die Stelle genauer ins Auge, so finden wir aber zunächst, daß die Bestätigung und Investitur durch die Bischöfe, die also nach Luther nicht unbedingt vonnöten gewesen ist, so daß ein berufener Pfarrer sein Amt auch ohne sie hätte ausrichten können, nicht mit der Priesterweihe, also dem gottesdienstlichen Weiheakt gleichzusetzen ist, vielmehr die kirchenregimentliche Bestätigung der Verleihung einer Pfarre, einen kirchenrechtlichen Akt darstellt 57 . Bei Rietschels Neigung zu einer kirchenrechtlichen Deutung der Ordination kann man verstehen, daß er diesen Unterschied nidit im Auge behält. Was Luther also hier von der Bestätigung der Berufung sagt, betrifft durchaus nicht den gottesdienstlichen Weiheakt zum Amt. Aber sagt Luther nicht davor, daß eben „die rechte Weyhe zum Ministerio odder Ampt" durch das Verleihen der Pfarren (durch alle möglichen Instanzen) erhalten geblieben sei und •distanziert er hiermit nicht die rechte Weihe, also die rechte Ordination, von dem gottesdienstlichen Weiheakt als solchem? Nein, es ist nur eine scheinbare Distanzierung. Das wird erwiesen durch zwei wohl zu beachtende Momente: i. Luther weiß sehr wohl, daß in der päpstlichen Kirche nur bereits Geweihte überhaupt in Pfarren eingesetzt werden konnten 58 . Bei den in der päpstlichen Kirche geschehenden Berufungen, von denen er hier spricht, ist also der gottesdienstliche Weiheakt als auch geschehen vorausgesetzt. 2. Ist die rechte Weihe in der päpstlichen Kirche auch durch den Chresem, also die falsche Ordinationsintention, „verstöret", so ist das Falsche an der römischen Weihe doch dadurch noch notdürftig zurechtgestellt, daß eben dann •danach noch eine Verleihung von Pfarren erfolgte, wodurch der Aspekt auf das Pfarramt wieder durchbrach. Natürlich war es ein sehr gefährlicher Notstand, daß die Weihe in ihrem eigentlichen Vollzug durch falsche Elemente überlagert war, daß erst nachträglich durch den weiteren Akt der Verleihung einer Pfarre der rechte Aspekt aufs Predigtamt zum Tragen kam, aber es reichte doch noch dazu aus, daß unter aller Verkehrung im Papsttum die rechte Weihe zum Predigtamt erhalten blieb. Freilich muß sie nun gereinigt werden, der falsche Bezug aufs Meßopfer muß fallen, die Berufung zum Predigtamt muß wieder den Verlauf der eigentlichen Weihehandlung selbst bestimmen. Luther will aber nicht der gottesdienstlichen Weihehandlung überhaupt ihre Bedeutung für die Berufung ins Amt absprechen. Wenn Luther im folgenden dann sagt: „wir wollen sehen, wie wir Pfarrhern und Prediger kriegen aus der Tauffe und Gottes Wort, on jren Cresem, durch unser erwelen und beruffen geordinirt und bestetiget" 59 , so ist dieses Erwählen und Berufen keinesfalls ohne einen gottesdienstlichen Weiheakt mit Handauflegung und Gebet vorgestellt. Das geht ganz deutlich aus dem folgenden Hinweis auf die römische Anerkennung von Ketzerordinationen hervor, mit dem Luther fordert, die Römischen müßten ihren eigenen Grundsätzen zufolge unsere evangelischen Ordinationen als gültig anerkennen, wenn sie uns auch für Ketzer halten, was wir nicht sind. „Darumb sollen sie unser Weyhen und Ordinirn lassen recht sein . . ." eo . Dabei war es Luther natürlich klar, daß nach dem kanonischen Recht nicht etwa solche Berufungshandlungen von Ketzern als gültig anerkannt waren, die in irgendeiner beliebigen Form eine Person zum Amt designieren, sondern natürlich nur solche, die mit Gebet und Handauflegung eines Bischofs gehalten werden. Soll es einen Sinn haben, daß Luther hier die Anerkennung lutherischer

56

38, 236, 13 ff. Vgl. 38, 220, 18 ff.: . . . nicht gnug, das er geweyhet und den Cresem empfangen hatte, sondern muste von newen auff beruffen odder geordent werden und sich lassen investirn und ein weisen solch Pfarrampt zu empfahen und an zu nemen . . . 58 38, 2 2 1 , 2 ff.; 243, 18 ff. 59 38, 236, 30 ff. 60 3 8» 237. 4 ff·; v gl· 50, 248, 16 ff.; $3, 2J7, ι ff. 57

176

Ordinationen auf Grund der erwähnten, in der römischen Kirche geltenden Grundsätze fordert, so kann er dabei natürlich nur gottesdienstlidie Weihehandlungen mit Gebet und Handauflegung im Auge haben, nicht irgendwelche Designationen, die vielleicht rein amtsstubenmäßig durch den Rat einer Stadt auf dem Rathause etwa erfolgen. Es ist darum klar, daß Luther mit dem Ausdruck „unser Weyhen und Ordinirn" nicht etwa nur die Wahl oder Berufung in irgendeiner beliebigen Form meint, sondern die Berufung, die in gottesdienstlicher Weihehandlung mit Gebet und Handauflegung geschieht. Als angenommenen Einwand gegen seine Argumentation mit der Gültigkeit der Ketzerordinationen führt Luther nun auch nur den an: „ U n d ob sie für geben, die Ketzer, so geweyhet haben, sind Bisschove gewest . . Dem weiß Luther aber damit zu begegnen, daß nach dem Neuen Testament und der bekannten Hieronymusstelle „Bisschoff und Pfarrher ein ding gewest" sind 62 . St. Augustin ζ. B. habe keine größere Pfarre gehabt als etwa der Pfarrer von Wittenberg. „Und derselbe kleine Pfarrher odder Bissdioff Sanct Augustinus hat viel Pfarrher odder Bisschove jnn seiner kleinen Pfarrhen geweyhet und geordinirt . . . , die von andern Stedten begert und beruffen wurden, wie wir aus unser Pfarhen zu Wittemberg andern Stedten, so es begern und bey sich keine haben, ordinirn und senden mügen. Denn Ordinirn sol heissen und sein beruffen und befelhen das Pfarrampt . . ." e 3 . Die von dem Pfarrer zu Wittenberg vollzogene Ordination ist nichts anderes als die von St. Augustin vollzogene Ordination. Natürlich ist das die mit Gebet und Handauflegung, also gottesdienstlich vollzogene Ordination. Nach Rietschel soll Luther gerade nicht in den gottesdienstlichen Akt, sondern in die vorangehende Wahl durch die Gemeinde die eigentliche Ordination gelegt haben. Hier aber wird im Gegensatz zu dieser Sicht Rietschels die örtliche Berufung der Person von dem Ordinationsakt, der auf Grund dieser örtlichen Designation der Person von dem Pfarrer (Bischof) der Stadt vorgenommen wird, unterschieden und gerade letzterem der Name .Ordinirn' gegeben. Das „Ordinirn und Senden", wozu wir in unserer Pfarre zu Wittenberg Macht und Recht haben, ist eben gerade der gottesdienstliche Weiheakt mit Gebet und Handauflegung, der die örtliche Berufung bestätigt und diese damit in K r a f t setzt und die eigentliche Sendung ins Amt darstellt. Für Rietschel ist es „zweifellos", daß Luther gerade an dieser Stelle „mit diesem Ordinieren nicht etwa eine kirchliche gottesdienstliche Weihehandlung gemeint hat", ja, hier eine solche kirchliche Feier nicht einmal in das Wort .Ordinirn* einschließt'4. „Zweifellos" ist es ihm deshalb, weil — wie er meint — 1533 solche Handlungen in Wittenberg noch nicht vorgenommen worden sein können, erst 1535 sei die Ordination als gottesdienstliche Feier ja eigentlich eingeführt worden. Nun übersieht Rietschel aber — ganz abgesehen von der Nichtbeachtung des Zusammenhanges der Stelle —, daß Luther sagt: „Wie wir aus unser Pfarhen zu Wittemberg . . . ordinirn und senden mügen"'s. Damit ist ja nodi nicht gesagt, daß solche Ordinationen auch tatsächlich schon 1533 in Wittenberg vorgenommen worden sind, nur Freiheit und Recht dazu wird behauptet 00 . Aber andererseits ist es doch auch keineswegs gesichert, daß nicht auch vor 1535 schon vereinzelte Ordinationen für auswärtige Gemeinden in 61

38. 237, 19.

f. ι ff. 04 a. a. O., S. 5 6 . 05 38, 238, 5 ff. Das läßt auch Drews unbeachtet (WA 38, 40J). 69 Auch 38, 237, 8 „unser Weyhen und Ordinirn" wird grundsätzlich gemeint sein, im Hinblick auf die von Luther ja schon ständig erwogene Aufnahme regelmäßiger Ordinationen in Wittenberg. Ii

62

38, 237, 22

63

38, 238,

7915 Lieberg, Amt

!77

Wittenberg vorgenommen worden sind 67 . Wie dem auch sei, jedenfalls hätte Rietsdiel an der Parallele, die Luther zu den Ordinationen St. Augustins hier zieht, merken müssen, daß eben gerade die gottesdienstliche Feier es ist, die Luther mit dem Begriff ,Ordinirn' hier meint. Wir glauben, damit nachgewiesen zu haben, daß Luther auch in der Sdirift ,Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe' den Begriff .Ordinirn' nicht — wie Rietschel meinte — im Gegensatz zu einer gottesdienstlichen Weihehandlung mit Gebet und Handauflegung, sondern vielmehr gerade im Hinblick auf eine solche gebraucht hat, deren Bedeutung er als „beruff odder befelh des Pfarrampts odder Predigampts", als Sendung zum Amt interpretiert 88 . Auch die Sdirift ,Von der Winkelmesse und P f a f fenweihe' zeigt uns, daß Luther nicht die kanonische traditionelle Ordination als gottesdienstliche Weihehandlung überhaupt verwirft, sondern sie nur von in der päpstlichen Kirche eingerissenen Mißbräuchen gereinigt wissen will. 67

Man vergleiche die immerhin mögliche Datierung des Ordinationszeugnisses für Wencel Kilmann auf das Jahr 1529, die Enders (allerdings gegen seine beiden Druckvorlagen, die beide 1539 haben) vornimmt (Enders 7, 1 3 1 f. Kawerau — Theol. Stud, u. Krit. 1899, S. 137 — setzt dieses Zeugnis auf 1536 an; vgl. Drews, Einleitung z. Ordinationsformular, W A 38, S. 406), und die Bemerkungen in der Predigt Luthers vom 21. Mai I J 3 1 : Item quando ordinamus parochum, quia es ghet ynn dem gehorsam ecclesiae, cui commissum (34I, 437, 16 ff., Rörer) und: Sicut hodie Papistae sitzen ynn dem rechten ampt, ipsi baptisant, dant Sacramentum, ordinant sacerdotes, consecrant coniuges ut nos (34I, 432, $ ff.). Als Zeugnis für in Wittenberg regelmäßig geübte Ordinationshandlungen für andere Gemeinden wird man diese Stellen aber wohl nicht ansehen können, wie wir mit P. Drews (WA 38, 404 ff.) gegen G. Buchwald ( W A 34I, 437, Anm. 2 und 34II, 574) meinen. Dem steht nämlich besonders die Stelle in der Predigt vom 9. Mai 1535, die von der feierlichen Ordinationshandlung als etwas noch Einzurichtendem spricht, entgegen: „Nos gedenken 1 mal mit eim öffentlichen gepreng ordinare. Habetis nunc deutsche taufe, sacramentum, praedicationem et Catechismum et quicquid Christiani. Quamquam predig ampt und beruff auch halten, tarnen etiam in die deudsch sprach bringen . . . " (41, 240, 33 ff.). Es bleibt aber bei dieser Stelle auch eine gewisse Möglichkeit, sie so zu interpretieren, daß Luther hier nur an Ordinationen in deutscher Sprache und mit einem solenneren Gepräge denkt, während Ordinationen in lateinischer Sprache und in schlichterer Form âls schon in Übung vorausgesetzt werden. Jedoch bereitet der folgende Text in dieser Predigt einer solchen Interpretation Schwierigkeiten, insofern da doch deutlich von der Ordination überhaupt gesprochen wird. 68 V . Vajta hat ebenfalls herausgearbeitet, daß die Kritik Luthers an der römischen Ordination sich nur dagegen richtete, „dass diese nicht eine Berufung zum Predigtamt, sondern eine Weihe zu einem besonderen Stand war, der in der Kirche Christi gar nicht existierte" (a. a. O., S. 217), nämlich zum Opferpriesterstand (vgl. S. 218). Vajta stellt auch fest, daß für Luther „die wirkliche Ordination" „die Berufung zum Predigtdienst unter Handauflegung und Gebet" (S. 218) ist. Gegen Drews hebt Vajta mit Redit hervor: „Es lässt sich . . . keineswegs halten, dass Luther . . . auf die Ordination unter Gebet und Handauflegung als gottesdienstlichen Akt vor der Gemeinde verzichten wollte. Die Ordination war von Luther durchaus nicht als bloss juristischer Akt gedacht" (S. 218, Anm. 80). Damit hat Vajta (unausgesprochen) auch gegen Rietschel Position bezogen, der die vocatio gegen die ordinatio bei Luther auszuspielen versucht. Sagt Vajta mehrfach, die Ordination sei nach Luther die „öffentliche Berufung zum kirchlichen A m t " (S. 216 ff.), so meint er, daß nach Luther die Berufung in der gottesdienstlichen Ordination mit Gebet und Handauflegung öffentlich vollzogen wird. Darin stimmen wir mit Vajta völlig überein. Allerdings wäre es wünschenswert gewesen, Vajta hätte den Gegensatz seiner Interpretation der betreffenden Lutherstellen audi gegen Rietschel deutlidi zum Ausdruck gebracht.

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Luthers reformatorisches Werk in bezug auf die Ordination ist es gewesen, daß er sie in ihrem ursprünglichen (apostolischen und altkirchlichen) Sinn unter den römischen Mißbräuchen hervor neu ans Licht gezogen hat. Er war auch hier nicht der Revolutionär, der das Vorhandenς niederreißt, sondern der Reformator, der an dem Vorhandenen das Ursprüngliche und Echte hervorholt und es von eingetretener Depravation befreit69. Allerdings konnte es nicht nur bei einer rechten Lehre von der Ordination bleiben, es mußte notwendig zur praktischen Gestaltung der wahren christlichen Ordination kommen. Den Weg, den Luther in dieser Hinsicht beschritt, haben wir nun darzustellen. Es ist dabei einmal Luthers Vorschlag an die Böhmen, dann aber vor allem die von ihm in Wittenberg eingerichtete Ordinationshandlung selbst ins Auge zu fassen.

3. Der Ordinationsakt in ,De instituendis ministris' Luther will grundsätzlich die Ordination als gottesdienstlidie Handlung, in der zum Amt des Wortes berufen wird, nicht verwerfen und abschaffen. Das bewährt sich besonders daran, daß er 1523 den Böhmen in ihrer besonderen Notlage nicht nur nahelegt, sich geeignete ministri zu erwählen, sondern auch diese dann in einem anschließenden gottesdienstlichen Akt feierlich vor der ganzen Kirche mit Gebet und Handauflegung zu ordinieren. Nötig sei es — so sagt er in seiner Schrift an die Böhmen —, con ven tu facto . . . eligere idoneos, et orationibus ac manuum impositionibus universitati commendare et confirmare atque eos tum pro legitimis Episcopis et ministris verbi agnoscere et colere70, und noch einmal: nachdem die Wahl geschehen ist, tum impositis super eos manibus illorum, qui potiores inter vos fuerint, confirmetis et commendetis eos populo et Ecclesiae seu universitati, sintque hoc ipso vestri Episcopi, ministri seu pastores. Amen71. Der Inhalt dieser nach der Wahl geschehenden gottesdienstlichen Ordinationshandlung ist in den Begriffen commendare und confirmare ausgedrückt. Beide Begriffe enthalten eine stillschweigende Rückbeziehung auf die geschehene Wahl, führen aber doch etwas Neues, zur Wahl Hinzutretendes ein. Die Konfirmation mittels Handauflegung dient nicht nur zur öffentlichen Kennzeichnung des Erwählten, sondern bekräftigt die vorangegangene Wahl der betreffenden Person als rite geschehen und vollzieht die endgültige Zusammenführung von Amtsauftrag und Person 69 V g l . 4 1 , 4 5 8 , 3 6 ff.: (im Blick auf die in Wittenberg eingerichtete Ordinationshandlung) non novum instituimus . . s e d den treck papae ausgekert, ut f r o m haus magd, et ausgefegt.

12'

70

12,

1 9 1 , 22 ff.

71

12,

193» 38 ff.

I79

des Erwählten", der Kommendationsakt empfiehlt ihn der universitas als nunmehrigen Amtsträger und Hirten". Diesem gottesdienstlichen Konfirmations- und Kommendationsakt wohnt nun auch deutlich ein übergemeindlicher, gesamtkirchlicher Aspekt inne. Es ist mindestens wahrscheinlich, daß Luther audi an die Gesamtkirche Böhmens denkt, wenn er als die Instanzen, vor denen oder für die Konfirmation und Kommendation des Erwählten geschehen, ,populus et Ecclesia seu universitas' nennt74. In die gleiche Richtung weist der im folgenden geäußerte Gedanke Luthers an die Einrichtung eines legitimen (d. h. der traditionellen Einteilung der Kirche in Bistümer entsprechenden) und evangelischen Erzbistums Böhmen, in dem Inspektion durch die von den neuerwählten ministri aus sich herausgestellten Bischöfe bzw. den Erzbischof statthat". Luther hat — fernab von allen kongregationalistischen, independentistischen Vorstellungen — den gesamtkirchlichen Zusammenhang sehr deutlich vor Augen und strebt seine geregelte Gestaltung energisch an. Der Bestätigungsakt bei der Vokation soll zwar im ersten Gliede in Ermangelung rechter Bischöfe von den potiores, den Angesehensten in der Gemeinde vorgenommen werden. Aber da Luther vorsieht, daß im zweiten Gliede diese so erwählten neuen Amtsträger weitere ministri zum Amt berufen sollen78, ergibt sich, daß diese, also Amtsträger, dann natürlich audi den Konfirmationsakt vollziehen. Sie sind dann aber aus Nachbargemeinden und verkörpern somit den gesamtkirchlidien Zusammenhang. Die Nähe zu dem von Nicäa can. I V geordneten kanonischen Vorbild der altkirchlichen Ordination liegt bei dem von Luther angestrebten Ordinationsakt der Böhmen auf der Hand. Das von Luther hier Gewollte ist das gleiche, was später in dem Gutachten ,Ob in Erfurt die wahre Kirche Christi sei' — jedenfalls mit Luthers Billigung — so nachdrücklich betont wird, daß nämlich die A p probation der örtlichen Berufung durch die Nachbarpastoren für die Vokation von wichtiger Bedeutung ist77. Der von Luther den Böhmen empfohlene Konfirmationsakt hat bereits die Anlage, zu dem A k t einer auf die Gesamtkirche bezogenen und insofern also gewissermaßen auch kirdienregimentlich bedeutsamen Ordination zu werden. Luther eradi" Als Bestätigung der Wahl und Berufung faßt Luther die Handauflegung auch in Apg. i j , 3 auf. Nachdem der Heilige Geist die Betreffenden erwählt und berufen hat, confirmant vocationem hanc (17I, 511, 4). — Das Moment der Öffentlichkeit dieses Ordinationsaktes wird von Vajta (a. a. O., S. 216 f.) besonders hervorgehoben. 7 1 Daß confirmare und commendare nicht ein und dasselbe sind, hat G. Rietschel (a. a. O., S. 61 f.) betont. In dem commendare sei die Empfehlung an die Gemeinde, in dem confirmare aber eine Art gesamtkirchlidie Bestätigung der Vokation zu sehen. 193. 39 f12, 194, 14 ff. T< 12, 191, 2: Et illi deinceps aliis. " Vgl. Enders, 11, 40, 21 f. und 42, 96 ff. (Zu dem Gutaditen vgl. oben S. i j 8 f., Anm. 177). 74 n

180

tet ihn als für die Vollständigkeit und Rechtmäßigkeit der Vokation notwendig. Auch der Konfirmationsakt steht unter dem ,oportere', mit dem Luther die Vornahme der Vokation den Böhmen eindringlich macht78. ,Dann', sagt Luther, nachdem Wahl und Bestätigung mit Gebet und Handauflegung geschehen sind, sollen die so Vozierten für legitime Bischöfe und Diener des Wortes gehalten und als solche geachtet werden79; ,hoc ipso', nämlich durch den Bestätigungsakt mit Gebet und Handauflegung seien sie Episcopi, ministri seu pastores80. Der gottesdienstliche Konfirmationsakt hat in der Schrift an die Böhmen deutlich den Sinn, daß in ihm der ganze Vokationsvorgang zu definitivem Abschluß kommt und allgemeine, gesamtkirchliche öffentliche Anerkennung gewinnt81. Er ist die eigentliche Einsetzung ins Amt84. Wir haben in diesem Konfirmationsakt coram ecclesia mit Gebet und Handauflegung das zu sehen, was Luther mit der römischen Weihe nicht auch verwerfen wollte und konnte, was ihm von dem apostolischen Vorbild her für die Vokation als ganz wesentlich erschien und was dann in der neu eingerichteten Ordination in Wittenberg von ihm selbst praktisch gestaltet wurde. 4. Die Einrichtung der Ordinationshandlung in Wittenberg In den ersten Jahren nach der Reformation waren in den von ihr ergriffenen Gebieten noch alle Pfarrer solche, die unter dem Papsttum geweiht waren. Mit wachsender Dringlichkeit aber kam auf die reformatorischen Kirchen allenthalben das Problem der neuen evangelischen Gestaltung der Vokation zum Amt zu88. Am 23. Mai 1524 sagt Luther in einer Predigt über Apg. 13: „ . . . iterum instituí debent sacerdotes, ut coram ecclesia pro eis oraretur eisque commendaretur verbum dei praedicandum"84. Luther hat dabei die Einrichtung einer speziellen gottesdienstlichen Ordinationshandlung evangelischer Prägung im Auge. Einige Monate später, in einer Predigt vom 16. Oktober 1J24, legt Luther allen Nachdruck darauf, daß jeder Christ, der das Wort Gottes empfangen hat, schon grundsätzlich durch den Glauben Erbe und Bruder Christi sei und alles besitze, d. h. eben auf Grund des allgemeinen 78

12, 1 9 1 , 22. Vgl. W . Eiert, Morphologie I, S. 322. 11, 1 9 1 , 24 ff. (atque eos tum pro legitimis Episcopis et ministris verbi agnoscere et colere). 80 12, 193, 38 ff· 81 Vgl. P. Brunner, Vom Amt des Bischofs, S. 15. 82 Vgl. 17I, j i i , 5 ff. (Ordination als Einsetzungsakt); Br j , 700, 13 f. (ordinäre seu instituere ministros). 83 Zu der folgenden Darstellung ist zu vergleichen die Einleitung zu Luthers Ordinationsformular von P. Drews in W A 38, S. 401 ff., der wir jedoch nicht in allen Stücken folgen können. n

84

171. J " . 5 ff-

181

Priestertums alle Gewalt am Wort und Sakrament, und fährt fort: Hoc necesse est, ut credamus, quia iam cessant sacerdotes85. Die im Papsttum geweihten, bei uns amtierenden Priester sterben dahin. Die römischen Bischöfe wollen niemand von den Unsern weihen, es sei denn, er verleugne das Evangelium. Debemus tarnen cum tempore praedicatores ordinare, quare velim, vos certos esse, quod quisque Christianus sit Christi frater, si verbum eius habet86. Was mit dem ,praedicatores ordinare' hier gemeint ist, sagt Luther mit einer Abgrenzung gegen die päpstliche Weihe: Nos praedicabimus et ungemus aliter quam illi Episcopi. Sed nos, qui iam habemus ministeria, commendabimus in nostrum ministerium . . . Si ergo scimus pium hominem, extrahimus eum et damus in virtute verbi quod habemus, auctoritatem praedicandi verbum et dandi sacramenta. Hoc est ordinare87. Das Ordinare umfaßt also die Wahl einer Person (extrahimus) und die Ubergabe der Vollmacht zur Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung (damus auctoritatem etc). Daß diese Ubergabe von Luther so gedacht ist, wie er es einige Monate vorher im Anschluß an Apg. 13 gesagt hatte, nämlich in einer, öffentlichen Ordinationshandlung im Gottesdienst der Gemeinde, ist außer Zweifel 88 . Am 14. Mai 152$ wurde Mag. Georg Rörer als Diakonus an der Pfarrkirche zu Wittenberg im Gottesdienst vor der Gemeinde mit Gebet und Handauflegung von Luther in sein Amt eingeführt. Es handelt sich bei dieser Handlung um die öffentliche gottesdienstliche Konfirmation einer Berufung zum Predigtamt. Rörer hebt diese seine Ordination selbst bei der Predigtnachschrift des betreffenden Sonntags hervor89. Jedodi sind uns über weitere Ordinationen in den Jahren nach 1525 in Wittenberg keine zuverlässigen Nachrichten erhalten90. g5

86 87 i j , 720, I i f. 15, 720, 13 ff. 1$, 7 2 1 , i f f . Vgl. P. Drews, V A 38, S. 402. 89 16, 226, 6 (Fußnote) und 17I, 243 (Fußnote). Vgl. audi die Bemerkung Aurifabers in dem Ergänzungsband zu Luthers Schriften (herausgegeben 1564) bei der Ubersicht über die Vorgänge des Jahres 1 5 2 5 : „ A m Sonntage Cantate (des Jahres 1 5 2 j ) hat D. M. L. die Ordination der Prediger nach Apostolischer Weise wieder eingeridit nach der Frühpredigt zu Wittemberg und ist M. Georg Rörer der erste Ordinande gewesen" (zit. nach G. Rietsdiel, a . a . O . , S. 5$). Rietsdiel hat diesen A k t als eine Investitur von dem einer Ordination grundsätzlich abheben wollen (a. a. O., S. J J ) . Dagegen aber ist mit Th. Kolde (Zur Geschichte d. Ordination und Kirdienzudit, Theol. Stud. u. Krit. 1894, S. 2 4 1 , Anm. 1) geltend zu machen, daß Rörer selbst diesen A k t jedenfalls als Ordination im altkirchlichen Sinne gefaßt hat und daß er „durch jenen A k t den übrigen Geistlichen Wittenbergs (die schon unter dem Papsttum geweiht waren) mit gleichen Rechten angereiht wurde" (Kolde, ebda.); vgl. auch E. Hennedce, Zur Gestaltung der Ordination m. besond. Rücksicht auf d. Entw. innerh. d. luth. Kirche Hannovers, Forschungen z. Gesch. Niedersachsens, I. Bd., i . H e f t , Hannover 1906, S. $. 88

90

Vgl. aber u. U. oben S. 178, Anm. 67 das Ordinationszeugnis des Wenc. Kilmann.

182

Bis zum Augsburger Reichstag 1530 hatte man die Möglichkeit noch nicht ganz ausgeschlossen, daß die römischen Bischöfe evangelische Prediger berufen und ordinieren könnten. Nach 1530 war es klar, daß diese Möglichkeit ausschied91. Der Pastorenmangel drängte. Luther schreibt am 16. Dezember 1530 an den römischen Priester Peter Hackenberg, der zur Reformation übergehen wollte, aber Sorge hatte, ob er da werde ein Amt bekommen können: Magna ubique penuria fidelium pastorum, ita ut prope sit, quo cogemur proprio ritu ordinare seu instituere ministros, sine rasura, sine unctura, sine infula, sine chirothecis, sine báculo et sine thuribulo, sine denique istis episcopis92. Luther sieht die feste Einrichtung eines proprius ritus ordinationis ohne die römischen Bischöfe als unmittelbar bevorstehend an. Erforderlich erscheint ihm ein solcher zur Gewährleistung der geordneten Bestellung des Predigtamtes. Man wird sich die Verhältnisse in Kursachsen und in anderen Territorien um diese Zeit in dieser Hinsicht recht ungeordnet vorzustellen haben. Seit 1528 waren zwar auf Luthers Veranlassung hin durch den Landesherrn die Visitationen eingerichtet worden und als Aufsichtsorgane die Superintendenten eingesetzt93. Die Superintendenten hatten auch die Aufgabe, neugewählte Diener des Wortes zu verhören und auf ihre Eignung zu prüfen, hatten aber keine bischöflichen Bestätigungsbefugnisse und kein Ordinationsrecht. Die Ordination wird in vielen Fällen einfach unterblieben sein. Die Berufung durch die Gemeinde oder die Instanz (Magistrat, Patron), die gerade das Vokationsrecht am Orte innehatte, sowie das Verhör durch den Superintendenten wird alles gewesen sein91. Luthers Intentionen entsprach das jedoch nicht. Johann Sütel in Göttingen war ohne öffentliche gottes dienstliche Ordination mit Gebet und Handauflegung nur durch Vokation Prädikant an St. Nicolai in Göttingen geworden. Er legte Luther die Frage vor, ob er ohne priesterlidie Weihe auch das hl. Abendmahl verwalten dürfe. Luther antwortete ihm darauf in einem Brief vom 1. März 1 5 3 1 : er habe den Eindruck bekommen, als meinten die Göttinger es nicht ernst mit 81

V g l . G . Rietschel, a. a. O., S. 61. Br 5, 700, 1 2 ff. Einige Monate später ( i . M ä r z 1 5 3 1 ) schreibt Luther an Joh. Sütel : . . . hic summa penuria est virorum idoneorum, nec nisi magna mole eos movere ( = aufbringen) possum, ita ut in hac quoque civitate incipiamus deficere (Br 6, 4 3 , 7 fi.). 94

93 V g l . E . Sehling, Die ev. Kirchenordnungen d. 16. Jahrhunderts, Bd. I, Leipzig 1 9 0 2 , S. 1 4 0 ff. 1 4 9 ff. U n d W . Eiert, Das Visitationsamt in der kirchlichen N e u o r d nung, Jahrb. d. Martin Luther Bundes 1 9 4 8 , S. 66 ff. 94 G . Rietschel ( a . a . O . , S. J 5 ff. u. 6 3 ; Lehrbuch d. Liturgik I I , 1909, S. 4 2 0 f.) hat angenommen, daß audi sdion in dieser Zeit in einzelnen Gemeinden gottesdienstliche Introduktionsakte mit H a n d a u f l e g u n g und Gebet stattgefunden haben. A b e r das ist ungesichert. V g l . T h . K o l d e , Z . Gesch. d. O r d . usw., a . a . O . , S. 2 3 3 , A n m . 1 und besonders P . Drews, D i e Ordination, P r ü f u n g u. Lehrverpfliditung der Ordinanden i. Wittenberg 1 5 3 5 , Dtsche. Ztsdir. f. Kirchenrecht, Bd. X V , Tübingen 1 9 0 5 , S. 66 f.

183

dem E v a n g e l i u m . W e n n dem so sei, so solle er v o n der V e r w a l t u n g des Sakraments weiterhin abstehen. Meinten es die Göttinger

aber

dodi

ernst mit dem E v a n g e l i u m , dann solle er sich v o r h e r öffentlich v o r dem A l t a r e v o n den anderen ministri mit Gebet und H a n d a u f l e g u n g

das

testimonium ( w o h l der L e h r f ä h i g k e i t und V o k a t i o n ) und die auctoritas coenae tractandae geben lassen 85 . Luther hält also die gottesdienstliche Ordination jedenfalls f ü r das volle A m t mit S a k r a m e n t s v e r w a l t u n g f ü r notwendig. Diese öffentliche Ordinationshandlung, die Luther dem Sütel nahelegt, ist ein öffentliches Zeugnis der rechtmäßigen V o k a t i o n

und

Ü b e r g a b e der V o l l m a c h t das S a k r a m e n t zu v e r w a l t e n durch die anderen ministri verbi 9 8 . Diese Ä u ß e r u n g Luthers liegt auf der gleichen Linie, w i e w i r sie bisher bei ihm kennengelernt haben. D i e gottesdienstliche Ordinationshandlung ist in Luthers Denken der A k t , durch den das A m t des W o r t e s und der Sakramente eigentlich übergeben w i r d . In der K o n sequenz dieses Ratschlages an J o h . Sütel läge ohne Z w e i f e l die gottesdienstliche Ordination aller derjenigen V o z i e r t e n , die nicht schon i m Papsttum die W e i h e empfangen hatten. ,s Br 6, 44, i y ff. ( . . . tum publice coram altari a reliquis ministris cum oratione et impositione manuum testimonium accipies et autoritatem coenae tractandae). — Enders' Interpretation der Stelle (End. 8, 368, Fußnote 5), als besage sie: „Wenn man dort kein Gewicht darauf legt, möchte ich, daß du dich, wie bisher, enthaltest (nämlich der Tonsur u. Salbung); hält man es aber für wichtig, so wirst du wohl thun, dir von den anderen Predigern unter Gebet und Handauflegung Zeugniß geben und die Ermächtigung zur Verwaltung des Abendmahls ertheilen zu lassen", ist in der Weimarer Lutherausgabe von O. Clemen widerlegt worden. Clemen weist darauf hin (Br. 6, 44, Fußnote 9), daß das ,serium' Z. 17 nach dem ,serio' Ζ. 15 zu erklären ist und die verbindenden Partikeln Quare und Nam zu beachten sind. Nach Clemen ist Sinn der Stelle: „Dies, daß die Göttinger sich beschweren, wenn sie den Geistlichen ein wenig mehr Gehalt zahlen sollen, heißt nicht ernst das Evangelium suchen. Deshalb (weil ich die Göttinger im Verdacht habe, daß sie's nicht ernst meinen) kann ich Dir auf Deine Frage, ob Du ohne priesterliche Ordination . . . das Abendmahl spenden sollst, nicht (bestimmt) antworten. Die Antwort muß sich danach richten, ob die Göttinger es ernst nehmen oder nicht. In letzterem Falle wünschte ich, daß Du Dich wie bisher der Abendmahlsspendung enthieltest, in ersterem aber sollst Du . . . " . Clemen verweist auch auf Br 5, 659, 14 ff.: Concionatori principis meo nomine salutem dicas plurimam, Et dicito, Ne ullo modo tentet Eucharistiam clam porrigere, cum non sit vocatus minister ad hoc opus, ne aduersariis detur occasio, seu . . . iis, qui extra sunt, causam blasphemandi; und Enders 9, 2 1 1 , 3 ff. = Br 6, 338, 2 ff.: Ego homini consilium dedi, quandoquidem praedicator esset vocatus, et periculum adesset propter sacramenti ministerium, ipse interim abstineret, et parochum sineret more suo ministrare, ipse docendo contentus. Die Deutung von Clemen ist die zutreffende. Zur Verwaltung des hl. Abendmahls fordert Luther in seinem Gutachten für Sütel die Ordination mit Gebet und Handauflegung. 96

In dem Gutachten von 1536 ,Ob in Erfurt die wahre Kirche Christi sei' wird das größte Gewicht auf die Anerkennung der Vozierten durch die anderen Pastoren gelegt. Die Erfurter Prediger sind rechtmäßig berufen, weil die Kirche sie begehrt und die Pastoren der umliegenden Städte sie als wahre ministri anerkannt haben (End. 1 1 , 42, 96 ff.: eorum doctrinam approbant et velut quadam impositione manuum confirmant et corroborant; 44, 169 ff.). 184

Zwei Jahre später, 1533 in der Schrift ,Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe', spricht Luther — wie bereits gezeigt worden ist97 — sehr deutlich von einem Ordinationsakt in Wittenberg, durch den Diener des Wortes für andere Gemeinden berufen und gesandt werden sollen. Bei der Herausbildung eines organisierten evangelischen Kirchenwesens konnte audi auf die Dauer die Ordination als öffentliche, von der Gesamtkirche aus geschehende Bestätigung der örtlichen Berufung nicht entbehrt werden. Die Prüfungen der Erwählten waren in Kursachsen schon bald den Superintendenten genommen und an den kurfürstlichen Hof verlegt worden98. Es war nur natürlich, daß auch eine öffentliche, die Anerkennung der Gesamtkirche ausdrückende Ordinationshandlung nun in Wittenberg als kirchlichem Zentralsitz für alle Verantwortlichen (Luther, die Theol. Fakultät, der Fürst) eingerichtet wurde. In der Predigt vom 9. Mai 1535 sagt Luther (wie wir schon einmal anmerkungsweise zitierten): „Nos gedenken 1 mal mit eim öffentlichen gepreng ordinare . . . Quamquam predigampt und beruff auch halten, tarnen etiam in die deudsch sprach bringen"99. Offensichtlich schwebt ihm der Gedanke vor, ein deutsches Ordinationsformular herauszubringen und damit der Einrichtung einer ständigen Ordinationshandlung in Wittenberg die Wege zu ebnen. Nachdem die Möglichkeit, von den römischen Bischöfen sich Prediger ordinieren zu lassen, ausgefallen war100 und der Pfarrermangel ständig größer wurde 101 , war die Einrichtung der Ordination eine unumgängliche Notwendigkeit. Das Recht dazu leitet Luther daraus her, daß wir hier christliche Kirche sind und alles haben, was zur Kirche gehört, Taufe, Evangelium, Sakramente, Glauben, Vaterunser, zehn Gebote und auch das Amt: Et nos in officio sumus. Ego praedicator a vobis vocatus 1 0 2 ... Nos . . . in officio et nobis commissum, ut so machen. Ideo Christiana Ecclesia semper habet redit und beruff da zu (nämlich zu ordinieren)103. An dieser Predigt ist einmal bedeutsam, daß Luther die Notwendigkeit der Berufung rechter Prediger mit der Notwendigkeit der Ordination in Verbindung bringt, und dann, daß er das Redit zur Vornahme der Ordination audi in dem Vorhandensein des Amtes, d. h. " Vgl. oben S. 177 f. Angeordnet wurde die Verlegung der Prüfungen an den kurfürstlichen Hof schon durch die Visitationsartikel von 1 $29 und 1533. Vgl. G. Rietschel, a. a. O., S. 62; P. Drews, Die Ordination, Prüfung u. Lehrverpfliditung usw., a. a. O., S. 82 ff. Seit 153$ fanden die Prüfungen der Ordinanden in Kursachsen jedenfalls vor der Theol. Fakultät in Wittenberg statt. Vgl. P. Drews, Einleitung z. Ordinationsformular, W A 38, S. 409. 98

99

41, 240, 33 ff. 41» 241» 1 ff- N o x offt und viel erboten Episcopis, quod vellemus nos lassen bestetigen zu pfarrern und predigern . . . Das wollen sie nicht thun. 100

101 A}> 241, 12 ff.: . . . der hauff wird gros, und idi werd schwach, Capellani erbeten sidi ab mit Sacramentreichen, Kranke besuchen, feit 1 nach dem 2. 1 S99> 36 ff.; 600, 2 1 ff.; vgl. 4 4 , 4 0 7 , 3 7 — 4 0 : Ministris vero imponimus manus, et simul fundimus preces ad Deum, tantum ut testemur esse ordinationem divinam cum in his tum in aliis omnibus statibus Ecclesiae, politiae et oeconomiae; vgl. audi 43, J2I, 33 ff. Als Parallele zu der im Text angeführten Stelle aus der Genesisvorlesung kann man 41, 457, 4 f. anführen: „Ibi sumus dei larvae et unsers herr Gotts netzige hand". Durch diese Parallele wird die Beweiskraft der Genesiskommentarstelle stark erhöht. 2 4 8 4 3 , 600, 26 f. 249 Vgl. G. Rietsdiel (Lehrbuch d. Lit. II, 1909, S. 42$ f.; und 2. Aufl. 1952, S. 852), der im Blick auf das ganze 16. Jahrhundert sagt: „In der Handhing der Ordination ist der Gestus der Handauflegung in Gebrauch, so daß diese Handauflegung mit der Ordinationshandlung sich so eng verband, daß die Namen .Ordination' und .Auflegung der Hände' wohl audb promiscue gebraucht wurden". Das hat — wie wir hier sehen — audi für Luther seine Gültigkeit. •4'

211

Ein bestimmtes positives ius divinum für den speziellen Ritus der Handauflegung bei Luther anzunehmen, wird aber dadurch erschwert, daß Luther an manchen Stellen, an denen er die Handauflegung hätte erwähnen müssen, wenn er sie für göttlich angeordnet hielte, nicht voi» ihr spricht, und daß die zuletzt angeführte Stelle aus dem Genesiskommentar als echter Luthertext nicht völlig gesichert ist. Soviel steht fest, daß Luther die Handauflegung als apostolischen und allgemeinkirchlichen Ritus allgemein eingehalten und nicht ohne triftigen Grund ausgelassen wissen will, und auch, daß er sie — wo sie in rechter Weise angewandt wird — von dem ius divinum der Ordination mitumschlossen sieht. Vielleicht treffen wir Luthers Anschauung am besten, wenn wir mit Gottfried Werner sagen, daß sie zwar für das Amt nicht eigentlich konstitutiv ist, aber doch zu den Konkretionen gehört, „ohne die sich nun einmal Gott nicht zu erkennen gibt und wirken will, und zu den Zeichen, an die sich unser sdiwacher Glaube hält"250. Das kann jedoch im Sinne Luthers nur von der Handauflegung gelten, die verbünden ist mit dem Gebet und dem Worte Gottes, wie wir bereits andeuteten und wie es eigentlich ja selbstverständlich ist. Nur wenn die Handauflegung in der Kraft des Wortes und getragen vom Gebet angewandt wird, kann sie mehr sein als bloß menschliche symbolische Zeremonie, nämlich Medium göttlichen Handelns. Das Wort Gottes ist für Luther das selbstverständliche Grundelement der Ordination. Eine Ordination, bei der das Wort Gottes nicht gehandelt wird, ist keine Ordination, bemerkt Luther in einer Predigt von 1524" 1 . In virtute verbi wird bei der Ordination das Amt übergeben252. So müssen wir als wahre Elémenté der Ordination bei Luther drei zählen: Wort Gottes, Gebet und Handauflegung. Es wird uns nun aber noch näher zu beschäftigen haben, welchen speziellen Sinn Luther der Handauflegung bei der Ordination zuschreibt.

250

a. a. O., S. 20; vgl. audi J . Heubadi, a. a. O., S. 108 f., der Luthers Auffassung ähnlich beurteilt. So einfach liegen die Dinge hier bei Luther jedenfalls nicht, wie G . Hök ( a . a . O . , S. 14$) meint, wenn er einfach urteilt: „Handpäläggning är idee nödvändig. Den upptas ickè sâsom en Guds befallning. Den användes icke iure divino. Handpäläggning är däremot ett fromt bruk frän apostlarnas dagar, som skall användes iure humano" (d. Handaufl. nicht notwendig, sie werde nicht auf göttl. Befehl hin, nicht iure divino, sondern als frommer Braudi aus der Apostelzeit iure humano angewandt). Hök läßt die von uns angeführten Stellen außer acht. Darin allerdings hat Hök redit, daß der Ton bei Luther mehr auf dem Gebet als auf der Handäuflegung liegt (a. a. O., S. 149). 251

212

15, 720, 20 f.: Non est aliquid ordo, quia sine verbo fit . . . ι j , 7 2 1 , 4.

8. D a s V e r s t ä n d n i s der H a n d a u f l e g u n g bei der O r d i n a t i o n D i e H a n d a u f l e g u n g bei der O r d i n a t i o n h a t nach L u t h e r zunächst eine bekundende,

bezeugende

Bedeutung.

D u r c h sie w i r d öffentlich k u n d g e -

t a n : diese Person ist die e r w ä h l t e u n d recht berufene. Sie drückt die a p p r o b a t i o personae durch die anderen ministri v e r b i aus u n d z e i g t die Ü b e r g a b e des A m t e s an 2 5 3 . I n der Genesisvorlesung kennzeichnet L u t h e r die H a n d a u f l e g u n g als vetustissimus ritus u n d ceremonia p a t r u m , die v o m A l t e n in das N e u e T e s t a m e n t hinübergenommen u n d stets d a n n a n g e w a n d t w o r d e n sei, w e n n m a n j e m a n d e m ein A m t (munus)

oder

irgendeine F u n k t i o n (administratio) übertragen habe 2 5 4 . D i e H a n d a u f l e g u n g gilt als R i t u s der A m t s ü b e r g a b e u n d A m t s b e f e h l u n g . Sie bestätigt bei der O r d i n a t i o n zugleich auch den rechtmäßigen V o l l z u g der G e s a m t v o k a t i o n v o r der g a n z e n Kirche 2 5 5 . S o hebt L u t h e r in seiner S c h r i f t über die Bischofsweihe zu N a u m b u r g h e r v o r : „ A u f f legung der H e n d e , Segenen, bestettigen

und bezeugen

solchs, wie

ein Notarius

und

die

Zeugen

253

j 2 , $68, 22 f.: Handauflegung „ein offenlidies zeydien . . . des ubergebenen Predig ambts"; vgl. End. 16, 275, 29 ff. (Br 1 1 , i$6, 23 ff.): ritu Apostolico, impositione manuum declaravimus (testimonium nostrum de eo) et ei ministerium docendi Evangelium et administrandi Sacramenta commendavimus; End. 1 1 , 42, 96 ff.: Omnes quoque omnium ecclesiarum Christi pastores non modo mediocrium, sed insignium urbium ¡líos pro veris Christi discipulis et ministris agûoseunt, cum eis communicant, eorum doctrinam approbant et velut quadam impositione manuum confirmant et corroborant. Die Handauflegung ist Zeichen der Approbation und Bestätigung derselben. 214 44, 695, 19 if.: Ritus impositionis manuum vetustissimus est, et patribus in Novum quoque Testamentum translatus, Sicut apparet ex Paulo, cum inquit: ,Nemini cito imponas manus'. Mose imponit manus Josuae. Et fuit ceremonia patrum, Prophetarum et totius Ecclesiae omnibus temporibus usurpata, quando mandarunt alicui munus seu administrationem aliquam. Allerdings bemerkt W. Maurer (Gemeindezucht, Gemeindeamt, Konfirmation, a . a . O . , S. 56, Anm. 15) zu dieser Stelle: „Rein rechtlich und darum wohl nicht von Luther stammend ist die Anschauung von der Handauflegung im Genesiskommentar zu Gen 48, 1 3 " . In der T a t könnte man hier auch melanchthonisches Gedankengut vermuten, jedodt findet sich bei Melandithon für die Handauflegung, soweit wir sehen, diese Wendung, daß durch sie ein Amt befohlen wird (mandare alicui munus) nicht (vgl. unten S. 354 ff.). Bei Luther aber spielt die Amtsbefehlung in der Ordinationstheologie durchaus eine Rolle (man vgl. die 6. Rubrik im Ordinationsformular und die Stellen, die von der Befehlung des Amts reden, oben S. 196, Anm. 154 und noch 26, 83, 8 ff.). So könnte in dieser Stelle dodi ein editer Luthertext vorliegen. — Chr. Mahrenholz sagt von der Handauflegung bei der Ordination nach Luther ( a . a . O . , S. 23): „Diese urkirchliche . . . Übung ist von Luther beibehalten worden, weil sie der Sdirift und der gemeinkirchlichen Tradition entspricht, ein öffentliches Zeichen des befohlenen Amtes ist und eine starke Versicherung des Berufenen darstellt, dem das Amt durch die Handauflegung quasi körperlich zugesprochen wird". 255

Vgl. 26, 99, 18 ff.: Certe periculosus status i. e. nemini facile concredas officium aliquod. Tum ministri sic ordinati: erat confirmatio ministrorum in facie ecclesiae.

213

eine

Weltliche

sache

bezeugen,

U n d wie der Pfarrherr, so B r a u t und

Breutigam segenet, jr E h e bestiget oder bezeuget, das sie z u v o r sich genomen haben und öffentlich bekand . . . " 2 M . An dieser Stelle sieht Luther die Handauflegung besonders als Ritus der öffentlichen Bezeugung eines geschehenen Consensus, nämlich zwischen der Kirche und dem Vozierten, daß „die Kirche den Bischoff hören und der Bischoff die Kirche leren wolle" an 857 . Insofern liegt die Parallele zur Trauung besonders nahe. N u n bezieht sich diese Aussage über die Handauflegung allerdings auf eine Handlung, die nicht eigentlich nur Ordination, sondern audi zugleich Amtsinvestitur (Introduktion) in ein bestimmtes konkretes Amt am Orte war. Darum steht hier mehr der Consensus zwischen Gemeinde und Voziertem im Blickfeld. Bei der eigentlichen Ordination ist es mehr die Rechtmäßigkeit der Gesamtvokation einschließlich besonders des bestandenen Examens, das durch die Handauflegung bezeugt und bestätigt werden soll. Immerhin ist darin ja doch auch eine örtliche Vokation und also ein consensus zwischen einer bestimmten Gemeinde und dem Ordinanden eingeschlossen. H a t die H a n d a u f l e g u n g bei der Ordination nach Luther zunächst eine solche bezeugende, gewissermaßen notarielle Bedeutung, so darf

man

diese doch nicht f ü r die einzige halten. D i e H a n d a u f l e g u n g bei der O r d i nation hat nach Luther auch eine Segensfunktion.

So heißt es in dem

Bericht über die N a u m b u r g e r Bischofsweihe j a auch: „Auflegung Hende,

die

Segenen,

bestettigen und bezeugen solchs . . D i e

der Segens-

funktion steht sogar voran 2 5 8 . Diese Benediktionskraft gewinnt die H a n d a u f l e g u n g aus bindung

mit

dem

Gebet.

ihrer

Ver-

In der Predigt am Andreastag 1 5 4 4 sagt Luther

v o n der urchristlichen Ordination nach den Pastoralbriefen: „ N u n ist aber solches hand aufliegen nidit allein ein offenliches zeychen gewest des ubergebençn Predig ambts, Sondern man hat dabey gebetet . . . Solches gebett ist nicht vergebens gewest, D e n n durch solches hendt a u f l iegen und gebett ist der heylig G e y s t bißweilen sichtigklich über die v e r ordneten Kirchendiener kummen, A l s A c t . 19. U n d Paulus meldets v o n T i m o t h e o z w e y m a l , w i e er durch solche aufflegung der hende die w a l e 254 $3» 257> ff. Audi in der Genesisvorlesung begegnet die Parallele zur Trauung: 44, 407, 34 fi.: Non igitur de nihilo est quod peculiares ritus adhibentur in ecclesia ad iungendos coniuges, item ad ordinandos ministros verbi. Benedicimus enim sponsum et sponsam, recitanjus verba institutionis divinae, invocamus Deum, ut velit tueri hunc ordinem. Ministris vero imponimus manus, et simul fundimus preces ad Deum etc. Zur Naumburger Bischofsweihe im einzelnen vgl. die neue Untersuchung von Peter Brunner, Nikolaus von Amsdorf als Bischof von Naumburg, Schriften des Vereins f. Reformationsgeschichte N r . 179, Jg. 67, 2 u. 68, Gütersloh 1961, bes. S. 60 ff. 257 258

$3» 2 Σ7· ί ί·

'

53· 2J7,'í£F. — Ρ· Bruriner meint im Blick auf diese Stelle, daß Luther erst 1J42 die Segnung in die in der Ordination geschehende Bestätigung hineingenommen habe (Vom Amt d. Bischofs, S. 15, Anm. 10). Jedoch findet sich das Element der benedictio schon in Luthers Ordinationsformülar, und es ist beachtlich, daß Luther schon 1528 in der Auslegung .des 1. Tim.briefes lehrt, daß nach dem Neuen Testament durch die Handauflegung eine geistliche Gabe gegeben werde (26, 83, 6 ff.). 214

des heyligen Geystes empfangen hab . . . (i. Ti. 4, 14; 2. Ti. ι, 6)""". Diese Wirkung der unter Gebet geschehenden Handauflegung hält Luther auch für die Gegenwart fest. Obgleich der heilige Geist nicht mehr mit sichtbaren Zeichen kommt wie damals, wird das Ordinationsgebet doch „one frucht nit abgehen, sonder das außrichten, darumb es geschieht, nach der zusagung Christi: Wo zween oder drey in meinem namen versammlet sind, was sie den Vatter bitten, das wirdt er jnen geben .. ."260. Aus diesem Text geht zweierlei hervor: einmal daß die Segensfunktion der Handauflegung für Luther in dem mit ihr verbundenen Ordinationsgebet wurzeltM1, und dann daß durch das Ordinationsgebet mit Handauflegung wirklich eine reale geistliche Gabe gege259 52, 568, 22 ff. Ähnliche Gedanken finden sich audi in anderen Schriften Luthers. In der Schrift .contra Henricum regem Angliae' 1522 wird der Inhalt der impositio manuum in der apostolischen Zeit als donatio visibilis spiritus saneti bezeichnet (ioli, 2 2 1 , 8 f.). Allerdings sagt Luther das in dieser Schrift nicht im Hinblick auf die Ordination, ja, lehnt einen Bezug der Handauflegung in den Timotheusstellen auf das sacramentum ordinis ab. Dabei ist er von der Polemik gegen König Heinrich bestimmt, der in Auslegung dieser Stellen gelehrt hatte, daß mit der Handauflegung bei der Priesterweihe eine geistliche Gnadengabe mitgeteilt werde (Walch, 1 . Aufl., Bd. X I X , S. 277 f.). Luther entgegnet: Quae vero de impositione manuum ad ordinis sacramentum trahit, vident pueri nihil ad ordinis sacramentum pertinere, sed more suo Papistico sic e scriptum facit, quodeunque visum fuerit. Impositio manuum tunc erat donatio visibilis spiritus sancti (ioli, 2 2 1 , 5 fi.; vgl. ioli, 240, i j f.). Luther hat sich hier durch die polemische Aufgabe offensichtlich in einen Interpretationsirrtum drängen lassen, ohne doch aufzugeben, daß die Handauflegung damals die Gabe des heiligen Geistes mit sichtbaren Zeichen zur Folge hatte. 152$ aber hat Luther in seiner Auslegung des 1. Timotheusbriefes dann diese Sätze gegen König Heinrich gewissermaßen stillschweigend korrigiert. Da äußert er nämlich zu 1. Ti. 4, 14: „.Charisma': donum gratuitum, was sei gewest fur ein donum, non exprimit, sed puto, quod sit potens in doctrina et exhortando" (26, 82, 3 j f.), „Dominus ornavit te egregio dono, quod alius non potest" (16, 83, 3 f.), „ . . . hoc donum habet ex impositione manuum. Eo tempore donabatur spiritus sanctus etiam visibiliter, quando imponebant, ut in Actis primitiva ecclesia" (26, 83, 6 ff.). Die Parallelität mit der Stelle aus der Hauspostille ist deutlich. Luther fährt fort: Non fuit aliud illa manuum impositio quam reeeptio et assignatio eorum, quibus commendabatur aliquod officii, ut act. 13. Sic factum Timotheo (26, 83, 8 ff.). Timotheus ist durch die Handauflegung das Amt befohlen worden, und er hat durch sie eine Gabe des Heiligen Geistes erhalten, die Luther selbst als besondere Fähigkeit zur Amtsverrichtung erklärt, also als besondere Amtsgnade. Auch die Verbindung der Befehlung des Predigtamtes mit der Gabe bei der Handauflegung weist die Verwandtschaft beider Texte aus, ebenso die Verbindung der Handaufiegung mit dem Gebet: Quae sit prophetia, das man etwas hab über im gebet, supra dixi, et praeces aliquas gesprochen ex scripturis sanetis (26, 83, io ff.). Diese Lutherstellen ignoriert völlig Brunotte ( a . a . O . , S. 188 ff.), wenn er behauptet, daß nach Luther bei der Ordination keinerlei besondere Gabe mitgeteilt werde. 290 j 2 , 569, 18 ff. — Hier wiederum liegt die Parallele zu Luthers Ausführungen in der Schrift an die Böhmen (vgl. oben S. 148 ff.) auf der Hand. Audi diese Entsprechung erhärtet die Echtheit der Predigt vom Andreastag in der Hauspostille. sei v g l . 3 7 f.; Ministris vero imponimus manus et simul fundimus preces

ad Deum ...

215

ben w i r d 2 6 2 . D e r Unterschied zwischen der H a n d a u f l e g u n g in der u r christlichen Z e i t u n d der heutigen liegt nach L u t h e r

darin, daß

Geistesgabe d a m a l s auch m i t sichtbaren Zeichen gegeben w u r d e , r e n d sie heute unsichtbar, als i n w e n d i g e B e g a b u n g

dem

die

wäh-

Ordinanden

zuteil w i r d . D i e R e a l i t ä t der G a b e jedoch ist d a m a l s u n d heute die gleiche. D i e H a n d a u f l e g u n g ist die ceremonia externa, durch die die geistliche G a b e , die z u m A m t erforderlich ist, mittels des Gebetes a u s geteilt wird 2 8 8 . L u t h e r legt der H a n d a u f l e g u n g bei der O r d i n a t i o n neben der notariellen auch eine benediktionelle Bedeutung bei.

9 . D e r minister ordinationis W e r soll die O r d i n a t i o n vollziehen? K o m m e n d a f ü r nur die Bischöfe oder auch andere T r ä g e r des geistlichen A m t e s , b z w . nur T r ä g e r geistlichen A m t e s oder auch selbst nichtordinierte Gemeindeglieder

des in

Frage? Grundsätzlich geht L u t h e r stets d a v o n aus, daß die v o r h a n d e n e n r ö mischen Bischöfe

die O r d i n a t i o n vollziehen sollen. D a z u ist i h m a l l e r -

2β2 v g l . oben S. 201 f. über die Segensrealität bei Luther. — Für G. Rietschel (a. a. O., S. 53) ist ,Segnen' nur „Ausdruck der Fürbitte, die im selben gottesdienstlidien Gemeindeakte geschieht", daß dabei eine reale geistliche Gabe gegeben wird, hat Rietschel vollkommen übergangen (a. a. O., audi S. 1 1 1 f.), ebenso E. Chr. Adielis (Lehrbuch der Prakt. Theol. Bd. I, Leipzig 1 9 1 1 , S. 139), der in der Handauflegung bei Luther nur den „Gestus der Fürbitte für die Person" sieht. Die benediktionelle Handauflegung mit Gebet bei der Ordination ist mehr als nur .Gestus der Fürbitte', ist wirksame Mitteilung und Begabung. Das ist audi gegen H . Heppe (Dogmatik d. dtsdien. Protestantismus i. 16. Jh., Bd. I I I , Gotha 1857, S. 325) zu sagen. — J . Heubach urteilt zutreffend, daß nadi Luthers Auffassung durch die Handauflegung „die Mitteilung des Heiligen Geistes und damit seiner für die Ausübung des Amtes erforderlidien Gaben" gleichsam „.gezeigt' und durdi die äußerliche Geste gehandelt' werden soll" (a. a. O., S. 109). Brunottes Kritik an Heubach wurde schon oben S. 206, Anm. 220 abgewiesen. Brunotte zeigt in seiner Darstellung keinerlei Verständnis für die Segensfunktion der Handauflegung bei Luther ( a . a . O . , S. 188 ff.). Daß er f ü r unsere Zeit die Unterlassung der Handauflegung bei der Ordination fordert, „damit die Ordination nach Luthers Anschauung voll zur Geltung kommt und nicht verfälsdit w i r d " (a. a. O., S. 202), muß als absurd erscheinen. 5,3 43, 521, 33 ff. (zu i . M o s e 27, 28 f., dem Segen Isaaks): Non enim possunt etiam spirituales res externae sine externis ceremoniis administrari. Quinqué sensus et totum corpus habent suos gestus et ritus, sub quibus corpus quasi sub quibusdam larvis oportet vivere. Ideo non tantum in corde benedizit, sed etiam sensibus et ceremoniis exterioribus. Oportuit filios benedicendos adferre patri cibum delicatiorem et vinum . . . Post ceremoniam servatam rursus ait Moses: ,Et benedixit ei'. videlicet externe, cum odoratus esset fragrantiam vestimentorum eius. Semper enim adest sensus, qui movet spiritum sanctum, et spiritus sanctus movet corda per externa, ut per verbum, per ceremonias et obiecta, quae per sensum externum movent cor.

216

dings Voraussetzung, daß diese es aufgeben, Unrechte Verpflichtungen bei der Ordination aufzulegen264 und das Evangelium zu verfolgen. Es ist gerade auf Luthers Einfluß zurückzuführen, daß sich die Evangelischen zunächst immer erboten haben, ihre Prediger unter diesen Voraussetzungen von den vorhandenen römischen Bischöfen weihen und ordinieren zu lassen265. Erst dadurch, daß die Ordination von den vorhandenen Bischöfen so nicht erlangt werden konnte, war man gezwungen, die Vokation und damit auch die Ordination selbst in die Hand zu nehmen, d. h. sie auch ohne die Bischöfe, durch einfache ministri verbi zu handeln2611. Luther nimmt in dem Fall, daß die bischöfliche Ordination unmöglich wird, das Ordinationsrecht für alle Diener im Amt in Anspruch. Ist der Notstand aber noch dringlicher, weil nicht nur die Bischöfe Feinde des Evangeliums geworden sind, sondern auch keine anderen rechtgläubigen ministri verbi in der Nähe sind, die ordinieren könnten, geht Luther bezüglich der Person des minister ordinationis noch einen Schritt weiter und sieht angesichts solcher Lage in der Schrift an die Böhmen, wie wir sahen, vor, daß auch Gemeindeglieder den Konfirmationsakt mit Gebet und Handauflegung vornehmen, nämlich diejenigen Gemeindeglieder, qui potiores inter vos fuerint267. Die Vornehmsten, 284

Nämlidi: Abschwören der redite Lehre des Evangeliums, Zölibat, Verpflichtung zur Opfermesse, zur communio sub una etc. 145 38, 195, 17 fr.: Wir haben uns bis da her allezeit, und sonderlich auff dem Reichstage zu Augspurg, gar demütiglidi erboten, dem Bapst und Bisschoven, das wir nidit wolten jr Kirchen rechte und gewalt zu reissen, sondern, wo sie uns nicht zu unchristlichen Artikeln zwüngen, gern von jnen geweihet und regirt sein, und auch helffen handhaben solch jr recht und gewalt, Aber wir habens nicht miigen erheben noch erlangen . . . ; vgl. 38, 236, 23 ff.; 41, 241, i f f . : Nox offt und viel erboten Episcopis, quod vellemus nos lassen bestetigen zu pfarrern und predigern, quanquam sunt nostri inimici et nos non rei, quia non Christiani nec volunt. Sicut velim Turcae Ehr thun, si esset dominus in terra, da Got fur behut. Das wollen sie nicht thun; jo, 247, 20 ff.: „Wen die Bischoffe wolten redite Bisdioffe sein, und der Kirdien und des Euangelions sich annhemen, Szo mochte man das, umb der Liebe und eynigkeit Willen, doch nicht auß nodt . . . lassen gegeben sein, daß sie uns und Unsere Prediger Ordinierten und Confirmierten". Der Zusatz ,doch n i â t auß nodt' zeigt, daß die bischöfliche Ordination für Luthes doch kein göttliches Gesetz darstellt. Vgl. dazu P. Brunner, Vom Amt des Bischofs, S. 42 f. Audi Brunotte, a.a.O., S. 180, der aber Luthers an sich positive Beurteilung der bischöflichen Ordination zu wenig hervortreten läßt. 286 jo, 248, I i ff.: Darumb wie die alten Exempel der kirdien und der Veter uns leren, wollen und sollen wyr selbs Ordinirn (tuditige) person zu solchem Ampt, Und das haben sie uns nicht zuvorbieten nodi zu weren . . . ; $2, $69, 33 ff.: Darumb haben wir gutte Ursache, weyl sie jrem Ambt nach uns rechtschaffene Kirchendiener nicht wollen geben, das wir nach jrem Affen unnd Pfaffen spill nidit fragen unnd uns selbs Kirchendiener ordnen und welen, wie Christus, die Apostel und alle reditgesdiaffene Kirch sie gewelet und geordnet hat; vgl. auch Br 6, 1 1 3 , m ff.

12, 193, 39. 217

Angesehensten sollen dann ordinieren268. Man darf allerdings nicht aus dem Auge verlieren, daß diese Anweisung nur für den speziellen, in Böhmen eben vorliegenden Notstand gedacht und keineswegs als eine für die Dauer geltende Regelung anzusehen ist. Das wird schon daran klar, daß Luther — wie wir bereits mehrfach erwähnten — im zweiten Gliede die Vokation (und Ordination) weiterer ministri durch die neugewählten und ordinierten pastores vorsieht28®. Sollen sie die Vokation vornehmen, so natürlich erst redit die Ordination. Da Luther zugleich an ein höhergestelltes erzbischöfliches Aufsichts- und Visitatorenamt in Böhmen und die Wiederherstellung der legitimen bischöflichen Struktur der Kirche Böhmens denkt, liegt außerdem auf der Hand, daß die Ordination dann wieder speziell bischöfliche Funktion werden sollte. So steht außer Zweifel, daß Luther eine Ordination durch selbst nicht im Amt stehende Gemeindeglieder nur für den äußersten Notfall vorsieht2'0 und sonst daran festhält, daß die Ordination Funktion des geistlichen Amtes, speziell aber des bischöflichen Amtes ist. Auf dieser Linie liegen auch die übrigen Äußerungen Luthers zu der Frage des minister ordinationis, die wir nun noch durchzugehen haben. Dem Göttinger Pfarrer Sütel schreibt Luther 1 5 3 1 , er solle sich öffentlich vor dem Altare mit Gebet und Handauflegung a reliquis ministris ordinieren und die auctoritas coenae tractandae geben lassen. Selbstverständlich erscheint die Ordination in diesem Brief Luthers als Funktion des geistlichen Amtes271. In der Schrift ,Von der Winkelmesse und P f a f fenweihe' 1533 weist Luther auf den altkirchlichen, vom Nizänischen Konzil geordneten Vokationsvorgang, der für Luther ja immer von richtungweisender Bedeutung gewesen ist, besonders für die in Wittenberg neu einzurichtende Ordination. In diesem aber ordinieren durch Handauflegung natürlich nur die Bischöfe, wenn auch das Volk die zu Ordinierenden erwählt und sein placet gibt. Augustin hat in seiner Pfarre viele Pfarrer für andere Städte geweiht, so können auch „ w i r " es tun und in unserer Pfarre zu Wittenberg Diener am Wort für andere Städte ordinieren272. Luther versteht unter dem ,Wir' sich und seine !M

W e n n W . Eiert (Morphologie I, S. 3 0 3 ) schreibt: „ A b e r audi die Bestätigung geschieht durdi die Gemeinde, denn ihr Inhalt ist die Anerkennung, daß die der Gesamtheit zustehenden Rechte nunmehr auf den Einzelnen delegiert s i n d " , so muß man dagegen geltend machen, daß die potiores z w a r selbst Gemeindeglieder sind und als Organe der Kirche handeln, sie aber gerade in dem ordinierenden H a n d e l n von d e r universitas abgehoben sind und derselben gerade gegenüberstehen, indem sie die Erwählten f ü r die universitas bestätigen und an sie empfehlen. D i e eigentlich bestätigende Instanz ist der engere Kreis der potiores, der in seinem ordinierenden T u n für den um der N o t willen fehlenden Bischof steht. V g l . audi P . Brunner, V . A m t d. Bischofs, S. 2 2 f., A n m . 2 3 . 26> 870 2,1

218

1 2 , 1 9 1 , 2. Nämlich nur als Übergangsmaßnahme, bis das A m t wiederhergestellt ist. B r 6, 4 4 , 18

ff.

272

38, 2 3 8 , 2 ff.

Amtsgenossen im Pfarramt zu Wittenberg. Hat Augustin als Stadtbisdiof ordiniert, so hat auch der Pfarrer von Wittenberg (in seiner tatsächlichen Stellung der Augustins ganz gleich!) das Recht dazu. Will Luther in der gleichen Schrift die Ordination der Kirche zurückgegeben wissen, so meint er damit, daß nicht nur die großen (jetzt sich allein so nennenden) Bischöfe, sondern auch die kleinen Stadtbischöfe, die Pfarrer in den größeren Städten Ordinationsbefugnis haben sollten, keineswegs aber will er damit einer Ordination durch Gemeindeglieder, die nicht im Amt stehen, das Wort reden oder gar eine solche zum Prinzip erheben273. In der Ordinationsrede vom 20. Oktober 1535 sagt Luther: „Wir willig officium damus"" 4 und gebraucht immer wieder im Hinblick auf das ordinierende Tun die erste Person Pluralis. Er meint damit — wie in der Schrift ,Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe' — sich und die anderen ministri evangelii in Wittenberg, bzw. seine Amtsgenossen an der Theol. Fakultät, der der Kurfürst ja die Ordination aufgetragen hatte, jedenfalls immer Träger des geistlichen Amtes275. Das kann schon aus dem Grunde gar nicht anders aufgefaßt werden, weil in der gleichen Rede dem ,Wirc ein ,Ihr' gegenübersteht, womit die Gemeinde gemeint ist" 6 . An letztere ergeht nur die Aufforderung, Zeuge zu sein und mitzubeten, die Ausführung der Ordination selbst als Bestätigung der Vokation, als Amtsübertragung und Segnung zum Amt wird als Tun der ordinierenden Amtsträger gedacht. So ist es dann auch im Ordinationsformular. Die Ministri mit dem Ordinator sind von der Gemeinde abgehoben, indem sie allein mit den Ordinanden am Altar sind und sie allein ordinierend handeln. Allein Ordinator und die anderen ministri legen den Ordinanden die Hände auf und sprechen das Weihegebet277. Das gleiche Bild bietet sich auch bei der Naumburger Bischofsweihe 27S

38, 252, 4 ff.: „ . . . wil hie mit angefangen haben . . . den beruff odder redite Weyhe und ordinirn zum Pfarrampt widderumb der kirdien zusprechen und einreumen wie sie von anfang gehabt hat, welche die grossen Bissdioue zu sich allein gerissen den kleinen Bisschouen odder Pfarhern genomen haben". — In diesem Sinne ist es auch nur zu verstehen, wenn es 4 1 , 241, 38 f. heißt: Non ligt an der person. 274

41» 457» iJ·

275

Man vergleiche die Unterschriften auf den Ordinationszeugnissen: Pastor et ministri evangelii Ecclesiae Witebergensis (End. 1 1 , 279, 29; 12, 197, 21 ff.; 14, 2 J 2 , 1 ; 2 J 3 , 16 ff.) oder: Pastor Ecclesiae Wittebergensis et ceteri Ministri evangelii in eadem Ecclesia. Martinus Lutherus. Joannes Bugenhagius Pomeranus etc. (End. 7, 132, 36 ff.; 14, 287, 45 ff.; 1 $ , 88, 39 ff.; i j , 143, 45 ff. = Br 10, 298, 36 ff.). " " 4 1 , 4 J 7 , 34 f. (in conspectu vestro, ut sitis testes); vgl. 4 1 , 763, 3 ff. 277 38, 424, ι ff.; 429, ι ff. Bei J heißt es in der Ordinationsansprache vor den Lesungen: Verum ut et nos officium nostrum, quod nobis impositum est, impertiamus, quo magis vos nobiscum et nos vobiscum sanctificemur, addimus et nostrum verbum et orationem, sicut scriptum est: Qui sanctus est, sanctificetur adhuc (38, 42$, Anm. 7).

219

1542 278 . „ . . . bey solcher Weihe ist gewest und hat die Hende auff gelegt Nicht allein Ich, Sondern auch diese folgende Bisschove, oder wie man sie nennen wil, Pfarrhern: Doctor Nicolaus Medier, Pfarrher und Superattendent zur Neumburg, Magister Georgius Spalatinus, Pfarherr und Superattendent zur Aldenburg, Magister Wolfgangus Stein, Pfarherr und Superattendent zu Weissenfeis, Wie der alten Kirchen braudi gewest und die alten Cánones leren, das man einen Bischoff weihen solle mit zuthun der nehesten Stedte Bisschove, wie alhie geschehen ist" 27 ®. In Übereinstimmung mit der kanonischen Ordnung haben nur Bischöfe (Superintendenten, Pfarrherren) die Hände aufgelegt, das Volk ist nur „ d a bey gewest" 280 . In dem Schreiben an die Erfurter Prediger281 werden die Funktionen innerhalb des Vokationsvorganges unter Berufung auf die Schrift auf das Volk und die Amtsträger aufgegliedert. Das eligere und constituere geeigneter Personen stehe der ecclesia zu, das manus imponere, approbare atque idoneos testari aber den andern Pastoren282. In der Vorlesung über die Briefe an Titus und Philemon 1 5 2 7 erwähnt Luther, daß die Ordination in der apostolischen Zeit nicht so vollzogen worden sei, ut nostri (womit er die römischen Bischöfe meint) es tun, sed senes convenerunt impositis manibus28®. Titus und die senes ordinieren also. W e r sind aber die senes? Bliebe hier die Möglichkeit, unter den senes etwa auch die potiores in der Gemeinde zu verstehen, so wird dies dodi dadurch verhindert, daß Luther in der Predigt am Andreastag 1 5 4 4 eine 278 D e r Verlauf der Bischofsweihe zu N a u m b u r g findet sich beschrieben bei G. Rietschel, Luthers Ordinationsformular i. s. urspr. Gestalt, a. a. O., S. 176 f. (nach: N e u e Mitteilungen aus dem Gebiete hist.-antiquar. Forschungen I I , 2. S. 178 ff.) und bei T h . Kolde, 2 . Gesch. d. Ord., a. a. O., S. 238 f., ferner neuerdings ausführlich bei Peter Brunner, Nikolaus von Amsdorf als Bischof von N a u m b u r g , Gütersloh 1961, S. 60 ff.

J3. 157. 13 ff· 53> 257> 2 1 f· Es m u ß also die Agende I V f. ev.-luth. Kirchen und Gemeinden, Neuendettelsau 19$ 1, die als Assistenten bei der O r d i n a t i o n n u r ordinierte Amtsträger vorsieht, durchaus von der Anschuldigung Brunottes gereinigt werden, sie entspräche damit nicht Luthers Ordinationsanschauung (a. a. O., S. 202). Sie steht darin vielmehr in bester Übereinstimmung mit derselben, wie auch darin, d a ß sie an der H a n d a u f legung festhält, die Brunette dringend abgeschafft zu sehen wünscht, um an ihre Stelle „die Verpflichtung des Ordinierten durch Handschlag" zu setzen (ebda.). Es ist bedauerlich, d a ß Brunottes Buch über das geistliche A m t bei Luther, das so manche gute und wertvolle Beobachtung enthält, gerade mit diesen Vorschlägen abschließt. 281 Vgl. oben S. 158 f., Anm. 177. 282 End. I i , 40, 18 ff. — Auf G r u n d dieser Stelle bestätigt W . Eiert (Morphologie I, S. 311), d a ß im Sinne Luthers der tatsächliche Brauch, d a ß die O r d i n a t i o n n u r durch Ordinierte feierlich vollzogen wird, einwandfrei ist. Vgl. auch End. 11, 4$, 209ff.: Christus . . . dat ecclesiae autoritatem vocandi et eligendi ac offerendi, atque reliquis pastoribus suo nomine ius approbandi, confirmandi, quod haec doctrina sit vere consona Scripturae, imo ipsum verbum, quod locutus est Christus et apostoli. 283 2$, 17, 18. 280

220

gegenteilige Erläuterung gibt. Dort sagt er, daß mit den Ältesten, die von den Aposteln (bzw. Timotheus und Titus) zusammengefordert wurden, „andere Kirchendiener" gemeint sind284. In Ubereinstimmung mit diesem Vorbild aus der apostolischen Zeit steht der altkirchliche Brauch: „ . . . und ist jn (den Erwählten) durch etliche Bischoffe und Pfarrhern, die die nechsten gewest, hernach öffentlich in der Kirchen das ambt befolhen worden mit aufflegung der hende"285. Wir können zusammenfassend sagen: Für Luther ist — abgesehen vom Falle äußerster Not, w o keine rechten ministri vorhanden sind — der legitime minister ordinationis ein Träger des geistlichen Amtes, und zwar in geordneten und normalen Verhältnissen der Bischof288. Wir fragen nun aber weiter: Warum soll im Sinne Luthers die Ordination (abgesehen vom Notfall) durch Diener im Amt vorgenommen werden, welche Gründe veranlassen Luther, die Ordination als Funktion des geistlichen Amtes zu sehen? Zunächst ist als formaler Grund die Übereinstimmung mit dem apostolischen und altkirchlichen Beispiel zu nennen. Auch kann als allgemeine Erwägung vorausgeschickt werden: dà nicht alle gleichzeitig ordinieren können, muß diese Funktion einzelnen bestimmten Personen übertragen werden. D a die ministri ohnehin die öffentlichen Sachwalter aller kirchlichen Dinge sind, ist es selbstverständlich, daß sie auch die Ordination vornehmen. Aber bei Luther liegen spezielle Begründungen vor. Einmal: Die Ordination ist Bezeugung der Lehrfähigkeit auf Grund eines Examens. Die Lehrfähigkeit zu prüfen und zu bezeugen, ist aber Sache des Amtes des Wortes. Darum sollen die Träger dieses Amtes den Ordinanden prüfen und zum Amt 284 j a , j68, 20 f.: „ d i e Eltesten (das ist: andere Kirchendiener)". — In dem O r d i nationszeugnis f ü r Fürst Georg v o n Anhalt v o m 2. August 1545, das z w a r von Melanchthon aufgesetzt ist (und daher ganz melanchthonisdie Terminologie aufweist), aber von Luther voll gebilligt und an erster Stelle mitunterschrieben ist, heißt es: Cumque Paulus T i t o praecepit, ut presbyteros ad docendas et gubernandas Ecclesias passim constitueret, sciat hic ordinatus, voce Apostolica sibi quoque praecipi in hac functione, ut sacerdotes ad docendas et regendas Ecclesias ordinet et eorum doctrinam et mores inspiciat (End. 16, 275, 32 ff. = Br 11, 156, 2 j fi.). 285 52, 568, 3$ ff. D i e Verwandtschaft der Darstellung hier mit z . B . der in der Schrift über die Naumburger Bischofsweihe betätigt wieder, d a ß es sich bei jener Predigt am Andreastag 1544 um eine echte Lutherpredigt handelt. 288 Wenn H . Storck meint, Luther gebe das Recht zur Ordination „allen wahren Christen" (a. a. O., S. 3 5), so trifft das nicht den Tatbestand bei Luther. N u r in der äußersten N o t sollen die potiores der Gemeinde ordinieren, sonst stets ministri, die selbst im A m t stehen. Wenn Storck weiter sagt: „ D i e Ordinationsgewalt ist nach Ansicht Luthers eben nicht für bestimmte kirchliche Amtsträger reserviert, sondern sie ist überall dort vorhanden, w o das Euangelion recht und rein gepredigt w i r d " (ebda.), so kann man das nur in dem Sinne gelten lassen, daß Luther das Ordinationsrecht nicht an bestimmte kirchl. Amtsträger (also die Bischöfe) ausschließlich bindet, sondern es allen Pfarrherrn zugesteht, nicht aber so, d a ß es f ü r ihn gleichgültig sei, ob es durch Amtsträger oder nicht im A m t Stehende ausgeübt wird. — Vgl. z, Ganzen auch E. Kinder, D. ev. Glaube u. d. Kirche, Beri. 1958, S. 188 ff.

221

annehmen187. Dann aber greift Luther in der Begründung der Ordination durch Diener am Wort nodi tiefer, indem er sie auf das Amtsmandat des Ordinators zurückführt. So sagt er in der uns schon bekannten Predigt von 1524: Nos praedicabimus et ungemus aliter quam illi Episcopi. Sed nos, qui iam habemus ministeria, commendabimus in nostrum ministerium . . . damus in virtute verbi, quod habemus, auctoritatem praedicandi verbum et dandi sacramenta288. Die Übergabe des Amtes in der Ordination hat zur Voraussetzung, daß die, die es übergeben, es selbst innehaben28®. Auch in der Predigt vom 9. Mai 1535 betont Luther stark als Voraussetzung der Ordination, daß da recht berufene Amtsträger vorhanden sind290. In der Tischrede über die Ordination Benedikt Schumanns sagt Luther zu dem Ordinaten: „ T z u dem, mein lieber bruder Benedicte, bistu verordenet von Gott, das du ein treuer diener Hiesu Christi aida tzu Neumburg sein solt, seinen heiligen namen tzu fodern mit reiner lehre des euangelii, tzu welchen wir dich durch Gottes gewaldt ruffen und senden, gleich wie uns Gott gesandt hat . . . " m . Die in der Ordination geschehende göttliche Sendung ins Amt ist auf die vorherige göttliche Sendung des Ordinators gegründet. Weil wir selbst im Amt stehen und von Gott gesandt sind, können wir dich nun „durch Gottes gewaldt" zum Amt rufen und senden. Es liegt hier deutlich die Vorstellung einer Amtssukzession zugrunde, wie wir sie auch bei der Besprechung der Vokation fanden2®1. Es gewinnt auf diesem Hintergrunde noch stärkeres Gewicht, daß im Ordinationsformular die Formel steht: „so wollen wir aus bevelh der kirchen durch unser ampt euch ordiniren . . ."29s. Immerhin aber muß man stets im Auge behalten, daß der ordinierende minister nicht nur als Amtsträger, sondern zugleich auch als Organ der ganzen Kirche handelt2®4. So kann im Notfall (siehe die ss? v g l . oben S. 163 f. und F. K . Schumann (Amt der Kirche usw., a. a. O., S. 326): „ D a s A m t muß das A m t bezeugen". i j , 721, i f f . V g l . zur Stelle audi H . H . K r a m m (a. a. O . , S. 45), der sie so versteht wie wir, „ d a ß diejenigen, die das Pfarramt haben, es weitergeben". 280 41, 241, 14 ff. m T R $, i n , 22 ff. (Nr. 5376); ebenso 47, 192, 6 ff.: A l s o sindt wir gesandt und w i r erwehlen andere audi und setzen sie in das ampt, das sie predigen und die Sacrament reichen. 888

289

*** V g l . oben S. 153 f. Allerdings ist die spezielle Theorie von der Fortpflanzung übernatürlicher K r ä f t e und Fähigkeiten v o n Person zu Person, wie sie der Lehre von der apostolischen Sukzession im römisch-anglikanischen Verständnis zugrunde liegt, Luther fremd. 283 V g l . oben S. 197 ff. Es ist also noch tiefer begründet, wenn Luther die V o r nahme der Ordination den Amtsträgern zuweist, als nur formal darin, daß die O r d i nation ja im öffentlidien Gottesdienst geschieht und „die öffentliche Verkündigung Sache des geistlichen Amtes ist", wie es bei Brunotte zu stehen kommt (a. a. O . , S. 191). 2 , 4 V g l . oben S. 158 und 198 f.

222

Böhmen) die Autorität der ganzen Kirche das fehlende Amtsmandat bei den Ordinierenden audi ersetzen.

io. Die Ordinationsgabe W i r haben bei Luther gefunden, daß die Ordination nicht ohne eine reale Wirkung ist. Die Ordination setzt eine Person definitiv ins Amt, gibt die auctoritas praedicandi verbum et administrandi sacramenta, ist also Übergabe des Amtes. Sie ist aber zugleich auch Segnung zum Amt, gibt also audi (vermittels der Handauflegung und des Ordinationsgebetes) eine geistliche Gabe, die die Person zum A m t zurüstet. Man wird diese Gabe am zutreffendsten als Gabe des heiligen Geistes bezeichnen, um den ja bei der Ordination gebetet wird. Es muß hierbei unterschieden werden die Gabe des heiligen Geistes als Rechtfertigungsgnade, als Zueignung der Gotteskindsdiaft und Begründung des Gnadenstandes, die auf das ewige Heil dieser betreffenden Person abzielt, und die Gabe des heiligen Geistes als besondere Amtsausrüstung, als Amtscharisma, die der betreifenden Person nur hinsichtlich des von ihr zu führenden Amtes gegeben wird. In einer Predigt von 1J29 über Joh. 20, 21 ff. führt Luther aus, es gebe zweierlei Weise, den heiligen Geist zu haben: einmal für sich selbst, für seine eigene Person, und dann „nicht für sich selbs noch für seine Person, Sondern für das Ampt"" 5 . Luther kennt also die Gabe des heiligen Geistes als Amtsausrüstung in Unterscheidung von der als Personbegnadung**. Er legt in dieser Predigt Joh. 20, 22 (,Nehmet hin den heiligen Geist') " 5 28, 468, 2 ff. 28 ff.; audi 467, 40 ff. — Der Unterschied zwischen dem Haben des heiligen Geistes der Person nach und dem Amt nach wird von Luther auch in der Epistelpredigt über i.Kor. 12, i f f . von 1535 gemacht: 22, 179, 14 ff.: „Denn er (näml. d. Apostel) redet hie furnemlich von dem Ampt, so von Christo predigt und seinen befelh bringet, wo solch Ampt gehet und auff Christum weiset (als auff den HErrn), das ist gewislich des heiligen Geistes Predigt, ob audi gleich der, so solch Ampt füret, fur sein person den heiligen Geist nicht hat, Denn das Ampt ist on mittel des heiligen Geists"; vgl. 22, 183, $ fi. 196 Wenn Luther in ,de captivitate babylonica' von dem ordo sagt, daß er nullam habet promissionem gratiae ullibi positam (6, 560, 21 f.), so ist sein Blick auf die den anderen Sakramenten innewohnende Rechtfertigungsgnade, die Gnade der Sündenvergebung gerichtet. Eine solche ist dem ordo nidit verheißen. Daß aber bei der rechten evangelischen Ordination, die in virtute verbi geschieht, ein geistlidies Charisma mitgeteilt wird, liegt (zumal in späteren Jahren) durchaus innerhalb von Luthers Gesichtskreis. Vgl. 43, 524, 32 ff.; 52, 568, 22 ff.; 569, 16 ff.; 53, 2J7, 6 ff. — Es ist die Frage, ob es gerechtfertigt ist, in dieser Hinsicht Luther mit Höfling zusammenzustellen, vgl. P. Brunner, Vom Amt des Bischofs, S. 13, Anm. 7: „Daß in der Ordination audi ein Charisma verliehen wird, hat er (näml. Höfling) ebensowenig gesehen wie Luther". Eher könnte man Brunners Formulierung, a. a. O., S. 15, Anm. 10 zustimmen, daß es im reformatorischen Verständnis der Ordination „nicht hinreithend zur Geltung" komme, daß in der Ordination durdi Zuspruch des Wortes, Handauflegung und Gebet audi ein Charisma verliehen wird, obwohl man sagen muß, daß bei Luther die Übermittlung einer geistlichen Gabe bei der Ordination deutlich hervortritt. Das übersieht ganz Brunotte, a.a.O., S. 188 ff. Vgl. auch oben S. 206, Anm. 2 1 9 .

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so aus, daß Christus hier den Aposteln den heiligen Geist für ihr Amt gibt (wie auch das Sendewort V. 21 als Amtsbefehlung gefaßt wird) 297 .

Diese Ordinationsgabe lehrt Luther nun als eine objektive. Sie ist unabhängig von der inneren Beschaffenheit des Ordinateurs wie audi des Ordinanden. Immer wieder zitiert Luther zustimmend den Grundsatz der alten Kirche, daß auch die Ketzerordinationen gültig seien"8. Er hält diesen Grundsatz den Römern entgegen, die die Lutherischen als Ketzer ansehen, um ihnen zu demonstrieren, daß ihre eigenen Grundsätze sie zwingen, die lutherischen Ordinationen als rechtmäßig anzuerkennen. „Darumb sollen sie unser Weyhen und Ordinirn lassen recht sein"299. In der Schrift zur Verteidigung der Naumburger Bischofsweihe führt Luther aus, „Obs auch zu verantworten sey, das sich der Bischoff zur Neumburg solche Feindselige Ketzer und der Bepstlichen Kirchen Apostatas hat lassen Weyhen oder die Hende aufflegen"300, und legt da den Nachdruck auf die Objektivität der Ordinationshandlung, die recht und gültig ist, wie immer auch der beschaffen gewesen ist, der sie vollzogen hat. Er vergleicht die Ordination mit der Trauung, die ja auch gültig ist unabhängig von der Beschaffenheit des Pfarrers. „Es sey nu der Pfarher ein Engel oder Teuffei, weil das Ampt geschehen, So ist die Braut gesegenet"301. Entscheidend ist nur, daß die Person, die die Ordination vollzieht ,im Amt' ist und die Amtsfunktion verrichtet. „Ja wens der Teuffei gethan hette im Ampt . . s o wäre die Ordination recht und gültig gewesen302. Ist der Ordinator im Amt und nimmt er die Ordination rite vor, so ist sie gültiges Gotteshandeln und wird die Ordinationsgabe jedenfalls durch sie gegeben30*. Aber auch die Beschaffenheit des Empfängers der Ordinationsgabe kann dieselbe nicht zunichte machen. Luther führt in der oben zitierten Predigt von 1529 aus, daß das Haben des heiligen Geistes „für das 297 28, 466, 22 f.: ER sendet sie, gleich wie ER vom Vater gesand ist und gibt jnen zur solcher Sendung und Ampt den heiligen Geist; 468, 14 ff.: DAs ist audi die Ursach, das Er den heiligen Geist hie deutet nicht aufi der Apostel Person . . . Sondern auff jr Ampt; 470, 21 ff.: Denn hie gibt Christus den heiligen Geist seiner gantzen Kirche und Christenheit, den Aposteln und der Apostel Nachkomen, Pfarherrn und Predigern, Ja auch einem jeden Christen in der N o t , was das Ampt betrifft, das sie predigen, leren, trösten, Sünde vergeben und behalten, In summa gesand sein sollen, gleich wie der Vater In gesand hat. 298 Z. B. 38, 237, 4 ff.; 53, 257, ι ff.; vgl. 34I, 432, 1 ff. (Daß Cyprian von Ketzern Ordinierte reordiniert hat, wird gemißbilligt): Das ist aber nicht redit gewesen. Sicut hodie Papistae sitzen ynn dem rechten ampt, ipsi baptisant, dant Sacramentum, ordinant sacerdotes, consecrant coniuges ut nos. Et tarnen dico: qui eorum Sacramentum aeeipit, verum aeeipit, et quem ipsi ordinant in sacerdotem, lassens sein, quanquam ipsi non patiantur, quod nos faeimus. 299 38, 237, 8 f. · " 53, 2j6, 10 ff.

53> 2 Í7> 1 0 f· Der gleiche Gedankengang findet sich in der Predigt vom 20. Oktober 153$: 41, 456, 13 ff. 802 J3> *$7, 4· 303 41. 456, 12 ff.; 457, 5. 501

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Ampt" ein« „fehrlidie Weise" sei, den heiligen Geist zu haben. Für den nämlich, der im Amt untreu ist, werde dieses Haben des heiligen Geistes nach Matth. 7, 22 f. zum Gericht301. Es wird aber durdi die falsche innere Einstellung des Amtsträgers nidit einfach hinfällig, auch von bösen Priestern muß ausgesagt werden, daß sie von Amts wegen den heiligen Geist haben, es handelt sich da um einen objektiven Tatbestand305. Luther befindet sich da in scharfem Gegensatz zu Donatisten, Wiedertäufern und Schwärmern308. Ausdrücklich lehrt er: für unsere Person ist der heilige Geist nicht allezeit bei uns, „Aber für unser Ampt, wenn wir das Evangelium predigen, Teuifen, Absolviren, Sacrament reichen nach des heiligen Geists Stifftung und Ordnung, ist der heilige Geist allezeyt bey uns"30'. Die Gabe des heiligen Geistes ist so mit dem Amt (d. h. dem konkreten, einer Person übertragenen Amt) verbunden, daß sie immer wirkt, wenn das Amt geschieht. Hierbei ist nur die eine Voraussetzung zu machen, daß das Amt „nach des heiligen Geistes Stifftung und Ordnung", also rite geschieht. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so ist der heilige Geist objektiv durch den Amtsträger wirksam309. Wenns anders wäre, wenn Gottes Wort und Amt also auf Menschenwürdigkeit stünde* — „So were alles ungewis, Wort, Taufe, Schlüssel . . Z'30' und damit der wahre Sinn der Gnadenmittel hinfällig geworden. Aber so ist es nicht. Christus hat das Predigtamt gestiftet und hat ihm auch die Gabe des heiligen Geistes objektiv beigegeben310. Und diese ist eine solche Realität, daß sie sich auch gegen die Person eines bösen Dieners in der Amtsfunktion durchsetzt: auch durch einen Judas ist der heilige Geist wirksam311. 305 28, 468, 2 3oe 28, 466, 29 ff. 28, 468, 8 ff. ff. 28, 468, 29 ff. 34 ff. M e 28, 467, 9 ff.: So fern nu das Predigampt und W o r t des Euangelij und der Sacrament, welches des heiliges Geistes Ordnung ist, gantz und unverruckt da ist, S o fern folget Vergebung der Sünde, Leben, Seligkeit und alles was Christus durchs Predigampt und W o r t gibt und zu geben verheissen hat, O b schon Ungleubige und Gottlosen das A m p t und W o r t haben und füren; auch 14 ff.: D a r u m b sihe wol drauff, wie fern der heilige Geist da ist U n d w i e fern der heilige Geist nicht da ist. W e n n des heiligen Geistes Ordnung gehalten wird, So ist der heilige Geist da. Wenn man aber des heiligen Geistes Ordnung nicht bleiben lesst, So ist der heilige Geist nidit da. Wenn das Euangelium gepredigt und die Sacrament gereichet werden, w i e es der heilige Geist geordnet und gestifftet hat, So ist der heilige Geist da, wenn sdion der so da prediget und teufft f ü r sich selbs ungleubig und gottlos ist; vgl. 467, 32 ff,; 38, 241, 6 ff.; 38, 242, 21 ff.; 243, 13 f.; 47, 192, 42 ff.: Also kans audi geschehen, das einer beruffen ist und in einem ampt sitzt und dennoch s ein sdialck ist . . . Derhalben so sehen w i r , das einer beruffen ist, so ist ehr in einem ampt. So ehr nun prediget, was sein ampt erforddert, und ehr predigt das W o r t gottes, dorauff das ampt gestifft ist, so gehets recht . . . 304 807

28, 470, 26 ff.; vgl. 467, 37 ff. 28, 470, 3 o f f . ; 41 f.: W o nu ein Mensch, der zum Predigampt beruffen ist, handelt nach dem A m p t , D a ist gewißlidi der heilige Geist; vgl. 466, 22 f. , u 38, 243, 2 j ff. V g l . audi oben S. 96 f. Ferner 41, 455, 11 ff.: . . . sehe auff gab et verum datorem, non Organum, per quod datur, nisi tale, qui non daret, quod deus sl°

15

791 j Lieberg, A m t

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Die Ordinationsgabe ist also im Sinne Luthers unabhängig sowohl von der persönlichen Beschaffenheit des Ordinatore als auch der des Ordinanden' 12 . N u n muß aber beachtet werden, daß die objektive Ordinationsgabe nicht in das Sein des Ordinanden eindringt. Sie ist nach Luther stets wirksam nur durò die tatsächlich geschehende Amtsfunktion und nur solange, als die Person tatsächlich im A m t ist. Sie ist für den Amtsträger verlierbar, nämlich wenn er vom A m t abgesetzt wird. Die Absetzbarkeit des Dieners am W o r t nach Luther haben wir bereits erörtert 318 . Luther befolhen . . . Sed si verum, lest Euangelium et Sacramenta bleiben, nihil moveat, sive dieb, from man, si dat Euangelium, Sacramentum, baptismum, Absolutionem, est vere, quae sunt, per suam dignitatem . . . ; 456, 3 f.: Is (sc. Christus) aeque baptisat per man um proditoris, ut saneti Petri; 50, 634, 22 ff.; T R 1, 137, 28 fi. (Nr. 342)": De ministris ecclesäae sie sentiendum: Das ampt ist nit Judae, sed Christi des einigen. Cum dicit ad Judam: Abi, baptisa, so ist er selb der tauffer und Judas nit, quia der befelh geht durch den oben herab, wie wol, er durch ein stinckende rören gehet. Dem ampt geht nichts ab propter ministri indignitatem ... Sunt enim distinguenda ampt und person. Sic papa habet verum ministerium, quamquam eo abucitur, non negat verbum, baptismum aut sacramentum, sed his tantum abutitur . . . Rem non negat, sed usum rei. Es ist nur ein verkert ding. Er solt das messer bey dem stil fassen, ßo fasset ers bey der sdineyden. So thun yhm die sdiwermer nit, die werffen das messer gar hinweg und sagen, es sey kein messer . . . Sdiwermeri substantiam adimunt, papa tantum accidens adimit. Sic verum etiam nomen Dei est in abusu . . . ; T R ι, 285, 7 ff. (Nr. 605); 38, 241, 2 ff.: (selbst wenn der Teufel ins Amt schliche und das Amt verwaltete) „So musten wir dennoch bekennen, das die sacrament recht weren, wir rechte tauffe empfangen, recht Euangelion gehört, redit Absolutio gekriegt, redit Sacrament des leibs und bluts Christi genomen hetten . . . " . — Gültigkeit und Heilswirkung der Amtsfunktion in Wort und Sakrament behauptet Luther sogar für den Fall, daß ein unberufen und ungeweiht eingeschlichener Diener im Amt die Amtsfunkeion versieht, vorausgesetzt er versieht sie nur nach Christi Befehl und Ordnung. Vgl. 38, 241, 6 ff.: „(unser Glaube u. Sakrament steht nicht auf d. Person) sie sey from odder böse, geweyhet odder ungeweyhet, beruffen odder eingesdilidien, der teuffei oder seine mutter . . . " Man kann also nicht sagen, daß Luther etwa die Gültigkeit und Wirksamkeit von Wort und Sakrament direkt von dem Vorhandensein der Ordinationsgabe abhängig madite. Wo die Ordination geschehen ist, da wirkt die aus der Ordination gekommene Gabe des heiligen Geistes, auch gegen Ungläubigkeit und moralische Unwürdigkeit der Person des Amtsträgers, objektiv mit zur Heilswirksamkeit der Amtsfunktion. Wo aber die Ordination irgendwie schuldhaft unterblieben ist und nun tatsächlich ein Unordinierter (ohne daß die Gemeinde das weiß) im Amt steht und im Amt geduldet wird (vgl. jo, 634, 22 ff.), sind Wort und Sakrament auch ohne die Ordinationsgabe, ganz aus sich selbst heraus dennoch gültig, wirksam und heilskräftig. — G. Wehrung (Zu Augustana VIII, a.a.O., S. io) hat bei Luther „einen tief eingewurzelten Zug zum Objektiven" festgestellt. Der ist in der Tat sehr kräftig bei Luther vorhanden. 812

Hinter G. Höks Satz: „Kallelse odi vigning verka icke ex opere operato" (Berufung u. Weihe wirken nicht ex opere operato), a. a. O., S. 149, wird man doch einige Fragezeichen setzen müssen, wenn damit gesagt sein soll, daß nach Luther Vokation und Ordination nidit ipso facto, unabhängig von der subjektiven Beschaffenheit des Ordinators und des Ordinanden, ins Amt setzen und für das Amt den heiS1> ligen Geist geben. Vgl. oben S. 97 ff. 126

kennt keinen character indelebilis als Fortdauer der durdi die Ordination gegebenen Bestimmtheit der Person314. Das ist die Konsequenz aus seinem funktionalen Amtsbegriff315. Allerdings muß man außer der Funktionsbestimmtheit des Amtsdenkens bei Luther nodi andere Momente in Rechnung stellen, die bei der Ablehnung des character indelebilis mitspielen. Luther fand die Lehre vom character indelebilis in der römischen Kirdie vor, eingebettet in die römische Ordolehre, die den rechten Amtsbegriff entstellte. Die Lehre vom character indelebilis steht für Luther darum in dem Licht, Untermauerung des Meßopferpriestertums zu sein. Nicht dem Amt des "Wortes wurde ja in der römischen Kirche ein character indelebilis zugeschrieben, sondern der Weihe zum Meßopferpriestertum31'. Der character indelebilis diente zur Stabilisierung und Auszeichnung desselben, und zwar unter Ausschluß des Wortamtes! Er steht für Luther darum vor allem in einer Linie mit den „geschmyrten und geölten fingern, dem beschoren kopff und den phariseischen kleydern der elenden pfafFen"31'. Die allges u 6, 408, 21 ff.: Alszo warhafftig ist ein priester nymmer priester, wo er abgesetzt wirt. Aber nu haben sie errichtet Caracteres indelebiles, und schwetzen, das ein abgesetzter priester dennodit etwas anders sey, dan ein schlechter leye, Ja, sie trewmet, Es mug ein priester nymmer mehr anders den priester odder ein ley werden: das sein alles menschen ertidite rede und gesetz. ,15 6, $67, 17 ff.: Quantum ergo e scripturis docemur, cum ministerium sit id, quod nos sacerdotium vocamus, Prorsus non video, qua ratione rursus nequeat laicus fieri semel sacerdos factus, cum a laico nihil différât nisi ministerio, a ministerio autem deponi adeo non sit impossibile, ut passim ea etiam nunc celebretur vindicta in culpabiles sacerdotes, dum aut suspenduntur temporaliter aut perpetuo privantur officio suo; 12, 190, 24 f.: . . . si ministri tantum sunt, iam perit ille Character indelebilis et aeternitas illa sacerdotii nulla nisi ficta est. Wenn Luther sagt: Nam hoc inventum puldire papisticum est . . . ut sacerdotes suos Charactere indelebili perpetuos ac nulla prorsus culpa loco movendos redderet (12, 172, 12 ff.), so scheint es, als verwechsle er da den character indelebilis mit der Nichtabsetzbarkeit der Priester. Aber Luther weiß natürlich, daß man auch in Rom die Absetzung schuldiger Priester kennt und praktiziert (vgl. die eben zitierte Stelle 6, $67, 20 ff.). Er will an dieser Stelle nur tadeln, daß aus der character-indelebilis-Lehre auch das Recht der Gemeinde, sich schlechter Priester zu entledigen, beschnitten wird (vgl. 12, 172, 10 ff.). — Vgl. auch V. Vajta, a . a . O . , S. 218 f. Vajta meint, daß Luther für einen abgesetzten oder aus dem Amt geschiedenen ordinierten Pfarrer, der mit der Ausübung des kirchlichen Amtes aufs neue beginnen wollte, eine neue Ordination fordern würde (S. 219) und begründet das mit dem Satz: „Alles hing ja am Dienst und am Amt, nicht an der Person" (ebda.). Es ist dies in Anbetracht von Luthers funktionalem Amtsdenken sehr wohl möglich. Jedoch fehlen darüber klare Belege. Vajta bringt auch keine. Ebenso nicht Brunotte, der die gleiche Ansicht wie Vajta äußert (a. a. O., S. 1 8 6). m 12, 173, 31 ff. 36 ff.: . . . mysteria dei dispensare et animas pascere officium est, prorsus sine Charactere indelebili, nec est sacramentum ordinis (näml. i. d. römischen Sicht!). At Christum consecrare et sacrificare, hoc habet Characterem, hoc est vere sacramentum ordinis. 317

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f.

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meine Polemik gegen das Meßopferpriestertum ergreift audi den character indelebilis. Vielleicht hätte Luther anders über denselben geurteilt, wenn die Verquickung mit dem Opferpriestertum nicht vorgelegen hätte. Auch das andere Motiv, das Luther zur Bekämpfung des römischen ordo überhaupt veranlaßte, daß da nämlich von der Priesterweihe ausgesagt wurde, sie versetze in den geistlichen Stand, wodurch die Taufgnade verdunkelt und angetastet wurde, spielt für das Urteil über den character indelebilis bei Luther eine Rolle. Der character indelebilis, den Luther bekämpft, ist der, der wegen der falschen Ordotheologie den wahren character indelebilis, den jeder Christ schon aus der Taufe hat, verdeckt'18. Hätte man in Rom damals den geistlichen Stand aller Christen klar gelehrt und den character indelebilis der Ordination nur als das Besondere, was in der Ordination zum Amt des Wortes und der Sakramente gegeben wird, interpretiert, hätte Luthers Urteil vielleicht anders ausgesehen. Aber es ist möglich, daß auch dann seine Überzeugung von der Funktionsbestimmtheit des Amtes ihn daran gehindert hätte, einen character indelebilis aus der Ordination anzuerkennen519. Immerhin muß auch gesehen werden — J. Heubach hat verdienstvollerweise darauf aufmerksam gemacht"0 —, daß Luther auch einen unwiderruflichen Segen kennt (wenn wir der betr. Stelle der Genesisvorlesung als von Luther stammend vertrauen dürfen). Im Anschluß an ι. Mose 27, 33, wo Isaak die Unwiderruflichkeit des Jakob erteilten Segens kundtut (,Er wird audi gesegnet bleiben'), fragt Luther, warum er den Segen nicht widerrufen habe, und antwortet: . . . scivit, hanc benedictionem esse opus et donum Dei simpliciter immotum et immutabile, ut quando ego Baptismum alicui trado, tunc animus meus et voluntas est certissima, quod vere volo baptisare. Quod si ille, qui baptizatur, dolose agit, tamen ego ministravi verum baptismum, qui non est meus, sed vere divinum opus est. In hunc modum et Isaac dixit: Benedixi et, et erit benedictus321. Isaak war nach gründlichen Erwägungen gewiß, bei der Benediktion eine sententia definitiva, authoritate divina pronunciata et confirmata zum Ausdruck zu bringen3". Tales sententiae non possunt nec debent mutari: quia Deus non mutât sua ,1β 38, 227, }ΐβ.ι Item . . . der Caracter, das geistliche malzeidien jnn der seelen, so kein gemeiner Christ haben sol on allein die geweyheten Priester. 31i Luther würde etwaige weitere Amtsfunktionen eines abgesetzten Pfarrers, die dieser gegen den Willen der Kirche weiter vornimmt (unter der Voraussetzung, daß er sie nach der Ordnung Christi durchführt), als gültig und wirksam ansehen, wenn er das audi nidit mit einem character indelebilis, sondern mit der Selbstmächtigkeit des Wortes und der Sakramente begründen würde. Vgl. 38, 241, 6 ff.; 243, 23 ff. 320 a. a. O., S. 1 1 2 , Anm. 124.

321 322

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43» J3ï. " f f · 4 3» 531. 19 f·

dona. Non revocat baptismum, non absolutionem et alia, quae per verbum suum impertit .. . 3 ". Müßte man zu den alia nicht audi die Ordination rechnen? Hier ist jedenfalls ein Ansatzpunkt für die Lehre von einem evangelischen Character indelebilis bei Luther, wenngleich Luther solche Gedanken nicht ausdrücklich auf die Ordinationsgabe angewandt hat. I i . Die Notwendigkeit der Ordination Wie hat Luther über die Notwendigkeit der speziellen Ordinationshandlung gedacht? Diese Frage ist in vorherigen Abischnitten schon verschiedentlich gestreift worden. Wir wollen hier versuchen, zusammenfassend ein deutliches Gesamtbild zu dieser Frage zu gewinnen. Wenn Luther in ,de captivitate babylonica' auf das schärfste den sakramentalen Charakter des römischen Ordosakramentes bestreitet und betont, der ordo habe keine Gnadenverheißung und keine göttliche Einsetzung in der Schrift, könne darum keinen Glaubensartikel darstellen und sei nicht heilsnotwendig8", und wenn er den ordo nur als ritus per tanta saecula celebratus325, als ritus quidam Ecclesiasticus per Ecclesiasticos patres introductus3*" gelten lassen will, so darf man dies nicht 328 43, 5 J I , 22 ff.; vgl. 43, $21, 3 ff. (zu I.Mose 27, 23b ,und er segnete ihn'): Isaac, cum tetigisset et palpasset manus Iacob, totus fuit raptus, stupidus et mente captus, et conclusit, animoque suo hanc benedictionem firmavit, quod deberet esse rata et firma, quasi diceret: benedictio iam est facta et certa. Sicut infra dicet ad Esaù: ,Et erit benedictus'. Quia spiritus sanctus est, qui per Isaac benedicit. Igitur non licet revocare aut mutare quicquam. Fuit hic impetus et motus singularis spiritus sancti, quo conclusit apud se, postquam palpavit manus et Collum, se velie benedicere filio. Nec mutavit sententiam, licet multis obiectis argumentis . . . ; 13 f.: . . . spiritus sanctus non revocat suos motus, ,nec est', ut inquit Malachias, ,qui mutetur'; . . . 16 f.: Quando Deus tulit aliquam sententiam, non mutât aut retráctat earn, sicut homines soient. 43, 530, 37 ff. (zu ι . Mose 27, 33): Neque tarnen movetur, ut benedictionem semel collatam mutet. Sed quicunque tandem is sit, qui rapuit, ait, est benedictus, et erit benedictus, quia dona Dei non possunt revocari. 43, $32, 33 ff. (zu i . M o s e 27, 36): Ideo non amplius es primogenitus, sed emptor ille est primogenitus, et habet benedictionem summo iure: quam non licet ab eo repetere, quia donum Dei est, quod non mutatur; vgl. ebenso 53$, 27 f . und 537, 9 ff.: Si . . . semel ablata est benedictio: non est id in nostro arbitrio, ut earn recuperemus, sed in donatione Dei gratuita, atque ita, ut nullius lachrymis, clamoribus, laboribus moveatur. s " 6, 560, 20 ff.; 563, 3 ff. Vgl. oben S. 26 f. 325 6, 5 60, 24 f. 328 6, 561, 26 ff.: Quare permitto, ordinem esse quendam ritum Ecclesiasticum, quales multi alii quoque per Ecciesiasticos patres Sunt introducti, ut consecrado vasorum, domorum, vestium, aquae, salis, candelabrum, herbarum, vini et similium, in quibus omnibus nemo ponit sacramentum esse, née ulla in eis èst promissio: ita ungere manus viri, radi verticem et id genus alia fieri non est sacramentum dari, cum nihil eis promittatur, sed tantum ad officia quaedam, ceu vasa et instrumenta, parentur. Betrachtet man diese Stelle genau, so erkennt man, daß Luther im Grunde die äußeren Zeremonien der römischen Priesterweihe im Auge hat, wenn er den ordo

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ohne weiteres auch auf die nach apostolischem Vorbild evangelisch gereinigte Ordination beziehen und etwa folgern, daß Luther auch für sie keine göttliche Einsetzung kennt und auch sie nur als menschlichen, kirchlichen Ritus ohne eine in Gottes Wort begründete Notwendigkeit ansieht"7. 1523 in der Schrift an die Böhmen redet Luther nämlich im Blick auf die ursprüngliche apostolische Ordination, die er aus der römischen Entstellung wieder herausschälen und neu einrichten will, als von der sacra ordinatio, als von einer Handlung, die auctoritate scipturarum, deinde exemplo et decretis Apostolorum eingerichtet worden sei328. Keineswegs also gilt ihm die wahre Ordination nur als erst von den Kirchenvätern eingeführter ritus ecclesiasticus, sondern eben als in der Schrift und in dem apostolischen Beispiel und apostolischer Anordnung gegründete Einrichtung. Sonst könnte Luther sie auch wohl nicht eine sacra ordinatio nennen'". Das apostolische Beispiel hat für Luther verpflichtende Bedeutung. Nos apostolico ritu vocamur sumusque episcopi — betont er 1527"°. In der Schrift ,Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe' 1533 beruft er sich gegen die römische Weihe kräftig auf die apostolische Ordination"1, ebenso geschieht es im Ordinationsformular***. In der Predigt am Andreastag 1544 beschließt er die Darstellung der apostolischen Ordination mit dem Satz: „Also sollen die Christen jre Kirchendiener weyhen, so folgen sie der Apostel und ersten Kirchen Exempel"*". Das apostolische Beispiel und Vorbild liegt für Luther etwa auf einer Linie mit einem Befehl der Heiligen Schrift, der göttliche Dignität besitzt. Das zeigen manche Ordinationszeugnisse, in denen die Ordination auf Gottes Befehl in der Heiligen Schrift zurückgeführt wird" 4 . jenen anderen von den Kirchenvätern eingeführten Riten gleichstellt, und zwar eben die Zeremonien, die gerade zu Symbolen für einen falschen Ordinationsinhalt geworden waren: Salben und Scheren (vgl. dazu 38, 228, 29 ff.)· Luther meint in erster Linie den äußeren Habitus der entarteten römischen Ordinationshandlung, wenn er hier nur von einem ritus Ecclesiasticus per Ecclesiasticos patres introductus spricht. Vgl. auch oben S. 172. K. Tuchel hat aus Luthers Römerbriefvorlesung i j i j / i 6 nachgewiesen, wie Luther dort trotz des negativen Urteils über die Geistlichkeit seiner Zeit „doch nie die Notwendigkeit der Weihe in Zweifel" zieht, „die jedem priesterlichen Handeln vorangegangen sein muß, auch Luthers eigenem Reden vorangegangen ist" (a.a.O., S. 66). Er weist z.B. auf die Stelle 5 6, 172, 11 ff.: Sicut in simili opera Episcopi Vel sacerdotis nullus potest facere, nisi sit prius consecratus et ad hoc sanctificatus. 3M 12, 173, i f f . ω · Vgl. auch oben S. 173. Zu dem Begriff ,liber et apostolicus ritus instituendi sacerdotii' (12, 194, 21 f.) vgl. oben S. ijo. " " *$» 17. 13· ωι Ζ. B. 38, 228, 29 ff.; vgl. oben S. 173 ff. 332 38, 428, 29 ff. 333 $2, 5¿9, 21 f. 834 Im Ordinationszeugnis für Wenc. Kilmann heißt es, daß es divinitus praeceptum est, ut ecclesiae explorent et ordinent ministros evangelii et aliis ecclesiis

230

Begegnet immer wieder audi die Bezugnahme auf die altkirchliche Praxi», besonders des Konzils von Nicäa 335 , so darf das nicht so aufgefaßt werden, als sähe Luther die Ordination nur in der kirchlichen Tradition begründet, vielmehr führt er die altkirdiliche kanonische Ordination an, um daran zu zeigen, wie das apostolische Beispiel der Schrift in der alten Zeit der Kirche noch die Ordinationspraxis bestimmte, ehe die römische Überfremdung die Oberhand gewann. Der Traditionsbeweis bestätigt und verstärkt nur den Schriftbeweis. Luther hält die Ordination von der Schrift her für notwendig. Das zeigt nicht nur die praktische Anweisung, die er bezüglich der Vokation den Böhmen gibt 336 , nicht nur die Aufforderung an Sütel, sich ordinieren zu lassen, bevor er das Sakrament des hl. Abendmahls zu verwalten beginnt 33 ', sondern vor allem audi die Einrichtung der Ordinationshandlung in Wittenberg selbst. Man muß sich fragen, warum Luther diese denn überhaupt betrieben und das Ordinationsformular dafür geschrieben haben sollte, wenn die Ordination ihm gar nicht als notwendig gegolten hätte 338 . W i e hätte er dann audi an Peter Hackenberg schreiben können „cogemur proprio ritu ordinare seu instituere ministros" 33 *. Ein Zwang zur Aufnahme eines eigenen Ordinationsritus konnte doch durch den Ausfall der römischen Bischöfe als Ordinatoren nur dann gegeben sein, wenn die Ordination als solche für nötig erachtet wurde 340 . In der Ordinationsrede vom 20. Oktober 1 5 3 5 sagt Luther denn auch ganz klar: Scitis ordinationem ecclesiae cum suis ritibus necessariam esse341. In dem Beridit der zwei Culmbacher Prediger über ihre Unterredung mit Luther und Melanchthon im Jahre 1 5 3 8 über die Frage der Ordination u. a. m. wird ebenfalls betont, daß Luther und Melanchthon die praeficiant idoneos gubernatores (End. 7, 131, 19 ff.). Die folgende Erwähnung der Bestimmung von Nizäa zeigt deutlich, daß Luther dabei eben den speziellen Ordinationsakt im Auge hat. Weiter vgl. End. 14, 2j2, 12 ff.: Derhalben ist bemelter Baldasar Haußmann allhier öffentlich nach Bevehl der heiligen Schrift in der Kirchen ordiniert . . . ; ebenso End. 15, 88, i j ff.: . . . nach befehl Göttlicher schrifft. In dem Ordinationszeugnis für Jakob Siegel vom 7. Okt. 1537 heißt es: Itaque iuxta verbum Dei auctoritate Ecclesiae nostrae publica ordinatione confirmata est vocatio (End. 1 1 , 279, 18 ff.). In anderen steht dafür auch „iuxta doctrinam Apostolicam" (End. 14, 286, 18; IJ, 142, 16 f. = Br 10, 297, 13; 16, 63, 14 = Br 10, 621, 11). Vgl. audi das Gutachten für die Erfurter Prediger, in dem die Approbation der Vozierten durch Handauflegung seitens der anderen Pastoren audi auf die Schrift begründet wird: End. I i , 40, 17 ff.; 44, 174 ff.; 4$, 204 ff. 53, 2J7, 19 ff.; End. 1 1 , 227, 22 ff.; 12, 197, 12 ff.; 7, 131, 24 ff. Vgl. oben S. 179 ff. Br 6, 44, 15 ff. Man vgl. die sehr bestimmte Forderung Luthers, daß das hl. Abendmahl nur von berufenen ministri verwaltet werden solle (oben S. 136 ff.). 838 Vgl. Chr. Mahrenholz, Begleitwort, a.a.O., S. 16, und G. Werner, a.a.O., S. 28, Anm. 31. Br j , 700, 13 ff.; vgl. oben S. 183. 340 Vgl. oben S. 190, Anm. 125. 338

341

4i, 7S2. 18.

231

O r d i n a t i o n f ü r n o t w e n d i g erachtet hätten 3 4 2 . V o n B e d e u t u n g ist in diesem Z u s a m m e n h a n g e auch, daß L u t h e r in der Genesisvorlesung v o n der H a n d a u f l e g u n g , u n d d a m i t jedenfalls v o n der O r d i n a t i o n , sagt: sie sei keine t r a d i t i o h u m a n a , sondern G o t t h a n d l e durch sie 343 . Gelegentlich erwähnt Luther, daß die bischöfliche Bestätigung der Vokation nicht notwendig ist, wenn nämlich die Bischöfe Feinde des Evangeliums geworden sind und die Bestätigung gegen ihre Pflicht nicht erteilen wollen 344 . Jedoch kann man diese bischöfliche Bestätigung der Vokation nicht einfach mit der Ordination gleichsetzen und aus diesen Äußerungen die Nichtnotwendigkeit der Ordination folgern, denn die bischöfliche Bestätigung, von der Luther da. redet, kann auch den kirchenregimentlichen A k t der Bestätigung der Verleihung einer Pfarre bezeichnen, in dem einen Falle ist ganz offensichtlich dieser letztere gemeint 345 . Und wenn auch nicht, so wäre damit doch nur die Notwendigkeit einer bischöflichen Ordination als absolute verneint und nur ausgesagt, daß in der Not 3 4 6 die bischöfliche Beteiligung an der Vokation auch unterbleiben kann. Daß Luther in solchem Falle aber die Ordination nicht einfach weggelassen wissen will, vielmehr von Pastoren oder auch in der äußersten Not von den potiores der Gemeinde vorgenommen wissen will, zeigt sein Schreiben an die Böhmen und die Einführung der pastoralen Ordination durch ihn in Wittenberg. W i r können z u s a m m e n f a s s e n d feststellen: L u t h e r hält die O r d i n a t i o n als in der S c h r i f t begründeten u n d d u r d i apostolisches Beispiel u n d a p o stolische A n o r d n u n g der K i r c h e anbefohlenen Initiationsakt in das geistliche A m t f ü r n o t w e n d i g 3 4 7 . i 2 . D a s Verhältnis von V o k a t i o n und Ordination E s w ä r e v e r f e h l t u n d nicht im Sinne L u t h e r s , das V e r h ä l t n i s v o n V o kation u n d O r d i n a t i o n so zu bestimmen, daß der eine A k t zu dem a n deren in K o n k u r r e n z träte. N a c h L u t h e r k a n n m a n w e d e r sagen: die V o k a t i o n , nicht die O r d i n a t i o n ist das Entscheidende, noch: die O r d i nation, nicht die V o k a t i o n

ist das Entscheidende.

Die

Fragestellung

, V o k a t i o n oder O r d i n a t i o n ' ist u n z u t r e f f e n d . N a c h L u t h e r sind V o k a tion u n d O r d i n a t i o n so miteinander v e r k o p p e l t und ineinander

ver-

z a h n t , d a ß sie sich gegenseitig bedingen. 342 Da heißt es: „darauff (auf unsere Frage, ob es nicht gut wäre, tüchtige Schulmeister zu Priestern anzunehmen und zu ordinieren) sie uns dise antwortt gegeben, das sie ein große Zahl schulmeister zu priestern ordinirt haben, Sie achtens aber das es nit allein gut, sondern auch von notten sey, das solche mit einer besondern weiß publice ordinirt oder geweycht werden nach dem exempel der heyligen apostel" (Th. Kolde, Z. Gesch. d. Ord. usw., a. a. O., S. 221 f.). 343 344 43, 600, 2 j f . I i , 414, 14 f. 33 f.; 38, 236, i j ff. 345 Nämlich in der Stelle 38, 236, 17 ff. Vgl. oben S. 175 ff. 346 Vgl. Luthers allgemeines Axiom: „nott ist nott und hatt keyn maß" ( 1 1 , 414, 8)· 347 Das muß man zumindest ergänzen zu Brunottes immer wiederkehrender Feststellung: wie der Vokationsvorgang im einzelnen geordnet werde, sei nach Luther Sache menschlichen Rechtes, wenn nur überhaupt eine äußere Handlung vorgenommen werde ( a . a . O . , S. 184.186.190).

232

Die Vokation fordert die Ordination. Ist die Wahl einer Person für ein bestimmtes Amt erfolgt, so muß diese in ihrer Legitimität durch ministri verbi bestätigt und der Erwählte von ihnen auf Grund eines Examens approbiert werden. Die örtliche Wahl und Berufung muß ferner vor der Gesamtkirche öffentlich anerkannt und in Kraft gesetzt werden, denn keine Gemeinde ist ja sozusagen independent, so daß sie sich um den Gesamtverband der Kirche, in dem sie lebt, nicht zu kümmern brauchte. Die Vokation zum Amt der Kirche kann eine Gemeinde nicht .unter sich abmachen'. Mit der geschehenen Designation der Person für ein Amt ist somit der ganze Prozeß der Amtseinsetzung erst nur eingeleitet. Diese weist über sich hinaus auf die gottesdienstliche Handlung der Ordination, in der die übergemeindlichen Aspekte der Amtsübertragung hinzutreten und der Designierte dann von den bereits im Amt Stehenden ins Amt angenommen wird. Die örtliche Vokation hat die Tendenz in sich, sich im gottesdienstlichen Ordinationsakte zu manifestieren und sich darin das göttliche Siegel ihrer Gültigkeit geben zu lassen. Die Vokation fordert die Ordination als Konkretisierung der göttlichen Sendung ins Amt und Segnung zum Amt. Eine Vokation ohne Ordination muß im Sinne Luthers als ein Torso und Provisorium angesehen werden. Andererseits wiederum setzt die Ordination die Vokation voraus. Absolute, d. h. ohne vorangegangene konkrete Berufung in ein bestimmtes Amt erteilte Ordinationen verwirft Luther. Die Ordination ist ihm wesensmäßig zuerst Bestätigung solcher örtlichen Vokation. Ist solche Berufung nicht erfolgt, kann nichts bestätigt und nach Luther auch nicht ordiniert werden. An der örtlichen Vokation hat immer die Gemeinde Anteil. Entweder kann sie die Person des Pfarrers selbst nominieren oder — wenn dies durch besondere, aus der Gemeinde herausgestellte Instanzen geschieht — dodi jedenfalls sich zu einer designierten Person äußern, über Lehre, Wandel und Gaben mit urteilen (wenn audi das authentisdie Urteil über die Lehre den ministri zusteht). Indem nun die Ordination die konkrete Berufung in ein bestimmtes Amt (eingeschlossen das dazugehörige placet der Gemeinde) voraussetzt, wird auch der Anteil der Gemeinde an der Gesamtvokation gebührend mitberücksichtigt. So gehört beides zusammen, Vokation und Ordination, und soll nicht getrennt und auseinandergerissen werden. Nicht nur das eine ohne das andere ist konstitutiv für das Empfangen des Amtes. Tritt die Ordination im Vergleich zur Vokation insofern in den Vordergrund, als durch sie der ganze Vorgang der Amtseinsetzung zu letztgültigem Abschluß gebracht wird und sie der Akt ist, durch den definitiv das Amt übergeben wird und der Herr selbst zum Amt sendet, so ist doch die Vokation als örtliche Berufung die sachliche Voraussetzung dafür und darum mitkonstitutiv. Auch von daher ist es zu verstehen, daß Luther gern zur Bezeichnung des ganzen Vorgangs der Amtseinsetzung das Wortpaar 233

»beruffen und ordinirn' braucht*48. In Luthers Lehre sind beide Akte organisch ineinandergefügt. Wer diese Verbindung gewaltsam zugunsten des einen oder anderen Aktes aufbrechen will, zerstört die ganze Vokation, wie Luther sie als legitim denkt. — Wir haben in diesem Kapitel die Ordinationslehre Luthers unter den verschiedensten Gesichtspunkten (in historisch-genetischer und systematischer Betrachtung) darzustellen versucht. Sie ist nur zu verstehen auf dem Hintergrund der Luther gegenüberstehenden römischen Priesterweihe und der berechtigten Kritik an derselben. Darum haben wir davon den Ausgang genommen (i). Die einzelnen Elemente der Ordinationslehre ergeben sich dann aus Luthers positiver Beurteilung der alten kanonischen Ordinationshandlung (2), aus dem Ordinationsvorschlag, den er den Böhmen macht (3), aus der praktischen Konzeption von der Ordination, die zur Einrichtung der Ordinationshandlung in Wittenberg hingeführt hat (4) und Luthers Ordinationsformular zugrunde liegt (j). In den Bestimmungen des Ordinationsformulars finden sich die einzelnen Linien der Ordinationslehre Luthers brennpunktartig zusammengefaßt, aus ihm ergibt sich darum am deutlichsten der wahre Sinn der Ordination (6). Zur weiteren Durchklärung haben wir dann noch verschiedenen Einzelfragen bedacht, so die Elemente der Ordination (7), das Verständnis der Handauflegung bei der Ordination (8), die Frage des minister ordinationis (9), die Ordinationsgabe (10) und zuletzt die Notwendigkeit der Ordination (11), um abschließend eine summarische Erwägung über das Verhältnis von Vokation und Ordination noch anzufügen (12). Aus dem allen ergibt sich der Eindruck einer geschlossenen Ordinationslehre, die sich in den Gesamtbau der Amtslehre als deren Schlußstück organisch einfügt und ihr wesentlichstes Anliegen — die Gewährleistung der Gnadenmittelfunktion durch Bindung des Dienstes am Wort und Sakrament an bestimmte, dazu berufene und ausgesonderte Personen — unterstreicht. Die Lehre von der Vokation leitet mit innerer Folgerichtigkeit zur Ordinationslehre hinüber, in der die allgemeinen Bestimmungen aus der Lehre von der Vokation ihre Konkretisierung im gottesdienstlichen Akt finden. Daß Luther in diesem, in der Ordination nicht nur ein Menschenhandeln, nicht nur ein Handeln der Kirche, sondern in dem allen auch ein Gotteshandeln sieht, macht den Charakter des Amtes als eines göttlich gestifteten sichtbar und bewahrt seine Lehre von der Stiftung des Amtes davor, Theorie zu bleiben. Das Amt, von dem Luther redet, steht vermittels der effektiven Ordination als eine kräftige Realität des Heilshandelns Gottes in der Gemeinde und verkörpert mit den Gnadenmitteln einen Hinweis auf die in Christus sich erweisende Condescendenz Gottes zum Heile der Welt. S4S

234

Vgl. die oben S. 167, Anm. 226 angeführten Stellen u. a. m.

VII. Kapitel: Zusammenfassung ι. Die Zweipoligkeit von Luthers Amtslehre Versuchen wir nun eine zusammenfassende Überschau des ganzen bei Luther über Amt und Ordination Gefundenen, so treten zwei Pole seiner Amtslehre, um die sich alles gruppiert, hervor: das allgemeine Priestertum der christlichen Gemeinde auf der einen Seite, das auf göttlidier Stiftung beruhende konkrete Amt auf der anderen Seite. Diese beiden Pole machen sich nicht nur in der grundsätzlichen theologischen Begründung des Amtes geltend. Die Linien, die von dem einen oder anderen Pol aus gezogen sind, treten in allen einzelnen Stücken der Amtslehre zutage, auch in der Lehre von der Einsetzung ins Amt. Der Begründung des Amtes aus dem allgemeinen Priestertum und den Notwendigkeiten der priesterlichen Gemeinde entspricht die Vokation durch die Gemeinde, der Begründung aus der Stiftung Christi die Ordination als Amtsübertragung durch bereits im Amt Stehende. Beide Gedankenreihen sind aber — sowohl in diesem Stücke, wie wir gerade dargelegt haben, als auch sonst — miteinander verbunden und aufeinander bezogen. In ihrer gegenseitigen Verschlingung ergeben sie gerade den Luther eigentümlichen Amtsbegriff 1 . Die naturgemäß zwischen den beiden Linien vorhandene Polarität kann allerdings leicht dahin führen, daß sie auseinanderlaufen und zu Gegensätzen werden. Die Kirchengeschichte zeigt manches Beispiel für solche Vorgänge. Man kann das römische System als die verselbständigte und verabsolutierte eine Linie, die das Amt aus der Stiftung Christi begründet und durch Ordination ausschließlich sich fortpflanzen läßt, begreifen und sieht in den spiritualistischen Sekten des Mittelalters und der Reformationszeit und dann in den aus dem Calvinismus sich entwickelnden congregationalistischen Gemeinschaften der neueren Zeit die andere Linie zur Dominante erhoben. Jedesmal ist das sozusagen ein Rivalitätsunternehmen, wobei die eine Linie eben auf Kosten der anderen überbetont und gegen die andere ausgespielt wird. Das ist nicht in Luthers Sinn, dessen Amtslehre gerade eben in der Erhaltung der Spannung zwischen beiden Polen und in der Bewahrung der gegenseitigen Verschlingung und Durchdringung beider Linien ihr Wesen hat. 1

Vgl. audi G. Hök, a . a . O . , S. 150 f.

235

Das hindert aber nidit, daß sich auch bei Luther hin und wieder Anzeichen einer beginnenden Überbetonung der einen Linie bemerkbar machen, ohne daß indessen Luther zur grundsätzlichen Ausschaltung der anderen fortschreitet. Findet sich in manchen Schriften Luthers die eine Linie sehr einseitig hervorgekehrt, so stellt sich im ganzen das Gleichgewicht doch wieder her, wenn man die anderen Schriften hinzunimmt. Die eine Linie isoliert und verabsolutiert würde folgendes Bild ergeben: Vermöge des allgemeinen Priestertums hat die Gemeinde der Gläubigen und jeder einzelne Christ das Amt des Wortes und der Sakramente mit der grundsätzlichen Berechtigung, alle Funktionen desselben zu üben. Nur weil es aus Gründen der Ordnung unmöglich ist, daß in der Gemeinde alle gleichzeitig predigen, taufen usw., wird die öffentliche Amtsfunktion auf einen Mandatar delegiert, der sie für alle und im Namen aller ausübt. Zur Verwirklichung dieser dann de iure humano erfolgenden Delegation bedarf es nur der Wahl und Berufung einer Person durch die Gesamtheit, die aber auch jederzeit wieder rückgängig gemacht werden könnte. Der Diener im Amt ist dann nur Funktionär der priesterlichen Gemeinde, in allem von ihr abhängig, lediglich ihr Diener und Werkzeug. Das Amt als Stiftung Christi und die Ordination durch andere Diener im Amt als Amtsübertragung, wären aus einem solchen Bilde eliminiert. Man kann nicht in Abrede stellen, daß Luther in manchen extremen Äußerungen in die Nähe eines solchen Bildes gerät, was im 19. Jahrhundert einen Höfling z. B. veranlaßte, diese eine Linie in ihrer Verabsolutierung als das Genuinlutherische auszugeben, muß aber im gleichen Augenblick auch feststellen, daß Luther im Ganzen seiner Lehre dieses Bild vermieden hat. Die andere Linie isoliert und verabsolutiert ergäbe das gegenteilige Bild: Das Amt ist von Christus gestiftet und bestimmten Amtspersonen übergeben, die es dann durch die Kette der Ordinationen von den Aposteln her (apostolische Sukzession!) fortpflanzen, wobei die Gemeinde lediglich Zuschauerin bleibt. Das Amt bestellt das Amt, ohne daß die Gemeinde dafür eine Mitverantwortung trüge, geschweige dabei mitwirkte. Die Amtsträger stehen der Gemeinde so in der Autorität Gottes gegenüber, daß diese ihnen bedingungslos verhaftet und nur Objekt ihrer Amtsausübung ist. Hierdurch wird die Amtsstiftung Christi aus dem lebensvollen Bezug auf die priesterliche Gemeinde, in die das Amt ja hineingestiftet ist, herausgelöst und die Wirklichkeit des Priestertums aller Christen gefährlich beschnitten. Man wird nicht sagen können, daß Luther in Gefahr steht, eine Vereinseitigung auch in dieser Richtung vorzunehmen, was vielleicht eher von einigen Lutheranern des 19. Jahrhunderts gelten könnte2. Das liegt aber wohl weniger an einem überzeu2

E s ist H . Storck zuzustimmen, wenn er im Blick auf die beiden Richtungen in

der Amtstheologie des vorigen Jahrhunderts urteilt: „Beide Anschauungen decken sich

236

gungsmäßigen stärkeren Hinneigen zu dem ersteren Moment des allgemeinen Priestertums, als vielmehr an den geschichtlichen Gegebenheiten, in denen Luther stand und die sich auf seine Lehre auswirkten'. Die beiden Linien sind bei Luther vorhanden, entbehren jedoch aufs Ganze gesehen der exklusiven Züge, sie laufen bei ihm nicht auseinander, sondern werden durch ein höheres Prinzip zusammengehalten4. Besonders deutlich wird das an einer Stelle der Schrift ,Von Konziliis und Kirchen' 1539, wo Luther sagt, daß die Berufung von Kirchendienern, die Bestellung des Predigtamtes ein Kennzeichen der rechten Kirche sei und fortfährt: „Denn man mus Bisschove, Pfarrher oder Prediger haben, die öffentlich und sonderlich die obgenanten vier stück odder heilthum geben, reichen und üben, von wegen und im namen der Kirchen, viel mehr aber aus einsetzung Christi .. ." 5 . Hier steht die Begründung des Amtes aus dem allgemeinen Priestertum der Gemeinde und die aus der Stiftung Christi unmittelbar nebeneinander, und beides ist so miteinander verbunden, daß die erstere Begründung durch letztere überhöht ist (,viel mehr'!). Im folgenden erscheint die gleiche Doppelpoligkeit in bezug auf die Art der Amtsbestellung noch einmal: „Denn der hauffe gantz kan solchs nicht thun, sondern müssens einem befelhen oder lassen befolhen sein . . I n dem aktiven Ausdrude ,befehlen' ist die Vokation im engeren Sinne und die Gemeinde als Handelnde betont, in dem passivischen .lassen befohlen sein' die Ordination, in der besonders die nicht mit Luthers Verständnis vom Amt des Wortes, obwohl beide einen lutherischen Kern enthalten" (a.a.O., S. 41, Anm. 183). 3

Vgl. unten S. 239 ff. W. Eiert hat darauf hingewiesen, daß Luther einen Gegensatz zwischen der Begründung des Amtes aus der Stiftung Christi und der rein praktischen mit dem delegatio-Gedanken nicht empfunden hat (Morphologie I, S. 301; vgl. oben S. 1 3 1 ) und schreibt, daß dies nur verständlich sei, „wenn er (Luther) bei dem Begriff des ,Amtes' grundsätzlich nur an das rein Funktionelle denkt, nicht an den personellen Apparat der pfarramtlichen Organisation" (S. 301). Daß bei Luther das funktionale Denken eine große Rolle spielt, ist unzweifelhaft gewiß, jedoch würden wir Bedenken haben, die dem Zusammensein der beiden verschiedenen Linien bei Luther innewohnende Spannung durch die Annahme eines rein, also ausschließlich funktionalen Amtsbegriffes abzugleichen. Wir haben gefunden (vgl. oben S. 1 1 0 ff.), daß Luther auch das parochiale Pfarramt auf göttliche Anordnung zurückführt. Die Stiftung Christi kann in seinem Sinne nicht auf das rein Funktionelle beschränkt werden. Von daher bleibt eine rational unbefriedigende Spannung in Luthers Amtsdenken, die aber gerade charakteristisch ist für ihn. — Vgl. E. Sommerlath (Amt und allg. Priestertum, S. 41): „Zu einem vollen Ausgleich dieser Gedankenreihen und zu einer theologischen Klärung ist es wohl nie gekommen". Jedenfalls zu einfach sieht Brunotte die Amtslehre Luthers, wenn er meint, daß in ihr „unausgeglichene Spannungen, innere Widersprüche oder theologische Lücken" überhaupt nicht vorliegen (a. a. O., S. 199 f.). 4

5 50, 632, 36 ff. Auch M. Doerne (Luth. Pfarramt, S. 1 1 ) sieht diese Stelle als einen „klassischen Ausdruck der Doppelpoligkeit von Luthers Amtsverständnis" an.

• 50, 633, 3 f.

237

Diener am Wort handeln und die Gemeinde dieses Handeln nur anerkennt und mit ihrem Gebet begleitet. Der Spannungsbogen, der diese beiden Pole der Lehre Luthers verbindet, ist das eigentlich Tragende seiner Amtslehre.

2. Entwicklung bei Luther Es ist hin und wieder in der Geschichte der Interpretation von Luthers Amtslehre versucht worden, die bei ihm vorliegende Spannung zwischen allgemeinem Priestertum und gestiftetem Amt durch die Annahme einer Entwicklung oder sogar eines Standpunktwechsels bei Luther auszugleichen7. Jedoch ist dieser Weg nicht gangbar8. Daß bei Luther eine Entwicklung vorliegt, kann natürlich nicht verneint werden, aber es kommt im Zuge derselben nicht zu einer offenen Revidierung früherer Positionen. In den Frühschriften (besonders der Jahre 1520—1523) liegt der Akzent stark und verhältnismäßig einseitig auf dem allgemeinen Priestertum und der delegativen Ableitung des konkreten Amtes aus demselben, in den späteren Schriften wird stärker der Stiftungscharakter des Amtes betont. Entsprechend tritt in der Frühzeit die Vokation durch die Gemeinde in den Vordergrund, später — zumal im Zusammenhang mit der Einführung der Ordinationshandlung in Wittenberg — fällt auf die Ordination und den Anteil des Amtes an der Amtsbestellung stärkeres Gewicht. Es ist schon ein Weg von der Entdeckung des allgemeinen Priestertums im Jahre 1 5 1 9 über die grundlegenden Auseinandersetzungen mit der päpstlichen Kirche und Theologie in den zwanziger und dreißiger Jahren und den Kampf mit den Schwärmern bis hin zur Naumburger Bischofsweihe 1542, und der Luther der Genesisvorlesung ist schon ein anderer als der von ,de captività te baby Ionica', aber es kann nicht nachgewiesen werden, daß Luther seine Auffassung in der Amtslehre irgendwie offensichtlich geändert oder irgendeine Äußerung aus der Frühzeit später korrigiert und widerrufen hätte. Entwicklung 7

S o 2. B. A . W . Dieckhoff, a. a. O., S. 1 4 9 ff. und sonst.

8

V g l . M . Doerne, Luth. P f a r r a m t , S. 9.

9

I m großen Galaterbriefkommentar v o n 1 5 3 5 findet sidi ein Zeugnis Luthers d a für, daß er im L a u f e der Jahre seine A u f f a s s u n g v o m A m t in Richtung auf eine größere Hochschätzung desselben vertieft habe. Luther sagt dort, nachdem er die vocatio gerühmt hat: Putabam olim, cum novus essem Theologus, Paulum ineptire et stultizare per istas iactantias (daß er auf seine Berufung zum Apostelamt so pocht), nesciebam, quid vellet, nesciebam, das so ein gros ding were umbs ministerium verbi (40I, 6 3 , 6 ff.). D a s spricht d a f ü r , daß der ältere Luther den geistlichen und göttlichen Charakter des Predigtamtes klarer gesehen hat als der junge. O b es ein Z u f a l l ist, daß diese Äußerung aus dem J a h r e stammt, in dem in Wittenberg die Ordinationshandlung fest eingerichtet w u r d e ?

238

betrifft bei ihm nur die Nuancierung und allseitige Durchbildung seiner Amtslehre 10 .

3. Die Situationsbedingtheit der Lehre Luthers Spricht man von einer Entwicklung bei Luther, so wird man letztere aus den verschiedenen Situationen seines Lebens erklären müssen. Luther stand in mannigfachen, immer neuen Kämpfen und Konflikten. Im Z u sammenhang mit denselben bildete sich seine Lehre. Beim Amtsbegriff macht sich das besonders bemerkbar, weil die Auffassung vom Amt stets die konkrete Ordnung von Gemeindeleben und Kirchenverfassung tangiert, also mannigfache konkrete, praktische Relationen hat. Die tatsächlichen kirchlichen Zustände, denen Luther in verschiedener Weise Rechnung tragen mußte, spiegeln sich in den Stationen der Entwicklung seiner Amtslehre wider". Man muß geradezu von einer Situationsbedingtbeif seiner Lehre vom A m t sprechen. Luther redet oder sdireibt überhaupt nie als abstrakter Denker, der eine Sache ,an sich' betrachtet, er spricht oder schreibt immer in eine konkrete Situation hinein, die sein Wort gerade fordert. Man kann dies an allen seinen Schriften mit Leichtigkeit nachweisen, besonders betrifft das auch die exegetischen Schriften und die Predigten. In bezug auf die Amtslehre ist da eine Gruppe der Schriften Luthers ganz von der Polemik gegen die falsche Amtskonzeption Roms bestimmt12. W i r haben bei der Darstellung der Lehre Luthers immer wie10 Unzutreffend ist also die Ansicht Dieckhoffs, daß der spätere Luther seine frühere Delegationstheorie, also die Ableitung des besonderen Amtes aus dem allgemeinen Priestertum, als einen Irrtum erkannt und abgelegt habe (a. a. O., S. 151). Man braucht nur die Predigt bei der Einweihung der Schloßkirche zu Torgau vom 5. Oktober 1 $44 (ζ. B. die Stelle 49, 600, 1 1 ff.) zu vergleichen. Richtig hat Dieckhoff nur dies gesehen, daß der spätere Luther die Akzente anders setzt als der Luther der Jahre 1 J 2 0 bis 1523, daß in der späteren Zeit das Schwergewicht seiner Amtsbegründung auf der göttlichen Stiftung des Amtes liegt. — Von einer Akzentverschiebung bei Luther in dieser Hinsicht spricht auch H . H . Kramm (a. a. O., S. 23). — Daß Luther sich in seiner Amtsanschauung doch grundsätzlich im wesentlichen gleichgeblieben ist, haben verschiedene Forscher festgestellt. So Höfling (Grundsätze, 3. Aufl. 1853, S. $ j ) ; Jul. Köstlin (Luthers Lehre von der Kirche, 1853, S. 48); K . Holl (Luther, 6. A u f l . 1932, S. 378); H . Storck ( a . a . O . , S. 4); P. Brunner (Vom Amt d. Bischofs, S. 6, Anm. 2). 11 Dasselbe deutet W. Eiert an, wenn er als die zwei formellen Merkmale der Amtslehre Luthers nennt einmal das Bestreben, unter allen Umständen die Bezogenheit der Amtslehre auf die evangelischen Grundgedankèn zu wahren, und dann „die praktische Dehnbarkeit, die im Übergangscharakter seiner Zeit ihren Grund hat" (Morphologie I, S. 308). 12 Z . B . die drei Hauptschriften des Jahres 1520 (An den Adel, de captivitate, von der Freiheit eines Christenmenschen), die Schriften gegen Hieronymus Emser, Vom Mißbrauch der Messen 1 J 2 1 , de instituendis misnistris 1523, Daß eine diristl. Gemeinde usw. 1 J 2 3 , Von der Winkelmesse u. Pfaffenweihe 1533 u . a . m .

239

der versucht, den polemischen Akzent der Äußerungen Luthers in diesen Schriften zu berücksichtigen und die Kampfsituation, die darin vorherrscht, in Rechnung zu stellen. Luthers Aussagen über das allgemeine Priestertum sind so stark durch den Kontrast des römischen Standesdenkens und Weiheverständnisses geprägt 13 , ebenso gilt dies von manchen seiner Aussagen über die Ordination. Immer steht der dunkle Schatten der römischen Positionen, denen gegenüber Luther sich in einem Existenzkampf zu behaupten hat, im Hintergrund, auch wenn er positiv vom Amt und der Ordination spricht. Auf der anderen Seite sind andere Schriften zu nennen, die von der Polemik gegen die Schwärmer und Winkelprediger geprägt sind". Da schlägt das Pendel bei Luther nun nach der anderen Seite aus, und er geht in der Betonung des Unterschiedes von berufenen Predigern und der Gemeinde bis an die Grenze des vor seiner Lehre vom allgemeinen Priestertum Verantwortbaren. Hat er Rom gegenüber die Gleichheit aller im christlichen Priestertum mit größtem Nachdruck gelehrt und alle Unterschiede in der Kirche bekämpft, so legt er hier den Winkelpredigern gegenüber großen Wert darauf, daß gerade nicht alle Christen gleich sind, daß ein Unterschied zwischen Predigern und Laien besteht. Führt Luther gegen die Winkelprediger betont den Begriff „leye" wieder ein, so hat das da deutlich den Klang, daß nicht einfach alle Christen sich in geistlichen Dingen zu Worte melden können, was wiederum hart an die Grenze eines Widerspruches zu dem kommt, was Luther gegen Rom an anderer Stelle, ζ. B. in der Schrift ,Dass ein christliche . . . Gemeinde Recht und Macht habe usw.', gelehrt hat. Wir haben bereits darauf aufmerksam gemacht, daß Luther bezüglich der Auslegung von i . K o r . 14 in der Schrift ,Von den Schleichern und Winkelpredigern' 1532 genau das Gegenteil von dem vertritt, was er 1521 und 1523 gelehrt hatte15. Das ist ausschließlich aus dem verschiedenen Gegenüber zu erklären, das Luther in den einzelnen Schriften jeweils vor sich hat. Den Winkelpredigern gegenüber spricht und denkt er anders als Rom gegenüber. Das Unwesen, das die Schwärmer trieben (zumal auf dem dunklen Hintergrunde des Bauernkrieges und der Müntzerschen Bewegung), hat Luther deutlich die praktischen Grenzen gezeigt, die einer Lehre vom allgemeinen Priestertum und von Recht und Macht jedes Christen gesetzt sind und die er im Kampfe gegen römische Vorstellungen nicht ,s

V g l . E . Sommerlath, A m t u. allg. Priestertum, S. 4 1 . 4 9 ; und derselbe, D a s Wesen d. Amtes nadi luth. A u f f a s s u n g , in: D i e K i r d i e J e s u Christi u. d. W o r t Gottes, Berlin 1 9 3 7 , S. i j j . — A u d i R . Sohm schon hat darauf hingewiesen (Kirdienredit I , S. 4 9 J , A n m . 16). 14

S o bes. die Schrift , V o n den Schleidlern u. Winkelpredigern' 1 5 3 2 . V g l . oben S. 1 1 9 , A n m . 8 1 . — W . Eiert äußert im Blick auf solche Stellen in der Schrift , V o n den Sdileichern usw.': „ D i e G e f a h r eines Rückfalls (bei Luther) tritt hier greifbar n a h e " (Morph. I, S. 303). 15

240

immer im Auge behalten hatte, und hat ihn das Amt als göttliche Stiftung und darum audi die Notwendigkeit der Vokation zum Amt und dann der Ordination viel stärker betonen lassen, als es in der Auseinandersetzung mit Rom geschehen war. So ist Luthers Lehre stark situationsbedingt18. Man kann sie audi aus einem „Zweifrontenkampf" (nämlich gegen Rom auf der einen Seite, die Schwärmer auf der anderen Seite) begreifen, wie es M. Doerne getan hat17 Außerdem muß man in Rechnung stellen, daß manche Positionen der Amtslehre Luthers auf der akuten Notsituation der Kirche basieren, die es für ihn zu bewältigen galt. Vieles hätte sich ganz sicher auch lehrmäßig anders entwickelt, wenn die römischen Bischöfe, oder doch ein Teil derselben sich der Reformation nicht versagt hätten und die bischöfliche Verfassung allenthalben unverletzt erhalten geblieben wäre. Das institutionelle Element in Luthers Amtslehre wäre dann ohne Frage noch viel stärker zutage getreten. Ein Rückgriff auf die landesherrliche Gewalt bei der Ordnung und Gestaltung der kirchlichen Verhältnisse hätte sich erübrigt u. a. m. So war Luther gezwungen, seine grundsätzlich konservative Haltung mitten in einem Strudel revolutionärer Bestrebungen und in einem Existenzkampf auf Leben und T o d gerade mit den traditionellen kirchlichen Gewalten zu bewahren. Manches bröckelte dabei notgedrungen ab und ging verloren, was sonst sicher bewahrt worden wäre. Bei der ganzen Amtslehre Luthers muß man, um zu einer zutreffenden Beurteilung zu gelangen, die Notsituation, aus der heraus er oft lehrt, im Auge behalten.

4. Die stets wirksame, tragende Grundanschauung Luthers Wenn auch Luthers Amtslehre in einer durch die jeweilige Situation stark bedingten und in einer Entwicklung ausgebildeten Zweipoligkeit ihr Wesen hat, ist sie nicht ohne tiefe innere Einheit. Man kann diese wohl in der alles beherrschenden Bedeutung des Wortes erblicken. Für Luther ist nicht das Wort um des Amtes willen da, sondern durchaus das Amt um des Wortes willen. Das Wort hat für Luther immer die unbedingte Priorität und Superiorität in der Kirche. Verbum dei . . . supra Ecclesiam est incomparabiliter 18 . Luther geht immer davon aus, daß sine verbo nihil constet in Ecclesia et per solum verbum omnia constent1", daß darum das Amt des Wortes omnium in Ecclesia et summa et maxima ist20. Lehrt Luther das allgemeine Priestertum als Inbegriff 16 17 18

"

20

Darauf weist auch G. Hök, a. a. O., S. i j o . Luth. Pfarramt, S. j. 6, 560, 36.

173. f f· 173. 4 f·

16 791J Lieberg, Amt

241

des Amtes und bringt er es zur Begründung des konkreten Amtes in Ansatz, so geschieht es, damit das Wort nicht gefangengenommen wird von einem nidit predigenden Priesterstand, der die Gewalt zu lehren für sich allein in Anspruch nimmt, ohne die Funktion audi zu tun oder doch ohne sie recht zu tun. Non potestas Papae aut alicuius Episcopi in Ecclesia dominatur, sed verbum dei, quod nulli est alligatum, omnium liberrimum, rex regum et dominus dominantium 21 . Luther leitet das Amt aus dem allgemeinen Priestertum ab, um dem Wort freie Bahn zu schaffen, daß es laufen und Frucht bringen kann in der Kirche. Erheben sich aber die spiritus enthusiastici, um mit ihrer Menschenlehre das Wort zu entstellen und in die umgekehrte Gefangenschaft zu nehmen, hält Luther ihnen das geordnete, gestiftete Amt des Wortes entgegen und fordert klaren Nachweis legitimen Berufs. Sieht er das Wort von den Mauern eines falschen Ordobegriffes umfangen, bricht er diese mit Recht und Pflicht des allgemeinen Priestertums auf und erhebt die Vokation durch die Gemeinde auf den Schild. Gewährleistet die Vokation der Gemeinde die Reinheit des Wortes nicht mehr, stellt er die Ordination in virtute verbi daneben. Das magnetische Kraftfeld, das sich um die beiden Pole seiner Amtslehre legt und ihr Verhältnis zueinander bestimmt, ist das lebendige Wort, die viva vox evangelii. Daß sie recht ausgerichtet werde, ist ihm der tiefste Sinn des Amtes und der Ordination.

» 2, 676, 34 ff.

242

II. T E I L

AMT U N D O R D I N A T I O N BEI M E L A N C H T H O N

I.Kapitel: Grundlagen des Amtsbegriflfs ι. Die Heilsnotwendigkeit des Dienstes am Evangelium Will man Melanchthons Amtsbegriff richtig entfalten, so muß man bei seiner Lehre vom Evangelium einsetzen. Da die menschliche Vernunft blind ist für die Geheimnisse der Erlösung, ist die Gnadenveranstaltung Gottes allein aus der Offenbarung zu lernen, d.h. der Schrift zu entnehmen. Die Schrift aber besteht aus zwei Teilen: Gesetz und Evangeliuml. Sie sind die capita praecipua scripturae, ad quae omnes partes prudenter referendae sunt2. Verschieden sind Werk und Amt des Gesetzes einerseits und des Evangeliums andererseits. Lex peccatum ostendit, Evangelium gratiam. Lex morbum indicat, Evangelium remedium. Lex mortis ministra e s t . . . Evangelium vitae ac pacis3. Das Gesetz führt zur Erkenntnis der Sünde, erschüttert das Gewissen, erschreckt den Menschen durch das Zornurteil Gottes und verdammt ihn4. Dadurch aber wird der Mensch nur bereitet, das Evangelium zu vernehmen und durch dasselbe die Gnade Gottes zu ergreifen. Das Evangelium ist promissio gratiae seu misericordiae dei, adeoque condonatio peccati, et testimonium benevolentiae dei erga nos5. Im Evangelium offenbart Gott seinen Gnadenwillen gegen uns und zeigt uns Christum als das Sühnopfer pro nobis, um dessentwillen er uns verzeihen will*. Das Evangelium ist Gottes auf Christum weisendes und uns Gerechtigkeit versprechendes Verheißungswort. Es ist gleich nach dem Fall Adams in dem "Wort von dem Weibessamen, der der Schlange den Kopf zertreten wird, in die Welt gekommen und ist ein und dasselbe zu allen Zeiten7, stets Verheißung der Gnade propter Christum und verlangt zu allen Zeiten zu seiner Aneignung den Glauben. Dieser Glaube aber ist nichts anderes 1

8

CR 2i, 139: Duae in universum scripturae partes sunt Lex et Evangelium.

21, 419· ' 1}9'

3 2I

* 21, IJ2: proprium legis opus est peccati revelatio; 21, 1J3; 40J: officium . . . proprium legis divinae et praecipuum est, estendere peccata, accusare, perterrefacere et damnare conscientias. 5 21, 140; vgl. 157.

' 2i, 416. 7

21, 416: . . . Estque unum et idem Evangelium, quo omnes sancti ab initio mundi salvati sunt omnibus temporibus. MS

als fiducia misericordiae divinae, promissae in Christo 8 . Durch den Glauben kommt es zur Befriedung des Gewissens und innerer Erneuerung*. Iustificamur igitur cum mortificati per legem, resuscitamur verbo gratiae, quae in Christo promissa est, seu Evangelio condonante peccata, et illi fide adhaeremus, nihil dubitantes quin Christi iustitia sit nostra iustitia, quin Christi satisfactio sit expiatio nostra, quin Christi resurrectio nostra sit1*. Durch den Glauben an die Gnadenverheißung des Evangeliums von Christus wird der Sünder gerechtfertigt, so daß alle Heilsgüter Christi sein eigen werden. Dem Glauben fordernden Evangelium nun treten zur Seite die von Gott selbst eingesetzten signa sacramentaba, im Neuen Bunde T a u f e und Abendmahl. Sie sind certa testimonia divinae voluntatis erga nos, besiegeln, daß wir das audi wirklich empfangen, was Gott versprochen hat 11 . Sie haben die Funktion, die göttliche Verheißung des Evangeliums zu unterstreichen und unsern Glauben an sie zu wecken und zu stärken". Sie sind dem Evangelium beigegeben und haben ihren Bestand auch nur im Evangelium. Ita coniungimus Sacramentum et promissionem, sagt Melanchthon und will damit diesen Sachverhalt betonen13. Auch zum rechten Gebrauch der Sakramente gehört darum der Glaube an die Verheißung des Evangeliums". In konzentriertester Form kommt das Evangelium in der Absolution an den Menschen heran, die Melanchthon auch zu den Sakramenten zählen kann 15 . Audi sie ist Verheißung und kann nur durch den Glauben empfangen werden 16 . Wie Evangelium und Sakramente auf den Glauben zielen, durch den allein sie zum Heil angeeignet werden können, so ist umgekehrt der Glaube auch auf das Evangelium und die Sakramente angewiesen, er wird nämlich durch sie als Instrumente überhaupt erst geweckt und hervorgerufen und ist ohne sie gar nicht denkbar 17 . Der im Evangelium ge'

ZI,

I6J.

' 2i, 154: si credat adflicta conscientia promissioni gratiae in Christo, fide resuscitatur et vivificatur. i i , 159· " 21, 10«. tt C A 13, ι (Bekenntnisschriften, Göttingen 1930, S. 65 f.): . . . ad excitandam et confirmandam fidem in his, qui utuntur, proposita. " 2 1 , 468. 14 C A 13, 2 (BKS 66); 21, 468: Sicut autem promissio fide accipienda est, ita et in usu Sacramentorum fides accedere debet, quae statuat nobis eo vere contingere, quae in promissione proponuntur. 15 z i , 48$: utiliter recensetur inter sacramenta et sacramentum poenitentiae; Apol. 12, 41 (BKS 2 j j ) : Et absolutio proprie dici potest sacramentum poenitentiae; Apol. 13, 4 (BKS 292): Vere . . . sunt sacramenta baptismus, coena Domini, absolutio, quae est sacramentum poenitentiae. u Apol. 12, 39 ff. (BKS 2J9). " C A j , i f . (BKS $7); 21, 48$: Fides autem instruments utitur, verbo et sacramentas, quae testantur ad nos pertinerc beneficium Christi . . . 10

246

offenbarte Gnadenwille Gottes schließt in sich eine bestimmte Weise der Übereignung des Heilsgutes. Melandithon weist in seinem Römerbriefcommentar von 1529 zur Stelle c. 10, 14 f. auf die dort gelehrte gradatio de modo iustificationis, seu de fidei causa hin18. Es ist ein bestimmter modus von Gott geordnet, quo beneficia Evangelii nobis contingunt19, nämlich durò das Evangelium, das äußere Wort und die Sakramente. Das Wort ist die causa efficiens des Glaubens80. Durch vox et agnitio Evangelii gibt Gott den heiligen Geist, der den Glauben wirkt41, alle Güter des Heils, Gerechtigkeit und ewiges Leben22. Und zwar ist das Evangelium der ausschließliche Heilsweg2'. Es gibt keine andere Möglichkeit, Glauben und Heil zu erlangen, als durch dasselbe, sine verbo non contingit Spiritus sanctus24. Man muß wissen, quod Deus non velit aliter agnosci et apprehendi suam voluntatem de peccato et de gratia, nisi in verbo, et quod Spiritus sanctus per verbum sit efficax25. Dieses ,Νοη aliter nisi in verbo' als göttliche Heilsordnung gehört zu den wichtigsten Grundaxiomen der Theologie Melanchthons. Von hier aus ergibt sidi eine scharfe Antithese zu den Schwärmern, die von Melandithon als spiritus fanatici26 und Häretiker27 gekennzeichnet werden. Ihr perniciosissimus error ist der, daß sie das verbum vocale des Evangeliums verachten und meinen, der heilige Geist werde ohne das äußere Wort gegeben28. Sie suchen Erleuchtungen sine verbo Dei et extra Evangelium und führen mit ihren Lehren die Menschen vom Worte Gottes ab und überantworten sie eigenen Meinungen und Träumen29. Wegen dieser ihrer impia dogmata, die in der Kirche infinitam dissipationem 18

i j , 478; vgl. 4 7 7 : Paulus, cum vellet ostendere fidei causam, instituit gradationem hoc modo. Nemo invocat, nisi credat. Nemo credit, nisi audiverit verbum. Non potest audiri verbum, nisi praedicetur. Non potest praedicari verbum, nisi mittantur a Deo qui praedicent. 15, 694; vgl. 12, 349: Admirando . . . Consilio et certissimo decreto constituit Deus, voce Evangelii prolata per filium ex sinu aeterni patris, et sonante per Apostolos et non aliter, salvos facere homines. 20 i j , 478: Est igitur causa efficiens fidei verbum, quo impellit et movet Deus corda ad credendum. 21

J

5> 429; vgl. 26, 3 J 4 ; 2 1 , 470. 2i> 555Î vgl· 834; C A 28, 9 (BKS 122). 23 J> 7 I I : voce Evangelii, et non aliter; 12, 349; 2 1 , 470; 853: sciamus . . . Deum immensa bonitate patefecisse voluntatem suam in Evangelio, nec alias illuminationes quaerendas esse, sed fidem et invocationem excitari hoc ipso Evangelio nobis exhibito. 22

24

IJ,

4 7 8 ; vgl. 12, 490.

28 ' J . 6952 1 , 470. " I J , 478. 28 12 > 3 4 9 : vel verbum vocale prorsus extenuant et contemnunt, vel docent negletto verbo expeçtandos esse raptus violentos; vgl. 1 2 , 109: Stenckfeldii fanatica deliramenta execremur qui mentes abducit ab Evangelio, et horrendis clamoribus contendit, Deum se sine Evangelii cogitatione mentibus communicare; 490; I J , 430; 4 7 8 ; 694 f.; 991; Apol. 13, 13 (BKS 294).

"

29 2 6

> 3 $4 f·; vgl. 12, 603.617; 14, 892; 2 1 , 470.

247

anriditen, werden sie verdammt30. Enthusiastae fugiendi et execrandi sunt'1. Teilt Gott nun nur durdi das Evangelium Sündenvergebung und ewiges Heil mit, so hängt das Heil der Menschen also daran, daß das Evangelium getrieben wird, d. h. daß es rein verkündigt und die Sakramente „lauts des Evangelii" gehandelt weiden3*. Der Charakter des Evangeliums als ausschließlichen Gnadenmittels verlangt unbedingt den Dienst am Evangelium. Es kann nicht dem Zufall oder der jeweiligen Geistbewegtheit der Christen überlassen bleiben, ob das Evangelium verkündigt wird oder nicht. Der Dienst am Evangelium muß in der Kirche stetig gewährleistet sein. So ergibt sich von hier aus die Notwendigkeit des ministerium Evangelii, mit welchem Begriff bei Melanchthon nicht einfach die Funktion des Evangeliums, sondern gerade die amtliche Funktion, der amtliche Dienst am Evangelium gemeint ist. W. Thomas hat bemerkt, daß bei Melanchthon ministerium (Amt) oft mit dem mündlichen Wort überhaupt gleichgesetzt wird 38 . Ebenso spricht auch H. Busch von einem ministerium im weitesten Sinne des Wortes bei Melanchthon als der gehörten oder gelesenen oder überdachten Stimme des Evangeliums, während Melanchthon in der späteren Zeit dodi mit .ministerium' fast ausschließlich das öffentliche, mit bestimmten dazu ernannten Amtspersonen besetzte Amt meine®4. Nun ist das gewiß unbestreitbar, daß bei Melanchthon Stellen vorkommen, in denen ,ministerium' (.ministerium Evangelii') und .Evangelium' als Wechselbegriffe gebraucht werden und .ministerium* einfach die Funktion des Evangeliums, das Lautwerden, die Verkündigung und Weitergabe des Evangeliums zu bedeuten scheint35. Jedoch muß der jeweilige Kontext beachtet werden, der bei den einzelnen Stellen deutlich macht, daß bei Melanchthon in dem Begriff .ministerium Evangelii' dodi immer schon das konkrete, mit Personen besetzte Amt der Kirche wenigstens mit anklingt oder direkt mitgemeint ist. Nehmen wir etwa die beiden unten angeführten Stellen aus den Loci von 1J43 (21, 833.834), so finden wir im vorhergehenden Text die Bezugnahme auf Rom. 10, 14 f. und Eph. 4, 11. Das Geben der Amtspersonen (Apostel, Propheten, Hirten, Lehrer) durch Gott ist gleichgesetzt mit servari ministerium Evangelii (21, 833). Wenn es dann wenige Zeilen später heißt, die Kirche sei ein coetus alligatus ad vocem seu ministerium Evangelii, so kann auch da nur die vox Evangelii gemeint sein, die eben durch die von Gott ins Amt gegebenen ministri laut wird, also die amtliche Evangeliumsverkündigung. Im folgenden Text wird wohl abgelehnt, daß das ministerium mit den in ordentlicher Sukzession stehenden Bischöfen gleichzusetzen sei, aber doch .ministerium' ganz klar im Sinne des konkreten Amtes gefaßt: Ecclesia ad ipsum Evangelium 90

26, 354 f. i j , 695· » Vgl. CA 7, ι (BKS 59 f.). 33 Die Lehre Melandithons vom geistlichen Amt, Leipzig 1901 (Diss.), S. 10. 31 Die Lehre von der Kirdie bei Melanchthon, 1918 (Diss.), S. J9. 33 12, 616: beneficium Dei, quod vult Ecclesiam colligi ministerio Evangelii, scilicet voce Evangelii audita, seu lecta et cogitata . . . ; 12, 628 f.; 12, 682: Cum Iesaias nominat fidem, item définit, fidem esse cogitationem firmam, certe requirit praedicationem verbi Dei seu ministerium Evangelii . . . ; 12, 492; 21, 833: Sciamus igitur Ecclesiam Dei coetum esse alligatum ad vocem seu ministerium Evangelii . . . ; zi, 834: . . . quod Deus vere per hoc ministerium, id est, per vocem Evangelii auditam, lectam, cogitatam sit efficax. 31

248

Dei alligata est, quod ut sonet in ministerio, Deus subinde excitât aliquos recte docentes, ut Eph. 4 . . . dicitur (21, 834). Das Ertönen, also die reine Funktion des Evangeliums und das ministerium sind hier zweierlei. Es geht nicht einfach nur um ein Ertönen des Evangeliums, sondern um das Ertönen in ministerio, w o f ü r Gott Amtspersonen gibt. Ebenso ist es im folgenden: Mansura est igitur vox Evangelii et ministem, et erit aliquis visibilis coetus Ecclesia Dei, sed ut coetus Scholasticus. Est ordo, est discrimen inter docentes et auditores, et sunt gradus. Alii sunt Apostoli, alii sunt Pastores, alii Doctores . . . (21, 835). Der Begriff ,νοχ ministerii' schließt die Bedeutung von .ministerium* als bloße Funktion aus. Daß Melanchthon bei dem Wort .ministerium* das konkrete Amt im Auge hat, zeigt außerdem der Hinweis auf den Unterschied zwischen docentes und auditores als einer bleibenden Ordnung der Kirdie. Liest man alle diese Stellen im Zusammenhang, so wird deutlich, daß Melanchthon »ministerium Evangelii' nie als bloße, irgendwie geschehende Funktion faßt, sondern stets im Hinblick auf das geordnete Amt braucht. Erscheint es zunächst schwierig, in der vox' Evangelii audita, lecta et cogitata (21, 834; 12, 616) das öffentliche Amt bezeichnet zu sehen, möchte man hier eher einfach an das Wort des Evangeliums, ganz abgesehen vom konkreten Amt denken, das also wie gehört, so auch gelesen und meditiert werden kann, nämlich in der Schrift, so muß man sich doch klar machen, daß Melanchthon auch in der Schrift die Stimme des Amtes (nämlich der Apostel) ertönen sieht. Bei der gehörten Stimme des Evangeliums handelt es sich um die gegenwärtige Wortverkündigung des Amtes in der Gemeinde, bei der gelesenen und bedachten Stimme des Evangeliums um die schriftlich niedergelegte der Apostel, immer aber ist es die vox Evangelii sonans in ministerio. Vgl. dazu die Stelle 15, 991 zu Rom. 10, 14 f.: Hoc dictum manifeste ostendit, Paulum hoc affirmare, Deum per vocem Evangelii sonantem in ministerio cogitatam ab audiente, seu legente, efficacem esse . . . (und das folgende). A n der Stelle 2 1 , 825 ist von der ecclesia visibilis die Rede, in qua sonat vox Evangelii et in qua ministerium Evangelii conspicitur. Hierzu sagt W. Thomas selbst: „ A n dieser Unterscheidung von ,νοχ Evangelii' und Ministerium', welches .conspicitur', kann man ganz klar sehen, dass hier ministerium im Sinne des öffentlichen Amtes gemeint ist" s e . Melanchthon denkt aber bei dem Begriff .ministerium Evangelii' nicht nur hier, sondern stets an die Amtsinstitution der stetigen Evangeliumsverkündigung und Sakramentsverwaltung in der Gemeinde. Dabei muß allerdings im Auge behalten werden, daß das so bezeichnete Amt durch und durch von der tatsächlich geschehenden Funktion her bestimmt ist (ohne daß indessen der funktionale Charakter den institutionellen aufhebt!).

Melanchthon kommt da, wo er von dem Evangelium als ausschließlichem Gnadenmittel spricht, gleich auch auf das A m t des Evangeliums, das ministerium Evangelii zu sprechen und folgert aus der Notwendigkeit des Wortes die Notwendigkeit des Amtes". Weil Gott sich nicht M

a . a . O . , S. 1 3 ; vgl. auch folgende Stellen, in welchen jeweils .Evangelium' und .ministerium Evangelii' als zweierlei unterschieden wird: 14, 892: Ut sit filius efficax per Evangelium, oportet esse ministerium evangelii; i j , 3 1 7 : dico alligatam esse Ecclesiam ad Evangelium et ad ministerium Evangelii; 2 1 , 832: nec vox nec ministerium Evangelii; 2 1 , 834: oportere in Ecclesia esse vocem Evangelii et ministerium. ®T 2 i , 853: „ . . . sciamus, Deum immensa bonitate patefecisse voluntatem suam in Evangelio, nec alias illuminationes quaerendas esse, sed fidem et invocationem excitari hoc ipso Evangelio nobis exhibito, et Deus vult esse publicum ministerium, idque mirabiliter conservât et subinde repurgat, ut ad hoc Evangelium exhibitum sciamus Ecclesiam alligatam esse. Haec dicit Paulus Eph. 4 . . . his verbis: Institutum esse ministerium Evangelii, ut Evangelium conservetur . . . " . Man beachte, wie hier das Evangelium exhibitum ganz als in die Institution des öffentlichen Amtes eingeschlos-

249

anders als durch das Wort offenbaren will, — propter harte tantam causam omni honore afficiamus, et defendamus ministerium verbi publicum38. So wird der modus, wie Gott die Güter des Heils den Menschen zuteil werden läßt, audi einfach mit den Worten ,per ministerium verbi" 9 beschrieben. Entsprechend richtet sich die Verachtung der Schwärmer nicht nur gegen das Wort, sondern auch gegen das Amt des Wortes und gegen die Ordination, durch die dasselbe bestellt wird40. In der göttlichen Einsetzung des Evangeliums ist der geordnete Dienst am Evangelium, das Amt der Evangeliumsverkündigung begründet. Es ist da, um das Evangelium an den Menschen zu heilschaffender Wirkung zu bringen. Hiermit ist die entscheidende Grundlegung des Amtsbegriffs bei Melanchthon gegeben. Rechte Konturen gewinnt derselbe jedoch erst, wenn wir seine Stellung im ganzen Kirchenbegriff Melanchthons untersuchen.

2. Die Verankerung des Amtes im Kirchenbegriff In der C A beschreibt Melanchthon die Kirche als congregatio sanctorum, in qua evangelium pure docetur et recte administrantur sacramenta41. Das Schwergewicht liegt auf der reinen Evangeliumsverkündigung und rechten Sakramentsverwaltung. Melanchthon versteht die Kirche nicht im congregationalistischen Sinne, als entstünde sie erst durch das Zusammentreten der Gläubigen und das Evangelium Bekennenden, obwohl er sie eine congregatio, eine ,Versammlung' nennt. Diese Begriffe sind bei ihm im passivischen Sinne gemeint, was durch den Relativsatz ,in qua . . . ' erhärtet wird. Die Kirche ist ein coetus vere credentium, qui habent Evangelium et sacramenta, et sanctificantur Spiritu saneto", ein coetus . . . , in quo sonat vox Evangelii incorrupta", . . . in sen gedacht wird. Vgl. W . Thomas: „ M i t der Notwendigkeit des Evangeliums als eines Mittels zur Seligkeit ist ihm audi die Notwendigkeit eines von Menschen geleisteten Dienstes der Vermittlung gegeben" ( a . a . O . , S. 1 1 ) . Vgl. audi 12, 490: ñeque salvat Deus sine ilio ministerio, quod ipse ordinavit. 38

15, 695; vgl. 9 9 1 : Cum autem sciamus ministerium Evangelii magis veneremur et tueamur Evangelii ministros.

necessarium

esse,

" 12, 349: divus Paulus respexit ad modum, quo communicantur nobis haec coelestia et aeterna bona, quae non aliter nobis tribuuntur, nisi per ministerium verbi; vgl. ι j , 694; 2 1 , 850: sciamus per hoc ministerium exhiberi nobis aeterna bona. 40

1$, 478; 21, 8j2.

41

C A 7, ι (BKS $9 f.). — Zu Melanchthons Kirdienbegriff im ganzen vgl. H . Busch, Die Lehre von der Kirche bei Melanchthon, 1 9 1 8 , und O. Ritsehl, Dogmengesdiidite d. Protestantismus, Bd. I, Leipzig 1908, S. 3 1 0 ff.

"

43

2J0

S9712, 400.

quo Deus per ministerium Euangelij est efficax 44 . Durch das Evangelium und die Sakramente, worin der heilige Geist wirkt, wird der coetus derer, die das Evangelium bekennen, zusammengerufen und zusammengehalten. Das drückt auch der Begriff ,coetus vocatorum' aus45. Bevor die Berufenen da sind, ist der Ruf da, das Evangelium selbst. Durch das Evangelium und die Sakramente und nicht anders sammelt Gott sich seine Kirche48. Evangelium und Sakramente konstituieren überhaupt erst die Kirche als congregatio. Das Evangelium hat die unbedingte Priorität, weil die Kirche durchs Wort gegründet, geweidet, genährt, gepflegt und regiert wird 47 . Melanchthons Lehre von der Kirche muß in engstem Anschluß an seine Lehre vom Evangelium verstanden werden. Die lebendige Stimme des Evangeliums ist die Dominante darin. Wirkt der heilige Geist nicht anders als durch das äußere Wort und die Sakramente glaubenstiftend und seligmachend, so kann auch die Kirche nur im Wort und Sakrament ihren Bestand haben. Darum sind purum verbum Dei und legitimus usus sacramentorum die stets vorhandenen Merkmale der wahren Kirche48. Hat die Kirche ihr Wesen in Evangelium und Sakramenten, so kann sie als Gemeinschaft von Menschen sich nur aus denen zusammensetzen, die am Evangelium und den Sakramenten hängen, die die reine Lehre des Evangeliums annehmen, bekennen und die Sakramente gebraudien. Die Kirche ist also ein coetus amplectentium Evangelium Christi et recte utentium Sacramentis 4 '. Allerdings ist die innere Beziehung der Glieder der Kirche zu Wort und Sakrament nicht bei allen die gleiche, vom Heilsglauben an das Evangelium bestimmte. Es gibt die multi hypocritae et mali, die äußerlich auch der Kirche angehören, dodi aber innerlich nicht im wahren Glauben stehen. So unterscheidet Melanchthon im Blidc auf die Kirche als Gemeinschaft von Menschen die Kirche im eigentlichen Sinne (proprie) und im weiteren Sinne. Die Kirche im eigentlichen Sinne ist dann nur, wie Melanchthon in C A 8 sagt, die congregatio sanctorum et vere credentium, die Kirche im weiteren Sinne umfaßt auch die hypocritae et mali als admixti50. Die gleiche Unterscheidung findet sich audi in den Loci von χ j 3 j ff. In der Schrift wird die Kirche zwar bisweilen — so führt Melanchthon da aus — allgemein als congregatio omnium, qui profitentur Evangelium, et non sunt exeom45 « > 82$. 28. 409; vgl· 12. 399-43'> 2I > 826. 23, X X X V ; 5, j8$; 8, 284.429; 8, 371 f.: (Christus) „der ihm gewißlich eine ewige Kirchen im menschlichen Geschlecht durchs Evangelium und nicht anders sammelt". 41 1, 410; vgl. 15, 696; 12, 482 f.: Stultissimum est somniare, quod Ecclesia fuerit ante verbum Dei. Certum est enim, quod homines ab initio mundi vocati sunt, et renati per verbum Dei, sicut Adam vocatus est, audita promissione. 48 Z . B . 21, jo6. 4 · 2ΐ, 82Í; vgl. 12, 399.431.433; 28, 409. w C A 8, ι (BKS 60); Apol. 7, 12 ff. (BKS 236 ff.). 44 49

251

municati, in qua promiscue boni et mali sunt, beschrieben31. Aber proprie et principaliter bedeute Kirche doch die congregatio iustorum, qui vere credunt Christo, et sanctificantur spiritu Christi52. Allerdings existiere diese Kirche im eigentlichen Sinne nie rein, immer seien ihr hier auf Erden viele Bösen und Heuchler beigemischt5'. In der Berücksichtigung dieser letzteren Tatsache wird wohl auch der Grund dafür liegen, daß Melanchthon in den späteren Ausgaben der Loci (i543 ff.) die Unterscheidung von Kirche im engeren und weiteren Sinne fallen läßt und die Kirche einfach als coetus vocatorum definiert54, in welchem coetus Gott durch das Amt des Evangeliums viele zum ewigen Leben wiedergebiert, in welchem aber audi viele non renati existieren, die aber sich äußerlich auch zur wahren Lehre bekennen55. Besonders dem späteren Melanchthon ist die Grenze der Kirche als Gemeinschaft von Menschen durch das consentire de doctrina Evangelii bestimmt, unbeschadet dessen, ob es sich nur um eine äußere Anerkennung oder eine solche des wahren Glaubens handelt. Wir haben somit zwei Grundbestimmungen in Melanchthons Kirchenbegriff (hinsichtlich der institutionellen wie der soziologischen Seite der Kirche) erhoben: die Kirche begründet sich ganz auf Wort und Sakrament und ist von daher als coetus vocatorum zu charakterisieren. Mit stärkstem Nachdruck betont Melanchthon nun die Sichtbarkeit dieses um Wort und Sakrament gescharten coetus vocatorum5". Die Kirche ist keine idea Platonica, sondern eine konkrete, mit den Sinnen wahrnehmbare Größe in dieser Welt57. Mit der Lehre von einer Sichtbarkeit der Kirche will Melanchthon sich dabei nicht etwa dem römischen Kirchenbegriff annähern, in dem die Kirche als externa politia, monarchia externa, als regnum pontificium zu stehen kommt58. Die Kirche ist nicht 51 54 M

21, JOJ f. l i , 506. Ibid.

44

2 i , 8 2 5 : Quotiescunque de Ecclesia cogitamus, intueamur coetum vocatorum . . . 2 i , 8 2 6 : Sit autem haec definido: Ecclesia visibilis est coetus amplectentium Evangelium Christi et recte utentium Sacramentis, in quibus Deus per ministerium Evangelii est efficax et multos ad v i t a m aeternam régénérât, in quo coetu tarnen multi sunt non renati, sed de vera doctrina consentientes. V g l . Mel.s W e r k e , ed. R . Stupperidi (Stud. Ausg.), B d . V I , 1 9 5 5 , S. 2 8 5 . 55

M O . Ritsehl nennt die Sichtbarkeit ein „grundlegendes Merkmal in seinem Begriff v o n der K i r d i e " ( a . a . O . , S. 3 1 1 ) ; v g l . audi H . Busch, a . a . O . , S. 4 2 f. 57 A p o l . 7 , 2 0 ( B K S 2 3 8 ) : N e q u e v e r o somniamus nos Piatonicam civitatem; 1 2 , 1 3 9 : N o n loquimur de Ecclesia, ut de Idaea Platonica, sed coetum visibilem raonstramus; 1 2 , 6 1 9 ; 1 $ , 3 1 4 : N o n fingenda est invisibilis Ecclesia, sicut idea Platonica; 2 1 , 82 j : coetus vocatorum . . . , qui est Ecclesia visibilis . . . N e c aliam fingamus E c c lesiam invisibilem et mutam hominum in hac vita tarnen viventium, sed oculi et mens coetum vocatorum, id est, profitentium Evangelium Dei intueantur, et sciamus oportere inter homines publice sonare Evangelii vocem . . . 58 A p o l . 7 , 23 ff. 26 ( B K S 2 3 9 f . ) ; 2 1 , 8 3 5 : Concedendum est, Ecclesiam esse coetum visibilem. N e q u e tarnen esse regnum Pontificium.

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einem weltlichen Königreich zu vergleichen59. Vielmehr ist die Kirche sichtbar, insofern in ihr das Evangelium und die Sakramente hör- und sichtbar sind und sie ja Sammlung von konkreten Menschen um dieses hör- und sichtbare Wort und Sakrament ist. Die Kirche ist nie ohne das hörbare Evangelium und die sichtbaren Sakramente und darum also immer coetus visibilis60. Evangelium und Sakramente sind die notae und signa der Kirche, in denen sie vornehmlich sichtbar und an denen sie äußerlich erkennbar ist". Melanchthon nennt bis etwa 1552 stets zwei notae oder signa ecclesiae: purum verbum Dei et legitimus usus Sacramentorum62. Hierbei ist die erster e nota die tragende, denn was legitimus usus Sacramentorum ist, bestimmt sich ja eben nach der reinen Lehre darüber63. Die pura doctrina Evangelii ist das Hauptkennzeichen der Kirche64. Dabei ist zu beachten, daß für Melanchthon Evangelium eben gleich doctrina Evangelii ist6'. Evangelium ist ihm nicht irgendeine verschwommene Heilsbotschaft, sondern eine klare, inhaltlich fest umrissene Lehre. Es begreift die Dogmen der Κ ir die in sich, wie sie in der Heiligen Schrift enthalten und in den altkirdilichen Symbolen zusammengefaßt sind'6. Unter doctrina Evangelii sind bei Melanchthon die articuli fidei zu verstehen. Sie bilden die summa doctrinae Christianae67 oder das Fundament des Chri59

ix, 5 2 7 ; 1 $ , 3 1 4 ; 28, 4 1 2 .

60

12, 365 ff. 367: Hunc coetum oculis et auribus distingui posse ab omnibus, qui aliam vocem sonant, manifestum est; 12, 601: Cum autem de Ecclesia . . . loquimur, non imaginamur ideam Piatonicam, sed nominamus Ecclesiam, quae et exaudiri potest in genere humano, et conspici, et discerni ab omnibus aliis gentibus et sectis . . . ; 12, 635: Yult Deus conspici et exaudiri Ecclesiam in genere humano; 28, 4 1 2 : Quamquam . . . Ecclesia est coetus, qui conspici et exaudiri potest . . . 61 12, 139: . . . coetum visibilem monstramus, qui certis signis discernitur ab aliis hominibus; 12, 619: monstramus earn (se. ecclesiam), quae et ubi sit, et signa non fallacia ostendimus, ut discerni vera Ecclesia ab aliis congregationibus possit, quae sunt hostes verae doctrinae. 92 2i, jo6; vgl. zi, 843 (Evangelium incorruptum et legitimus usus sacramentorum); 12, j26 (professio purae doctrinae Evangelii, et legitimus usus Sacramentorum); C A 7, ι (BKS 60); Apol. 7, j (BKS 234): pura evangelii doctrina et administratio sacramentorum consentaneam evangelio Christi; Apol. 7, 20 (BKS 238): puram doctrinam evangelii et sacramenta. — Vgl. zu den notae der Kirche bei Melanchthon H. Busch, a. a. O., S. 43 f. M

Vgl. C A 7, ι (BKS 60) : . . . und die heiligen Sakrament lauts des gereicht werden.

Evangelii

84 21, J07: nota certissima et praeeipua, pura doctrina Evangelii; 8, 430: Tantum coetus veram doctrinam sonans Ecclesia est . . . 65

Vgl. Apol. 7, 8 (BKS 23 j): societas eiusdem evangelii seit doctrinae . . . und die in Anm. 62 gegebenen Belege. Vgl. hierzu und zum folgenden auch O. Ritsehl, a. a. O., S. 300 ff. ,e

7» 3 9 4 ; 7 . 5 7 g ; 9. i ° 2 4 ; 1 2 , 6 4 6 . 6 5 8 ; 2 i , 3 3 4 ; 24, 3 6 7 . • 7 2 3 , 600.

*S3

stentums98. Der Begriff des fundamentum spielt bei Melandithon eine große Rolle. Er soll das bezeichnen, was unbedingt zur Substanz des Christentums gehört. Konkret sind das die Glaubensartikel und der Dekalog. Wo das Fundament erhalten ist, da ist jedenfalls die wahre Kirche, wenn audi auf dem rechten Fundament manchmal Heu und Stroh aufgebaut werden". Die Aussage der Schrift, daß die Kirche Säule und Grundfeste der Wahrheit sei ( i . T i m . 3, i j ) , gilt von der Kirche, die das Fundament bewahrt 70 . Z u allen Zeiten hat es Menschen gegeben, die an dem Fundament festgehalten haben. Darum gibt es einen consensus verae ecclesiae zu allen Zeiten und an allen Orten (wobei Melanchthon inhaltlich besonders den consensus der Alten Kirche in ihren Symbolen im Auge hat). Zur pura doctrina gehört auch die Konformität mit diesem consensus der wahren Kirche aller Zeiten 71 . Spricht Melandithon von der pura doctrina Evangelii als einer nota der Kirche, so hat er immer die lebendig verkündigte und in der Kirche öffentlich vorgetragene reine Lehre des Evangeliums im Auge. Von da aus versteht man, daß er die Kirche einem coetus sdiolasticus72 oder einer honesta sdiola73 vergleichen kann. In bezug auf ihre Sichtbarkeit in der öffentlich vorgetragenen Lehre des Evangeliums fügt sich Melandithon die Kirche diesem Vergleich. Die Kirche kann gesehen werden, nämlich als honesta aristocratia, seu pius coetus docentium et discentium Christianam κατήχησιν . . 7 \ Allerdings ist dieser coetus visibilis ω 2 i , 837: fundamentum . . . id est, ubi articuli fidei integri et sine corruptelis traduntur et non defenduntur manifesti cultus idolorum; vgl. 1 3 , 798; 14, 991; 15, 975.1067.1347; 23, 600; 28, 394.405.411. ' · 12, 433: . . . tantum illi homines et illi coetus sunt membra Ecclesiae, qui amplectuntur Evangelii doctrinam incorruptam, et quamquam alii plus alii minus lucis habent, tamen necesse est . . . retiñere fundamentum, et omnes artículos fidei, doctrinam Decalogi, et non pertinaciter defendere idola; ibid: cum nomino consensum in Fundamento, requiritur consensus in articulis fidei et in Decalogo, etiamsi supra fundamentum alii aurum et alii stipulos extruunt; 12, 488; 2 1 , 507; 28, 4 1 1 : Interea tamen fuerunt, sunt et erunt Ecclesia Dei homines retinentes fundamentum, etiamsi alij plus, alij minus lucis habuerunt, habent et habebunt, et interdum sancti etiam stipulas extruunt supra fundamentum; Apol. 7, 20 (BKS 238); Mel.s Werke, Stud. Ausg. Bd. V I , 1955, S. 285.292. 70 15, 1347: cum . . . Paulus inquit, Ecclesiam esse columnam et sedem veritatis, sciamus eum loqui de vera Ecclesia retínente fundamentum, et non propugnante pertinaciter idola et mendacia pugnantia cum articulis fidei. 71 12, 488: Qui ab hoc consensu (sanctorum de doctrina omnibus temporibus) discedit, is dissentit ab Ecclesia catholica. 72 2 1 , 835 (die Kirche ein coetus similis Scholastico coetui). 73 15, 3 1 4 (similis . . . honestae sdiolae); 15, 1344 (similis piae scholae). Vgl. H . Busch, a. a. O., S. 57 f. In solchen Formulierungen kommt eine stark intellektualistische Auffassung der christlichen Lehre und des Evangeliums zum Vorschein, die aus dem humanistischen Zug in Melanchthons Wesen resultiert. 74 12, 367; vgl. 28, 4 1 2 (die Kirche nicht ein weltlich Reich, Et tamen in ea ordo est, nämlidi der zwischen Lehrern und Hörern).

2

S4

nicht iisdem parietibus inclusus, sondern dispersus über die ganze Welt 75 und unter das Kreuz gestellt™. Aber Gott sorgt dafür, daß immer Menschen vorhanden sind, die das Fundament bewahren, daß immer irgendwo in der Welt die pura doctrina Evangelii und die recta administrado sacramentorum lebendig ist". In diesen Stücken liegt audi die wahre Einheit der Kirche begründet78. Das Merkmal der Kirche der reinen Lehre an allen Orten und zu allen Zeiten, der ecclesia catholica, von der das apostolische Credo spricht, ist das convenire de doctrina Evangelii, etiamsi per totum orbem dispersa dissimiles habet humanos ri tus79. Außerhalb dieser ecclesia catholica der pura doctrina ist kein Heil80. Nirgend anders sind Erwählte und Erben des ewigen Lebens als in dem sichtbaren coetus der Kirche und nirgend anders hat Gott sich offenbart, als in der sichtbaren Kirdie, in qua sola sonat vox Evangelii81. Dieser wahren Kirche des Evangeliums steht nun gegenüber die ecclesia hypocritica, die falsche Scheinkirche, die sich wohl den Namen der Kirdie anmaßt, auch an Zahl und Ansehen und anderen äußeren Vorzügen oft die wahre Kirche übertrifft, aber in Wahrheit Werkzeug des Teufels ist und die wahre Kirdie bekriegt und verfolgt 82 . Von ihr muß man sich lossagen und sidi der wahren Kirche der pura doctrina anschließen. Es ist Gottes Gebot, daß man sich zu der wahren Kirdie hält und an ihren Gottesdiensten teilnimmt83. Jeder, der das ewige Heil er-

,5

12, 367; vgl. 12, 527: corpus dispersum, quod vagatur toto orbe terrarum; Apol. 7, 20 (BKS 238): vere credentes ac iustos sparsos per totum orbem. 7e 12, 434; vgl. 25, 46 f. 77 2 J> $99 : Manet . . . aliqua vera Ecclesia, quae retinet artículos fidei . . . ; vgl. 28, 411. 78 CA 7, 2 ff. (BKS 60); Apol. 7, 30 (BKS 241). * 21, $06; vgl. CA 7. 80 2i, 298: Quod non sit salus extra ecclesiam ubi ñeque verbum ñeque Sacramenta sunt . . . nobis certum est in ecclesia salutem esse . . . Quod vero non sit extra ecclesiam salus constat, quia ecclesia est regnum Christi; 21, 473: Non est . . . extra Ecclesiam salus, ubi nec verbum nec Sacramentum est. 81 21, 825.833; vgl. j, j96: (es ist ewige Wahrheit) „daß kein Gottes Volk, keine Auserwählten sind, ohne allein in dem Haufen, da die Stimme des Evangelii und die Sacrament sind". 82 21, jo6 f.: in scripturis describuntur duo corpora: alterum verae Ecclesiae, alterum hypocriticae, quae gerit bellum cum vera Ecclesia; vgl. 12, 484 ff.: die Unterscheidung zwischen eccl. vera und eccl. ficta; 12, 485: Plurimum igitur refert hoc tenere, semper in mundo duos esse populos, qui inter se de Ecclesiae titulo dimicant. Alter populus vere est Ecclesia. Alter nomen Ecclesiae sibi arrogat, cum re ipsa non sit corpus Christi. 83 12, 368 f.: Mandatum Dei esse scias, ut verae Ecclesiae te adiungas fide, confessione, invocatione et officiis, quae ad eius conservationem Deus praestari iussit; 12, 602: mandatum divinum est, ut se omnes homines ad veram Ecclesiam adiungant.

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langen will, muß mit größtem Ernst darauf bedacht sein und dessen gewiß werden, daß er ein membrum verae Ecclesiae ist84. In dem bisher geschilderten Kirchenbegrifï bei Melanchthon sind die reine Lehre des Evangeliums und die recht verwalteten Sakramente das entscheidende Element. Aus dem reinen Evangelium geht die Kirche hervor, durch es wird sie erhalten und an ihm scheidet sich die ecclesia vera von der ecclesia falsa. Damit ist nun aber auch klar, welch einzigartige Bedeutung das Amt des Evangeliums und der Sakramente in Melanchthons Kirchenbegriff haben muß. Das Amt wird an der Stelle in den Kirchenbegriff eingefügt, an der das Evangelium und die Sakramente stehen, und es wird mit ihnen in eins gesehen. Das Evangelium ist zugleich ministerium Evangelii und die Sakramente sind zugleich ministerium administrandi sacramenta. Der dabei zugrunde liegende Amtsbegriii ist ohne Zweifel stark funktional bestimmt, wie wir schon erwähnten85. Ein Amt als statische Machtbefugnis auch abgesehen von der rechten Funktion der Gnadenmittel ist Melanchthon unbekannt. Ministerium Evangelii ist das Amt, das tatsächlich das Evangelium predigt und also wesenhaft Dienst am Evangelium ist. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es zur Charakterisierung des so geschehenden Dienstes am Evangelium, der so erfolgenden Evangeliumspredigt ganz entscheidend hinzugehört, daß dieser Dienst, diese Predigt eben in ministerio, von Amts wegen geschieht. Der Begriff des Evangeliums verlangt nicht nur, daß es irgendwie verkündigt wird, sondern eben, daß es ständig, geregelt, institutsmäßig, amt-lich in der Kirche verkündigt wird. Wie das Amt ganz und gar auf die Funktion des Evangeliums gerichtet ist, so fordert das Evangelium zu seiner rechten Funktion gerade das Amt. Beide Begriffe, ministerium und Evangelium, bedingen sich gegenseitig. Im Sinne dieser Doppelbeziehung ist das ministerium Evangelii zu verstehen86. Melanchthon denkt das Amt nie ohne das Evangelium, aber auch das Evangelium nie ohne das Amt.

So erklärt es sich, daß Melanchthon bei der Definition der Kirche oft für Wort und Sakrament einfach das Amt einsetzt, die Kirche sei ein coetus visibilis . . . , in quo Deus per ministerium multos régénérât". Er84 12, 431 f.: Et quod oporteat unumquemque sese adiungere ad veram Ecclesiam, confessione doctrinae, et invocatione filii Dei, et statuere sese membrum esse verae Ecclesiae ubicunque est. 85 Vgl. oben S. 249. 8e Zu der ersteren Beziehung des Amtes auf die Funktion des Evangeliums hin vgl. etwa: 1 1 , 760: ministerium Evangelii, id est, ubi vox sonat doctrinae filii Dei, ritus ab ipso traditi servantur; Apol. 7, 20 (BKS 238): als notae der Kirdie werden angegeben (in der deutschen Übersetzung von Justus Jonas) „das Predigtamt oder Evangelium und die Sakrament"; 12, 616 und 21, 834 (der Text dieser Stellen ist oben S. 248, Anm. 35 angeführt). Zu der letzteren Beziehung des Evangeliums auf das Amt hin vgl. 21, 825: oportere inter homines publice sonare Evangelii vocem — oportere ministerium Evangelii publicum et publicas congregationes esse; 21, 833: Sciamus igitur Ecclesiam. Dei coetum esse alligatum ad vocem seu ministerium Evangelii; sowie die oben S. 249, Anm. 36 angeführten Stellen. 87

12, 4 3 1 ; vgl. 12, 399: coetus visibilis amplectens Evangelium, in quo coetu filius Dei mediator est efficax per ministerium; 21, 826; 28, 409.

¿56

weckt Gott durdi das Evangelium zu neuem Leben, so also auch durch das Amt des Evangeliums. Sammelt Gott durchs Evangelium die Kirche, so audi durch das Amt88. Offenbart Gott sich durch das Evangelium, so auch durch das Amt 89 . Vermittelt er durchs Evangelium ewige Güter des Heils, so auch durch das Amt90. In Melanchthons Denken sind Evangelium und Sakramente unlöslich mit dem Amt verknüpft. Sit ergo haec definitio Ecclesiae visibilis — sagt er 1 5 3 6 im Johanneskommentar —, Ecclesia est coetus amplectentium Evangelium, et societate sacramentorum et ministerii evangelici coniunctorum, ac renatorum per Spiritum sanctum". Wort, Sakrament, Amt treten in eine Linie, sie stellen das institutionelle Element im Kirchenbegrifi dar, um das sich der coetus sammelt. 1 5 4 1 , in den Artikeln gegen das Regensburger Buch, schreibt Melanchthon, nachdem er festgestellt hat, daß Gott immer una Ecclesia consentiens und das idem evangelium durch das Amt erhält: Consistit igitur unitas Ecclesiae in hac consociatione sub uno capite per idem Evangelium et idem ministerium, cui debetur obedientia . . Nicht nur das gleiche Evangelium, sondern auch das gleiche Amt ist Kriterium der rechten Einheit der Kirche. Von 1 5 5 2 (dem Examen ordinandorum) an rechnet Melanchthon das Amt dann auch direkt zu den notae ecclesiae. Er nennt jetzt deren drei: 1. Consensus in doctrina Evangelii incorrupta, scilicet in fundamento, 2. Legitimus usus Sacramentorum, 3. Obedientia Ministerio debita iuxta Evangelium93. Consensus in diesen drei Stücken 89

$, $8$; 23, X X X V . l i , 82J: ministerium Evangelii, per quod patefecit (in anderen Ausgaben: patefacit) se Deus et per quod est efficax. 89

M

αϊ, 850. 15, 314; vgl. 3 1 7 : dico alligatam esse Ecclesiam ad Evangelium et ad ministerium Evangelii. 91

82 4, 368. Es ist zu beachten, d a ß die beiden Stücke Evangelium und ministerium durch ein ,et' verbunden sind, woraus klar wird, d a ß durch den Begriff »ministerium' noch etwas Zusätzliches zu dem Begriff .Evangelium' ausgesagt werden soll. Das Evangelium ist mit der Institution des Amtes verbunden, in der bestimmte Personen es im A u f t r a g e Gottes verkündigen und denen d a r u m Gehorsam gebührt. 93 2 3 > 37> vgl. 23, L X X V ; 24, 367.401.402: q u a n d o vis judicare de te et aliis, an sis m e m b r u m ecclesiae . . . , q u o m o d o hoc ostendis? Q u a e r o jam de signis. Q u i a credo symbolum et u t o r sacramentis, sum baptizatus et obedio ministerio; auch 12, $99.63$. Vgl. den Nachweis bei O. Ritsehl, a. a. O., S. 317. O . Ritsehl stellt fest, Melanchthons Lehre von den Merkmalen der Kirche liege abgeschlossen vor erst im Examen ordin a n d o r u m , in einer Disputation aus dem Jahre i $ $ 4 (CR 12, 602), an verschiedenen Stellen der sog. Postille und in den Responsiones ad impios Bavaricae inquisitionis artículos (C Ph 898 = Stud. Ausg. Bd. V I , S. 286). Das t r i f f t formal hinsichtlich der Dreizahl der Merkmale wohl zu. Sachlich ist die gleiche Lehre von den Merkmalen aber jedenfalls schon 1 $36 bei Melanchthon vorhanden (vgl. die Stelle 1$, 314, oben im T e x t zitiert, Anm. 91). O h n e Frage liegt bei Melanchthon eine Entwicklung im Kirchenbegriff vor, die darauf hinausgeht, das A m t als göttliches Institut immer stärker hervorzuheben. I m R a h m e n dieser Entwicklung ist die Einfügung des Amtes in die notae ecclesiae zu sehen. Vgl. H . Busch, a. a. O., S. 26. Die Melanchthon in

17

7 9 i j Lieberg, A m t

257

sei nötig zur rechten Einheit der Kirche 84 . Der Satz, daß außerhalb der Kirche kein Heil ist, daß also alle, die gerettet werden wollen, sich der wahren Kirche anschließen müssen, bedeutet somit auch, daß sie sich alle dem ministerium Evangelii anschließen müssen, weil durdi es allein sie der Ruf des Evangeliums erreicht' 5 . Vocati sunt audientes ministerium, adjuncti ministerio externa professione doctrinae, et utentes SacramentisM. Das A m t ist somit für Melanchthon — wie O . Ritsehl gesagt hat — „geradezu das die beiden anderen Merkmale in sich zusammenfassende Kennzeichen der K i r c h e " " . Redit deutlich wird das audi in einer Disputation de obedientia et consensu Ecclesiae (jedenfalls aus den späteren Jahren)98, in der Melanchthon die ecclesia catholica geradezu mit dem ministerium identifiziert. Der Satz im apostolischen Symbol .credo sänetam Ecclesiam catholicam' fordere den consensus cum Ecclesia catholica, darum aber auch den Gehorsam gegenüber dem Amt. Die ecclesia catholica sei congregatio piorum, die aber nicht nur in Spiritu, sondern auch in externis aliquibus rebus übereinstimmen, nämlich de ministerio. Das ministerium ist der Inbegriff dessen, was zum Sein der Kirche gehört, vornehmlich der pura doctrina: ministerium Ecclesiae catholicae, doctrina apostolica, tradita ab ipsis Apostolis, et propagata per sanetos patres. Ecclesia catholica significat non tantum praesentes ministre», sed consensum sanctorum de doctrina omnibus temporibus". Das Amt ist gleidibleibender Hort dieses consensus sanctorum de doctrina. Darum gilt: qui a ministerio Ecclesiae catholicae discedunt, sunt impii et maledicti100. Und: ubicunque . . . est catholicum ministerium, ibi est pars Ecclesiae catholicae101. Man kann sagen, daß das A m t im gereiften Stadium von Melanchthons KirchenbegrifF den entscheidenden Kern darstellt, um den sich alles gruppiert. D a s A m t ist für Melanchthon der Lebensnerv der Kirche, an dem alles hängt. Diese überragende Bedeutung hat das A m t jedoch nur, weil und soweit es ein A m t der rechten Evangeliumspredigt und Sakramentsverwaltung ist. dieser Richtung vorwärtsdrängenden Kräfte sind sicher, wie Busch bemerkt (a. a. O., S. 44), antianabaptistische Motive gewesen. Vgl. audi Herrlinger, Die Theologie Melandithons, Gotha 1879, S. 269. Immerhin darf man nicht aus den Augen verlieren, daß schon in der CA 28, 22 (BKS 124) steht, daß der Gehorsam gegen das Amt iure divino erfordert werde. Das sind keineswegs erst nur Ansätze zu der späteren Position (wie Busdi es sieht: a.a.O., S. 38), sondern bereits der Kern derselben. Der spätere Melanchthon drückt sich in dieser Hinsicht nur noch kräftiger aus. " 23, 38; 12, 433. 23, 39: . . . cum velit Deus omnes salvandos inseri Ecclesiae, et adiungi ministerio Evangelii. M



387· · ' a.a.O., S. 318. " 12, 488 f. " 12, 488. 100 Ibid. 101 12, 489; vgl. Ii, 760: . . . semper ibi sciamus vere esse Dei Ecclesiam, ubi ministerium est Evangelii . . .

3· Die Bedeutung des allgemeinen Priestertums für das Amt O. Ritsdil hat darauf hingewiesen, daß bei Melanchthon der Begriff des allgemeinen Priestertums sehr in den Hintergrund tritt 101 . Das ist ohne Frage richtig. Das allgemeine Priestertum hat audi für Melanchthons Amtslehre keine konstitutive Bedeutung. Immerhin wäre es falsch, wollte man Melanchthon ein Verständnis für diese Lehre überhaupt absprechen103. Eine Äußerung Melandithons über diesen Lehrpunkt in den Religionsverhandlungen des Augsburger Reichstages hat dazu Veranlassung gegeben104. Am 10. Juli 1530, also zu einem Zeitpunkt, da die C A bereits übergeben war, gibt Melanchthon ein Gutachten ,cur non plures articuli fidei tradendi sint'10S, in dem er davon abrät, „daß die gehässigen und unnöthigen Artikel, davon man in den Schulen zu disputiren pflegt, zu dieser Zeit geregt werden, als . . . ob die Christen alle Priester sind . . ." 1M . Hiernach könnte es scheinen, als hätte Melanchthon mit dem allgemeinen Priestertum wirklich nichts im Sinn, Jedodi soll der Ausdruck .gehässige und unnöthige Artikel' tatsächlich wohl nur besagen, daß es sich beim allgemeinen Priestertum um einen Artikel handelt, der — wenn er zur Sprache kommt — viel Haß erregen würde und der nicht unbedingt zu den Fundamentalartikeln gehört, darum jedenfalls zum augenblicklichen Zeitpunkt als Gegenstand von Vergleidisverhandlungen unnötig ist. Es sind vorwiegend taktische Erwägungen, die Melanchthon veranlassen, von einer Diskussion über das allgemeine Priestertum abzuraten107. Er sagt, daß alle notwendigen Artikel und alle Mißbräuche in der Kirche, die gegen diese Artikel verstoßen, in der CA behandelt sind. Lege man jetzt nodi weitere Artikel vor, so werde dem 10t

a. a. O., S. 339 f. Vgl. ebenso H. Jacoby, Die Liturgik d. Reformatoren, Bd. II, Gotha 1876, S. 9; Herrlinger, a.a.O., S. 270f.; K. Thieme, Die Augsburg. Konf. u. Luthers Katechismen, Gießen 1930, S. 17; W. Eiert, Morphologie I, S. 299 und S. 309. — Das gleiche gilt von den Bekenntnisschriften und ist audi d a o f t bemerkt worden. Vgl. A. L. Richter, Gesch. d. ev. Kirchenverfassung, Leipzig 1851, S. $3; Herrlinger, a . a . O . , S. 270; E. Sommerlath, Amt u. allg. Priestertum, S. 7$; H. H. Kramm, Bischof, Pastor u. Gemeinde, S. i j und 20; R. Josefson, Det andliga ämbetet . . . , in: En bok om kyrkans ämbete, Uppsala 1951, S. 184. 108 Das hat W. Thomas, a. a. O., S. 7 f., bereits mit Recht betont. un Vgl. das bei Herrlinger, a. a. O., S. 270 f. und neuerdings bei H. Storck, a. a. O., S.3. 185 2, 192 f. 108 2, 183; auch folgende Fragen werden da u. a. noch angeführt: „Ob ein Laie das Sacrament consecriren könne? Ob die Priesterweihe einen stets währenden Characterem eindrücke? Ob ein Weib consecriren könne?". 107 Vgl. 2, 182: Erstlich, dieweil die Fürsten von den nöthigen Lehrartikeln, die öffentlich in ihren Landen dem Volk gepredigt werden, ihr Bekenntniß gethan h ä t r ten, und nicht vonnötten, sie mit unnützen Disputationibus , die mehr in die Schul als in die Predigten in der Kirchen gehören, zu beladen ..·.·,. 2, 183: Dieweil wir die angefangene Handlung dieser Religions-Sachen selbst nicht verhindern sollen, ist keineswegs zu rathen . . . (daß diese Art. behandelt werden). ~7'

Kaiser der Eindruck entstehen, die Protestanten hätten nodi viele bisher unausgesprochene schädliche Lehren bei sich verborgen, die sie so nach und nach ans Tageslicht ziehen, nachdem sie (in der CA) erst die „gefälligen" Artikel unterbreitet haben108. Immerhin geht aus diesem Gutachten hervor, daß Melanchthon die Lehre vom allgemeinen Priestertum nicht zu den Fundamentalartikeln des Glaubens rechnet. Aus diesem Grunde findet sie sich auch nidit in der Confessio selbst. Man darf sich aber durch dieses Gutachten von 1530 nicht dazu verführen lassen, Melanchthon etwa jedes Interesse an der Lehre vom allgemeinen Priestertum abzusprechen. Diese Lehre ist Melanchthon durchaus bekannt und er nimmt sie auch im positiven Sinne selbst auf 10 ". Wichtig aber ist, welchen Inhalt er dem christlichen Priestertum beimißt und wie er es zum besonderen Amt ins Verhältnis setzt. Das wollen wir nun untersuchen. Als Inhalt des christlichen Priestertums führt Melanchthon Recht und Möglichkeit zu drei Funktionen an: orare, offerre und placare. Als Priester haben die Christen freien Gebetszugang zu Gott und können ihm Opfer darbringen" 0 . In den Loci von 1521 spricht Melanchthon den Titel jsacerdos' den Amtsträgern ab und gibt ihn allen Christen: Sumusque sacerdotes omnes Christiani, quia sacrificium, hoc est, corpus nostrum offerimus. Nam praeterea nullum est sacrificium in Christianismo, et ius habemus interpellandi dei immo et placandi 111 . So versteht Melanchthon das regnum sacerdotale von r. Petr. 2, 9: Reges enim sumus Christiani, quia liberi per Christum omnium creaturarum, vitae, mortis, peccati dominamur . . . Sacerdotes quia nos ipsos deo offerimus, et interpellamus pro peccatis nostris 1 ". Das Opfer der Christen ist nicht das Meßopfer 113 , sondern das geistliche Selbstopfer in gläubigem Gebet, das Opfer des Leibes zur Ehre Gottes und das Lobopfer der Lippen nach Hebr. 13, i j . In den Loci von 1535 führt Melanchthon, um das Wesen des Opfers der Christen klarzustellen, die Unterscheidung von sacrificium propitiatorium und sacri" » 2, 182 f. 108 Besonders tut er das in der Frühzeit, in der er besonders unter Luthers Einfluß stand. 110 ι , 4 8 1 : Omnes . . . sacerdotes sumus. Nec aliud est sacerdotium, quam ius orandi, seu interpellandi deum, et offerendi deo (1521). 111 2 1 , 222. 112 Ibid. — Es muß beachtet werden, daß Melanchthon hier in den Loci von i $ 2 i den Begriff des Priestertums als Kennzeichnung dessen, was allen Christen an geistlichen Funktionen vor Gott gemeinsam ist, gerade von der Funktion des besonderen Amtes abhebt und scheidet. Priester sind wir, weil wir uns Gott opfern (wie es allen Christen zukommt), aber Episcopi, Presbyteri, Diaconi, non sunt, nisi qui docent, baptizant, benedicunt mensae, eleemosynas dispensant (21, 222). Melanchthon sieht — im Unterschied zu Luther — im Amt nicht das in (öffentlicher) Funktion seiende allg. Priestertum. m 2 1 , 221.

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ficta ενχαριατικά ein. Durch ersteres wird für andere remissio culpae et poenae aeternae verdient und Sünde vor Gott versöhnt, es ist ein opus reconcilians Deum et placans iram Dei pro aliis, et satisfactorium pro culpa et poena aeterna, durch letztere wird Gott Dank dargebracht für empfangene Sündenvergebung und Versöhnung bzw. auch für andere Wohltaten Gottes114. Es gibt nur das eine sacrificium propitiatorium, den T o d Christi 115 , alle anderen Opfer im Neuen Testament sind sacrificia ενχαρνστικά, sacrificia laudis, die durch Christus auf Grund der geschehenen Versöhnung Gott dargebracht werden. Letztere sind i.Petr. z, 9 und Hebr. 13, 15 gemeint 11 '. In ihnen äußert sich das christliche Priestertum. Melanchthon zählt als sacrificia ενχαριστικά auf: Praedicatio Evangelii, fides, invocatio, gratiarum actio, confessio, afflictiones sanctorum, imo omnia bona opera sanctorum117. Es kann sich dabei niemals um selbsterwählte, immer nur um von Gott gebotene Werke handeln118. Und diese Opfer gelten nicht ex opere operato, sondern nur per fidem, sie gefallen Gott propter mediatorem Christum interpellantem pro nobis, et nostra sacrificia offerentem patri gemäß 1. Petr. z, j11*. Ihr Zweck ist, Gott Dank und Ehre abzustatten und durch Gehorsam unter Beweis zu stellen, daß man ihm so dienen will, wie er uns lehrt110. Die ganze vita Christiana soll solch ein perpetuum sacrificium εΰχαριοτικόυ sein, in quo lucere et conspici debet agnitio Dei, et obedientia erga Deum, et perpetua celebratio beneficiorum Dei" 1 . Betont Melanchthon nun auch das placare Deum als Inhalt des christlichen Priestertums122, so muß man die ihm geläufige Unterscheidung von sacrificium alienum und sacrificium proprium beachten" 3 . Als versöh1 1 4 21, 480; vgl. i 2 , 501 ff. 502: Sacrificia sunt duplicia, alia sunt propiciatoria, alia sunt sacrificia laudis %ta εν χαριστικά ; i j , 1417 ff.; A p o l . 24, 22 fí. ( B K S 355 f.).

2 i , 481. 21, 482; 12, $02. 1 1 7 21, 481 f. ,Praedicatio Evangelii' meint hier nidht die Funktion des Predigtamtes, sondern das allgemeine Zeugnisgeben v o m Evangelium, wie es jedem Christen obliegt. V g l . weiter 21, 483; A p o l . 24, 2 j ( B K S 356). 1 1 8 13, 1420 f.: Haec species sacrificii complectitur omnia opera et cultus, qui habent mandatum Dei . . . ; 23, 64: Est igitur Sacrificium opus a D e o mandatum; v g l . 115

114

12, 503·

" · 13, 1419; 21, 482: Haec valent non ex opere operato, sed propter fidem; 12,

503· 120 23, 64: (das O p f e r ein v o n G o t t befohlenes W e r k ) factum in agnitione Mediatoris et fide, ad hunc finem, ut D e o praestetur honos, id est, ut eo opere testemur, hunc vere esse Deum, et velie eum sie coli . . . ; 13, J420 f . : . . . hoc fine, ut testentur se agnoscere Deum, et gratias agere pro acceptis beneficiis, et ut vicissim ei praestent obedientiam debitam. m 13, 1421. 122 12, j o i : Omnes . . . credentes sunt Sacerdotes, hoc est, non modo potestatem, sed mandatum etiam habent placandi Deum . . . , t s 12, J02: Singuli Christiani habent duplex sacrificium, propiciatorium et ενχαριατικόν. Sed alterum habent alienum, alteram proprium . . .

261

nendes Opfer haben die Christen nur ein sacrificium alienum, nämlich das Christi, und das placare geschieht durch die gläubige Annahme der Frucht dieses Opfers Christi"'. Die sacrificia εύχαριστικά aber sind dann sacrificia propria, aus dem Glauben an das versöhnende Opfer Christi heraus dargebracht125. Stellt Melandithon fest: lus sacerdotii duo continet officia, placare Deum, et Deo offerre 1 ", so ist mit beiden Funktionen der Glaube gemeint. Im ersteren Falle ist es die das Opfer Christi sich aneignende Funktion des Glaubens, im letzteren die in der Heiligung des Lebens Frucht hervorbringende. Für Melandithon fallt das christliche Priestertum zusammen mit dem Heilsstand des Christen, dem Versöhntsein durch Christus, das den Zugang zu Gott öffnet, also der Gotteskindschaft 1 ", woraus das neue Leben in geistlichen Opfern mit Notwendigkeit hervorgeht. Ruft Melandithon zum Gebrauch der Redite des Priestertums auf, so ruft er damit nur zu solchen geistlichen Lebensäußerungen auf, wie sie sich aus dem Christenstande bei allen Christen ergeben: . . . utamur beneficio Dei (nämlich das Priestertum), et iure nobis donato, et exhibeamus nostras hostias, videlicet fidem, invocationem, gratiarum actionem, obedientiam, iuxta mandata Dei128. In dieser Deutung des allgemeinen Priestertums, die wir bisher kennengelernt haben, fehlt die Beziehung auf das besondere Amt vollkommen. Wir haben uns nun der Frage zuzuwenden, ob Melandithon audi eine Ableitung des besonderen Amtes aus dem allgemeinen Priestertum kennt und diesen Begriff wie Luther auch so faßt, daß er die grundsätzliche Gewalt an der Wort- und Sakramentsfunktion bei jedem Christen in sich begreift. In der Disputation de Sacerdotio et sacrificio™, aus der wir schon verschiedentlich zitiert haben, findet sich die Stelle: Sacerdos est proprie, qui habet ius placandi Deum, et tractandi verbum Dei ac Sacramenta 1 3 0 . U n d von diesem ius w i r d dann gesagt: Id ius iam donatum est omnibus credentibus per Christum 1 ' 1 . Hiernach hätte jeder gläubige Christ von wegen des Priestertums auch grundsätzlich das Recht, das W o r t Gottes z u lehren und die Sakramente zu verwalten. A b e r Melandithon schränkt diese Aussage sogleich ein und scheidet diese Funktion des allgemeinen Priestertums von der des besonderen Amtes: N e c tarnen licet ulli publicum ministerium in Ecclesia sine vocatione usurpare 1 ", Im weiteren T e x t dieser Disputation wird dann aber dieser 1:4 1 2 , 503: nec plaçant suo sacrificio, sed alieno, quod tarnen ñeque ipsi offerunt, sed tantum accipiunt fide fructum alieni sacrificii . . . 125 1 2 , 503: Sancti habent propria sacrificia εν χαριστικά, quae valent propter fidem... 126

1 2 , J02. 1 2 , 503: C u m . . . nos habeamus testimonium in scripturis, quod simus Sacerdotes, testatur scriptura, quod ius habeamus placandi et orandi Deum, per Christum nobis donatum; 1 2 , 504: Nec aliud maius beneficium habent homines, quam ius sacerdotii, quo fiunt proprie fiUi Dei et cultores, et proprius populus D e i . . . 128 1 2 , J04. 129 1 2 , j o i fi. Jahreszahl nicht ermittelt. 190 1 3 1 Ibid. 132 Ibid. 12, j o i . 127

262

Gedanke, daß das Priestertum jedes Christen audi das Redit zur Wort- und Sakramentsfunktion in sich schließt, überhaupt nidit mehr erwähnt und fehlt in einer anderen Disputation über das gleiche Thema 133 vollständig. Audi in dem zusammenfassenden Sdilußsatz dieser anderen Disputation, in dem Melandithon zur Praktizierung des Priestertums auffordert (oben zitiert, S. 262, Anm. 128), wird er nicht aufgenommen. Es liegt also Melanchtbon offensichtlich niât viel an der Begründung, dieses allgemeinen Christenrechtes zur Verwaltung von Wort und Sakrament auf das christliche Priestertum. Es handelt sich hier um eine gelegentliche Äußerung, die — soweit wir sehen — ohne jede Parallele im übrigen melandithonisdien Schrifttum ist. Viel betonter wird das allgemeine Christenrecht an Wort und Sakrament von Melandithon an anderen Stellen darauf gegründet, daß allen Christen die Sdilüssel zugehören. In den Loci von ¡¡21 stellt Melandithon fest, daß früher die Funktionen der Presbyter und Diakonen nicht so unterschieden waren, daß es für Diakonen ein Vergehen gewesen wäre, zu lehren, zu taufen oder das Altarsakrament zu segnen und fährt fort: Immo haec omnibus Christianis licent. Nam omnium sunt claves Matth. X V I I I (vs. 18) 134 . Auf der allen gemeinsamen Anteilhabe an der Schlüsselgewalt beruht also eine grundsätzliche Erlaubnis und Ermächtigung zur Verwaltung des Wortes und der Sakramente. So kann — wie Melandithon im Tractatus de potestate et primatu Papae von i f j y an Hand des augustinisdien Beispiels von den zwei Christen im Schiffe ausführt, von denen der Poenitent den Katediumenen tauft und dieser wiederum den ersteren absolviert — im Falle der Not audi ein Laie taufen und absolvieren und minister und pastor des anderen werden. Das sei möglich, weil die Sdilüssel nicht allein bestimmten (wohl: Amts-)Personen, sondern der Kirdie gegeben sind13®. Die gleiche Haltung nimmt Melandithon in einer Disputation de iure Absolutions ein 13 ', in der er zu dem eben angeführten augustinisdien Beispiel sagt: Deferido Augustini iudicium. Nam Laico licet et baptizare et absolvere 13 '. Aber im Blick auf das öffentliche Amt fährt er fort: Et tarnen publicum ministerium non debet turbari. Etsi publica administratio potestatis clavium pertinet ad públicos ministros Evangelii, tarnen interea laicus potest absolvere, non solum in casu necessitatis, sed etiam alias. Nec est incerta absolutio, etiamsi publicam administrationem clavium habent solum ministri publici 138 . Melandithon kennt eine gültige Laienabsolution nidit nur im Notfall, audi sonst im Leben der Christen, nur muß sie so geschehen, 133

12, 501 ff. 21, 222. Im weiteren Text klingt auch eine Begründung des besonderen Amtes um der Ordnung willen an, wenn es nämlich heißt: Sed demandabatur eorum (sc. clavium) procurado quibusdam, ut essent qui sibi rem ecclesiasticam necessario scirent administrandam esse, et ad quos rite referri posset, si quid incidisset (21, 222). Das allgemeine Priestertum wird aber auch bei diesem Gedankengang nidit erwähnt. — Der in unserm Text zitierte Passus findet sich in späteren Ausgaben der Loci nidit mehr. Vgl. H. Jacoby, a. a. O., S. 7: „Diese Anschauung hält Melandithon aber nidit fest". 135 Tract. 67 f. (BKS 491); vgl. Tract. 24 (BKS 478). Zu der Stelle Tract. 68 vgl. A. F. C. Vilmar, Die Lehre vom geistlichen Amt, Marburg und Leipzig, 1870, S. 87 und Dogmatik II, unveränd. Abdruck d. i.Aufl., Gütersloh 1937, S. 275, der darauf hinweist, daß an dieser Stelle nur gesagt sei, daß die Sdilüssel Eigentum der ganzen Kirdie sind, keinesfalls aber ein Hervorgehen des Amtes aus der Gemeinde gelehrt werde. Das ist zutreffend. 133 12, 493 f. Jahreszahl nidit ermittelt. 493. 138 Ibid.; vgl. 21, 220: Quam certa erat mulier peccatrix Lucae V I I . . . culpam omnem sibi cofldonatam esse, cum audiret Christi vocem. Remittuntur tibi peccata, tam certus esto tu quoque cum a fratre, quisquís es, absolveris. 134

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daß dadurch das öffentliche Amt nicht gestört wird. Begründet wird dies nun damit, daß die claves datae sunt toti Ecclesiae, et est commune mandatum, ut fratribus petentibus annunciemus Evangelium, sed ita, ne turbetur publicum ministerium139. Auch hier findet sich nicht die (an sich ja naheliegende) Bezugnahme auf das allgemeine Priestertum, sondern nur auf die Anteilhabe an der Schlüsselgewalt. Und deutlich wird diese Laienfunktion an der Absolution (und an der Taufe) abgehoben von der Funktion des besonderen Amtes140. Wir können sagen, daß Melanchthon wohl ein allen Christen gemeinsames Recht an Wort und Sakrament kennt, dieses aber nur an einer Stelle (nämlich 12, 501), und da auch ohne jede Betonung, auf den Begriff des Priestertums zurückführt. Von einer Ableitung des besonderen Amtes aus dem allgemeinen Priestertum kann bei ihm keine Rede sein. Nun sind allerdings noch zwei Stellen vorhanden, in denen Melanchthon i.Petr. 2, 9 zur Begründung des Rechtes der Kirche das Amt zu bestellen heranzieht. In den Loci von i f j f lehrt Melanchthon, die Kirche habe Befehl, nicht nur sich vor Pseudopropheten zu hüten, sondern auch fromme Lehrer zu erwählen und ins Amt zu setzen. Wo die Kirche ist, da sei auch das ius administrandi Evangelii. Die Kirche könne nicht ohne das Evangelium sein, also sei es ihr ureigenstes Recht, Personen ins Amt zu rufen iuxta illud (i.Petr. 2, 9): Vos estis regale sacerdotium; quae verba ad veram Ecclesiam pertinent. Est autem sacerdotium ius administrandi Evangelii 141 . In dem sacerdotium ist das Recht beschlossen, für die Ausrichtung des Evangeliums zu sorgen, indem man ministri ins Amt beruft. Weil die Kirche ein regale sacerdotium ist, hat sie also auch das Recht durch Berufung von Personen ins Amt des Evangeliums zu warten. Es ist hier jetzt die Frage, ob damit das Amt auf das allgemeine Priestertum begründet ist oder gar aus dem allgemeinen Priestertum abgeleitet ist. Wir meinen: M

140

12, 494.

Das gilt auch von der Laienfunktion am Wort. Spricht Melanchthon 1521 im Blick auf ι. Kor. 14, 30 f. noch von einem idem ius docendi, das in der Kirche für alle aequatum, gleichgemacht sei (1, 336), so drückt er sich dodi in dem Kommentar zum i.Kor.brief von i j j i zur gleichen Stelle sehr viel vorsichtiger aus. Er redet da zuerst von den ministri, die zum Lehramt berufen sind, kommt dann im Hinblick auf V. 31 (potestis omnes interpretari) und Kol. 3, 16 erst auf die Erlaubnis, die auch anderen zu freier Meinungsäußerung in der Gemeinde gegeben ist, vorausgesetzt, daß es in der Ordnung vor sich geht. Nach Erwähnung der Eltern- und Erzieherpflicht, den Kindern das Wort Gottes zu lehren, weist Melanchthon da auf Matth, io, 32: Praeterea generale mandatum est omnibus traditum, ut suam confessionem singuli ostendent . . . Et hoc mandatum de confessione cogit pios in congressu, de quo Paulus loquitur, dicere sententiam, cum audiunt alios in interpretations errare. Sed omnia vult Paulus fieri ordine, et placide, non seditiosis et turbulentis clamoribuS ( i f , 117$). Zur Ordnung gehöre aber auch dies, daß da einige seniores und doctiores sind, die bei den einzelnen Meinungsäußerungen als iudices fungieren und zeigen, quid adprobent et quid reiiciant (IJ, 1175). Der Apostel verbiete an dieser Stelle sowohl eine tyrannis einzelner als audi den Tumult der Menge, ac formam similem Aristocratiae constituit. Vult audiri multos eruditos et timentes Deum (IJ, 1176). Die Gelehrtesten und Besten sollen das letzte Wort haben. Ebenso wird von Melandithon das grundsätzlich allen zustehende Recht Lehre zu urteilen (1, 336; 349 f.; 14, 341) praktisch auf die ad iudicandum idonei, auf die pii et eruditi eingeschränkt (10, 702; IJ, ii7of.). Nur solche Laien sollen audi auf Synoden Sitz und Stimme haben (10, 702; 11, 435; 14, 341). Eine Bezugnahme auf das allgemeine Priestertum für das Recht Lehre zu urteilen, begegnet bei Melanchthon m. W. nicht. In den angeführten Stellen zu 1. Kor. 14 wird audi das allg. Priestertum nidit erwähnt. 141

264

21,

50J.

Nein. Eine Deduktion des Amtes aus dem allgemeinen Priestertum kann man hierin nicht erblicken. Das wird gatiz deutlich, wenn man audi die Fortsetzung des Textes berücksichtigt. Melanchthon reiht der Stelle i. Petr. 2, 9 sogleich die andere Eph. 4, 8 ff. an: Item Eph. 4 (vs. 8): Ascendit, dedit dona hominibus. Et numerat inter dona propria Ecclesiae Pastores et doctores . . · 142 . Es gehören zur Kirche (als Gaben Gottes) die Pastores et doctores, m. a. W. das mit Personen bestellte Amt. Auf Grund dieser göttlichen Ordnung hat die Kirche das Recht, sich ministri zu berufen und kann ihr niemand dieses Redit streitig machen. Nichts anderes soll durch den Hinweis auf das dem sacerdotium, dem königlichen Priestertum und priesterlichen Gottesvolk innewohnende ius administrandi Evangelii ausgesagt werden. Die Christenheit ist ein sacerdotium, ein priesterliches Volk, das aus dem Evangelium lebt und das Recht hat, dafür zu sorgen, daß ihm das Evangelium durch das Amt verkündigt werde, also das Amt mit Personen zu bestellen. Mehr ist nicht gesagt. Der Tenor dieser Stelle kommt in dem summarischen Satz zum Ausdruck: Ubi igitur est vera Ecclesia, ibi necesse est ius esse eligendi ministros14®. Gerade daß der ganzen Argumentation an dieser Stelle die Notwendigkeit zugrunde liegt, das besondere Amt auf alle Fälle mit Personen zu besetzen, macht offenkundig, daß dieses hier nicht bloß als Exponent des Priestertums gesehen, sondern als etwas, was zwar zu dem sacerdotium, dem priesterlichen Volk, gehört, nicht aber mit ihm identisch ist, also als etwas von diesem Unterschiedenes gedacht wird. Der gleiche Gedankengang wie an dieser Stelle der Loci von 1535 findet sich im Tractatus de potestate et primatu Papae von i$37, wo Melanchthon zur Begründung des Grundrechtes der Kirche, sich ministri zu erwählen und ordinieren, u. a. auch i.Petr. 2, 9 anführt: Postremo hoc etiam confirmât sententia Petri: ,Vos estis regale sacerdotium', quae verba ad veram ecclesiam pertinent, quae, cum sola habeat sacerdotium, certe habet jus eligendi et ordinandi ministros141. Es ist H. Bernau zuzustimmen, daß es sich bei dieser Erwähnung des allgemeinen Priestertums im Tractat in keiner Weise um die „nach innen gerichtete Frage nach allgemeinem Priestertum und geordnetem Amt" handelt und daß das allgemeine Priestertum nach dem ganzen Zusammenhange nur zur Begründung für das ius ecclesiae zur Ordination dienen soll145. Man kann tatsächlich aus der Stelle nicht mehr entnehmen, als daß die Kirche auch auf Grund ihres Charakters als priesterliches Volk Gottes das Recht hat, das besondere Amt zu bestellen. Über das Verhältnis von allgemeinem Priestertum und besonderem Amt ist damit höchstens das gesagt, daß auch das allgemeine Priestertum das besondere Amt fordert. Eine das Wesen betreffende Ableitung des Amtes aus dem allgemeinen Priestertum liegt nicht vor 140 . 14î

Ibid. Ibid. 144 Tract. 69 (BKS 491). 145 H. Bernau, Die Bedeutung der Ordination nach den luth. Bekenntnissdiriften, Kirche und Amt I, Beiheft ζ. Ev. Theol. Bd. 2, München 1940, S. 72, Anm. 7 1 ; vgl. auch S. j j . Ebenso denken Vilmar (Lehre v. geistl. Amt, S. 90 f.), W. Löhe (Neue Aphorismen, Ges. Werke Bd. V. 1, S. j j i ) , Th. Kliefoth (Lit. Abhandlgen I, S. 342) und F. J. Stahl (Die Kirchen Verfassung, S. 411 f.) über die Stelle. 149 Es muß also gefragt werden, ob die Formulierungen W. Maurers (Pfarrerrecht und Bekenntnis, Berlin 1957, S. 68 f.), Melanchthon lasse an dieser Stelle unter Berufung auf i.Petr. 2, 9 „das ministeri um aus dem sacerdotium hervorgehen" und: „Das ministerium ist eine Sonderform des sacerdotium", dem Sachverhalt in dieser Stelle des Tractatus gerecht werden. Entnimmt man nicht zu viel aus Satz 69 des Tractatus, wenn man darin eine Emanation des Amtes aus dem Priestertum gelehrt findet? Vgl. H. H. Kramm, a.a.O., S. 15. Zur Auseinandersetzung mit W. Maurer vgl. ausführlicher unten S. 276 ff. 143

26J

Die beiden zuletzt besprochenen Stellen sind — soweit wir sehen — die einzigen bei Melanchthon, in denen eine Beziehung des besonderen Amtes zum allgemeinen Priestertum angedeutet wird. Sie für eine Ableitung des Amtes aus dem allgemeinen Priestertum anzuführen, verbietet sich nun zusätzlich zu den bereits angeführten Gründen auch nodi deshalb, weil eine Melanchthonäußerung vorliegt, in der die beiden Komplexe sacerdotium und ministerium eindeutig voneinander abgegrenzt und geschieden werden. Im Psalmenkommentar heißt es: Differunt ministerium externum et sacerdotium. Nam sacerdotium est ius singulorum credentium, ad invocandum et sacrificandum . . . Sed ministerium est executio muneris docendi, ubi postulat vocatio. Hoc ministerium publicum tantum ad illos pertinet, qui sunt rite vocati . . , 147 . Amt und Priestertum sind hier mit aller wünschenswerten Deutlichkeit hinsichtlich ihres Inhalts und Wesens als zwei verschiedene und voneinander unterschiedene Komplexe auseinandergerückt, so daß durch diese Stelle vollends klar wird, daß Melanchthon eine das Wesen betreffende Ableitung des Amtes aus dem allgemeinen Priestertum nicht kennt148. Unsere Untersuchung hat ergeben, daß das Priestertum aller Christen bei Melanchthon nur an einer Stelle als grundsätzliches Recht an der W o r t - und Sakramentsfunktion gefaßt wird und daß die Beziehung des allgemeinen Priestertums zum besonderen A m t nach Melanchthon nur darin besteht, daß audi dieses fordert, das letzteres bestellt werde, eine Deduktion des Amtes aus dem allgemeinen Priestertum also von Melandithon nicht gelehrt wird. Man kann daher sagen, daß das allgemeine Priestertum für Melanchthons Amtslehre keinerlei konstitutive Bedeutung hat. W. Thomas (a. a. O., S. 7 f.) bemerkt: Wenn audi der Begriff des allgemeinen Priestertums bei Melanchthon sich weniger finde, so sei der Inhalt desselben dodi um so mehr bei Melanchthon vorhanden (S. 7). Als sachlichen Inhalt des allgemeinen Priestertums führt er dann an: „dass zwischen einem getauften Christenmensdien und einem geweihten Priester kein qualitativer Unterschied besteht, dass die potestas ecclesiastica nicht einem einzelnen Stande, sondern der Gemeinde gehört, dass diese (d. h. die Laien) in keiner Weise an den geistlichen Stand' gebunden ist weder in Bezug auf die Verwaltung der Gnadenmittel, noch in Bezug auf Lehrentsdieidungen, und dass sie jeden beliebigen Christen, den sie für befähigt hält, unter Umständen ganz selbständig ins Amt berufen kann, weil er nur publice in demselben thun soll, wozu er auch sonst privatim oder innerhalb seiner vocatio berechtigt ist" (S. 7 f.). Audi wenn diese Aufstellungen von Thomas, die sämtlich aus einem Konkurrenzdenken bezüglich Amt und Gemeinde geboren sind, zutreffend wären, wäre immerhin beachtenswert, daß Melanchthon diese Inhalte nicht dem Begriff des allgemeinen Priestertums beilegt! Aber sie sind so nicht zu halten und ergeben in dieser Formulierung ein falsches Bild. Thomas läßt, um nur einiges herauszugreifen, ganz außer acht, daß Melandithon lehrt, daß die Kirche an das Amt gebunden ist (wenn auch nicht an die Sukzession der Bischöfe), daß er die ständige Erhaltung des Amtes (des mit Personen bestellten Amtes) in der Kirche lehrt, daß er die Mitwirkung des Amtes 147

13, 1278. Die Stelle stammt allerdings erst aus den Jahren 1553/55. Wird sie hier mit den Stellen von 1535 bzw. 1537 zusammen ausgewertet, so geschieht es natürlich unter der Voraussetzung, daß Melandithon in diesem Punkte seine Anschauung in dem dazwischenliegenden Zeitraum nicht grundsätzlich geändert hat. Den Hinweis auf die Stelle verdanke idi übrigens F. J. Stahl, a. a. O., S. 107. 148 Vgl. F. J . Stahl, a. a. O., S. 106 f.

266

bei der Berufung von Pastoren als de iure divino beurteilt, daß er die Laien bei Lehrentscheidungen nur als Λ/j'íbeteiligte sieht, nicht als eigentliche Träger der Lehrgewalt (das sind ihm die Pastoren!). Belege für diese Sachverhalte bei Melanchthon erbringt unsere weitere Arbeit. Wollte man Melanchthons Position wie Thomas beurteilen, so müßte man ganz vereinzelte extreme Äußerungen hauptsächlich aus der Frühzeit, in der Melanchthon noch ganz unter Luthers Einfluß stand und sich in seiner Eigenart noch nicht entwickelt hatte, zum beherrschenden Auslegungskanon für alle weiteren Melandithonäußerungen machen, was sich aber natürlich verbietet. Der gereifte Melanchthon denkt nicht von der Gemeinde her und schon gar nicht in der Weise der Rivalität zwischen Gemeinde und Amt, vielmehr im Gegenteil gerade vom Amt her, freilich ohne dabei die Gemeinde zum Anhängsel des Amtes zu machen. Melanchthons Amtsdenken ist nicht ein verabsolutierendes, weil getragen von seiner Vorliebe für aristokratische Formen. Fähige Laien sollen dem Amt zur Seite stehen. Das Amtselement überwiegt aber bei Melanchthon so sehr, daß O. Ritsehl den Eindruck hat, mit Melanchthons ausgebildeter Amtslehre habe der Grundsatz vom allgemeinen Priestertum „seine ehemalige Bedeutung und seine werbende K r a f t " verloren ( a . a . O . , S. 339). E r denkt dabei wohl an die Bedeutung, die dieser Begriff bei Luther gehabt hatte. Es sei keineswegs zufällig gewesen, meint Ritsehl weiter, „daß Melanchthon auch zum theoretischen Urheber der Hierarchie des ministerium ecclesiasticum geworden ist" (a. a. O., S. 340). Melanchthons Amtsbegriff sei „ein notwendiger Schlußstein in seinem Gebäude einer orthodoxen Kirche mit ausschließendem Gegensatz zur Häresie" (ebda.). Vielleicht haftet auch diesen Urteilen über Melanchthons Amtslehre eine gewisse Einseitigkeit an. Man muß aber sagen, daß die Akzente bei Melanchthon viel eher im letzteren Sinne gesetzt sind als in dem, den Thomas angibt.

267

II. Kapitel: Das Amt als göttliche Institution ι . Ministerium docendi Evangelium et administran di Sacramenta Die Begründung des Amtes in der Lehre vom Evangelium und seine Stellung im Kirchenbegriff bei Melanchthon zeigen, daß das Amt ganz als im Dienste des Heilswillens Gottes zu verstehen ist. Es soll das göttliche Gnadenangebot im Evangelium vermitteln, die Menschen zu Christus rufen und somit die Kirche aus dem Menschengeschlechte sammeln. Es ist nach Eph. 4, 12 ff., auf welche Stelle Melanchthon oft hinweist, da zur Erbauung der Kirche. In dieser Abzweckung ist es aber durch und durch Gnadenmittelamt, weil ja nur durch Evangelium und Sakramente das Heil vermittelt wird. So wird das Amt bei Melanchthon stets als ministerium docendi Evangelium et administrandi Sacramenta definiert*. Die Personen, die ins Amt treten, werden „zum Predigampt und Dienst der Sacrament" berufen, zu nichts anderem1. „ . . . das Evangelium predigen, Siind strafen und vergeben, Sacramenta reichen: Dieß allein soll der Bischof oder Priester Ampt seyn" 3 . Hiermit ist in der Bestimmung des Wesens des Amtes die Antithese gegen das römische Meßopferamt gegeben4. Letzteres ist für Melanchthon pervertiertes Amt, das seine Träger auf eine Stufe mit den Baalspriestern Isebels stellt5. Mit der Bestimmung des Amtes als Amt des Wortes und der Sakramente ist aber audi ein Gegensatz zu dem Amt, das als potestas politica verstanden wird, festgestellt8. Das Amt des Neuen Testaments ist ein ministerium Evangelii (im Unterschied zu einem ministerium legis), ein ministerium spiritus, Amt, durch das der heilige 1 2 1 , 470; I J , 4 3 $ ; C A j , ι (BKS 57); C A 28, 21 (BKS 124): ministerium verbi et sacramentorum; audi ministerium Evangelii (z.B. 2 1 , 470; 2 1 , 82j.826.8j3.8jo) oder ministerium verbi (21, 470 etc.).

* 4, 1002 f.; vgl. I I , 760: ministerium evangelii, id est, ubi vox sonat doctrinae filii Dei, ritus ab ipso traditi servantur. 4 2 1 , 4 7 0 f.; vgl. 4, J44; j , J 8 J ; i j , 1 3 3 4 ; Apol. 13, 7 ff. (BKS 293 f.); Apol. 28, 12 (BKS 400): Qui nunc sunt episcopi, non faciunt episcoporum officia iuxta evangelium . . . ; Tract. 34 (BKS 4 8 1 ) : Neglectum est ministerium evangelii. 5 2 1 , 2 2 2 ; vgl. 2 1 , 8 J 2 . * I J , 4 3 j : Ministerium Evangelii est mandatum docendi Evangelii et administrandi sacramenta, non est potestas similis politicae.

268

Geist gegeben wird 7 , und als solches eben nicht dominatus nach Maßgabe weltlich-politischen Regiments mit einer vis corporalis 8 und noch viel weniger Herrschaft über die regna mundi®. Dieses ministerium Evangelii betrifft nicht die res corporales, sondern die res aeternae: iustitia aeterna, spiritus sanctus, vita aeterna10 und ist mit weltlichen Dingen nicht zu vermischen11. Melanchthon sieht das Amt des Wortes und der Sakramente, um das es ihm geht, stets in dieser Abgrenzung gegen ein satisfaktorisches oder politisch-hierarchisches Verständnis vom Amt. Zur Wesensbestimmung des Amtes gehört ihm dann aber auch der Öffentlichkeitscharakter desselben hinzu. Die Wort- und Sakramentsfunktion im Amt ist stets öffentliche Handlung. Sciamus oportere inter homines publice sonare Evangelii vocem . . . oportere ministerium Evangelii publicum et publicas congregationes esse12, Deus vult esse publicum ministerium13. Der öffentlichkeitsdiarakter des Amtes folgt aus dem Öffentlichkeitscharakter des Evangeliums, das ja nur dann seinen Sinn erfüllt, wenn es öffentlich wird, d. h. hörbar verkündigt wird. Ebenso hängt er zusammen mit der Lehre von der Sichtbarkeit der Kirche. Es ist nötig, sich der Kirche anzuschließen. Damit man sich ihr anschließen kann, muß sie sichtbar sein. Damit sie sichtbar ist, müssen Wort und Sakrament öffentlich geschehen und muß also das Amt des Wortes und der Sakramente ein öffentliches sein. Aus diesen inneren Zusammenhängen erklärt sich der Öffentlichkeitscharakter des Amtes. Melanchthon kennt — wie wir bereits gesehen haben — auch eine private Sphäre, in der brüderlicher Zuspruch des Evangeliums statthat und die Absolution von einem christlichen Bruder dem anderen gespendet wird 14 , die so geschehende Wortund Sakramentsfunktion ist aber ein anderes genus als die des Amtes, welche stets öffentlich ist.

7

15,

8

3, 4 7 1 . 2 2 4 ;

164 f . ;

ij, 4,

429.696.1197. 1002 f . ;

14,

969;

15,

1347 f.;

21,

501.$03;

22,

J16.

* 12, 493; IJ, 426: Apostolos (Christus) non mittit, ut imperia carnis occupent. Et discernit ministerium Evangelii ab imperiis; 4, 1003: „ . . . die Apostel keinen Befehl haben von weltlichem Regiment, sondern allein von der Lahr und Predigt und Keidiung der Sacrament, dadurch Vergebung der Sünden ausgetheilet w i r d " ; C A 28, i f f . (BKS 120ff.). 10

CA

11

C A 28, 12 ff. ( B K S 122 ff.); vgl. audi Stud. Ausg. Bd. I, 19JI, S. 310.

12

21,

13

21, 853; v g l . 3, 983; 12, 490.493; 21, $$$; C A

28, 8

(BKS

121

f.).

825.

14 ( B K S 66). Z u r

Interpretation

des .publice' v o n C A 14 vgl. E. Sommerlath, A m t und allg. Priestertum, S. 63 ff. und W . Maurer, Pfarrerrecht und Bekenntnis, S. 117 ff. 14

12, 493 f.; vgl. oben S. 263 f.

269

2. Institutum D e i Die von

Melanchthon

gelehrte unbedingte H e i l s n o t w e n d i g k e i t

des

E v a n g e l i u m s u n d die E i n g l i e d e r u n g des ministerium E v a n g e l i i an h e r v o r r a g e n d s t e r Stelle in den Kirchenbegriff legen schon nahe, daß

das

A m t bei M e l a n c h t h o n nicht den C h a r a k t e r einer n u r menschlich-soziologischen N o t w e n d i g k e i t haben k a n n , sondern auf den

unmittelbaren

W i l l e n G o t t e s zurückgeht. U n d das lehrt M e l a n c h t h o n denn auch nachdrücklichst: Das Amt gestifteten

ist göttlichen

Wesensstruktur

Ursprungs,

der Kirche,

es gehört

es ist institutum

zu der von Dei15.

Gott

Gott hat

das A m t eingesetzt u n d geordnet 1 9 , es ist also ein ministerium divinitus o r d i n a t u m 1 7 u n d als solches ein sanctissimum

ministerium 1 8 . D i e B e g r i f f e

der institutio u n d o r d i n a t i o schließen in sich die A u s s a g e , daß es sich bei dem A m t u m eine bleibende göttliche E i n r i c h t u n g handelt. G o t t daß immer

will,

ein öffentliches A m t in der K i r d i e i s t " , er h a t es der K i r c h e

„ z u allen Z e i t e n " gegeben 1 0 . E s w a r bei der S t i f t u n g des A m t e s seine Absicht, d a ß w i r g a n z in dasselbe „eingeschlossen" sein s o l l t e n " .

Das

15 Daß den öffentlichen Dienern am Worte die Verwaltung der Sakramente nach Melanchthon „um der Ordnung willen" übertragen werde, wie W. Thomas, a. a. O., S. 32, ohne jede Belegstelle äußert, kann bei Melanchthon nur aus einer Stelle der Loci von I J 2 I (21, 222; zitiert oben S. 263, Anm. 134) herausgelesen werden. Diese Stelle stammt also aus Melanchthons frühester Zeit und hat m. W. keine spätere Entsprechung, sie wird durch eine Fülle anderer, gegenteiliger Äußerungen Melanchthons als für seine gereifte Amtslehre praktisch bedeutungslos erwiesen. — Vgl. hinsichtlich der Bekenntnisschriften E. Sdilink, Theologie der luth. Bekenntnisschriften, 2. A u f l . München 1946, S. 330. le

i l , 70J (Deo gradas agamus, quod hoc ministerium instituit); 12, 381 (ministerium . . . a se institutum); 12, 490 (ministerium quod [Deus] ipse ordinavit); 14, 256 (autoritate divina institutum esse ministerium Evangelii); 21, 850 (Deus instituit); 21, 851 (hoc ministerium a Deo institutum); 21, 853 (institutum esse ministerium Evangelii); 21, 1049 (Praecipuum beneficium Dei est hoc ministerium); 23, 188 (Deus instituit ministerium). Vgl. auch die Stellen in den folgenden Fußnoten. — H . E. Creutzig (Amt u. Ämter i. d. luth. Kirche, Theol. mil. H e f t 22, Leipzig 1938, S. 9) stellt mit Recht fest, daß Melanchthon „zeit seines Lebens sehr eindeutig diese Lehre (näml. v. d. göttl. Einsetzung d. Amtes) vertreten" habe. — E. Sommerlath (Amt u. allg. Priestertum, S. 60) spricht von dem „hohen Ernst, mit dem Melanchthon den von Gott stammenden Stiftungscharakter des Amtes heraushebt. Das Amt ist ein von Gott befohlener und von ihm eingesetzter ordo". 17 21, J09: ministerium, quod divinitus ordinatum agnoscamus Dei beneficium esse; 21, j j j : Constat autem et ministerium publicum divinitus ordinatum esse; 12,

489·

18 Ii, 599; 21, 466; Ii, 325: das ministerium ein sanctissimus Dei cultus; 11, 327: sanctissimum munus; vgl. Apol. i j , 44 (BKS 305): das Predigtamt ist das höchste Amt in der Kirdien. " 21, 853; vgl. 1049; Stud. Ausg. Bd. V I , S. 288.

M 21



59J

·

15, 1066: Deus immensa misericordia se patefecit, dedit Evangelium, instituit ministerium Evangelii, illud audiri, et intra illud nos concludi Deus voluit.

270

ist um so verständlicher, als ja nach Melandithon, wie wir gesehen haben, der Glaube nur aus dem Evangelium empfangen werden kann und die Kirche aus dem Worte Gottes gezeugt und ernährt wird". Das ganze christliche Leben ist nach Gottes Willen eingebettet in das Wirken des Amtes, das auf seiner Stiftung beruht. Audi in der CA wird die göttliche Stiftung des Amtes und sein Institutscharakter von Melandithon bezeugt: Ut hanc fidem consequamur, institutum est ministerium docendi evangelii et porrigendi sacramenta (im deutschen Text: „Solchen Glauben zu erlangen, hat Gott das Predigamt eingesetzt, Evangelium und Sakrament geben . . .")*'. Von Wichtigkeit ist es nun, welchen Sinn man mit dem (an sich ja ganz eindeutigen) Ausdruck Ministerium docendi evangelii et porrigendi sacramenta' verbindet und worauf man dementsprechend das .institutum est' bezieht. Wir können mit dem »ministerium docendi evangelii et porrigendi sacramenta' nicht einfach die (irgendwie geschehende) bloße Funktion von Wort und Sakrament bezeichnet sehen. Es hätte in dem Fall heißen müssen: institutum est evangelium et sacramenta. Allenfalls ließe es sich noch irgendwie auf die bloße Funktion deuten, wenn da stünde: institutum est ministerium evangelii (obwohl wir auch in diesem Falle das ministerium auf das Amt deuten würden). So aber, wie der Text nun tatsächlich lautet: Institutum est ministerium docendi evangelii et porrigendi sacramenta, kann nur an das konkrete Amt selbst gedacht sein. Ministerium docendi evangelii etc. ist durchaus eine Bestimmung, die etwas über die bloße Funktion von Wort und Sakrament Hinausliegendes enthält. .Ministerium' bezeichnet den amtlich, im Sinne eines Instituts stetig ausgeübten Dienst an Wort und Sakrament, d. h. also den Dienst an Wort und Sakrament, der durdi bestimmte, für dauernd damit beauftragte Personen auf Grund einer darauf zielenden göttlichen Willenserklärung öffentlich ausgeübt werden muß. Es ist das konkrete Amt des Wortes und der Sakramente, das ministerium ecclesiasticum, wie es in der Oberschrift genannt wird, von dem das ,institutum est' ausgesagt wird. Mit dieser Überschrift kann nach Melandithons und dem damals allgemein üblichen Sprachgebrauch nur das konkrete geistliche Amt der Kirche, das öffentliche Predigtamt gemeint sein, dasselbe, von dem auch in CA 14 und CA 28 und Apol. 13, 7 ff. (BKS 2 ?3 f·) gehandelt ist". Vergleicht man besonders die zuletztgenannte Stelle der Apo" ι, 329; ι , 410: . . . cum Ecclesia divino sermone parta sit, haud dubie eodem alenda est; 12, 482 f. =» CA j, ι (BKS $7). 24 Es liegt gewiß von CA 5 zu CA 14 ein Gedankenfortschritt vor. Während in CA 5 die göttliche Stiftung des Predigtamtes ausgesagt ist, handelt CA 14 von der Berufung zu diesem Amt und stellt fest, daß jede Person, die in dieses Amt gelangen und es öffentlich ausüben soll, eben einer besonderen Berufung bedarf. CA $ redet von der Tatsache des göttlich gestifteten Amtes und seiner Abzwedcung auf die Mitteilung des heiligen Geistes, CA 14 von dem Eintritt der Personen in dieses Amt. — Faßt man mit H . Bernau (a. a. O., S. 60) den Unterschied so, CA V gehe „auf die ,Sache' des Amtes" und X I V „auf die es vertretende Person", so wird man unter der in CA $ bezeugten ,Sache' des Amtes aber nidit allein die bloße Funktion von Wort und Sakrament verstehen dürfen, wie Bernau es tut (S. 61 f.), sondern das Amtsinstitut. — Abzulehnen ist die Unterscheidung Theod. Harnacks (Die Kirche, ihr Amt, ihr Regiment, Neudruck 1937, S. 39 ff. 44), als spräche CA 5 von dem allein iure divino bestehenden „Amt in seiner Wesenheit" und CA 14 von der konkreten empirischen Gestalt des Amtes, dem „Amtstum", das nur iure humano vorhanden sei.

271

logie, so sieht man, daß Melandithon unter .ministerium verbi' (bzw. docendi ev. et porr, sacr.) das spezielle geistliche Amt, das besonderen Personen anvertraut wird, versteht. Apol. 13, 1 1 (BKS 293) — „Denn das Predigtamt hat Gott eingesetzt und •geboten . . . " —, erläutert durch Apol. 13, 12 (BKS 293 f.) — „Denn die Kirche hat Gottes Befehl, daß sie soll Prediger und Diakonos bestellen" —, ist die Parallelaussage zu C A j . Das mit bestimmten dazu berufenen Amtspersonen bestellte Predigtamt ist das ministerium, von dem C A j die göttliche Einsetzung aussagt25. (Zu der von Theod. Harnack vorgelegten verfehlten Auslegung von Apol. 13, 7 ff. vgl. unten S. 350, Anm. 49, zu der von Apol. 14, 1 unten S. 310, Anm. 230.) Vgl. auch W. Maurer, Pfarrerrecht u. Bekenntnis, S. 73 und 119. Abzulehnen ist ebenfalls G. Hilberts Unterscheidung, das ministerium von C A 5 sei der Dienst am Wort, der allen Gläubigen befohlen und die Sache des allg. Priestertums ist, erst C A 14 rede von dem ordo ecclesiasticus, der berufen ist zur öff. Gnadenmittelverwaltung (Charisma u. Amt, in: Das Erbe Martin Luthers, Leipzig 1928, S. 359). — Audi E. Kinder, Der evgl. Glaube und die Kirdie, Berlin 1958, versteht unter dem ministerium von C A j zunächst nur die Funktion von Wort und Sakrament, den Dienst am Wort und Sakrament, der allgemein der Kirche als ganzer und allen aufgetragen ist (S. 146. n 1 j 1 . 1 j 2 . 1 j 3 ) , e r s t i C A 14 sei von der Ausrichtung des ministerium durch besonders berufene Einzelne die Rede (S. 153). — Auf eine Beziehung zwischen C A 28, 21 ff. (BKS 124) und C A j hat Stahl (Kirchenverfassung S. 109) hingewiesen: Werde da in C A 28 gelehrt, daß den Bischöfen das ministerium verbi et sacramentorum jure divino zukommt, so sei damit auch vorausgesetzt, „daß die Diener des Wortes selbst de jure divino bestehen". Das ist richtig. 15 Auf die Bedeutung der Parallele in Apol. 13 für die Auslegung von C A j hat (außer F. J . Stahl, Kirchenverfassung, S. 401 f. und K . Thieme, Die Augsb; Konf., S. 10) besonders W. O. Munter aufmerksam gemacht (Die Gestalt der Kirche ,nach göttlichem Redit', Kirche und Amt II, Beiträge z. Ev. Theol. Bd. j , München 1941, S. J7). Er bezeichnet Apol. 13, 1 1 f. als „die maßgebliche Erklärung zu Confessio Augustana V " . Diese Stelle besage, daß in C A V „nicht nur die Einsetzung von Wort und Sakrament gelehrt ist, sondern zusammen damit — diesen beiden im Sinne der viva vox vorgeordnet — das Amt, das Amt, das mittels Wort und Sakrament zu wirken hat, das Amt, das Gott eingesetzt und zu dessen Bestellung der Kirdie Gotte? Befehl gegeben ist". Aus Apol. 13, 12 (die Kirche hat Gottes Befehl Diener einzusetzen) gehe „mit höchster Evidenz" hervor, „daß C A V nicht von dem Predigtamt aller Gläubigen handeln kann, da dieses ja nicht von der Kirdie durch Menschenwahl bestellt zu werden vermag, sondern daß hier die göttliche Einsetzung des öffentlichen Predigtamts gelehrt wird". Miinter lehrt aufs deutlichste, daß nach C A j das besondere öffentliche Predigtamt göttlidie Institution ist und de iure divino besteht (a. a. O., S. 7ff.27ff.36.38.41). — Ebenso legen C A j als Einsetzung des konkreten öffentlichen Predigtamts aus: A . F. C . Vilmar, Die Augsburgisdie Confession, Gütersloh 1870, S. 73 u. sonst (sowie die anderen Vilmar nahestehenden Theologen des 19. Jahrhunderts); K . Thieme, Die Augsb. Confession, S. 10; F. W. Hopf, Lutherische Kirchenordnung (Bek. Kirdie Heft 29), München 193 j, S. 1 1 ; S. Sdiöffel, Das Predigtund Hirtenamt, in: Credo ecclesiam, Festsdir. f. W. Zoellner, 1930, S. 201 f.; E. Sommerlath, Amt u. allg. Priestertum, S. 42; F. Brunstäd, Theologie der luth. Bekenntnissdiriften, Gütersloh 19JI, S. 133, vgl. S. 202; K . H. Rengstorf, Wesen und Bedeutung des geistl. Amtes nach d. N T u. d. Lehre d. Luthertums, in: Weltluthertum von heute, Stockholm 19jo, S. 261; R. Josefson, Det andliga ämbetet i Svenska kyrkans bekännelseskrifter, in: En bok om kyrkans ämbete, Uppsala i 9 j i , S. 184; J . Heubach, a. a. O., S. 70 f. 93. — H . Asmussen stellt einen Hiatus fest zwischen dem Duktus des ganzen Artikels, der nur auf die Gnadenmittel Wort und Sakrament ziele und dem tatsächlichen Wortlaut, der im Deutsdien und im Lateinisdien ein Verständ-

172

Vor allem zeigt der deutsche Text, daß sich das ,institutum est' ganz speziell eben auf das Predigtami bezieht. Dieses wäre freilich sinnlos ohne die auch von Gott gegebenen Gnadenmittel Wort und Sakrament, muß aber doch von ihnen audi unterschieden werden, weil es eine bestimmte Anordnung Gottes über das Wie der Ausspendung der Gnadenmittel in sich schließt, die eben die .Einsetzung des Amtes' im eigentlichen Sinne darstellt. Im deutschen Text sind .Predigamt' einerseits und .Evangelium und Sakrament' andererseits deutlich unterschiedene Dinge und können keineswegs identifiziert werden 26 . Nun hat zweifelsohne der übrige Gehalt des Artikels den besonderen Zweck, gegen die Schwärmer darzulegen, daß der heilige Geist durch die Gnadenmittel Wort und Sakrament den Glauben wirkt und es durch sie zur Rechtfertigung kommt, nicht sine verbo externo. Das wird besonders deutlich, wenn man die Vorstufen des Artikels vergleicht. Der achte der Marburger Artikel spricht nur aus, „das der heillig gaist, ordentlich zuredden, niemants solchen glauben, oder seine gäbe gibt, on vorgehend predigt, oder muntlich wort, oder Euangelion Christi, Sondern durch und mit solchem muntlichen wort, wirckt er und schafft den glauben, w o und In welchen er will. Ro. X " 2 7 . Das Amt wird nicht besonders erwähnt. Der siebente der Schwabacher nis nahelege, nach welchem das Amt in einer nicht näher bezeichneten Weise eine Eigenexistenz hat und auf ähnliche .Institutionen' zurückgeht, wie etwa das Abendmahl, d. h. also im engeren Sinne .eingesetzt' ist (Warum noch luth. Kirche, Stuttgart 1949, S. 88; vgl. auch S. 83 f.). Hierzu muß man sagen, daß für die Erhebung dessen, was der Artikel eigentlich aussagt, eben der Wortlaut maßgebend ist. Er kann nicht ohne Bedacht gewählt sein. Vgl. H . Asmussen, a . a . O . , S. 90: „Das Erstaunlichste in unserem Artikel bleibt das Wort .institutum est' (Gott hat eingesetzt). Dieser Formel eignet ein sehr starkes Maß von Bestimmtheit". 26 Vilmar (D. Augsb. Conf. S. 72 f.) hat versucht, die deutsche Ubersetzung „Evangelium und Sakrament geben" so zu deuten, daß damit nicht neben der Einsetzung des Predigtamtes auch noch die Einsetzung von Evangelium und Sakrament ausgesagt werden soll, sondern daß damit nur die Functionen des einen von Gott gegebenen Predigtamtes bezeichnet sind. In unserem Deutsch müßte es also etwa heißen: .solchen Glauben zu erlangen, hat Gott das Predigtamt eingesetzt, Evangelium und Sakrament zu geben, dadurch er . . . ' . Man kann nicht leugnen, daß dieser Sinn der lat. Vorlage viel genauer und sachgemäßer entspräche. Faßt man das ,geben' als ,gegeben', so enthält der deutsche Text in der Tat eine über den lateinischen hinausgehende neue Aussage, nämlich die Einsetzung von Evangelium und Sakrament durch Gott. Vilmars Auslegung des deutschen Textes hat darum durchaus etwas für sich. Vgl. aber zur Kritik dieses Versuches Vilmars B. Schlunk, Amt u. Gemeinde i. theol. Denken Vilmars, Beitr. ζ. Ev. Theol. Bd. 9, München 1947, S. 76 f. Unabhängig davon, ob man nun der Deutung des deutschen Textes bei Vilmar folgt oder nicht, muß man doch seine Bestandsaufnahme des Artikels 5 als zutreffend bezeichnen: „ I n diesem Artikel wird gelehrt, daß zur Erlangung des Glaubens 1) ein besonderes Amt (ministerium ecclesiasticum, Predigtamt) gehöre, daß 2) dasselbe von Gott eingesetzt sei, daß 3) die Functionen desselben die Verkündigung und die Ausspendung der Sacramente seien und daß 4) durch diese Functionen der h. Geist gegeben werde, welcher 5) Glauben wirke, wo und wann er wolle, in denen welche das Evangelium hören" (a. a. O., S. 73 f.; vgl. Dogmatik I I , S. 275; Lehre vom geistl. Amt, S. 64 f.). Ebenfalls muß man seinen Erläuterungen zu Punkt 1 und 2 zustimmen: „Es ist hiernach das ministerium ecclesiasticum von dem allgemeinen Priesteramt der Christen verschieden . , . Es ist dasselbe nicht menschliche Verleihung . . . " (D. Augsb. Conf. S. 74). Es kann C A 5 unter Berücksichtigung des tatsächlichen Wortlauts nicht anders ausgelegt werden. 27 C R 26, 124 (BKS 57). iS

791 j Lieberg, Amt

273

Artikel führt wesentlich bestimmter auf das Amt zielend aus: „Sollichn glaube zu erlang oder uns Mensdin zugeben, hat got eingesetzt das predig Ambt oder muntlich wort nemlich das Euangelion durch wellchs er seinen glauben und seine Macht Nutz und frumen verkundigen lest, und gibt auch durch dasselbig, als durch ain mittel den glauben, mit seinem heiligen Gaist, wie und wo er will . . ." 28 . Zwar stehen hier Predigtamt und mündlich Wort (Evangelium) durch ein .oder' verbunden als Wechselbegriffe nebeneinander, aber es ist dodi schon deutlich, daß hier das mündlich Wort nicht in irgendeiner beliebigen Form, sondern in der Form der amtlichen Verkündigung gedacht ist. Der Ton liegt auf dem .predig Ambt', das ja auch vorangestellt ist29. Wird man diese Vorstufen der CA hermeneutisch insoweit heranziehen dürfen, daß man durch sie bestätigt findet, daß das in CA 5 gemeinte, von Gott eingesetzte Predigtamt funktionalen Charakter trägt, also keinesfalls irgendwie abseits des realen Vollzugs der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung gedacht werden darf 30 , so darf doth audi nicht übersehen werden, daß doch eben in der Fassung, die nun endgültig vorgelegt wurde und der allein man eigentlich symbolischen Charakter zumessen kann, der Text so gestaltet ist, daß neben Wort und Sakrament das Amt als etwas Besonderes und nicht einfach mit dem ersteren Identisches heraustritt und gerade von ihm die göttliche Einsetzung mit solcher Bestimmtheit ausgesagt ist. Das kann nicht ohne klare Absicht geschehen sein. Ebenfalls darf nicht übersehen werden, daß die Überschrift des Artikels in der engültigen Fassung nicht etwa wie in den Marburger Artikeln ,Von dem Eusserlidien Wort'31 lautet, sondern eben ,de ministerio ecclesiastico' (,Vom Predigtamt')' 2 . Der 5. Artikel der CA lehrt nidit bloß die gött28

C R 16, 15$ (BKS 57). Die Vorfom der CA, die am 3. Juni an den Rat zu Nürnberg geschickt wurde und in deutscher Übersetzung erhalten ist (Na), redet schon vor der Behandlung der Rechtfertigung, schon im 4. Artikel, von der Erlangung des heiligen Geistes durdi Wort und Sakrament (vgl. BKS 57), das Amt wird nicht erwähnt. In der endgültigen Fassung hat Melanchthon dann aber das Amt mit hineingenommen. Dazu sagt Th. Kolde (Die älteste Redaktion d. Augsb. Konfession m. Melanchthons Einleitung, Gütersloh 1906, S. $0): „Deutlich lenkt Melanchthon damit zu Luthers Fassung in dem 7. der Sdiwabadier Artikel zurück . . . " . — Luther hat die CA sowohl in ihren Vorstufen gelesen und für gut befunden, wenn sie ihm in der Beurteilung des römischen Gegenübers vielleicht auch noch zu milde erschien (vgl. Luthers Brief an Kurfürst Johann vom 15. Mai 1530 von der Feste Koburg: „Ich hab M. Philipsen Apologia uberlesen, die gefellet mir fast wol, und weis nichts dran zu bessern noch endern, Wurde sich auch nicht schicken, Denn idi so sanfft und leise nicht tretten kan. Christus unser herr helffe, das sie viel und grosse frucht schaffe, wie wir hoffen und bitten, Amen": WA Br j , 319, $ ff.), als audi in ihrer endgültigen Gestalt gebilligt (vgl. Luthers Brief an Melanchthon vom 3. Juli 1530 von der Feste Koburg: Relegi heri tuam Apologiam diligenter totam, et placet vehementer: WA Br j , 435, 4 f. Die nachfolgende Rüge betrifft wohl nicht mehr die CA, sondern Melanchthons persönliche Haltung, vgl. Br j , 436, Anm. 4 nach Rückert). — Zu den Verhandlungen des Augsburger Reichstages und dem Briefwechsel zwischen Luther und Melanchthon während desselben vgl. Joh. v. Walter, Luther und Melanchthon während des Augsburger Reichstages, Gütersloh 1931. 2>

30 Nur insoweit kann M. Doerne (Luth. Pfarramt, S. 8 Anm. 1) zugestimmt werden, wenn er schreibt, daß in CA 5 das Predigtamt „nidit als Stand im soziologischen Sinne, sondern als Funktion verstanden sein" will. Man beachte aber auch CA 27, 13 (BKS 112)! 31 C R 26, 124. 32 Die Anfechtung der Überschrift des endgültigen 5. Artikels ,de ministerio ecclesiastico' bei Th. Kolde (Die Augsburg. Konfession, 2. Aufl. Gotha 1 9 1 1 , S. 3$, Anm.)

274

lidie Einsetzung der (irgendwie geschehenden) Funktion des Wortes und der Sakramente, sondern ganz speziell die göttliche Einsetzung des Amtes, an das die Funktion gebunden ist und durdi das sie zu geschehen hat 38 . P. Brunner (Vom Amt des Bischofs, S. 1 7 f., Anm. 1 1 ) will das ministerium, von dem C A j handelt, nicht auf das öffentlich ausgeübte ministerium beschränkt sehen. Er stimmt dem zu, daß C A 14 und Apol. 1 3 , 7 — 1 3 in C A 5 „bereits latent enthalten" sind, daß also audi von dem besonderen Predigtamt in C A $ das ,institutum est' ausgesagt ist. „Aber der Umkreis des ministerium, von dem C A V handelt, greift weiter als der, der in C A X I V ins Auge gefaßt ist" (S. 17), „ C A V hat Raum dafür, daß der am Wort und Sakrament Dienende seinen Dienst in einer nicht öffentlichen Sphäre ausübt, wozu er einer Vokation nicht bedarf" (S. 18). stützt sich offenbar eigentlich nur darauf, daß eben N a das Amt nidit Inbegriffen hatte. Hatte Kolde jedoch an anderer Stelle (siehe oben S. 274, Anm. 29) gesagt, daß Melandithon mit der endgültigen Fassung zu der Fassung der Sdiwabacher Artikel zurücklenkt, die ja die Einsetzung des Predigtamtes aussagen, so gibt er eine neue Absicht Melandithons bei Abfassung der endgültigen Form des Artikels zu, die dann auch eine diesem Namen entsprechende neue Überschrift rechtfertigt. Es ist daher irreführend, wenn M. Doerne (a. a. O., S. 8, Anm. 1) einfach sagt: „Die Oberschrift von C A V De ministerio ecclesiastico ist nicht ursprünglich und gibt zu Mißverständnissen Anlaß". Entweder man muß die ganze endgültige Fassung der C A als „nicht ursprünglich" ansprechen, oder aber die Überschrift in diesem j . Artikel, die der endgültigen Gestaltung desselben entspricht, gelten lassen und als Aussage unseres Symbols ernst nehmen. 38 Widersprochen werden muß also W. Thomas, der a. a. O., S. 9 f. schreibt, C A $ wolle nur die Notwendigkeit des mündlichen Wortes behaupten und man könne aus diesem Artikel „nichts weiter lesen, als dass Gott durch Wort und . . . Sakrament, nicht durch .heimliche' Offenbarungen den Glauben in uns wirken will". Wäre es wirklich so, dann hätte sich ja die Erwähnung des Amtes durchaus erübrigt und hätte es etwa bei der Form von N a oder der der Marburger Artikel bleiben können. Wenn Thomas fortfährt: „Wer Recht und Pflicht hat, das Evangelium zu lehren und die Sakramente zu reichen, wird hier gar nicht erwogen" (S. 10), — so ist zwar zu sagen, daß es nicht in der Abzweckung dieses Artikels lag, darüber eine ausgeführte Aussage zu machen, nicht aber aus dem Grunde, weil hier an ein Amt im eigentlichen Sinne gar nicht gedacht war, sondern weil man vorhatte, nodi einen 14. Artikel dem Bekenntnis einzuverleiben und darin diesen Gegenstand auf dem Grunde der im j . Artikel ausgesagten göttlichen Stiftung des Amtes zu behandeln. — Auch H . Bernau sieht das Amt von C A j nur als Funktion von Wort und Sakrament, nur diese solle als .eingesetzt' bezeugt werden (a. a. O., S. 63). Bernau versucht, seine Auffassung dadurch eindringlich zu machen, daß er darauf hinweist, daß in Apol. 13 die Verheißungen Gottes, die da f ü r das Amt angeführt werden, dodi alle nur von dem Evangelium, von dem Wort überhaupt handeln, dadurch sei das Amt als Funktion betont (S. 63). Der Wahrheitskern hieran ist die starke funktionale Bestimmtheit des Amtes, das auf die Funktion hinzielt und nidit ohne sie vorgestellt werden kann. Jedoch scheitert Bernaus Auffassung von C A $ trotz des S. 63 f., Anm. 38 bei ihm Gesagten 1. am Wortlaut von C A 5, der das Amt als ein Institut bezeugt und 2. daran, daß in Apol. 13, 7 ff., von welcher Stelle her Bernau argumentiert, nicht nur allgemein das Amt, nidit nur der ordo (von dem ja C A 14 nach der Überschrift handelt), sondern sogar die Handauflegung Sakrament genannt und auf ein Gebot Gottes, Diener ins Amt einzusetzen hingewiesen wird, was alles auf ein bestelltes, institutsmäßiges Amt hinweist und dessen göttliche Stiftung ins Licht setzt. — Ähnlich Bernau äußert sich W. Trillhaas, Die luth. Lehre ,De potestate ecclesiastica', Zwischen den Zeiten 1933, S. $02.

18·

2

7i

Eine ganz ähnliche Position hat W. Maurer in seinem Buche „Pfarrerrecht und Bekenntnis, Berlin 1 9 J 7 " eingenommen. Maurer interpretiert das ministerium docendi Evangelii et porrigendi sacramenta von CA 5, von dem das .institutum est' ausgesagt ist, als ein „allgemeines Dienstamt der christlichen Gemeinde" und führt es auf das allgemeine Priestertum der Christen hinaus, aus dem dann das geordnete Pfarramt, das eigentliche Predigtamt erst (allerdings mit Notwendigkeit) hervorgeht (S. 67 ff.) 34 . Das ministerium dürfe nicht auf das recht lidi organisierte Amt beschränkt werden, letzteres könne überhaupt nur existieren, „weil und soweit es in der gesamten Christenheit jedem Christen . . . zu eigen ist" (S. 69). .Ministerium' solle in CA 5 als ein „von der Macht des göttlichen Wortes getragener und dieses Wort mündlich weitergebender menschlicher Hilfsdienst" gefaßt (S. 70) und nicht mit dem Predigtamt „im technischen Sinne" gleichgesetzt werden (S. 71). In dem Artikel 5 der CA sei „gar keine Aussage darüber enthalten, ob diese Personen (näml. die den äußerlichen Dienst am Wort ausüben) ein bestimmtes Amt in der Kirche inne haben müssen" (S. 72), wenn auch in dem Artikel Raum dafür da sei, daß dieser Dienst durch ein geordnetes Amt geschieht. Es läge bei der Interpretation von CA 5 „alles daran, daß der Artikel nicht einfach als eine Aussage über das evangelische Pfarramt verstanden, daß aber andererseits dieses Amt nidit ausgeschlossen wird von dem Wirken des äußerlichen Wortes, das ohne menschlichen Verkündigungsdienst nidit sein kann. In diesen allgemeinen Dienst der ganzen christlichen Gemeinde ist das Pfarramt als ein Dienstamt eingebettet" (S. 72; vgl. S. 68, Anm. 1). Maurer sieht also in CA 5 die göttliche Einsetzung eines weit gefaßten allgemeinen Dienstamtes, das in der einen oder anderen .Weise (in erster Linie durchs konkrete Pfarramt — S. 70 —, aber keineswegs nur durch dasselbe) die wirkende Kraft des Wortes des Evangeliums weitergibt. Im Unterschied dazu sei dann in CA 14 ausschließlich vom Pfarramt die Rede (S. 73 ff., 1 1 7 ff.). Maurer faßt das Verhältnis von CA j und 14 auch so: „Das allgemeine Dienstamt von CA 5 ist ein unmittelbarer Ausfluß des göttlichen Rechtes, institutionell nidit faßbar, von menschlichen Ordnungen nicht begrenzbar. Das öffentliche Dienstamt von CA 14 ist eine Institution, eine göttliche Stiftung, in ihrer Existenz vom göttlichen Recht gefordert und in ihren irdisch-geschichtlichen Ausprägungen seiner Kritik unterworfen" (S. 119). Maurer sieht also das geordnete öffentliche Pfarramt durchaus auch im Bereich des göttlich Gestifteten, aber doch nur insofern es in dem göttlich gestifteten allgemeinen Dienstamt von CA $ mitenthalten ist. „Das Dienstamt und mit ihm das Pfarramt ist göttliches Recht" (S. 78). „Und da das evangelische Dienstamt — das Pfarramt miteingeschlossen — göttlichen Redites ist . . ." (S. 78). Der göttliche Charakter des Pfarramtes ist nach Maurer konsekutiver Natur. „Dieser Dienst (näml. der allgemeine Dienst, der nach CA $ eingesetzt ist) erfordert nicht nur den gelegentlichen, immer neu erfolgenden Einsatz aller Gläubigen; er verlangt nach einer beständigen kirchlichen Ordnung, innerhalb deren er allezeit und für die ganze Kirche geschehen kann; er verlangt nach einer Institution, nach einem gestifteten Amt" (S. 112). So ergibt sidi für Maurer die Stiftung des konkreten Pfarramtes als Schlußfolgerung aus den Notwendigkeiten des gestifteten allgemeinen Dienstamtes. In dieser Konzeption findet sich aber ein Widerspruch. Ist in CA $ wirklich nur eine'allgemeine Dienstfunktion an Wort und Sakrament (die institutionell nicht faßbar ist, vgl. S. 119) göttlich eingesetzt und bleibt dabei die Frage, ob dieser Dienst in einer bestimmten amtlichen Ordnung zu geschehen hat oder nicht, ausgeklammert, ist also darüber bei der göttlichen Einsetzung des Dienstes nach CA 5 nichts entschieden (wie Maurer S. 72 urteilt), so besteht also eine konkrete göttliche Anordnung für das 34 So audi schon R. Sohm, Kirchenrecht I, S. 491, Anm. 18 und S. 499, Anm. 31, 'dessen Stellung zum Kirchenredit von Maurer im übrigen scharf bekämpft wird. Ganz ähnlich der Position Maurers ist die E. Kinders (D. ev. Glaube u. d. Kirche, Bri. i9$8, S. 146 ff.).

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Pfarramt — und nur eine solche kann man eigentlich als Stiftung bezeichnen — nach C A 5 nicht, dann kann man dasselbe im eigentlichen Sinne audi nicht eine Stiftung nennen, wie Maurer es doch andererseits wieder tut (S. 119). Es steht dann wohl — in Anbetracht dessen, daß die allgemeine Dienstfunktion „nach einer beständigen Ordnung . . . , nach einer Institution, nach einem gestifteten Amt" verlangt (S. 112) — indirekt mit der göttlichen Stiftung in Zusammenhang, kann aber nicht selbst eine göttliche Stiftung genannt werden. In dem Augenblick, wo letzteres doch geschieht, wird damit eo ipso auch ausgesagt, daß das nach CA j eingesetzte und das konkrete Pfarramt mit umgreifende allgemeine Dienstamt also auch eine Anordnung Gottes für das konkrete Pfarramt, eine Festsetzung bezüglich der Bindung des Dienstes an bestimmte, dazu besonders berufene Amtspersonen enthält. Lediglich der Totalumfang des eingesetzten Dienstamtes könnte dann noch über die Grenzen des konkreten Pfarramtes hinausragen, der Kern aber wäre eben als das konkrete, mit Personen besetzte Predigtamt der Kirche gerade auch eingesetzt, angeordnet, nicht aus CA 5 ausgeklammert. Fragen wir nun, was dafür spricht, den Umfang des in CA $ als eingesetzt bezeugten ministerium docendi evangelii et porrigendi sacramenta weiter zu fassen als das konkrete Predigtamt der Kirche, so wird von Maurer auf den „weiten, nicht auf bestimmte Amtspersonen eingeschränkten Gebrauch, den die Bekenntnisschriften von dem Begriffe .ministerium' machen" verwiesen (S. 68). Maurer führt als Belegstelle dafür Tract. 25 f. an, wo von dem ministerium professionis (Petri) gesprochen wird und das ,Super hanc petram' von Matth. 16, 18 mit ,super hoc ministerium* erläutert wird. Jedoch kann man von der Stelle auch den Eindruck haben, daß hier mit dem Begriff ,ministerium' gerade von dem speziellen Predigtamt gesprochen wird. Die Stelle steht im 1. Teil des Tractats, in dem nachgewiesen werden soll, daß der Papst nicht aus göttlichem Recht der Oberste über alle Bischöfe ist. Melanchthon konzentriert sich in seiner Beweisführung darauf zu zeigen, daß alle Apostel (auch Petrus) tanquam pares ad commune ministerium evangelii gesandt worden sind (Tract. 8; BKS 473). Auch Stellen wie Matth. 16, 18 f.; 18, 18; Joh. 21, 17 bezeugen: pariter omnibus apostolis tradi claves et pariter mitti omnes apostolos (Tract. 23; BKS 478). Petrus stelle in Matth. 16, 16 ff. und Joh. 21, 15 ff. die Person des totius coetus apostolorum dar (Tract. 24; BKS 478). Dann heißt es: Quod vero dictum est: ,Super hanc petram aedifìcabo ecclesiam meam', certe ecclesia non est aedificata super auctoritatem hominis, sed super ministerium professionis illius, quam Petrus fecerat, in qua praedicat Jesum esse Christum (Tract. 2$; BKS 479). Wollte man hier in Ministerium professionis' einfach den Bekenntnisdienst sehen, also das Zeugnis davon, daß Jesus der Christus sei, so wird das aber sehr erschwert durch den nachfolgenden Satz: Ideo alloquitur eum tanquam ministrum: ,Super hanc petram' id est super hoc ministerium (Tract. 2 j ; BKS 479). Im deutschen Text heißt diese Stelle: „Darumb redet er ihn auch an als einen Diener solchs Ampts, da diese Bekanntnus und Lehre innen gehen soll, und spricht: ,Auf diesen Felsen', das ist auf diese Predig und Predigampt" (ebda.). Als minister ist Petrus hier angeredet, — nicht einfach als Gläubiger, als Bekenner —, als Diener eines Amts, nämlich des Predigtamts des Neuen Testaments, in dem dieses Bekenntnis seinen Ort hat35. Das ministerium, auf das die Kirche gebaut ist, ist das Amt des Neuen Testaments, das konkrete Predigtamt (das allerdings mit 36 .Minister' wird an anderer Stelle des Tractats (§ 67; BKS 491) mit pastor gleichgesetzt und von Veit Dietrich im deutschen Text da mit .Pfarrherr" wiedergegeben. Wenn auch an dieser Stelle damit ein laicus angesprochen ist, so steht dieser da doch wegen des Notfalls an Stelle des Amtsträgers und trägt darum dessen Prädikate. Maurer sagt: „ . . . für gewöhnlich ist .minister' einfach Übersetzung von ,Prediger' . . . oder von .Kirchendiener' " (a. a. O., S. 70, Anm. 4). Es ist im Tractat mit .minister' immer der Träger des Predigtamts ins Auge gefaßt.

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der reinen Lehre des Evangeliums unlöslich zusammengehört)36. Wird nun im Ansdiluß an diese Stelle von diesem ministerium Novi Testamenti gesagt, daß es non est alligatum locis et personis, sicut ministerium Leviticum37, sed est dispersum per totum orbem terrarum et ibi est, ubi Deus dat dona sua apostolos, prophetas, pastores, doctores (Tract. 26; BKS 479), so soll damit — entsprechend dem ganzen Duktus des ι. Teils des Tractats — der Anspruch des Papstes abgewiesen werden, daß das Amt des Neuen Testaments an ihn (an seine Bestätigung, an den römischen Bischofsstuhl oder vielleicht auch noch an die ununterbrochene bischöfliche Sukzession) gebunden sei (wie das ministerium Leviticum an den Stamm Levi gebunden war), gleichzeitig aber wird auch klargestellt, daß es auch nicht einfach unterschiedslos überall ist, sondern eben nur da, wo Gott die Amtspersonen gibt (Apostel, Propheten, Hirten, Lehrer). Führt man dagegen aus der deutschen Übersetzung von Tract. 26 (BKS 479 f.) im folgenden Text die Worte ins Feld: „Und tut die Person garnichts zu solchem Wort und Ampt, von Christo befohlen, es predige und lehre es, wer da woll . . .", so ist auf den maßgeblichen lateinischen Text zu weisen, der im Tractat der ursprüngliche ist und der an dieser Stelle nur lautet: Nec valet illud ministerium propter ullius personae autoritatem, sed propter verbum a Christo traditum. Hiermit wird die Kraft dieses Amtes des Neuen Testaments auf das Wort gegründet (will sagen: also nicht auf die Autorität irgendeiner Person, etwa Petri oder des Papstes), das bei allen verschiedenen Amtsträgern das gleiche, konstante ist, und damit ein Sonderanspruch Petri bzw. des Papstes abgewehrt, nicht aber das Amt des Neuen Testaments von bestimmten Amtspersonen überhaupt gelöst38. Wir können also diese Stelle im Tractat nicht (jedenfalls nicht eindeutig) als Beleg für einen über konkrete Amtspersonen hinausgreifenden Gebrauch des Wortes .ministerium' in den Bekenntnisschriften nehmen. Maurer führt ferner Tract. 69; BKS 491 an (a.a.O., S. 68 f.), wo Melanchthon das ministerium aus dem sacerdotium hervorgehen lasse. Es ist aber da das allgemeine Priestertum nach 1. Petr. 2, 9 nur erwähnt, um das Redit der Kirche, Personen ins besondere Amt zu rufen, auch daraus zu erweisen30, das Wort .minister' ist da eindeutig nur von dem ins konkrete Amt berufenen öffentlichen Diener gebraucht. Schließlich wird von Maurer Apol. 13, 7 ff. herangezogen und von einer (dort ge3 * Zur Bestätigung dieser Auslegung des .ministerium' in Tract. 25 (BKS 479) auf das konkrete Predigtamt kann man die Stelle 21, 8 j i anführen, die zwar einige Jahre jünger ist, aber zeigt, wie Melanchthon überhaupt Matth. 16, 18 sonst verwandt hat. Dort spricht Melanchthon von dem Amt, das in der Ordination mit Personen bestellt wird und stellt fest, da es von Gott eingesetzt sei, könne es nie gänzlich zugrunde gehen. Zum Beweis führt er Matth. 16, 18 an: Christus enim inquit Matth. 16. (vs. 18.) Super hanc petram aedificabo Ecclesiam meam, id est, super hoc ministerium, et portae inferorum non praevalebunt adversus eam. Hier ist der Fels von Matth. 16, 18 für Melanchthon eindeutig das konkrete Amt.'Auch 14, 892 wird Matth. 16, 18 so ausgelegt, daß der Fels das konkrete Amt, der minister praedicans ist: Ita hoc dictum de aedificio Ecclesiae simplicissime intelligatur de vero ministerio. Vgl. auch 14, 427: super hanc petram, id est, super hoc ministerium praedicandae huius vocis. Die Auslegung der Stelle Tract. 25 (BKS 479) auf das konkrete Predigtamt findet sich auch z. B. bei W. O. Münter, Die Gestalt der Kirche ,nach göttlichem Recht*, München 1941, S. 8 f. Vgl. auch O. Ritsehl, Dogmengesch. I, S. 317 f. 37 Auch hier in dem Ausdruck .ministerium Leviticum' ist .ministerium' ein konkretes, sozusagen institutsmäßiges Amt. Dasjenige, worin sich dieses ministerium Lev. von dem ministerium N. T. unterscheidet, ist ja nicht dies, daß es ministerium ist, sondern daß es eben Leviticum ministerium ist. 38 Vgl. z. Auslegung von Tract. 24 fi. audi unten S. 300 f. '» Vgl. oben S. 26$.

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sdiehenen) Gleichsetzung des sacerdotium mit dem ministerium verbi et sacramentorum aliis porrigendorum gesprochen (a. a. O., S. 69; vgl. S. 104, Anm. 36). Jedoch ist an dieser Stelle bei dem Begriff ,sacerdotium' (Apol. 13, 7 Anfang) nicht an das allgemeine Priestertum aller Gläubigen gedacht, sondern in Anlehnung an den bisher eingebürgerten römischen Sprachgebrauch das besondere Amt gemeint (vgl. im deutschen Text: „Sakrament des Ordens oder Priestersdiaft": ebda., B K S 293), das im evangelischen Sinne als ministerium verbi et sacramentorum aliis porrigendorum gedeutet wird. Der Gedanke, daß das ministerium verbi, das besondere Amt, auf dem sacerdotium als dem allgemeinen Priestertum aller Gläubigen beruhe, liegt hier nicht vor 40 . Maurer weist auch nodi auf Tract. 31 ff. (BKS 480 ff.) hin ( a . a . O . , S. 69 f., Anm. 3) und bemerkt zu dem Ausdruck .ministerium evangelii' in Tract. 34 (BKS 481), hier sei „keineswegs an das kirchliche Amt gedacht" (a. a. O., S. 70, Anm. 3). Es kann aber dagegen gesagt werden, daß mit dem Satze: „Neglectum . . . est ministerium evangelii" zwar eine Funktion des kirchlichen Amtes, nämlich speziell die Evangeliumsverkündigung (im Unterschied zu falschen, weltlichen Funktionen, die der Papst unter Vernachlässigung der wahren Funktion dem kirchlichen Amte beigegeben hatte), aber immer doch eine Funktion des Amtes gemeint ist, denn von dem konkreten geistlichen Amte, zu dem Christus die Apostel gesandt hat, und seiner potestas spiritualis (d. h. dem mandatum docendi evangelii, annuntiandi remissionem peccatorum, administrandi sacramenta, excommunicandi impíos sine vi corporali: Tract. 3 1 ; B K S 480 f.) ist Tract. 31 ff. eindeutig die Rede (wie von Maurer a. a. O., S. 138 selbst anerkannt wird, wenn er die potestas spiritualis von Tract. 31 da als Vollmacht des öffentlidien Dieners anspricht). — Aus alledem können wir nicht den Eindruck gewinnen, daß in den Bekenntnisschriften ein Gebrauch des Wortes .ministerium' vorliegt, der irgendwo vom konkreten Predigtamt absieht und nur auf eine allgemeine Dienstfunktion abzielt. Damit ist es uns aber auch nicht möglich, in C A 5 den Bereich des dort gemeinten ministerium weiter zu fassen als das tatsächliche Predigtamt der Kirche, welche Möglichkeit u. E. ohnehin durch den Wortlaut von C A 5 — zumal im deutschen Text — verlegt ist. Melanchthon lehrt das A m t als göttliche Stiftung. Eigentlich ist es ihm der Sohn Gottes, Christus, der das A m t eingesetzt h a t " . E r hat es selbst (sdion im Paradiese und dann nach seiner Menschwerdung)

ausgeübt,

das E v a n g e l i u m offenbart und die Propheten und Apostel z u m A m t gesandt. D a s S e n d e w o r t Christi an die Apostel J o h . 20, 2 1 w i r d v o n M e 40

Die Stellen Apol. 24, 49.59 (BKS 363.366), auf die Maurer S. 104, Anm. 36 weist, sagen auch keine Ableitung des besonderen Amtes aus dem allgemeinen Priestertum aus. Maurer äußert audi, daß die Gleichung von sacerdotium und ministerium hier an dem öffentlichen Dienstamt verdeutlicht wird (ebda.). Apol. 24, 48 (49 ist offensichtlich Druckfehler) heißt es: . . . apud nos serviunt ministerio verbi sacerdotes (BKS 363). Mit .sacerdotes' sind die Diener im öffentlidien Predigtamt gemeint, deren Amt eben Wortamt ist. Und Apol. 24, 59 ist der Satz: . . . sacerdotium novi testamenti est ministerium spiritus (BKS 366) an 2. Kor. 3, 6 orientiert und auch von dem öffentlichen Predigtamt gemeint. In beiden Stellen liegt keine Anspielung auf das allgemeine Priestertum vor. 41 4, 367: Deus Evangelium propagavit per patres et Prophetas et postea per Christum et Apostolos et instituit Christus ministerium; 7, 699 f.: Gottes Sohn h a t . . . das Predigtampt eingesetzt; 28, 408: filius ipse instituit . . . ministerium. — Daß die göttliche Stiftung des Predigtamtes in C A j auch als gerade durch Christus geschehen vorgestellt ist, hat S. Sdiöffel (a. a. O., S. 201 f.) treffend betont.

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landithon auf alle A m t s t r ä g e r der Kirche bezogen. In der Sendung der Apostel sind alle rechten Lehrer der Kirche v o n Christus gesandt, darin auch das A m t f ü r alle Zeiten eingesetzt 42 . D a s Predigtamt ist daher ein A m t , das „ v o m gemeinen Beruf der A p o s t e l herkommet" 4 3 . E s besteht in einer stetigen Rückbeziehung auf das A m t der A p o s t e l und ist daher apostolisches

Amt.

Einsetzung und S t i f t u n g des A m t e s haben den Sinn, daß die v o n G o t t angeordnete A m t s f u n k t i o n (Predigt des Evangeliums, Reichung der S a kramente) stets an bestimmte, d a z u ausgesonderte und v o n der Kirche berufene Personen gebunden werden soll, deren öffentlicher Dienst a m E v a n g e l i u m die Kirche sammelt und erhält 44 . D i e göttliche Einsetzung des A m t e s ist also bei Melandithon gleichbedeutend mit dem Befehl Gottes, das A m t zu bestellen, Personen ins A m t zu rufen und mit dem A m t zu beauftragen 4 5 . In diesem Z u s a m m e n h a n g reflektiert Melandithon 42 7, 7 4 1 : Hic (sc. filius Dei) protulit ex sinu aeterni Patris Evangelium, hic ministerium Evangelicum instituít, et doctores misit et mittit. Rom. X . . v g l . 4, 349; 15, 385; 23, X X X V : „Und ist der Son Gottes selbs im Paradis dieser erste Prediger und Priester gewesen, und hernadi, da er Mensch worden, zum Predigampt gesand. Und hat zuuor die Propheten, und hernadi die Aposteln gesand. Wie er spricht, wie mich mein Vater gesand hat, also sende ich euch. Und dieses sol für und für also von allen rechten Lerern, die zum Ampt beruffen sind, verstanden werden. Der Son Gottes sendet sie . . . " . — Diese Begründung des gegenwärtigen kirchlichen Amtes auf das den Aposteln gegebene und die unbedenkliche Beziehung der an die Apostel gerichteten Befehle und Verheißungen Christi auf die gegenwärtigen Hirten und Lehrer in den Bekenntnisschriften ist verschiedentlich bemerkt worden. Vgl. A. F. O. Münchmeyer, Das Amt des Neuen Testaments nach Lehre der Schrift und der luth. Bekenntnisse, Osterode 1853, der S. 43 von den Bek.schriften sagt: „welche ohne Bedenken von den Aposteln reden, als von Trägern desselben Amts, welches jetzt die Bischöfe und Pfarrer inne haben"; E. Schlink, Theol. d. Bek.schr., S. 325, auch S. 326; W. O. Münter, Die Gestalt der Kirche ,nach göttlichem Recht', S. 7 f. 38 f. und F. Brunstäd, Theol. d. luth. Bek.schr., S. 207. 43

Tract. 10; B K S 474 (so allerdings nur in der deutschen Obersetzung formuliert). Vgl. dazu, daß Melandithon in C A 27, 13 (BKS 1 1 2 ) von den berufenen Dienern am Wort als von einem von Gott geordneten Stand spricht ( „ . . . Ständen, so von Gott geordnet seind, als Pfarrer- und Predigerstand . . . " ) . — Treffend hat Münchmeyer (a. a. O., S. 5 f.) bemerkt, daß die Symbole unsrer Kirche, wenn sie von dem ministerium reden, dasselbe immer nur so verstehen, daß darin dieses Zwiefache beschlossen ist: „ 1 ) das Amt wird nur von Einzelnen, nicht von allen Gliedern der Gemeinschaft, der dasselbe dient, ausgeübt; 2) es muß eine irgendwie von außen her erfolgende Berufung zu demselben, Einsetzung in dasselbe, stattfinden . . . " . Vgl. auch W. Löhe, Neue Aphorismen, Ges. Werke V. 1, S. $52. 45 5, 585: Gott „hat uns elenden Menschen befohlen, Personen, die christliche Lahr verstehen, zu berufen"; 5, 596: „ . . . dafür zu danken, daß Gott der Kirchen befohlen hat, daß sie selb Personen zum Predigampt und Dienst der Sacrament wählen soll"; 5, 7 1 1 : vult Deus eligi idoneos ad docendum Evangelium; 5, 825: mandata dedit Ecclesiae suae, ut vocet idoneos ministros; 15, 1332: Deus vult Ecclesiam ipsam vocare ministros; 21, 470: Ministerium verbi habet mandatum Dei; 21, 503: Ecclesia mandatum habet, ne admittat impíos doctores, sed quaerat bonos; 21, 8jo: vocatio ad ministerium . . . haec omnia mandato Evangelii praecipiuntur; 23, X X X V I : Dabey 44

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fast immer auf Tit. i, j, welche Stelle ihm geradezu als konkretes mandatum Dei gilt, das Amt zu bestellen46. Von Bedeutung ist für Melandithon auch das -κατά πάλιν in Tit. i, $, wodurch die Bezogenheit des Amtes auf eine bestimmte Gemeinde zum Ausdruck gebracht wird. Das göttlich gestiftete Amt, zu dem bestimmte Personen berufen werden sollen, ist für Melanchthon parochiales Pfarramt. Christus wollte, post Apostolos vocari pastores in omnibus Ecclesiis fungentes · officio docendi Evangelii . . H a b e t suum quisque gregem48. Die parochiale Struktur des Amtes ist für Melandithon sogar iuris divini49.

Neben Tit. i, 5 ist für Melandithon Eph. 4, 8 ff. (bes. V. 1 1 ) die maßgebende Sdiriftstelle für die Einsetzung des geistlichen Amtes durch Christus50. Christus hat nach seiner Erhöhung den Menschen Gaben geaber hat er (näml. Gott) der Kirchen befohlen, das sie selb Personen beruffen und ordinirn sol . . . ; Apol. 13, 12 (BKS 294): Habet enim ecclesia mandatum de constituendis ministris. — Höfling hat diese Stelle umgedeutet, als wäre mandatum nicht als positives göttliches Gebot zu fassen, sondern nur als die innere Notwendigkeit der priesterlichen Gemeinde, die in allen einzelnen Gliedern mit dem allgemeinen Amt begabt ist. Sie müsse das Amt bestellen, weil es alle nicht zugleich ausüben können. In dem damit von Gott gegebenen Zustand, daß alle es haben und dodi nidit alle es ausüben können, sieht Höfling das mandatum zur Bestellung (Grundsätze, S. 72 ff.). W. O. Münter hat über diese Auffassung Höflings mit Recht geurteilt, daß sie von der Furcht vor einem neuen Zeremonialgesetz geleitet sei, „nicht aber von dem Befund der Quellen" (Die Gestalt der Kirche usw., S. 58). Es handle sidi bei dieser Darstellung Höflings um eine „pseudo-lutherisdie Lehre" (ebda.). — R. Sohm, der behauptet hatte: daß die Kirche Prediger bestelle, geschehe nach „menschlichem Belieben" (Weltliches und geistlidies Recht, 1914, S. 56), ist K. Thieme (Die Augsb. Konf. S. 10, Anm. 1) bereits entgegengetreten: „(öffentliche Prediger' .ordentlichen Berufs' (rite vocati) zu bestellen, ist Gottes Befehl, geschieht ,nach göttlichen Rechten'". 48 21, 850: Et mandatum Ecclesiae datum est, ut eligantur ministri seu legati tales, ut ad Titum expresse scribitur; 21, 1100: Deum velie . . . vocari Ministros Evangelii . . . , Paulus praecipit Tito, ut constituât Presbyteros passim in oppidis; 5, 596: . . . wie Paulus Tito befohlen, daß er Priester in die Städte setzen und verordnen sollt; j , 629; 5, 825: Sciat hic ordinatus voce apostolica (näml. Tit. 1, 5) sibi praecipi in hac functione (im Bischofsamt), ut sacerdotes ad docendas et regendas Ecclesias ordinet; 15, 1332: Haec dicta (Tit. 1, 5; 1. Tim. 5, 22; 2. Tim. 2, 2) manifeste ostendunt Ecclesiae praecipi, ut ministros eligat; 26, 360: . . . Sicut et Paulus praecipit Tito, ut in civitatibus presbyteros constituât. " 4, 368; 21, 1100: Episcopus seu Pastor est doctor vocatus . . . in loco certo. 48 21, $j6; vgl. auch 5, $97: „Das ist in gemein geredt vom Predigampt, das ist, von allen Seelsorgern, so in der Lehr und Reidiung der Sacrament ihren Beruf, jeder an seinem Ort, redit ausrichten". — In der Stelle 21, 556 (im Text zitiert) wird die Parodiialordnung des Amtes zwar als Stück der politia Ecclesiastica ab Ecclesia instituta gelehrt. Jedodi behauptet Melanchthon auch das ius divinum dafür, wie das in der folgenden Fußnote mitgeteilte Zitat beweist. *" I i , 491 : Nemini . . . licet sine vocatione usurpare ministerium. Ideo et distinctio παροικιών, est iuris divini, quia non vocatus non debet irrumpere in alienam Ecclesiam. Hier spielt die Lehre von der Vokation mit hinein. Da diese iure divino audi von der Gemeinde erfolgen muß, muß sie ja auf einen bestimmten Ort, eine bestimmte Gemeinde bezogen sein. 50 21, 853: Haec dicit Paulus Eph. 4 . . . his verbis: Institutum esse ministerium Evangelii, ut Evangelium conservetur . . . 281

geben, die die Früchte seines Sieges enthalten. Diese G a b e n ( d o n a p r o p r i a Ecclesiae)

sind A p o s t e l , Propheten, E v a n g e l i s t e n , H i r t e n u n d

Lehrer

( V . 1 1 ) . Sie w e r d e n v o n C h r i s t u s gegeben a d ministerium, a d aedificationem corporis C h r i s t i , a d instruendos sanctos 5 1 . D i e Stelle h a t nach Melanchthons A u f f a s s u n g den Sinn, daß C h r i s t u s der Kirche stets P e r sonen z u m A m t gibt. M i t der G a b e der A m t s p e r s o n e n gibt er aber auch das A m t selbst. D a ß die K i r c h e Personen fürs A m t u n d d a n n Personen im A m t , also das bestellte A m t , hat, beruht auf dem W i l l e n C h r i s t i , der diese A m t s p e r s o n e n

schenkt u n d i m m e r w i e d e r neu ins A m t

sendet.

E p h . 4, χ ι bezeugt nach Melanchthon, daß C h r i s t u s dies z u allen Z e i t e n tun w i l l . S o m i t sind w i r auf den G e d a n k e n der göttlichen Amtes

Erhaltung

des

geführt 5 2 . E s ist v o n C h r i s t u s gestiftet als ein ministerium d u r a -

turum usque a d c o n s u m m a t i o n e m mundi 5 3 . C h r i s t u s w i l l , daß es z u allen Z e i t e n der K i r c h e erhalten w i r d u n d erhält es selbst, w i e er es gestiftet hat 5 4 . D a z u gehört auch, daß er das A m t , das j a ein ministerium custo51 2i, 505. — In einer Oratiuncula de dicto Pauli Ephes. I V aus dem J a h r e 1559 ( C R 12, 345 ff.) erörtert Melanchthon die Frage, w a r u m da als die Gaben, die C h r i stus als Früdite seines Sieges austeilt, nicht Sündenvergebung, Versöhnung, heiliger Geist, H o f f n u n g des ewigen Lebens usw. genannt werden, sondern Apostel, Propheten, Evangelisten, H i r t e n und Lehrer und a n t w o r t e t : Causa est verissima, quod divus Paulus respexit ad modum, quo communicantur nobis haec coelestia et aeterna bona, quae non aliter nobis tribuuntur, nisi per ministerium verbi . . . , G o t t habe beschlossen, durch die vox Evangelii sonans per Apostolos et non aliter die Mensdien seligzumachen (12, 349). Beachtlich ist die innige H a r m o n i e , in der sidi Melanchthon Evangelium und Amt denkt. 52

4, 367 f.: (zu Eph. 4, 11) Conservât enim Evangelium et voluit post Apostolos vocari pastores in omnibus ecclesiis . . . , quos excitât; 5, 584: „wiewohl G o t t das Predigamt erhält und wählet tüchtige Lehrer, wie geschrieben stehet Ephes. 4."; j, J9J f.: „ H i e zeuget St. Paulus klar, d a ß durch Christus das rechte P r e d i g a m p t in der Kirchen erhalten w i r d , nämlich also, d a ß Christus selb f ü r und f ü r redite Prediger erwecket und erhält, die sein gegeben Evangelium rein lehren, und, so es verdunkelt, wiederum klar machen"; 12, 349 f.: (der T r o s t aus Eph. 4, 11:) quod filius Dei ipse sit custos Ecclesiae, et conservet ministerium, excitatis subinde piis ac salutaribus Doctoribus. Ideo enim ascendit in altum, inquit Paulus, ideo sedet ad dext r a m Dei patris, ideo régnât, ut det ministros, quorum voce colligatur Ecclesia genere h u m a n o ; 28, 412: (nach Eph. 4) Filius dei est summus sacerdos, unctus ab aeterno patre, qui ut non f u n d i t u s intereat Ecclesia, ministros Euangelij ei attribuit (teils immediate, teils d u r d i menschliche Berufung erwählt). " 4, 367· 54 5> 595 : »Predigampt, das G o t t zu aller Zeit der Kirchen gegeben hat, und gnädiglidi selb f ü r und f ü r e r h ä l t " ; j , $98: wir wissen wohl, d a ß das Ministerium Evangelii nicht auf mensdilidien willen und Macht gebauet ist, sondern unser Heiland Christus will es wunderbarlich erhalten"; 5, 580.584; 7, 576: Servat . . . Deus in Ecclesia ministerium Evangelicum; 7, 699 f.: (Gott) h a t dazu das Predigtampt eingesetzt und erhält es wunderbarlich; 12, 381: ministerium verbi et institutum et mirabiliter servatum; 21, 850: Ministerium docentium Evangelium, quod in Ecclesia vult perpetua vocatione conservare; 21, 853; 23, X X X V I : Christus der „ewige priester und erhalter des ministeri)"; 28, 408: filius ipse instituit et conservavit ministerium. Vgl. Stud. Ausg. Bd. V I , S. 301 f. 282

diendae et propagandae doctrinae (de filio) ist55, immer wieder reinigt und erneuert58. So bleibt eine continua series von Amtsträgern, durch die Gott sich eine Kirche aus dem Menschengeschlecht sammelt". Die Lehre von der göttlichen Erhaltung des Amtes, die bei Melanchthon mit der von der göttlichen Stiftung desselben eng verknüpft ist, bestätigt den Charakter des Amtes als eines der Kirche bleibend und wesensmäßig eingestifteten Instituts53. Die beiden Begriffe ,instituere' und ,conservare' erscheinen bei Melanchthon oft nebeneinander5® und sind geradezu eine stehende Formel zur Bezeichnung des göttlichen Tuns in bezug auf das Amt. Der letztere ist dabei nur Erläuterung des ersteren. Die Stiftung des Amtes schließt audi die Erhaltung desselben in der Kirche ein. Trägt das gestiftete Amt diesen Charakter eines bleibenden Instituts60, so kann die Kirche nicht ohne dasselbe gedacht werden61. Eine Kirche ohne Amt wäre in Melanchthons Denken eine Kirche ohne Evangelium, d. h. aber audi ohne Vergebung der Sünden und ewiges Heil. Wie die Kirche nicht ohne das Evangelium sein kann, so auch nicht ohne das Amt des Evangeliums68. Und ist sie ohne das Amt, so ist sie eben 55

28, 408.

M

2 1 , 853; j , 596; 2 i , 1049: ingentibus miraculis a Deo subinde instauratimi et defensum in genere humano. 57 15, 1332. — Erhält Gott selbst das Amt, so muß doch die Kirche audi um die Erhaltung des Amtes, um treue Arbeiter für die Ernte des Herrn beten: 12, 378 f . ; 12, 381. 58 Treffend bezeichnet darum H . Liermann im Anschluß an C A 5 und C A 14 das Amt als „tragende Säule" der Kirchenverfassung, als „Grundelement lutherischer K i r chenverfassung", als eine „echte Fundamentalinstitution der Verfassung", die im ius divinum verwurzelt ist (Grundlagen des kirdil. Verfassungsrechts nach luth. A u f f a s sung, Luthertum H e f t i i , Berlin 1954, S. 6 f.). — Ebenso W. O. Miinter, Die Gestalt der Kirdie usw., S. 5 1 ; vgl. S. 9: der Kirche für ihre Ordnung und Gestalt „im Amt ein durchgehender Strukturgrundriß ,jure divino' gegeben". 5

' Z. B. 5, J 9 J ; J , 825; 7, 699 f.; 12, 3 8 1 ; 2 1 , 8$o; 28, 408.

M

j , 2 1 2 : die bleibende Kirche ist der coetus, qui sonat vocem Evangelii. Ergo et ministerium in eo coetu est; 12, 488 f. (das ministerium catholicum immer mit der ecclesia catholica verbunden, w o ersteres, da auch letztere); 2 1 , 83$: Mansura est . . . vox Evangelii et ministerii, et erit aliquis visibilis coetus ecclesia Dei, sed ut coetus Sdiolasticus. Est ordo, est discrimen inter docentes et auditores, et sunt gradus; vgl. audi 12, 195. β1

Vgl. O. Ritsehl, a . a . O . , S. 318.321.338 und Herrlinger, a . a . O . , S. 256.

62

8, 430 f.: ohne Pastoren sein, hieße ohne Schlüssel, Evangelium, Vergebung der Sünden sein; 12, 490: Neque Ecclesia existere potest extineto hoc ministerio; ibid: ñeque salvat Deus sine ilio ministerio, quod ipse ordinavit; 14, 892: Ut sit fìlius efficax per evangelium, oportet esse ministerium evangelii; 12, 519: Ubi est Ecclesia, ibi necesse est iustam ordinationem ministrorum esse; 2 1 , 50$ : Impossibile est enim Ecclesiam esse sine Evangelio, item sine remissione peccatorum. Ideo hoc ius (näml. das Amt zu bestellen) proprium est Ecclesiae. 283

nicht Kirche83. Die Kirche ist also an das Amt des Evangeliums gebunden". Jedoch bedeutet das nicht, daß das Amt des Evangeliums seinerseits an eine bestimmte Folge der Amtspersonen oder an bestimmte Orte gebunden ist85. Christus vetuit Ecclesiam alligare ad certas personas et humanam auctoritatem 88 . Man muß das ministerium Evangelicum unterscheiden von der in der päpstlichen Kirche vorhandenen politia Episcoporum, die an Orte, Personen und die ordentliche Sukzession gebunden ist87. Die successio ordinaria der Bischöfe ist nicht conditio sine qua non des Amtes und der Kirche, ist keine göttliche Ordnung, wie die Päpstlichen glauben88. Das Amt ist weder an die formale Sukzession noch an den Bischofstitel gekettet89. Sukzession ohne reine Lehre des Evangeliums nämlich ist gänzlich ohne Wert und betrifft überhaupt nicht das Wesen der Kirche70, denn das wahre Amt lebt in der Bindung an das Evangelium, an die reine Lehre. Wenn nur das Evangelium bleibt, so bleibt auch das Amt, — auch wenn die äußere Sukzession unterbrochen wird. Wie die wahre Kirche zerstreut ist über den ganzen Erdkreis, oft cruce subiecta, und sich keiner ungebrochenen Gestalt hier auf Erden erfreuen kann, so steht auch das Amt der Kirche nicht immer in unverletzter Sukzession, sondern ist dispersum per totum orbem terrarum, nämlich dort, wo Gott Apostel, Propheten, Hirten und Lehrer gibt71. . Der Satz, daß die Kirche nie ohne das Amt ist, daß sie an das Amt gebunden ist, drückt einerseits die unbedingte Bindung der Kirche an das Evangelium aus und andererseits die Bindung an dessen geordnete Aus83 14, 892: N o n est Ecclesia, ubi non est verum ministerium; 21, 832: non est Ecclesia in eo coetu, ubi nec notitia est promissionis de Christo nec vox nec ministerium Evangelii. 84 5> $96; 5, 628; Ii, 760: semper ibi sciamus vere esse Dei ecclesiam, ubi ministerium est Evangelii; 14, 427; 15, 317; 21, 833: Sciamus igitur Ecclesiam Dei coetum esse alligatum ad vocem seu ministerium Evangelii; 21, 844. 95 Tract. 26 (BKS 479). 68 2 i , j o j ; auch jo6. 67 j, 627: Necesse est igitur discernere ab illa politia Episcoporum alligata locis, personis + succesioni ordinariae, imperils, legibus humanis, ipsum ministerium Evangelicum, quod Deus instituit, et magna misericordia subinde instaurât, et perpetuo servat Ecclesiae suae, quod non alligatum est certis locis, personis et humanis legibus, sed Evangelio; j, 595; vgl. Stud. Ausg. Bd. VI, S. 290 f. 68 Vgl. 4, 689.731; 15, 981. ββ ι j, 317: dico alligatam esse Ecclesiam ad Evangelium et ad ministerium Evangelii, sed non ad Episcopatum Romanum et successionem ordinariam; vgl. 5, 212; 12, $26; 12, 602; i j , 74.76.736; 21, 834 f.; 21, 839.844; 23, 598. 70 21, 844: Cum Episcopi non recte docent, nihil ad Ecclesiam pertinet ordinaria successio, sed necessario relinquendi sunt; 24, 402: Successio Episcoporum nihil est, nisi conservetur doctrina Apostolorum; vgl. 12, 378: Viele sind praetextu ordinariae successionis in die gubernatio Ecclesiae eipgedrungen, und sind in Wahrheit faule Bauche und nur auf Geld und Vergnügen aus. 71 Tract. 26 (BKS 479).

284

richtung durch bestimmte Personen, die Gott zu allen Zeiten und an allen Orten schickt. Dieser doppelte Sachverhalt findet sich in folgendem Satze Melanchthons dargestellt: Ecclesia ad ipsum Evangelium Dei alligata est, quod ut sonet in ministerio, Deus subinde excitât aliquos recte docentes72. Es ist nicht möglich, daß das wahre Amt des Evangeliums jemals untergeht, weil es von Gott eingesetzt ist als Grundstein und Felsen der Kirche, von der Christus sagt: die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen". Die Frommen sollen wissen, mansuras esse reliquias Ecclesiae et veri ministerii, etiamsi ruant imperia74. 3. Instrumentum Spiritus Sancti Ist das Amt von Gott eingesetzt und wird es als ständiges Institut in der Kirche von Gott erhalten, so muß es eine entscheidend wichtige Funktion haben. Es ist bereits ausgeführt worden, daß Melanchthon großes Gewicht auf den von Gott geordneten modus der Heilsübereignung durch Evangelium und Sakramente legt und in diesen von Gott geordneten modus gerade auch das Amt des Evangeliums und der Sakramente einbezieht75. Die heilsvermittelnde Bedeutung des Evangeliums ist für Melanchthon auch zugleich die des Amtes, mit dem ja das Evangelium unlöslich zusammengehört76. Das Amt ist Dienst am Evangelium und hat somit die Funktion, die Heilsgüter des Evangeliums den Menschen zu übereignen. Besonderes Gewicht gewinnt diese Funktion des Amtes dadurch, daß sie nach Gottes "Willen das ausschließliche Mittel der Heilsübereignung (jedenfalls im Hinblick auf geordnete, normale Verhältnisse) darstellt. „Durch dieses ampt, und nicht anders" sammelt Gott sich seine ewige Kirche hier auf Erden77, hoc modo (nämlich durch 7î

2 1 , 834; vgl. i j , 385. 2 i , 8 j i : Est et haec magna consolatio, cum hoc ministerium a Deo institutum sit, etiamsi semper in mundo varie quassatur, et multi homines ab eo desciscunt ac pereunt, tarnen non poterit funditus deleri. Christus enim inquit . . . Super hanc petram aedificabo Ecclesiam meam, id est, super hoc ministerium, et portae inferorum non praevalebunt adversus eam; vgl. Tract. 25 (BKS 479). Vgl. überhaupt oben S. 277 f.; S. 278, Anm. 36. 74 21, 851. 75 Vgl. oben S. 246 ff. 79 Vgl. oben S. 249 f. und 256 ff. Besonders zeigt Melanchthon diese bedeutsame Stellung des Amtes im Heilsprozeß an Hand von Rom. 10, 14 f. auf, zu welcher Stelle er bemerkt: Estque hic locus praecipuus de necessitate et dignitate ministerii diligéntissime observandus, ut sciamus, quomodo Deus sit efficax in nobis ( i j , 694; vgl. 15, 4 7 7 f·)· 77 j , 585; vgl. 12, 109; 12, 349 (siehe audi oben S. 282, Anm. 51); 12, 490: neque salvat Deus sine ilio ministerio, quod ipse ordinavit; 15, 1 3 3 2 : Hoc ingens bonum agnoscendum est, et Deo gratiae agendae sunt: ac tenenda consolatio, quod hoc modo (näml. durdí Berufung zum Amt und Wirksamkeit Gottes durchs Amt) Deus continua serie sibi colligit Ecclesiam, et ministerio recte docentium adest. 78

285

Einsetzung und Erhaltung des Amtes) nos recipit ac a peccato, a potestate Diaboli et aeterna morte libérât, ac iustitiam et vitam aeternam nobis restituit78. In der CA wird mit aller Deutlichkeit von den ewigen Gütern (Gerechtigkeit, heiliger Geist, ewiges Leben) gesagt: Haec non possunt contingere nisi per ministerium verbi et Sacramentorum79. Das Amt ist notwendig, weil seine Funktion in dem den Heilsweg ordnenden Willen Gottes begründet liegt80. Sagt Melanchthon in der Apologie von der Schlüsselgewalt — die ja vornehmlich durchs Amt ausgeübt wird —, daß sie administrât et exhibet evangelium per absolutionem81, so ist damit auch das Wesen des ganzen Amtes treffend gekennzeichnet. Es geht beim kirchlichen Amt um die Administration und Exhibition des Evangeliums durch die tatsächliche Funktion der dem Amte anvertrauten Gnadenmittel. Das Amt ist nach Gottes Willen die Gewährleistung der Exhibition des Evangeliums und der Gnadenmitteilung an die Menschen®*. Soll das Amt nach Gottes Willen die Exhibition des Evangeliums gewährleisten, so zielt es ab auf den Glauben, durch den das Evangelium ja nur angeeignet werden kann. Darum wird in CA j der Zweck der göttlichen Einsetzung des ministerium docendi evangelii et porrigendi sacramenta mit den Worten: „Ut hanc fidem consequamur" angegeben83. Wie aus dem folgenden Satz ,nam per verbum et sacramenta tamquam per instrumenta donatur spiritus sanctus, qui fidem efficit' erhellt, ist das Glauben Stiftende dabei nidit an sich das Amt, sondern das Wort und die Sakramente. Sonst müßte es — genaugenommen — ja heißen: nam per ministerium donatur spiritus sanctus, qui fidem efficit 84 . Der Glaube kommt nicht eigentlich aus dem Amt, sondern aus dem Wort und den Sakramenten. Die zweite Aussage des Artikels, daß der heilige Geist 78

21, 8$o.

" CA 28, 8 f. (BKS 122). .Ministerium* darf hier nicht rein funktional genommen werden, da ja von den konkreten Bisdiöfen, von der potestas episcoporum thematisch die Rede ist und diese mit dem ministerium gleichgesetzt werden. 80 Zur Notwendigkeit des Amtes vgl. 5, $96: Wir bekennen, wie es auch ewige unwandelbare Wahrheit ist, daß das Predigampt und Dienst der Sacrament nötig ist, und daß die Kirdie daran gebunden ist; i j , 991: cum autem sciamus, ministerium Evangelii necessarium esse . . . Vgl. F. W. Hopf, Luth. Kirchenordnung (Bek. Kirche H e f t 29), München 193 j , S. 20. 81 Apol. 12, 39 (BKS 259). 82 W. O. Münter hat in diesem Sinne das göttlich gestiftete Amt nadi den Bek.schriften eine „heilsordnungsmäßige Institution" genannt (Die Gestalt der Kirche usw., S. $1). 88 CA j , ι (BKS J7). Vgl. 21, J19: Et ut haec beneficia consequamur, ordinatum est ministerium Evangelii, per quod vocantur homines ad agnitionem Christi. — H . E. Creutzig (Amt u. Ämter i. d. luth. Kirche, in: Luthertum 1938, S. 114) hat hervorgehoben, daß das finale Ut in CA 5 den engen Zusammenhang zwischen Rechtfertigung (rechtfertigendem Glauben) und Amt bezeugt. 84 Allerdings finden sich audi gerade soldie Formulierungen bei Melanchthon nicht selten. Z. B. 12, 349; IJ, I6J; 21, 850; vgl. oben S. 256 ff. Man darf also aus dieser Beobachtung auch nicht zu weitreichende Folgerungen ziehen!

286

nicht direkt, ohne äußere Mittel, sondern eben durch Wort und Sakramente gegeben werde, trägt sachlich die erste von der Einsetzung des Amtes des Wortes und der Sakramente 85 . Das Amt ist von Gott nicht um seiner selbst willen eingesetzt, sondern um des Wortes und der Sakramente willen, durch die es zum Glauben und damit zur Heilsaneignung kommen soll. Die Einsetzung des Amtes zielt auf das Evangelium und die Sakramente hin, auf deren tatsächliche Funktion, von welcher es auch gar nicht abstrahiert werden kann. Darum ist das Amt audi ein ministerium docendi evangelii et porrigendi sacramenta genannt. Die verbale Form betont den funktionalen Charakter des Amtes. Aber damit es nun zu derjenigen Funktion des Wortes und der Sakramente kommt, durch die der Glaube ubi et quando visum est Deo, also entsprechend dem Rat und Willen Gottes gewirkt wird, ist gerade das Amt von Wichtigkeit. Die Funktion der Gnadenmittel soll nach Gottes Willen in der Kirche stetig, geordnet, von bestimmten dazu berufenen Personen, institutsmäßig erfolgen. Und nur so kann es eben in dem Maße, wie es dem Heilsratschluß Gottes entspricht, durch Wort und Sakrament zum Glauben kommen. Darum hat Gott nicht einfach nur das Lehren des Wortes und das Verwalten der Sakramente eingesetzt ut hanc fidem consequamur, sondern eben das Amt des Lehrens des Evangeliums und des Verwaltens der Sakramente. Es hat also durchaus einen guten Sinn, ja eine hochwichtige Bedeutung, daß die Erlangung des Glaubens als Zweck gerade der Stiftung des Amtes angegeben wird. D a s eigentümliche engen Verknüpfung nalen.

der melandithonisdien des institutionellen

A u f f a s s u n g liegt in

Gedankens

mit dem

der

funktio-

Gnadenmittel und A m t liegen nach Gottes W i l l e n ineinander,

sich gegenseitig fordernd, ohne daß dodi die Möglichkeit ausgeschlossen w ä r e , daß beide extraordinarie in der einen oder anderen Richtung auseinandertreten können. D a s A m t kann sich v o n der rechten Funktion der Gnadenmittel lösen, w o m i t es selbst allerdings seines w a h r e n , gottgewollten C h a r a k t e r s verlustig geht, und die Gnadenmittel sind nicht absolut in das A m t hinein absorbiert, nicht absolut an das A m t angebunden, sie behalten ihre Freiheit — in der N o t (oder audi im privaten Bereich) k a n n es audi eine F u n k t i o n der Gnadenmittel ohne das bestellte A m t geben — , jedoch v e r l ä u f t ihre Funktion im Kern

immer

in den

Bahnen der d a z u erfolgten A n o r d n u n g und Einrichtung Gottes, die A m t genannt w i r d und deren Z w e c k es ist, die stetige heilschaffende F u n k t i o n des E v a n g e l i u m s in der Kirche zu gewährleisten. D a s k o m m t sehr deutlich z u m Ausdruck, w e n n Melanchthon sagt, das A m t sei v o n G o t t eingesetzt, ut E v a n g e l i u m in terris

conservetur8e.

Ist das A m t eingesetzt zur Exhibition des Evangeliums, um das E v a n gelium glaubenstiftend in dem v o n G o t t gesetzten M a ß e zur W i r k u n g kommen zu lassen, so ist mit der Einsetzung des A m t e s audi die heißung

gegeben, daß eben Gott selbst durchs Amt,

durò

die

Ver-

Amtsper-

85 Das wird auch schon rein optisch an dem Satzgefüge des Artikels deutlich: Ut hanc fidem consequamur ->• institutum est ministerium • . Sohm begeht den Fehler, unter den Aposteln, Propheten, Hirten und Lehrern von Eph. 4, 1 1 , auf die in Tract. 26 (BKS 479) hingewiesen wird, einfach die Charismen zu verstehen160. Es handelt sich aber da um Ämter oder Amtspersonen, die Gott gibt. Heißt es Tract. 26, das Amt des Neuen Testaments sei da, wo Gott seine Gaben gibt, nämlich Apostel, Propheten, Hirten und Lehrer, so bedeutet das, daß es da ist, wo es als bestelltes in Erscheinung tritt, wozu gewiß die mit dem Lehrcharisma ausgestatteten Personen gehören, aber doch auch die Berufung ins Amt, die mit dem Charisma nicht zu identifizieren ist (wie Sohm will) 161 . Überall, wo die ecclesia von der ihr ver157

Kirchenrecht I, S. 489 ff. — Nach Sohm hat jeder Christ das Schlüsselamt und Predigtamt direkt von Gott. Die Rolle der Kirche, d. h. der Versammlung von Christen, ist nach Sohm nur die, daß sie die öffentliche Ausübung des von Gott empfangenen Predigtamtes gestattet. Sohm bestreitet, daß die Kirche als solche das Schlüsselamt oder das Predigtamt hat (bes. S. 502, Anm. 33). Das sind ganz unmelanchthonische Gedanken. 158 So auch W. O. Münter, Die Gestalt der Kirche ,nach göttlichem Recht', S. 56, und derselbe, Begriff u. Wirklichkeit, S. 30 f. Ebenso F. J. Stahl, a.a.O., S. 411 f. Vgl. weiter Theod. Harnack, Die Kirche, ihr Amt, ihr Regiment, Neudruck 1947, S. 42, These 8$. Zu Tract. 24 speziell A. F. O. Münchmeyer, Das Amt des Neuen Testaments usw., S. 61 f. 64. 158 Vgl. oben S. 277 ff. 180 Besonders a. a. O., S. J04 f. So hat Melanchthon Eph. 4 nicht aufgefaßt. Vgl. auch W. O. Münter, Begriff und Wirklichkeit, S. 68, der gegen Sohm das gleiche geltend macht. 1,1 Tract. 67 wird aus Eph. 4, 11 gerade die Folgerung gezogen, daß da, wo die wahre Kirche ist, auch das Recht ist, Kirchendiener zu wählen und zu ordinieren.

300

liehenen Schlüsselgewalt Gebrauch machend Personen in das von Gott gegebene Amt beruft und wo diese Amtspersonen die reine Lehre von Christus predigen, ist das Amt des Neuen Testaments. Und dieses Amt beruht dabei in seiner Gültigkeit nicht auf der besonderen Autorität eines einzelnen Menschen, etwa dessen, der ins Amt berufen hat, nicht auf der des Papstes (es geht ja thematisch um superioritas seu dominado Petri 1), sondern darauf, daß der Amtsträger — nachdem er von der Kirche ins Amt berufen ist — nun an dem reinen Wort von Christus hält. So ist Tract. 26 zu erklären168. Es ist darin nicht die Auflösung des auf besonderer Berufung beruhenden konkreten Amtes vertreten, sondern nur der zeremonialgesetzlidie Anspruch des Papstes abgewehrt. Es geht im ganzen Tractat nirgends darum, die besondere Amtsgewalt allen Christen zu vindizieren163. Also sieht Melanchthon gerade die Berufung als mitzugehörig zu der Gabe der Amtspersonen von Eph. 4, 1 1 ! Vgl. audi Α. F. O. Mündimeyer, a. a. O., S. 13 und Theod. Harnack, a. a. O., S. 47. Harnack setzt der Ansicht, daß mit den Charismen schon das Amt gegeben sei, entgegen, daß die Gaben von dem Herrn ja gegeben sind „Nidit zur Erzeugung des Amtes, sondern für die geeignete Ausübung des von ihm gestifteten (Amtes)" (These 95, S. 47). „ . . . die Kirche hat ein Amt, nicht weil sie gläubige oder geisdidi begabte Personen, sondern weil sie die Gnadenmittel und das Mandat des Herrn hat" (These 96, S. 47). Harnack sieht audi klar, daß zum Vorhandensein der Gaben für das konkrete Amt die Auflegung des Mandats des Herrn auf eine begabte Person, also die Berufung zum Amt hinzutreten muß. Ebenso W. Löhe, Ges. Werke, Bd. V. 1, S. $44. 162 Es ist die Frage, ob Veit Dietrichs deutsche Ubersetzung den Sinn des lateinischen Textes zutreffend wiedergegeben hat, wenn für den letzten Satz von Tract. 26 steht: „Und tut die Person garnichts zu solchem Wort und Ahipt, von Christo befohlen, es predige und lehre es, wer da woll, wo Herzen sind, die es glauben und sich daran halten, den widerfähret, wie sie es hören und glauben, darumb daß es Christus so zu predigen befohlen und seinen Verheißungen zu gläuben geheißen hat" (BKS 479 f.). Es macht sich darin deutlich eine spiritualisierende Tendenz bemerkbar, die geradezu zu einer Sinnversdiiebung führt. Bezeichnenderweise zitiert Sohm hauptsächlich aus dem deutschen Text des Tractats, weil er in ihm eher Anklänge an seine Konzeption findet. Man muß sich aber an den lateinischen Text als den ursprünglichen melanchthonisdien Schriftsatz halten. Ähnliche Sinnverschiebungen durch unzutreffende Übersetzung zeigen sich Tract. 68 (wo das bedeutsame .tantum' unterschlagen ist) und Tract. 72 (wo .adhibitis suis pastoribus' ausgelassen ist). Zu dem ,wer da woll' in der Übersetzung von Tract. 26 vgl. übrigens W. Löhe, Neue Aphorismen, Ges. Werke, Bd. V. 1, S. J54. 163 Man beachte, daß in Tract. 23 f. (BKS 478), ebenso wie in Tract. 8 f. (BKS 472 f.), die Alternative nicht etwa lautet: „nicht Petrus allein — sondern allen Christen ist die Amtsgewalt gegeben", sondern „nidit Petrus allein — sondern allen Aposteln". Petrus stellt in den Stellen Matth. 16 und Joh. 21 die persona communis totius coetus apostolorum dar, nicht des coetus omnium Christianorum! Die Worte Christi Matth. 18, 18 und Joh. 20, 23 werden auf alle Apostel, nicht einfach auf alle Christen gedeutet. Auch Tract. 60 f. (BKS 489) heißt es nicht: „Evangelium tribuit omnibus Christianis mandatum docendi etc.", sondern: „ . . . his, qui praesunt ecclesia . . . sive vocentur pastores, sive presbyteri, sive episcopi". Es liegt Melandithon im Tractat an der de-iure-divino-Gleidiheit 1. aller Apostel bzw. Bischöfe (so daß der Primat Petri bzw. des Papstes als unrecht erwiesen ist) und 2. aller Pastoren, aller Inhaber des geisdichen Amtes, sie heißen nun Bischöfe oder Presbyter oder Pastoren (so daß die angeblich auf göttlichem Recht beruhende Vorrangstellung der Bischöfe als falsch erwiesen wird). Darüber hinaus, etwa auf die Gleichheit aller Christen unter Einebnung der gottgeordneten Sonderstellung des Amtes in der Gemeinde gehen Melanchthons Gedanken nicht. 301

Nun steht im i . Teil des Tractatus im Anschluß an das augustinische Beispiel mit den zwei Christen im Schiffe als ein weiterer Grund dafür, daß die Kirdie das Recht zur Berufung von Dienern am Wort hat, der Satz: Hue pertinent sententiae Christi, quae testantur claves ecclesiae datas esse, non tantum certis personis. Ubicunque erunt duo vel tres congregati in nomine meo etc. (Tract. 68; B K S 491). Mit dem Ausdruck ,certae personae' sind speziell die Bischöfe ins Auge gefaßt, die für sich in Anspruch nahmen, nach göttlichem Rechte allein das Ordinationsrecht (die Schlüssel) zu besitzen. Melanchthon sagt nun: nicht nur die Bischöfe haben die Schlüssel (und damit das Berufungs- und Ordinationsrecht), sondern die Kirche überhaupt, so daß sie im Notfall, wenn die episcopi ordinarii Feinde des Evangeliums werden und die Ordination nicht erteilen wollen (Tract. 66; B K S 491), auch ohne oder gegen die Bischöfe Personen ins Amt berufen kann. (Es geht ja hier im 2. Teil des Tractats um die Gültigkeit der Berufung auch ohne die Bischöfe, nur durch Pastoren.) Das ,tantum' (non tantum certis personis) ist sehr beachtenswert 161 . Die Schlüsselgewalt ist nicht nur den Bischöfen gegeben, so daß die Kirche iure divino an den Bischofsstand und seine ordinaria successio absolut gebunden wäre (was ja zur Voraussetzung hätte, daß die Bischöfe nicht irren können, wofür aber keinerlei Verheißung besteht). Aber noch weiter: die Schlüssel sind auch nicht einmal nur den Pastoren allein gegeben (wie das vorher angeführte augustinische Beispiel Tract. 67 zeigt), die Schlüsselgewalt ist überhaupt nicht absolute an irgendwelche Amtspersonen gebunden, sie ist letztlich eben überall da, wo die Kirche ist, d. h. die zwei oder drei, die den Namen Jesu bekennen. Die Aussage enthält keinerlei Tendenz auf eine Eliminierung des Amtes. Melanchthon anerkennt selbstverständlich, daß in erster Linie die Amtspersonen die Schlüsselgewalt innehaben (auch: daß normalerweise diese sie allein ausüben)165, aber er will zum Ausdrude bringen, daß die Schlüsselgewalt grundsätzlich eben auch noch weiter greift über die Amtspersonen hinaus, daß sie der ganzen Kirche so eignet, daß in casu necessitatis (wenn die Amtspersonen versagen oder nicht zur Stelle sind) audi der Laie taufen und absolvieren und damit an die Stelle des nicht erreichbaren minister ac pastor treten kann. Äußerungen in diesem Sinne haben wir ja auch andernorts schon bei Melanchthon gefunden 1 ". Die potestas ecclesiastica darf also im Sinne Melanchthons nicht als so an die Amtspersonen gekettet angesehen werden, daß sie ohne dieselben auch in casu necessitatis einfach nicht vorhanden wäre. Die potestas ecclesiastica kann nicht als absolut ausschließliches Privileg der Amtspersonen gelten. D i e potestas ecclesiastica tritt nach Melanchthon in den Amtspersonen konkret in Erscheinung, aber ist zugleich der ganzen Kirche gegeben u n d kann im N o t f a l l auch außerhalb des A m t e s (d. h. ohne die A m t s p e r sonen) in Funktion treten, sei es bei der V o r n a h m e einzelner A m t s h a n d lungen an W o r t u n d S a k r a m e n t durch Laien oder zur Neubestellung des ministerium ecclesiasticum durch die Kirche. D i e A m t s g e w a l t ist stets auf dem G r u n d e der der ganzen Kirche eignenden G e w a l t zu sehen, und letztere ist nicht völlig in erstere hinein absorbiert. Das kommt übrigens auch darin zum Ausdruck, daß Melanchthon an Lehrentscheidungen auf Synoden, wie auch an der Durchführung der Kirchenzucht einzelne geeignete Laien mitbeteiligt wissen will, wie wir bereits erwähnt haben 187 . Es ist dabei 1M

Der spiritualisierende Übersetzer hat es bezeichnenderweise ausgelassen, wie wir bereits erwähnten (siehe Anm. 162). i«5 v g l . T r a c t . 7 4 ff. (BKS 493 f.). Vgl. oben S. 263 f. 187 Vgl. oben S. 293 f., Anm. 122 und S. 295 f., Anm. 129.

302

allerdings sehr zu beachten, daß es sich da stets eben nur um eine Mi-beteiligung handelt, ohne daß die zentrale Stellung des Amtes dadurch irgendwie nivelliert würde. F . J . Stahl hat den Sachverhalt bei Melanchthon in dieser Hinsicht richtig gefaßt, wenn er sagt: „es erscheint überall doch das Amt des Wortes als das erste und eigentlich handelnde Subjekt, die Gemeinde oder die Laien nur als hinzutretend, mitbeschließend . . . , in allen Aussprüchen ist der Gedanke einleuchtend, daß das Laienelement die Kirchenregierung der Diener des Wortes nur ermäßigen, nicht aber selbst der Schwerpunkt des Kirchenregiments werden soll. Es soll ein Schutz sein, daß nicht die Diener des Wortes der Gemeinde Lehre und Ordnung aufdringen und die Zucht (den Bann) mißbrauchen; aber es soll nicht ein Mittel sein, daß die Gemeinden und Laien Macht und Entscheidung über den Dienern des Wortes erhalten" 1 6 8 .

5. Die Autorität des Amtes Ist das Amt von Christus gestiftet und wirkt Christus durch es und hat er ihm auch eine geistliche Gewalt gegeben, so hat das Amt Autorität. Der praktische Ausdruck dieser Autorität des Amtes ist die Forderung des Gehorsams und der Ehrerbietung dem Amte und den Amtsträgern gegenüber169. In der C A wird der Aufzählung dessen, was den Amtsträgern iure divino zusteht, der Satz angefügt: Hic necessario et iure divino debent eis ecclesiae praestare obedientiam juxta illud: Qui vos audit, me audit 170 . Weil die Amtsträger in ihren Amtsfunktionen die Person Christi repräsentieren und Christi vice et loco stehen171, gebührt ihnen nach Gottes ausdrücklichem Befehl in allem, was ihres Amtes ist17*, was iure divino von ihnen ausgeübt wird 178 , was das Evangelium 1 6 8 Die Kirchenverfassung, S. 1 7 2 . — W . Thomas sagt a. a. O., S. 2 7 : „Diese K i r chengewalt steht grundsätzlich der Gemeinde z u " und führt als Belegstelle 14, 9 1 j an. D o r t heißt es: H a e c potestas est commendata principaliter Ecclesiae, id est pastoribus et praecipuis personis in toto corpore Ecclesiae. Thomas' Satz, daß die potestas ecclesiastica grundsätzlich der Gemeinde zustehe, behält auf dem Grunde dieser Belegstelle nur dann seine Gültigkeit, wenn man unter .Gemeinde' eben nicht die Laiengemeinde unter Ausschluß der Amtsträger versteht, wie Thomas das aber S. 7 tut („die Gemeinde, d. h. die Laien"). Die ecclesia, der die Kirchengewalt anvertraut ist, wird von Melanchthon näher erläutert als die pastores und die vornehmsten Personen im ganzen Kirchenkörper. Deutlich sind ihm die Pastoren die eigentlichen T r ä g e r der Kirchengewalt, denen einige hervorragende Laienglieder beigegeben sind. Man kann aus dieser Stelle ganz und gar nicht entnehmen, daß etwa die Laiengemeinde (unter Absehen von den Amtsträgern) nach Melanchthon die eigentliche Trägerin der K i r diengewalt wäre. Gerade die Amtsträger bilden für Melanchthon den Kern der Ecclesia, der die Kirdiengewalt anbefohlen ist.

Vgl. W . Thomas, a . a . O . , S. 15. C A 28, 22 ( B K S 1 2 4 ) ; vgl. 4, 368; 2 i , 838 f. (iure divino); 5, 597 (aus Gottes Befehl); 5, 629 (mandato divino); 1 2 , 494 (obedientia necessaria). 1 7 1 Apol. 7, 28 ( B K S 240). 171 2 1 , J03 (quod ad ministerium attinet); 2 1 , 1050 (in functione ministerii); 24, 367 (in his, quae sunt propria ministerii Evangelii). Dazu gehört auch die Kirchenzucht: 4, 368; 1 2 , 4 3 3 : Complector . . . iudicia cum nomino obecfientiam debitam ministerio. 170

173

2 i , 1048: in iis rebus omnibus, quae sunt iuris divini. 305

befiehlt oder verbietet1'4, unbedingter Gehorsam, wie dem Evangelium selbst175. „Ungehorsam gegen den Bischof ist Ungehorsam gegen Gott" 1 ". Die göttlichen mandata Luk. ίο, 16 und Hebr. 13, 17, die den Gehorsam gegenüber den Amtsträgern verlangen, befehlen im Grunde die obedientia debita voci Euangelij 1 ". Die Amtsträger stehen im Amte für das Evangelium, der minister tut da nichts sua aut humana autoritate, sondern gibt nur das Wort weiter, das ihm Gott selbst zu reden aufgetragen hat178. Um des Evangeliums willen soll also das Volk ermahnt werden, das Amt hochzuachten und zu lieben179, es summa pietate zu ehren und alles zu seiner Erhaltung und Stärkung zu tun180. Gott verlangt kein Werk so sehr als dies, es ist dies der „höhest Gottesdienst", dem große Verheißungen zugehören181. Temere die Würde des Amtes herabziehen, ist Sünde gegen das zweite Gebot, laeditur enim honos divini nominis contempto ministerio182. Durch Ungehorsam gegenüber dem Amt zieht man sich die Gefahr ewiger Verdamnis zu183 und trennt sich von der katholischen Kirche Christi184. So rechnet Melanchthon in späterer Zeit ja nicht nur einfach das Amt, sondern gerade auch den Gehorsam gegenüber dem Amte zu den notae ecclesiae186. Dieser Gehorsam ist auch dann zu leisten, wenn die Amtsträger persönlich einen weniger vorbildlichen Lebenswandel führen, vorausgesetzt, daß nur die Lehre rein ist186. Er schließt in sich besonders das Bleiben am Amt: „Denn wo die Lehre recht ist, und nicht Abgötterei in den Kirchen geübt wird, sind alle Menschen schuldig vor Gott, daß sie bei dem ordent174

21, 838 f.: in omnibus, quae praecipit Evangelium; j, 597: in allen Sachen, die das Evangelium gebeut oder verbeut; 5, 629: in omnibus, quae praecipit aut vetat Evangelium. 175 21, 503: sicut verbo Dei, ita ministris docentibus verbum Dei . . . debetur obedientia; ibid: Lk. 10, 16 verlange obedientiam debitam ipsi Evangelio. Vgl. W. O. Münter, Begriff und Wirklichkeit, S. $3. 178 E. Sdilink, Theologie der luth. Bekenntnissdiriften, S. 346. 177 28, 4 1 3 ; 21, 503; Apol. 28, 20 (BKS 402): Haec sententia (Hebr. 13, 17) requirit obedientiam erga evangelium. i J . 43°· 5. 585; 15. 99*· 1 8 0 21. 55J; ij> 427. 181 5> 597> v gl- 21, 555. — Auch die weltliche Obrigkeit (magistratus) muß dem ministerium verbi gehorchen et id venerari tanquam divinum (3, 472). 182 2i, 509. Die Verachtung des Amtes ist audi Sünde gegen das dritte Gebot (23, 133) und gegen das vierte (21, $09). Vgl. O. Ritsehl, a. a. O., S. 319 f. 1 8 8 $> Í 9 7 : bei Vermeidung ewiger Verdammniß; j, 629: contumaciam puniri aeternis poenis. 184 12, 488: Articulus in symbolo: Credo sanetam Ecclesiam catholicam, non solum significat esse unam aliquam Ecclesiam, sed etiam requirit obedientiam debitam ministerio externo. Requirit enim consensum cum Ecclesia catholica, quare requirit obedientiam debitam ministerio. Vgl. zur Stelle W. Thomas, a. a. O., S. 37 f. 1 8 5 Vgl. oben S. 257. 186 21, JO9. 178

179

3O4

lichen öffentlichen Ministerio bleiben und keine Sonderung anrichten. U n d wer in solchem F a l l Sonderung und neue Ministeria anrichtet, der thut gewißlich wider Gott" 1 8 7 . So sündigen die Anabaptisten, die das öffentliche A m t verachten und verlassen 189 . H a b e n sich die dem E v a n gelium anhangenden Gemeinden v o m P a p s t wegen offenbarer Abgötterei und Irrlehre getrennt, so ist das gerechtfertigt, A t nulla v e r a caussa est, quare ministerium in nostris Ecclesiis deserendum sit 189 . Ist die Lehre rein, so ist das Bleiben am A m t iure divino erfordert. So sehr Melanchthon die Gehorsamspflicht gegenüber dem A m t betont, so entschieden macht er dann aber auch die Grenze solchen Gehorsams geltend. D i e Autorität des Amtes ist nicht unbeschränkt und despotisch. Es gibt keine formalrechtliche Autorität des Amtes, die absoluten Gehorsam verlangen könnte. D i e Autorität des Amtsträgers erlischt nämlich, wenn er die Grenzen seines Amtes überschreitet, wenn er durch Irrlehre aus dem verum ministerium heraustritt 190 . N u r letzterem gilt die Pflicht des Gehorsams 1 8 1 . In den Loci v o n 1 5 2 1 heißt es: Primum ergo si doceant scripturam, sie audiendi sunt ut Christus: I u x t a illud (Luc. 1 0 , 16) . . . Deinde si quid contra scripturam docuerint, non sunt audiendi. A c t . V . . . T e r t i o si quid praeter scripturam statuerint, in hoc, ut conscientias obstringant, non sunt audiendi . . . 1 9 \ Ist der T a t bestand der Irrlehre gegeben, f ä l l t alle Gehorsamspflicht hin, dann haben die Gemeinden das göttliche Gebot, das den Gehorsam in solchem Falle verbietet 19 ®. Keines Menschen Autorität kann höher stehen als das W o r t Gottes 194 . D i e Bischöfe haben nicht potestas constituendi aliquid 187 3, 198 f.; vgl. 3, 983: Cum autem Deus voluerit ministerium Evangelii esse publicum, idque ab omnibus ornari et conservari praeeeperit, non dubium est, graviter offendi Deum contumacia omnium, qui coetus Ecclesiarum, quae recte constitutae sunt, deserunt, aut alios inde abducunt. Sicut Christus inquit: Qui vos spernit, me spernit; 12, 4 3 3 : (Gehorsam gegen das Amt bedeutet audi, daß das Volk) ne faciat distractiones a communi societate Ecclesiae. 188 12, 490; vgl. 25, 387: Das sind Teuffelskopffe, qui sejungunt se a ministerio. 189

3. 983. Vgl. dazu R. Sohm, Kirchenrecht I, S. 486 f.; W . Kahl, Der Rechtsinhalt d. Konkordienbudies, S. 338 f.; W. O. Munter, Die Gestalt der Kirche usw., S. 34 f.; K. H. Rengstorf, Wesen u. Bedeutung d. geistlichen Amtes usw., S. 263. 191 4, 488: intelligimus obedientiam in ministerio rectae doctrinae Evangelii, et administrationis sacramentorum, et iurisdictionis in Evangelio mandatae . . . sentimus . . . vero ministerio deberi obedientiam. m 21, 224. 1M C A 28, 23 ff. (BKS 124): A t cum aliquid contra evangelium docent aut constituait, tunc habent ecclesiae mandatum Dei, quod prohibet oboedire. Zur Sdiriftbegründung wird auf Matth. 7, 15; Gal. 1, 8; 2. Kor. 13, 8.10 gewiesen. Vgl. Apol. 28, 20 (BKS 402): Nec debent episcopi traditiones contra evangelium condere, aut traditiones suas contra evangelium interpretan. Idque cum faciunt, obedientia prohibetur; Tract. 38 (BKS 483) und Tract. 57 (BKS 488 f.). Vgl. K. Thieme, Die Augsb. Konfession, S. it. m Tract, u (BKS 474): non valeat ullius autoritas plus quam verbum. m

20

7 9 1 5 Lieberg, A m t

3°5

contra evangelium195, aber auch nicht extra evangelium19". Sie können nicht neue Glaubensartikel oder neue Gottesdienste einsetzen oder in dem durch die Schrift grundsätzlich freigelassenen Bereich Gesetze erlassen, die an sich im Gewissen binden sollen1". Sie haben nicht das Recht, eine tyrannische Herrschaft nach eigenem Gutdünken praeter scripturam aufzurichten198. Ihr Recht, Ordnungen für das kirchliche Leben zu machen, die zum Frieden und zu guter Ordnung dienen, ist zwar unbestritten, denselben soll man auch Gehorsam leisten — allerdings unter dem Gesichtspunkt, daß die Einigkeit der Kirche erhalten bleibt und kein Ärgernis gegeben wird —,19e aber sobald solche Ordnungen als nötiger und meritorischer Gottesdienst ausgegeben werden, muß ihnen um des Evangeliums willen Widerstand geleistet werden. Wie für Melanchthon das Bleiben am Amt, vorausgesetzt, daß dieses in der reinen Lehre steht, als iure divino erfordert gilt, so hält er es auch für iure divino erfordert, daß man sich von solchen Amtsträgern, die gegen das Evangelium lehren und Feinde des Evangeliums geworden sind und damit auch nicht mehr als Glieder der wahren Kirche anzusprechen sind, trennt, ihnen also nicht nur allen Gehorsam verweigert, sondern sie meidet und sich offen von ihnen lossagt200. Melanchthons Lehre von der Autorität des Amtes trägt also auf der ganzen Linie in eindrucksvoller Konsequenz der Möglichkeit Rechnung, daß die Inhaber des Amtes audi irren und vom Evangelium abfallen können, wie es ja audi die Zeitumstände ziemlich unübersehbar deutlich machten.

1M

CA

28,

34

(BKS

126).

A p o l . 28, 8 (BKS 398): n u l l u m habent ius episcopi condendi traditiones extra evangelium; A p o l . 28, 20 (BKS 402): N o n enim constituit (näml. das W o r t H e b r . 13, 17) regnum episcopis extra evangelium; vgl. 21, 501; 21, 503; 21, 1048; 28, 413. 1M

1,7

8,

705

2I, 224: f.; 12,

N o n enim potest Episcopus Christianam conscientiam vincire; 4, 43

423;

J.

198 21, 22 j : Q u i d q u i d . . . Episcopi praeter scripturam imperant, tyrannis est. N a m imperandi ius non habent; vgl. i j , 1170. 1,9 5> 597'· Darnach sind äußerliche Ordnungen der Zeit und Lection, so in reditem christlichen Verstand v o n den Seelsorgern nadi Gelegenheit jeder O r t gemacht werden. D a r i n ist das V o l k Gehorsam schuldig so fern, d a ß es nicht ärgerlich dagegen handle zu unnöthiger Zertrennung der Kirchen; 12, 489: etiam in traditionibus debetur obedientia ministris, ita videlicet, n e sine causa discedatur ab eis; 21, 503: Itaque his traditionibus debetur obedientia, quod ad casum scandali attinet; extra casum scandali conscientiae sunt liberae; vgl. C A 28, 55 f. (BKS 129 f.). Vgl. auch W . O . M ü n ter, Begriff u. Wirklichkeit, S. j i . 200

ι , 766; 6, 840; 6, 930; 8, 430; II, (BKS 246); Tract. 41 ff. (BKS 48$ ff.).

306

434;

IJ,

38;

21,

834 f. 838 f . ; A p o l . 7,

48

6. Die politia ecclesiastica Unter politia ecclesiastica versteht Melanchthon die gesamte sichtbare, institutionelle Gestalt der Kirche, die externa forma Ecclesiae201. Sie enthält zwei Teile: i. Das ministerium divinitus ordinatum (in sich begreifend das ius vocationis, hoc est, ius eligendi et ordinandi ministros, mandatum docendi Evangelii, remittendi peccata, administrandi Sacramenta, et Iurisdictionem, hoc est, ut excommunicentur obnoxii criminibus202) und 2. die äußere Kirchenordnung, die das gesamte kirchliche Leben regelt. Das göttlich gestiftete Amt ist der Kern der politia ecclesiastica und unbedingt iuris divini203. Die Kirchenordriung regelt die näheren Umstände der Wirksamkeit des Amtes, sorgt ganz allgemein für ευταξία für die publica concordia, für Disziplin und Frieden in der Kirche104, ordnet Zeremonien, Orte (Parodiialgrenzen), Zeiten und dergleichen105, setzt vor allem die öffentlichen Versammlungen, die Gottesdienste fest, die nach Gottes Willen regelmäßig stattfinden müssen206, schafft auch bestimmte gradus ministrorum, regelt Visitation und Inspektion, so daß die Erhaltung von Lehre und Zucht in der Kirche gewährleistet wird207. Die ordinationes ecclesiae sind nötig, weil das göttlich eingesetzte Amt ein ministerium publicum et externum ist108, ohne sie könnte das Amt nicht in Ordnung ausgeübt werden und die Kirche nicht bestehen208. Sie sind also um des Amtes willen da210. Sie gewöhnen die Menschen an das Hören des Evangeliums, durch das Gott an ihnen wirksam ist und sind Gottes Instrumente, durch die er die Menschen zu wahrer Frömmigkeit ruft 211 , vincula, quae adiungunt nos ministris Evangelii212. Propter sanctissimum ministerium ist ehrerbietig von ihnen zu 101

12, 489; 21, j j j f .

202

1 2 , 489· 1 2 , 490.

ï05

244 805

12, 4SI; 21, 466.509.5JJ.

1 2 , 4 9 1 ; 2 1 , 4 6 6 . 5 5 5 f. 806 2 1 , 5 1 1 : ut populus sciat, quo tempore convenire debeat ad audiendum ac discendum Evangelium et ad usum sacramentorum; 2 1 , 5 5 6 ; 2 1 , 1 0 4 9 : v u l t Deus sonare suum Evangelium in publico coetu et honestis congressibus . . . publici E c c l e siae congressus necessarii sunt ad retinendum ministerium Evangelii; 2 3 , X X X V : G o t t wil jm also ein ewige Kirche . . . samlen, das öffentliche, ehrliche versamlungen sind, darin etliche Personen das Euangelium dem Volck fürtragen, und die Sacrament reichen; vgl. 2 3 , X X X V I . X C I ; 2 1 , 8 2 5 ; 1 2 , 1 9 9 : vult Deus, non semper in latebris abditam esse Ecclesiam, sed esse públicos et honestos congressus et in his ita sonare vocem Evangelii, ut a toto genere humano exaudir) possit. m

12, 4 9 1 ; 23,

XXXV.

208

2 1 , 5 5 5 ; vgl. 5 1 1 . Mí 2 1 , 5 5 6 : his vinculis ruptis dissipatur ac dilaceratur Ecclesia . . . sciamus dissipatis ordinationibus Ecclesiasticis periclitan etiam Ecclesiam. í>0 2 1 , 5 5 5 : serviunt ministerio divinitus instituto. 811 12, 491. 21Í

21,

556.

3O7

denken" 3 , obwohl sie keinesfalls zum cultus, zum Gottesdienst an sich erklärt werden dürfen" 4 . Wegen ihrer engen Beziehung zu dem göttlich eingesetzten A m t nennt Melanchthon die Kirchenordnung z w a r auch eine res sancta et utilis 215 , doch aber sieht er sie grundsätzlich auf der Ebene des ius humanum. Die Kirchenordnungen beruhen auf der auctoritas ecclesiae216, sind von Bischöfen gemacht oder von Synoden" 7 , immer aber von Menschen 218 . Immerhin: auch als menschlichen Ordnungen, die nur durch die Autorität der Kirche festgesetzt sind, gebührt ihnen Ehrerbietung und gewissenhafte Befolgung 1 ". Der Begriff der politia ecclesiastica in dem umfassenden Sinn der ganzen Kirchenordnung mit dem göttlich gestifteten A m t als Mittelpunkt ist nun bei Melanchthon sehr stark an der gewordenen, traditionellen, kanonischen Kirchenordnung orientiert. Melanchthon hat damit besonders die überlieferte bischöfliche Struktur der Kirche mit Diözesanverfassung und Ämterstufung im Auge, die er hochschätzt und nicht aufgelöst sehen will 220 . 211 2i, 466: reverenter sentiendum est de canonicis ordinationibus et potestate Ecclesiastica, propter sanctissimum ministerium. 2,4

12, 491: detrahenda est eis opinio cultus; 21, 466: non est addenda opinio necessitatis; 21, j i i ff. In einem Brief an Luther vom 14. Juli i j j o (CR 2, 193—196) unterscheidet Melanchthon fünf Arten von Traditionen: 1. traditiones, die Gott versöhnen sollen, 2. traditiones, die ständig notwendig, cultus necessarii sein sollen (entsprechend dem alttestam. Zeremonialgesetz), 3. traditiones propter bonum ordinem, 4. traditiones als exercitia corporalia pro imperitis und 5. traditiones als Zeidien des Dankes für empfangene Gnade, propter cultum quidem, sed fidem sequentem. Die letzten drei Arten von Traditionen erhalten von Melanchthon da das Urteil: licite, nihil impietatis, während die ersten beiden als impiae zu stehen kommen. Melanchthon fragt aber in diesem Brief Luther um Rat, wie es um Notwendigkeit und Freiheit bei den drei letzteren erlaubten Traditionsarten steht, das sei ihm unklar. Vgl. WA Br. j , 491 ff. und A. W. Diedthoff, a. a. O., S. 176 ff. 215

2, 766. 21, 5J5: ευταξία sia instituta. 216

217 218

tate.

constituía Ecclesiae automate; 21, J56:

ευταξία

ab Eccle-

12, 491. 2i, 555: humanae ordinationes; 12, 491: ordinationes factae humana auctori-

219 21, 509: illi ipsi ordinationi Ecclesiae, quae publicam concordiam continet, honorem debemus; 21, y y 5 : has (sc. ordinationes) debemus amare et conservare; 21, 1049: in Ecclesiis, quae recte docentur, omnes et ament et adiuvent congressus públicos, obtemperent pastoribus recte docentibus, qui tempora et lectiones distribuunt. 220

Zu dem Verhältnis, das die Bekenntnisschriften zum kanonischen Redit als solchem einnehmen, vgl. W. Kahl, Rechtsinhalt d. Konkordienbudies, S. 310 ff. und besonders W. Maurer, Pfarrerredit und Bekenntnis, S. 84 ff. Zur Stellung Melanchthons zum Episkopat der römischen Kirche und zum Episkopat grundsätzlich vgl. P. Brunner, Vom Amt d. Bischofs, S. 43 ff. Über Melanchthon als Episkopalisten vgl. K. Rieker, Die rechtliche Stellung der ev. Kirche i. Deutschland, Leipzig 1893, S. 93 f. 308

Die Religionsverhandlungen auf dem Reichstag zu Augsburg sdion zeigen, wie Melandithon aufs fleißigste bemüht war, die kanonische Kirchenordnung und bischöfliche Verfassung der Kirche zu erhalten. In der C A wird der Grundsatz proklamiert, daS bezüglich der traditionellen Kirchenordnungen diejenigen Riten zu halten seien, die ohne Sünde gehalten werden können und zu Frieden und guter Ordnung in der Kirdie dienen, nur was meritorisch verseucht und also contra evangelium ist, sei abzutun 221 . Im i. Beschluß der Confession heißt es, daß bei uns die alten Riten magna ex parte diligenter eingehalten werden, daß es eine falsche Anschuldigung sei, quod omnes caerimoniae, omnia vetera instituía in ecclesiis nostris aboleantur 222 . Und weiter: nur einige Mißbräuche seien abgestellt worden, qui novi sunt et contra voluntatem canonum vitio temporum recepii 228 . Es wird betont, daß nichts geeigneter sei, Pietät und Reverenz im Volke zu fördern, als dies, daß die Zeremonien rite geschehen 224 . Und im 28. Artikel wird die bischöfliche Jurisdiktion mit keinem Worte angetastet, es geht nur darum, daß die Bischöfe von der tyrannischen Handhabung ihrer Gewalt lassen und das Evangelium freigeben 2 ". Melandithon denkt nicht daran, da die bischöfliche Verfassung der Kirdie zu kritisieren 22 ·. Seine Absichten gehen überhaupt nicht auf eine Veränderung der bischöflichen Struktur der Kirdie, vielmehr wünscht er sie wiederhergestellt zu sehen, w o sie zerstört wurde: Utinam utinam possim non quidem dominationem confirmare, sed administrationem restituere Episcoporum — heißt es in einem Brief an Camerarius vom 3 1 . August 153o 2 2 7 . A m 4. September 1530 schreibt Melandithon: Quo iure . . . licebit nobis dissolverejroAmfai» ecclesiasticam, si Episcopi nobis concédant illa, quae aequum est eos concedere 228 . Und am 6. September 1530 an Johann Hess: Ceterum Episcopis obtulimus iurisdic-

221

C A 15, ι ( B K S 66); vgl. Apol. 15, i (BKS 297).

222

i. Besdil. 3 fí. (BKS 83).

2. Vorrede 1 (BKS 83 f.); vgl. C A 28, 72 (BKS 132): . . . quae nova sunt et praeter consuetudinem ecclesiae catholicae recepta. 224

2. Vorrede 6 (BKS 84).

225

C A 28, 77 (BKS 132): Non id nunc agitur, ut de dominatione sua ( = Jurisdiktion) cédant episcopi, sed hoc unum petitur, ut patiantur evangelium doceri pure et relaxent paucas quasdam observationes, quae sine peccato servari non possunt. 228

Vgl. H . Asmussen, Das Amt der Bischöfe nadi Augustana 28, in: Reformation, Schicksal und Auftrag, Festgabe J . Lortz, Baden-Baden 1958, S. 2 1 1 und passim. Asmussen stellt fest, „daß das grundlegende Dokument der lutherischen Kirche keinerlei Veranlassung sieht, die Existenz der Bischöfe als Bischöfe anzufechten. Die C A hat die Bischöfe nicht abgeschafft . . . Der ganze Artikel (näml. d. 28.!) wird gegenstandslos, geschweige daß er den Charakter eines Bekenntnisses behielte, wenn es im Grunde gleichgültig ist, ob man Bischöfe hat oder nicht" (S. 2 1 1 ) . Vgl. P. Brunner, Vom Amt des Bischofs, S. 34. 221 2, 334. Vgl. P. Brunner, a . a . O . , S. 3$: „Reinigung des Episkopats vom Imperium bedeutet aber nicht Preisgabe des Episkopats". W. Thomas* Satz: „ W a s ihn (näml. Melandithon) zu dem Letzteren (Wertschätzung d. Bischofsamtes) bestimmt, ist nicht der Wunsch auf Wiederherstellung des Episkopates im Sinne der katholischen Kirdie, sondern die Erkenntnis von der Notwendigkeit menschlicher Ober- und Unterordnung audi unter den Pastoren" (a. a. O., S. 38) ist also so nicht zutreffend. Bei Melandithon liegt sowohl das hier von Thomas gekennzeichnete sachliche Motiv, als auch ein historisches im Sinne der Erhaltung bzw. Wiederherstellung der kanonischen episkopalen Kirchenordnung vor. Man darf das letztere, besonders angesichts der auch sonst starken traditionalistisdien Neigungen Melandithons, nidit übersehen. 2 2 8

3 4 1 .

309

tionem et palam professi sumus, nos Politiám Ecclesiasticam libenter conservaturos esse, et optare, rit Episcopi praesint Ecclesiis**·. Ebenso deutlich redet Melandithon in der Apologie von i f j i . Im 14. Artikel wird bezeugt: nòs summa volúntate Supere conservare politiam ecclesiasticam et gradus in ecclesia, factos etiäm humana auctoritate230, nos libenter conservaturos esse ecclesiasticam et canonicàm politiam, si modo episcopi desinant in nostras ecclesias saevire 231 . Wenn die canonica politia, quam nos magnopere cupiebamus conservare, hier und da aufgelöst wird, so liege es nur an der saevitia episcoporum232. Die Unsern treffe keine Schuld, wenn die auctoritas episcoporum erschüttert werde 2 ". Und im i j . Artikel werden nur die meritorischen Traditionen und Satzungen abgelehnt, die dem Evangelium widersprechen, — ceterum traditiones veteres factas in ecclesia utilitatis et tranquillitatis causa libenter servamus . . . 234 . Im 28. Artikel spricht Melandithon es aus, daß wir die canonica politia non reprehendimus, „in ihrem Wert lassen" 2 ' 5 . 228 2, 347; vgl. 2, 431: Ñeque enim id egimus unquam, ut politia Ecclesiastica dissolveretur, modo ut Evangelium non damnarent Pontífices; 2, 247: Nec gravantur nostri parere Episcopis, modo recipiant eos; 5, 598: Wir sehen nicht gerne Unordnung und wiindsdien von Herzen, daß die Bischöfe und ihre Mitregirende Personen ihr bischoflich Ampt thuen wollten, und erbiethen uns auf diesen Fall zu Gehorsam, nämlich, so sie Verfolgung christlicher Lehr nachlassen; 7, 29: wir je die politiam ecclesiasticam gerne wohlgeordnet sähen. 230 Apol. 14, ι (BKS 296); vgl. im deutschen Text: „daß wir zum höchsten geneigt sind, ale Kirdienordnung und der Bischöfe Regiment, das man nennet canonicam politiam, helfen zu erhalten . . . " . — Ein Mißverständnis von Apol. 14, 1 liegt bei Theod. Harnack vor. Harnack (Die Kirche, ihr Amt, ihr Regiment, S. 44, These 89) distanziert das ministerium ecclesiasticum von CA 5 von dem ordo ecclesiasticus in CA 14 und schreibt nur ersterem ein jus divinum zu, der ordo, mithin das bestellte konkrete Amt, gehöre zur politia canonica und sei eben nach Apol. 14, 1 humana auctoritate facta. Jedoch ist in Apol. 14, 1 mit dem Ausdruck politia ecclesiastica bzw. canonica politia keineswegs einfach das in CA 14 beschriebene bestellte konkrete Pfarramt,, der ordp, ecclesiasticus, gemeint. Melandithon geht ja hier auf die Bemerkung der Confutado zu CA 14, es müsse aber bei der vocatio der ministri die ordinatio canonica angewandt werden, ein. Mit politia ecclesiastica meint er das ganze Gebiet der kanonischen Kirdienordnung (man vgl. im deutschen Text dafür die Ausdrücke: „alte Kirdienordnung und der Bisdiofe Regiment, das man nennet canonicam politiam"), jn der audi die bischöfliche Ordination vorgeschrieben ist, er faßt dabei speziell die gradus in ecclesia (also bes. die Unterscheidung zwischen Bischof und Presbyter) ips Auge und von diesen letzteren sagt er aus, daß sie humana auctoritate facti sind! Nicht im geringsten denkt Melandithon etwa daran, das konkrete Pfarramt selbst, den ordo überhaupt, wie in CA 14 von ihm gehandelt ist, auch als nur humana auctoritate bestehend zu fassen. Dies gilt nur von der Stufung des Amtes und anderen Bestimmungen innerhalb der canonica politia. 231 Apol. 14, j. (BKS 297). Mit .ecclesiastica et canonica politia' ist eindeutig die episkopale Verfassung der Kirche gemeint. Vgl. P. Brunner, a. a. O., S. 37, ferner A. Kimme, Doctrina und ordo ecclesiasticus nach luth. Verständnis, in: Schriften des Theol. Konvents Augsb. Bek., Heft 8, Berlin 1955, S. 72 f. 232 238

Apol. 14, 2 (BKS 297); vgl. 5, J98. Apol. 14, 5 (BKS ¿97).

231 Apol. 15,' 38 (BKS 304); vgl. Apol. IJ, 44 (BKS 305): Ex hoc statu ecclesiarum iudicari potest nos disciplinam ecclesiasticam et pias ceremonias et bonos mores ecclesiasticos diligenter conservare. 235

310

Apol. 28, 12 (BKS 400).

Ein weiteres Zeugnis für Melandithons episkopale Gesinnung ist das Gutachten für König Franz I. von Frankreich de moderandis controversiis religionis vom i. August 7JJ4 2 3 9 . Da wird zuerst die Meinung, die Evangelisdien wollten bloß libertas barbarica, excussa monarchia Romani Pontificie, et repudiato veteribus ordinationibus ecclesiasticis mit der Feststellung zurückgewiesen: non hoc agi, ut dissolvatur auctoritas ecclesiastica, sed alias res magnas disputar! et explicari, quae ad conscientiam et ad cui tum Dei pertinent 237 . Dann fährt Melandithon fort: Concedunt enim nostri politiam ecclesiasticam rem licitam esse, quod videlicet sint aliqui Episcopi, qui praesint pluribus Ecclesiis, item quod Romanus Pontifex praesit omnibus Episcopis. Hanc canonicam politiam, ut ego existimo, nemo prudens improbat, ñeque improbare debet, si intra fines suos maneat, hoc est, si Pontifex et Episcopi non abtjtantur auctoritate sua ad opprimendam veram doctrinam 238 . De Superioritate Pontificia et de Episcoporum auctoritate sei keine dissensio. Opus est enim in Ecclesia gubernatoribus, qui vocatos ad ministeria ecclesiastica explorent et ordinent, et iudicia ecclesiastica exerceant, et inspiciant doctrinam sacerdotum239. Die Notwendigkeit eines Bischofsamtes, das die höheren Funktionen des geistlichen Amtes versieht, steht Melandithon aus sachlichen Gründen so fest, daß er sagt: Et ut maxime nulli essent Episcopi, tarnen creari tales oporteret240. Melandithon anerkennt in diesem Gutachten die Berechtigung der ganzen kirchlichen Ämterstufung einschließlich selbst des Primates des Papstes 241 , er fordert nur, daß Papst und Bischöfe wirklich die reine Lehre des Evangeliums treiben und dafür sorgen, daß den Gemeinden diese nicht vorenthalten wird 242 . In der Antwort auf das Regensburger Buch, den Articuli Protestantium Caesari traditi vom 31. Mai i}4i243 wird ausgeführt, nachdem von der Stiftung des konkreten, durch Vokation bestellten Hirtenamtes gesprochen ist, daß zur Wahrnehmung der Aufsiditsfunktion unter den Pastoren und zur Vermeidung von Schismen die utilis ordinatio in der alten Kirche aufkam (accessit), ut ex multis presbyteris eligeretur Episcopus, qui regeret Ecclesiam docendo Evangelio et retinenda disciplina, et praeesset jipsis presbyteris. Plures deinde gradus facti sunt, videlicet Archiepiscopi, et supra hos Patriardiae . . . Hae ordinationes, si hi, qui praesunt, faciant officium suum, utiles sunt ad retinendam unitatem Ecclesiae, hoc est, ad Synodos convocandas, ad constituenda legitima doctrinae iudicia, ad emendationem vitiorum late grassantium, usurarum, ac aliorum scandalorum, ad emendationem legum, ad puniendos 238 237 238

2. 741—775· 744· 2, 744 f.

239 2, 745/46; vgl. 5, 597: (Es müssen Personen da sein) „die auf andre ein A u f sehen haben"; 5, 599. 249

2, 745/46. Hieraus ist vollkommen klar, daß Melandithon das übergeordnete Bischofsamt nicht nur im Sinne einer Konzession an seine Liebe zur Einheit der Kirche, sondern aus innerer, sachlicher Notwendigkeit heraus fordert. Vgl. P. Brunner, Vom Amt des Bischofs, S. 44 und W. Trillhaas, Die lutherische Lehre ,De potestate Ecclesiastica', Zwischen den Zeiten 1 1 . Jahrg. 1933, S. 504. 241 v g l . noch 2, 745/46: Prodesset etiam meo iudicio illa monarchia Romani Pontificis ad hoc, ut doctrinae consensus retineretur in multis nationibus. Quare facile potest constituí concordia in hoc articulo de superioritate Pontificia, si de caeteris articulis conveniri potest. 242 Vgl. 6, 840: „Ich laß die Ordnung und den bischoflichen Stand seyn wie er ist. Wenn der Papst rechte Lehre hat, so soll man ihm gehorsam seyn; hat er nicht rechte Lehre, so muß der Gehorsam aufhören"; vgl. weiter 2, 766 f. und 4, 927. 243 4, 348-37 3 3 4 ; vgl. 2, 3 4 1 ; $, 5 9 8 ; 2 1 , 466. 5, 6 0 1 f. 255 Melanchthon lehrt das, obwohl er wahrnimmt, daß auch in der Schrift schon verschiedene Amtsstufen E r w ä h n u n g finden: 2 1 , 8 3 5 . 154

258 257 258

24, 4 0 2 ; vgl. 8, 7 0 6 ; i j , 1069. 2, 1 8 3 . T r a c t . 1 — 5 9 ( B K S 4 7 1 — 4 8 9 ) ; v g l . 1, 3 3 6 ; 2, 3 1 8 ; 1 2 , 203.

259

T r a c t . 6 0 — 8 2 ( B K S 4 8 9 — 4 9 6 ) ; vgl. 1 , 3 3 6 ; 2, 3 1 8 .

M0

T r a c t . 65 und 7 2 ( B K S 4 9 0 und 4 9 2 ) ; vgl. 1 , 7 6 6 .

313

III. Kapitel: Die rechtmäßige Berufung ins A m t

ι. Die Notwendigkeit der Berufung zum A m t Im 14. Artikel der C A lehrt Melanchthon vom ordo ecclesiasticus, quod nemo debeat in ecclesia publice docere aut sacramenta administrare nisi rite vocatus 1 . Dieser Grundsatz, daß zur Ausübung des öffent1 C A 14 (BKS 66); vgl. 2, 19$: . . . ne quis porrigat corpus domini nisi ordinatus presbyter (dieser Satz habe nihil impietatis). E. Sehl¡nk (a. a. O., S. 328) sieht hinter C A 14 das Priestertum aller Gläubigen: „Weil das geistliche Amt allen Gläubigen anvertraut ist, ist seine Ausübung nicht der Willkür jedes einzelnen Gläubigen überlassen. Die öffentliche Ausübung ist vielmehr an den Auftrag der Versammlung der Gläubigen gebunden". Diese Gedanken, nach denen das Amt grundsätzlich jedem Gläubigen bereits gegeben ist und nur seine öffentliche Ausübung in der Berufung freigegeben wird, sind für Luthers Denkweise charakteristisch, nicht aber für Melanchthon. Melanchthon sagt nirgends, daß alle Gläubigen das ministerium ecclesiasticum haben und daß in der vocatio zum Amt nur die öffentliche Ausübung des bereits besessenen Amtes gestattet werde (vgl. auch oben S. 300 ff. und über den Sinn der Ordination unten S. 341 ff.). In der Konsequenz dieser Gedanken läge ja auch die Ubertragungstheorie (daß das Redit zur öffentlichen Amtsausübung von der Gesamtheit auf den Pfarrer übertragen wird), von der Sdilink aber selber sagt: „Der Gedanke der Übertragung der Rechte des allgemeinen Priestertums auf die Person des Pfarrers ist den Bekenntnisschriften fremd. Die Kirche überträgt nicht einzelnen ihrer Glieder ihr Amt der Evangeliumspredigt und Sakramentsverwaltung, sondern sie bestellt dieses ihr von Gott anvertraute Amt, sie beruft in dieses von Gott gestiftete A m t " (a. a. O., S. 330 f.). In dieser Sicht muß auch C A 14 verstanden werden. Hinter dem Artikel steht nicht der Gedanke des allgemeinen Priestertums (der ja in der ganzen C A überhaupt keine Erwähnung findet) und die soziologische Begründung des konkreten Amtes daraus, sondern der Gedanke der göttlichen Stiftung des ministerium ecclesiasticum. C A 14 begründet sich auf C A 5. Vgl. E. Sommerlath, Amt u. allg. Priestertum, S. 56. — Zum Verständnis des Artikels ist auch wichtig, daß mit dem ordo ecclesiasticus bzw. Kirchenregiment, wovon die Uberschrift spricht, nichts anderes gemeint ist als das göttlich gestiftete ministerium ecclesiasticum von C A 5, nun allerdings im Hinblick auf die geordnete Bestellung dieses Amtes, die ebenfalls von Gott angeordnet ist. Vgl. W. O. Munter, Die Gestalt der Kirche usw., S. $8. Münter bestätigt auch die Beobachtung F. J . Stahls, daß der Beginn des Artikels mit dem ,docent' zeige, daß hier nicht bloß von einer löblichen menschlichen Einrichtung, sondern von einer göttlichen Einsetzung gehandelt wird. ,Docent' leite nämlich immer einen dogmatischen Satz ein ( a . a . O . , S. j8 f., Anm. 287). Im gleichen Sinne weist R . Josefson (Det andliga ämbetet i Svenska kyrkans bekännelseskrifter, in: En bok om kyrkans ämbete, Uppsala 1 9 5 1 , S. 190) darauf hin, daß der 14. Artikel eben unter den Lehrartikeln stehe, nicht unter den Reformationsartikeln (22 ff.). Darin

314

lichen Amtes in der Kirche eine ordentliche Berufung notwendig ist, ist Melanchthons durchgehende Lehre2. Er begründet sich ganz konkret auf die göttliche Stiftung eines besonderen, mit Personen bestellten Amtes, näherhin also auf den Befehl Gottes, Personen ins Amt zu rufen (mandatum de constituendis ministris)3. Hat Gott die Berufung ins Amt befohlen, so muß die Kirche diesem Befehl Gottes nachkommen. Er schließt als Voraussetzung in sich, daß nicht jeder Christ einfach schon das Amt besitzt, daß man es vielmehr erst in der besonderen Berufung erhält. So leuchtet die Notwendigkeit der Berufung ohne weiteres ein. Da sie in einem göttlichen Mandat gründet, gilt diese Notwendigkeit de iure divino*. Mit der Begründung der Notwendigkeit der Berufung zum Amt in der göttlichen Stiftung verbindet sich bei Melanchthon das Motiv der Ordnung, das sich ihm ebenfalls auf Gottes Willen zurückführt. Gott will keine barbaricae confusiones in der Kirche, wie sie entstehen würden, wenn jedermann auch ohne besondere Berufung das öffentliche Amt ausüben dürfte. Vult Deus Ecclesiarum coetum esse honestissime ordinatum, ut Paulus inquit: omnia fiant decore et ordine5. Auch um der von Gott gebotenen Ordnung willen ist besondere Berufung zum Amt nötig. Zu diesen auf das Wesen des Amtes und der Kirche bezogenen Gründen für die Notwendigkeit der Berufung zum Amt treten die auf die Person des Amtsträgers ausgerichteten hinzu. Der Amtsträger bedarf zum Amt der göttlichen Sendung. Soll er in Gottes Namen predigen, so muß er nach Rom. 10, 15 auch wirklich von Gott gesandt sein8, predigt spreche sidi aus, daß das im 1 4 . Artikel Gelehrte nicht bloß eine kirchenrechtliche Konsequenz darstellt, sondern dem Glaubensgrund selbst zugehört. D i e Stellung des Artikels bezeuge, daß durch die Berufung zum A m t Christi eigener A u f t r a g einem Menschen zuteil w i r d und daß man auf anderem W e g e gar nicht ins A m t gelangen kann. — Z u r Auslegung des rite vocatus vgl. unten S. 3 3 3 ff. 2

3, 1 8 4 : das ist wahr, daß kein Mensch sich des öffentlichen Predigamts ohne einen öffentlichen Beruf und Vocation unterstehen soll; 7 , 7 4 2 : recte dicimus neminem debere fungi ministerio sine hac vocatione mediata; 1 2 , 3 7 8 ; 1 2 , 4 9 1 : Nemini . . . licet sine vocatione usurpare ministerium; 1 2 , 5 0 1 : N e c . . . licet ulli publicum ministerium in Ecclesia sine vocatione occupare; 1 5 , 1 3 3 3 ; vgl. audi C A 28, 8 ( B K S 1 2 1 ) : iuxta vocationem. 3 A p o l . 1 3 , 1 2 ( B K S 2 9 4 ) ; T r a c t . 7 2 ( B K S 4 9 2 ) : iure divino coguntur ecclesiae . . . ordinare; vgl. auch die weiteren oben S. 280 f., A n m . 45 und 4 6 angeführten Stellen. V g l . W . O . Munter, Begriff u. Wirklichkeit, S. 59. 4

V g l . W . O . Münter, Die Gestalt der Kirche usw., S . 57. Munter betont, daß C A 14 mit C A j zusammenhängt und sidi auf C A $ gründet. E r bezeichnet die in C A X I V geforderte Schuldigkeit ,quod nemo debeat in ecclesia publice docere aut sacramenta administrare nisi rite vocatus', als die „ i n F o r m eines Verbotes ausgedrückte Kehrseite desselben göttlichen Befehls", der „in seiner positiven Gestalt das mandatum de constituendis ministris ausdrückt" (a. a. O., S . 57). 5

7, 7 4 2 ; vgl. 4, 3 6 8 ; 1 2 , 3 8 1 . V g l . auch oben S. 2 6 3 , A n m . 1 3 4 .

*

v

¿ · 7. 7 4 1 ; 1 5 . 4 7 7 f·; 15.

694 (.;

15, 991.

315

er ohne das, so gilt ihm das Verdikt von Jer. 23, 2 1 1 . Die göttliche Sendung aber erfolgt eben in der besonderen Berufung zum Amt. N u r in einer externa vocatio mit sichtbaren testimonia kann sowohl der Amtsträger als audi die Kirche dessen gewiß werden, daß Gott wirklich gesandt hat8. Und erst wenn in solcher vocatio das Amt einer Person von Gott gewiß gegeben ist, kann es im Segen ausgeübt werden9. Schließlich sind Melanchthons Gedanken hinsichtlich der Notwendigkeit der Berufung zum A m t auch auf die Prüfung von Lehre und Leben gerichtet, die vor dem Amtseintritt notwendig ist und deren Durchführung nur in einem ordentlichen Vokationsverfahren gewährleistet erscheint10. Melanchthon zittert bei dem Gedanken, daß jedermann aus dem Volke einfach öffentlich zu lehren anfangen könnte. Qualis barbaries esset, si homines non vocati aut non explorati undecunque in Ecclesias irrumperent! quantum etiam periculum esset11. Aus all diesen Gründen ist die Notwendigkeit der Berufung zum A m t einleuchtend, sie gilt für Melanchthon als ganz feststehendes ius divinum, so daß wer die Berufung mutwillig überspringt und ohne sie das Amt ausübt, schwer sündigt12. Es ist nun aber weiter von Interesse auch die Frage, ob die Notwendigkeit der besonderen Berufung auch die Gültigkeit und Wirkungskräftigkeit der Amtsfunktionen berührt. Man wird bei der Untersuchung dieses Problems bei Melanchthon vorauszuschikken haben, daß Melandithon auch eine wirksame Verwaltung des Wortes, der T a u f e und der Absolution durch nicht zum Amt berufene Laien kennt 13 . Und zwar gilt das innerhalb bestimmter Bereiche, so im Bereich der Not, wenn berufene Amtsträger nicht zu erlangen sind 1 *, und für das Wort und die Absolution in dem privaten Bereich des brüderlichen Austausches der Christen untereinander 15 , bezüglich des Wortes auch im Bereich des Hausvater- und Schullehreramtes, sowie des allgemeinen Zeugenamtes, das jeder Christ gegenüber Heiden und Ungläubigen auf Grund seines Priestertums hat 1 ®. Aber Melanchthon unterscheidet dodi solche Wort- und Sakramentsverwaltung durdi Laien, wie wir oben gesehen haben 17 , sehr deutlich von der Funktion des öffentlichen ministerium ecclesiasticum. Unsere spezielle Frage ist es hier jetzt, ob die Ausübung der speziellen öffentlichen Amtsfunktion durch Nichtberufene, also durdi solche, die sich das Amt eigenmächtig angemaßt und ohne or7

7» 741 f·; 15» 1333· 7, 741 f.; 15, 1 3 3 1 f. • 12, 198: Prius . . . accipiunt ministri doctrinam, Spiritimi sanctum, et ministerium a Deo . . . Postea . . . spargunt vocem doctrinae. 10 12, 3 8 0 f . : . . . ne omnibus pateat aditus ad ministerium et publicum docendi munus, sed iis tantum, quorum explorata doctrina et vita perspecta est, sicuti Timotheo a Paulo praecipitur (darum ist Ordination mit Prüfung nötig). 11 7. 742; vgl· 12» 3 8 1 · » 12, 378 f.; 7, 742; 15, 1333. 13 Vgl. oben S. 263 f. 14 Tract. 67 (BKS 491). 16 12, 493 f. " *5> " 7 5 · 17 Vgl. oben S. 263 f. und 266. 8

316

dentlidie Vokation sich in dasselbe eingesdilidien haben, audi als gültige und wirksame Amtsfunktion angesehen werden kann. Melandithons antidonatistische Stellungnahme in der Frage des ministerium malorum und haereticorum haben wir bereits kennengelernt18. Die Gültigkeit von Wort und Sakrament ruht ihm auf ordinatio und mandatum Christi (CA 8), nicht auf der persona ministri. Die Person des minister mag mala sein, Wort und Sakrament sind dennoch kräftig. Wie aber, wenn es sich gar nidit um einen minister, also einen recht Berufenen handelt, sondern um einen Usurpator, der ohne rechtmäßige Berufung sich das Amt anmaßt? Melandithon hat bei seinen antidonatistischen Aussagen immer die Amtsfunktion solcher Personen im Auge, die zwar mali und non renati sind, doch aber redit berufene Diener der Kirche. Wie steht es, wenn auch letzteres fehlt, wenn also tatsächlich Unberufene die öffentliche Amtsfunktion an Wort und Sakrament ausüben? Die Beantwortung dieser Frage gestaltet sich insofern etwas schwierig, als Melandithon sie so nicht direkt gestellt hat und also seine Einstellung darin aus seinen sonstigen zur Sache gehörigen Äußerungen erschlossen werden muß. Man wird jedenfalls den Satz voranzustellen haben, daß im Sinne Melandithons Wort und Sakrament — wenn nur rein, rite gehandelt — stets instrumenta spiritus sancti und also heilsträchtig sind und ubi et quando visum est Deo Glauben wirken können. Das kann sich in Melandithons Sinn ohne Frage auch nicht in einem solchen Fall, wo ein Nichtberufener sündhaft die Amtsfunktion ausübt, anders verhalten. Ist es dodi auch in anderen Fällen, in denen Laien Wort und Sakrament handeln (vgl. die oben angeführten Bereiche), so. Allerdings unterscheidet sidi ja eine öffentliche Amtsfunktion Nichtberufener von der Laienfunktion an Wort und Sakrament in den gekennzeichneten Bereichen gewichtig dadurch, daß sie unerlaubt und schuldhaft, als Sünde geschieht. Und darin liegt ohne Frage ein Hemmnis für die volle Wirksamkeit des heiligen Geistes durch solche Wort- und Sakramentsfunktion, das wiederum zur Folge hat, daß der Gewißheitsgrad bezüglich der Wirkungskraft dieser illegitimen „Amts"funktion geringer ist als beim Vorhandensein der rechten Berufung zum Amt. Von hier aus wollen auch eine Reihe von Äußerungen Melandithons berücksichtigt sein, die die Relevanz der Vokation für die Gültigkeit und Heilswirkung der Amtsfunktion an Wort und Sakrament ausdrücklich betonen oder voraussetzen. In der Apologie wird der Inhalt von CA 8 folgendermaßen wiedergegeben: Nec adimit sacramentis efficaciam, quod per indignos tractantur, quia repraesentant Christi personam propter vocationem ecclesiae, non repraesentant proprias personas, ut testatur Christus: Qui vos audit, me audit. Cum verbum Christi, cum sacramenta porrigunt, Christi vice et loco porrigunt. Id docet nos illa vox Christi, ne indignitate ministrorum offendamur 1 ·. Die Gültigkeit der Gnadenmittelverwaltung der Bösen wird darauf gegründet, daß sie ja Christi Person repräsentieren, letzteres aber gilt von ihnen propter vocationem ecclesiae. Die in CA 8 gebrauchte Wendung .propter ordinationem et mandatum Christi' ist hier in Apol. γ, 28 mit .propter vocationem ecclesiae' wiedergegeben20. Insofern die ministri die vocatio ecclesiae haben und als rite vocati das Wort und die Sakramente handeln, repräsentieren sie Christi Person. Sie stehen vice Christi propter vocationem ecclesiae. In der vocatio ecclesiae hat sich 18

Vgl. oben S. 289 f. Apol. 7, 28 (BKS 240); vgl. den deutschen Text: „ . . . Denn um des Berufs willen der Kirchen sind solche da, nidit für ihre eigen Person, sondern als Christus, wie Christus zeuget: Wer euch höret, der höret midi. Also ist auch Judas zu predigen gesendet, so reichen sie dieselbigen an Christus statt. Und das lehret uns das Wort Christi, daß wir in solchem Fall die Unwürdigkeit der Diener uns nicht sollen irren lassen". 20 Vgl. H. Bernau, Die Bedeutung der Ordination nach d. luth. Bek.sdiriften, 1940, S. J4w

317

Christi Person mit der Person dieser Menschen, der ministri, verbunden, woraus die objektive, von der moralischen Würdigkeit oder Unwürdigkeit unabhängige Wirksamkeit des Amtshandelns dieser ministri resultiert 21 . Die hier begegnende Einschaltung der vocatio ecclesiae in den die objektive Gültigkeit der Amtsfunktionen begründenden Gedankengang, verdient aufmerksame Beaditung. Erwägt man Apol. 7, z8 im genauen Wortlaut, so wird einem nicht gerade der Eindruck vermittelt, daß die vocatio ecclesiae für Melanchthon bezüglich der Gültigkeit der Amtsfunktionen von keinerlei Belang wäre. Vielmehr wird H. Bernau richtig gesehen haben, wenn er auf Grund dieser Stelle sagt: „Die efficacia (näml. der Sakramente audi der bösen Priester) gilt, quia repraesentant ... Christi personam, und das heißt: sie gilt propter vocationem ecclesiae . . . Von daher bestimmt sich die Bedeutung der Ordination (hier im umfassenden Sinne gleich Vokation): an ihr hängt die Autorität und Vollmacht des kirchlichen Amtes in Stellvertretung Christi auf Grund des Auftrages der Kirche" 82 . Eine ähnliche Stelle findet sich bei Melanchthon noch in den Loci von i f j f . Die Frommen sollen wissen, sagt er da ganz nach C A 8, daß der usus sacramentorum gültig sei propter mandatum et ordinationem divinam, ctiamsi mores ministrorum mali sint, um dann aber noch fortzufahren: Loquimur autem de malis in Ecclesia, non de aperte blasphemis, ut Iudaeis aut Turcis, quibus Ecclesia nullum ministerium mandavit 23 . Das zuerst Gesagte soll also nicht gelten von offenbaren Gotteslästerern, wie Juden und Türken, die extra ecclesiam sind, und denen die Kirche kein Amt übertragen hat. Man kann das so fassen, daß Melanchthon damit nur die etwaige Wort- und Sakramentsverwaltung durch Ungetaufte oder Exkommunizierte von der objektiven Gültigkeit ausnehmen will. Aber warum fügt er dann hinzu: quibus ecclesia nullum ministerium mandavit? Hinter diesen Worten steht jedenfalls deutlich der Gedanke, daß die objektive Gültigkeit der Amtsfunktionen auch irgendwie mit der Berufung der Kirche ins Amt zusammenhängt. Höchstwahrscheinlich liegt hier der gleiche Gedankengang zugrunde, wie Melanchthon ihn in der Apologie ausgeführt hat. Eine weitere Aussage, die audi in diese Richtung weist, findet sich in einer Disputation De autoritate Ecclesiae, et de dicto Augustini: Evangelio non crederem etc. (aus dem Jahre 1531?), in der es heißt: Et licet nobis uti Sacramentis, si porrigantur a malis, qui sunt in ministerio Ecclesiae, nisi sint aperte blasphemi, sicut Turci auf Iudaei 24 . Die Sakramente braudien kann man (d. h. sie sind objektiv gültig) bei den mali, qui sunt in ministerio Ecclesiae, die recht berufen das Amt innehaben. Audi hier wird nur von solchen geredet, die wirklich im Amt sind. 21

Vgl. dazu G. Wehrung, Zu Augustana V I I I , Zeitsdir. f . syst. Theol. 1937, S. 8. a. a. O., S. 54. — Die bekannte Umdeutung der Stelle Apol. 7, 28, wonach hier doch lediglich die Funktion für die Gültigkeit von Wort und Sakrament bedeutsam sei (cum verbum Christi, cum sacramenta porrigunt . . . ) und die Berufung der Kirche ohne Belang sein soll, begegnet z. B. bei R . Sohm (Kirchenrecht I, S. 503, Anm. 36). Allzu deutlich läßt Sohm aber das Motiv durchblicken, das ihn zu dieser Umdeutung veranlaßt, er äußert nämlich, die andere Deutung der Stelle, die an die vocatio ecclesiae anknüpft, sei „ein katholischer Gedanke". Darum kann sie also nicht in Frage kommen! Unzutreffend ist Sohms Entgegensetzung: „nicht ihr Amt, sondern ihr Wort als solches . . . macht sie zu Vertretern Christi" (ebda.). Es gehört beides zusammen: die rechte Funktion und die legitime Berufung der Kirche, aus beidem resultiert die volle objektive Gültigkeit des Amtstuns, auch bei persönlicher Unwürdigkeit. — Ebenso abzulehnen ist die Kritik B. Sdilunks (a. a. O., S. 67) an Vilmars Auslegung von Apol. 7, 28. Schlunk läßt audi das ,propter vocationem ecclesiae' außer acht, außerdem urteilt sie aus einer falschen Sicht des Amtes überhaupt, als wäre es nur ubi et quando visum est Deo existent (vgl. oben S. 291, Anm. 113). 22

25

" 318

2 1 , $08. 12, 483.

Erwägt man nun den in all diesen Stellen vorliegenden Sachverhalt, so wird man auf die Frage geführt, welchen Sinn denn eigentlich das ,propter ordinationem et mandatum Christi' in CA 8 besitzt15. Man möchte zunächst annehmen, ordinatio und mandatum bezeichneten einfach die Stiftung und Einsetzung von Wort und Sakrament durch Christus, auf Grund deren diese dann auch objektiv gültig sind. Jedoch, warum ist dann an der Parallelstelle in der Apologie (7, 28) dieser Gedanke fallengelassen und durch den anderen von der Ghristusrepräsentation propter vocationem ecclesiae ersetzt worden? An der anderen Stelle der Apologie, die CA 8 aufnimmt: 7, 47 (BKS 246) findet sich ebenfalls nur die Begründung der Wirksamkeit der Sakramente der mali auf die Christusrepräsentation der ministri. Es erhebt sich die Frage, ob CA 8 in dem eben angegebenen Sinn überhaupt richtig interpretiert ist, ob man nicht vielmehr in dieser ordinatio und in diesem mandatum Christi, von denen da geredet wird, statt lediglich die Einsetzung von Wort und Sakrament richtiger auch die Stiftung des Amtes und das mandatum de constituendis ministris mit zu erblicken hat, das sich dann in der vocatio bzw. ordinatio ecclesiae aktualisiert, wobei aufs beste erklärt sein würde, warum Melanchthon in der Apologie propter ordinationem et mandatum Christi mit propter vocationem ecclesiae wiedergibt. So sieht H. Asmussen die Stelle 8 '. Was Melanchthon in den Loci allgemein zu der objektiven Gültigkeit von Wort und Sakrament gegen den donatistisdien Irrtum ausführt (21, 508 f. und 21, 840 f.), spricht nicht gegen eine solche Deutung. 21, 508 wird das ,propter mandatum et ordinationem divinam' nach CA 8 aufgenommen, steht aber da — wie wir gesehen haben — in enger Verbindung mit dem Gedanken der Beauftragung durch die Kirche. Im folgenden Text an dieser Stelle fällt auf, daß die Wirksamkeit des ministerium malorum auch (wie in der Apologie) auf die Christusgegenwart in den ministri begründet wird: Qui vos audit, me audit; id est, ministerium valet propter me", und bald darauf heißt es: Debemus enim ministerio ipsi obedientiam, quod divinitus ordinatum agnoscamus Dei beneficium esse, ac propter ipsum toleremus mores etiam parum commodos ministrorum18. Das Vorhandensein des (natürlich durch Berufung konkret zustande gekommenen) Amtes, das von Gott gestiftet ist, verbürgt die objektive Gültigkeit von Wort und Sakrament. An der entsprechenden Stelle der Loci von 1543 heißt es zwar: sciendum est, Evangelium et Sacramenta efficacia esse propter promissionem Dei, non propter ministri personam, aber es ist eben an die Verheißung gedacht, daß Christus in den Amtsträgern gegenwärtig und wirksam sein wolle (Luk. 10, 16), denn Melanchthon fährt fort: Revocat igitur Christus mentes nostras et fidem nostram a persona ministri ad sese inquiens . . . : Qui vos audit, me audit29. Es wird das ,propter ordinationem et mandatum Christi' von CA 8 in der Tat so ausgelegt werden müssen, daß damit nicht nur auf die Einsetzung von Wort und Sakrament, sondern auch auf die damit ohnehin zusammenhängende Einsetzung des Amtes und die daraus entspringende rechtmäßige Vokation zum Amt rekurriert werden soll. Zur gültigen öffentlichen Sakramentsverwaltung gehört für Melanchthon dann nicht allein der Gehorsam gegenüber der Einsetzung des Sakramentsritus durch Christus im Vollzug der Sakramentshandlung, sondern auch der Gehorsam gegenüber der Einsetzung des zur Sakramentsverwaltung bestellten Amtes und also gegenüber dem mandatum de constituendis ministris. M. a. W. es gehört dann mit zu den Voraussetzungen der vollen objektiven Gültigkeit und Wirksamkeit der öffentlichen Sakramentsverwaltung, daß sie von rite vocati wahrgenommen wird. Von diesem " Im deutschen Text fehlen diese Worte. Warum noch luth. Kirche, S. 127. " 21, 509. 18 Ibid. M 21, 840. 24

319

Gedankengang her wird die Lehre von der Notwendigkeit der Berufung zum Amt natürlich nodi besonders unterstrichen. Man darf hieraus allerdings nicht zu weitgehende Schlüsse ziehen. Melanchthon bezieht sich in seiner antidonatistisdien Argumentation für die objektive Gültigkeit der Gnadenmittel stark auf die vocatio ecclesiae bzw. auf die in der vocatio begründete Christusgegenwart in den ministri, er sieht auch die der objektiven Gültigkeit der Gnadenmittel zugrunde liegende ordinatio Christi in eins mit der Stiftung des Amtes, aber er würde sich ohne Frage scheuen, daraus die Konsequenz zu ziehen, daß eme öffentliche Wort- und Sakramentsfunktion durch einen Nichtberufenen leer und unwirksam ist. Das vertrüge sich nämlich nicht mit seiner sonstigen Auffassung von der dem Evangelium und den Sakramenten auch an sich innewohnenden Geisteskraft, von der lebendigen selbstmächtigen Stimme des Evangeliums, die nicht so an das Amt gebunden ist, daß sie nicht auch extraordinarie außerhalb desselben, und audi eben gegen die Bosheit eines Schalks wirksam werden könnte. Der in der CA und Apologie, wie in den Loci vorliegende Grundgedanke ist offensichtlich der, daß Gott Wort und Sakrament konkret eingesetzt und das Amt dafür gestiftet, also Befehl gegeben hat, die öffentliche Wort- und Sakramentsfunktion bestimmten Personen in der Gemeinde durch besondere vocatio zu übertragen, und daß auf Grund dieses ganzen stiftenden und anordnenden Handelns Gottes, das in der jeweiligen vocatio ecclesiae zum Amt und dann in der jeweiligen lebendigen Amtsfunktion an Wort und Sakrament aktualisiert wird, Wort und Sakrament objektiv gültig und wirksam sind. Die Konsequenzen, die sich aus diesem Grundgedanken ergeben, sind aber von Melanchthon nicht ausgezogen worden. Es müssen eigentlich bei ihm zwei verschiedenartige Motive, das der Notwendigkeit der Berufung für die Gültigkeit der Gnadenmittel und das der Selbstmächtigkeit des Wortes und der Sakramente, unausgeglichen nebeneinander stehend konstatiert werden30. 80 Legte man das Motiv der Selbstmächtigkeit des Wortes und der Sakramente und die damit gegebene automatische Christuswirksamkeit in der Wort- und Sakramentshandlung, die rite geschieht, einseitig zugrunde, so müßte man den bei Melanchthon immer wieder hervorgehobenen Gegensatz: die Gnadenmittel seien gültig und wirksam propter Christum (oder propter ordinationem divinam, promissionem divinam), non propter personas, so interpretieren, daß damit nicht nur die moralische Beschaffenheit der Diener, sondern auch ihre sachliche Beziehung zu der von ihnen verrichteten Funktion als für die Gültigkeit der Gnadenmittel irrelevant erklärt wird, also audi die Tatsache, ob berufen oder nicht. Jedoch bliebe dann die bei Melandithon stets wiederkehrende Argumentation mit Luk. ίο, 16, das doch von den gesandten Aposteln, bzw. den berufenen Amtsträgern redet, sowie zumal das .propter vocationem ecclesiae' in Apol. 7, 28 unverständlich. Man vergleiche auch Melandithons Lehre, daß Gott verheißt, durch das ministerium, in dem ministerium, durch die ministri wirksam zu sein (vgl. oben S. 287 ff.). Die Verheißung der Wirksamkeit Gottes durch die Amtsfunktionen setzt die Sendung ins Amt, die Berufung ins Amt voraus. Das spricht dafür, daß die volle Wirksamkeit nach Melandithon dodi nur auf Grund der Berufung da ist. — Beachtlich ist auch, daß Melanchthon in den Responsiones ad impios artículos Bavaricae inquisitionis von i j j 8 in Widerlegung des Artikels X V I I I (,An consecratio Sacramenti valeat facta per non ordinatos ab Episcopis?') nicht — wie es nahegelegen hätte — antwortet: das Sakrament sei gültig aus sich ohne Rücksicht auf das Ordiniertsein des Dieners, sondern sich darauf beruft: „Ordinationem Ministrorum Evangelii iustam esse in Ecclesiis nostris" und daß der Sohn Gottes ohne Zweifel in dem von ihm gestifteten und erhaltenen Ministerium efficax sei. Nicht die confirmado durch den römischen Bischof sei nötig, sondern: „satis esse, electionem fieri ab Ecclesia eius loci, adhibito vicino Episcopo uno vel pluribus, iuxta Synodi Nicenae decretum" (Stud. Ausg. Bd. VI, S. 301 f.). Das macht ganz und gar nicht

320

2. Unmittelbare und mittelbare Berufung zum Amt Melandithon unterscheidet zwei Arten der Berufung zum Amt, die vocatio immediata und die vocatio mediata. In beiden Arten der Berufung ist das Subjekt der dreieinige Gott. In der vocatio immediata beruft Gott direkt, in der vocatio mediata bedient er sich bestimmter Menschen als Mittelspersonen und beruft durch sie31. Die unmittelbare Berufung ist nur den Propheten und Aposteln zuteil geworden. Der Sohn Gottes hat sie mit seiner eigenen Stimme berufen, gesandt, gesalbt mit den Gaben des heiligen Geistes und ist durch ihr Amt wirksam gewesen. Er hat auch manifesta testimonia der vocatio beigegeben, nec vult fieri res tantas in Ecclesia sine testimoniis. Die Wunderzeichen sind entweder Wunderzeichen, die die Berufenen tun konnten oder auch besondere Offenbarungen, durch die Gott anderen eröffnet, daß die betreffenden von ihm gesandt sind (so habe z. B. Eli erfahren, daß Samuel und die antiochenische Gemeinde, daß Paulus gesandt war)"2. Die unmittelbare Berufung der Propheten und Apostel unterscheidet sich von der mittelbaren, die heute in der Kirche stattfindet, besonders dadurch, daß sie nicht parochial gebunden und daß sie mit dem donum inerrantiae verknüpft war®3. Diese unmittelbare Berufung findet nach der apostolischen Zeit nicht mehr statt. Es ist ein anabaptistischer Irrtum, auf unmittelbare Berufung zu warten3*. Jetzt ist die mittelbare Berufung die einzige Berufung zum Amt der Kirche. Ohne diese darf niemand im Amt der Kirche fungieren35. Die vocatio mediata ist aber nicht weniger göttliche Berufung als die vocatio immediata, wenn sie auch durch Menschen, durch die Kirche geschieht. Gott selbst will, daß die Amtsträger durch suffragatio humana berufen werden36 und verheißt, daß das Amt solcher mittelbar Berufenen den Eindruck, daß die V o k a t i o n z u m A m t v o n M e l a n d i t h o n als f ü r die

Gültigkeit

der A m t s f u n k t i o n e n irrelevant angesehen w u r d e . 31

7» 7 4 1 ; 1 2 . 3 7 9 ; 1 5 . 5 4 7 ; !5» " 3 3 f- 1 2 9 8 . 1 3 3 1 ;

32

i j , 1 3 3 1 f.; vgl. 7,

33

1 5 , 5 4 7 : E s t q u e diligenter hoc loco discernenda apostolica v o c a t i o , a b E p i s c o p i

7 4

4".

i.

v o c a t i o n e . A p o s t o l u s est immediate a C h r i s t o v o c a t u s ad d o c e n d u m E v a n g e l i u m

et

habet certum testimonium suae doctrinae, quod sit d i v i n a , ac certum est, eum habere S p i r i t u m sanctum, et in doctrina non errare, a c potest ubique in omnibus Ecclesiis docere. A t E p i s c o p u s est v o c a t u s per homines a d d o c e n d u m E v a n g e l i u m , certo loco, et potest errare, nec necesse est certum esse, q u o d habeat S p i r i t u m s a n c t u m ; v g l .

1$,

1 2 3 3 f . 1 2 9 8 ; 2 1 , 1 0 9 9 f. 34

iJ.

35

i j > 1 3 3 3 : ubi non est v o c a t i o p r o p h e t i c a et apostolica, sciamus sine v o c a t i o n e

1333-

mediata nequaquam

i n v a d e n d u m esse ministerium E v a n g e l i i ; v g l . 7 , 7 4 2 :

...

Item

durissima c o n d e m n a t i o est: currebant et non m i t t e b a m eos (hier auf fehlende mittelbare B e r u f u n g bezogen). V g l . oben S . 3 1 5 , A n m . 2. 36

21,

1100:

consideranda

sunt autem

testimonia,

quae

confirmant

vocationem,

quae fit p e r homines, et ostendunt D e u m velie suffragatione h u m a n a v o c a r i Ministros 21

7915 Lieberg, Amt

32I

wirksam sein soll37. Es ist als ein ingens beneficium Dei anzusehen, quod concessit hominibus ius vocationis, idque approbat38. Die äußere Berufungshandlung ist in der mittelbaren Berufung das testimonium, der Ausweis, daß wirklich Gott ins Amt berufen hat (wie es bei der unmittelbaren Berufung die besonderen Wunderzeichen sind), an ihr kann der Berufene der göttlichen Berufung ins Amt gewiß werden3'. In der äußeren Berufung handelt Gott. Er lenkt die menschliche Wahlhandlung40, salbt mit dem heiligen Geist, legt die Hände auf, segnet und sendet zum Amt, um dann durch die so Berufenen kräftig zu wirken und sich eine ewige Kirche durch ihr Amtstun zu sammeln41. Es ist also sehr zu beachten, daß in der Substanz die mittelbare Berufung durch die Kirche mit der unmittelbaren Berufung genau übereinstimmt: Gott beruft dadurch zum Amt, nur die accidentia missionis sind verschieden42. Durch dieses Verständnis der vocatio mediata (vocatio ecclesiae) wird die Notwendigkeit der besonderen Berufung zum Amt unterstrichen. Wenn Gott sich durch Anordnung und Verheißung herbeiläßt, in einem bestimmten Menschenhandeln berufend und sendend gegenwärtig und wirksam zu sein, so kann die Verachtung dieser gnädigen Heilsordnung Gottes nur als Sakrileg gewertet werden und ist die Berufung vor dem Eintritt ins Amt unbedingt iure divino erfordert. 3. Die konkreten Instanzen der Berufung Auf die Frage, wer die Berufung zum ministerium ecclesiasticum durchzuführen habe, lautet die Antwort bei Melanchthon zunächst einfach: die Kirche**. Die Kirche ist Inhaberin des ius vocationis44. Dafür weist Melanchthon mehrere Begründungen auf. Evangelii et per tales efficacem esse. Paulus (tit. 1, 5) praecipit Tito, ut constituât Presbyteros passim in oppidis. Et 2. Tim. 2 (vs. 2) dicitur: Haec commenda hominibus fidelibus, qui idonei sunt ad docendos alios; vgl. 7, 741 f.; 15, 1332. 87 7, 7 4 1 : Deus regulariter vult voce Ecclesiae vocari homines ad ministerium Evangelicum, et adfirmat, ministerium efficax esse, etiam cum tales vocati mediate per Ecclesiam eo funguntur; 1 $ , 1336; 28, 4 1 2 : . . . et ecclesiae electionem adprobat, et immensa bonitate efficax est etiam sonante Euangelio per electos suffragijs aut nomine Ecclesiae; Apol. 1 3 , 12 (BKS 294). 38 49°· N 7. 741 f. 40 379· 11 7, 742; 23, X X X V . 42 Vgl. oben S. 288 f. 48 Vgl. zum Ganzen auch unten S. 373 ff. 44 12, 490: Prima . . . ordinario fuit Christi, postea Ecclesiae datum est ius vocandi et eligendi et ordinandi ministros; 4, 349; 12, 519; 2 1 , 50$; Tract. 67 ( B K S 491). Vgl. W. Maurer, Pfarrerredit u. Bekenntnis, S. 139. — Unmelanchthonisdi ist R . Sohms Aufstellung, als wäre nicht der Kirche das Amt gegeben, sondern nur dem

322

ι. Christus hat die Schlüssel nicht einzelnen Personen gegeben, sondern — wie Matth. 18,20 lehrt — principaliter et immediate der Kirche. Hat die Kirche nun principaliter die Schlüssel, so hat sie auch principaliter das ius vocationis 45 . Die Kirche aber ist da, w o (gleich von wie vielen!) die pura doctrina geglaubt und bekannt wird. W o in diesem Sinne vera ecclesia ist, da ist auch das ius vocationis40. 2. Die wahre Kirche hat nach 1. Petr. 2, 9 das sacerdotium. Als priesterliches V o l k kann sie nicht ohne das Evangelium sein. So geht aus dem Priestertum (zwar nicht das Amt, aber) das Redit hervor, Kirchendiener ins Amt zu berufen. Von der wahren Kirche gilt: cum sola habeat sacerdotium, certe habet jus eligendi et ordinandi ministros4'. 3. Der wahren Kirdie ist das ministerium Evangelii eingestiftet und Gott hat verheißen, ihr stets Hirten und Lehrer zu geben (Eph. 4). Auf Grund dessen hat die Kirdie Macht und Recht, dieses ihr gegebene Amt mit Personen zu bestellen und also die vocatio durchzuführen48. 4. Die Kirche hat nicht nur Gottes Befehl, das Evangelium zu verkündigen und die Sakramente zu verwalten, sondern audi direkt Personen ins Amt zu berufen. Habet . . . ecclesia mandatum de constituendis ministrisi. Christus hat „der Kirchen befohlen, das sie selb Personen beruffen und ordinirn sol"50. Die Schrift befiehlt der Kirche, sich vor falschen Lehrern zu hüten (Matth. 7, i j ; Gal. 1, 9). Cum igitur habeat Ecclesia mandatum reiiciendi impíos doctores, habet etiam mandatum eligendi bonos doctores51. Das Mandat, Personen ins Amt zu berufen, ist innerlich verknüpft mit dem Mandat, die Gnadenmittel zu treiben. einzelnen (Kirdienredit I, S. 5 0 0 ff.), und als berufe nidht die Kirdie, sondern Gott (in dieser Entgegensetzung): „Der »Auftrag', welcher das öffentliche Predigtamt gewährt, ist geistlich angesehen, nicht Auftrag, sondern Gestattung, Zeugnis, Anerkennung des Berufes, den nicht die Gemeinde, sondern Gott gegeben hat, ist die aus Liebespflicht geborene Unterordnung der Gemeinde unter das von Gott geschenkte Charisma" (ebda. S. $ 0 4 ) . Man muß fragen, warum spricht Melau dl thon dann aber überhaupt von einer vocatio ecclesiae? Sollte das nur uneigentlich gemeint sein? Das ist nicht gut vorstellbar. Nach Melanchthon beruft die Kirche, und wirkt in dieser Berufung der Kirche Gott. Erst durch sie kommt Gottes Ruf eigentlich an die Person heran, so daß diese dessen gewiß sein kann. Sohm sieht in der Begabung zum Amt schon die eigentliche Berufung zum Amt. Das ist aber durchaus nicht Melanchthons Auffassung. Vgl. oben S. 3 0 0 ff. 45 Tract. 2 4 (BKS 4 7 8 f.); vgl. Tract. 6S (BKS 4 9 1 ) : claves ecclesiae datas e s s e . . . ; i l , 5 0 J . Vgl. W. O. Münter, Begriff u. Wirklichkeit, S. 6 0 ff. 21, J05; 8, 430. " Tract. 69 (BKS 4 9 1 ) ; 2 1 , $ 0 5 . 48 Tract. 6 7 (BKS 4 9 1 ) ; 2 1 , $0$; 8 , 4 3 0 ; 1 2 , 5 1 9 : Ubi est Ecclesia, ibi necesse est iustam ordinationem ministrorum esse, quia ordinatio ministrorum est inter dona Ecclesiae proprie, iuxta illud Eph. 4 . " Apol. 1 3 , 1 2 (BKS 2 9 4 ) . 5 0 2 3 , X X X V I ; weitere Stellen hierzu vgl. oben S. 2 8 0 f., Anm. 4J und 4 6 . 5 1 2 1 , J 0 5 ; vgl. 1 5 , 1 3 3 5 : (Die wahre Kirche hat das ius vocationis) quia verae Ecclesiae dictum est: Constitue presbyteros.

323

So begegnet im Tractat folgende Gedankenverbindung: W o die Kirche ist, da ist audi das ius administrandi evangelii, darum hat die Kirche auch stets das jus vocandi, eligendi et ordinandi ministros5®. Diesem Schluß liegt der Gedanke zugrunde, daß Evangeliumsverwaltung und konkrete Amtsbestellung sich innerlich fordern und unlöslich miteinander verbunden sind. Dieses aus den angeführten Gründen der Kirche zustehende ius vocationis ist ein bleibendes Grundrecht der Ecclesia, ein donum proprie datum ecclesiae, quod nulla humana autoritas ecclesiae eripere potest53. Das tritt besonders in Notzeiten ins Licht. Werden die episcopi ordinarli, die Inhaber der ordinaria potestas Feinde des Evangeliums und wollen sie tüchtige Personen nicht oder nur unter Auflegung Unrechter Verpflichtungen ordinieren, so: ecclesiae retinent ius suum54. Nec propterea extinguitur universa Ecclesia, sed manet Ecclesia apud nos; ubi sonat vox Evangelii, ibi et ministerium, et ius electionis, et comprobationis manet55. Aber nicht nur behält die Kirche das Recht, selbst Kirchendiener zu wählen und zu berufen, wenn die Bischöfe häretisch werden, sondern sie ist vor Gott, nach göttlichem Recht sogar schuldig, das zu tun56. Es ist allerdings im Auge zu behalten, daß Melandithon hierbei die Kirche nicht als reine Laiengemeinde, überhaupt ohne ministri, oder gar im Gegensatz zu den Amtsträgern, denkt. Er setzt an den angeführten Stellen auch nur den Fall, daß die Bischöfe ausfallen, nicht den, daß überhaupt keine Amtsträger mehr vorhanden sind, w i e besonders in Tract. 72 deutlich wird 5 7 .

Die Kirche ist die rechtmäßige Inhaberin des ius vocationis, ihr hat Christus es gegeben. Aber damit ist noch nichts Genaues über die konkreten Instanzen der Berufung gesagt. Wie, durch wen, durch welche Instanzen beruft die Kirche? T r a c t . 67 (BKS 491). Ibid.; 12, 519. 54 T r a c t . 66 (BKS 491); 72 ( B K S 492); 21, 50$. Man beachte in T r a c t . 66.67.7i die wiederholte Verwendung des Begriffs ,retiñere'. Er unterstreicht den Charakter des unveräußerbaren Grundrechtes. 55 j , 212; vgl. 8, 431. 56 T r a c t . 72 (BKS 492 f.): iure divino coguntur. Vgl. W . O . Munter, Begriff u. Wirklichkeit, S. 31 und S. $9. 57 T r a c t . 72 (BKS 492): Quare cum episcopi aut fiunt haeretici aut nolunt impertiré ordinationem, jure divino coguntur ecclesiae adhibitis suis pastoribus ordinare pastores et ministros. V g l . Vilmar, Lehre v. geistl. A m t , S. 90 f. Ebenso W . Löhe, Neue Aphorismen, Ges. W e r k e Bd. V . 1; S. 551 : man solle den Symbolen nicht das Unrecht tun, „die Kirche mit Ausschluß des ministerium auf die Laien zu beschränk e n " ; auch S. 5 54. — Widersprochen werden muß hier Theod. Harnack (Die Kirche, ihr A m t , ihr Regiment, S. 45), der im T r a c t a t unter der Kirche, die das ius ordinandi ausübt, nicht die ecclesia cum pastoribus, sondern einfach die Gemeinde der Gläubigen sehen will. Der Fall, daß eine reine Laienschar Diener ins A m t ruft, liegt nicht im Blickfeld des Tractats. 52

55

324

Melandithon hat in den Pastoralbrief en (bes. an den Stellen Tit. i , 5; ι. Tim. 5, 22; z. Tim. z, z) die Beobachtung gemacht, daß da nach dem Neuen Testament der Apostel Paulus den Amtsträgern Titus und Timotheus befiehlt, Presbyter einzusetzen. Das ist ihm ein testimonium scripturae dafür, daß in der ersten Kirche also Pastoren von anderen Pastoren eingesetzt wurden58. Vocabant igitur ipsi apostoli et pastores alios ministros69. Dieser Sachverhalt hat für Melandithon exemplarische Bedeutung. Er sieht in Tit. i, 5 auch einen Befehl der Schrift an alle Diener im Amt, neue Pastoren zu berufen, w o es erforderlich ist80. Und in 2. Tim. 2, 2 ist ihm der sachliche Grund dafür angegeben, daß die Berufung neuer Diener ins Amt durch die vorhandenen Diener am Wort zu geschehen hat: nur sie können die exploratio doctrinae vornehmen, durdi die festgestellt wird, ob die Bewerber tüchtig sind, andere zu lehren". Darum findet sich im Tractat audi die bedeutsame Wendung: jure divino coguntur ecclesiae adhibitis suis pastoribus ordinare pastores et ministros". Und in der C A variata fügt Melanchthon dann dem Wortlaut des 14. Artikels an: (nemo . . . nisi rite vocatus,) Sicut et Paulus praecipit Tito, ut in civitatibus presbyteros constituât". Das ,rite vocatus' soll also in sich schließen, daß die Berufung nach apostolisdiem Vorbild durch (übergeordnete) Amtsträger vorgenommen wird. Jedoch kann Melanchthon die Gemeinde, das Volk ( = die Laien) darum von dem Vorgang der Berufung nicht ausschließen, denn das Neue Testament bringt Mahnungen an alle Christen, sich vor Irrlehrern zu hüten, d.h. also auch: unfromme Lehrer nicht zuzulassen, vielmehr für gute Sorge zu tragen. So hat auch die ganze Gemeinde eine Mitverantwortung für die Berufung ins Amt. Ideo ad electionem ministrorum accessit veteri more autoritas Ecclesiae . . V o n hier aus erklärt sich Melanchthon der Vokationsvorgang, der in der Alten Kirche üblich und vom Nizänischen Konzil vorgeschrieben war. Historiae et decreta testan58 2 i , 503: Exstat igitur testimonium scripturae, quod Pastores sint ordinati a vicinis Pastoribus, hoc est, praefecti aliis Ecclesiis; vgl. 21, 850; 12, 490; 5, 2 1 1 ; 5, 8 l j ; 3. 471 f·; IJ» 1333! $. 601; 20, 653.

7. 741· 12, 490; 22, 524. 61 15, 1333: Oportet autem adhiberi pios Doctores ex collegio ministrorum Evangeli!, propter explorationem doctrinae, de qua ad Timotheum manifeste praecipitur 2 . T i m o t h . 2. β ϊ T r a c t . 72 (BKS 492). V g l . "W. Maurer, a . a . O . , S. 113 z u der Stelle: „ N u r unter Heranziehung ordnungsmäßig eingesetzter öffentlidier Diener (.adhibitis suis pastoribus', § 72) soll die Bestellung neuer erfolgen". — W . K a h l (Rechtsinhalt usw., S. 336) meint zum Tractat, daß nach ihm offen bleibe, „wie die ecclesia unmittelbar ihr jus vocationis ausüben solle oder könne", „nur daß es geschehe", werde unermüdlich wiederholt. A b e r er hätte in Tract. 72 eine nähere Bestimmung über das W i e der Berufung wahrnehmen können, nämlich: adhibitis suis pastoribus. 63 26, 360. 59

60

M

21, 503; vgl· 5. S96·

325

tur hune fuisse morem: Populus eligebat, postea accessit autoritas vicini Episcopi, qui approbabat electum65. Die Einsetzung eines Bischofs geschah, wie Melandithon aus Cyprians Worten entnimmt, unter dem suffragium universae fraternitatis und dem judicium Episcoporum, qui in praesentia convenerant". Hieraus folgert Melanchthon: Die Vokation ist also ein Akt, der im Zusammenwirken von Volk und Bischöfen, von Amt und Gemeinde vor sich geht. Nicht allein das Amt voziert, aber auch nidit allein das Volk ohne das Amt67. Das Volk wählt, das Amt bestätigt. Dabei ist bedeutsam, daß es sich um die Bischöfe der benachbarten Kirchen handelt, in denen also die Gesamtkirche repräsentiert wird. Eine Vokation ist nicht Handlung einer (womöglich als independent gedachten) Einzelgemeinde, sondern der Gesamtkirche68. Im Zusammenwirken von Volk und Amt beruft die Kirche als Gesamtkirche, als corpus Christi. So sah Melanchthon es in der Alten Kirche8*. Und dieses Beispiel der Alten Kirche hat für Melanchthons eigene Lehre stets normative Bedeutung gehabt. Vergleicht man den gegenwärtigen modus bei der Vokation mit dem damaligen, so ergibt sich für Melandithon folgendes Bild: Olim fiebat 65 2 i , $03; vgl. i$, 1333; 22, 524 f.: Weiter ist zu wissen, das die Kirche von der Apostel zeit a n viel h u n d e r t jar diese weise gehalten hat, Das die Bisdioue durch versamlung der fürnemesten Personen, so Christen glauben bekandten und löblicher sitten waren, aus allen Stenden, Priestern und Leyen, gewehlet wurden, Dazu w u r d e n auch erfordert, zween oder drey Bisdioue, aus den nehesten Stedten, die dieses Erwehleten Lere anhören, und darnach jn bestetigen solten. Die Versamlung muste Wehlen und stimme geben, Aber die erforderten Bisdioue erkundigten seine lere, und hielten darnach die Ceremonien der bestetigung mit ufflegung der H e n d e , wie gesagt ist; T r a c t . 13 ff. (BKS 47J f.); T r a c t . 70 (BKS 491 f.): olim populus eligebat pastores et episcopos. Deinde accedebat episcopus seu ejus ecclesiae seu vicinus, qui confirm a b a t electum impositione manuum.

i l , J04. W . O . Munter hat in Interpretation dieser Cyprianstelle, die ja von Melandithon o f t angezogen wird, darauf a u f m e r k s a m gemacht, d a ß hier zwei Möglichkeiten der Deutung bestehen: 1. die Gemeinde assistiert der W a h l nur, w ä h r e n d die Bischöfe selbst die W a h l h a n d l u n g vollziehen plebe praesente, 2. die Gemeinde ist an der W a h l auch a k t i v durch universae fraternitatis suffragia beteiligt. Münter meint, Melanchthon lasse im T r a c t a t beide Deutungsmöglichkeiten frei (Begriff u. Wirklichkeit, S. 71). D e m kann zugestimmt werden. Das Wesentliche ist die Mitbeteiligung des Amtes. Vgl. W . Maurer, a. a. O., S. 140. — T h . Kliefoth (Lit. Abhandlungen I, S. 349 ff.) h a t dies als Kennzeichen lutherischer Lehre von der Amtsbestellung bezeichnet. I n R o m ergänze das A m t sich allein aus dem Amt, in der reformierten Kirche sei das A m t beiseite geschoben und berufe die Gemeinde allein. Nach luth. Lehre geschehe die Berufung von der ganzen Kirche, d. h. in ihren Gliederungen, „durch der Kirdien G l i e d m a a ß " ( a . a . O . , S. 3$$). Z w a r findet sich bei Melandithon die Formulierung, d a ß unbedingt die ganze Kirche die Berufung vorzunehmen habe, nicht, sachlich k o m m t es aber auf dasselbe heraus, wenn er die Beteiligung sowohl des Amtes als auch der übrigen Gemeinde fordert. 67

Vgl. W . Maurer, a . a . O . , S. 138. · · Vgl. 3, 1 8 4 ; 4, 6 9 8 ; 8, 4 3 1 . 68

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haec vocatio seu electio per suffragia Ecclesiae, adhibito Episcopo aliquo, vel Pastore, propter explorationem doctrinae . . . Nunc fit vocatio per praecipua membra Ecclesiae, ut in urbibus per Senatum, adhibitis aliquibus ex collegio ministrorum Evangelii 70 . Schon in der Alten Kirche war man, wie Melanchthon erwähnt, davon abgegangen, die Wahl der ganzen Gemeinde zu belassen. Bei der Stimmabgabe des Volkes zur Vokation eines Bischofs war es nämlich verschiedentlich zu Tumulten und Krawallen gekommen, ideo restrictio ad pauciores facta est71. Einige von der Gemeinde bestellte, besonders hervorgehobene Personen nahmen dann die Wahl vor72, während die Bischöfe bestätigten. Und so wird es nun gehalten: die Angesehensten, die hervorragendsten Glieder der Gemeinde, die praecipua membra ecclesiae, vollziehen die Wahl im Namen der ganzen Gemeinde und die ministri prüfen und bestätigen die Erwählten 73 . Bei den praecipua membra ecclesiae denkt Melanchthon v o r allem an die Fürsten oder in Städten an die Senate und Stadträte (Magistrate) 74 . Die christliche Obrigkeit hat nadi Melanchthon in doppelter Hinsicht ein Recht, an der V o k a t i o n mitzuwirken^ einmal als Obrigkeitsstand (quia praesunt), der nadi Gottes Willen d a f ü r zu sorgen hat, daß in seinem Bereich das ministerium Evangelii recht bestellt wird, und dann als vornehmstes Glied der Kirche (quia sunt praecipua membra Ecclesiae) 7 '. Beruft 74 15> 1333; vgl. 7, 742: In historiis legimus vocationem seu electionem . . . factas esse per suffragia totius multitudinis. Huic successit electio seu vocatio, quae nunc fit, per praecipua membra Ecclesiae, per principes, senatum, adhibitis aliquibus ministris Evangelii, ut sint Inspectores doctrinae. Letztere müssen also dabei sein wegen der Lehrinspektion. V g l . audi 21, 503. 7 1 15. 133372 A n anderen Stellen sieht Melanchthon den altkirchlidien Vokationsvorgang von vornherein so, daß nicht die ganze Menge, sondern nur ausgewählte, besonders geeignete Personen, quibus Ecclesia eam rem commisisset (21, 503), die W a h l vornehmen. V g l . 3, 184: . . . daß dieses der ordentliche Beruf sey gewesen, so das V o l k , das ist, die Vornehmsten im V o l k , mit Bewilligung der andern, einen Prediger und Bischoff geweihet haben; 3, 471 f.; 4, 698: denn v o r Zeiten ist die W a h l durdi die vornehmsten vom V o l k und durch die Oberkeit geschehen; 5, 210: per populum, id est, honestissimos homines in singulis ordinibus; 5, 596: So w e i ß man, daß gewöhnlich gewesen, daß die Kirch, das ist, ehrliche und gottfürchtige Personen aller Stände, haben Bischöfe berufen und erwählet; 12, 490.

15. 1333 f·; 12. 379· Z . B . T r a c t . $4 (BKS 488); 5, 210. 73 J, 210 f.; vgl. $, 585. Zu beachten ist Stahls Feststellung (Die Kirchenverfassung, S. 195): „ M i t dem praecipuum membrum ecclesiae bezeichnet Melanchthon die Fürsten nicht als oberstes Glied der geordneten Kirche, sondern nur als oberstes Glied der Laiengemeinde (reliquae ecclesiae) im Gegensatz zu den Hirten, nidit als Kirdienobern, sondern nur als erstes Gemeindeglied". R. Sohm bestätigt das (Kirchenrecht I, S. $67, A n m . 37). — Eine Zusammenstellung der Aufgaben der Obrigkeit in bezug auf die Kirche nach Melanchthon findet sich bei W . Thomas, a. a. O., S. 39 ff. Die Obrigkeit hat 1. impíos cul tus zu beseitigen und für reine Lehre zu sorgen, 2. auf redite Unterrichtung der subditi in der reinen Lehre durch gute Diener des Wortes z u achten, schlechte Pastoren abzusetzen, Gotteslästerer zu bestrafen, zum Kirchenbesuch zu zwingen, 3. die Kirchengüter zu schützen (Belege bei Thomas). 73

74

3*7

der Senat einer Stadt, so kommt es nach Melanchthon nicht darauf an, wie viele im Senat die Vokation aussprechen, sondern daß diejenigen es tun, die die praecipua autoritas haben und Glieder der Gemeinde sind, an die der Betreffende berufen werden soll" 1 . Beruft ein Patron — das Patronatsrecht wird von Melanchthon ausdrücklich anerkannt —, so soll er doch die angesehensten Männer der Gemeinde vorher hören". Es ist Pflicht der Patrone (wie überhaupt derer, die das Berufungsrecht ausüben), darauf zu achten, daß in den Kirchen Abgötterei abgetan und das Amt reiner Lehre darin eingerichtet wird 78 . D i e konkreten Instanzen der B e r u f u n g sind nach Melanchthon die gleichen w i e in der A l t e n Kirche: V o l k und A m t , die Gemeinde b z w . deren praecipua m e m b r a und die Diener am W o r t (ministri E v a n g e l i i ) 1 ' , und dabei liegt das Übergewicht f ü r Melanchthon deutlich beim A m t . D a s A m t trägt f ü r die Bestellung des A m t e s in der Kirche die H a u p t verantwortung 8 0 , wenngleich die übrige Gemeinde stets das R e d i t behält, ungeeignete oder u n f r o m m e Pastoren abzulehnen 6 1 . D e m A m t , und z w a r in erster Linie den Bischöfen, aber auch allen Pastoren ist v o n G o t t befohlen, tüchtige Personen ins A m t zu rufen, w o immer es erforderlich ist8®. W e n n diese V e r a n t w o r t u n g dem A m t e durch göttlichen Befehl a u f gelegt ist, dann ist es also iure divino hauptverantwortlich an der B e stellung des A m t e s beteiligt. U n d w e n n es T r a c t . 7 2 also heißt: jure divino coguntur ecclesiae adhibitis suis pastoribus ordinare pastores et ministros, so ist das ,jure d i v i n o ' eben sicher auch auf das ,adhibitis suis pastoribus' zu beziehen 83 . D a s w i r d bestätigt durch eine Ä u ß e r u n g M e lanchthons in der Disputation D e politia Ecclesiae seu ministerio et ordinationibus: lus v o c a n d i et eligendi ministros, pertinet non tantum ad p o p u l u m , sed Paulus iubet T i t u m constituere Presbyteros, et T i m o 78 ™ 5> 2 1 1 · " 4. 544· 7» S i ° · " Vgl. das Iudicium über die Naumburger Bischofswahl: Erwählung durch Patron, Adel, Stadträte ( = Gemeinde), öffentliche Ordination mit Gebet und Handauflegung „durch etliche Prädicanten" (4, 698); vgl. 3, 471 f. 80 Vgl. oben S. 296 f.: das ius vocationis als Stück der potestas ecclesiastica der Bischöfe. 81 4, 544; 15, 1334: Postea etiam iudicare Ecclesiis electum seu vocatum oportet, quia si sciret Ecclesia eum non recte sentire, reiicere vocatum posset, sed cum recte sentientem recipit, confirmât vocationem. 82 $, 601: Erstlich ist bei ihnen selb bekannt, daß Gott den Bischofen für allen Dingen gebothen, das Predigampt durch sich selb oder andere recht zu bestellen . . . Darum sollen die Bischöfe gottfürchtige gelahrte Männer in ihre Stift und Herrschaften verordnen, die recht lehren; 5, 825: sciat hic ordinatus voce Apostolica sibi praecipe in hac functione, ut sacerdotes ad docendas, et regendas Ecclesias ordinet . . . ; 22, 524: Aus diesem befehl (Tit. 1, j ) ist klar, das rechten Seelsorgern befohlen, wo man Prediger und Seelsorger bedarff, und sie darumb angelanget werden, in derselbige Kirchen tüchtige Personen zu verordnen, und dieselbigen mit ufflegung der Hende und Gebet zu bestetigen . . . Und ist der befehl S. Pauli, das Titus sol Priester setzen, nicht allein uff die Titel Bischoue zu ziehen, sondern gehört auch uff alle Christliche Seelsorger. 8S Man vergleiche auch die Anknüpfung an die voranstehenden Ausführungen Tract. 70 f. (BKS 491 f.).

328

theo scribit: N e m i n i cito m a n u m impone. N e c e s s e est igitur, Pastores a Pastoribus ordinari. E t v e t e r i m o r e eligebat Ecclesia, hoc est, hi quibus earn rem commisit Ecclesia, et a c c e d e b a t iudicium et a p p r o b a t i o E p i s c o p i ordinantis. P u g n a t c u m iure divino, et c u m veteri Ecclesia in q u a p o p u l u s a d se r a p i t electionem, sine iudicio et

δημοκρατία approbatione

Pastorum 8 4 . H i e r n a c h k a n n kein Z w e i f e l bestehen, daß nach Melanchthon Bischöfe oder Pastoren, jedenfalls A m t s t r ä g e r , iure d i v i n o die V o k a t i o n m i t v o l l z i e h e n müssen, unbeschadet des W a h l - oder A k k l a m a t i o n s r e c h t e s des Volkes 9 6 . Letzteres allerdings w i l l Melanchthon auch unter allen U m ständen g e w a h r t wissen, die V o k a t i o n soll nicht ohne wenigstens die Z u s t i m m u n g der G e m e i n d e geschehen. D i e F r a g e nach den Instanzen der B e r u f u n g h ä n g t nun unmittelbar z u s a m m e n m i t der anderen F r a g e nach den Bestandteilen der V o k a t i o n . S o m i t sind w i r z u m nächsten G e g e n s t a n d unserer Untersuchung g e f ü h r t .

M

12, 490 (Jahreszahl nicht zu ermitteln). Vgl. R . Sohm, Kirdienrecht I, S. 523 ff.

85

Hiernach müssen W. O. Münters Ausführungen (Begriff und Wirklichkeit, S. 61 ff.) ergänzt werden. Münter meint, daß nach der Lehre der Bekenntnisschriften die ecclesia vera Inhaberin des Bestellungsrechtes des Amtes ist, eine konkrete Instanz für die Ausübung dieses Rechtes aber nicht namhaft gemacht werden könne. Es bleibe „neben dem jus divinum zur Bestellung, das der Kirche gehört, die jeweilige Ausführung dieses Redites in allen Phasen eine Sache menschlichen Rechtes" (S. 65). Richtig ist zwar, daß nicht „bestimmte Amtsträger im Unterschied von der Laiengemeinde" oder „die Laien im Gegensatz zu den Amtsträgern" oder „eine fest umgrenzte Ortsgemeinde", „eine Provinzial- oder Landeskirche" als Subjekt der Vokation iure divino benannt werden können (S. 65). Aber aus den Bestimmungen des Tractats hebt sich doch so viel heraus, daß nach Melanchthon die Vokation im Zusammenwirken zwischen Volk und Amt vor sich gehen muß und daß das ein ius divinum für sich hat (Tract. 65. B K S 490: ordinatio a pastore in sua ecclesia facta jure divino rata; Tract. 72. B K S 492: adhibitis suis pastoribus). Das wird allerdings erst dann ganz klar, wenn man andere Stellen aus Melandithons Schriften (also etwa 12, 490) hinzunimmt. Münters Beweisführung leidet etwas darunter, daß er die Aussagen des Tractats nicht auf dem Hintergrunde der melandithonisdien Gesamtlehre interpretiert, was verständlich ist, da er es nur mit den Bekenntnisschriften zu tun hat. Aber auch abgesehen davon bleibt unerklärlich, daß er in Tract. 72 das ,adhibitis suis pastoribus' so ganz übersieht, ja sogar meint, in Tract. 72 handle es sich lediglich um eine Laiengemeinde (S. 64), was ja offensichtlich unrichtig ist. Münter verläßt sich zu sehr auf den deutschen Text des Tractats, in dem diese Worte allerdings ausgelassen sind, der aber — wie auch hier wieder deutlich wird — eine spiritualistische Färbung hat. Wertet man ihn hermeneutisch für den lateinischen Text aus, so macht das allerdings die Beziehung des ,de jure divino' auch auf das .adhibitis suis pastoribus' unmöglich. Jedoch ist es die Frage, ob man den deutschen Text hermeneutisch heranziehen kann, jedenfalls, wenn man ermitteln will, was Melanchthon im lat. Text sagen wollte, denn die deutsche „Übersetzung" stammt ja von anderer Hand. — W. Löhe sagt von den Bekenntnissen (wohl besonders im Blick auf diese Stellen des Tractats): „Immer verteidigen sie nur den Bischöfen der Römischen gegenüber ihre äußerste Zuflucht in der Pastorenvokation, weiter nichts" (Neue Aphorismen, Ges. Werke Bd. V. ι , S. 551).

329

4· Die Bestandteile der Berufung Die Vokation ist ein komplexer Vorgang 8 8 . Melanchthon nennt als seine beiden Hauptbestandteile vocatio ad ministerium Evangelii et publica eius vocationis approbatio und sagt von beiden Stüdcen aus, daß sie mandato Evangelii angeordnet sind 81 . Ihm sind diese beiden Hauptelemente vocatio (seu electio) und approbatio (seu comprobatio) schon durch den altkirchlichen Brauch vorgezeichnet 88 . In der Bezeichnung des Berufungsrechtes als ius vocandi et ordinandi 8 " oder als ius eligendi et ordinandi 90 (oder auch als ius vocandi, eligendi et ordinandi' 1 ) klingen sie ebenfalls an"2. Melanchthon gliedert aber den Vokationsvorgang auch noch genauer auf und zählt noch mehr Bestandteile der V o k a tion, und z w a r auch als de iure divino. Im Kommentar zum i. Timotheusbrief von 1^41 legt Melanchthon dar: Auf die Wahl der Person durch die praecipua membra ecclesiae muß die exploratio doctrinae folgen, in der gemäß 2. Tim. 2, 2 von anderen ministri festgestellt wird, ob die betreffende Person tüchtig und zum Lehramt geeignet ist. Dann soll die erwählte und geprüfte Person der Gemeinde vorgestellt werden, so daß diese Gelegenheit hat, Einspruch zu erheben, wenn sie etwa weiß, daß dodi ein Hindernis vorliegt. Schließlich soll auch das Gebet hinzukommen95. Als necessaria membra ordinationis (d. h. hier: 89 Der Begriff ,vocatio' wird von Melanchthon sowohl zur Bezeichnung des ganzen Vokationsvorgangs (7, 741; 12, 490; 15, 1333; 21, $03 f.) als audi im engeren Sinne für die Berufung und Nominierung der Person durch die Gemeinde bzw. die praecipua membra derselben, also den ersten Teil der Gesamtvokation, gebraucht (5, 210; 2i, 850). — Zu dem ganzen Fragenkomplex um die Bestandteile der Vokation vgl. auch unten S. 357 ff. 87 2i, 8jo (unter Berufung auf Tit. 1, 5). 88 j, 2 1 1 ; vgl. 3, 184; 4, 698; 8, 431; Tract. 70 (BKS 491 f.). 8 " 8, 430. 12, 489; Tract. 67 (BKS 491); Tract. 72 (BKS 492). n Tract. 67 (BKS 491). 0S W. O. Munter meint, die Begriffe vocare, eligere und ordinare würden in den Bekenntnisschriften wechselweise zur Bezeichnung derselben Sache, nämlich der Bestellung und Berufung ins Amt gebraucht und bezeichneten also nicht verschiedene Bestandteile des Vokationsvorgangs (Begriff u. Wirklichkeit, S. 6$ ff.). Das ist insofern grundsätzlich richtig, als alle drei Begriffe auch für den Gesamtvorgang gebraucht werden können. Stehen sie aber durch ein ,et' verbunden nebeneinander, so kommt darin doch deutlich ein Hinweis auf die verschiedenen Elemente der Gesamtvokation zum Ausdruck. Man darf audi nicht übersehen, daß Melanchthon in seinem Denken -durch das altkirdilidie Beispiel bestimmt ist, nach dem das Volk und die Bischöfe verschiedene Handlungen vornehmen, das Volk die Wahl, die Bischöfe die Bestätigung (Ordination), wie ja auch im Tractat (§ 14 und 70) ausdrücklich auf dieses altkirchliche Vorbild rekurriert wird. Es ist keineswegs so, daß der Begriff .ordinatio1 bei Melandithon einfach irgendeine Art der Berufung anspräche, vielmehr ist von Melanchthon, wenn er diesen Begriff für die Vokation gebraucht, immer nur an eine solche Vokation gedacht, zu der der spezielle gottesdienstliche Ordinationsakt als wesentliches Stück mit hinzugehört. Vgl. ζ. B. Tract. 65 (BKS 490): ordinatio a pastore in sua ecclesia facta.

™ IJ. 1333 f·

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der Gesamtvokation) werden aufgezählt: Vocatio ad ministerium, exploratio doctrinae, indicare vocatos Ecclesiae, approbare vocationem et precario". Diese Stücke gelten Melanchthon alle als ius divinum95. Ausführlich schildert Melanchthon dann die Elemente der Vokation audi in seiner Sententia de ordinatione Ecclesiae ministrorum von i}}i". Er stellt dort an Hand von Tit. ι, 5; i.Tim. $, 22 erst fest, wie die Vokation in der apostolischen Zeit gehandhabt wurde: Vocabant . . . ipsi apostoli et pastores alios ministros, et signo usitato, manuum impositione declarabant vocationem, ut ipsi vocati notior esset, et nota esset Ecclesiae87. Wieder sind die beiden Hauptteile deutlich gekennzeichnet: Berufung und öffentliche Erklärung oder Bestätigung der Berufung. Zum letzteren Stück sagt Melanchthon: Vocationem oportet Ecclesiae indicari, ut manifestum est seu verbis, seu quocunque signo. Ipsis etiam vocatis valde prodest scire vocationem suam, et habere testimonia illustria vocationis . . Die öffentliche Bestätigung der Berufung wird als illustre testimonium vocationis angesehen, das den doppelten Zweck erfüllt, der Gemeinde sowohl als auch dem Berufenen selbst die Gewißheit zu geben, daß er recht berufen ist und nun im Namen Gottes das Amt führen kann. Dann kommt Melanchthon zum altkirchlichen und dem daran angelehnten gegenwärtigen Brauch, um festzustellen: Haec vocatio complectens ipsam personae nominationem seu electionem, doctrinae inspectionem, testificationem apud Ecclesiam et precationem, est reipsa ordinatio, quae hic nominatur, quam Deus vult per homines in Ecclesia fieri". Ausdrücklich betont er: Haec quae dixi, omnia iuris divini esse non dubito, vocationem, inspectionem doctrinae, testificationem apud Ecclesiam et precationem100. Die testificado apud Ecclesiam entspricht der approbatio oder comprobatio vocationis, sie ist vor allem Zeugnis der rechten Lehre durch die anderen Amtsträger101 und kann durch Worte oder einen Ritus geschehen108. In einem Brief an Christoph Fischer vom 1. November i f f j schreibt Melanchthon: Discernenda sunt ea, quae sunt necessaria et iuris divini et retinenda sunt, ut vocatio, et examen, publicatio approbationis, precatio . . . los . Die hier aufgeführten de-iuredivino-Bestandteile der Vokation sind die gleichen, wie wir sie bisher schon gefunden haben, nur steht hier statt approbatio vocationis publicatio approbationis. Es ist aber der gleiche Vorgang gemeint, denn die approbatio vocationis hat Melanchthon stets als öffentlichen Akt gedacht (was auch in dem Begriff testificatio zum Ausdrude kommt). Fassen wir nun das Gefundene zusammen, so können wir feststellen: Melanchthon hebt entweder zwei Hauptbestandteile der Gesamtvokation hervor, nämlich vocatio und approbatio (comprobatio, declaratio) vocationis, oder aber nennt vier Stücke: 1. vocatio, 2. inspectio (exploratio) doctrinae (examen), 3. publica approbatio vocationis (worein das ,indicare vocatos Ecclesiae' mit einzubegreifen ist) bzw. testificatio apud M

»5> 1335· i j , 1334: In hac antiqua consuetudine videndum est, quae membra sint necessaria et iuris divini . . . 86 08 7, 74° ff. " 7, 741. 7. 741. 100 "9 7, 742. 7, 742. 101 Vgl. j , 184: . . . damit der Gewählte ein Zeugniß seiner Lahr hätte, wie auch Paulus Befehl thut dem Tito; 4, 489: probamus veterem Ecclesiae consuetudinem, ut ordinandi prius explorentur, erudiantur, et publico testimonio aliquorum piorum, et doctorum, qui praesunt Ecclesiis, admittantur ad ministerium; vgl. auch 4, 503. 102 7. 74*· M



», $97. 331

Ecclesiam oder publicatio approbationis und 4. precatio. Für alle vier Stücke lehrt Melanchthon völlig eindeutig das ius divinum 104 . Ein ganz besonderes Gewicht kommt nach Melanchthon der exploratio doctrinae, dem examen zu105. Es wird an der römischen Ordination scharf getadelt, daß man da „grobe Esel" ordiniere, ad sacerdotium admittunt quoslibet sine discrimine10". „Wie wohl nu die Bisdioffe die Ceremonien der Ordination halten, so gut sie es halten, so ist doch öffentlich, daß kein recht Examen, keine rechte Unterweisung da geschieht, und machen die Welt voll ungelahrter, leichtfertiger, gottloser Priester . . ." 107 . Zur rechten Bestellung des Amtes gehört „erkündigung von sitten, beruff und von der Lere" 108 . Die Bischöfe sollen nicht inexplorati ordinieren, sollen mores und doctrina erforschen10*, die Ordination „mit gebührlichem Examen und Unterweisung halten" 110 . Es ist ein unbedingt notwendiges Stüde der Berufung, daß die io« yff Thomas will das ius divinum bei Melanchthon auf die Vokation im engeren Sinne beschränken: „Jure divino im vollen Sinne des Wortes kann . . . bloss die vocatio sein" (a. a. O., S. 17). Zwar weiß er, daß Melanchthon auch für andere Stücke der Gesamtvokation (examen, approbatio, precatio) das ius divinum lehrt (vgl. S. 20: „Die oben erwähnte approbatio oder ordinatio erklärt Melanchthon verschiedentlich für notwendig jure divino"; auch S. 24 f.), aber er bestreitet, daß Melanchthon dieses ,jure divino' im strengen Sinne meint und interpretiert es so: „Hiermit wollte er aber nur sagen . . . , daß ,ηοη temere' die Bestätigung seitens andrer Bischöfe oder Pfarrer unterlassen werden dürfe . . . " (S. 20 f.). Die approbatio sei für Melanchthon nur deshalb nötig, weil sie „für die Ruhe des Gemütes . . . sehr viel wert" sei (S. 21). Die von Thomas angeführten Belegstellen sind aber dafür nicht beweiskräftig (der Stelle j, 210 f. kann man nicht entnehmen, daß Melanchthon die vocatio seu electio allein für notwendig hält; die Stelle 3, 184 f. weist ja zur Begründung der Rechtmäßigkeit der Amtsausübung außer auf die Berufung durch die Gemeinde ausdrücklich auch auf das Zeugnis rechter Lehre durch andere Inhaber des Predigtamts; 12, 490 f. ist iudicium und approbatio Pastorum deutlich als de iure divino gefordert gelehrt). So bleibt Thomas' Stellungnahme zu den Melanchthonäußerungen über das ius divinum aller vier Stücke der Gesamtvokation, die wir aufgezeigt haben, unbefriedigend. Vgl. auch unten S. 373, Anm. 170. — In Zweifel gezogen werden muß audi W. O. Münters Urteil: „Die Berufung ist das Zentrale, zu ihrem ordentlichen Vollzug ist die Kirche jure divino verpflichtet. Ihre Ausführung in der electio und ordinatio, also der Vokationsritus, ist nach lutherischem Bekenntnis der Freiheit menschlicher Gestaltung überlassen" (Begriff und Wirklichkeit, S. 65). Das kann man angesichts der Lehre in der CA, deren Apologie und im Tractat so nicht sagen, besonders wenn man diese auf dem Hintergrunde sonstiger Melanchthonäußerungen zur Sache sieht, wie sie uns hier und im vorigen Abschnitt begegnet sind. Vgl. oben S. 329, Anm. 85. 105

Vgl. W. Thomas, a.a.O., S. 19: „Das Examen ist also für Melanchthon die Hauptsache bei der Ordination". Wenn auch diese Formulierung etwas zu stark erscheint, steht doch fest, daß die Prüfung vor der Ordination für Melanchthon von ganz starkem Gewicht ist. — Für das Examen verfaßte Melanchthon 1552 sein Examen ordinandorum, das in die Mecklenburger Kirchenordnung von 1552 aufgenommen wurde (vgl. G. Rietschel, Luther u. d. Ordination, S. 81). 100 107 108 109 110

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Apol. 28, 3 (BKS 397). $, 601 f.; vgl. 4, 533; 4, 543 f.; j, 614; 7, 175; 7, 742; 20, 653. 23, X X X V I ; vgl. 12, 380 f. 4, 544-547; v gl· 4. 489· 5, 601.

Ordinanden „wohl verhöret und unterwiesen" werden 111 . Darum sind auch Schulen hochnötig, in denen die Ordinanden auf ihr Amt vorbereitet werden 1 1 2 . In unseren Kirchen — sagt Melandithon — „werden vleissige Examina und erforschung von jrer Lere und leben zuvor gehalten, und da sie dazu tüchtig erkand, werden sie in der Kirchen f u r der gantzen Gemeine ordiniret . . ." 11S . Aus der exploratio doctrinae und der Bezeugung der Rechtgläubigkeit des Ordinanden bei der Ordination ergibt sich f ü r den Examinator bzw. den Ordinator nach Melandithon audi die Pflicht zu Inspektion und Visitation, also zu weiterer Beaufsiditigung hinsichtlich der Lehre und des Lebens. Melandithon hat durchaus die sadilidie Zusammengehörigkeit von Ordination und Visitation empfunden 1 1 4 . —

Wir haben nun noch ein bereits gestreiftes Spezialproblem zu erörtern, nämlich die Frage, was Melandithon näherhin mit dem ,rite vocatus' von CA 14 gemeint hat. Der 14. Artikel der C A ist auf dem Hintergrunde der Lage von i}jo zu sehen. Es war nodi nidit klar, wie die römischen Bischöfe sich den Evangelischen gegenüber verhalten würden. Evangelisdierseits w a r man jedenfalls durchaus bereit, den Bischöfen ihre Jurisdiktion und also auch die Ordination evangelischer ministri zuzugestehen, wenn sie ihrerseits aufhören würden, gegen das Evangelium zu wüten. Diese Bereitschaft (und der deutliche Wunsch, daß die Dinge sich so regeln würden!) bestand audi bei Abfassung und Überreichung der CA und hat da im 28. Artikel zumal ihre Dokumentation gefunden 1 1 5 . Der 14. Artikel kann also mit dem ,rite vocatus' jedenfalls nicht etwas meinen, was die ordinatio canonica durch die römischen Bischöfe 7> 34! 934; 4, 689: Es muß warlidi die Ordinatio nicht allein eine Ceremonia seyn, sondern die hohe N o t h d u r f t fordert ein scharf Examen und daß man etlichen Mittelmäßigen etliche Wochen Unterricht thue; 8, 290. 112 I i , 327: Pertinent igitur Scholae ad ministerium Evangelii et vel praecipua pars sunt illius sanctissimi muneris; necesse est enim prius diu et diligenter instituí eos, quibus gubernatio Ecclesiarum committenda est. lls 28, J24. In einer Schrift der Wittenberger Theologen (deren Autor Melandithon ist, die aber audi von Luther, Bugenhagen, Cruciger unterzeichnet ist) an die beiden Pommersdien Herzöge Barnim und Philipp, die den jungen Grafen von Eberstein zum Bischof von Cammin machen wollten, wird dringend vor diesem Vorhaben gewarnt. Es sei durch die Sdiriftstellen in den Pastoralbriefen ernstlich geboten, eine solche Person zu wählen, „die das Ampt selb ausrichten k a n n " (5, 383). Was im folgenden gesagt wird, hat deutlich nicht n u r speziell für das Bischofsamt, sondern ebenso auch für das P f a r r a m t überhaupt Gültigkeit: „ U n d kann ohne Sünd niemand willigen, eine solche Person zu ernennen oder zu wählen, die er weiß, daß sie noch lang zum Ampt nicht tüchtig ist, und nicht so ernstlich studirt, daß sie hernach tüchtig werde zu predigen, zu lehren, den Widersachern des Evangelii das Maul mit der Wahrheit der heiligen Schrift zu stopfen, und reine Lahr zu verfechten, auch andre Kirchenämpter zu üben etc. Denn dieses Geboth in St. Pauli Schriften ist nicht also wegzusetzen und gering zu achten, als Worte, die allein zum Scheine geredt seyn solten, sondern es sind ernstliche göttliche Befehle, deren Verachtung mit ewigem Zorn, so man in der Sünd verharret, und mit zeitlichen Plagen gestraft wird . . . " ($. 383 f.)· 114 4> 533 f.: Nec putent Episcopi, se perfunctos esse suo officio, cum ordinatos admittunt, Sed postea sint etiam inspectores doctrinae et morum, ut de visitatione et Synodis infra dicemus; 5, 82J f.; j , 601; 6, 934: Item, daß audi hernadi ein fleißig Aufsehen auf die Lehre und Sitten der Priester geschehe; 7, 34; 23, X X X V I . 115 CA 28, 7 1 ff. (BKS 1 3 1 f.). 111

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ausschlösse. Das steht von vornherein fest. Der Begriff des ,rite vocatus' ist auf alle Fälle so zu fassen, daß die kanonische bischöfliche Ordination darin Raum hat. Auf der anderen Seite aber ist auch klar, daß man sich mit dem ,rite' auch nicht unbedingt auf die kanonische, also bischöfliche Ordination als die einzige im ius divinum gegebene Möglichkeit hat festlegen wollen. Es läßt sich nicht leugnen, daß dem ,rite vocatus' noch eine gewisse Unbestimmtheit und Allgemeinheit anhaftet, die gewissen Spielraum läßt. Das haben natürlich auch die Confutatoren empfunden, die die Näherbestimmung des ,rite vocatus' in folgendem Sinne fordern: intelligi debet, eum rite vocatum, qui secundum formam juris, iuxta ecclesiasticas sanctiones, atque decreta, ubique in orbe diristiano hactenus observata, vocatur etc. 119 . Melandithon rekapituliert diese Forderung der Confutatio in der Apologie damit, daß er sagt: ita recipiunt, si tarnen utamur ordinatione canonica 117 . Unter ,ordinatio canonica' versteht er wohlgemerkt die Ordination durch rechtmäßig geweihte Bischöfe, wie es den cánones entspricht. Den Gedanken von der bischöflichen Ordination weiter ausführend bekundet er da im 14. Artikel der Apologie das auch in Augsburg schon oft bezeugte höchste Begehren, conservare politiam ecclesiasticam et gradus in ecclesia factos etiam humana auctoritate 118 . Mit anderen Worten: es sei sein und der Evangelischen höchster Wunsch, daß die bischöfliche Struktur der Kirche und damit auch die kanonische bischöfliche Ordination erhalten bleibt, wenn das audi nur auf einem ius humanum beruht. Die gradus, die humana auctoritate gemacht sind, von denen Melandithon da spricht, sind die Amtsstufen, in erster Linie die Stufung Bischof— Presbyter. Die Ordination durch Bischöfe statt durch Pastoren beruht nur auf (allerdings darum keineswegs gering zu achtender) auctoritas humana, ist nicht iure divino als unverbrüchliche Ordnung der Kirche vorgeschrieben. Dennoch werde sie von den Evangelischen eifrigst zu erhalten gesucht. Wenn aber diese canonica politia, quam nos magnopere cupiebamus conservare, hie und da aufgelöst, d. h. die bischöfliche Ordination nicht mehr eingehalten werde, so liege die Schuld daran und die Verantwortung dafür ausschließlich bei den römischen Bischöfen selbst, die unsere Priester entweder zwingen, der Lehre, die sie bekennen — und es ist die confessio vera, pia et catholica — abzuschwören oder sie gar ermorden 11 ·. Wenn die Bischöfe aufhören würden, in nostras ecclesias saevire, so würden unsere Priester sich von ihnen nach kanonischer Ordnung ordinieren lassen. Tun sie das aber nicht, so wüßten wir dennoch, daß die Kirche bei denen ist, qui verbum Dei recte docent et recte administrant sacramenta, non apud illos, qui verbum Dei non solum edictis delere conantur, sed etiam recta et vera docentes trucidant120. Die wahre Kirche ist bei denen, die rein lehren und recht die Sakramente verwalten, d. h. bei den evangelischen ministri 121 , die dann auch iure divino ermächtigt sind, andere ins Amt zu rufen und zu ordinieren. Das ist der wahre Sinn von Apologie Art. 14, welcher Artikel ja den Sinn hat, die Aussage von CA 14, also das ,rite vocatus' in Auseinandersetzung mit der Confutatio näher zu bestimmen. Wenn das Wüten der römischen Bischöfe die kanonische Ordination durch Bischöfe uns unmöglich macht, so bleibt dodi die Ordination durch die evangelischen ministri, die rein lehren und redit die Sakramente verwalten, 116

117 118 C R 27, 114 f. Apol. 14, ι (BKS 296). Ibid. Apol. 14, 2 (BKS 297). " · Apol. 14, 4 (BKS 197). 121 Die Gegenüberstellung: die Kirche sei apud hos, qui verbum Dei recte docent et recte administrant sacramenta, — non apud illos, qui verbum Dei non solum edictis delere conantur, sed etiam recte et vera docentes trucidant, zeigt ja ganz klar, daß es sich für Melandithon hier um die evangelischen ministri (rite vocati) — andere sollten dodi nicht öffentlich lehren und Sakramente verwalten, wie in CA 14 gesagt war! — im Gegensatz zu den römischen Bischöfen handelt. Daß die Kirche iure divino an die römischen Bischöfe gebunden sei, wird bestritten, nicht im geringsten aber ihre Bindung an das Ministerium ecclesiasticum überhaupt. 118

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als de iure divino gültig, denn wo das reine ministerium verbi et sacramentorum ist, da ist eben die wahre Kirdie. So ist auch der von einem evangelischen minister verbi divini Ordinierte ein rite vocatus, und nicht nur die sind es, die von den episcopi ordinarli ordiniert worden sind. Der Gedankengang des 14. Artikels der Apologie läuft auf das hinaus, was Melanchthon dann im Tractat §§ 60 ff. lehrt: Der Unterschied Bischof—Presbyter ist nicht de iure divino, also ist auch die Pastorenordination jure divino rata 122 und haben die Gemeinden adhibitis suis pastoribus neue Diener im Amt zu ordinieren, wenn die episcopi ordinarli aut fiunt haeretici aut nolunt impertire ordinationem12'.

Betrachtet man C A 14 von diesen Aussagen in Apol. 14 und im Tractat her, so ist deutlich zu erkennen, daß das ,rite vocatus' keinen anderen Spielraum in sich trägt, als den zwischen Bischofsordination (ordinatio canonica) und einfacher Pastorenordination. Somit ist aus dem ,rite vocatus' als sein eigentlicher (das göttliche Recht über die vocatio ecclesiae enthaltender) Inhalt dies beides zu erheben: 1. daß eine rechtmäßige Vokation stets mit einer (gottesdienstlichen) Ordinationshandlung als ihrem Kern zu geschehen hat, und 2. daß sie als solche gottesdienstliche Ordinationshandlung jedenfalls durch ministri verbi (seien es nun Bischöfe oder Pastoren) vorgenommen werden soll. Weiter liegt darin aber auch die zwar iure humano bestehende, darum aber nicht unerhebliche Tendenz, daß die Ordination möglichst durdi Bischöfe (also im Sinne der ordinatio canonica) geschehen soll. Das ,rite' enthält ohne Frage eine Bezugnahme auf den gottesdienstlichen Ordinationsritus, zugleich eine solche auf die in der Kirche geltende Ordnung und schließlich auch auf den ordo ecclesiasticus selbst, dem das Kirchenregiment (und damit auch die verantwortliche Vornahme von Vokation und Ordination) zusteht, und unter welchen Begriff ja der ganze Artikel 14 der C A subsumiert ist. Recht deutlich werden diese Beziehungen erst durch die Auslegung, die C A 14 in Apol. 14 erfährt, und weiter kräftig bestätigt durch den 1540 von Melanchthon in der C A variata an den bisherigen Wortlaut von C A 14 angefügten Zusatz: sicut et Paulus praecipit Tito, ut in civitatibus presbyteros constituât124. Der Zusatz bringt gegen Mißdeutungen die ursprüngliche Intention des ,rite vocatus' in C A 14, wie sie schon in Apol. 14 dargelegt war, noch deutlicher zum Ausdruck125. Eine solche Deutung von C A 14 steht auch in gutem Einklang mit dem, was wir sonst schon über die Vokation bei Melanchthon gefunden haben. 111

Tract. 65 (BKS 490). "» Tract. 66 und 72 (BKS 491 f.). 124 CR 2 6, 360. 125 Vilmar sagt von diesem Zusatz: „er war ganz einfach eigentlich schon in dem rite vocatus enthalten" (Lehre v. geistl. Amt, S. 7 j ) und: „wie Paulus durch Titus Presbyter bestellen ließ, so sollen auch bei uns Hirten durch Hirten bestellt werden" (ebda.). — P. Brunner erklärt den Zusatz in der Variata aus der veränderten kirchlichen Situation, versteht ihn aber audi als Forderung der Ordination durdi Amtsträger, nämlich durch evangelische Bischöfe (Vom Amt d. Bischofs, S. 20, Anm. 17). 335

Die Unbestimmtheit des Ausdrucks ,rite vocatus' in C A 14 und daß er deutlich •einen Spielraum läßt, ist natürlich viel bemerkt worden 126 . W. O. Munter hat gemeint, daß durch das ,rite vocatus' absichtlich die ordinatio als besonderer A k t sakramentaler Weihe aus ihrer Sonderstellung gewiesen werden sollte und „daß es dem lutherischen Bekenntnis nicht mehr an deren Vollzug, sondern an der ordentlichen Berufung liegt", weswegen auch in der Apologie der Begriff der Ordination durdi die Begriffe der Bestellung und der Wahl verdrängt werde, letztere bezeichneten da „den göttlich befohlenen Auftrag der Kirche, durch welchen der ordo de ministerio verbi versorgt wird, wogegen die ordinatio als Einzelakt menschlicher Anordnung zurücktritt" 1 2 7 . Münter will als Inhalt des ,rite vocatus' von C A 14 nur gelten lassen, „daß die Kirche zu einer ordentlichen Berufung jure divino Vollmacht habe, woraus folgt, daß derjenige ein ,rite vocatus' ist, der von der Kirche — gleichgültig ob im Rahmen der politia ecclesiastica facta humana autoritate von Amtsträgern oder von der Laiengemeinde, gleichgültig in welchem Ritus — berufen worden ist" 1 2 8 . Gegen diese A u f fassung ist aber vieles geltend zu machen. Von einer Verdrängung des Ordinationsbegriffs durch die Begriffe Wahl und Bestellung kann in Apol. 13, 7 ff. sachlich wirklich nicht die Rede sein (zumal im lat. T e x t nicht), vielmehr wird da gerade auf die gottesdienstliche Ordination das größte Gewicht gelegt, indem nämlich ein ritueller Bestandteil der Ordinationshandlung, die Handauflegung, für die Gesamtvokation gesetzt und dieser die Bezeichnung .Sakrament' zugebilligt wird unter der Voraussetzung, daß die Ordination eine Ordination zum Predigtamt ist 1 2 '. Das wäre undenkbar, wenn die Tendenz in Apol. 13 dahin gehen sollte, die gottesdienstliche Ordinationshandlung im Gesamtvokationsvorgang in den Hintergrund zu drängen. Ferner liegt bei Münter ein Mißverständnis der Sätze von der politia ecclesiastica oder canonica in Apol. 14 vor, wenn er meint, Melanchthon wolle da nicht nur die Ordination durch Bischöfe, sondern überhaupt die Ordination durch Amtsträger, durch ministri verbi in den Bereich der nur de iure humano bestehenden politia ecclesiastica weisen und also auch eine Ordination durch eine reine Laiengemeinde als innerhalb der durch das ius divinum gezogenen Grenze bleibend rechtfertigen, jedoch will Melanchthon, wie wir schon mehrfach erwähnten, nur die gradus in ecclesia, also die Stufung des Amtes als humana auctoritate gemacht und also auch in Sachen der Ordination nicht unbedingt bindend bezeichnen, mithin nur das Recht der Pastorenordination gegenüber der Bischofsordination behaupten 1 ® 0 . Von einer grundsätzlichen 129 Vgl. z . B . W. Trillhaas, a . a . O . , S. J02; F. K . Schumann, Amt d. Kirche u. Berufung zum Amt, a . a . O . , S. 3 1 1 ; H . Asmussen, Warum noch lutherische Kirche, S. 182 f. 184; P. Brunner, Vom Amt des Bischofs, S. 20, Anm. 1 7 ; W. Maurer, P f a r rerrecht und Bekenntnis, S. 123, Anm. 58. 127 126 12i 150

Begriff und Wirklichkeit, S. Ebda. Apol. 1 3 , 12 (BKS 293 f.).

In der C A und Apologie deutet nichts auf die Möglichkeit einer Laienordination oder -vokation hin. Im Tractat wäre die einzige Stelle, die man u. U. darauf ziehen könnte: Tract. 68 (BKS 491). Jedoch ginge das nur dann, wenn der Satz nicht bloß als Rechtfertigung des Laienrechtes zu Nottaufe und Notabsolution (wovon unmittelbar vorangehend die Rede ist), sondern auch als weitere Rechtfertigung des ius vocationis der Gemeinde zu verstehen ist. Aber auch dann noch ist fraglich, ob die Bestimmung, daß die Schlüssel der Kirche, nicht nur bestimmten Personen gegeben sind (gemäß dem Ausspruch Christi Matth. 18, 20: Wo zwei oder drei usw.) nicht im Grunde doch nur die Freiheit der Kirche von den Bischöfen nachweisen will, nicht aber auch von Trägern des Wortamtes überhaupt. Die certae personae, denen die Schlüssel (und das Vokationsrecht) nicht ausschließlich gehören sollen, sind doch fraglos nach dem ganzen Duktus des zweiten Teils des Tractats die Bischöfe. Wenn Melan-

336

Aversion gegen einen besonderen sakramentalen Weiheakt kann auf keinen Fall die Rede sein, weil Melanchthon ja ausdrücklich bezeugt, daß die Evangelischen die canonica politia und damit audi die ordinatio canonica summa volúntate erhalten wissen möchten. Wie Munter im Tractat das .adhibitis suis pastoribus' (Tr. 72) übersieht (vgl. oben S. 329, Anm. 85), so hier, daß es sich nur um das Problem der Bischofsordination dreht (d. h. der Ordination durch einen Bischof statt nur durch einen Presbyter). Es findet sich zwar bei Münter auch eine Äußerung, die unserem Verständnis von C A 14 und Apol. 14 rechtzugeben scheint: „Wie aus Apologie X I V hervorgeht, hat man in Augsburg (CA X I V ) an eine ordentliche Berufung durch die bischöfliche Kirchenleitung als durch ein humana autoritate erhöhtes Regiment gedacht.. . " 1 3 1 . Damit gibt Münter zu, daß mit dem rite vocatus von C A 14 durchaus ganz konkrete Vorstellungen hinsichtlich der ordinatio canonica verbunden gewesen sind, und es folgte eigentlich aus seinem Satz, daß nach Apol. 14 eben nur speziell die Ordination durch Bischöfe statt durch Presbyter als humana auctoritate eingerichtet gekennzeichnet wird, nicht aber auch die Ordination überhaupt durch ministri verbi statt durch die Laiengemeinde, aber Münter zieht diese Konsequenz dann im folgenden doch nicht und bleibt in der Deutung von Apol. 14 dabei, daß iure divino allgemein die Kirche (statt der Bischöfe) die Ordination vornimmt 132 . — P. Brunner will den Spielraum des ,rite vocatus' in C A 14 in keiner Weise begrenzt sehen. Da die Frage der Ordination durch die römischen Bischöfe noch nicht entschieden war, lasse C A 14 „hinsichtlich der Gestalt der Vokation noch alle Möglichkeiten offen. Aus der ungeklärten Kirchenkampfsituation des Jahres 1530 heraus bewegen sich diese Möglichkeiten in C A X I V zwischen äußerst entgegengesetzten Polen, nämlich zwischen jener Notrechtssituation eines versprengten Häufleins christlicher Laien und einer nach dem kanonischen Recht erfolgenden bischöflichen,Weihe' " 1 3 3 . Ausdrücklich will Brunner also den Spielraum auch auf die Laienvokation ohne jeden minister verbi ausgedehnt wissen. Es muß aber entgegengehalten werden, daß sich die evangelischen Kirchen in dieser Situation, daß Laienvokationen nötig gewesen wären, wenn die bischöfliche Ordination nicht erlangt werden konnte, keineswegs befanden, also Melanchthon kein aktuelles Interesse daran haben konnte, im 14. Artikel der C A , mit dem ,rite vocatus', auch für solche extremen Notsituationen Vorsorge zu treffen. Außerdem kann man eine solche Notrechtsvokation (bloß durch Laien), wie Brunner sie selbst nennt und wie sie als solche ja auch ihre Berechtigung haben mag, wohl kaum mit dem Wort ,rite' bezeichnet finden, welches doch eben gerade nicht einen Ausnahmefall beschreiben, sondern eine stetige Ordnung der Kirche bezeichnen will. Auch W. Maurer sieht den Spielraum des ,rite vocatus' von C A 14 nicht begrenzt. Es sei unmöglich, „aus den Aussagen von C A und Apologie den Begriff des ,rite' in C A 14 mit konkretem Inhalt zu füllen", „ N u r daß eine öffentliche rechtsgültige Legitimation des öffentlichen Dieners erfolgte, war durch das ,rite' gefordert; über die Art, in der sie geschehen sollte, hat das Bekenntnis zunächst nichts festlegen können" 1 3 4 . chthon in Tract. 68 wirklich an eine reine Laienvokation gedacht haben sollte (was aber — zumal angesichts seiner sonstigen Äußerungen zur Pastorenmitwirkung bei der Vokation — höchst unwahrscheinlich ist), so kann das doch nur als äußerstes Notrecht in Erwägung gezogen worden sein, gewissermaßen als berechtigte Ausnahme von der Regel. Weder im Gesamtduktus von Tract. 60 ff. noch in den praktischen Bestimmungen Tract. 70 ff. ist eine Beziehung auf eine solche Notrechtsmaßnahme zu finden. Vgl. auch W. Löhe, Neue Aphorismen, Ges. Werke, Bd. V . 1, S. 554. 131 132 133 134

12

Begr. u. Wirklichkeit, S. 60. Ebda. S. 60 f. Vom Amt des Bischofs, S. 20, Anm. 17. Pfarrerrecht u. Bekenntnis, S. 123, Anm. 58; vgl. überhaupt S. 1 1 7 ff.

791 j Lieberg, Amt

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Daß in Anbetracht der noch ungeklärten Situation von 1530 in CA 14 bei dem ,rite vocatus' ein Spielraum bewußt gelassen ist, kann gewiß nicht bestritten werden. Die Frage aber ist, ob dieser Spielraum wirklich als unbegrenzter gedacht ist und von Melandithon bewußt auch die Möglichkeit einer reinen Laienvokation miteinbegriffen wird. Von Apol. 14 her, sowie unter Hinzuziehung der Bestimmungen des Tractats und der allgemein bei Melandithon vorliegenden Auffassung, daß die Vokation iure divino im Zusammenwirken von Volk und Amt geschehen müsse, ist das m. E. nicht anzunehmen. Die von uns vorgetragene Deutung des ,rite vocatus' in CA 14 hat schon Vilmar vertreten1®5. Ihm ist der wesentliche Inhalt des ,rite vocatus' der, daß „nur Hirten von Hirten können berufen werden" 138 . Vilmar argumentiert dabei einmal von Apologie 14 her, macht aber auch den Gedanken geltend, daß CA 14 ausschließe, daß man sich selbst zum Gliede des ordo machen kann, es müsse dies von andern geschehen. Dazu kämen aber nur solche in Betracht, die selbst im ordo stehen, weil nur sie die Fähigkeit haben können, darüber zu entscheiden, ob die Fähigkeit zum Amt bei einer Person vorhanden sei 13 '. Man muß sagen, daß dies durchaus melanchthonische Gedankengänge sind. Insbesondere stützt Vilmar sich auch auf den späteren Zusatz der CA variata 138 . Das besondere Verdienst H. Asmussens ist es, die Beziehung zur gottesdienstlichen Form in dem ,rite vocatus' hervorgehoben zu haben. „Was damit (näml. mit dem rite vocatus) gemeint ist, zeigt in beschränkter Weise der nächste Artikel. .Riten' sind die gottesdienstlichen Formen in weitem Verstände. ,Rite vocatus' ist derjenige, der entsprechend den gottesdienstlichen Formen in sein Amt berufen ist" 139 . Asmussen deutet CA 14 auch von Apologie 14 her und stellt somit fest: „Gegen das hierarchische System Roms wird also nicht geredet . . ." 140 . „Unser Bekenntnis schreibt . . . eine möglichste Nähe zum kanonischen Ordinationsritual vor . . ." 1 4 1 . Der Artikel erwarte die Entstehung des geistlichen Amtes vom gottesdienstlichen Handeln her148, also von der gottesdienstlichen Ordination. Diese Erwägungen Asmussens sind von E. Sommerlath bestätigt worden, der in dem ,rite' ein Doppeltes enthalten sieht: „die Berufung in einer gottesdienstlichen Form und der dem Amt als göttlicher Stiftung entsprechende Charakter dieser Form" 143 . „Man versteht die Tendenz des Art. 14 der Apologie, der den Sinn des Art. 14 der CA entfaltet, wohl nicht falsch, wenn man in ihm ,eine möglichste Nähe zum kanonischen Ordinationsritual' (mit Hinweis auf Asmussen) ausgedrückt fin· det" 144 . — 135 Dogmatik II, S. 276; Lehre vom geistl. Amt, S. 69 ff.; Die Augsburg. Confession, S. 129 fi. m Dogmatik II, S. 276. 137 Die Augsb. Conf., S. 130 f. 138 Lehre v. geistl. Amt, S. 75. 13 * Warum noch lutherische Kirche, S. 182. 140 Ebda. S. 184. 141 Ebda. S. 186. l4î Ebda. 143 Amt u. allg. Priestertum, S. 57. 144 Ebda. S. $7 f.; vgl. auch S. 64. — Ebenso bestätigt A. Kimme (Doctrina und ordo ecclesiasticus nach luth. Verständnis, a. a. O., S. 6j), daß CA 14 auf die gottesdienstliche Form abzielt. — M. Doerne (Luth. Pfarramt, S. 14) hat in der in Wittenberg eingerichteten Ordinationshandlung eine Näherbestimmung des rite vocari von CA 14 vollzogen gesehen, „die für eine geordnete Verwaltung des Predigtamts schlechthin unentbehrlich ist"; vgl. auch S. 1$.

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Nadidem wir nun Melanchthons Lehre von der Vokation im allgemeinen untersucht haben, müssen wir noch einem speziellen Akt innerhalb der Gesamtvokation, nämlich der Ordination im engeren Sinne als gottesdienstlicher Handlung, unsere besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Ein Gesamtbild von Melandithons Lehre von der Berufung zum Amt kann man erst gewinnen, wenn man sein Ordinationsverständnis untersucht hat und mitberücksichtigt. So sind wir zum nächsten Gegenstand unserer Arbeit geführt.

22«

339

IV. Kapitel: Die Ordination ι . Begriff der O r d i n a t i o n Es

findet

sich b e i M e l a n c h t h o n ein d o p p e l t e r G e b r a u c h des B e g r i f f e s

, o r d i n a r i o ' i m H i n b l i c k a u f die B e r u f u n g z u m A m t d e r K i r c h e 1 . U n t e r , o r d i n a t i o ' v e r s t e h t er e i n m a l d e n g a n z e n V o k a t i o n s v o r g a n g , die e i n z e l nen E l e m e n t e , w i e w i r sie g e f u n d e n h a b e n , in sich b e g r e i f e n d 2 ,

dann

a b e r a u d i den b e s o n d e r e n A k t der ö f f e n t l i c h e n B e s t ä t i g u n g d e r e r f o l g t e n V o k a t i o n oder W a h l ,

s o f e r n e r gottesdienstliche F o r m

annimmt,

also

das, w a s w i r h e u t e O r d i n a t i o n n e n n e n 3 . W i r d m i t d e m W o r t , o r d i n a t i o ' b e i M e l a n c h t h o n die G e s a m t v o k a t i o n bezeichnet, so w i r d d a b e i doch d i e s p e z i e l l e O r d i n a t i o n als auch m i t e i n b e g r i f f e n gedacht 4 , bezeichnet o r d i n a t i o diese letztere, so doch i n d e r R i i c k b e z i e h u n g a u f die a n d e r e n z u gehörigen Elemente der G e s a m t v o k a t i o n . D i e O r d i n a t i o n

im

engeren

S i n n e als gottesdienstliche O r d i n a t i o n s h a n d l u n g ist f ü r M e l a n c h t h o n nie 1 Vgl. audi G . Rietschel, Luther u. d. Ordination, S. 7$ f. — Melanchthons Lehre von der Ordination ist hauptsächlich aus folgenden Schriften zu erheben: 1. den Loci in den verschiedenen Ausgaben, 2. der Auslegung des 1. Timotheusbriefes von I J 4 1 ( C R i j , 1 3 3 1 ff.), 3. dem Judicium de impositione manuum von 1543 ( C R 5, 209 bis 212), 4. der Sententia de ordinatione Ecclesiae ministrorum von i j j i ( C R 7, 740 bis 744), j . der Disputation de politia Ecclesiae seu ministerio et ordinationibus ( C R 12, 489—491) und 6. dem Brief an Christ. Fischer vom i . N o v . 1555 ( C R 8, 5 9 7 f . ) . ! Z . B. 3, 471 f . : Continet autem legitima ordinatio vocationem seu electionem, quae fit a populo, vel iis, quibus populus eam rem committit, et approbationem aliquorum Episcoporum; 7, 742: Haec vocatio complectens (die versch. Stücke) . . . est reipsa ordinatio; 15, 1 3 3 $ ; 21, 470: ordinatio, hoc est, vocatio ad ministerium; 2 1 , 8$o: ordinatio, ut vocant id est, vocatio ad ministerium Evangelii et publica eius vocationis approbatio; vgl. audi die Überschrift 7, 740: sententia de ordinatione Ecclesiae ministrorum (womit auch die Gesamtvokation gemeint ist). Für die melanchthonisdien Bekenntnissdiriften hat den umfassenden Gebrauch des Begriffs ordinatio H . Bernau, a . a . O . , S. $3 ff., nachgewiesen, ohne jedoch seine Augen davor zu verschließen, daß in solchem mit ordinatio bezeichneten Gesamtvorgang die spezielle Ordination doch stets mitgedacht ist und daß an anderen Stellen ordinatio auch diese letztere allein bezeichnet. 3 8, 597 (publiais ritus ordinationis); 12, 490; 15, 1335 (ritus ordinationis); 23, 1 ritus publicae ordinationis; 28, 4 1 2 ; auch 5, 825. 4 Der Begriff ,ordinatio' wird von Melanchthon nicht etwa im Gegensatz zur gottesdienstlichen Ordinationshandlung, um letztere abzuwerten, auf die Gesamtvokation übertragen.

340

ein isolierter und in sich selbst wirksamer und kräftiger Akt, immer nur Teilstück in einem umfassenderen Ganzen. Sie setzt zumal die spezielle Vokation voraus. Darum kann es für Melanchthon keine absolute erteilten Ordinationen geben. Ordination ohne einen bestimmten Ruf an eine bestimmte Gemeinde, in ein bestimmtes kirchliches Amt ist ihm abusus, den er bei den Römischen z. B. tadelt 5 . Das Amt ist ihm immer Amt an einem bestimmten Ort, an einer bestimmten Gemeinde mit bestimmtem Parochialbezirk". Darum soll die Ordination auch nicht geschehen, es sei denn, der Ordinand bringt ein testimonium de vocatione ad certum ministerium 7 . In dieser Bestimmung zeigt sich, wie die spezielle Ordination in Melanchthons Denken mit den anderen Stücken der Gesamtvokation verklammert ist.

2. Der Sinn der Ordination Will man den Sinn der speziellen Ordination nadi Melanchthon recht bestimmen, so wird man gemäß dem eben Dargelegten davon auszugehen haben, daß die Ordinationshandlung in einer inneren Beziehung zu der vorangegangenen speziellen Vokation steht. Sie hat zunächst wesentlich den Charakter der öffentlichen Bestätigung der Wahl oder Berufung (approbatio, comprobatio, confirmatio vocationis) 8 bzw. der Veröffentlichung dieser Bestätigung der Wahl oder Berufung (publicatio approbationis) 9 durch das geistliche Amt. Sie ist Bezeugung der rechtmäßigen und gültigen Berufung einer Person vor der Öffentlichkeit der versammelten Gemeinde: testificatio apud ecclesiam10, declaratio vocationis, ut ipsis vocatis notior esset, et nota esset Ecclesiae". Hierbei ist besonders an die mit der Vokation verbundene exploratio doctrinae zu denken, deren erfolgreicher Abschluß in der Ordination amtlich bestätigt wird. Die Ordination enthält nach Melanchthon wesenhaft den inneren Rückbezug auf das bestandene Examen (über Lehre, Gaben und W a n del), ja, letzteres kann von Melanchthon geradezu als Bestandteil der 5

4> 533! vgl. 4, 544: Episcopi . . . nullos ordinent, nisi ad certa ministem Eccle-

siae.

Vgl. 21, 1100 (in loco certo); j, J97 (jeder an seinem Ort); 15, $47.113} f. 1298; und vor allem 12, 491. Vgl. oben S. 281 (audi Anm. 48 und 49, w o der Text letzterer Stelle zitiert ist). 7 4, $44. Vgl. W. Thomas, a. a. O., S. 20. 6

8

j , 2 1 1 ; i j , 1 3 3 4 ; 2 1 , 850.

• 8, 597. Auf diese letztere Sicht der Ordination als Veröffentlichung der Approbation bei Melanchthon hat G. Rietschel, Luther u. d. Ordination, S. 77, besonders aufmerksam gemacht. 10 7. 74*· 11 7, 741; vgl. j, 82j; 15, 1334: Hoc signum (sc. die Handanflegnng bei d. Ordination) ostendebat vocationem et vocationis confirmationem. 341

Ordinationshandlung angesehen werden". In der Ordination geben einer oder mehrere berufene, im Amt stehende ministri verbi öffentlidi Zeugnis von der Rechtgläubigkeit und Amtstüchtigkeit des Ordinanden und bewähren damit überhaupt die Rechtmäßigkeit der geschehenen Berufung". Diese testificatio oder publica approbatio vocationis sieht Melanchthon als gottesdienstliche Handlung, eben als Ordinations«**«14, zu dem das Gebet über dem Ordinanden iure divino hinzugehört15. In dem Judicium de impositione manuum von 1543 beschreibt Melanchthon den Inhalt der Ordinationshandlung folgendermaßen: . . . electum ministrum sisti coram Ecclesiam, commendari Deo publica precatione, confirmari collegii testimonio". Damit sind drei Elemente in der Ordination gekennzeichnet: ihr Öffentlichkeitscharakter (sisti coram Ecclesia), ihr Gebetscharakter (commendari Deo publica precatione) und ihr Zeugniscbarakter (confirmari collegii testimonio). In allen drei Beziehungen ist die Ordination als gottesdienstliche Gemeindehandlung gedacht und steht die Person des electus oder vocatus im Mittelpunkt des Geschehens: er soll öffentlich vor die Gemeinde hingestellt werden, er soll im Gebet Gott befohlen werden, auf ihn werden somit Gottes Gaben für das Amt, zu dem er erwählt ist, herabgefleht, und er empfängt das Zeugnis des collegium, des Presbyterium, d. h. der anderen ministri verbi, daß er reiner Lehre ist und rechtmäßig berufen. Wir können nun vorläufig feststellen: Die Ordination ist nach Melanchthon die gottesdienstliche, unter " Vgl. 8, J97. — H . Busch (Die Lehre von der Kirche bei Melanchthon, 1918, S. 60) äußert: „Bei der Ordination ist aber nidit der Weiheakt die Hauptsache, sondern die Prüfung, die sich auf Lehre, Lehrbegabung und Wandel erstreckt. Trotzdem erscheint die Bezeugung dieser Prüfung durch Handauflegung mit Gebet wichtig". Es ist aber nicht richtig, die Prüfung nun geradezu höher zu bewerten als das testimonium der Rechtgläubigkeit, die Ordinationshandlung selbst. Beide Akte haben ihre Bedeutung. Stellt man jedoch die Prüfung und den Ordinationsakt vergleichend nebeneinander, so muß man doch sagen, daß das Examen nur hinführender Akt, die Ordination aber der gültige Absdiluß ist, woraus sich ein größeres Gewicht der Ordination ergibt. 11

7» 74} : il'ustria signa vocationis, testimonia vocationis; j, 8zy. Cum . . . ad hoc ministerium Evangelii . . . rite et pie vocatus fuisset . . . , accersiti sunt viri docti et graves . . . , ut in ipsa Ecclesia Mersburgensi ad hanc vocationem adderetur publicum testimonium ordinationis; j , 184 f. (Zeugniß seiner Lahr). Vgl. W. Thomas, a . a . O . , S. 20. — Zwischen testificatio (bzw. declaratio) und confirmatio (bzw. approbatio) sehen einen Unterschied F. J. Stahl (Die Kirchen Verfassung, S. 132 f.) und G. Rietsdiel (Luther u. d. Ordination, S. 77), testificatio sei nur das Zeugnis, daß der Diener recht berufen sei, confirmatio aber, daß auch die Gesamtkirdie die Berufung approbiere und confirmiere. Jedoch wird man diese Unterscheidung zwischen den Begriffen nicht pressen dürfen. Wenn das Amt approbiert und die redite Berufung bezeugt, tut es darin auch die Gesamtkirche. 14 Ritus ordinationis: 8, 597; 15, 133;; 23, 1; 28, 412. 15 7, 742; i j , 1334; 8, 597; 12, 380 (initio convenimus ad precationem . . . ) . " J. " i ·

342

Gebet geschehende, öffentliche Bezeugung und Bestätigung rechtmäßiger Vokation (und bestandenen Examens) durch die Amtsträger der Kirche vor der versammelten Gemeinde. Melanchthon sieht den rechten Ordinationsritus bei den Römischen durch Unrechte Elemente verderbt". Darum begrüßt er es, daß Luther in Wittenberg die evangelische Ordinationshandlung eingerichtet hat: Et pie fecit Lutherus, qui ad veram ecclesiam transtulit non solum vocationem, sed etiam hanc publicam testificationem, quae fit publico ritu". Zur Begründung der Notwendigkeit solcher Ordinationshandlung führt Melanchthon verschiedene Gründe auf. An erster Stelle wird dafür die Notwendigkeit der Lehrinspektion durch ministri verbi genannt: quia certe inspectio doctrinae per ministros Evangelii facienda est 1 ·. Hieran wird deutlich, wie eng gekoppelt Melandithon die Ordination mit der Lehrprüfung sieht, wie sehr sie ihm Bezeugung der Orthodoxie des Ordinanden ist, aber auch, wie sie notwendig in den Funktionsbereidi des Amtes fällt, dessen Sadie es ist, diese Prüfung und Bezeugung vorzunehmen, und wie aus ihr auch die Pflicht zu weiterer Lehrinspektion seitens des Ordinators resultiert' 0 . Aber Melanchthon führt noch andere piae et gravae causae retinendi hunc publicum ritum an: es ist honestum, die indioatio ministerii und das dazugehörige Gebet in einem publicus ritus zu begehen, es ist den Gemeinden gut zu sehen, von wem den Ordinanden das testimonium doctrinae gegeben wird, und den Ordinanden selbst, illustria signa suae vocationis zu haben (an welche sie sich halten können, wenn sie in die Anfechtung geraten, etwa nicht von Gott gesandt zu sein nadi Jer. 23, 21"). Schließlich ist es auch gut, wenn die in der vera ecclesia der reinen Lehre Ordinierten durch ein publicum testimonium von solchen unterschieden sind, die von den römischen Bischöfen gesalbt werden 22 . Andernorts werden zur Demonstrierung der utilitas des publicus ritus ordinationis folgende konkreten Gründe angeführt: 1. . . . ut magis illustria sint testimonia vocationis et approbationis vocati, 2. . . . ut conspiciatur cuius Ecclesiae doctrinam vocatus amplectatur, 3. . . . ut ibi publica precatio fiat, 4. Prodest etiam hie ipse ritus ad multorum confirmationem, ut sciant ius ordinationis pertinere ad veram Ecclesiam, 5. Et cogitent qui sint errores adversariorum, 6. Et cuius Ecclesiae velint esse ci ves etc. 23 . Aus Melanchthons letztem Jahr 1560 stammt folgende Aufzählung von Gründen: Primum ne omnibus pateat aditus ad ministerium et publicum docendi munus, sed iis tantum, quorum explorata doctrina et vita perspecta est . . . Secunda causa est, quod Deus vult conspici a tota Ecclesia eos, quibus testimonia dantur, ut certa sit de 17 Er erwähnt: impiae opiniones de sacrificio pro aliis, de falsis cultibus, vincula iniusta canonum (wohl d. Verpflichtg. z. Zölibat), unctiones per oleum consecratum magicis blasphemiis (7, 742; vgl. auch Stud. Ausg. Bd. VI, S. 297 u. 356 ff.), dazu kommt noch der unredite Eidschwur, der reinen Lehre des Evangeliums abzusagen (i$> 1334)· 18 19 20 7, 742 f· 7. 743Vgl. oben S. 332 f. 11 7, 741: Ipsis etiam vocatis valde prodest scire vocationem suam, et habere testimonia illustria vocationis, quia conscientia secum disputans de vocatione saepe duriter cruciatur, et cum hac voce reprehendit: Currebant et non mittebam . . . eos, magno in periculo est . . . ; 15, 1331: Ac ipsis vocatis valde opus est etiam propter suam conscientiam habere testimonium vocationis, quia valde anguntur conscientiae, cum ilia voce feriuntur: Currebant et non mittebam eos . . . 22 7» 743· 15, 1335·

343

eorum vocatione, et ipsorum doctrinam et mores probari toti presbyterio, et iis, quibus gubernatio Ecclesiae commendata est. Tertia causa est, ut et ipsi Doctores Ecclesiae sciant suam vocationem, et habeant illustria testimonia suae vocationis . . . Quarta causa est, ut in his congressibus agantur gratiae Deo pro ministerio verbi et instituto et hactenus . . . mirabiliter servato, et ut precemur Deum, ut porro server, et tueatur verbi ministerium a se institutum, et extrudat operarios in messem suam, et eos ipse Spiritu sancto suo unget, et manus suas imponat, ut fructum copiosum afferant, et fructus ipsorum manear24.

Einige dieser von Melanchthon angeführten Gründe sind rein pädagogischer Natur und sagen über den sachlichen Inhalt der Ordination nichts aus. Erwägt man aber, was die anderen von Melanchthon aufgeführten Gründe über den Sinn der Ordination erkennen lassen, so muß man sagen, daß die Ordination (als Bezeugung der Orthodoxie, der Lehrtüchtigkeit und rechtmäßigen Berufung des Ordinanden durch das geistliche Amt) sowohl der Gemeinde als auch dem Ordinierten selbst die Gewißheit geben soll, daß nun eben Gott selbst ins Amt sendend gehandelt hat. Die Ordinationshandlung ist nach Melanchthon gewisses testimonium dafür, daß Gott selbst ins Amt gesandt hat, darum kann sich der Ordinierte in der Anfechtung an diese leibhafte, konkrete, objektive Handlung halten und in ihr zur Ruhe kommen. Precario und testimonium bei der Ordination sind also zu verstehen als Akte, in denen die missio Dei unumstößlich gültig und konkret, zu einem objektiven Faktum wird. Nachdem in der Ordination öffentlich vor der Gemeinde precario und testimonium durch das geistliche Amt geschehen sind über einer Person, kann kein Zweifel mehr daran bestehen, daß sie wirklich von Gott selbst gesandt ist. Der Sinn der Ordination kann gar nicht anders als so bestimmt werden, wenn an ihr die Gewißheit erlangt werden soll, daß Gott ins Amt gesandt hat. Melanchthon weiß also sehr wohl, daß das ordinatorische Handeln der Kirche nicht bloß Menschenhandeln ist, daß vielmehr Christus selbst dabei ist und durch precario und testimonium der Amtsträger wie durch Medien an den Ordinanden handelt: interea (nämlich während die confirmatio durch das testimonium der Amtsträger mit Handauflegung und Gebet geschieht) sine ulla dubitatione filius Dei efficit, ut ministerium huius sit efficax, sic ipse manus imponit et Ungit eum25. Ipse . . . salutares ministros ungit Spiritu suo sancto. Ipse manus imponit, et benedicit ministerio26. Hier ist deutlich ausgesprochen, daß in der Handauflegung des Ordinators Christus selbst die Hände auflegt, daß er dabei dem Ordinanden den heiligen Geist real mitteilt 27 . Die Handauflegung 24

25 26 i2, 380 f. 15, 1334. 7, 742. Was von der Sendung der Apostel nach Joh. 20, 21 ff. berichtet wird: (Christus) dat eis Spiritum sanctum (15, 426), gilt also von allen Ordinanden (vgl. oben S. 279 f.). Vgl. 12, 198: prius aeeipiunt ministri doctrinam, Spiritum sanctum, et ministerium a Deo . . . Postea . . . spargunt vocem doctrinae. — Man muß besonders darauf achten, daß die Ordination nicht nur Gebet um den heiligen Geist ist (obwohl das 27

344

weist hin auf ein Benediktionsgeschehen bei der Ordination, das bewirkt, daß das Amt des Ordinierten efficax ist. Es wird dabei gewiß nicht Gott vorgeschrieben, daß er nicht auch auf andere Weise das Amt eines Menschen wirksam machen kann, aber hier in der Ordination tut er es jedenfalls. Von den Ordinierten gilt darum objektiv: „der Son Gottes sendet sie, und wil krefftiglich durch das Euangelium wirdien"28. Man muß also von einem exhibitiven und bewirkenden Charakter der Ordftiationshandlung bei Melanchthon sprechen, der so ernst zu nehmen ist, daß Melanchthon sogar einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der efficacia des Amtes und der in der Ordination geschehenden Benediktion und Mitteilung des heiligen Geistes andeutet2®. Um den Sinn der Ordination nach Melanchthon recht zu beschreiben, müssen wir also der Bestimmung, daß sie die öffentliche (gottesdienstliche) Bestätigung der Vokation durch das geistliche Amt ist, noch hinzufügen, daß sie als solche zugleich effektive göttliche Sendung und Segnung zum Amt ist. Es ist nur folgerichtig, daß Melanchthon dann von der Ordination auch als von der Uber gäbe des Amtes spricht. Der Titel der Schrift, durch die Melanchthon den Ordinanden eine Hilfe geben will, sich auf das Ordinationsexamen vorzubereiten, lautet: Examen eorum, qui audiuntur ante ritum publicae ordinationis, qua commendatur eis Ministerium evangelio. In einer akademischen Rede beschreibt Melanchthon den Inhalt der Ordination folgendermaßen: . . . initio convenimus ad precationem, et deinde ministerium docendi Evangelii iis, quorum nobis explorata doctrina est, et perspecti mores publica voce coram Ecclesia commendamus31. Und in der Confessio Saxonica heißt es: Retinemus igitur et in nostris Ecclesiis publicum ritum ordinationis, quo commendatur ministerium Euangelij viris electis, quorum mores et doctrinam prius exploramus 32 .

In der Ordination wird den Ordinanden das Amt übergeben, d. h. das Amtsmandat wird auf sie gelegt. „Durch solche ordination wird jnen das Euangelium zu predigen und die Sacramenta zu reichen öffentlich befohlen"33. Aber es ist sehr wohl zu beachten, daß diese Amtsbeauch!), sondern zugleich auch Mitteilung desselben. Unter dem Ordinationsgebet und der Handauflegung der Ordinierenden handelt Gott durch reale Gabe des heiligen Geistes. — Es findet sich bei Melanchthon das gleiche, was J. Heubach dazu ausführt: in der Ordination werde „die Gabe des Heiligen Geistes erfleht und mitgeteilt" (a. a. O., S. ι ο ί und ff.). 18

23, X X X V .

Vgl. oben S. 316 ff.

30

23, 1.

S1

12, 380.

" 28, 412. — Vgl. in dem von Melandithon verfaßten Ordinationszeugnis für Laurentius Hunnicus den zentralen Satz: Quare ei iuxta doctrinam Apostolicam publico et pio ritu commendatimi est ministerium docendi Evangelii et administrandi Sacramenta iuxta vocationem (5, 712) und in dem ebenfalls von Melanchthon verfaßten Ordinationszeugnis für Fürst Georg von Anhalt: Nos convocati . . . testimonium nostrum de eo, ritu Apostolico, impositione manuum declaravimus et ei ministerium docendi Evangelium et administrandi Sacramenta commendavimus (WA Br i l , 156, 18 ff.; Enders 17, 275; allerdings im CR fehlt der letztere Satz ,et ei etc.': 5, 82$). M 28, J24. 34Í

f e h l u n g eben „ a u s Göttlicher O r d n u n g " g e s c h i e h t " u n d

darum

durch

M u n d u n d H a n d des O r d i n i e r e n d e n eben G o t t selbst das A m t übergibt u n d befiehlt 3 5 . A l l e r d i n g s müssen hierbei zwei

Einschränkungen

gemacht

w e r d e n . D i e O r d i n a t i o n h a t diese das A m t übertragende u n d ins A m t setzende W i r k u n g niât

per se, nicht isoliert, sondern auf dem G r u n d e

der v o r a u s g e g a n g e n e n rechtmäßigen V o k a t i o n u n d bestandenen P r ü f u n g , u n d sie h a t sie nur dann, w e n n auch die Intention

(der O r d i n i e r e n d e n )

bei der O r d i n a t i o n s h a n d l u n g a u f das rechte A m t des W o r t e s u n d der S a k r a m e n t e gerichtet ist. E s „müssen die B e f e h l der O r d i n a t i o n a u f das P r e d i g a m p t u n d Reichung der S a c r a m e n t gestellet w e r d e n , nicht a u f a n d r e W e r k f ü r L e b e n d i g e u n d T o d t e n zu o p f e r n " 3 6 . Der Vorwurf, mit falscher Ordinationsintention zu ordinieren, muß den römischen Bischöfen gemacht werden". Im 13. Artikel der Apologie nimmt Melanchthon bei der Besprechung des Ordosakraments davon seinen Ausgang, daß die Gegner das sacerdotium nicht von dem ministerium verbi et sacramentorum aliis porrigendorum verstehen, sondern de sacrificio, quasi oporteat esse in novo testamento sacerdotium simile levitico quod pro populo sacrificet et mereatur aliis remissionem peccatorum* 8 . Dagegen sei es unsere Lehre, daß das Opfer Christi für die Sünden der ganzen Welt genuggetan hat und es seitdem keiner anderen Opfer mehr bedürfe, vielmehr käme es zur Rechtfertigung durch den Glauben an dieses eine Opfer Christi. Aus diesem Grunde würden bei uns die Priester non ad ulla sacrificia facienda berufen, sondern ad docendum evangelium et sacramenta porrigenda populo® 9 . E s k o m m t also d a r a u f an, w o z u die O r d i n a n d e n b e r u f e n w e r d e n , z u •welchem

A m t . N u r w e n n sie z u dem v o n C h r i s t u s gestifteten A m t des

W o r t e s u n d der S a k r a m e n t e b e r u f e n w e r d e n , k a n n die O r d i n a t i o n als G o t t e s h a n d e l n ( u n d somit s a k r a m e n t a l ) v e r s t a n d e n w e r d e n . Ist das aber M

22, $24: Denn diss ist die Weihe und nicht anders, Nadi verhör der Lere den Erwehleten bestetigen, also, das etliche Personen der Kirchen jre hende uff sein Heubt legen, befehlen jm das Ampt aus Göttlicher Ordnung, und bitten, Das jm Gott den heiligen Geist dazu gebe, jn regiere, und das Gott durch dieses Predigt und reidiung der Sacrament krefftig sein wolle . . . ,5 Vgl. Vilmar, Dogmatik II, S. 277; W. O. Munter, Begriff u. Wirklichkeit, S. 82 f.; G. Wehrung, Zu Augustana V I I I , a . a . O . , S. 7 und F. W. H o p f , Luth. Kirchenordnung, S. 28. Das Moment der effektiven Amtsbefehlung bei Melanchthon durch Handauflegung und Gebet in der Ordination hat W. Thomas übersehen (a. a. O., S. 16 f., Anm. 3). Í8*·

" 37

l

S> 1334: Non instituunt vocationem ad ministerium, sed dicunt se ordinare Sacerdotes ad sacrificandum, et fingunt oportere certam turbam esse Sacrificulorum, qui offerant pro vivis et mortuis; j , 585: Es ist aber die Ordinatio in den großen Mißbrauch kommen, da man rechter Lehr nidit mehr geachtet hat, und der Irrthumb eingerissen ist, man müsse Priester haben, die für das Volk opfern, und Mehrung dieses Opfers sey der hoheste Gottes Dienst. 38 Apol. 13, 7 (BKS 293). " Apol. 1 3 , 8 f. (BKS 293); vgl. 2 1 , 470 f.: alii cum de Ordinatione loquuntur omissa mentione ministerii Evangelii, putant Ordinem esse vocationem ad sacrificandum pro vivis et mortuis; 2 1 , 852: Sacrificuli, qui missas pro aliis faciunt, fingunt ordinationem ideo fieri, ut detur potestas sacrificandi pro vivis et mortuis . . . 346

der Fall, so muß sie so als effektives göttliches Berufungsgeschehen gefaßt werden. In ihr kommt die ganze Vokationshandlung der Kirche zu wirksamem Abschluß und wird eine Person endgültig in das von Christus gestiftete Amt eingesetzt. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Melanchthon gerade auf Grund dieses Ordinationsverständnisses den Begriff ,ordinario' mit Vorliebe für den gesamten Vokationsvorgang braucht. Es bleibt noch eine Stelle genauer zu untersuchen. Im Tractat beschreibt Melanchthon die altkirdilidie Ordination folgendermaßen: Nachdem das Volk die Wahl der Person vorgenommen hatte, Deinde accedebat episcopus seu ejus ecclesiae seu vicinus, qui confirmabat electum impositione manuum, und fügt hinzu: nec aliud fuit ordinatici nisi talis comprobatio (Tract. 70; BKS 491 f.)40. Offenbar will er damit den wahren Sinn der Ordination herausstellen. Die Ordination war Bestätigung des Erwählten durch Handauflegung, nidits anderes. Was ist aber das mögliche andere, das Melanchthon hier als Inhalt der Ordination ablehnen will? Das geht aus dem folgenden hervor, wo es heißt: Postea accesserunt novae ceremoniae . . . Deinde recentiores addiderunt: „Do tibi potestatem sacrificandi pro vivis et mortuis" (Tract. 7 1 ; BKS 492). Diese novae ceremoniae, die später hinzugekommen sind und die dann schließlich die Ordination zur Opferpriesterweihe umgestaltet haben, sind das andere, das mit dem Satz ,nec aliud fuit ordinatio nisi talis comprobatio' abgewehrt werden soll. Das .talis* ist zu beachten. Es enthält die Rüdebeziehung auf die gerade erwähnte, legitime altkirchliche Ordinationszeremonie der Handauflegung, durch welche die comprobatio vollzogen wurde, sowie auf die dieser comprobatio vorausgehende und zugrunde liegende electio (natürlich zum Amt des Wortes und der Sakramente). Die Spitze der Aussage ,nec aliud fuit . . . nisi talis . . richtet sich gegen die in den novae ceremoniae sichtbar werdende allmähliche Umwandlung der Ordination aus einer durch das geistliche Amt mit Handauflegung geschehenden Bestätigung der Wahl zum Predigtamt in einen dem römischen Episkopat vorbehaltenen Akt der Übergabe einer potestas sacrificandi pro vivis et mortuis. Melanchthon will sagen: Die Ordination war ursprünglich (und soll ihrem wahren Wesen nach auch heute sein) nicht Obergabe der potestas sacrificandi pro vivis et mortuis, wie die römischen Bischöfe sie vollziehen und die auch tatsächlich nur sie vollziehen können, sondern Bestätigung eines vom Volk Erwählten im ministerium ecclesiasticum durch Handauflegung, wie sie jeder rechte Bischof, und das heißt audi jeder rechte Pastor (der Unterschied Bischof—Pastor ist ja nur de iure humano: Tract. 60 ff.; BKS 489 ff.) in seiner Kirche vollziehen kann, wenn die Bischöfe solche Ordination verweigern. Es soll mit dem ,nec aliud fuit ordinatio nisi talis comprobatio' nicht etwa der bewirkende Charakter der Ordination in Frage gestellt und die comprobatio des Bischofs mit Handauflegung als bedeutungslose Formalität gekennzeichnet werden. Das war diese comprobatio mit Handauflegung nach dem can. IV des Nizänums ja auch wirklich nidit. Nach dem Gesamtzusammenhang geht es Melanchthon hier darum, zu erweisen, daß die Kirche nicht unbedingt an die Ordination durch die römischen Bischöfe gebunden ist. Das soll hier auch aus dem ursprünglichen und wahren Wesen der Ordination nach altkirchlichem Vorbild erwiesen werden. Diese verlangt nicht einen Bischof, der bei der Ordination sagen kann: Do tibi potestatem sacrificandi pro vivis et mortuis (was natürlich der evangelische Pastor nicht kann), sondern nur einen Bischof (bzw. Pastor), der den Erwählten im Amt der Kirche mit Handauflegung bestätigt. Das kann jeder evangelische Pastor, der ja de iure divino dem Bischof 40 Vgl. 5, 634: sciunt Episcopi ipsi hanc veterem esse de ordinatione opinionem, proprium videlicet Episcoporum officium seu opus esse hanc ipsam comprobationem presbyterorum, quae fit impositione manuum; n , 524 f. (zitiert oben S. 326, Anm. 6j).

347

gleich ist. Auf Grund der geschehenen Wahl durch die Gemeinde die gottesdienstliche Bestätigung durch Handauflegung vornehmen, — das ist nicht den römischen Bischöfen vorbehalten, sondern steht allen Pastoren zu. So ist auch die ordinatio a pastore in sua ecclesia facta jure divino rata, gültig (Tract. 65; B K S 490) und können die Kirchen durch ihre Pastoren (adhibitis suis pastoribus) neue ministri verbi ordinieren (Tract. 72; B K S 492). Der Begriff einer ordinatio jure divino rata, wie er für die Pastorenordination gebraucht wird, trägt in sich, daß diese ordinatio eben bewirkenden Charakter hat (was soll sonst das ,rata'?). Und diesen bewirkenden Charakter hat die Ordination nach dem Tractat eben audi dann, wenn sie statt von einem römischen Bischof mit höherer Weihe nur von einem Pastor in sua ecclesia vollzogen wird. Die Formel ,nec aliud fuit ordinatio nisi talis comprobado' weist nur auf die innere Verknüpfung der wahren Ordination mit der vorangegangenen Wahl und Vokation hin und widerspricht der Meinung, als übertrüge die Ordination auch abgesehen von der Wahl und Vokation zum ministerium verbi, einfach kraft des besonderen bischöflichen Weihecharakters (gleich ob die rechte Ordinationsintention da ist oder nicht) das Amt 4 1 , nimmt aber keineswegs der in ihr geschehenden und auf die vorangegangene. Wahl sich begründenden comprobado den bewirkenden Charakter.

Wir können das bei Melanchthon über den Sinn der Ordination Gefundene in folgender Formulierung zusammenfassen: Die Ordination ist die gottesdienstlich, unter Gebet geschehende, öffentliche Bestätigung rechtmäßiger Vokation durch andere ministri verbi vor versammelter Gemeinde, in welcher Christus selbst ins Amt ruft, zum Amt sendet und für das Amt durch Mitteilung des heiligen Geistes segnet. Sie ist in alledem endgültige Auflegung des göttlichen Amtsmandats und wirksame Amtsübergabe. 3. Ordination als Sakrament In der römischen Priesterweihe, die dort als Sakrament des Ordo proklamiert wurde, mußte Melanchthon wegen des falschen Bezuges auf ein Opferpriesteramt einen Mißbrauch der rechten Ordination sehen42. Mit dem sehr starken Eindruck von der Verkehrung der wahren Ordination in der römischen Priesterweihe, den Melanchthon in seiner Frühzeit empfing, hängt es sehr wahrscheinlich zusammen, daß er 1 5 2 1 von einem sakramentalen Charakter der Ordination nichts wissen will. In den Loci von 1521 hat er dafür nur die Bemerkung übrig: miramur quid venerit in mentem Sophistis, . . . inter sacramenta referre, ea quorum ne verbo quidem scriptura meminisset. Nam unde confictus ordo est?" Zehn Jahre 41 Nur insofern können wir W. O. Münter (Begriff und Wirklichkeit, S. 79 ff.) folgen, der gegen die These Stahls polemisiert, daß der rechte Vollzug der Ordinationshandlung schon deren Segen verbürgt. Es steht ohne Zweifel jedoch fest, daß nach lutherisdiem Bekenntnis die Ordination, w o sie einer rechtmäßigen Wahl und Berufung folgt, effektiv das Amt überträgt. Vgl. auch C A 8 und Apol. 7, 28. 42 Vgl. auch oben S. 343, Anm. 17. 43 2 1 , 2 1 1 ; vgl. 2 1 , 2 2 1 : Quid autem in mentem venit iis, qui inter signa gratiae Ordinem numerarunt?; 2 1 , 42: Ordo figmentum. — Da es Melanchthon ja nicht verborgen geblieben sein kann, daß die Schrift von der rechten Ordination durch Hand-

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später jedoch, in der Apologie der CA von nimmt er eine andere Position ein. Er bestreitet zwar audi da natürlich die römische Opferpriesterweihe als Sakrament, ist aber dodi gern bereit, in Abgrenzung von derselben der rechten Ordination zum Predigtamt sakramentalen Charakter zuzuerkennen. Si autem ordo de ministerio verbi intelligatur, non gravatim vocaverimus ordinem sacramentum44. Bei der Begründung dafür legt er den allgemeinen Sakramentsbegriff zugrunde, wonach .Sakrament' solche Riten genannt werden können, qui habent mandatum Dei et quibus addita est promissio gratiae45. Dementsprechend beruft er sich bei der Bezeichnung des ordo de ministerio verbi als Sakrament darauf, daß das ministerium verbi, zu dem ordiniert wird, mandatum Dei und magnificas promissiones habe46. Melanchthon geht aber noch einen Schritt weiter und hat keine Bedenken, auch ganz speziell der Handauflegung (hier offensichtlich als Kernritus der Ordination genommen) die Bezeichnung ,Sakrament' zuzugestehen und er begründet das wiederum mit dem Vorhandensein'eines göttlichen mandatum de constituendis ministris, woraus auch die Gewißheit folge, daß Gott das durch Ordination bestellte Amt billigt und durch es wirken will47. Das Interesse, das Melanchthon dazu führt, solchen höchsten Namen ,Sakrament' der Ordination bzw. der Handauflegung zuzubilligen, ist die inzwischen hochnötig gewordene Abgrenzung gegen die Schwärmer, die das Predigtamt und leibliches Wort verachten und lästern. Ac prodest, quantum fieri potest, ornare ministerium verbi omni genere laudis adversus fanaticos homines . . ·48. Es ist deutlich, daß Melanchthon um des von Gott eingesetzten und mit den höchsten Verheißungen ausgestatteten ministerium verbi willen dem ordo und der Handauflegung die Bezeichnung ,Sakrament' zuerkennt. Doch aber darf das nicht so ausgelegt werden, als solle der sakramentale Charakter eigentlich nur von dem Amte selbst und dodi eben nicht von dem konkreten Initiaauflegung sehr wohl redet, ist es sehr wahrscheinlich, daß er unter dem ordo, den die Schrift mit keinem Wort erwähne, die römische Weihe zum Opferpriestertum versteht, und ausdrücklich nur dieser jeden sakramentsähnlichen Charakter abspredien will. 44

Apol. 13, H (BKS 293).

45

Apol. 13, 3 (BKS 292).

"

Apol. 13, I i (BKS 293). Vgl. Vilmar (Dogmatik II, S. 277).

47

Apol. 13, 1 2 (BKS 294): Si ordo hoc modo intelligatur, ñeque impositionem manuum vocare sacramentum gravemur. Habet enim ecclesia mandatum de constituendis ministris, quod gratissimum esse nobis debet, quod scimus Deum approbare ministerium illud et adesse in ministerio. Vgl. dazu Κ . Winter, Die Lehre von der Kirche i. d. ev.-luth. Bekenntnisschriften, in: Credo ecclesiam, Gütersloh 1930, S. 12 und E . Sommerlath, Amt u. allg. Priestertum, S. 60. 48

Apol. 13, 13 (BKS 294).

349

tionsakt in dasselbe, also der Ordination mit Handauflegung gelten 4 '. Beides darf im Sinne von A p o l . 1 3 nicht auseinandergerissen und gegeneinander mit einem ,Nicht-sondern' ausgespielt werden. M i t der göttlichen Einsetzung des konkreten Amtes ist unmittelbar auch die göttliche Einsetzung der Bestellung des Amtes (mandatum de constituendis ministris) gegeben, welche in der Ordination, letztlich in dem A k t e der Handauflegung konkret vollzogen wird 50 . A p o l . 1 3 zeigt, wie im D e n ken Melanchthons ein sakramentaler Charakter des Amtes notwendig auch den sakramentalen Charakter der Ordination als konkreter gottesdienstlicher Handlung nach sich zieht. Es ist also nicht ein lapsus linguae sozusagen, wenn Melanchthon gerade die Handauflegung als sakramentlich anspricht, sondern inhaltlich-sachlich begründet. D a m i t w i r d die größtmögliche Konkretisierung des gestifteten Amtes in dem leibhaften A k t e der Ordination mit Handauflegung dokumentiert. Melanchthon könnte nicht der Handauflegung sakramentalen Charakter zugestehen, wenn er nicht wirklich diese Konkretisierung als de iure divino meinte. D i e Bezeichnung des ordo b z w . der Handauflegung als .Sakrament' begreift jedenfalls die Aussage in sich, daß darin Gottes Handeln objektiv konkret w i r d " . Das gegen die Schwärmer auszusagen, ist offensichtlich Melanchthons tiefste Intention dabei. D a es sich ja um die Ordination zum Predigtamt handelt, w i r d damit auch aufs stärkste betont, daß G o t t eben nicht anders als durchs leibliche W o r t mit uns handelt. H i e r bei darf man aber nicht übersehen, daß darum der ordo für Melanchthon noch durchaus nicht auf einer Stufe steht mit den drei Heilssakramenten 49 So Theod. Harnack, Die Kirche, ihr Amt, ihr Regiment, S. 44 f., These 90. Harnack mißdeutet die Stelle Apol. 13, 1 1 . Melanchthon will ja mit dieser Formulierung ,Si autem ordo de ministerio verbi intelligatur, non gravatim vocaverimus ordinem sacramentum' keineswegs von dem ordo als konkretem Initiationsakt auf einen allgemeinen Begriff des Amtes, abgesehen von der konkreten Ordination, hinlenken und also etwa nur einem solchen allgemein gefaßten Amte (nicht aber der konkreten Ordination dazu) sakramentalen Charakter zuerkennen, vielmehr will er — wie aus dem Vorhergehenden völlig eindeutig hervorgeht — den Bezug der Ordination auf das ministerium verbi statt auf das (in Rom an dessen Stelle gesetzte) sacerdotium, das Opferpriestertum, als Voraussetzung dafür hervorheben, daß man den ordo ein Sakrament nennen könne. Harnack läßt außerdem audi ganz unbeachtet, daß ja dann audi speziell der Handauflegung (als einem sehr konkreten Ordinationsritus!) der sakramentale Charakter zuerkannt wird und daß zur Begründung dafür von einem göttlichen mandatum de constituendis ministris die Rede ist (BKS 293 f.). Harnack wird — wie es den Anschein hat — von dem Bestreben geleitet, seine These, daß das konkrete, bestellte Amt nach den Bekenntnissdiriften nicht de iure divino ist, nidit erschüttern zu lassen. Sie fiele ja aber, wenn die Ordination selbst bzw. die Handauflegung als sakramentaler Akt gewertet würde, durch den Gott handelt. — Ähnlidi wie Harnack versucht in diesem Punkte J. W. Fr. Höfling (Grundsätze, S. 100 f.) den Aussagen der Apologie auszuweichen. 50 Dieser Gedanke wird für die Bekenntnisschriften von K. Winter bestätigt, a. a. O., S. 12. Vgl. audi J . Heubach, a. a. O., S. 76 und 128 f. " Vgl. E. Sdilink, a.a.O., S. 331.

350

Taufe, Herrenmahl, Absolution, die die spezielle neutestamentliche Verheißung auf Sündenvergebung unmittelbar in sich tragen52. Die Zuerkenntnis sakramentalen Charakters bedeutet für Melanchthon in bezug auf ordo und Handauflegung nur, daß darin ein göttliches Handeln zu unserm Heile (auf Grund gegebenen mandatums und gegebener promissio) konkret wird, nicht aber audi die wertmäßige Gleichordnung mit den drei Sakramenten, durch die die Erlösung unmittelbar sich vollzieht. Eine ganz ähnliche Stellungnahme zu der Frage des sakramentalen Charakters des Ordo findet sich in den Loci von i f } $ f f . Melanchthon geht da in dem Abschnitt ,De sacramentorum numero' davon aus, daß man viele Sakramente zählen könnte, wenn man alle Dinge, die göttliche Verheißung haben, Sakrament nennen wollte, so z. B. das Gebet, Anfechtungen, Almosen. Beschränke man aber diesen Begriff auf die ceremoniae seu ritus in Evangelio institutos et proprie pertinentes ad hanc praecipuam promissionem et Evangelii propriam, scilicet de remissione peccatorum, so seien nur drei Sakramente zu nennen: Taufe, Herrenmahl, Absolution 5 ®. In einem weiteren Sinne möchte Melanchthon aber doch auch den ordo unter die Sakramente rechnen: Maxime autem placet mihi, Ordinem, ut vocant, inter Sacramenta numerari, modo ut intelligatur et ipsum ministerium Evangelii, et vocatio ad hoc ministerium docendi Evangelium et administrandi Sacramenta 54 . Auch hier — wie in der Apologie — wünscht Melanchthon den Ordo (worunter er das Amt des Evangeliums und die Berufung zu diesem Amt versteht) unter die Sakramente gerechnet zu sehen, weil er das ministerium Evangelii und die vocatio ad hoc ministerium als Mittel des Handelns Gottes an uns hervorheben möchte. Durch den Namen .Sakrament' soll den Menschen eine H i l f e gegeben werden, zu erkennen, quod Deus approbet vocatos ab Ecclesia et velit adesse eorum ministerio. Dieses beneficium Dei, daß Gott in der vocatio ecclesiae selbst ins Amt ruft und sendet und dem Amte der so Berufenen Wirksamkeit verheißt, muß uns teuer und wert sein und ist darum diligenter ornandum atque illustrandum. Das kann nicht besser geschehen als dadurch, daß man dem Ordo den Namen Sakrament beilegt. Es wäre also utilissimum, den Ordo unter die Sakramente zu zählen, scilicet ad illustrandam dignitatem ministerii verbi 55 . Das Amt und der Einsetzungsakt ins Amt sollen als sakramentale Gegebenheiten, bei denen Gott durch Menschenhandeln wirksam ist, gegen die spiritus fanatici hervorgehoben werden. Das ist das treibende Motiv bei Melanchthon. Er grenzt sich dabei aber sofort gegen den römischen Ordobegriff ab, in dem die Ordination omissa mentione ministerii Evangelii als vocatio ad sacrificandum verstanden wird 56 . Das gleiche Motiv, das Gotteshandeln in der vocatio ecclesiae (d. h. in Vokation und Ordination) hervorzuheben, liegt in den Loci von 1543 ff. zugrunde, wenn Melanchthon da sagt: Mihi maxime placet etiam addi (näml. ζ. Zahl der Sakramente) Ordinationem, ut vocant, id est, vocationem ad ministerium Evangelii et publicam eius vocationis approbationem, quia haec omnia mandato Evangelii praecipiuntur... et est addita promissio omnium maxima et dignissima cognitione, quae testatur Deum vere efficacem esse per ministerium eorum, qui voce Ecclesiae electi sunt 57 . Mandat und Verheißung für das ordinatorische Handeln der Kirche sind in der Schrift gegeben und darum ist es gerechtfertigt, die Ordination ein Sakrament zu nennen. Das hätte auch den Vorteil, daß die doctrina de Ordinatione, cum inter Sacramenta recensetur, besonders an die efficacia ministerii, an die gottgegebene Würde und Vollmacht, sowie an die Pflichten, die wir dem Amt gegenüber haben, erinnern würde 58 . 52 M 54

Apol. 13, 3 f. (BKS 292). 2 1 , 470. Ibid.

53 55 57

2 1 , 469 f.; vgl. 2 1 , 849 f. Ibid. 58 21, 8j2. 2 1 , 8$o. 351

Es ist deutlich, daß Melandithon auch aus pädagogischen Gründen die Bezeichnung •der Ordination als Sakrament befürwortet. Man darf aber nicht übersehen, daß das Hauptmotiv dafür dies ist, das Gotteshandeln in der Ordination zu betonen.

Aus Melanchthons Äußerungen zu dem sakramentalen Charakter der Ordination wird man zwar nicht entnehmen können, daß er sie im strengen und eigentlichen Sinne als ein Sakrament ansieht (also so wie es Taufe, Herrenmahl und Absolution sind), wohl aber legt er ihr insofern einen sakramentalen Charakter bei, als in ihr Gottes ins Predigtamt rufendes Handeln konkret wird, und ist es sein ausdrücklicher Wunsch, die Ordination ,Sakrament' genannt zu sehen, damit dies gegen die Schwärmer sichergestellt wird und die darauf beruhende dignitas und efficacia ministerii hell ins Licht tritt 5 '.

4. Die Bestandteile des Ordinationsritus Nach einer von uns bereits zitierten Äußerung Melanchthons in dem Judicium de impositione manuum von 1543 gilt ihm als Inhalt der Ordinationshandlung: electum ministrum sisti coram Ecclesia, commendali Deo publica precatione, confirmari collegii testimonio80. Hiernach muß in der gottesdienstlichen Ordinationshandlung der Ordinand allen erkennbar vor die Gemeinde gestellt werden, denn an seiner Person soll ja jetzt gehandelt werden. Als die eigentlichen Bestandteile dieser Handlung treten precatio und testimonium collegii hervor. Das Gebet (über dem Ordinanden) wird von Melanchthon auch da stets besonders erwähnt, wo er die de iure divino bestehenden Stücke der Gesamtvokation aufzählt". Es hat aber seinen natürlichen Platz in dem publicus ritus ordinationis, der gottesdienstlichen Ordinationshandlung62 und ist dabei unbedingt notwendig. Die Ordination soll ja nicht „allein ein Ceremonia und Spectakel" sein, sondern — wie die Ordinanden vorher „wohl verhört und unterwiesen" werden sollen — so müssen auch „bei der Ceremonia ernstliche Gebeth geschehen"63. Das andere Stück ist das testimonium collegii, das Zeugnis der ordinierenden ministri verbi, die die Berufung auf Grund des vorangegangenen Examens bestätigen64. Die Ordinationshandlung soll ja illustria 5 * Vgl. 12, 490: Veteres, ut magnitudinem et dignitatem ministerii commendarent hominibus, sapienter posuerunt ordinationem inter sacramenta; vgl. 6, 934: Von der Priester Weihung lassen wir uns nicht mißfallen, daß sie in der Sacrament Zahl gerechnet werde, so sie recht und christlich gehalten wird, und wünschen, daß sie in allen Landen mit großem Fleiß gehalten würde. 80 5, 2 1 1 . Vgl. oben S. 342. 81 Vgl. oben S. 330 fi. " 7, 743. « 6, 934; vgl. 7, 34. 84 Man kann das Examen im Sinne Melanchthons mit zu den Bestandteilen der Ordinationshandlung rechnen, im Grunde aber ist es doch nur die Voraussetzung der eigentlichen Ordinationshandlung.

352

signa vocationis geben, ein publicum testimonium sein, daß der Ordinand in rechter Lehre steht, ein rechtmäßig berufener Diener des Evangeliums ist, und dadurch die Gewißheit geben, daß er von Christus selbst berufen und mit Christi Verheißung ausgestattet ist, daß er durch sein Amt wirken wolle65. Dieses publicum testimonium (testificado apud Ecclesiam) kann durch Worte oder einen Ritus gegeben werden66. Der Ritus, der für diesen Zweck (eigentlich nur) in Frage kommt, ist die Handauflegung, quem ritum et nos adhuc servamus67. Melanchthon sagt von der publica approbatio (also der Ordination, speziell dem testimonium in ihr): Et hanc fieri decet usitato ri tu, qui etiam fuit usitatus Apostolis et deinceps veteri Ecclesiae (sc. der impositio manuum). Imo, credo usitatum fuisse inde usque a primis Patribus, et hic ritus sine superstitione servari potest68. Die Kirche hat die volle Freiheit, die Handauflegung bei der Ordination anzuwenden, sie ist von jeher der eigentliche Ordinationsritus. Melanchthon spricht von ihr verschiedentlich so, daß es schwer auszumachen ist, ob er nun wirklich nur den Ritus der Handauflegung selbst oder die ganze Ordinationshandlung, den ganzen publicus ritus ordinationis damit meint69, oder er setzt — wie wir es in Apol. 13 bei der Behandlung des sakramentalen Charakters der Ordination gesehen haben — die Handauflegung sogar ganz offenkundig für die ganze Ordination, ja die ganze Berufung ins Amt70. Dies wäre gewiß kaum möglich, wenn ihm die Handauflegung nicht als wesentliches Stück der Ordinationshandlung gelten würde. In den Loci von 1543 ff. setzt er die Handauflegung audi für die Ordinationshandlung überhaupt und erwähnt, daß sie sinnenfällig die efficacia ministerii u. a. m. zum Ausdruck bringe71. Sie ist ihm der gegebene Ritus, durch den das testimonium collegii als signum illustre abgegeben werden kann72. Die A u f l e g u n g des Evangelienbuches auf das H a u p t des Ordinanden sieht Melanchthon nirgends als Ordinationsritus vor, obwohl er sie mit der H a n d a u f l e g u n g zusammen als Zeremonien der altkirchlichen Ordination erwähnt 7 3 . Die ölsalbung, w i e 65

86 7 . 7 4 3 ; vgl. j , 8 2 5 ; 2 1 , 4 7 0 . 7, 742. 7 , 7 4 2 ; v g l . j , 2 1 1 : H u n e morem et nos servamus, ut seis, ac delector ritu; 1 2 , 380. 87

68

». S97 f·

«» 5, 2 1 1 f . ; 7 , 7 4 2 f.; 1 5 , 1 3 3 5 . 71

70

A p o l . 1 3 , 1 1 f. ( B K S 2 9 3 f.).

2 i , 8 j 2 : D e his rebus omnibus, de efficacia ministerii, de precatione pro mini-

sterio, de offieiis, quae eis debentur, de poenis spreti ministerii admoneat nos doctrina de Ordinatione, cum inter Sacramenta recensetur, admoneat nos et ritus ipse, cum publice spectamus

antiquissimum morem

videlicet impositionem manuum . . v g l .

haud

dubie a primis patribus

aeeeptum,

ibid: C u m . . . cogitabis, non casu, non sine

aliqua significatione hunc ritum a primis Patribus et ab Apostolis usurpatum esse, excitetur animus ad agnoscendam muneris efficaciam, ad reverentiam, ad quaerendas significationes, quae nos de Christo pontífice et de offieiis huius muneris admonent. 72

Z u r Frage der Notwendigkeit der H a n d a u f l e g u n g vgl. unten S. 3 5 8 ff.

73

1 $ , 1 3 3 5 : Fuerunt autem in externo ritu ordinationis statim in veteri Ecclesia

ceremoniae, impositio manuum et collocatio libri supra caput etc.; 8, 597.

2} 7915 Lieberg, Amt

3)3

sie bei der römischen Priesterweihe üblich ist, gilt ihm als d e p r a v a n o der Ordination und w i r d v e r w o r f e n 7 4 .

A l s stetige Bestandteile der Ordinationshandlung heben sich bei M e lanchthon precatio und testificatio heraus, welche letztere normalerweise durch den Ritus der Handauflegung geschieht. So werden als Bestandteile der Ordinationshandlung auch einfach Handauflegung und Gebet erwähnt. In dem Iudicium de Episcopo Naumburgensi vom i. N o v . I J 4 1 heißt es: N a c h der W a h l „soll der Gewählte durch etliche Prädicanten öffentlich ordinirt werden mit auflegung der H ä n d e und dem Gebet etc. und bedarf keinen andern Spectakel . . . " n .

5. Der Sinn der Handauflegung bei der Ordination Wollen wir den Sinn der Handauflegung bei der Ordination nach Melanchthon beschreiben, so haben wir zunächst an das eben Gesagte anzuknüpfen. ι . Die bei der Ordination angewandte Handauflegung hat nach M e lanchthon zunächst den Sinn, die Approbation der erfolgten Vokation mit einem bestimmten Ritus sichtbar kundzutun. Die Apostel haben mit diesem Ritus als einem signum usitatum die Vokation erklärt 78 . H o c signum ostendebat vocationem et vocationis confirmationem". U n d so ist die Handauflegung auch heute declaratio et comprobado vocationis 78 . Sie dient dazu, die testimonia vocationis et approbationis augenfällig abzugeben 79 und zählt zu den illustria testimonia vocationis 80 . In dem 74 i j , 1 3 3 4 ; vgl. 7, 742. — In einem E n t w u r f f ü r das Leipziger Interim (1548), an dem Melanchthon jedenfalls mitgewirkt hat, w i r d aber geäußert, daß man sich (wenn die römischen Bischöfe die Ordination ohne Zölibatsgelübde und unter Zulassung der communio sub utraque erteilen) das ö l e n bei solcher Ordination nicht anfechten lassen solle. Es w i r d nur darauf hingewiesen, „ d a ß man dem Oelen nicht zumesse oder zulege, daß dadurch einige W i r k u n g göttlicher Gaben oder Gnaden gegeben w e r d e n " (7, 180). In dem gleichen Sinne w i r d man wohl schon eine Äußerung Melanchthons v o m A p r i l 1 5 3 0 über die Zeremonien der Weihe zu fassen haben: „ D a z u findet man w o h l R a t h , so man der H a u p t a r t i k e l einig w ü r d e , daß sich die Bischoff bewilligen, etwas nachzugeben. Denn so sie wollen Friede machen, sollen w i r billig alles nachlassen, das man mit gutem Gewissen kann nachgeben um Friedens w i l l e n " (4, 995). Z u diesen möglichen Zugeständnissen bezüglich der Einzelzeremonien der Weihe w ü r d e jedenfalls audi eine Akzeptierung der ö l s a l b u n g zu redinen sein. 75 4. 698· " 7, 7 4 1 : signo usitato, manuum impositione declarabant vocationem, ut ipsis vocatis notior esset, et nota esset Ecclesiae. 77 15. 1334· 78 5, 2 i 1 ; vgl. j , 1 8 7 : N e c postea aliud f u i t impositio manuum, nisi publicum testimonium. 7,1 Vgl. I J , 1335. 80 12, 381.

354

Ordinationszeugnis für Fürst Georg von Anhalt wird sie als das Mittel hingestellt, durch das das testimonium des Presbyteriums erklärt worden ist81. 2. Jedoch ist der Sinn der Handauflegung bei der Ordination für Melanchthon nicht lediglich ein significativer. Wir haben bereits gefunden, daß Melanchthon lehrt: während die Handauflegung geschieht, wirkt Christus, daß das Amt des Ordinanden wirksam wird, er legt selbst dabei die Hand auf und salbt den Ordinanden mit seinem heiligen Geist, er segnet ihn und sein Amt82. In der menschlichen Handauflegung bei der Ordination ist eine göttliche zu sehen, die wiederum gleichbedeutend ist mit der Salbung mit dem heiligen Geist. Die Salbung mit dem heiligen Geist kann nur bedeuten, daß der heilige Geist mit seinen Gaben dem Ordinanden tatsächlich verliehen wird. Die Handauflegung ist also — das zeigt die enge Verknüpfung von Handauflegung und Geistessalbung bei Melanchthon deutlich — auch Organ der Geistmitteilung (als Amtsausrüstung)83. Sie ist ihm auch effektiver BenediktionsritusSi. Durch sie wird die Realität des göttlichen Segens auf den vocatus und sein Amt gelegt. Das ist allerdings das höchste, was man von ihr aussagen kann, und erst von hier aus wird eigentlich verständlich, daß Melanchthon gerade die Handauflegung auch ein Sakrament zu nennen bereit ist (obwohl er diesen inneren Zusammenhang selbst so nicht andeutet)85. 81 j , 8 2 5 : T e s t i m o n i u m nostrum de eo, ritu A p o s t o l i c o , impositione m a n u u m , declaravimus. 82 V g l . oben S. 344 f. und die dort a n g e f ü h r t e n Stellen: 7, 7 4 2 ; 15, 1 3 3 4 etc. D a z u n o d i 1 5 , 1 3 3 2 : o r d i n a t i o , in q u a filius D e i simul et ungit eos, et manus imponit eis, id est, benedicit eis, et est e f f i c a x in ministerio e o r u m ; 12, 3 8 1 ; 2 1 , 852. 85 M a n v g l . d a z u , w a s Melanchthon z u r H a n d a u f l e g u n g der A p o s t e l bei der B e sprechung der K o n f i r m a t i o n b e m e r k t : P o s t e a fiebat p u b l i c a p r e c a t i o et A p o s t o l i imp o n e b a n t eis manus. I t a d o n a b a n t u r m a n i f e s t i s donis Spiritus sancti ( 2 1 , 853). I m Blick auf die römische F i r m u n g f ä h r t Melanchthon d a n n f o r t : S e d nunc ritus C o n f i r mationis, q u e m retinent E p i s c o p i , est prorsus otiosa ceremonia (ibid.). V g l . zu M e l a n dithons S t e l l u n g zur H a n d a u f l e g u n g bei der K o n f i r m a t i o n in den I n t e r i m s v e r h a n d lungen W . M a u r e r , Gemeindezucht, G e m e i n d e a m t , K o n f i r m a t i o n , a . a . O . , S . 81 ff. 81 V g l . bes. die W e n d u n g e n : ungit eos, et m a n u s imponit eis, id est, benedicit eis ( 1 5 , 1 3 3 2 ) , Ipse manus i m p o n i t , et benedicit ministerio (7, 742) u n d die auf der f o l genden Seite a n g e f ü h r t e Stelle der L o c i . 85 W e n n Melanchthon nun in dem J u d i c i u m de impositione m a n u u m v o n 1 J 4 3 feststellt, d a ß ein rechtmäßig B e r u f e n e r auch ohne den besonderen R i t u s der H a n d a u f l e g u n g D i e n e r des E v a n g e l i u m s sein u n d W o r t und S a k r a m e n t v e r w a l t e n könne, und d a n n s a g t : N i h i l enim a d d i t iuris aut potestatis impositio m a n u u m : S e d est d e c l a r a t i o et c o m p r o b a t i o v o c a t i o n i s , de q u a constare necesse est (5, 2 1 1 ) , so k a n n diese A u s s a g e , w i l l m a n nidit einen o f f e n e n G e g e n s a t z zwischen ihr und den anderen Ä u ß e r u n g e n über die benediktionelle B e d e u t u n g der H a n d a u f l e g u n g konstatieren, n u r v o n der H a n d a u f l e g u n g als isoliertem ( v o n d e r V o k a t i o n gelöstem) A k t v e r standen w e r d e n . D i e H a n d a u f l e g u n g ist zuerst d e c l a r a t i o u n d c o m p r o b a t i o v o c a t i o n i s . U n d n u r w o sie das ist, w o sie also in das ganze V o k a t i o n s - und Ordinationsgesche-

23*

355

D a ß Melanchthon die H a n d a u f l e g u n g bei der Ordination nicht nur significativ, sondern audi exhibitiv versteht, w i r d durch seine A u s f ü h rungen in den L o c i v o n 1 5 4 3 ff. bestätigt. D a stellt Melanchthon z w e i traditionelle Bedeutungen der H a n d a u f l e g u n g zustimmend heraus: Sie w a r immer signum dictionis86.

rei destinatele ad cultum

Dei u n d auch signum

bene-

Sie diente also zur Bezeichnung dessen, w a s aus dem p r o f a -

nen Bereich ausgesondert w u r d e z u m Dienste Gottes und als Benediktionsritus. A l s biblische Beispiele d a f ü r f ü h r t Melanchthon an, w i e J a k o b die Söhne Josephs durch H a n d a u f l e g u n g segnet, w i e M o s e J o s u a durch Handauflegung

zum

Führer

des V o l k e s

ordiniert,

wie

Christus

die

K i n d e r durch H a n d a u f l e g u n g segnet und w i e die O p f e r t i e r e durch H a n d auflegung z u m O p f e r ausgesondert wurden 8 7 . In den Opfertieren ist Christus versinnbildet. "Wie den O p f e r t i e r e n die H ä n d e aufgelegt w u r den, so hat der V a t e r C h r i s t o die H ä n d e aufgelegt, d. h. ihn auserwählt (delegit), gesegnet (benedixit), gesalbt (unxit), sich u n t e r w o r f e n ,

ihm

die unsagbare L a s t der Sünden der W e l t aufgelegt u n d ihn f ü r uns z u m O p f e r gemacht 88 . D e r Ritus der H a n d a u f l e g u n g weist v o r allem auf diesen sich f ü r uns opfernden Christus, ist aber dann auf die ministri Evangelii

übertragen w o r d e n

(nämlich in der O r d i n a t i o n ) :

Christus

p o n t i f e x imponit eis m a n u m , id est, deligit eos v o c e Ecclesiae, benedicit eis ac ungit eos donis suis, sicut scriptum est: Ascendit, dat dona hen eingebettet ist, ist sie reale Benediktion und Salbung mit dem heiligen Geist. lus und potestas leiten sich letztlich her aus der Vokation, sie kommen nur normalerweise durdi die Handauflegung in der Ordination an den vocatus heran und werden in dem Akt der comprobatio endgültig verliehen. Die Gaben, die Gott also durch die Handauflegung in der comprobatio vocationis verleiht, sind nicht weitere zusätzliche zu denen, die schon in der rechtmäßigen Vokation beschlossen sind, sondern ebendieselben. Darum die Ausdrücke: nihil aJdit juris aut potestatis imp. man., und vorher: vocatum . . . etiam sine altero ritu imp. man. vere ministrum Evangelii esse. Wo die Vokation in Anbetracht verworrener kirchlicher Verhältnisse in einer Übergangszeit ohne Ordination mit Handauflegung vollzogen worden ist, hat Melanchthon das Zutrauen, daß Gott auch ohne die Handauflegung Vollmacht und Gaben zum Amt gegeben hat. Da hätte eine nachgeholte Ordinationszeremonie mit Handauflegung nur formelle Bedeutung und täte nichts an Recht und Macht hinzu. Das besagt aber keineswegs, daß die Handauflegung nicht da, wo sie recht in dem ganzen Vokationsvorgang angewandt wird, tatsächlich Vollmacht und geistliche Gaben mitteilt. — Auch im Frederschen Ordinationsstreit wurde sowohl in dem Gutachten der Wittenberger Fakultät als auch in dem Dekret der Greifswalder Synode der Handauflegung nur als isoliertem Gestus eine besondere K r a f t des heiligen Geistes (die ex opere operato mitgeteilt würde) abgesprochen, nicht aber ihre Kräftigkeit und Wirksamkeit in der ganzen Handlung geleugnet. Vgl. unten S. 362 f. 366 ff. 88 2 i , 852. ,Signum' ist nicht nur als Demonstrativum, sondern auch als Instrumentale zu fassen. 8 ' 2 1 , 852: Hoc ritu Jacob benedicit filiis Joseph; Hoc ritu Moyses ordinat J o sué . . . Hoc ritu Christus benedicit pueris; Hoc ritu peeudes ordinabantur ad hoc munus, ut fierent victimae. Der Ablativ ,hoc ritu' drückt den instrumentalen Charakter der Handauflegung dabei aus. Vgl. auch j , 2 1 1 . 88 2 i , 852.

356

hominibus, Prophetas, Apostolos, Pastores, Doctores, quos ornat luce doctrinae et aliis donis. Deinde subiicit eos sibi, ut solum Evangelium doceant, solius Christi regno serviant . . . sint etiam victimae, id est, perferant odio, aerumnas et supplicia propter veram doctrinam8'. Melanchthon zählt hier als einzelne Sinngehalte der Handauflegung auf: Aussonderung für Christus, Segnung, Salbung mit geistlichen Gaben, Unterordnung unter Christus, Bereitstellung zum geistlichen Opfer für Christus. Das sind ihm die significationes der Handauflegung. In diesem Sinne ist der Ritus der Handauflegung von den Aposteln und Vätern bei der Ordination aufgenommen worden und wird er auch bei uns bewahrt90. Wir können zusammenfassend feststellen: Der Sinn der Handauflegung ist nach Melanchthon ein significativer und ein benediktioneller. Durch die Handauflegung wird einmal die Approbation der Vokation sichtlich kundgetan, dabei aber handelt Christus selbst durch die Handauflegung an dem Ordinanden, sondert ihn aus zum heiligen Dienst am Evangelium, salbt ihn mit dem heiligen Geist, rüstet ihn aus mit den geistlichen Gaben, die zum Amt erforderlich sind, macht darin sein Amt wirksam, segnet ihn, nimmt ihn in Gehorsam und weiht ihn zum Leiden für das Evangelium. Beide Seiten im Verständnis der Handauflegung gehören bei Melanchthon zusammen, dürfen nicht voneinander getrennt oder gegeneinander ausgespielt werden. In ihrem Zusammenklang ergeben sie den vollen Sinn der Handauflegung, wie Melanchthon ihn sieht".

6. Das ius divinum in der Ordination Wir haben verschiedentlich bereits hervorgehoben, daß für Melanchthon keineswegs nur das ,Daß' der Vokation durch ein ius divinum geregelt ist, sondern durchaus auch (bis zu einem gewissen Grade) das ,Wie', also ein bestimmter Modus des Vokationsvorgangs. Melanchthon zählt zu den de iure divino bestehenden Teilen der Vokation außer der Vokation im engeren Sinn oder Wahl und der explorado doctrinae stets auch: publica vocationis approbatio (testificatio apud Ecclesiam) bzw. publicatio approbationis und precatio"2. Faßt man diese letzteren beiden Elemente in ihrer Verbindung als die gottesdienstliche Ordinationshandlung — wie es eigentlich ja gar nicht anders möglich ist —, so kann man sagen: Für Melanchthon ist die gottesdienstliche Ordinationshandlung β

· Ibid.

»» Ibid.

81

Herrlingers Urteil, die H a n d a u f l e g u n g sei bei Melanchthon „nichts als eine testificatio apud ecclesiam" (a. a. O., S . 2 7 3 ) w i r d darum dem vollen Sachverhalt bei Melanchthon nicht gerecht. »2 7 , 7 4 2 ; 8, 5 9 7 ; i j , 1 3 3 4 f.; 2 i , 8 j o .

357

de iure divino. "Wir stellen diesen Satz zunächst voran, unbeschadet dessen, was weiter darüber zu sagen sein wird. Wie steht es nun mit dem ius divinum innerhalb der durch die beiden Säulen approbatio (testificatio) und precatio getragenen Ordinationshandlung? Melanchthon lehrt, wie wir bereits erwähnten, daß die signa testificationis apud Ecclesiam, also das, wodurch die testificatio bzw. approbatio vocationis öffentlich der Gemeinde kundgetan wird, entweder Worte oder ein Ritus sein können93. Damit deutet er innerhalb der gottesdienstlichen Ordinationshandlung eine Variabilität an, für die das ius divinum Raum läßt. Sie betrifft den Ritus der testificatio, d. h. die Handauf legung9*. Die Handauflegung ist für Melanchthon der traditionelle, gute, in jeder Hinsicht nützliche und zu empfehlende, ja, da, wo er kirchenordnungsmäßig eingeführt ist, auch obligatorische Ordinationsritus. Melanchthon weiß, daß er nicht einfach als späterer, von der Kirche eingeführter Brauch anzusehen, sondern daß er in der Schrift bezeugt ist, im Alten Testament schon95, dann zumal bei den Aposteln, die manuum impositione die Vokation öffentlich erklärt und bestätigt haben96. Die Handauflegung ist also ein apostolischer Ordinationsritus". Mehr noch, es ist auch evident, hunc vetustissimum ritum apostolos pastoribus tradidisse, qui post ipsos ministerio functi sunt, ut Timotheo scribitur: Nemini cito manum imponito"8. Daß die Handauflegung von der apostolischen Zeit an ununterbrochen als Ordinationsritus in der Kirche in Gebrauch gewesen ist, führt sich nach Melanchthon auf die Anordnung der Apostel zurück. Sie ist also für ihn im wörtlichen Sinne eine apostolische Tradition, die nodi durch den tatsächlichen jahrhundertelangen Gebrauch in der ganzen Kirche bestätigt wird99. Nach diesen Feststellungen wäre zu erwarten, daß Melanchthon auch für die Handauflegung ein ius divinum lehren würde100. Im Falle des Examens vor der Ordination, das in den Pastoralbriefen apostolische Anordnung hat, genügt ihm diese, um das ius divinum für es zu lehren. Hier bei der Handauflegung aber reichen ihm apostolisches Beispiel und 83 94 95

7, 7 4 2 ; vgl. 7 4 1 : indicare — seu verbis, seu quocunque signo. Vgl. oben S. 353. 7, 7 4 1 ; 2 1 , 852.

M

7. 7 4 1 · " 7 Ritus apostolicus: 5, 825; 8, 598; 12, 380.

98

7. 74*· 8, 598: credo usitatum fuisse inde usque a primis Patribus . . . ; vgl. auch oben S. 353. — Unter dem Papsttum allerdings war der wahre Sinn wie der Ordination so audi der Handauflegung entstellt: 7, 742; 15, 1 3 3 4 . 100 Indirekt hat er dies m. E. darin auch getan, daß er die Handauflegung in der Ordination ein Sakrament genannt hat (Apol. 13), auch wenn dies nur synekdodiisch gemeint gewesen sein sollte. Die Handauflegung rückt in Apol. 13 jedenfalls in die unmittelbare Nähe eines ius divinum. ,e

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apostolische Anordnung nicht aus, um deutlich ein ius divinum für diesen Ritus zu behaupten. Melanchthon führt sie also nicht unter den de-iure-divino-Bestandteilen der Vokation auf, lehrt vielmehr, daß sie zu den signa mutabilia der testificano oder approbatio vocationis gehört101 und rechnet sie letzten Endes — wenn es um die Bestimmung des de iure divino Notwendigen geht — zu den res non necessariae102. Es könne jemand auch ein vere vocatus et ordinatus sein, qui hoc ritu, scilicet manuum impositione non est usus, und dessen ministerium sei auch so efficax103. Wenn Melanchthon bei solchen Äußerungen auch offensichtlich auf Ausnahmezustände kirchlicher Notzeiten reflektiert — in geordneten kirchlichen Verhältnissen wünscht und fordert Melanchthon die Handauflegung stets —, so muß doch konstatiert werden, daß er ausdrücklich dieselbe von einem strengen ius divinum in der Ordination ausnimmt. Wir müssen uns nun noch eingehender der Frage nach dem ius divinum der gottesdienstlichen Ordinationshandlung selbst bei Melanchthon widmen, nachdem wir über die Frage eines ius divinum der Handauflegung speziell Klarheit gewonnen haben. Um zu einer befriedigenden Antwort zu gelangen, ist es notwendig, einen Blick auf den sog. Frederschen Ordinationsstreit zu werfen, den Melanchthon selbst lebhaft verfolgt und dessen Verlauf und Ausgang er selbst (wie audi die anderen Wittenberger Theologen) mit seinem Urteil entscheidend bestimmt hat104. Wir schalten also einen Exkurs über diese Vorgänge ein. 102 7» 743; 15, 1335· 7. 743; 8. 597; 15.. 1335· 7i 743- Aber ausdrücklich betont Melanchthon, d a ß er das nicht sage, ut ritus aboleatur et fiat ακαταστασία et contemnantur Pastores, qui piae vocationi et inspection! doctrinae hunc ritum addunt, vielmehr nur, damit der Unterschied zwischen dem Notwendigen und Nichtnotwendigen im Auge behalten werde (ibid.). Ebenso äußert sich Melanchthon 5, 2 1 1 in dem Judicium de impositione m a n u u m . Melanchthon beklagt da in dieser Schrift, in der er Veit Dietrich in seinem Streit mit Oslander berät (vgl. d a z u auch j , 187 und T h . Kolde, Zur Geschichte der O r d i n a t i o n u. d. Kirchenzucht, Theol. Stud. u. Krit. 1894, S. 24211.), die disciplinae dissipatio, die bei uns eingerissen sei und sich audi darin zeige, d a ß Oslander sich wohl nicht bewegen ließe, zu dem Ordinationsritus mit H a n d a u f l e g u n g in die Kirche zu kommen. (Oslander hielt die H a n d a u f l e g u n g f ü r nötig, wollte sie aber nur von einem in der successio ordinaria stehenden Bischof vollzogen wissen; vgl. T h . Kolde, a. a. O., S. 243 f., Anm. ι und W . Thomas, a. a. O., S. 22 f.) Melanchthon schreibt: Si hunc morem amat, ut amare eum decet, cur non rénovât? Et instaurari in Ecclesiis frequentioribus certe utile esset, f ä h r t dann aber f o r t : Sed tarnen et hoc dico: Vocatum seu electum voce eorum, penes quos est ius vocationis fungentem ministerio Evangelii, etiam sine altero ritu impositionis manuum, vere ministrum Evangelii esse, posse docere, ac administrare Sacramenta (5, 211), worauf jener Satz folgt, den wir oben S. 355 f., Anm. 85 schon besprochen haben. 101

103

104 Den Frederschen Ordinationsstreit h a t ausführlich beschrieben G. Mohnike, Des Johannes Frederus Leben und geistliche Gesänge, Bd. I und II, beide Stralsund 1837. Wichtige Quellendokumente darüber finden sidi bei Je. H e n r . Balthasar, Erste Sammlung einiger z u r Pommerischen Kirchenhistorie gehörigen Schriften, Greifswald 1723,

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Exkurs:

Der Fredersche

Ordinationsstreit

Magister Joh. Freder wurde im Jahre IJ40 vom Senat der Stadt Hamburg als Lector secundarius und zweiter Pastor an den Hamburger Dom berufen. Superintendent und Pastoren der Stadtkirchen erteilten die Approbation, die Wahl wurde der Gemeinde bekanntgegeben und es wurde von allen Kanzeln für ihn gebetet. Eine spezielle gottesdienstlidie Ordination aber, in der die Approbation der anderen Geistlichen unter Gebet und Handauflegung erteilt wird, unterblieb (wahrscheinlich wegen der verwickelten Verhältnisse am Dom, der noch mit katholischen Domherren besetzt war) 1 0 5 . 1547 wurde Freder vom Rat der Stadt Stralsund als Superintendent dorthin berufen und nahm den Ruf an. Da wurde ihm im Rathause in Gegenwart sämtlicher Prediger der Stadt vom Rat (!) das Amt eines Superintendenten aufgelegt und befohlen. A m folgenden Sonntag wurde das von allen Kanzeln der Stadt kundgetan und für ihn gebetet. Eine Ordination unterblieb wieder, wurde audi in der Folgezeit da nicht an ihm vorgenommen, obwohl der Greifswalder Generalsuperintendent D. Knipstro darauf drang 106 . In Stralsund ordinierte Freder, obwohl selbst also nicht ordiniert, einen neuen Stralsunder Prediger, was die Besorgnis Knipstros stark anwachsen ließ. Im Jahre 1549 entließ der R a t dêr Stadt Stralsund Freder plötzlich aus seinem Amt, weil er die Kanzelpolemik gegen das Interim nicht einstellen wollte. Freder ging darauf nach Greifswald, wo er auf Knipstros Fürsprache hin vom Herzog die Verwaltung einer Professur übertragen bekam. 1550 wurde ihm die Superintend e n t s der Insel Rügen, die bisher auch Knipstro verwaltet hatte, anvertraut. Seit dem Kieler Vergleich von 1543 unterstand Rügen kirchlich der Jurisdiktion des dänischen Bischofs von Roeskilde. Dieser hatte den vom Herzog zu Pommern vorgeschlagenen neuen Superintendenten zu bestätigen. Der Bischof von Roeskilde forderte jedoch, daß Freder persönlich in Kopenhagen erscheinen sollte, um sich Ordination und Konfirmation im Superintendentenamte von Rügen dort erteilen zu lassen, was ihm aber der pommersdie Herzog wiederum verbot 107 . Die Ordination jedoch hätte Freder sich von Knipstro geben lassen können, wenn er das gewollt hätte. Offensichtlich aber lag ihm nichts an ihr. Obwohl selbst immer noch nicht ordiniert, ordinierte Freder nun auch auf Rügen einen jungen Kaplan. Hieraus entspann sich nun ein offener Streit und bald auch eine literarische Kontroverse zwischen Knipstro und ihm. Die Standpunkte der beiden sind folgende: Freder erklärte die Handauflegung für ein Mittelding, das nirgends in der Schrift geboten und darum auch nicht notwendig zum Predigtamt sei, an das auch das Gebet für den Vozierten nicht gebunden sei. Die Handauflegung sei zwar eine alte Zeremonie, aber bringe nur zum Ausdruck, daß das Gebet auf die betreffende Person gehe, habe weiter keine Bedeutung. Auch ein selbst Nichtordinierter könne andere mit Handauflegung ordinieren. Sehe man die Handauflegung als einen notwendigen Bestandteil der Kirchenordnung an, so mache man sie zu einem laqueus conscientiae. Das Charakteristische an Freders Position ist, daß er die gottesdienstliche Ordination mit dem Ritus der Handauflegung identifiziert und in dieser isolierten Schau des Ritus der Handauflegung die Notwendigkeit auch der ganzen speziellen Ordinationshandlung bestreitet 108 . Knipstro dagegen blickt auf die ganze Ordinationshandlung, wie sie nach apostolischem Vorbild allerdings mit Handauflegung geschieht. Diese apostolische Ordinabesonders S. 95 ff. Weitere Literatur zum Frederschen Streit: Th. Kliefoth, Lit. Abhandlungen I, 1854, S. 344 ff.; G. Rietsdiel, Luther und die Ordination, 1889, S. 90 ff.; Artikel „Knipstro" in der R E 3 von G. Kawerau. — Im Rahmen dieser Arbeit kann natürlich nur auf die wichtigsten Vorgänge in dem ganzen Streit eingegangen werden. 105 10e Mohnike I, S. 9 ff. Mohnike I, S. 22 ff. 31 f. 107 108 Mohnike II, S. 4 ff. Mohnike II, S. 12 f.

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tion sei kein Adiaphoron, weder nach der Schrift noch nach der Meinung der Wittenberger Theologen. Zwar habe die Auflegung der H ä n d e im Neuen Testament kein ausdrückliches Gebot f ü r sich (wie die Sakramente), dennoch aber werde da die ganze Ordination zum heiligen Predigtamt bezeugt als Gottes Ordnung. Die Handauflegung und das Gebet seien innig verbunden und dürften nicht voneinander getrennt werden. Die Handauflegung sei mehr als ein bloßes Zeichen, daß das Gebet auf die betreffende Person gerichtet ist. Die Ordination gehöre denen zu, die selbst im Amt stehen (nicht der Obrigkeit), das Annehmen möge wohl auf dem Rathause geschehen, die Ordination aber solle vor der Gemeinde geschehen, die im Namen Jesu Christi versammelt ist, Gottes W o r t zu hören, also gottesdienstlich. N u r die Vokation im engeren Sinne sei Sache der Obrigkeit, die Ordination als gottesdienstliche Handlung sei ausschließlich Sache des geistlichen Amtes. Wenn Freder Melanchthons Satz .Vocatio est re ipsa ordinatio' f ü r sich in Anspruch nehme und für seine Meinung anführe, daß die Ordination als gottesdienstliche H a n d l u n g unnötig sei, so verschweige er aber das folgende in jener Melanchthonstelle, worin Melanchthon ja deutlich sage: die denominatio personae sei noch nicht apostolica ordinatio. Knipstro erklärt zur Notwendigkeit der Ordination mit Handauflegung: „ W i r sagen nicht, daß es ein nothwendig Ding sey selig zu werden, sondern allein zur Erhaltung christlicher Lehrer und Kirchenamts, dieweil es also in der Treptowschen Kirchenordnung verfasset sey"10®. Knipstro macht Freder zum Vorwurf, daß er die Ordination immer noch nicht an sich habe vollziehen lassen, obwohl dazu o f t Gelegenheit gewesen wäre und die Kirchenordnung es vorschreibt, und vor allem, daß er, selbst nodi nicht ordiniert, andere ordiniert habe, obwohl keine N o t dazu getrieben habe. Wie einer, der noch nicht Doktor ist, keinen andern zum Doktor machen könne, so könne auch ein Nichtordinierter keinen andern ordinieren, da er ihm eben das nicht geben könne, was er selbst noch nicht besitzt 110 . Im Verlaufe des Streits wandten sich sowohl der pommersche Herzog als auch Freder selbst an die Wittenberger Fakultät, um deren Gutachten einzuholen. Die Wittenberger entschieden im Sinne Knipstros, rieten dem Herzog, Freder Stillschweigen aufzuerlegen, ermahnten diesen selbst, nunmehr Frieden zu halten und forderten ihn auf, wenn nicht anders nach Wittenberg zu kommen, um sich dort die Ordination erteilen zu lassen. Melanchthon schrieb speziell f ü r die GreifswalÜer Fakultät am 25. Febr. i j j i seine (auch von Bugenhagen durch dessen Unterschrift gebilligte) Sentenza de ordinatione Ecclesiae ministrorum111, aus der wir schon verschiedentlich zitiert haben. Er gibt darin einen kurzen A u f r i ß der ganzen Lehre von Vokation und Ordination, bezeichnet als iuris divini und unbedingt notwendig zum Amte folgende vier Stücke: vocatio, inspectio doctrinae, testificado apud Ecclesiam und precatio, betont stark die kirchliche Ordnung, die eingehalten werden müsse und bejaht die Wiederaufnahme der Ordination mit Handauflegung in der reformatorischen Kirche durch Luther in Wittenberg. Luther habe recht getan, diese publica testificano, quae fit publico ritu, auf die wahre Kirche der reinen Lehre übertragen zu haben. Es sei auch honestum, aliquo publico ritu fieri inchoationem ministerii, et precationem und es bestünden viele piae et gravae causae, diesen publicus ritus beizubehalten 112 . Zur Handauflegung speziell sagt Melanchthon, daß sie ein apostolischer Brauch sei und darum zu recht bei der Ordination angewandt werde, wenn sie audi als spezieller Ordinationsritus austauschbar sei, denn die signa testificationis seien mutabilia. Es könne jemand audi ein vere vocatus et ordinatus sein und wirksam im Amt Mohnike II, S. 24. Zur ganzen Darstellung der Knipstrosdien Position vgl. Mohnike II, S. 10 f., i j f. und 21 ff. 111 CR 7, 740—744. 108

110

112

7> 743· Vgl. audi oben S. 343 f.

36t

stehen, bei dem der Ritus der Handauflegung nicht gebraucht worden ist. Letzteres sage er aber nicht, damit dieser Ritus abgeschafft und die Kirchenordnung, die ihn vorschreibt, mißachtet werde, sondern nur damit man grundsätzlich den Unterschied zwischen dem (göttlich) Notwendigen und Nichtnotwendigen im Auge behalte11®. Faßt man publica testificado und precatio als die gottesdienstliche Ordination, so kann man sagen, daß Melanchthon hier das ius divinum derselben lehrt. (Und es kann wohl kaum zweifelhaft sein, daß Melanchthon mit der testificatio, die iuris divini ist, eben die testificatio, quae jit publico ritu, also die gottesdienstliche Ordination im Auge gehabt hat.) Nur für die Handauflegung als Einzelritus wird die de-iure-divino-Notwendigkeit verneint. Melanchthon stellte sich in diesem Gutachten mit der ihm eigentümlichen Mäßigung auf die Seite Knipstros. Das Gutachten war für Freder immerhin ein klares Wort, daß er die Pommersche Kirchenordnung, die die Ordination mit Handauflegung vorschrieb, zu achten habe und nicht unordiniert amtieren dürfe. Freder jedoch unterwarf sich dem Wittenberger Schiedsspruch nicht, woraufhin vom Herzog seine Ernennung zum Superintendenten der Insel Rügen rückgängig gemacht wurde. Freder ging nun, dem Herzog zum Trotz, doch nach Dänemark zum Bischof von Roeskilde und ließ sich von demselben mit Handauflegung ordinieren und als Superintendenten der Insel Rügen bestätigen. Nach Greifswald zurückgekehrt, führte er seinen literarischen Streit mit Knipstro weiter. Ein durch den Kanzler des Herzogs, Citzevitz, zustande gebrachter Vergleich war nicht von langer Lebensdauer. Es wurde zwar ein Rezeß von Freder und Knipstro unterschrieben, wonach die Ordination mit Gebet und Handauflegung gemäß der Treptowschen Kirchenordnung als „ein christlich nothwendig Stück zur Erhaltung christlicher Lehr- und Kirchenämter" anzusehen sei114, aber Freder brach den Frieden alsbald wieder mit der Herausgabe einer neuen Streitschrift gegen Knipstro, der gegenüber auch Knipstro nun die Antwort nicht schuldig blieb. Schließlich wandte sich der Herzog erneut an die Wittenberger Theologen. Er schickte den Greifswalder Professor der Theologie Jacob Runge im August 1555 nach Wittenberg, der den Wittenbergern Knipstros Buch „Von der Vocation und Ordination etc.", mehrere gedruckte Schriften Freders und die Akten des letzten Vergleichs von Greifswald vorlegen und ihren nochmaligen Entscheid einholen sollte. Die Wittenberger Theologen gaben unter dem 24.9. 1555 ein neues Theologisches Gutachten11*. Es ist unterzeichnet von Bugenhagen, Melanchthon, Joh. Forster, Georg Major, Petr. Prätorius und Paul Eber. Die Hauptverfasser sind jedenfalls wohl Bugenhagen und Melanchthon gewesen. In dem Gutachten wird zuerst Knipstros Buch „Von der Vocation und Ordination etc." ausdrücklich in allen Stücken voll gebilligt und die Betrübnis der Wittenberger über die Fortdauer des Streits ausgedrückt. Freder wird alsdann zum Vorwurf gemacht, daß er Sophisterei treibe, indem er ein Stück aus dem ganzen Vorgang der Vocation und Ordination „herauszwacke", nämlich die Handauflegung (welche als Ceremonie „an ihr selbst nicht nöthig" sei), und aus der Nichtnotwendigkeit derselben die in der Pommerschen Kirchenordnung vorgeschriebene „Ordinatio der Priester" überhaupt in ihrer Notwendigkeit bestreite. Er brauche „fallaciam divisionis" und mache „ein Loch in die Kirchen-Ordnung / mit diesem Schein: Dieweil diese Ceremonia, Hand-auflegen / nicht nöthig sey / so möge ein jeder das ordentliche Ministerium in Kirchen occupiren / er sey verhört oder nicht verhört / approbirt oder nicht approbirt / und in Summa / die Pommerische KirchenOrdnung sey ein Laqueus conscientiae, die unnöthige Dinge nöthig mache. Im Alten Testament sey die Auflegung der Hände nöthig gewesen / im Neuen Testament sey 113 114 115

362

7. 743· Vgl. S. 3J9, Anm. 103. Mohnike II, S. 21. Das Gutachten findet sich im vollen Wortlaut bei Balthasar, p. 98—102.

sie nicht nöthig. Dieses ist von einem Stüde / und allein von der Ceremonia geredt" 1 1 ®. Die Wittenberger wehren sich dagegen, daß man die Handauflegung aus der Ordinationshandlung herausklaubt und von dieser isolierten Zeremonie her argumentiert. „Dieweil denn Frederus diese Geschwindigkeit gefährlich brauchet / sprechen w i r / daß diese Sophisterey unrecht sey: das nöthige mit solchem Schein des unnöthigen zugleich in H a u f f e n stoßen / gute Ordnung zureissen / und diese Unordnung zu stärcken / daß unverhörte Leute / Schleicher und aufrührische Stürmer das ordentliche Ministerium in Kirchen occupiren" 1 1 7 . Für die Wittenberger gehört die Ordination aufs engste mit dem vorangegangenen Examen zusammen, dessen erfolgreiche Durchführung in ihr auch bezeugt und bestätigt wird. Zur Ordination, die als „publicatio und approbatio des Beruffs" bezeichnet w i r d , gehöre nun eine äußerliche Ceremonia, als solche sei ohne Mißbrauch und Mißverstand „ v o n A n f a n g der Welt in den K i r chen" die Handauflegung in Gebrauch gewesen und zu recht in der Pommerschen Kirchenordnung vorgeschrieben. Freder solle sie nicht „einen Laqueum conscientiae nennen / und andere zu Verachtung reitzen" 1 1 8 . Den eigentlichen status controversiae sehen die Wittenberger nicht in der Beurteilung der einen Zeremonie der H a n d a u f legung, sondern in der Frage der Notwendigkeit von Examen und Approbation der Berufung (nämlich in der Ordination) überhaupt. Sie sprechen mehrfach deutlich aus, daß die Handauflegung an sich, als einzelne herausgenommene Zeremonie nicht notwendig sei, verurteilen aber scharf die Meinung, daß darum auch die ganze Ordination mit Examen und öffentlicher Approbatio unnötig und die kirchenordnungsmäßig geübte Handauflegung bei der Ordination ein Gewissensstrick sei. Das Gutachten liegt ganz auf der von Knipstro vertretenen Linie, was sich audi in der vorbehaltlosen Billigung von dessen Buch über die Vocation und Ordination der Kirchendiener ausspricht. Es schließt mit dem Bedenken der Fakultät: Knipstros Buch „ V o n der Vocation und Ordination" solle Freder vorgelegt, ihm solle Stillschweigen auferlegt und er ermahnt werden, dem D. Knipstro Abbitte zu tun. Wenn Freder sich nicht beuge, so sei es Pflicht der Obrigkeit, ihn nicht länger im Lande zu dulden, füge er sich aber und folge dem Spruch der (zu erwartenden) Pommerschen Synode, so möge der Herzog ihm vergeben. Offenbar hatte Jacob Runge den Wittenbergern von der Absicht des Herzogs Mitteilung gemacht, Freders wegen eine Generalsynode der Geistlichen des Landes einzuberufen, die den Streitfall mit ihrem Schiedsspruch endgültig beenden sollte. D a r auf wird im Bedenken des Gutachtens von der Fakultät Bezug genommen. Außerdem schrieb Melanchthon persönlich am i. N o v . 1 5 5 j an Freder und ermahnte ihn, sich der Synode zu unterwerfen 1 1 9 . E r könne das ehrenvoll tun, weil die Gelehrsamkeit, Frömmigkeit und Mäßigung der Männer auf der Synode außer Z w e i f e l stehe. Dieser Brief Melandithons stieß aber bei Freder auf taube Ohren, ebenso auch das Gutachten der Fakultät, wie aus einem späteren Brief Melandithons an Jacob Runge hervorgeht 120 . Freder w a r von vornherein nicht willens, auf den Spruch der Synode zu hören, es sei denn, sie entschied in seinem Sinne, was aber keineswegs zu erwarten stand.

lle

Balthasar p. 99.

117

Balthasar p. 99 f.

118

Balthasar p. 100.

lle

C R 8, 595 f. In dem Brief heißt es: . . . valde dolemus, te tarn acerbe de ritu pugnare, ut nomines laqueum conscientiae, morem, qui servatur in vestris et multis piis Ecclesiis bono Consilio, et sine doctrinae corruptela . . . te propter Ecclesiae et Patriae tranquillitatem amanter oramus, ut omisso ilio tot annorum non necessario bello, te ad consensum vestrae Synodi adiungas . . . , te propter Deum, et propter Ecclesiam, et propter patriam tuam oramus, ne Synodo vestrarum Ecclesiarum adverseris, quae nihil iniustum decernet. 120

8, 723 f. Der Brief datiert vom 2 5 . 3 . ι j56.

363

Melandithons Einstellung zu dem Fredersdien Streit ist audi in einem Brief desselben an Christoph Fischer vom 1. Nov. i j j j enthalten 121 . Darin heißt es: In Pomerania de publico ritu ordinationis, sicut apud nos servatur, magna contentio orta est. Näherhin wird der Kontroverspunkt folgendermaßen gekennzeichnet: M. Joannes Frederus Superintended Ecclesiae Stralsundensis, scripsit: impositionem manuum in sacerdotio Levitico necessariam fuisse; nunc vero esse άδιάφορον et emittendam, ne confirmarentur Adiaphoristae. Alii (damit ist Knipstro vor allem gemeint) sentiunt, vocationem, examen, publicationem approbationis, et precationem, res necessarias et non omittendas esse. Unter der publicatio approbationis und dem Gebet ist die öffentliche Ordinationshandlung zu verstehen, um die es Knipstro ja gerade ging. Die Entscheidung Melandithons lautet: Illud verum esse, quod hie ipse gestus impositionis manuum sit res non necessaria, sicut olim in eo ritu hic gestus fuit, librum Evangelii imponere capiti eius, qui ordinabatur; sed astutia non est probanda, quod hoc praetextu totus mos examinis et approbationis et precationis tollitur, quia hic gestus non sit necessarius. Das wäre das gleiche, als wenn jemand den Gottesdienst überhaupt abtun wollte, weil im Neuen Bunde kein bestimmter Wochentag dafür göttlich vorgeschrieben ist. Discernenda sunt ea, quae sunt necessaria et iuris divini et retinenda sunt, ut vocatio et examen, publicatio approbationis, precatio122. Wenn audi von dem einzelnen Gestus der Handauflegung kein ius divinum ausgesagt werden kann, bleibt doch die unbedingte Notwendigkeit, das ius divinum nicht nur der vocatio, sondern auch des examen, der publicatio approbationis und der precatio bestehen 123 . Man wird diese Stellungnahme nicht anders auslegen können, als daß Melanchthon damit das ius divinum der gottesdienstlichen Ordinationshandlung lehrt. Es steht fest, daß Melanchthons Stellungnahme für Knipstro und gegen Freder erfolgte. Soll die Entscheidung, die er hier in diesem Brief an Chr. Fischer trifft, eben eine Entscheidung für Knipstro und gegen Freders Position sein, so muß unter publicatio approbationis und precatio die gottesdienstliche Ordination, also der publiais ritus ordinationis, zu verstehen sein. Es war ja nicht das der Mangel bei Freder, daß überhaupt keine publicatio approbatio bei ihm geschehen war, bzw. überhaupt keine precatio! Sowohl in Hamburg als auch in Stralsund war ja seine Berufung und auch eine Approbation durch die Stadtgeistlichkeit von den Kanzeln der Stadt veröffentlicht und es war von den Kanzeln für ihn gebetet worden! Also eine publicatio approbationis und ein Gebet war durchaus audi bei seiner Vokation erfolgt, eben nur nicht die publicatio approbationis und die precatio, die in einem publicus ritus ordinationis (mit Handauflegung) geschieht. Der Mangel an Freder betraf die gottesdienstlidie Ordination. Diese forderte Knipstro und um deren Notwendigkeit kämpfte er. Und die Notwendigkeit dieser gottesdienstlichen Ordination will Melanchthon hier aussagen, wenn er (gegen Freder!) Notwendigkeit und ius divinum der publicatio approbationis und der precatio lehrt. Es bleibt gar keine andere Möglichkeit der Interpretation. Nun muß allerdings beachtet werden, daß Melanchthon bei der Behauptung des ius divinum für die gottesdienstlidie Ordination mit approbatio und precatio an Ecclesiae constitutae denkt, wie Pommern eine war, also an geordnete Kirchenwesen, in denen eine inspectio besteht. Das geht nämlich aus dem weiteren Text jenes Briefes an Christoph Fischer hervor. Melanchthon geht da auf eine Frage seines Adressaten ein, was mit den ministri geschehen solle, die in der turbulenten Übergangszeit vom Papsttum zu einem geordneten evangelischen Kirdienwesen, also in einer Zeit, da m 122 8. $97 f. », 597· 123 Melanchthon unterscheidet in dieser Stellungnahme ,ritus' (womit er die ganze öffentliche Ordinationshandlung meint: in eo ritu hic gestus fuit . . . ) und ,gestus' (womit die einzelnen äußeren Ordinationszeidien wie die Handauflegung z. B. gemeint sind). Was von dem gestus nicht ausgesagt werden kann, nämlich die de-iuredivino-Notwendigkeit, das gilt doch von dem ganzen ritus.

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keine feste kirchliche Ordnung vorhanden war und die als Kampf- und Notzeit anzusehen ist, ins Amt berufen wurden, ohne daß eine eigentliche Ordinationshandlung an ihnen vorgenommen worden wäre, und das Amt bis jetzt ausgeübt haben 124 . Melanchthons Antwort auf diese Frage lautet folgendermaßen: Si sint idonei, i. e. si recte docent, valet eorum ministerium, et non sunt cogendi ad recipiendum publicum ritum ordinationis, ne adducantur Ecclesiae in dubitationem, de eorum ministerio. T u modo consideres, qui sint idonei, qui recte doceant, et non vivant in manifesta turpitudine. Illos vero, qui non recte docent, et quorum mores sunt turpes, necesse est, removeri a ministerio propter hanc ipsam causam, quia non recte docent et turpiter vivunt 1 2 5 . Sogleich aber fährt er fort: Sed cum Ecclesiae ves trae iam habeant inspectionem, deinceps nullus admittatur sine examine et publica approbatione. Et hanc fieri decet usitato ritu, qui etiam fuit usitatus Apostolis, et deinceps veteri Ecclesiae. Imo credo usitatum fuisse inde usque a primis Patribus, et hic ritus sine superstitione servari potest 126 . Hatte Melanchthon das ius divinum für vocatio, examen, publicatio approbations und precatio behauptet, worin das ius divinum der gottesdienstlichen Ordinationshandlung eingeschlossen ist, so wollte er das göttliche Recht der letzteren offenbar nicht so verstanden wissen, daß es nicht in Zeiten außerordentlicher Not und allgemeiner kirchlicher Verwirrung davon Dispens geben könne und daß Gott sich unter solchen Umständen nicht auch zu einem Diener bekennen könne, der nur vocatus et iudicio vocantium approbatus, nicht aber publico ritu ordinatus ist und des Amtes recht waltet. Wenn Melanchthon dafür eintritt, daß in solchem Falle ein recht lehrender und ehrbar lebender Diener nicht gezwungen werden solle ad recipiendum publicum ritum ordinationis, so ist er dabei weniger von dem dogmatischen Motiv einer Nichtnotwendigkeit der öffentlichen Ordinationshandlung als von dem seelsorgerlichen Motiv bestimmt, ne adducantur Ecclesiae in dubitationem de eorum ministerio. Das übergeordnete Interesse Melanchthons ist dieses, daß nicht durch Nachholung des öffentlichen Ordinationsritus Verwirrung in den Gemeinden entsteht, etwa Zweifel an K r a f t und Gültigkeit des evangelischen ministerium überhaupt bzw. der von unordinierten (aber berufenen) Dienern bisher gespendeten Sakramente. Solche Meinungen, solche Unsicherheit soll auf keinen Fall in den Gemeinden entstehen. Wenn auch in solchen Ausnahme- und Notzuständen das göttliche Recht des publicus ritus ordinationis ruhen kann, so hat es doch Geltung für geordnete Kirchenwesen. Wo inspectio eingerichtet ist, d. h. wo die Kirche sich im Normalzustand befindet, da soll niemand ohne Examen und publica approbatio ( = öffentlicher Ordination) ins Amt gelassen werden. Und dabei ist es gut und sdbicklidi, den uralten und unverfänglichen Ritus der Handauflegung anzuwenden. Im Falle Freders, in Pommern, handelte es sich um ein geordnetes Kirchenwesen, darum verlangte Melanchthon, daß Freder sich ordinieren ließe. Melanchthon mußte ihm auch theologisch entgegentreten, weil Freder die Notwendigkeit der gottesdienstlichen Ordination überhaupt, auch in geordneten Kirchentümern, bestritt. Aus dem Brief an Christoph Fischer geht alles in allem deutlich hervor, daß Melanchthon Knipstros Position auch als die seine ansah. Als alle Belehrung und Ermahnung der Wittenberger bei Freder doch nichts fruchtete und dieser mit seiner Verketzerung Knipstros weiter fortfuhr, berief der Herzog auf den 6. Februar 1556 eine Generalsynode der Pommerschen Geistlichen nach Greifswald ein, die den Streitfall endgültig beilegen sollte 127 . Sowohl Knipstro als audi 121 8, 597: . . . cum illi, qui nunc sunt in ministerio, sint vocati, et iudicio vocantium approbati, etiamsi non accessit publicus ritus ordinationis . . . 125

126 ». 5978, $97 iDie Synode setzte sich zusammen aus 20 Stadtgeistlichen aus Knipstros Diözese und 20 Rügenschen Pastoren, sowie den Professoren der Greifswalder Theol. Fakultät. Im Präsidium saßen außer dem Kanzler des Herzogs, Citzevitz, mit seinen juristischen Beiräten der Stettiner Gen. sup. Paul v. Rhoda und drei andere hervorragende Geistliche. 127

14 791$ Lieberg, Amt

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Freder waren vor die Synode geladen. Freder jedoch erschien nicht, reiste statt dessen nach Stralsund und bedachte von dort aus die Synode mit Briefen, in deren einem allein 200 angebliche „Unwahrheiten" Knipstros aufgetischt waren. Als die Synode diese Anklagen in genaueren Augenschein nahm, blieben allerdings nur einige wenige Punkte übrig, in denen man Knipstro besonders zu befragen noch für nötig befand. Unter diesen ist in unserem Zusammenhang die Frage von Interesse, ob Knipstro der Handauflegung eine besondere ενέργεια zuschreibe, „als ob, wie durdi ein opus operatum, der heilige Geist dadurch mitgetheilt werde" 1 8 8 . Knipstro erwiderte darauf: „ E r habe nie von der Handauflegung allein, sondern von der ganzen apostolischen Ordination gesprochen, diese empfehle er, habe sie empfohlen und werde sie empfehlen, solange er athme . . . Sie habe die herrlichen Zeugnisse der Schrift, und den apostolischen Gebrauch für sich, Paulus und Titus hätten sie gebraucht" 1 **. Knipstro wollte also offensichtlich nur einem isolierten Gestus der Handauflegung als opus operatum, als Handlung an sich, die Mitteilung des hl. Geistes absprechen, nicht aber der innerhalb der ganzen apostolischen Ordination gebrauchten. Die Synode w a r in diesem Punkte damit zufriedengestellt. Welche konkreten Ergebnisse zeitigten nun die Synodalverhandlungen? Das haben wir den beiden Dokumenten zu entnehmen, in denen der Synodalentscheid schriftlich fixiert wurde 1 3 0 . Die 1. Sentenz ist eine ausgeführte Lehrerklärung über die Ordination. Im Vorspruch werden die Grundbestimmungen über die Ordination gleich deutlich ausgesprochen, ihre Notwendigkeit zur Erhaltung des Amtes und zum Führen des Amts, ihre grundsätzliche Untersdiiedenheit von der bloßen Vokation, ihre Bestandteile (Examen und publicatio des Berufs durch Gottes Wort, Handauflegung und Gebet) und ihr Charakter als Funktion des geistlichen Amtes, das allein zu ordinieren habe. „Bekennet derowegen der Synodus, daß die Priester-Ordination, die nach unser Pommerschen Kirchenordnung mit dem Gebet und Auflegung der Hände geschieht / Christlich / gut und heilsam ist / und in diesen Landen zu Erhaltung des ordentlichen Ministerii, und zu rechtmäßiger Bestellung der Kirchen-Aemter nothwendig muß erhalten werden. Daß auch die Obrigkeit und Kirchen-Diener von Gottes wegen nach ihrem Ampt schuldig seyn / getreulich darob zu halten / und der Unordnung zu wehren / Und daß niemand in diesen Pommerschen Kirdien / so ihre gewisse Kirchen-Ordnung haben und gebraudien / das öffentliche Kirchen-Ampt annehmen oder gebraudien solle / er sey dann zuvor rechtmäßig nach der Apostolischen Weise mit dem Gebet und Auflegung der Hände von der Priesterschaft ordiniret. — Es ist auch offenbar / daß Unterschied ist zwischen der Vokation oder Election der Personen / welches geschieht durch Christliche Obrigkeit oder ander dazu verordent / mit Rath und Vulbort ( = Bewilligung) der andern Pfarr-Herrn / und zwischen der Ordination, die von der Priesterschafft geschidit / und begreifft Examen von Lehr und Leben / und publication des Berufs / welche geschieht in diesen Kirdien mit Gebet und Handaufilegen / und mit Verlesung der Gebot und Verheissungen Gottes vom PredigtAmpt" 1 3 1 . Man beachte in dieser zusammenfassenden Rahmenbestimmung, wie deutlich die eigentliche Ordination von der Vokation im engeren Sinne (der Berufung durch die christliche Obrigkeit o. a.) abgehoben und ihr Vollzug der „Priestersdiafft" zugewiesen wird, sowie auch, daß bei der vorausgehenden Vokation durch die Obrigkeit oder andere Personen „Rath und Vulbort der andern Pfarr-Herrn" vorausgesetzt wird. Der ganze Vorgang der Einsetzung einer Person ins geistliche Amt ruht hiernach in den verantwortlichen Händen des geistlichen Amtes selbst, wenngleich daran audi Personen aus der Gemeinde mitwirken.

128

Mohnike II, S. 30.

130

Der Wortlaut bei Balthasar, p. 106 ff.

131

p. 107 f.

366

Ebda.

Es geht der Synode in ihrem Dekret darum, klarzustellen, daß die Ordination mit Handauflegung, wie sie in Pommern geübt wird, „Christlich / gut / nütze / beilsam / und umb folgender Ursachen in unsern Pommerischen Kirchen nöthig ist" 1 5 2 . Dafür werden nun vier Ursachen angeführt. Erstens beruft man sich auf die von Bugenhagen verfaßte, von Luther gebilligte und allgemein anerkannte Treptowsche Kirchenordnung von 1534: „ I n derselbigen Kirchen-Ordnung stehet hell und klar diese Constitution, daß ein jeder / der in das Kirchen-Ampt treten wil / nach vorhergehendem Beruff und Examen soll ordiniret werden vom ordinario superattendente mit Gebet und Auflegung der Hände" 1 3 3 . Zur Rechtfertigung dieser Konstitution wird auf die altkirchliche Ordination und Luthers Wittenberger Ordination verwiesen: „ N u n ist unwidersprechlich / daß diese Weise gehalten und gebraucht ist in primitiva Ecclesia, wie die Kirchen-Historie und Acta Niceni Concilii erweisen / auch hat Lutherus, da die gottlosen Bischöffe unser Kirchen Diener nicht ordiniren wolten / diese Apostolische Weise unter uns angerichtet / gereiniget / gebrauchet und auch den Böhmen zu brauchen gerathen. Wie sie dann auch einträchtiglich ohn alle Disputation und unnöthiges Gezänck zu Wittenberg / und in den Sächsischen / auch viel anderen Kirchen gehalten wird . . . aus welchen allen klar ist / daß gedachte Ordination nicht unchristlich ist" 1 3 4 . Auf Grund dieser Tatsachen der kirchlichen Tradition schon kommt die Synode zu dem Satz, „daß solche Weise und gute Ordnung nicht ohn schädliche Zerrüttung und gefährliche Aergerniß in diesen Kirchen von jemand / ungeachtet die Person / kan geschwächet / verändert / oder als frey gemacht und aufgehoben werden" 1 3 5 . Im zweiten Punkt tritt man der biblisdien Begründung näher. Zunächst wird die Ordination als „die rechtmäßige ordentliche Approbatio und Publicatio des Beruffs / damit die Vocation, so die Person tüchtig befunden ist / bestätiget und erklärt wird" 1 3 6 definiert. Sie geschehe in der Pommerschen Kirche „nach Gebrauch der Apostel und unser Kirchen-Ordnung und allgemeiner Kirchen Exempel / ohn alle Superstition mit dem Gebet und Auflegung der Hände / dabey verlesen werden Gottes Gebot und tröstliche Verheissung vom Predig-Ampt / von Lehre / Leben und Ampt der Diener" 1 3 7 . Durch solche Ordination werde „das Kirchen-Ampt den Beruffenen ordentlich befohlen / und werden vergewissert / beyde die Kirche / und der also rechtmäßig ordiniret und instituiret ist / daß Gott durch seine Stimm und Ampt wil kräfftig seyn" 1 3 8 . Daß nun solche Ordination und überhaupt das ius vocandi et ordinandi ministros auf Gottes Befehl beruht und darum auch von der lutherischen Kirche für sich in Anspruch genommen werden kann und muß, wird mit Tit. 1, 5 und 2. Tim. 2, 2 biblisch belegt, ferner wird die biblische Wurzel auch der Handauflegung hervorgehoben. „Die Ceremonia für sich hat audi in der Schrifft klare Zeugniß. Die Apostel haben das Hand-auflegen in der Einsetzung der Kirdien-Diener ihren Jüngern zu brauchen tradirt und gelehret / wie Paulus zu Timotheo spricht: lege niemand bald die Hände auf / das ist / ordinire niemands sine judicio zum Kirdien-Ampt . . . Darumb ist auch der Ritus an sich Christlich / löblich / herrlich / nütze und kein Laqueus Conscientiae, und erinnert alle gottselige von tröstlichen hohen D i n g e n " 1 " . Im akuten Notstand wird die Handauflegung aber als entbehrlich bezeichnet: „Gleichwol sagen wir / daß die Ceremonia Hand-auflegen für sich in vero casu necessitatis, extra Ecclesias constitutas, sey libera 8c mutstbilis, als wann einer unter gottlosen Bisdiöffen / oder sonst irgends wäre / da keine Kirchen-Ordnung ist. Und obschon das Hand-auflegen insonderheit in der Sdirifft keinen ausdrücklichen und allweg verbindlichen Befehl hätte: Dennodi / weil impositio manuum in der Schrifft bezeugt Í und in der Kirchen von Anfang der Welt in vielen Gottseligen Wercken / voraus aber zu der Priester-Weihe gebrauchet / und in unser Pommersche Kirchen-Ordnung

136

24·

P- 108. p. 109 f.

133 137

p. 108. p. n o .

»« p. 108 f. Ibid.

138

135 138

p. 10 Ibid. 36.7

expresse gesetzet ist: so soll sie in unsern und andern Christlichen Kirchen / da sie im Brauch ist / nicht abgethan / oder nadi eines jeden adfect unterlassen oder disputirlidi gemacht werden. Also halten wir sie auch ohn alle Superstition in der PriesterOrdnung" 140 . Die Bezeugung in der Schrift und die Belegung in der allgemeinen kirchlichen Tradition sind der Synode Grund genug, die Handauflegung nidit einfach als adiaphorisch anzusehen. Hierbei aber wird betont, daß dies alles von der Handauflegung nicht als isoliertem Gestus gesagt werde: „. . . und geben ihr allein ex opere operato keine Krafft des heiligen Geistes" 141 . Es gilt von der in den ganzen Ritus der Ordination eingebetteten Handauflegung: „Man soll die Auflegung der Hände nicht bloß für sidi ansehen / sondern gedencken / daß damit der Beruffene in sein Ampt vollkommen instituiret und eingesetzet wird" 142 . Auf Grund dieser Überlegungen trifft die Synode die Feststellung: „Und wenn einer ohne Ordination und ohn auflegen der Hände in das Ampt getreten wäre / und die geschehende Unordnung wolte damit verthädigen / daß das Hand-auflegen nichtig / unkräfftig / unnöthig / ein Mittel-Ding und ein Laqueus Conscientiae sey / der richtet allhie Unordnung an / und machet mit dem Sdiein einen Ingang zu Zerrüttung unser KirdienOrdnung / daher grosse Unrichtigkeit und Zerstörung des Kirchen-Ampts erfolgen wird. Darumb spricht der Synodus, daß man niemand allhie in Pommern gestatten soll / wider unser Kirchen-Ordnung und wider die Priester-Ordination, die bey uns im Brauche ist / mit so gesuchtem Schein disputiren" 143 . Im dritten Punkt wird die göttliche Wirksamkeit in der Ordination mit Handauflegung hervorgehoben. „Dazu ist Gott bey unser Christlichen Apostolischen Ordination gegenwärtig / und ist auch kräfftig durch derer Stimm / die von unsern Kirchen beruffen und dergestalt ordiniret und eingesetzet seyn / welche sidi können trösten der ewigen und zeitlichen Verheissung / die Gott vom Predig-Ampt verkündiget" 144 , wonach verschiedene Schriftstellen dafür angeführt werden, u. a. Joh. 20, 21 ff. und ι. Tim. 4, 14. Zu letzterer Stelle heißt es: „Und Paulus sagt / Timotheus habe durdi Auflegung der Hände der Aeltesten eine Gabe empfangen. Da redet Paulus nicht von einer sonderlichen krafft des blossen (— man beachte dieses Wort! —) Hand-auflegen / sondern sagt / daß Timotheo mit rechtmäßiger Ordination das Kirchen-Ampt / als ein groß Pfund und Beylage befohlen sey / mit der Verheissung / Gott wolle ihm mit seinem Geist beyständig seyn und helffen" 145 . Die Gabe des heiligen Geistes bei der Handauflegung wird nicht negiert, aber auch nicht isoliert auf die Handauflegung, sondern auf die ganze Ordination zurückgeführt. Die Synode sieht in der Ordination mit Handauflegung die Verheißung gegeben, daß Gott durch das Amt des Ordinierten wirksam sein wolle und versteht von daher auch die Bezeichnung .Sakrament', die der Ordination hin und wieder beigelegt worden ist, wobei die Ordination natürlich von den die Sündenvergebung bringenden Sakramenten abgehoben werden müsse146. Der heilige Geist sei durdi das Wort und Amt des Ordinierten audi dann kräftig, „wann der Diener an seiner Person gleich gottlos ist" 147 . Viertens schließlich wird für die Ordination das Motiv der Erhaltung der Kirchendisziplin und der Rechtgläubigkeit der Kirche geltend gemacht. Die Ordination gilt der Synode als „das fürnemste Mittel . . . / dadurch Ecclesiastica Disciplina, Gehorsam / gute Ordnung und Ruhe unter den Kirchen-Dienern erhalten / und durdi das Examen aller falscher und fremder Lehre gewehret wird. Dann wann dieselbige geschwächet / verachtet oder abgethan ist / so muß ein wild / wüst / unordentlich Wesen im Predig-Ampt einreissen / daß Schleidler / aufrührisdie / untüchtige / unverhörte / vermessene Leute werden die Aempter zu sich reissen / und wird grosser Jammer in Kirdien und Regiment folgen. Audi würde der gemeine Hauffe treue Lehrer ihres Gefallens ausstossen / und andere nach der Lust / da ihnen die Ohren 141 145

368

Ibid. Ibid.

14!

143

14

147

Ibid. ® p. 1 1 2 f.

p. i n f . p. 1 1 3 .

nach jucken / aufstellen / wie Paulus sagt e. Tim. 4. Und endlich wird das Ministerium unter den Kirchen-Dienern ein wilder Hauffe werden unartiger Leute / deren keiner den andern hören wolt" 148 . In der Conclusio nun wird das Facit aus all diesen Überlegungen gezogen. „Aus erzehlten Ursachen . . . ist klar und unwidersprechlidi / daß der / so unordinirt allhie in Pommern des Kirchen-Ampts allein auf Vocation der Obrigkeit sich annimmt / und die Kirchen-Aempter ohn gedachte Apostolische Ordination zu verwalten sich unterstehet / unrecht thut . . . Vielmehr aber sündiget der / und thut unbedächtig / der die Unordnung / wenn er unordinirt allhie sein Ampt hätte verwaltet / noch halsstarrig wil verthädigen mit der ungründlichen gefährlichen Disputation von Handauflegen / damit die gantze Priester-Ordination verkleinert und in Zweifel geführet wird" 14 ®. Ausdrücklich wird der eigentliche Streitpunkt noch einmal angezogen: Es dürfe nicht gesagt werden, daß „der von der Obrigkeit rechtmäßig vociret ist / genugsam ordiniret sey / wenn nur von der Cantzel für ihn gebetet ist: Dann wir haben droben gesagt / daß die Vocatio vel Electio Personae unterschieden muß werden von der Ordination. Die Vocation der Obrigkeit / wenn sie gleich mit Rath der Prediger geschieht / ist sie dodi nicht genug zu rechtmäßiger Insetzung: sondern es gehöret dazu / laut unser Kirchen-Ordnung / Praesentatio, Examen, Publicatio vocationis, quae in his Ecclesiis fit oratione & impositione manuum, damit der Beruffene rechtmäßig / ordentlich und vollkommen in sein Kirchen-Ampt instituiret und bestätigt wird" 160 . Die Synode bekennt sich zu der allgemeinen Regel (nach Luther): „Allenthalben da die Kirdie Christi ist / da muß auch seyn rechtmäßige Vocation und Ordination zum Predig-Ampt" 151 . Die Sentenz schließt mit der Mahnung: „ . . . und sollen alle guthertzige / redliche / Christliche Hertzen die Ordination mit grossem Fleiß erhalten / ehren und preisen" 152 . Überschaut man die Formulierungen des Dekrets, so wird an vielen Stellen deutlich, wie hier Melanchthons Theologie Pate gestanden hat. Es kann jedenfalls nicht bezweifelt werden, daß Melanchthon mit dieser Lehrdarstellung der Synode voll einverstanden gewesen ist. Man muß sich vor Augen halten, daß Jacob Runge, der auf der Synode der führende Theologe gewesen ist, kurz vorher lange mit Melanchthon zusammen gewesen ist und mit ihm in der Lehre von der Ordination völlig einig war, ferner, daß Melanchthon ja (wie überhaupt die Wittenberger Fakultät) Knipstros Buch „Von der Vocation und Ordination", dessen Gedanken in dem Lehrdekret der Synode ziemlich genau wiederkehren, in allen Stücken ausdrücklich gebilligt hatte. Es gibt keinen Grund, in Frage zu stellen, daß die Ausführungen des Dekrets ganz in Melanchthons Sinne sind 153 . 148

14i 150 151 152 p. 113 f. p. 114. p. H J . p. 114. p. 1 1 5 f. Man vgl. auch den nach der Greifswalder Synode (am 25. 3. 56) geschriebenen Brief Melanchthons an Jacob Runge CR 8, 723 f. — Auch G. Rietschel (Luther u. d. Ordination, S. 94) stellt fest, daß der Synode die Wittenberger Lehrdarlegungen zugrunde lagen. Allerdings können wir Rietschel dann darin nicht folgen, daß „in der Lehre selbst . . . zwischen den Wittenbergern und Freder durchaus kein Unterschied" gewesen sei (a. a. O., S. 94). Das trifft nur auf den Satz zu, daß die Handauflegung als solche nicht göttlich vorgeschrieben sei, aber nicht auf die Gesamtlehre von der Ordination. Der Fehler in Rietschels Auffassung liegt darin, daß er das von Melanchthon gelehrte ius divinum des examen, der publicatio approbationis und der precatio bei der Vokation einfach als das ius divinum kirchlicher Ordnung faßt, während Melanchthon damit durchaus bestimmte einzelne Akte meinte. Freders Abweichung bestand nicht einfach darin, daß er die Ordnung mißaditete, sondern daß er die Ordination als besondere Handlung für unnötig erklärte. — Auch W. Thomas' Stellungnahme zum Frederschen Streit (a. a. O., S. 23, Anm. 1) bleibt, weil einseitig das Examen betonend, unbefriedigend. 153

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Die 2. Sentenz der Synode enthält das spezielle Urteil über den Streit Knipstro— Frederlu. Es wird darin zunächst ausdrücklich Knipstros Budi „Von der Vocation und Ordination der Kirchendiener" approbiert. Die Schuld an dem ganzen Streit wird Freder aufgelegt: „Und weil Frederus unordinirt in sein Kirchen-Ampt getreten / und zweymahl andere ohn alle Noth / da es auch sein Ampt nicht forderte / vermessentlich hat ordinirt / und zwo Scripta ad defensionem facti geschrieben / hat er Ursach zu dieser ärgerlichen Zwytracht gegeben" 155 . Zu Knipstros Lehre wird folgendes erwähnt: „Es ist klar . . . , daß Doctor Knipstro allwege disputirt de tota Ordinatione usitata in his Ecclesiis, und redet deutlich de Ecclesia constitute, daß sie da nicht freywillkührlich sey. Item, daß er nicht disputirt de nuda & sola impositione Manuum, neque de eius virtute & efficacia, noch daß er ihr einige K r a f f t zueigne / oder sie einen Laqueum conscientiae madie" 15 ". Freders Lehrabweichung wird folgendermaßen festgestellt: „ E r disputirt von dem einigen Stücklein Hand-auflegen / weil es für sich kein nöthig Gebot hat / wider die gantze Apostolische Ordination, die publice in diesen Kirchen gebraucht wird / und streitet / daß dieselbige unnöthig sey / ein Adiaphoron / das ist / frey willkührlidi sey. Item, er streitet / daß der / so von der Obrigkeit rechtmäßig vocirt / genugsam ordiniret ist / so allein von der Cantzel für ihn Gebet geschieht"157. Nebenbei wird ihm audi Entstellung der wahren Meinung Luthers, Bugenhagens, Melanchthons vorgeworfen, indem er nur die Stellen bei ihnen anführe, die vom Mißbrauch der Handauflegung reden, von jenen aber schweige, „so von der gantzen Christlichen Ordination ex professo reden" 158 . „Aus allen diesen Gründen, und weil er auf wiederholte Ladung und Bitte nicht erschienen sey . . . , erkenne der Synodus ihn, den Magister Johann Freder für schuldig und contumax; den Ehrwürdigen und Hochgelahrten Doctor Johann Knipstro aber erkläre er für einen christlichen treuen Hirten und Diener des Kirchenamtes, welcher in Allem nur seine Schuldigkeit gethan, der Unordnung billig gewehret und widerstrebt, auch dem Synodus in Allem, worin er befragt worden, genug gethan habe" 159 . — Mit diesem Entscheid der Greifswalder Synode von 1556 war der Streitfall Freder in Pommern endgültig erledigt und hatte Knipstro schließlich einen vollen Sieg errungen. Freder konnte sich danach in Greifswald nicht länger halten und verließ noch im selben Jahre Pommern, um in Wismar ein Superintendentenamt zu übernehmen, wo er bald darauf starb. A u s dem Frederschen Ordinationsstreit und der Stellungnahme M e l a n chthons in demselben ergibt sich, daß Melanchthon ein ius divinum w e n n auch nicht der H a n d a u f l e g u n g speziell, so dodi — dienstlichen Ordinationshandlung



der gottes-

(publicatio approbationis und

pre-

cario) lehrt, das ihm aber nur in bezug auf geordnete Kirchenwesen (ecclesiae constitutae) in G e l t u n g steht und in außerordentlichen kirchlichen K a m p f - und N o t z e i t e n ruht. Von einem ausgesprochenen kirchlichen Notstand handelt auch ein Gutaòten, das Melanchthon 1536 für einen Doktor der Theologie Jacob Schenck ausarbeitete, der an die Kirche zu Freiberg ordentlich berufen war und dort amtierte, sich aber wegen des Mangels einer bischöflichen Weihe zu verteidigen hatte: An Concionator Evang. 154 Decretum secundum de Controversiis inter Doctorem Knipstrovium et Magistrum Frederum, Balthasar p. 1 1 6 — 1 2 7 . 155 p. 1 1 7 . 156 p. 118. Man beachte hierbei, daß diese Meinung Knipstros nur von der nuda & sola impositio manuum gelten soll, nicht von der in der tota Ordinatio recht angewandten. 157 158 15t p. 1 1 9 f. p. 120. Mohnike II, S. 33.

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petere debeat inaugurationem ab Episcopo 160 . Darin nimmt Melanchthon folgendermaßen Stellung: Wenn die Bisdiöfe Irrlehrer werden und Unrechte Eide von den Ordinanden verlangen, brauche man sie nicht hinzuzuziehen. Die Vokation sei nötig, sie stehe der Obrigkeit und der betreffenden Gemeinde zu, wo der Prediger seinen Dienst tun soll. Die altkirchliche Ordinationspraxis besage, daß der aus der Nachbarschaft herangezogene Bischof seine Stimme geben muß, „damit der gewählte ein Zeugniß seiner Lahr hätte, wie auch Paulus Befehl thut dem T i t o " 1 6 1 . Außer der Vokation gehöre ein Zeugnis der Lehre durch andere ministri zur rechten Berufung zum Predigtamt. Dies alles sei bei diesem Jac. Sehende vorhanden: er ist rechtmäßig berufen von der Kirche zu Freiberg und er hat ein solches Zeugnis der Lehre „durch den gradum, welchen ich öffentlich von denjenigen empfangen, welche im Predigamte sind, und nichts anders, denn reine christliche Lahr nach Verstand der rechten und katholiken Kirchen Christi lehren und predigen" 162 . Eine eigentliche Ordination in gottesdienstlicher Form hatte jener D. Schenck nicht empfangen, aber ein testimonium der Lehrbefähigung durch andere ministri verbi hatte er durdi seine Doktorpromotion. In der Notlage, daß die Bischöfe als Ordinationsinstanzen ausfallen und eine evangelische inspectio noch nicht eingerichtet ist, gilt hier die Doktorpromotion gewissermaßen als Ordinationsersatz. „Aus diesem allen ist klar, daß ich keine weitere oder andre Weihe von Bischoffen bedarf. Denn ich bin ordentlich berufen, und mache nicht gefährliche Conventícula, und habe meiner Lahr gute Zeugnisse" 163 . Melanchthon will damit aber offensichtlich eben nur einen Notzustand rechtfertigen.

Nun liegt uns aber noch eine Äußerung Melanchthons aus dem Jahre I J 4 9 vor, die sich in diesen so gefügten Rahmen eigentlich nicht einordnen Iäßt. Die Hamburger Geistlichkeit hatte im Zusammenhang mit den interimistischen Streitigkeiten eine Anfrage wegen der Adiaphora an Melanchthon gerichtet164, worin sie zu den wahren Adiaphora audi rechnet: iusta ordinatione ad sacra officia electos et vocatos admitti 1 " 5 . In seiner Antwort zählt Melanchthon gleich ihnen zu den wahren Adiaphora, quae et antiquissima Ecclesiae instituit, et ad concinnum ordinem, et ad docendos seu commonefaciendos rudiores conducunt, die publica ordinatio ad ministerium Evangelicum und stellt diese auf eine Stufe z.B. mit dem ordo festorum und lectionum, der Trauung und dem kirchlichen Begräbnis usw.180. Wenn Melanchthon hier die publica ordinatio ad ministerium Evangelicum ein Adiaphoron nennt und sie ausdrücklich auf die Einrichtung durch die antiquissima Ecclesia (also wohl die Kirche in der apostolischen Zeit) zurückführt, so nimmt er kein ius divinum für sie an. Sie gehört ihm hiernach wohl zu den vetusti mores congruentes cum Ecclesia Dei inde usque a primis patribus 1 " 7 , aber ist ihm keine direkt göttliche Einrichtung. Wollte man nun diese Äußerung als eine eindeutige Stellungnahme der Auslegung der übrigen Äußerungen Melanchthons zur gleichen Sache, zumal derjenigen, in denen Melanchthon von einem ius divinum der publica approbatio und precatio spricht, zugrunde legen, so müßte 160

161 162 163 C R 3, 182—185. 3, 184. 3, 184 f. 3, 185. Die Hamburger Anfrage und Melanchthons Antwort vom 16. April 1549 steht C R 7, 366—386. 1,6 166 167 7. 373· 7. 3 8 3· 7. 3 84· 1,4

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man bei ihm zwischen publica approbatio (bzw. publicatio approbationis, testificano apud Ecclesiam) und precatio einerseits und der gottesdienstlichen Ordinationshandlung (publica ordinatio, publicus ritus ordinationis) andererseits nodi einen Unterschied machen und dürfte nur ersteres als in Melanchthons Sinne wirklich de iure divino ansprechen. Dann könnten die bei Melanchthon sonst vorkommenden Wendungen, daß es honestum, honestissimum, utile sei, den publicus ritus ordinationis zu behalten und anzuwenden189, so verstanden werden, daß Melanchthon damit sagen will, der publicus ritus ordinationis sei nicht de iure divino notwendig, sondern eben nur gut, geziemend, heilsam, förderlich, nützlich169. Aber die große Schwierigkeit für diese Auffassung liegt in Melanchthons Stellungnahme zum Frederschen Ordinationsstreit. In diesem ging es ja gerade darum, daß irgendeine publica approbatio und irgendein Gebet (etwa von der Kanzel) zu rechtmäßiger Vokation nicht ausreiche, daß vielmehr die gottesdienstliche Ordination (nach vorangegangenem Examen) als die rechte publicatio approbationis und das redite Ordinationsgebet notwendig sei. Gerade im Hinblick auf das Freder Fehlende und von Knipstro Geforderte lehrte Melanchthon (etwa in der Sententia de ordinatione Ecclesiae ministrorum von 15 j i und in dem Brief an Christ. Fischer von 1555) das ius divinum der publica approbatio (publicatio approbationis) und precatio und konnte damit also schwerlich etwas anderes als eben die gottesdienstliche Ordination meinen, die ja nur den Mangel Freders ausmachte. Im Frederschen Streit wurde gegen Freder gerade dies festgestellt, daß die Ordination eben kein Adiaphoron ist, sondern als tota ordinatio in der Schrift bezeugte Gottesordnung. Und dem ist Melanchthon mit seiner Lehre von dem ius divinum der publicatio approbationis und der precatio beigetreten. Es ist nun schwer, Melanchthons Urteile in der Frage des ius divinum der gottesdienstlichen Ordinationshandlung auf eine einheitliche Formel zu bringen. Es ist tatsächlich so, daß sich seine Lehre in diesem Punkte in einem schwebenden Zustand befindet, einmal mehr nach dieser, einmal mehr nach jener Richtung hin tendiert. Es ist auch möglich, daß erst der Fredersche Ordinationsstreit Melanchthon dazu gebracht hat, die gottesdienstliche Ordination deutlich als de iure divino zu erkennen. Feststeht jedenfalls zweierlei: 1. daß Melanchthon für den speziellen Gestus der Handauflegung bei der Ordination kein ius divinum lehrt und 2. daß er es für publica approbatio (bzw. publicatio approbationis, testificatio apud Ecclesiam) und precatio bei der Vokation sehr wohl lehrt. Der Unsicherheitsfaktor betrifft eben nur die Frage, ob diese approbatio und precatio unbedingt und de iure divino auch in einer 168 189

5, 2 1 1 (honestissimum); 7, 743 (honestum); 1 5 , 1 3 3 5 (utile).

A b e r 7, 743 und i j , 1 3 3 5 kann ebensogut mit publicus ritus ordinationis, der beizubehalten honestum b z w . utile ist, speziell die H a n d a u f l e g u n g gemeint sein.

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gottesdienstlichen eigentlichen Ordinationshandlung vorgenommen werden müssen170. Gleich wie man diese Frage nun auch entscheiden mag, — man wird jedenfalls zu urteilen haben, daß der publicus ritus ordinationis Melanchthon als notwendig gilt, wo immer ein geordnetes Kirchenwesen besteht (sei es nun de iure divino oder de iure humano)1'1. 7. Die Ordination als Funktion des Amtes Es ist oben bereits ausgeführt worden, daß Melanchthon die Gesamtvokation als einen Akt ansieht, der im Zusammenwirken von Amt und Gemeinde vor sich zu gehen hat172. Wie die Vokation im engeren Sinne normalerweise der Gemeinde bzw. deren praecipua membra zukommt, so die Ordination (mit Examen, publica approbatio und precatio) den Pastoren. Melanchthon beruft sich dafür auf das Vorbild der Schrift und der Alten Kirche. In der apostolischen Zeit, von der das Neue Te170 ^ Thomas urteilt (a. a. O., S. 24 f.) : „Die testificatio oder publicatio, in der Regel erfolgend durch die Handauflegung und Gebet, erscheint ihm (näml. Melanchthon) sehr wichtig. Das Ganze bezeichnet er auch als etwas, was jure divino geschehen müsse. Dasselbe hat er von den einzelnen Teilen mit Ausnahme der Handauflegung gethan (examen, publicatio approbationis, precatio)". Thomas faßt das ius divinum, das Melanchthon im Brief an Chr. Fischer (CR 8, 597 f.) für publicatio approbationis und precatio lehrt, audi als solches der gottesdienstlichen Ordination, entnimmt aber der Tatsache, daß Melanchthon in demselben Brief die Nadiholung der Ordination bei den lediglich durch Vokation ins Amt Gekommenen im Blick auf einen besonderen kirchlichen Notstand nicht fordert, daß sich der Begriff des ius divinum bei ihm „überhaupt abgeschwächt" habe (a. a. O., S. 27). Faßte Melanchthon das ius divinum der Ordination im strengen Sinne, so müßte er auch die Nadiholung derselben fordern, wo sie unterblieben war. Man kann das so sehen und also bei Melandithon für die gottesdienstliche Ordinationshandlung ein „abgeschwächtes ius divinum" wahrnehmen, weil es nur hinsichtlich der Ecclesia constituía von ihm durchgehalten wird. Immerhin bliebe auch dann bestehen, daß der publicus ritus ordinationis für Melanchthon doch in der unmittelbaren Nähe des ius divinum seinen Ort hat. Diese Absdiwädiung des ius-divinum-Begriffes bei Melanchthon hätte aber doch nur im Blick auf die gottesdienstliche Ordinationshandlung ein Recht für sich, nicht für examen, publica approbatio und precatio überhaupt. 171

In dem Bericht der zwei Culmbacher Prediger, die im Sommer 1538 sich bei Luther und Melanchthon wegen der Ordination Rat holten, heißt es im Ansdiluß an das von uns oben S. 232, Anm. 342 bereits Mitgeteilte noch besonders: „ U n d M. philippus sagt insonderheit wie die hochzeitten ein fein erbar nottig ding sein, nit zur bestettigung sondern zur Offenbarung einer solidien rechten Ehe, so J r zwey miteinander gestifft haben, Also sey auch die ordinirung nach dem examen und beruff zum priesterthumb ein fein Erbar und nottig ding, das solche personen von einer gantzen gemein Zeugnis haben, das sie zum priesterthumb legittime und ordentlich beruffen und gesetzt sind worden . . . " (Th. Kolde, Zur Gesch. d. Ord. u. Kirchenzucht, Theol. Stud. u. Krit. 1894, S. 222). Die Notwendigkeit als solche steht Melandithon fest, mag sie immerhin nicht eindeutig im Sinne eines strengen ius divinum gemeint sein. 172

Vgl. oben S. 325 ff.

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stament berichtet, haben entweder die Apostel selbst oder andere pastores zum Amt berufen und mit Handauflegung ordiniert173. Tit. i, 5 ist testimonium scripturae dafür, quod Pastores sint ordinati a vicinis Pastoribus174. Das gleiche entnimmt Melanchthon aus 1. Tim. 5, 22, aus welcher Stelle er den Satz rechtfertigt: Necesse est igitur, Pastores a Pastoribus ordinari"*. In der Alten Kirche wählte das Volk und approbierte mit Handauflegung der Bischof in der Ordination 17 '. Augustin bezeugt, Episcopos in Africa a vicinis ordinatos esse177. Die Ordination wurde nur von Amtsträgern vorgenommen. Es wäre nach Melanchthon ein Widerspruch zum ius divinum (der Schrift) und zum Beispiel der Alten Kirche, wenn das Volk auch die Ordination etwa an sich risse und die gesamte Vokation also ohne iudicium und approbatio Pastorum geschehen würde. Melanchthon nennt das „Demokratie" und lehnt es kategorisch ab178. Es ist ihm de iure divino gefordert, daß iudicium und approbatio bei der Vokation, also die Ordination, von Pastoren erteilt wird. Abgesehen von der formalen Begründung in der Schrift und dem Beispiel der Alten Kirche ist ihm das inhaltlich darin begründet, daß das Urteil über die Rechtgläubigkeit und Lehrbefähigung des Ordinanden, das in der Ordination kundgetan wird, nur von solchen erteilt werden kann, die selbst im Amte stehen17'. Wegen der engen Zusammengehörigkeit der Ordination mit der exploratio doctrinae und dem testimonium doctrinae liegt sie in den Händen der Amtsträger und ist ganz Funktion des Amtes180. Die Ordinationsgewalt ist ein Stück der potestas ordinis des Amtes181. Dem Amt ist von Gott die Bestellung des Amtes (jedenfalls 178

7. 7 4 1 · 21, 503. 1.5 12, 490. — Diese Stelle wertet W . Thomas für das Problem der Ordinationsinstanz nach Melanchthon gar nicht aus (vgl. a. a. O., S. 20 f.). — Ein sicheres Gespür für dieses melanchthonische Axiom hat Vilmar gehabt, wenn er in Auslegung von C A 14 und Apol. 14 bei Melanchthon „die unzweifelhafte Adhäsion an diejenige apostolische und geschichtlich feststehende Ordnung" sieht, „daß nur Hirten von Hirten berufen werden können" (Lehre v. geistl. Amt, S. 70 ff.; vgl. Dogmatik II, S. 276 f.). 1.6 12, 490; vgl. 21, 503. Vgl. oben S. 325 f. u. 328 f. 177 21, 503 f. 178 12, 490. (Stelle oben zitiert S. 328 f.) Vgl. bes. den Satz: Pugnat cum iure divino, et cum veteri Ecclesia δημο ρατία in qua populus ad se rapit electionem, sine iudicio et approbatione Pastorum. 179 Vgl. 7, 742; 15, 1 3 3 3 ; 12, 3 8 1 : . . . Deus vult conspici a tota Ecclesia eos, quibus testimonia dantur, ut certa sit de eorum vocatione, et ipsorum doctrinam et mores probari toti presbyterio, et iis quibus gubernatio Ecclesiae commendata est. Vgl. Vilmar, Lehre ν. geistl. Amt, S. 70 f.; Th. Kliefoth, Lit. Abhandlungen I, S. 432 f. 174

180 Vgl. F. W. Hopf, Luth. Kirchenordnung, S. 27, der es als selbstverständliche Anwendung der luth. Lehre von der ordentlichen Berufung bezeichnet, „daß nur ein selbst zum Amt Berufener, nur ein selbst unter dem Befehl und der Verheißung des Amtes Stehender Vollmacht und Auftrag hat, andere zu ordinieren". 181 Vgl. oben S. 296 ff. und die da angegebenen Stellen.

374

hinsichtlich der Ordination) befohlen 182 . Melanchthon kennt nur eine Ordination durch ministri verbi. Behält man diese allgemeine und durchgehende melanchthonische A u f fassung im Auge, so muß man den Eindruck haben, daß in Tractat § 72 (BKS 492) die Formulierung ,cum episcopi aut fiunt haeretici aut nolunt impertire ordinationem, jure divino coguntur ecclesiae adbibitis suis pastoribus ordinare pastores et ministros' durchaus sehr mit Bedacht gewählt ist und deutlich ausdrücken soll, daß die Ordination stets — auch wenn die Bischöfe häretisch werden und als Ordinationsinstanzen ausfallen — doch Funktion des Amtes bleibt183. Wir haben bereits darauf hingewiesen, daß das ,jure divino* mit höchster Wahrscheinlichkeit auch auf das ,adhibitis suis pastoribus' bezogen ist 184 . Die Ordination muß nach göttlichem Redit — wenn die Bischöfe ausfallen — von den Pastoren vorgenommen werden. Daß wir mit dieser Auslegung der Stelle keine Gewalt antun, wird einmal durch Melandithons sonstige Äußerungen vom ius divinum der Pastorenordination, die wir hervorgehoben haben, und dann durch die ganze Gedankenführung des zweiten Teils des Tractats, insbesondere durch die Stelle Tract. 6 $ (BKS 490), die von der ordinatio a pastore in sua ecclesia facta spricht, erwiesen. Der zweite Teil des Tractats (de potestate et iurisdictione episcoporum) nimmt seinen Ausgang davon, daß die Amtsgewalt bei allen, qui praesunt ecciesiis, iure divino gleich ist, 182

Vgl. oben S. 328, Anm. 82. Es ist im Auge zu behalten, daß der Tractat die Bestimmung hat — wie Vilmar richtig sagt —, „das damalige Notrecht der evangelischen Kirche (die Lossagung von den ihr feindlich gesinnten damaligen Bischöfen und die Befugnis, sich durch ihre eigenen Geistlichen neue Geistliche zu setzen) zu rechtfertigen" (Dogmatik II, S. 27J). Die Formulierung „durch ihre eigenen Geistlichen" bei Vilmar trifft genau das in Tract. 72 mit den Worten ,adhibitis suis pastoribus' Ausgedrückte. — Vgl. H . Busch, a. a. O., S. 29; W. O. Münter, Die Gestalt der Kirche usw., S. 46; derselbe, Begriff u. Wirklichkeit, S. 3 1 ; F. Brunstäd, a. a. O., S. 197. — Wenn W. Trillhaas (Die luth. Lehre de potestate ecclesiastica, Z w . d. Zten. 1933, S. $02) zu Tract. 67 (die Kirche behält das jus vocandi, eligendi et ordinandi ministros) sagt: „Diese Ausführungen richten sich gegen das ausschließlich beim Klerus liegende Ordinationsrecht", — so läßt er die Stelle Tract. 72 (adhibitis suis pastoribus), wie auch Tract. 6 j (ordinatio a pastore facta) außer acht. Nicht gegen das ausschließlich beim Klerus, also bei den ministri verbi liegende Ordinationsrecht ist Tract. 67 gerichtet, sondern gegen das ausschließliche Ordinationsrecht des römischen Episkopates. — P. Brunner meint, daß Tract. 67 doch auch die von Luther den Böhmen vorgeschlagene „äußerste Grenzf o r m " (nämlich die Laienordination) „als eine legitime Notstandsmaßnahme" vorsehe (Vom Amt d. Bischofs, S. 24; vgl. auch E. Schlink, a. a. O., S. 336 und 341). Jedoch ist das eine nicht zu beweisende Vermutung. Man muß entgegenhalten, daß sich die reformatorischen Kirchen in einem solchen Notstand 1537 nicht befanden, daß man an Laienordinationen denken mußte. Der Tractat spricht ausdrücklich nur von der Pastorenordination. Vgl. Vilmar, Lehre v. geistl. Amt, S. 74. (Immerhin mag es erlaubt sein beim tatsächlichen Eintreten eines solchen Notstandes, wo kein Hirte mehr da ist, von Tract. 67 eine solche Anwendung zu machen, daß die Kirche dann das Recht hat, sich selbst Hirten zu setzen. Auch Vilmar hat solche Möglichkeit anerkannt, a. a. O., S.74. Es ist aber dies nicht ein notwendiger Bestandteil der Aussage von Tract. 67.) 18S

184

Vgl. oben S. 328.

375

ob sie nun Bischöfe, Presbyter oder Pastoren heißen (Tract. 60 ff.; B K S 489 f.). Der Unterschied Bischof—Pastor ist nur menschlichen Rechts. Der Bischof hat iure divino nicht mehr Gewalt als der Pastor. Hatte es sich in der Alten Kirche so entwickelt, daß Bischöfe allein ordinierten 185 , so war dieses Privileg der Bischöfe eben nur menschlichen Rechts und keine göttliche Ordnung in der Kirche. Da iure divino keine hinsichtlich der Gewalt unterschiedene Amtsstufen (Bischof—Pastor) gegeben sind, manifestum est ordinationem a pastore in sua ecclesia factam jure divino ratam essem. Die iure divino gültige Pastorenordination (ordinatio a pastore facta) ist sozusagen der Zielbegriff des ganzen Tractats. Im ersten Teil wird das alleinige Ordinationsrecht des Papstes bestritten 187 , im zweiten Teil das alleinige Ordinationsredit der Bischöfe. Das Ergebnis ist die de-iure-divino gültige Pastorenordination. Melanchthon streitet hier ganz und gar nicht für die Gültigkeit einer Laienordination, sondern nur für die der Pastorenordination. So ist das .adhibitis suis pastoribus' in Tract. 72 ganz programmatisch und grundsätzlich zu nehmen. —

Nun muß aber noch ein Weiteres gesagt werden. Jedenfalls Pastoren müssen es iure divino sein, die die Ordination vornehmen. Tun es nun aber Pastoren anstatt von Bischöfen, so ist das für Melanchthon keineswegs ein Ideal- oder auch nur Normalzustand, im Gegenteil: das hat Berechtigung nur in der Not, wenn nämlich die episcopi ordinarli Feinde des Evangeliums werden. Das Normale ist es nie. Das eigentlich Richtige und Gegebene unter normalen, geordneten Verhältnissen ist nach Melanchthon, daß die Ordination von den Bischöfen wahrgenommen wird. Wir haben bei der Behandlung der politia ecclesiastica nachgewiesen, daß Melanchthon ein feines Verständnis für die Bedeutung des übergeordneten bischöflichen Aufsichtsamtes hat und daß er die Pflicht zur Prüfung und Ordination der Kirchendiener als den Bischöfen von Gott gegeben ansieht188. Nur wenn die Bischöfe versagen, fällt diese gottgegebene Pflicht an die Pastoren zurück, zunächst betrifft sie durchaus die 185 Vgl. Tract. 62 ff. (BKS 490 ff.); Tract. 73 (BKS 493); 8, 706; 2$, 3 1 4 : Quid erant presbyteri et Episcopi? Utrique docebant et administrabant Sacramenta populo. Sed hoc intererat: Episcopus habebat ius administrandae Ordinationis. 188 Tract. 65 (BKS 490). — Man beachte, daß ja die ganze Argumentation des Tractats (§ 60 ff.) sinnlos würde, wenn es etwa gleichgültig wäre, ob die Ordination von Laien oder Amtsträgern vorgenommen wird. Warum dann der Nachweis, daß der Unterschied Bischof—Pastor nur de iure humano ist? Warum dann überhaupt der Begriff einer .ordinatio a pastore in sua ecclesia facta', warum die Begründung der iure-divino-Gültigkeit der Pastorenordination auf die iure-divino-Gleichheit der AmtsStufen? — Tract. 6 j ist nach W. O. Münter (Die gotti. Gestalt usw., S. 47) als Konkretisierung für den vorangestellten Satz anzusehen, daß die potestas bei allen Amtsträgern de iure divino gleich sei. Das ist sehr treffend. Vgl. audi W. O. Münter, Begriff u. Wirklichkeit, S. 75 f.; ferner P. Brunner, Vom Amt d. Bischofs, S. 24. — Man denke auch an die Stelle 22, 524 (Text oben S. 328, Anm. 82) und an die Argumentation mit dem Satz .Ordinationem Ministrorum Evangelii iustam esse in Ecclesiis nostris' gegen die Art. Bavaricae inquisitionis 1558 (Stud. Ausg. Bd. V I , S. 301 f.). Vgl. oben S. 320 f., Anm. 30. 187 v g l . Tract, j (BKS 472) : (papa) . . . , a quo debeant petere ordinationem et confirmationem omnes episcopi et pastores per totum orbem terrarum, qui habeat jus eligendi, ordinandi, confirmandi, deponendi omnes episcopos. 188

376

Vgl. oben S. 3 1 1 ff.

Bischöfe und ist ihr eigentliches Amt. Dem Fürsten Georg von Anhalt, der zum Bischof von Merseburg berufen und geweiht war, schreibt Melanchthon ins Ordinationszeugnis: da Paulus dem Titus befohlen habe, überall Presbyter einzusetzen, sciat hic ordinatus voce Apostolica sibi praecipi in hac functione, ut sacerdotes ad docendas, et regendas Ecclesias ordinet, et eorum doctrinam et mores inspiciat, et meminerit sibi quoque praecipi a filio Dei: Et tu con versus confirma fratres tuos189. Das Amt des Bischofs ist nach Melanchthon mit göttlicher Notwendigkeit das Amt eines Explorators, Ordinators und Visitators der Pastoren. Es war Melanchthon ein großer Schmerz, daß die episcopi ordinarli nicht als Ordinatoren der evangelischen Prediger anerkannt werden konnten, weil sie gegen das Evangelium wüteten und die Bekenner der reinen Lehre z. T . sogar blutig verfolgten. "Waren die Bischöfe ihrerseits bereit zu ordinieren, so doch nur unter Auflage Unrechter Eide 1 ' 0 . Nur schweren Herzens lehrt Melanchthon, daß man sich unter solchen Umständen nicht von ihnen ordinieren lassen dürfe, vielmehr sich von ihnen — Gal. ι , 8 entsprechend — fernhalten müsse1'1. Dadurch, daß man von den Bischöfen die Ordination nicht erlangen kann, wird zwar noch nicht die Kirche ausgelöscht192, denn auch die Pastorenordination ist ja iure divino gültig, aber dodi bleibt letztere ein Notstand und ist die Wiederherstellung der bischöflichen Ordination zu erstreben. Das ginge allerdings nur so, daß die Bischöfe auf alle Unrechten Verpflichtungen bei der Ordination verzichteten, die Unrechten Eide fallen ließen, die Reformation aufnähmen, die Verfolgung der Unsern einstellten und rechte Lehre zu pflanzen begönnen193. Das ist der einzige Weg zur Wiedererlangung der Einigkeit mit den römischen Bischöfen: „Und ist in Summa 188

5, 82 s

f-

lt0

Die Ordinanden sollten schwören, daß sie die rechte Lehre verleugnen und sich zur Ehelosigkeit verpflichten wollen. V g l . 3, 1 8 5 ; 7, 7 4 2 ; 8, 4 3 0 ; 1 5 , 1 3 3 4 . 1,1

3, 1 8 4 f . ; 4, 9 9 5 ; 5, 2 1 2 : Quod autem ne quidem liceat nobis petere ritum ordinationis ab Episcopis . . . manifesta ratio est: quia neminem sine impiis vinculis ordinant; 5, 5 8 5 . 5 9 8 . 6 1 3 . 6 3 0 f . ; 8, 2 9 1 : Dieweil aber die Bischofi die rechte Lehr verfolgen, so ist die Unmöglichkeit v o r Augen (näml. die Ordination v . ihnen z. empfangen); 8, 4 3 0 : N o n igitur peti ordinationis ritus ab iis potest, qui quanquam Episcoporum titulo et ordinariae successionis, ut nominant, praerogativa dominantur, tarnen palam sunt hostes Evangeli: et idola defendunt; 1 2 , 5 1 9 : E t ordinationes A n t i christi cum habeant impías conditiones, damnatae sunt etiam in Psalmo: N o n recip i a m libationes eorum; 1 2 , 5 2 6 : C u m Episcopi adversantur Evangelio, cogimur m a n d a t o divino eos relinquere; 1 5 , 1 3 3 4 ; A p o l . 7 , 48 ( B K S 2 4 6 ) ; vgl. Stud. A u s g . B d . V I , S. 287.302. 1M 5, 2 1 2 ; 8, 4 3 0 f . : N e c ideo Ecclesiae verae sine pastoribus, sine remissione peccatorum esse debent, quia tyrannis Episcoporum idoneos ministros pellit, aut praeficere certe récusât. 1,3 2, 2 4 7 : Hactenus misere excruciati sunt sacerdotes propter ductas uxores et similia. N u n c libenter parebunt sublato ilio periculo; 2, 7 4 5 f . ; 4, 4 1 4 f. 4 2 2 . 4 8 9 . 5 0 3 . 9 8 4 ; 5, 7 4 4 ; 7 , 1 7 5 .

377

zu christlicher Concordia und Einigkeit kein ander Weg, denn allein dieser, daß die Bischöfe rechte Lehr und christlichen Brauch der Sacrament pflanzen, und daß wir alsdann ihnen als Kirchenprälaten unterthan seien, welches wir uns zu thun erbiethen" 1 ' 4 . Melanchthon wiinsdit mit heißem Herzen, daß dies Wirklichkeit werde. Solange es jedoch nicht Wirklichkeit geworden ist, muß es bei der auch de iure divino gültigen Pastorenordination bleiben1"5. Zusammenfassend können wir sagen: Melanchthon lehrt die Ordination als Funktion eigentlich der Bischöfe, in der Not auch der Pastoren, jedenfalls aber und de iure divino des geistlichen Amtes. — Wir stehen am Ende unseres Ganges durch Melanchthons Lehre von der Ordination. Dieselbe kann nur als Stück seiner Lehre von der Vokation überhaupt begriffen werden. Die Ordination im speziellen Sinne ist nicht zu lösen von dem Gesamtvorgang der Vokation, dessen organischen Abschluß sie bei Melanchthon bildet. Ihre Bedeutung liegt eben in diesem ihrem den gesamten Vokationsvorgang zum Abschluß bringenden Charakter. Von großer Wichtigkeit ist hierbei, daß Melanchthon diesen Akt eben nur als Funktion des geistlichen Amtes kennt. Eine legitime Berufung in das geistliche Amt ohne Mitwirkung desselben Amtes ist bei ihm also undenkbar. Dadurch wird die in der göttlichen Stiftung beruhende Eigenständigkeit des Amtes gegenüber der Gemeinde stark unterstrichen. Der hierin gesetzte Akzent entspricht ganz der Feststellung Melanchthons, daß der Gehorsam gegen das Amt eine nota ecclesiae sei, oder auch jener Bezeichnung der Ordination zum Amt als eines Sakraments. Es kommt darin zum Ausdruck, daß die Wirklichkeit des von Gott gestifteten Amtes einen entscheidenden Angelpunkt der Theologie Melanchthons bildet. —

1.4 1.5

5.598; vgl. 5.585; 4. 9^7-984; 7.179-262.

Als Mangel muß bei Melanchthon beurteilt werden, daß er angesichts des Ausfalls der römischen Bischöfe nicht energischer die Errichtung eines evangelischen Bischofsamtes angestrebt hat, vielmehr die Entwicklung in die Konsistorialverfassung hat abgleiten lassen.

378

V . K a p i t e l : Melanchthon und Luther Nachdem die Lehre von Amt und Ordination sowohl bei Luther als auch bei Melanchthon Gegenstand unserer Untersuchung gewesen ist, legt sich die Frage nahe, wie das Verhältnis der Anschauungen von Amt und Ordination bei den beiden Theologen ist, worin und wieweit sie übereinstimmen, in welchen Stücken sie sich voneinander unterscheiden. Bei der Behandlung dieser Frage muß vorausgeschickt werden, daß Melanchthon in seiner Frühzeit stark unter dem übermächtigen Einfluß Luthers stand und erst allmählich dazu kam, in Selbständigkeit seine theologischen Intentionen zu verwirklichen und die Eigenart seiner Lehrauffassung zur Geltung zu bringen 1 . Man wird nicht den Fehler begehen dürfen, Melanchthons ganze Amtslehre etwa von bestimmten gelegentlichen Äußerungen in den Loci von 1521 oder anderen Frühschriften her zu interpretieren. Das für Melanchthon als Theologen Charakteristische ist nicht in seinen Frühschriften zu suchen, sondern in seinen späteren Darlegungen. Betrachtet man nun Melanchthons Amtslehre in ihrem gereiften Stadium, so spürt man, daß sie nicht ohne weiteres gleichzusetzen ist mit der Luthers. Es sind deutliche Unterschiede festzustellen, wenngleich man nicht wird sagen können, daß diese Unterschiede auch innere Gegensätze in sich tragen. Es ist bei beiden doch ein großes Gebiet grundlegender Gemeinsamkeit, die es unmöglich macht, daß verschiedenartige Nuancierungen und Akzentgebungen das Gesamtbild der Amtsauffassung 50 weit bestimmen, daß direkt gegenteilige Standpunkte sich herausbilden. Die Grundpositionen einer evangelischen Lehre vom Amt in Abgrenzung gegen die römische Amtsauffassung waren durch Luther gelegt und Melanchthon hat sie übernommen und auf ihnen weitergebaut. Die Amtskonzeption ist bei beiden Theologen in der Lehre von der Rechtfertigung verwurzelt, das Amt begründet sich in seiner sachlichen Notwendigkeit bei beiden in dem gottgeordneten Gnadenmittelcharakter des Wortes und der Sakramente. Das Amt übermittelt durch den Dienst an den Gnadenmitteln das Heil. Für beide ist somit die Antithese gegen die Schwärmer ebenso wichtig, wie die gegen die römische satisfaktorische Amtsauffas1

Vgl. H . Busch, Melanchthons Kirchenbegriff, S. 8.

379

sung. Die Bestimmung des Amtes als Amt des Wortes (und der Sakramente) hat für beide diese doppelte Frontstellung. Für beide ist auch die Betonung des funktionalen Charakters des Amtes kennzeichnend (wenngleich hier bei Luther nodi stärkere Akzente liegen als bei Melanchthon). Das Amt wird nicht als Eigenwert verstanden, sondern (als Dienst am Wort und an den Sakramenten) instrumental. Eine statische Amtsauffassung ist beiden suspekt. Dem entspricht es, daß überhaupt der Dienstgedanke stark im Vordergrund steht und der Gefahr des Herrschens im Amt über Glauben und Leben der Gemeinde klar entgegengetreten wird. Für beide ist das Wesen des kirchlichen Amtes mit seinem Öffentlichkeitscharakter verbunden und von einer privaten Sphäre, in der auch (in gewisser Beschränkung) das Wort und die Absolution gehandelt werden, abgegrenzt. Beide betrachten dieses öffentliche Wortamt nicht nur als eine Größe menschlich-soziologischer Notwendigkeit, sondern als göttliche Stiftung. Es kann in diesem Punkte kein wirklich erheblicher Unterschied zwischen beiden Auffassungen konstatiert werden. Beiden steht es aus der Schrift fest, daß Gott das Amt in dem Sinne der Bindung der Amtsfunktion an bestimmte Amtspersonen als eine stete Institution in der Kirche angeordnet hat und daß es keineswegs in das Belieben der Kirche gestellt ist, den Dienst am Wort so oder auf eine andere Weise wahrzunehmen. Daß die Kirche göttlichen Befehl hat, das konkrete öffentliche Amt mit Personen zu bestellen, ist sowohl bei Luther als bei Melanchthon eine feststehende und indiskutable Erkenntnis. Daß dieses göttlich gestiftete Amt eines ist und die Stufen darin iuris humani, ist ebenfalls beider Uberzeugung. Beide lehren, daß die Amtsträger im Amt an der Autorität Gottes teilhaben, insoweit sie ihr Amt auftragsgemäß ausrichten, daß sie andererseits alle Autorität verlieren, ja vom Amt gesetzt werden können und müssen, wenn sie vom Amtsauftrag weichen und nicht mehr reines Wort und Sakrament bringen. Daß die Gemeinde in solchem Falle Recht und Pflicht hat, sich gegen einen untreuen Amtsträger zu wehren, ihn zu meiden oder womöglidi zu entfernen, ist Melanchthons Lehre nicht minder als Luthers. Beide sind sich aber auch darin einig, daß die Gemeinde keinen Dominât hat über das Amt. Ebenso wie in der allgemeinen Amtslehre findet sich auch in der Lehre von Vokation und Ordination eine breite Basis des Gemeinsamen. Beiden steht die unbedingte Notwendigkeit einer besonderen Berufung zum Amt fest, nur mit ordentlicher Vokation kann man guten Gewissens im Amt stehen, beide beurteilen die Amtsausübung in der Gemeinde ohne eine solche als verwerfliche Anmaßung und Sünde, die ohne Segen bleibt, beide unterscheiden unmittelbare und mittelbare Berufung und lehren, daß heute nur noch mittelbare Berufung durch die Kirche statthat. Die Kirche ist Trägerin des Berufungsrechts, aber sie übt es nach beiden normalerweise durch bestimmte Personen aus, die durdi Amtsstellung oder 380

persönliche Qualifikation hervorragen. Nach beiden Theologen haben bei der Berufung auch Amtsträger mitzuwirken, ja man kann sagen, daß es für beide das eigentlich Gegebene ist, daß die ministri verbi, d. h. in erster Linie die Bischöfe, für die Berufung neuer ministri Sorge und Verantwortung tragen, wobei aber das suffragium der Gemeinde nicht ausgeschaltet werden darf. Für beide hat die altkirchliche Vokationsordnung eine vorbildliche Bedeutung, beide suchen den Vokationsvorgang heute in Entsprechung zu diesem altkirchlichen Vorbild zu ordnen. Für beide spielt das Examen, die Prüfung von Lehre und Leben vor der endgültigen Erteilung des Amtsauftrags eine entscheidende Rolle. Beiden Theologen ist aber auch die auf dem Grunde der vorangegangenen Akte geschehende spezielle Ordinationshandlung dann erst die definitive Amtsübertragung. In der Ordination wird nach beiden die Vokation zu einem bestimmten Amt bestätigt und die Befähigung zum Lehramt (hinsichtlich Lehre, Gaben, Wandel) von anderen ministri verbi öffentlich bezeugt, wird die Person des Ordinanden ins Amt letztgültig eingesetzt und zum Amt gesegnet. Nach beiden handelt Gott berufend, sendend und segnend durch die Ordination. Für beide ist das Gebet ein unerläßlicher Bestandteil der Ordinationshandlung im engeren Sinne und soll es normalerweise mit der Handauflegung verbunden sein, die als traditioneller Ordinationsritus von beiden wertgeschätzt wird. Beide lehren zwar kein direktes ius divinum für die Handauflegung, fordern aber ihre Anwendung stets. Für beide hat sie bei der Ordination nicht nur bezeugende, zeichenhafte Bedeutung, sondern in der Verbindung mit dem Ordinationsgebet auch benediktionelle. Sowohl Luther als auch Melanchthon sehen als minister ordinationis einen Amtsträger (Bischof oder Pastor) vor. Es ist in der Tat ein roter Faden des Gemeinsamen, der sich durch alle einzelnen Gebiete der Amts- und Ordinationslehre bei beiden Theologen hindurchzieht. Das darf aber nicht dazu verführen, die dann doch auch vorhandenen Unterschiede zwischen beiden Männern zu übersehen. Derjenige Lehrpunkt, bei dem die Verschiedenheit Melanchthons von Luther am deutlichsten ins Auge fällt, ist das allgemeine Priestertum, bzw. insbesondere die Begründung des konkreten Amtes aus demselben. "Wir haben gezeigt, daß Melanchthon den Begriff des allgemeinen Priestertums der Christen zwar auch kennt, daß er aber in Melanchthons Amtslehre eine ganz untergeordnete Rolle spielt, während er für Luther in der Entwicklung des Amtsbegriffs (was die eine Komponente desselben betrifft) eine geradezu fundamentale Bedeutung hat. Die Deutung des Begriffs des allgemeinen Priestertums ist bei Melanchthon auch schon anders als bei Luther. Melanchthon sieht das allgemeine Priestertum im Grunde ausschließlich als Ausübung der Funktionen, die jedem Christen aus seinem Christenstande, aus dem Glauben selbst erwachsen, nicht als Inbegriff auch der Funktionen des besonderen Amtes. Das 791Î Lieberg, Amt

381

christliche sacerdotium bedeutet für Melanchthon die Unmittelbarkeit, den freien Gebetszugang zu Gott und die Fähigkeit, durch den Glauben an Christus Gott wohlgefällige geistliche Opfer darzubringen. Der Gedanke des Eintretens für andere als Inhalt des Priesterbegriiis, der bei Luther stark betont wird, fehlt bei Melanchthon. Von größerer Bedeutung ist, daß Melanchthon das sacerdotium gar nicht als Inbegriff des besonderen Amtes, der speziellen Gnadenmittelverwaltung faßt, wie es bei Luther geschieht. Es gibt am Rande gelegentliche Äußerungen von ihm, aus denen man eine ähnliche Vorstellung u. U. ablesen könnte, jedoch spielt sie — wenn sie überhaupt wirklich vorhanden ist — doch überhaupt keine konstruktive Rolle für seinen Amtsbegriff. Der Gedanke der grundsätzlichen Gleichheit aller Christen, audi hinsichtlich der Macht am Wort und allen Sakramenten, der bei Luther unmittelbar aus dem allgemeinen Priestertum abgeleitet ist und eine bedeutsame Stellung in der Grundlegung seiner Amtslehre hat, findet sich bei Melanchthon nur in der Frühzeit angedeutet, spielt späterhin überhaupt keine Rolle bei ihm. Lehrt Melanchthon, daß in der Not jeder Christ Wort, Taufe, Absolution verwalten kann, so gründet er dies einfach darauf, daß die Schlüssel nicht allein einzelnen Personen (etwa den Amtspersonen) gegeben seien, sondern der ganzen Kirche, nicht aber bezieht er sich dabei auf den Begriff des allgemeinen Priestertums. Luther dagegen begründet dies direkt mit dem allgemeinen Priestertum aller Christen. Von einer Ableitung des besonderen Amtes aus dem allgemeinen Priestertum und aus den soziologischen Gegebenheiten des priesterlichen Volkes der Christen, die "bei Luther ja deutlich vorhanden ist, kann bei Melanchthon keine Rede sein. Die Beziehung, die Melanchthon zwischen dem christlichen sacerdotium und dem ministerium verbi setzt, ist allein die, daß die Gemeinde als sacerdotales Volk Gottes das Recht haben muß, das besondere Amt zu bestellen, Diener ins besondere Amt zu rufen. Der Charakter der Gemeinde als sacerdotium verlangt nach dem bestellten ministerium verbi in ihr, weil das priesterliche Volk ohne Wort und Sakrament nicht leben kann. In keiner Weise ist das Amt bei Melanchthon eine Art Sonderfall des sacerdotium, während es das für Luther (in der einen Weise der Betrachtung des Amtes bei ihm) wohl ist. Melanchthon sieht das konkrete Amt eigentlich ausschließlich in der Stiftung Christi begründet, in der Verheißung Eph. 4, 1 1 ff. und in dem mandatum de constituendis ministris. Das Ordnungsmotiv ist natürlich bei Melanchthon auch, sogar in starker Betonung vorhanden, doch aber nicht als amtsbegründend, nur als weitere Veranschaulichung der Zweckmäßigkeit der göttlichen Stiftung des Amtes. Die soziologische Begründung des konkreten Amtes aus der Idee der fraternitas, in der alle die gleichen Rechte haben und darum eben nicht alle sie ausüben können, sondern nur der eine, dem dies von allen aufgetragen wird, fehlt bei Melanchthon. Von einem delegatio-Denken in der Amtsbegründung ist bei 382

Melandithon keine Spur zu finden. Der Gedanke, daß der Amtsträger als Repräsentant der Gesamtheit, der Gemeinde, vice et nomine omnium steht, ist bei Melandithon nicht anzutreffen*. Melandithon sieht in den ministri nicht die Vertreter der Gemeinde, sondern nur die Vertreter des Herrn. Haben wir bei Luther die zwei Schichten der Amtsbegründung und Amtsauffassung gefunden, die eine auf dem allgemeinen Priestertum aufbauend und das Amt daraus ableitend, die andere von der göttlichen Stiftung des Amtes ausgehend, und suchen wir diese beiden Linien nun auch bei Melandithon, so finden wir die erstere nidit. Melandithon sieht das Amt ausschließlich als göttliche Stiftung und ignoriert eine das Wesen betreffende Rückbeziehung des Amtes auf das allgemeine Priestertum. Es mag mit dieser entschlosseneren Konzentration auf die göttliche Begründung des Amtes zusammenhängen, daß dann im Ganzen der Lehre von der Kirche das Amt bei Melandithon ein nodi stärkeres Gewicht erhält als bei Luther. Wir reden allerdings hier jetzt nur von einem graduellen Unterschied, nicht von einem grundsätzlichen, strukturellen. Bei Melandithon findet sich die potestas ecclesiastica noch deutlicher als bei Melandithon auf das Amt konzentriert. Wo Luther z. B. als Instanz des Lehrurteilens gerne die Gemeinde als solche nennt, spridit Melandithon eher von dem geistlichen Amt, dem das cognoscere doctrinam und das reiicere doctrinam ab Evangelio dissentientem als spezielle Amtspflicht obliegt. Deutlicher als Luther spricht Melandithon den Amtsträgern das Recht zu, Kirchenordnungen festzusetzen, also auch die äußeren Dinge des kirchlichen Lebens zu regeln. Überhaupt ist bei Melandithon die positive Einschätzung der episkopalen Kirchenverfassung noch ausgeprägter als bei Luther. Auch Luther wünsdit die Erhaltung der traditionellen episkopalen Struktur der Kirche und denkt — wie bei den Böhmen — an die Einrichtung evangelischer Bistümer, hat auch selbst evangelische Bischofsweihen vorgenommen. Melanchthons Haltung aber ist durch eine noch stärkere Adhäsion an das Hergebrachte, Traditionelle gekennzeichnet®. Das Amt ist für Melandithon der Hort aller kirchlichen Ordnung, gerade eben als göttliche Institution. So nennt er dasselbe bzw. die Unterordnung unter es eine nota ecclesiae, was bei Luther so nicht vorkommt. Sachlich verlangt Luther gewiß ebenfalls den Gehorsam gegenüber dem Amt, aber er fügt das nicht so grundsätzlich und akzentuiert in den Kirchenbegriff ein. Auf der gleichen Linie liegt es, daß Melandithon dem Ordo, der Ordination zum Amt, ja sogar der Handauflegung sakramentalen Charakter zubilligen kann. Luther tut 1

Vgl. W . Thomas, a. a. O., S. 43. ® Das kommt 2. B. darin zum Ausdruck, daß Melandithon das Papsttum de iure humano billigen kann, während Luther audi das ius humanum desselben kategorisdi ablehnt. Vgl. Sdimalk. Art. II, 4, 7 ff. (BKS 429 ff.) und Melandithons Unterschrift unter die Sdimalk. Art. (BKS 463 ff.).

383

das nicht, obwohl auch er gelegentlich die Handauflegung bei der Ordination in Parallele zu den Sakramenten bringen kann. Es wird wohl gerechtfertigt sein, zu sagen, daß die Ordination bei Melanchthon ein noch stärkeres Gewicht erhält als sie bei Luther hat, auch nennt Melanchthon die einzelnen Teile der Gesamtvokation (Vokation, Examen, Approbation und Gebet) ausdrücklich als iuris divini. Während Luther im Notfall (bei den Böhmen) Laienordination vorsieht, begegnet bei Melanchthon solches iiicht. Bei Melanchthon heißt es: Necesse est Pastores a Pastoribus ordinari (CR 12, 490). Die meisten hier jetzt erwähnten Unterschiede sind Verschiedenheiten entweder am Rande oder in der Stärke der Betonung. Der einzige tiefergreifende Unterschied zwischen Luther und Melanchthon in der Amtslehre betrifft die Ableitung des Amtes aus dem allgemeinen Priestertum, die bei Melanchthon fehlt. Da Luther aber neben der letzteren auch die Begründung des Amtes in der göttlichen Stiftung lehrt, liegt auch darin kein eigentlicher Gegensatz. Man muß die beiden Lehrtypen bei Luther und Melanchthon als zwei Zweige an ein und demselben Stamme beurteilen. Im wesentlichen gehen beide Theologen doch den gleichen Weg. -

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Schlußbetrachtung Unsere Untersuchung der Amts- und Ordinationslehre bei Luther und Melanchthon hat in verschiedener Hinsicht doch neue Aspekte ergeben, die bisher zu wenig oder auch fast gar nicht beachtet worden sind. Es ist in bezug auf Luther deutlich geworden, daß G. Rietschels Interpretation der Amts- und Ordinationslehre Luthers, die bisher stark das Feld beherrschte, ergänzungs- und teilweise audi korrekturbedürftig ist, daß trotz der durchgehenden Zweipoligkeit der Amtslehre Luthers der göttliche Stiftungscharakter des Amtes bei ihm viel beherrschender hervortritt, als man im allgemeinen angenommen hat, daß besonders der Sinn der von Luther eingerichteten Ordinationshandlung sich doch nicht in einer feierlichen (mehr oder weniger dekorativen) Bestätigung der vorangegangenen Vokation erschöpft. Die einseitige Betonung der Vokation im engeren Sinne als des entscheidenden Vorgangs bei der Amtsbestellung, wie sie sich bei Rietschel findet und audi recht allgemein üblich geworden ist, ergibt ein unzureichendes und darum unzutreffendes Bild. Luther versteht die Ordination zwar audi und zunächst als Bestätigung der vorangegangenen Vokation (wenn auch nie nur im dekorativen Sinne!), aber dann doch auch gerade als effektive Amtsübertragung und wirksame Einsetzung ins Amt und weiß auch von der Segensbedeutung der Ordination. In ganz wesentlichen Punkten nähert sich die von uns gefundene Amts- und Ordinationsauffassung Luthers den neuen Positionen, die heute in der lutherischen Theologie vertreten werden und von denen wir in der Einleitung dieser Arbeit sprachen4. Nicht anders verhält es sich bei Melanchthon. Die Darstellung, die W. Thomas von Melanchthons Amts- und Ordinationslehre gegeben hat und die (neben den Untersuchungen von O. Ritsehl und H. Busch) die einzige Spezialuntersuchung halbwegs jüngeren Datums über diesen Gegenstand darstellt, zeigt verschiedentlich — wie wir wahrzunehmen meinen — doch eine Verschiebung der Dinge in Richtung auf ein Gemeindeprinzip, das bei Melanchthon im Grunde gar nicht vorhanden ist. Die Bedeutung, die Melanchthon dem göttlich gestifteten ministerium ecclesiasticum beimißt, ist noch wesentlich größer, als sie von Thomas 4

Vgl. oben S. 1 1 ff. — Allerdings bleibt die Differenz hinsichtlich der Ableitung des Amtes aus dem allg. Priestertum, die Luther wesentlich war, heute aber eigentlich aufgegeben ist.

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eingeschätzt wird. Die klare Abgrenzung des Amtes von dem christlidien Priestertum, die bei Melanchthon vorliegt, muß noch schärfer hervorgehoben werden, als es bisher in der Forschung geschehen ist. In dieser Hinsicht gehen die neueren Erkenntnisse von der Eigenständigkeit des Amtes gegenüber dem allgemeinen Priestertum mit Melanchthons Lehre ganz konform. Auch Melanchthons Lehre von dem ius divinum im Vokationsvorgang weist in dieselbe Richtung, in der heute nach einem zutreffenderen Verständnis der Ordination gesucht wird. Von besonderer Bedeutung ist hierbei seine Stellungnahme im Frederschen Ordinationsstreit. Was die Deutung der Bekenntnissdhrtften zur Amts- und Ordinationslehre angeht, so kommen in unserer Untersuchung audi neue Gesichtspunkte zur Geltung, die zwar schon in der konfessionellen Theologie des 19. Jahrhunderts verschiedentlich wirksam waren, doch aber seitdem wieder recht in den Hintergrund getreten waren. Man kann seine Augen davor nicht verschließen, daß ganz wesentliche Motive in der Amtslehre bei Theologen wie Stahl, Vilmar, Löhe, Kliefoth sich tatsächlich auf das Neue Testament und die Theologie der reformatorischen Väter, wie Luthers und Melanchthons, und zumal die Lehre der lutherischen Bekenntnisschriften zurückführen. Diese Theologen des 19. Jahrhunderts haben für manches in der Theologie Luthers und Melanchthons und in den Bekenntnisschriften ein Auge gehabt, was spätere Theologengenerationen vielfach übersehen oder beiseite gedrängt haben. In dieser Hinsicht ist der gegenwärtigen lutherischen Theologie die Aufgabe gestellt, auch die gesamte Amtsdebatte des vorigen Jahrhunderts neu zu sichten und ihren Ertrag für aktuelle gegenwärtige Fragestellungen zu verwerten5. — Die hier vorliegende Arbeit mödite ein kleiner Beitrag dazu sein, einer in bestimmter Hinsicht einseitigen, bisher vorherrschenden Interpretation der Amts- und Ordinationslehre Luthers und Melanchthons zu wehren und eine umfassende Würdigung derselben zu fördern. Wird auch gegen sie in dieser und jener Hinsicht von einem anderen theologischen Standort aus der Vorwurf der Einseitigkeit in anderer Richtung erhoben werden können — welche individuelle Schau eines Gegenstandes wäre ganz frei von Einseitigkeiten! —, so mag sie doch dem übergeordneten Ziele aller wissenschaftlichen Bemühung, der Erkenntnis der objektiven Wahrheit, in dem Sinne des Grundsatzes .audiatur et altera pars' an ihrem bescheidenen Teile dienen. Sie hält sich bewußt im Rahmen einer rein 5 Ein verheißungsvoller Untersuchung von Holsten konfessionellen Theologie Sie lädt zur Weiterarbeit gebnisse ein.

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Anfang ist in dieser Hinsicht durch die große historische Fagerberg, „Bekenntnis, Kirche und Amt in der deutsdien des 19. Jahrhunderts" (Uppsala 1952), gemacht worden. in Richtung auf eine systematische Auswertung ihrer Er-

historischen Untersuchung. Insofern aber gerade von der historischen Arbeit der systematischen Besinnung neue Impulse gegeben zu werden pflegen, möchte sie — insoweit — auch als ein geringer Beitrag zur systematischen Bemühung um die rechte Lehre von Amt und Ordination verstanden werden. —

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FORSCHUNGEN ZUR K I R C H E N - U N D

Band 13:

DOGMENGESCHICHTE

OLE MODALSLI

Das Gericht nach den Werken bei Luther 1963. Etwa 350 Seiten, btosch. etwa 35,— DM

Band 12:

BERNHARD

LOHSE

Mönchtum und Reformation Luthers Auseinandersetzung mit dem monastischen Ideal des Mittelalters. 1962. Etwa 380 Seiten, brosch. etwa 34,— DM. — Die Entwicklung Luthers in seinem Verhältnis zum Mönchsideal des Mittelalters ist hier zum erstenmal eingehender behandelt. Im Gegenüber dazu wird zunächst eine Darstellung der Entwicklung des monastischen Ideals im Mittelalter anhand seiner hervorragendsten Vertreter gegeben.

Band 8:

BERNHARD

LOHSE

Ratio und Fides Die ratio in der Theologie Luthers. 1957. 141 Seiten, brosch. 13,50 DM. — „Die inhaltsreiche Habilitationsschrift fixiert und behandelt ein wichtiges Problem, über das die Lutherforschung bislang kaum oder nur unzureichend diskutiert hat, die Mehrdeutigkeit von Luthers Aussagen über das menschliche Erkenntnisvermögen: einerseits ist für Luther die ratio total blind, andererseits ist sie die größte Gottesgabe. In zwei Teilen, einem historisch-genetischen und einem systematischen, weist die Arbeit· nicht nur die Einheitlichkeit von Luthers Aussagen nach, sondern gibt auch über Luthers Anschauungen Von der ratio im Zusammenhang seiner ganzen Theologie guten Aufschluß . . . Alles in allem: trotz mancher Knappheit eine selten anregende und bereichernde Luther-Abhandlung I" (Luth. Rundschau 4/1958). — „Im ganzen gesehen ist das Buch die beste Untersuchung über die ratio bei Luther, die wir zur Zeit haben." (Theo/. Literaturzeitung 12¡1958).

Band 1:

VI L M O S VAJTA

Die Theologie des Gottesdienstes bei Luther 3. Aufl. 1959. 394 Seiten, brosch. 22,80 DM.— Von Luthers Gesamttheologie her werden in ganzer Breite und großer systematischer Geschlossenheit die Gedanken entfaltet, die seine Gottesdienstauffassung bestimmen. Dem Verfasser geht es um den Menschen vor Gott, d. h. um Gottes Wirken an ihm und die Haltung, die dieses Wirken auslöst. Er nimmt dabei alles auf, was die schwedische Lutherforschung der letzten Jahre erarbeitet hat. An Weite und Gründlichkeit werden die bisherigen Ergebnisse auf diesem Gebiet weit überboten und manche früheren Auffassungen korrigiert. Vor allem wird hier eine solide historische und theologische Basis für eine genaue Untersuchung gelegt, ohne .Selbstverständliches' vorauszusetzen." (R. Stupperich in der Tbeol. Literatur^eitung).

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN UND ZÜRICH

RUDOLF HERMANN

Gesammelte Schriften zur Theologie Luthers und der Reformation I960. 510 Seiten, Leinen 32,— DM. — „Hermanns Auisätze haben ihre Eigenart vor allem darin, daß es der systematische Theologe ist, der Luthers und der Bekenntnisschriften Gedanken wiedergibt. So viel er auch auf Luthers dogmengeschichtliche Stellung zu sprechen kommt, der Nachdruck liegt doch auf der Vertiefung in die Sache selbst, im Hören auf Luther und die Bekenntnisse, im — bisweilen auch kritischen — Gespräch mit ihnen. Hermann interpretiert den Glauben Luthers als gegenwartsmächtige Wahrheit für heute. Die Interpretation ist überall getragen von der Freude an dem herrlichen Schatz der reformatorischen Erkenntnis, — sie zieht den Leser in diese Freude mit hinein, durch die Tiefe und Vollmacht der Auslegung, auch durch viele ausgezeichnete, einprägsame Formulierungen . . . Der Verf. erliegt nicht der Gefahr, Luthers Theologie in das Schema einer der heutigen Schulen einzuzwängen oder sie doch für dieses auszubeuten. Umgekehrt macht Hermann bei seiner Auslegung und Beziehung Luthers auf unsere Gegenwart manche kritische Bemerkung zur heutigen Theologie und Kirche . . . Hermanns Sammelband ist nicht nur für die Mitarbeiter bestimmt, sondern auch für die Pfarrer und alle anderen, denen daran liegt, sich in die Theologie Luthers und der Bekenntnisse zu vertiefen. Sie werden reich beschenkt. . ." TbeoL Literaturzeitung 3)1962

Luther und Melanchthon Referate und Berichte des 2. international. Lutherforscherkongresses in Münster 1960 Herausgegeben von Vilmos Vajta 1961. 198 Seiten, brosch. 17,50 DM. — „Diese 13 Referate deutscher und nichtdeutscher Forscher sind weithin durch das Melanchthongedächtnis 1960 bestimmt. Die theologischen wie biographischen Darstellungen gehen auf das Verhältnis ein, das in seiner Verschiedenartigkeit und Gemeinsamkeit zwischen Luther und Melanchthon bestand. Neben Ausführungen rein theologiegeschichtlicher Art — Rechtfertigung, Heiligung, Gerechtigkeit, Gesetz und Gnade oder sola scriptura, fide — finden sich solche über die Wirkung der beiden Männer auch auf außerdeutsche Länder wie Polen, Ungarn und Amerika. Der Band vermittelt damit einen guten Einblick in den Stand der deutschen wie außerdeutschen Reformationsgeschichtsforschung in der Vielfalt der Problemstellungen und Methoden." Literatur-Anzeiger 6/1961

Philipp Melanchthon Forschungsbeiträge zur 400. Wiederkehr seines Todestages, dargeb. in Wittenberg 1960 Herausgegeben von Walter Elliger 1962. 204 Seiten und 16 Bildtafeln, brosch. 19,80 DM. Bei gleichzeitigem Bezug beider Vortragsbände 15% Preisnachlaß. — „Diese von maßgebenden Melanchthon-Forschern gehaltenen Vorträge reihen sich vortrefflich aneinander und haben ein Niveau, wie man es bei Gedenkfeiern selten findet. Man könnte geradezu von einer MelanchthonTheologie reden. Die Auswahl der Themen ist vortrefflich." Theologische Literaturzeitung 4/1962 VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN UND ZÜRICH