Aktuelle Fragen des Fachplanungs-, Raumordnungs- und Naturschutzrechts 2006: Vorträge auf den Achten Speyerer Planungsrechtstagen und dem Speyerer Luftverkehrsrechtstag vom 8. bis 10. März 2006 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer [1 ed.] 9783428524907, 9783428124909

In dem Band werden die ausgearbeiteten Vorträge, die auf den 8. Speyerer Planungsrechtstagen und dem Speyerer Luftverkeh

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Aktuelle Fragen des Fachplanungs-, Raumordnungs- und Naturschutzrechts 2006: Vorträge auf den Achten Speyerer Planungsrechtstagen und dem Speyerer Luftverkehrsrechtstag vom 8. bis 10. März 2006 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer [1 ed.]
 9783428524907, 9783428124909

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Aktuelle Fragen des Fachplanungs-, Raumordnungs- und Naturschutzrechts 2006

Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 182

Aktuelle Fragen des Fachplanungs-, Raumordnungsund Naturschutzrechts 2006 Vorträge auf den Achten Speyerer Planungsrechtstagen und dem Speyerer Luftverkehrsrechtstag vom 8. bis 10. März 2006 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

Herausgegeben von

Jan Ziekow

Duncker & Humblot . Berlin

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0561-6271 ISBN 978-3-428-12490-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 § Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Der vorliegende Band fasst die Vorträge zusammen, die auf dem Speyerer Luftverkehrsrechtstag am 8. März 2006 und den Achten Speyerer Planungsrechtstagen vom 8. bis 10. März 2006 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer gehalten wurden. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Veranstaltungen waren Vertreter aller Ebenen der Verwaltung, der Verwaltungs gerichtsbarkeit, der Rechtsanwa1tschaft, von Planungsträgern und -büros, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Meine Sekretärinnen, Frau E,:ika Kögel und Frau Ruth Nothnagel, haben sachkundig die Formatierung des Bandes übernommen; hierfür sei ihnen gedankt. Darüber hinaus gebührt den Herren Dr. Thorsten Siegel und Dr. Alexander Windoffer herzlicher Dank für die Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der Tagung. Speyer, im Dezember 2006

Jan Ziekow

Inhaltsverzeichnis Die Bedeutung von Kapazitätsprognosen im luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren Von Wolfgang Baumann, Würzburg .................................................................

9

Kapazitätsanalysen in der technischen Flughafenplanung Von Dieter Faulenbach da Costa, Offenbach .................................................

29

Kommunales Lärmschutzkonzept zum Ausbau des Flughafens Frankfurt / Main Von Bernhard Schmitz, Frankfurt / Main .........................................................

45

Die Planfeststellungsfiktion am Beispiel des § 71 LuftVG Von Martin Schröder, München .........................................................................

67

Die neue Praxis der Folgenabschätzung auf EU-Ebene und die Auswirkungen auf das deutsche Umwelt- und Planungsrecht Von Jochen Gebauer, Berlin ..............................................................................

95

Beschleunigung von Zulassungsverfahren Von Dieter Posch, Berlin ... ............. . .. ..................... .......................... ...... ......... 131 Neuere Entwicklungen und rechtliche Probleme bei der Beurteilung von Verkehrslärmimmissionen aus Sicht der Rechtsprechung zum Verkehrswegeplanungsrecht Von Ulrich Storost, Leipzig . .... . ....................................... ............................... 143 Das Sondergutachten "Umwelt und Straßenverkehr" des Sachverständigenrates für Umweltfragen: Empfehlungen für eine nachhaltige Verkehrsplanung Von Susan Krohn, Berlin ............................................................................... ..... 161

8

Inhaltsverzeichnis

Lärmschutz bei der Bahn unter besonderer Berücksichtigung der neuen Lärmminderungsplanung Von Sandra Otto, Berlin ................................................................................. 185 Neue Entwicklungen im Recht der Vereinsklage Von Christian Schrader, Fulda ...... .................... ........ ....... ............... ............ ....... 205 Informationsfreiheit und Planfeststellung Von Elke Gurlit, Mainz ...................................................................................... 223 Die behördliche Nachbesserung fehlerhafter Planfeststellungsbeschlüsse Von Wolfgang Durner, Bonn ............................................................................ 249 Planfeststellung und Denkmalschutz Von Thomas Seegmüller, Wiesbaden ................................................................. 303 Rechtsfragen bei der Vertiefung von Flüssen zur besseren Schiffbarmachung Von Caspar David Hermanns, Osnabrück ......................................................... 323 "FFH 3.2."; Neuestes zur FFH-Verträglichkeitsprüfung und den sonstigen Implikationen von "NATURA 2000" für die Realisierung von Großvorhaben Von Klaus Füßer, Leipzig .................................................................................. 339 Verzeichnis der Autoren ........................................................................................... 367

Die Bedeutung von Kapazitätsprognosen im luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren Von Wolfgang Baumann

I. Einführung Eine luftverkehrsrechtliche Kapazitätsprognose macht Angaben über eine zukünftige Verkehrskapazität aufgrund einer prognostizierten Flughafenentwicklung. Der Kapazitätsprognose liegt dabei üblicherweise eine Luftverkehrsprognose zugrunde, die anband eines Prognoseflugplans erarbeitet wird und die Verkehrsentwicklung eines bestimmten Flughafens innerhalb eines defInierten Prognosezeitraums darstellt. Im luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren geht es ganz wesentlich um die Frage, wie angesichts eines prognostizierten Verkehrsbedarfs dessen kapazitäre Bewältigung in einer rechtlich zulässigen Art und Weise gelingen kann. Die Flughafenkapazität hat eine wesentliche Bedeutung für verschiedene Zulassungsvoraussetzungen fiir Flughäfen gern. § 8 Abs. I LuftVG: -

Sie ist Grundlage fiir die Beantwortung der Frage, ob die Errichtung eines Flughafens gerechtfertigt ist (Planrechtfertigung).

-

Die Kapazität ist auch fiir die Frage von Bedeutung, ob denn ein unverhältnismäßiger Eingriff in Rechte der Betroffenen vorliegt und das zwischen Luftverkehrsprognose und Kapazitätsprognose evtl. bestehende Delta, also die Kapazitätsvorhaltung, eine zusätzliche Angebots- oder schon unzulässige Vorratsplanung ist.

-

Von der Flughafenkapazität ist insbesondere die Lärmbelastung und die Schadstoffbelastung abhängig, und damit stellt sich die Frage nach dem erforderlichen Schallschutzkonzept, der Zulässigkeit des Vorhabens unter immissionsschutzrechtlichen Voraussetzungen (z. B. der 22. BImSchV).

-

Desgleichen hängen auch die naturschutzrechtlichen Voraussetzungen (z. B. der Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie) von der Flughafenkapazität unmittelbar und mittelbar ab, einerseits über die Inanspruchnahme von Flächen, anderseits über Lärrn- und Schadstoftbelastungen, die diesen Schutzgebieten abträglich sein können.

Wolfgang Baumann

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Von besonderer Bedeutung ist die Flughafenkapazität bei der Frage nach der Zulässigkeit von Ä'nderungen bestehender Flughäfen. Die Bedarfsfeststellung aufgrund einer Begutachtung des Prognosenullfalls einerseits und des Prognosefalls ,,Flughafenausbau" andererseits lässt zukünftige Kapazitätserfordemisse erkennen; zu prüfen ist in diesem Zusammenhang, welche Ausbaumaßnahmen über die bestehende Flughafenkapazität hinaus erforderlich sind.

11. Bestimmungsfaktoren für die Flughafenkapazität 1. Begrimiche Abgrenzungen

Die Bestimmungsfaktoren fiir die Flughafenkapazität sind vielfaltig und mehrschichtig: a) Technische Kapazität

Die Verkehrskapazität, die durch einen Flughafen bewältigt werden soll, setzt zunächst einen bestimmten technischen Ausbau des Flughafens voraus, nämlich die technische Kapazität. Diese lässt sich aufgliedern in die luftseitige und die landseitige Flughafenkapazität: Die luftseitige Anlagenkapazität1 ist abhängig von -

der Größe der Start- und Landebahnen sowie deren Ausgestaltung

-

der Zahl und Art der Rollwege sowie

-

der Größe und Funktionalität der Vorfeldflächen mit den Flugzeugstellflächen.

Die landseitige Anlagenkapazitäf hängt ab von -

der Größe und Funktionalität der landseitigen Abfertigungs- und Serviceeinrichtungen (Terminals etc.) und

-

der Größe und Funktionalität der Anbindung des Flughafens (Straße / Schiene, Modalsplitt).

Aus sämtlichen kapazitätsbestimmenden Parametern ergeben sich nach den internationalen Planning Manuals die sog. technische Maximalkapazität und die planbare Kapazität. Unter Berücksichtigung von quantitativen und qualitativen 1 BVerwG, LKV 2000, 211 = NVwZ 2000, 681 L; HessVGH, Urt. vom 2.4.2003, NVwZ-RR 2003, 729, 732; VGH München, NVwZ-RR 2003, 410. 2 BVerwG, NVwZ 2001, 566.

Die Bedeutung von Kapazitätsprognosen

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Standards zur Bewertung der Gesamtleistungsfähigkeit eines Flughafens kommt man in der Praxis zu einem Kapazitätskennwert, der als· "praktische Kapazität" bezeichnet wird. b) Betriebsrelevante Bestimmungsfaktoren und administrative Kapazitätsbestimmungen

Des weiteren sind betriebsrelevante Bestimmungsfaktoren der Flughafenkapazität zu beachten, die sich aus der Luftverkehrsprognose ergeben: Dies ist zum einen die erwartete Passagierzahl, die abgewickelt werden muss, zum zweiten ist es die Zahl der zu erwartenden Flüge und der notwendige Flugzeugmix von Fliegern mit unterschiedlichen Be1adungsfaktoren. Auch die gewählten Anflugverfahren können kapazitätsbeeinflussend sein. Administrative Kapazitätsbeschränkungen können - von der Rechtsprechung inzwischen weitestgehend akzeptiert - Vorgaben einer bestimmten Höchstzahl an Flugbewegungen (,,Bewegungsbegrenzungen") generell fiir den gesamten Flugverkehr3 oder fiir bestimmte Gewichtsklassen machen (z. B. Flughafen Düsseldorf)4 oder ein Lärmkontingent in völlig unterschiedlicher Art und Weise festschreiben (z. B. Flughäfen Stuttgart und München nt Zu beachten ist auch, dass es zumeist erschöpfte Teilkapazitäten, z. B aus dem Bereich Start- und Landebahnen, Rollwege und Vorfeldflächen, aber auch bei der Abfertigung und der Flughafenanbindung mit ihren jeweiligen Engpässen sind, welche die Flughafenkapazität insgesamt begrenzen können. 6 2. Ausgangspunkt: Unterschiedliche rechtliche Begriffsinterpretationen zur technischen Kapazität Wenn im Luftverkehrsrecht von der technischen Kapazität eines Flughafens gesprochen wird, gibt es nicht selten unterschiedliche Deutungen: Zumeist wird so die in Anbetracht der Größe der luftseitigen baulichen Anlagen maximal mögliche Anzahl von Flugbewegungen apostrophiert, also plakativ formuliert die ,,Betonkapazität". Diese wird defmiert als "maximale Anzahl von Flugbe3 OVG Münster, Urt. vom 10.12.2004, Az. 20 D 134 fI OO.AK - Düsseldorf, UA S.30. 4 Auch Flughafen Erfurt, BVerwG, Urt. vom 27.10.1998, Az. BVerwG 11 A 1.97, S. 14 f., 42. 5 BVerwG, NVwZ 1987,578 - München II. 6 Vgl. Hinweise in den Urteilen des HessVGH vom 2.4.2003 = NVwZ-RR 2003, 729 und vom 14.10.2003 - Az. 2 A 4796 / 01.

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wegungen, die die Flugbetriebsflächen (Start- und Landebahnen, Rollbahnen, Vorfeld) bezogen auf ein festgelegtes Zeitintervall aufnehmen können unter der Voraussetzung, dass eine ständige Nachfrage besteht".7 Sie wird auch als ,,sättigungskapazität" bezeichnet. Andere juristische Autoren wollen gewisse Optimierungseffekte und speziell die Handlungsmöglichkeiten der Flugsicherung berücksichtigt wissen und meinen daher die ,,Abfertigungskapazität der Flugsicherung", wenn sie von der technischen Kapazität eines Flughafens sprechen, und machen ihn damit abhängig vom Organisationsgrad der Deutschen Flugsicherung (DFS). Zum Teil wird in den Begriff der technischen Kapazität auch die Kapazität landseitiger Abfertigungsanlagen einbezogen. Denn "der Rahmen für die höchstmögliche Auslastbarkeit einer Anlage ergibt sich ... herkörnmlicherweise aus technischen Daten, wie Abstand und Länge der Start- und Landebahnen, Abfertigungskapazität der Flugsicherung und der Abfertigungsanlagen, u ä.".8 Man wird dabei von einer technisch-organisatorischen Flughafenkapazität sprechen.

3. Zwischenergebnis Als erstes Ergebnis kann festgehalten werden: Eine begriffliche Bestandsaufnahme fiihrt zu deutlich unterschiedlichen Inhalten fiir den Begriff "Kapazitätsprognose "fiir Flughäfen. Einerseits gibt es die bauseitige anlagentechnische Kapazität, die mehr oder weniger statisch erscheint. Die Kapazität eines Flughafens hängt aber von verschiedenen weiteren Variablen ab, die ihrerseits z. T. entwicklungs orientiert und daher nur prognostisch erfassbar sind. Insoweit ist auch die Kapazität einer Start- und Landebahn keine statische Größe; sie ergibt sich erst auf der Grundlage (auch) prognostischer und planerischer Annahmen über den abzuwickelnden Betrieb. 9 Die anlagentechnische Kapazität kann gleichwohl der Engpass für die Bewältigung eines bestehenden oder prognostischen Luftverkehrsaufkommens sein. Hinter der Kapazität eines Flughafens verbirgt sich mithin ein komplexes Ineinanderspiel von Leistungswerten aus verschiedenen Teilsystemen, mit der Folge, dass beispielsweise

7 So Mensen / Stöwer, Zur Problematik der Kapazitätsberechnung von Flugbetriebsflächen auf Flugplätzen, 1986, S 4, 8, zit. nach Bidinger, Planung und Nutzung von Verkehrsflughäfen - unter besonderer Berücksichtigung von Kapazitätsbeschränkungen, 1996, S.14, Fn. 11. 8 Bidinger (Fn. 7), S. 14, so auch Dieter Faulenbach da Costa (in diesem Band). 9 OVG Münster, Urt. vom 10.12.2004, Az. 20 D 134f / OO.AK - Düsseldorf, UA S.30.

Die Bedeutung von Kapazitätsprognosen

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trotz gleicher baulich-technischer Kapazität zweier Flughäfen eine unterschiedliche Gesamtkapazität nicht ausgeschlossen werden kann. Der aktuelle juristisch relevante Gehalt der Kapazitätsprognose erschließt sich allerdings erst aufgrund einer teleologisch-funktionalen Betrachtung, also aus der Analyse der jeweiligen Anwendungssituationen im luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren.

ill. Inhaltsbestimmung durch den Regelungsgehalt des Planfeststellungsbeschlusses (PFB) Welche Rahmenbedingungen fiir die Errichtung und den Betrieb eines flughafens gelten, ergibt sich somit aus dem Regelungsgehalt eines luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses i. S. d. § 8 Abs. 1 LuftVG. Daher liegt die Hypothese nahe, dass damit auch die Kapazität beschrieben wird. Dies ist deswegen nahe liegend, weil das geplante Vorhaben mit den im Planfeststellungsbeschluss getroffenen Regelungen Bestandschutz i. S. d. § 9 Abs. 3 LuftVG erlangt. Jedenfalls theoretisch wird auch eine bestimmte Flughafenkapazität zugrunde gelegt, wenn der Flughafenuntemehrner die Gestattung erhält, das Vorhaben den festgestellten Plänen entsprechend auszuführen. Ein Problem stellt sich allerdings auch auf diesem Weg: Der Begriff des Flughafens und seiner planfeststellungsbedürftigen Bestandteile ist gesetzlich nicht defmiert, der diesbezüglich maßgebende Vorhabensbegriff ist deshalb vom Zweck her zu bestimmen, den das Luftverkehrsgesetz mit dem Planfeststellungszwang für die Errichtung und Änderung von Flughäfen verfolgt. Insoweit besteht die Gefahr einer sich gegenseitig bedingenden Interpretation. 1. Regelungsgehalt des Planfeststellungsbeschlusses Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist nicht die Gesamtheit der auf dem Flugplatzgelände zu errichtenden Anlagen notwendiger Gegenstand der Planfeststellung. Vielmehr sind planfeststellungspflichtig (nur) diejenigen Einrichtungen und Anlagen, die unmittelbaren luftverkehrlichen Zwecken dienen, sowie jene, welche fiir die Sicherheit des Luftverkehrs oder zum Schutz vor den Gefahren des Luftverkehrs erforderlich sind. 10

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Hofmann I Grabherr, LuftVG, Rdnr. 23 zu § 8 LuftVG.

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a) Regelungsgegenstände Es ist also zu unterscheiden zwischen feststellungspflichtigen und nur feststellungsfähigen Projektbereichen sowie solchen, die einer luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung überhaupt nicht zugänglich sind. 11

-

Unmittelbar luftverkehrlichen Zwecken dienen die Start- und Landebahnen, Rollwege und Vorfeldflächen nebst erforderlichen Bestandteilen wie Schutzstreifen ("Schultern" sowie Befestigungs- und Markierungsstreifen) sowie die dazu gehörigen Sicherheitsflächen (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 LuftVG), Abstellflächen, Flächen für Flugzeugstandläufe (§ 6 LuftBO) und Sicherheitspositionen (§ 19 b Abs. 1 Nr. 4 LuftVG); diese stellen den ,,Kern" des luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses dar. 12

-

Neben diesen offensichtlich feststellungspflichtigen Flugbetriebsflächen gibt es zahlreiche weitere Anlagen und Einrichtungen, die ganz oder überwiegend der Sicherung des Start- oder Landevorgangs dienen,13 wie z. B. die Anflug- bzw. Gleitwinkelbefeuerung, der Kontrollturm, die Instrumentenlandeanlage, das Gebäude für die Flugplatzfeuerwehr sowie die Einfriedung (Zaun) um das Flugplatzgelände, aber auch die dem luftverkehrseitigen Binnenverkehr dienenden Straßenwege. Diese Anlagen gehören wie die erstgenannten ebenfalls zu den zwingend feststellungsbedürftigen Inhalten eines luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses. Hinzu kommen noch Nebeneinrichtungen, die zwar keine unmittelbare Bedeutung für den luftfahrtspezifischen Schutzzweck haben, aber mit dem Start- und Landebahnsystem und den darauf betriebenen Luftfahrzeugen in einem räumlichen und darüber hinaus auch betrieblichen Zusammenhang 14 stehen oder Sicherheits- bzw. Schutzfunktion haben. Sie sind ebenfalls planfeststellungsbedürftig, wenn sie innerhalb des Zauns stehen: Dies gilt insbesondere für Einrichtungen wie Wartungshallen und Gebäude für die Unterstellung von Flugzeugen und für die Fracht- und die Passagierabfertigung sowie Tankanlagen.

11 Baumann, Die Feststellungs- und Konzentrationswirkung von luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsbeschlüssen, EurUP 2005, S. 179 ff. 12 Die technischen Voraussetzungen von Flughafenanlagen sind in den Internationalen Richtlinien und Empfehlungen Flugplätze, Anhang 14, zum Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt (ICAO Annex 14, Volume 1 - Aerodrome Design an Operations) Stand Juli 2004, dargestellt. 13 Vgl. Hofmann / Grabherr, LuftVG, Rdnr. 23 zu § 8 LuftVG. 14 BVerwG, Buchholz 406, 11, § 35 Nr. 292; BVerwG, NVwZ 1984, 655; bei Fracht- und Passagierabfertigung unter Flughafenplanern umstritten; a. A.: unmittelbar luftverkehrlichen Zwecken dienende Einrichtungen.

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Üblicherweise werden an Großflughäfen Anlagen fUr Infrastruktur- und Serviceeinrichtungen wie Einrichtungen zur Abfall- und Abwasserentsorgung, Gebäude für die Unterbringung von Polizei, Zoll und der Unfallhilfe sowie Parkgebäude für Reisende einerseits und Konferenz-Center, Hotels und Gebäude von Speditionen, Reisebüros und sonstigen flugplatzbezogenen Gewerbebetrieben andererseits geschaffen. 1S Diese Flughafengebäude sind nicht planfeststellungspflichtig, da sie nicht unmittelbar dem luftverkehrlichen Zweck dienen, sie sind jedoch planfeststellungsfähig. Die Rechtsprechung hält auch solche Einrichtungen für planfeststellungsfähig, die sich wegen dessen attraktiven Verkehrsverbindungen als Nutznießer des Flughafens angesiedelt haben, nämlich sonstige Büro-, Verwaltungs- und Betriebsgebäude inklusive Park- und Stellplatzanlagen. 16 All diese Einrichtungen sind nicht notwendiger Regelungsgehalt eines luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses.

Zu den gern. § 8 Abs. 1 LuftVG notwendigen planfeststellungsbedürftigen Anlagenbereichen kommen die notwendigen Folgemaßnahmen gem. § 75 Abs. 1 VwVfG. Hierzu gehören insbesondere unmittelbare Folgeregelungen zur dauerhaften Einbindung des Flughafens in seine Umgebung wie Straßenund Schienenverkehr etc. Nach der Neuregelung des § 6 Abs. 4 S. 1 LuftVG beinhaltet der Planfeststellungsbeschluss auch die betrieblichen Bedingungen des Flughafens i. S. d. § 6 Abs. 1 LuftVG, vornehmlich die Betriebsbeschränkungen. b) BedeutungfUr die Flughajenkapazität Somit lässt sich aufgrund der Feststellungs- und Gestattungsregelungen eines Planfeststellungsbeschlusses die Frage nach der Flughafenkapazität rechtlich wie folgt beantworten: Die Kapazität eines Flughafens wird definiert durch sämtliche baulich-technischen Feststellungs- und Gestattungsregelungen sowie durch Betriebsregelungen, soweit diese Regelungen zu einer Begrenzung von Flugbewegungen führen. Dementsprechend sind im Planfeststellungsbeschluss geregelte luftseitige oder landseitige Teilkapazitäten relevant, die zu Engpässen fUhren.

IS 16

BVerwG, NVwZ 1991,66. OVG Berlin, Urt. vom 3.5.1996, Az.: OVG 2 A 5.92.

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Wolfgang Baumann c) Abgrenzung zur wesentlichen Änderung i. s. d. § 8 Abs. 3 S. 2 LuftVG

Von der Problematik der kapazitätsbestimmenden Regelungen eines Planfeststellungsbeschlusses ist die Frage zu unterscheiden, ob eine Erweiterung oder Änderung der Anlage eines bestehenden Flughafens der Planfeststellung bzw. Plangenehmigung bedarf. Die Ausnahmeregelung des § 8 Abs.3 S.2 LuftVG, wonach bei unwesentlichen Veränderungen ein Planfeststellungsbzw. Plangenehmigungsverfahren unterbleiben kann, fUhrt in das juristische Minenfeld des Wesentlichkeitsbegriffs, der anlagen- und beteiligtenbezogen ist und nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Änderung dann planfeststellungspflichtig macht, wenn der Flugplatz "sein Gesicht ändert", insbesondere verstärkt rechtlich geschützte Interessen berührt werden. 17

2. Kapazitätsbestimmende Regelungsgehalte nach der Rechtsprechung Der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat in seinem Urteil vom 6.4.2004 zum Flughafen Frankfurt / Main für die Feststellung der luftseitigen technischen Kapazität eines Flughafens den Regelungsinhalt des Planfeststellungsbeschlusses gern. § 8 Abs. 1 LuftVG und die luftverkehrsrechtliche Genehmigung gern. § 6 Abs. 1 LuftVG als für die Kapazitätsfeststellung bestimmend erachtet. 18 Schon im Urteil vom 15.9.1999 19 hatte das Bundesverwaltungsgericht - im Zusammenhang mit den Nutzungsmöglichkeiten eines Airports - befunden, dass zur luftseitigen technischen Kapazität eines Flughafens die Start- und Landebahnen, die Rollbahnen und die V orfeldflächen beitrügen; dies seien die drei Komponenten, aus denen sich die technische Gesamtkapazität zusammensetze. Für den Fall, dass keine sonstigen betriebsbeschränkenden Regelungen getroffen worden sind, stellt die Rechtsprechung somit maßgeblich auf die durch das luftverkehrsrechtliche Regelungsregime zugelassene luftseitige baulich-technische Kapazität ab. Ohne Bedeutung sind somit konsequenter Weise und zu Recht irgendwelche Absichtserklärungen und Gutachteräußerungen in den Antragsunterlagen des Projektträgers. Die Rechtsprechung hat allerdings bisher Engpassteilbereiche Vgl. § 6 Abs. 4 S. 2/ § 8 Abs. 3 LuftVG; BVerwGE 81, 95,104. Das BVerwG (Az. 4 B 75/03) hat damit eine Revisionszulassungsbeschwerde gegen das Urteil des VGR Kassel vom 2.4.2003 (Az.: 2 A 2646/01) zurückgewiesen, BVerwG, NVwZ 2004,865. 19 BVerwG, UPR 2000, S. 116. 17 18

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im Bereich der Fracht und Passagierabfertigung bzw. der Tankanlagen etc. nicht als kapazitätsmindernd berücksichtigt, obwohl sie zur praktischen Kapazität eines Flughafens unmittelbar beitragen oder diese auch tatsächlich mindern, eine Rechtsauffassung, die schwerlich als konsequent bezeichnet werden kann. Positiv festzustellen ist, dass nach der Rechtsprechung jenseits der die baulichen Anlagen regelnden Feststellungen und Gestattungen auch Beschränkungsregelungen für die Kapazitätsberechnung relevant sind. 3. Fazit Aus all dem ergibt sich, dass die luftseitigen baulichen Verkehrsanlagen in ihrer vollen technischen Kapazität rechtlich zulässig ausgeschöpft werden können, wenn keine Betriebsbeschränkungen dinglicher Art oder allgemeine Auflagen wie betriebsseitige Höchstmengenbeschränkungen oder Lärmschutzkontingentierungen mitgeregelt worden sind. Insoweit unterliegen die Betroffenen der durch § 9 Abs. 3 LuftVG angeordneten besonderen Duldungswirkung; sie können bei Vorliegen der Voraussetzungen gern. § 75 Abs. 2 S. 2 LuftVG (nur noch) passiven Schallschutz bzw. angemessene Entschädigung in Geld verlangen. 20

IV. Bedeutung der Kapazitätsprognose für einzelne Zulassungsvoraussetzungen 1. Anforderungen an eine Kapazitätsprognose Gerade bei Planfeststellungen mit einer unmittelbaren Inanspruchnahme von Grundstücken Dritter bestehen - gegenüber der allgemeinen Planrechtfertigung - besondere Anforderungen an den Nachweis des Gebotenseins des Eingriffs. Dieser ist nur über eine belastbare Kapazitätsprognose zu führen. Dies gilt des Weiteren im Rahmen des Abwägungsvorgangs auch für die Frage, ob das an sich "vernünftigerweise gebotene" Projekt nicht aufgrund eines Abwägungsfehlers überdimensioniert ist. 21 Angesichts der mit einer Überdimensionierung verbundenen Probleme der Flugsicherheit, der Schadstoffbelastung und des Lärm-

20 BVerwG, NVwZ 2000, 70 f.; BVerwGE 61, 1,3 ff.; HessVGH, NVwZ-RR 2003, 729,734. 21 Schon BVerwGE 75, 214.

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schutzes führt der Weg allein über eine höheren Ansprüchen genügende Kapazitätsprognose. 22 Auch wenn die bisherige Rechtsprechung das Problem zukünftiger Eingriffe durchaus sieht, geht sie hier einen anderen Weg und erleichtert dem Träger des Vorhabens tendenziell den Nachweis des Gebotenseins eines Flughafenprojektes.

2. Rechtsprechung zu den Anforderungen von Kapazitätsprognosen Bei der Durchsicht der Urteile zu Flughafenplanfeststellungen fällt auf, dass konkrete Kapazitätsberechnungen zur Gesamtkapazität oder zur technischen Teilkapazität von der Planfeststellungsbehörde nicht abverlangt werden. Das gilt sowohl für die obergerichtliehe als auch für die höchstrichterliche Rechtsprechung. Im Zweifelsfall betrachtet man die folgeorientierten Prognosen, z. B. Lärmprognosen, ohne die Frage zu stellen, welche Kapazität ein Flughafen überhaupt hat. Allenfalls wird die Luftverkehrsprognose als Bedaifsanalyse dem Verfahren zugrunde gelegt. Die Anforderungen an die Begründung für bestimmte prognostische Annahmen zur luftverkehrlichen Kapazität sind ebenfalls äußerst gering. Die Rechtsprechung begrenzt die Überprüfbarkeit der Kapazitätsprognose, indem sie planerische Entscheidungen schon dann für rechtmäßig hält, wenn die Prognose unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten in einer der Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist. 23

a) Beispiel OVG Koblenz Urteil vom 10.7.1997 (Hahn) Am Urteil des OVG Koblenz zur Genehmigung der zivilen Mitbenutzung des Militärjlugplatzes Hahn (Genehmigung vom 14.7.1993 [Tagfluggenehmigung] / ergänzende Genehmigung vom 19.04.1994 [Nachtfluggenehmigung])24 soll das Vorgehen der Gerichte dargestellt werden. Nachdem das OVG Koblenz eine reine Kapazitätsabschätzung durch den Vergleich mit einem anderen Flughafen (hier Nürnberg) nicht akzeptiert hatte (nota bene: nicht weil die Methodik von vornherein unzulässig sei, sondern weil das "Nürnberg-Modell" aus mehreren Gründen nicht vergleichbar sei), hat das OVG sich dann der nachgebesserten Lärmprognose zugewendet und Folgendes ausgeführt:

22 23 24

BVerwGE 75, 214. BVerwGE 56,110; 72, 282. OVG Koblenz (Az.: 7 C 11843/ 93.0VG), DA S. 108.

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"Im Rahmen einer gerechten Abwägung mußte die Behörde Vorkehrungen treffen, um sicherzustellen, daß nicht zwischen Lärmprognose einerseits und möglicher tatsächlicher Entwicklung andererseits zu Ungunsten der Kläger und ihrer Lärmschutzbelange eine Lücke klaffi. ,Schöngerechnete' Lärmprognosen konnten dem Anspruch auf gerechte Abwägung und Ermittlung nicht genügen..... " Zunächst werden also die Interessen der Flughafenbetroffenen an Rechtssicherheit und -integrität hervorgehoben. Zugunsten der Flughafenbetroffenen geht man sogar von konservativen Annahmen aus. "Im Grundsatz ist nach allgemeinen Regeln bei der Abschätzung der Lärmauswirkungen eines uneingeschränkt zu genehmigenden Verkehrsflughafens von der Auslastung der Kapazität im Sinne einer leichten Überlastung auszugehen. ,,25 Dann kommt aber die Kehrtwende: " ... Eine vollständige Orientierung an der nach der Anlagenbeschaffenheit theoretisch möglichen Auslastung kann je nach den Markterwartungen und insbesondere den Schwierigkeiten entsprechender Abschätzungen zu einer unangemessenen Verschiebung zu Lasten auf Seiten des Projektträgers fuhren .... Nach den dargelegten Maßstäben kommt es nicht darauf an, ein bloß theoretisch bestimmtes Maß der Ausschöpfung der Kapazitäten zugrunde zu legen. Erforderlich ist zwar eine Betrachtung des ,worst-case', dieser muß jedoch an den realen Erwartungen orientiert bleiben." (Hervorhebung durch Verf.) Und weiter: "Unvorhersehbare Entwicklungen (im Sinne des § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG) sind außerhalb des Prognosehorizonts angesiedelt. - Einzelheiten des Betriebs können in einer Prognose offen bleiben. Näher liegenden Abweichungen von den zugrunde gelegten Annahmen kann - ohne daß die Genehmigung ihrem Inhalt nach auf den Prognosehorizont festzuschreiben wäre dadurch Rechnung getragen werden, daß ein an bestimmte Kriterien geknüpfter Regelungsvorbehalt eine Konfliktlösung offen hält." Damit stellt das OVG Koblenz trotz der Ankündigung, sich an der technischen Kapazität als "worst case", nämlich der größtmöglichen Lärrnbelastung orientieren zu wollen, allein auf das prognostizierte Verkehrsaufkommen (,,reale Erwartungen") ab. Um der Gefahr zu begegnen, dass zu irgend einem Zeitpunkt die Bedarfsprognose überschritten wird und die zusätzlichen Flüge nicht in der Abwägung Berücksichtigung gefunden haben könnten, greift das Gericht zum Regelungsvorbehalt. Es meint damit den Konflikt lösen zu können, der darin besteht, dass zunächst im Planfeststellungsbeschluss eine bestimmte über den absehbaren Bedarf hinausgehende - technische Kapazität festgestellt und deren Errichtung gestattet wurde, andererseits irgendwann - jenseits des Prognosezeitraums - mangels einschränkender Betriebsregelung den Flughafen

2S

Vgl. auch Hofmann / Grabherr, LuftVG, § 6 Rn. 51 zum Thema "Low Overload".

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mit seiner vollen technischen Kapazität und all den negativen Folgen - wie Lärrn- und Schallschutzmaßnahrnen - nutzen zu dürfen.

b) Bundesvenvaltungsgericht: Kapazität und Lärmschutz Dem Bundesverwaltungsgericht ist zuzustimmen, wenn es mehrfach festgestellt hat, dass allgemeingültige Aussagen zur Festlegung eines Prognosezeitraums und zur näheren Bestimmung des ,Prognosematerials ' sich nicht aufstellen lassen. Die rechtlichen Anforderungen an eine Prognose fiir ein Flugplatzvorhaben würden durch die Eigenart des geplanten Vorhabens und dessen Auswirkungen bestimmt. Damit seien die Anforderungen jeweils vorhabenbzw. projektbezogen zu defmieren. 26 Urnso mehr verwundert es, dass nicht wenigstens die am leichtesten feststel/bare - an obigen Kriterien messbare - technische Kapazität regelmäßig unbestimmt, ja ungeprüft bleibt. Für eine Lärrnprognose ging der 4. (bzw. der 11.) Senat des Bundesverwaltungsgerichts von folgenden Tatbeständen aus: Anzahl der erwarteten Starts- und Landungen (aufgeteilt auf Tag- und Nachtflugbewegungen), Art der Luftfahrzeuge, Flugzeugrnix, von der Flugsicherung fiir realistisch angesehene An- und Abflugverfahren, Häufigkeit der Nutzung der einzelnen An- und Abflugverfahren, Steigprofile der Luftfahrzeuge und Zeitdauer der Schallereignisse. Für die Erstellung eines Lärmgutachtens soll es - nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts - ausreichend sein, dass die fiir die Flugverfahren zuständige Flugsicherung die Annahmen des Vorhabensträgers bzw. der Planfeststellungsbehörde über die künftigen Flugverfahren als realistisch bezeichnet. Eine weitere Begutachtung speziell zur Kapazitätsfrage wird nicht gefordert. Das Bundesverwaltungsgerichf7 rekurriert also ebenfalls nicht auf eine Kapazitätsprognose anhand objektiver Kriterien luftverkehrsseitiger und / oder landseitiger Anlagen und die im Planfeststellungsbeschluss evtl. geregelten Kapazitätsbeschränkungen betrieblicher Art. Es zieht sich vielmehr auf den Flugbedarf innerhalb des Prognosezeitraums zurück. c) Bewertung

Nach dieser Rechtsprechung ist die Planfeststellungsbehörde also bei der Festsetzung von Kapazitätsbeschränkungsregelungen oder SekundärmaßnahSo z. B. BVerwG, Besehl. vom 27.1.2004 - Az. 4 B 92.03 - Augsburg. So jetzt wieder BVerwG, Urt. vom 16.3.2006 - Az. BVerwG 4 A 1075.04 - Sehönefeld, UA, insb. S. 153 ff. 26

27

Die Bedeutung von Kapazitätsprognosen

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men zum Schutze der Betroffenen berechtigt, von einer bedarfsorientierten Betrachtung auszugehen, und ist keinesfalls verpflichtet, eine kapazitäts gesteuerte Bewertung vorzunehmen. (Auf einem anderen Blatt steht, dass die Planfeststellungsbehörde von sich aus nicht allein auf den vom Träger des Vorhabens zugrunde gelegten Prognosezeitraum abstellt, sondern einen von ihr selbst prognostizierten Verkehr auf Dauer befriedigend abwickeln will. 8

i

Im Ergebnis führt dies dazu, dass das Flughafenunternehmen die baulichtechnische Kapazität des Start- und Landebahnsystems voll ausschöpfen darf. In praxi bedeutet dies, dass überdimensionierte luftverkehrsseitige "Betonkapazitäten " - von der Rechtsordnung gebilligt - geschaffen werden können, auf denen sogar schon vor Ablauf des Prognosezeitraums mehr Flugbewegungen abgewickelt werden könnten, als dies nach der Planprognose vorausgesehen worden ist. Die Flughafenbetroffenen müssen aufgrund der Duldungspflicht diese Eingriffe in ihre Rechtspositionen dulden und werden - als Maßnahmen gern. § 75 Abs. 2 VwVfG - auf passiven Lärmschutz, und wenn dieser untunlich ist, dann auf Entschädigung verwiesen. Aktive Schallschutzmaßnahmen aufgrund eines Teilwiderrufs kommen in der Praxis nicht vor, da zumeist die passiven Schallschutzmaßnahmen für ausreichend gehalten werden, um eine Gesundheitsgefährdung zu vermeiden. Diese Vorgehensweise ist rechtlich nicht zulässig; sie widerspricht dem weitergehenden Ermittlungs- und Prüfungsgebot im Planfeststellungsverfahren. Die fehlende Prüfung der technischen Kapazität kann zu einer Überdimensionierung des Projektes führen und damit zu einer Missachtung der Verpflichtung zur Planrechtfertigung, wenn die Dimensionierung eines Flughafens unter keinen Umständen mehr als angemessen angesehen werden kann. Darüber hinaus besteht vermehrt die Gefahr, dass der Anspruch Flughafenbetroffener auf eine gerechte Abwägung verletzt wird, weil bei wachsendem Verkehr - ohne Begrenzung der Flugbewegungen - eine volle Ausnutzung der technischen Kapazität zu Eingriffen in Rechte der Drittbetroffenen führt, ohne dass der Sachverhalt eruiert und geprüft und der Gesichtspunkt gesteigerter Lärm- und Schadstoffbetroffenheit in der Abwägung berücksichtigt worden wäre. Hinzu kommt, dass bei Enteignungsbetroffenen, deren Grundstücke aufgrund der Planung in Anspruch genommen werden sollen, die Vorwirkung der Enteignung eine Prüfung anband der Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG gebietet; insoweit hängt die Bewertung des unmittelbaren Eingriffs ins Eigentum vom Unfang der Inanspruchnahme und der Erforderlichkeit der Baulichkeiten ab und damit von der technisch-baulichen Kapazität. 29

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29

BVerwGE 75, 214, 240. BVerwGE 105,6 ff.; 111,276,284; HessVGH, NVwZ-RR 2003, 729, 734 f.

Wolfgang Baumann

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3. Schlussfolgerungen

Daraus sind folgende Schlüsse zu ziehen: Weil die Nutzungsrechte des Flughafenbetreibers ohne betriebsregelnde Kapazitätsbeschränkungen die volle Auslastung der baulich-technischen Kapazität eines Flughafens umfassen, ist die Planfeststellungsbehörde zum Schutze der Flughafenbetroffenen verpflichtet, die geplante technische Flughafenkapazität zu ermitteln. Erforderlichenfalls sind betriebsregelnde Kapazitätsbeschränkungen vorzusehen. Hierauf fußcm dann die Auswirkungsprognosen: Die festgestellte Gesamtkapazität geht dort als Input ein. Da nach der Rechtsprechung ein Flughafen ohne Beschränkungsregelung bis zur technischen Kapazität voll ausgelastet werden darf, ist es unter Berücksichtigung der Lärmschutzinteressen der Flughafenbetroffenen erforderlich, diese technische Kapazität als worst case z. B. fiir die Lännprognose zugrunde zu legen. Denn nach der Rechtsprechung tragen die betroffenen Dritten sonst das weitgehende Risiko eines zukünftig wachsenden Luftverkehrsbedarfs, der sich ggf. über den Prognosezeitraum hinaus verstärkt entwickelt. Ihnen würden Beeinträchtigungen durch eine erhebliche Zunahme des Lärms und von Schadstoffen auferlegt, ohne dass diesbezüglich noch einmal eine Abwägung ihrer rechtlichen Interessen gegenüber dem Verkehrsinteresse erfolgen würde. Der Schutzanspruch der Lärmbetroffenen aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG gegenüber dem Staat gebietet es darüber hinaus, bei zunehmender Prognoseunsicherheit speziell wegen der Entwicklungen jenseits des Prognosehorizonts Höchstbewegungsmengen im Planfeststellungsbeschluss zu regeln, um eine Ausweitung des Verkehrs unter Ausschöpfung einer künftige Entwicklungen berücksichtigenden technischen Kapazität, die sich als überzogen erwiesen hat, zu verhindern.

V. Angebots- und Vorratsplanung Das Bundesverwaltungsgericht hat jüngst in seinem München-Urteil vom 20. April 2005 die Planung von Kapazitäten "im Vorgriff auf einen nicht absehbaren Bedarf' nicht von vornherein als rechtlich unzulässig angesehen und eine ,,Angebotsplanung" aus fachplanerischer Sicht gebilligt. 30 Schon bisher war die Überprüfbarkeit von Kapazitätsprognosen - wie dargestellt - wegen der ihnen eigenen Entwicklungsunsicherheiten stark eingeschränkt. Mit der Akzeptanz der Angebotsplanung fiir die luftverkehrsrechtliche 30

BVerwG, Urt. vom 20.4.2005 -Az. BVerwG 4 C 18.03 - München 11, UA S. 17.

Die Bedeutung von Kapazitätsprognosen

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Planfeststellung sind von der Rechtsprechung die Tore aber sehr weit in Richtung einer umfänglichen nicht mehr prognostizierbaren Kapazitätsvorhaltung geöffnet worden. Damit wird auch die Konzeption einer irgendwie überprüjbaren Kapazitätsprognose mangels überschaubarer Prognosetatsachen, nahezu ad absurdum gefii.hrt. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts stellt sich im Hinblick auf die Zulässigkeit von Verkehrsbeschränkungen die Frage nach den fachplanungsrechtlichen Grenzen nachfrageorientierter Betriebsregelungen unter den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eines Wettbewerbssystems. Anders als im Falle öffentlicher Straßen manifestiere sich der Verkehrsbedarf im Luftverkehr in der Nachfrage nach gewerblichen Verkehrsleistungen, die im Allgemeinen von den Luftverkehrsgesellschaften an die Verkehrsflughäfen herangetragen würde. Ein Bedarf könne sich "nicht nur aus einer tatsächlichen, aktuell feststellbaren Nachfrage ergeben, sondern auch aus der Vorausschau künftiger Entwicklungen ". Kapazitätsregelungen dürfen danach ,,zukunftsorientiert sein und es dem Flughafenbetreiber im Vorgriff auf künftige Entwicklungen ermöglichen, einer Bedarfslage gerecht zu werden, "die zwar noch nicht eingetreten ist, aber bei vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit erwartet werden kann". Dabei sei zu bedenken, dass Verkehrsflughäfen von privatrechtlich organisierten Unternehmen betrieben werden, die als Anbieter von Flughafenleistungen in einem bundes- oder europaweiten, teilweise auch globalen Wettbewerb stehen, in dem es nicht zuletzt um die Sicherung und Förderung von Wirtschaftsstandorten gehe 31 .Eine Planungsbehörde verhielte sich mithin "systemkonform", wenn sie über Kapazitätsbegrenzungsregelungen Einfluss auf die Angebots- und Nachfragestruktur im Luftverkehr nehme und das Verkehrsangebot auf diese Weise voraussehbaren Entwicklungen anpasse. Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht die Gefahr sieht und beschreibt, wonach bei nicht absehbarem Bedarf eine unzulässige Vorratsplanung vorliegen könne, scheint es in dieser Entscheidung die Koordinaten der Abwägung noch einmal deutlich zu Lasten der Flughafenbetroffenen zu verschieben. Bei der Entscheidung über die Dimensionierung der baulich-technischen Kapazität werden dem Flughafenunternehmen weitere Freiräume zugebilligt. Damit droht sich die Waagschale zugunsten der Flughafenbetreiber tendenziell zu Lasten der Flughafenbetroffenen zu senken, denn in der Regel werden ja keine Bewegungsbegrenzungen z. B. in Form von Bewegungshöchstzahlen in die Bescheide aufgenommen. Im Ergebnis überantwortet das Bundesverwaltungsgericht faktisch die Kapazitätsentscheidung zunehmend den Flughafenbetreibern, denen nach der ,je-desto-Formel" und der Rechtsprechung zur Gleichwertigkeit

31

BVerwG, a.a.0., S. 16.

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von aktivem und passivem Lärmschutz allein noch passiver Lärmschutz auferlegt wird. Die Entscheidung sieht die Flughafenbetreiber im Wesentlichen als private Unternehmer mit (offensichtlich verfassungsrechtlich?) geschützten Unternehmerinteressen. Nicht eingegangen wurde auf die Tatsache, dass es sich bei den Privatunternehmen um öffentliche Unternehmen handelt, die nicht nur ganzheitlich oder überwiegend im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, sondern denen darüber hinaus vom Gesetzgeber Rechte zu einem überwiegenden Teil zur Erfüllung einer Daseinsvorsorgefunktion übertragen wurden. Sie unterliegen daher auch verwaltungsprivatrechtlichen Beschränkungen. Da der Luftverkehr nur über die Flughäfen abgewickelt werden kann, haben sie zudem in gewisser Weise am Markt auch eine MonopolsteIlung. Das vom Bundesverwaltungsgericht beklagte Fehlen einer rechtsverbindlichen Flughafennetz- und Bedarfsplanung und der sich nach Auffassung des Gerichts einstellende "Verteilungskampf' fmdet - was gerne ausgeblendet wirdunter Flughafenbetreibern statt, an denen die Bundesrepublik, die Bundesländer oder die Kommunen ja gerade maßgeblich beteiligt sind. Eine Steuerung durch die öffentliche Hand wäre also durchaus möglich, wollte man den - tatsächlichen oder vermeintlichen, wohl in jedem Fall künstlichen - Verteilungskampf auch nur ein wenig entkrampfen. Es gibt daher keinen Grund, gewissermaßen im Sinne eines Dumpings von SchutzanspTÜchen das Merkmal der "Erforderlichkeit eines Flughafens" als Zulassungskriterium zugunsten einer Förderung von Marktchancen über die Etablierung von derzeit nicht erforderlichen Flughafenkapazitäten aufzugeben. Selbst wenn gleichzeitig in der Folge passiver Schallschutz großzügig gestaltet und höhere Entschädigungen gezahlt würden, bedeutete dies, wenn die Prognose Realität wird, i.d.R. einen mehrfachen (Grund-)Rechtsverlust. Für die Abwägung im Planfeststellungsverfahren ist zu folgern: Wenn das Bundesverwaltungsgericht formuliert, "der Umfang der Nachfrage bestimmt die Anforderungen an die Kapazitäten und das Betriebsregime eines Flughafens" (S. 16), kann das nicht heißen, dass Nachtflugbeschränkungen oder andere Kapazitätsreduzierungen und damit im Voifeld die Kapazitätsanalysen zukünftig tendenziell zu unterbleiben haben, wenn - wie absehbar - Flughäfen mit großen Werbekampagnen Touristenflüge am nächtlichen Himmel platzieren wollen und das geWählte Marketing erwarten lässt, dass die jeweiligen Flughäfen auf Kosten ihrer Konkurrenten-Flughäfen in größerem Umfang nächtlichen Bedarf generieren (oder nur markieren) wollen, um höhere Kapazitäten einfordern zu dürfen. Denn es muss der Planfeststellungsbehörde möglich bleiben, positiv auf die "Angebots- und Nachfragestruktur im Luftverkehr" Einfluss zu nehmen. In der Abwägung kommt im Einzelfall dem Bevölkerungs-

Die Bedeutung von Kapazitätsprognosen

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interesse an einem gesunden Nachtschlafaufgrund der objektiven Wertordnung des Grundgesetzes gern. Art. 2 Abs. 2 GG auch weiterhin ein größeres Gewicht gegenüber Wettbewerbsinteressen der Flughäfen ZU. 32 Die Fluglärrnbetroffenen können nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur unter erschwerten Bedingungen aktiven Lärmschutz verlangen. Auch wenn die Flughafenbetroffenen grundsätzlich die Möglichkeit haben, den Nachweis zu erbringen, dass die vorgehaltene Flughafenkapazität zu groß ist und eine unzulässige Vorratsplanung vorliegt, geschieht das auf ihre Kosten und mit hohen Prozessrisiken und ist ihnen daher grundsätzlich nicht zuzumuten. Daher ist es rn. E. unter dem Gesichtspunkt sowohl der materiell-rechtlich als auch der verfahrensrechtlichen Komponente des Grundrechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und des Art. 14 Abs. 1 GG unzulässig, eine Angebotsplanung zu betreiben und zu genehmigen, ohne dass im Gegenzug vom Planfeststellungsbeschluss eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung in einer angemessenen Zeitspanne sichergestellt wird. Diese Überprüfung wäre - je nach Sachverhalt - durch eine Regelung der Bewegungshöchstmenge, evtl. auch durch einen konkreten Regelungsvorbehalt sicherzustellen, der Entscheidungen über aktiven Lärmschutz ermöglicht, falls die Flugbewegungszahlen steigen. 33 Damit kann auch die Kluft zwischen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Akzeptanz von Lärmprognosen allein aufgrund des Luftverkehrsbedarfs zur andererseits durchgängigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die bloße gesteigerte Ausnutzung der Kapazität eines uneingeschränkt genehmigten Flugplatzes keine (genehmigungsbedürftige) Erweiterung oder Änderung ist, überwunden werden.

VI. Zusammenfassung in Thesen 1. Hinter der Gesamtkapazität eines Flughafens verbirgt sich ein komplexes Zusammenspiel von Leistungswerten aus verschiedenen Teilsystemen. Insoweit ist auch die Kapazität einer Start- und Landebahn keine statische Größe.

2. Aus dem Regelungsgehalt des luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses ergibt sich der Umfang der Kapazität eines Flughafens im Einzelfall. Sie wird definiert durch sämtliche baulich-technischen Feststellungsund Gestattungsregelungen sowie durch Betriebsregelungen, soweit diese

So jetzt auch BVerwG, Urt. vom 16.3.2006, UA S. 110 ff. So ansatzweise der Planfeststellungsbeschluss Ausbau Flughafen BerlinSchönefe1d vom 13.8.2004, S. 110 (Ordnungsziffer 5.1.9 Nr. 1). 32 33

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Regelungen zu einer Begrenzung von Flugbewegungen führen; dies gilt für luftseitige und landseitige Teilkapazitäten. 3. Soweit keine sonstigen betriebssteuernden Regelungen getroffen worden sind, stellt die Rechtsprechung maßgeblich auf die durch das luftverkehrsrechtliche Regelungsregime zugelassene luftseitige baulich-technische Kapazität ab. Ohne Bedeutung sind damit Gutachteräußerungen, Prognosen und einfache Darstellungen des Projekts in den planfestgestellten Unterlagen des Projektträgers. Nur ausdrückliche Beschränkungsregelungen sind für die Kapazitätsberechnung relevant. 4. Liegen keine Höchstrnengenbeschränkungen oder Lärmschutzkontingentierungen mit kapazitätsmindernder Wirkung vor, kann die planfestgestellte technische Kapazität vom Flughafen voll ausgeschöpft werden. Fraglich ist, ob die Betriebspflicht den Flughafen hierzu nicht sogar verpflichtet. Dann unterliegen die Betroffenen der durch § 9 Abs. 3 LuftVG angeordneten Duldungswirkung; sie können allenfalls bei Vorliegen der Voraussetzungen in § 75 Abs. 2 S. 2 LuftVG passiven Schallschutz verlangen und müssen ggf. eine Vervielfachung des Lärms bis zur Gefahrenschwelle erdulden, da sie in der Regel keinen Anspruch auf aktiven Lärmschutz haben. Das Risiko unvorhersehbarer Entwicklungen und der Zunahme des Fluglärms jenseits des Prognosehorizonts tragen die Flughafenbetroffenen. 5. Bei der unmittelbaren Inanspruchnahme von Grundstücken Dritter ist der Nachweis des Gebotenseins des Eingriffs durch eine Kapazitätsprognose zu führen. Im Hinblick auf die mit einer Überdimensionierung verbundenen Probleme der Flugsicherheit, der Schadstoffbelastung und des Lärmschutzes kann die Abwägung bei fehlender Kapazitätsprognose fehlerhaft sein. 6. Die Rechtsprechung verzichtet überwiegend auf eine Kapazitätsprognose und auch auf belastbare Begründungen für ein durch die Planfeststellungsbehörde gewähltes Kapazitätsbeschränkungskonzept. Allenfalls wird die Luftverkehrsprognose als Bedarfsanalyse dem Verfahren zugrunde gelegt. 7. Einerseits lehnt die Rechtsprechung einen Anspruch von Flughafenbetroffenen auf Höchstzahlbegrenzungen in der Praxis ab. Gleichzeitig hält sie Kapazitätsprognosen auf der Grundlage der maximalen Ausnutzung der technischen Kapazität für unzulässig und lässt bei worst-case-Betrachtungen eine Orientierung an den ,,realen Luftverkehrserwartungen" genügen. Es besteht daher die Gefahr, dass dem Flughafenunternehmer von der Behörde eine überdimensionierte luftverkehrsseitige ,,Betonkapazität" ohne Betriebsbeschränkungen zugestanden wird. 8. Mit dem Münchener Nachtflug-Urteil vom 20.4.2005 hat das Bundesverwaltungsgericht die Planung von Kapazitäten "im Vorgriff auf einen nicht absehbaren Bedarf' nicht von vornherein als rechtlich unzulässig angesehen

Die Bedeutung von Kapazitätsprognosen

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und eine ,,Angebotsplanung" aus fachplanerischer Sicht gebilligt. Damit wird die Konzeption einer irgendwie überprüfbaren Kapazitätsprognose mangels überschaubarer Prognosetatsachen ad absurdum gefiihrt. 9. Mit der Anerkennung des Grundsatzes, dass ein Bedarf sich ,,nicht nur aus einer tatsächlichen, aktuell feststellbaren Nachfrage ergeben kann", werden ,,zukunftsorientierte" Kapazitätsregelungen im Vorgriff auf unübersehbare und daher kaum bewertbare künftige Entwicklungsmöglichkeiten akzeptiert. 10.Der bundes- oder europaweite bzw. globale Wettbewerb der FlughafeIibetreiber und mögliche Notwendigkeiten zur Förderung von Marktchancen sind im Gegensatz zum Lärmschutzgebot keine verfassungsrechtlich relevanten Gesichtspunkte und dürfen nicht zu einem Dumping von Schutzansprüchen mit Verfassungsrang fUhren. 11. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Flughafenbetreiber - obwohl Privatunternehmen - überwiegend im Eigentum der öffentlichen Hand stehen und vom Gesetzgeber mit der Erfüllung einer Daseinsvorsorgeaufgabe betraut wurden. Sie können sich zumeist nicht auf Grundrechte berufen und unterliegen verwaltungsprivatrechtlichen Beschränkungen. 12. Der Schutzanspruch der Lärmbetroffenen gegenüber dem Staat gebietet es im Einzelfall, bei zunehmender Prognoseunsicherheit jenseits des Prognosehorizonts Höchstbewegungsmengen im Planfeststellungsbeschluss zu regeln, um eine Ausweitung des Verkehrs unter Ausschöpfung einer zukunftsorientierten technischen Kapazität, die sich als überzogen erwiesen hat, zu verhindern. 13. Es ist unter dem Gesichtspunkt des Grundrechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG unzulässig, eine Angebotsplanung zu betreiben, ohne dass vom Planfeststellungsbeschluss eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung in einer angemessenen Zeitspanne sichergestellt wird.

Kapazitätsanalysen in der technischen Flughafenplanung Von Dieter Faulenbach da Costa

J. Kapazitätsbestimmende Parameter 1. Literatur und Quellen

Eine DefInition der Kapazitäten, der kapazitätsbestimmenden Parameter und Anlagen erfolgt in verschiedenen internationalen und nationalen Veröffentlichungen und Regelwerken: •

International Civil Aviation Organization (ICAO): Airport Planning Manual.



International Air Transport Association (IATA): Airport Development Reference Manual.



Federal Aviation Administration (FAA): Airport Capacity and Delay



Flughafenkoordinator der Bundesrepublik Deutschland (FHKD) 2. Begriffsdefinition I a) Technische Kapazität

"Unter der Technischen Kapazität, die oft auch als »Sättigungskapazität« oder im englischen Sprachgebrauch als ,Ultimate Capacity' bezeichnet wird, versteht man die maximale Anzahl von Flugzeugbewegungen, die eine Flugbetriebsfläche (z.B.Start- und Landebahn), bezogen auf ein festgelegtes Zeitintervall, aufuehrnen kann. Dabei wird vorausgesetzt, dass eine ständige Nachfrage besteht und keine limitierenden Faktoren wirken."

I Nach Prof. Dr.-Ing. Heinrich Menson, Gutachten im Auftrag der Rhein-Ruhr Flughafen DüsseldorfGmbH, Januar 1995.

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Dieter Faulenbach da Costa

b) Praktische Kapazität

"Im Gegensatz zu der Technischen Kapazität werden bei der Praktischen Kapazität Verzögerungen berücksichtigt, die dadurch entstehen, dass der Verkehr nicht gleichmäßig über ein festgelegtes Zeitintervall (z. B. 1 Stunde) verteilt ist, sondern innerhalb eines festgelegten Zeitintervalls stochastisch auftritt, so dass sich Warte schlangen bilden. Die Differenz zwischen der Technischen und der Praktischen Kapazität kann als Kapazitätspotential verstanden werden, um Verkehrsnachfrageüberhänge abzubauen, die aufgrund nicht planbarer exogener verkehrsbetrieblicher Parameter (z. B. witterungsbedingter Verspätungen etc.) auftreten und fiir die das der Praktischen Kapazität zugrunde liegende Verzögerungsrnaß nicht mehr gewährleistet werden kann. " c) Bestimmung des Koordinationseckwertes (FHKD 2)

Zur Bestimmung des Koordinationseckwertes auf den von ihm koordinierten Flughäfen werden vom FHKD folgende Anlagen und Parameter herangezogen. •

Luftraum (Flugrouten),



An- und Abflugkontrolle,



An- und Abflugregeln (Sicht, Nicht-Präzision, Präzision),



Flugzeugmix (Staffelung),



Start- und Landebahnsystern,



Abrollwegesystern,



Rollwegesystern,



Vorfelder (Gebäude- und Außenpositionen),



Terminalkapazitäten (verschiedene Parameter),



Terminalvorfahrt,



Anbindung des Flughafens an das überörtliche Straßennetz, u.a.m.

2 FHKD im Projektteam Nachtflugverbot des Regionalen Dialogforums, DreieichSprendlingen, November 2004

Kapazitätsanalysen in der technischen Flughafenplanung

31

3. Luftseite In der Flughafenplanung wird zwischen primären, sekundären und tertiären Anlagen unterschieden.

a) Primäre Anlagen Als primäre Anlagen werden bezeichnet: •

Flugbetriebsflächen (einschließlich Pisten, Abroll- und Schnellabrollwege, parallele Rollwege, Vorfelder und Vorfeldrollwege),



Passagierterminal (einschließlich der Gebäude und Außenpositionenl, den Transfereinrichtungen, etc.) und das



Frachtterminal4 •

b) Sekundäre Anlagen Als sekundäre Anlagen werden bezeichnet: •

Wartungseinrichtungen,



Einrichtungen der Allgemeinen Luftfahrt,



Catering,



Werkstätten,



Verwaltungs gebäude,



Tanklager,



Feuerwehr,



Kontrollturm etc. c) Tertiäre Anlagen

Als tertiäre Anlagen werden bezeichnet: 3 Aufgrund von Erhebungen auf den großen europäischen Hubs können folgende Kennziffern angenommen werden: Über Gebäudepositionen können durchschnittlich 550.000 bis 600.000 Passagiere und über Außenpositionen durchschnittlich 300.000 bis 350.000 Passagier pro Jahr abgefertigt werden. 4 Für Frachtterrninals geIten folgende Kennziffern: Ohne Automatisierung können 6 Tonnen, mit Teilautomatisierung 8 bis 10 Tonnen und bei Vollautomatisierung bis zu 16 Tonnen pro m2 und Jahr Fracht abgefertigt werden.

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Dieter Faulenbach da Costa



Parkhäuser und Parkplätze,



Tenninalvorfahrt und Anbindung an das überörtliche Straßennetz,



landseitige Dienstleistungseinrichtungen wie Hotels, Tagungszentren, Einkaufszentren, etc.

Zur Berechnung der luftseitigen Kapazität werden neben den primären Anlagen auch der Flugzeugrnix, die Kapazität der Nahverkehrszone, die An- und Abflugverfahren, Gebäude- und Außenpositionen, durchschnittliche Umdrehzeiten der Flugzeuge etc. herangezogen. 4. Landseite Zur Landseite gehören neben den tertiären Anlagen auch die Flughafenanbindung, die Terminalvorfahrt und öffentlich zugängliche Einrichtungen in den Terminals. Die nachfolgende Graphik verdeutlicht die Zugehörigkeit der jeweiligen Einrichtung zur Land- oder Luftseite: Gesamtßughafen Primäre Anlagen (Luftseite)

Flugbetriebsßächen • • • •

~

••

SLB (Bemessungsflugzeug) Intersection (Belegungszeit der SLB) Rollwege (Bem. F1z und Rollzeiten) Vorfeld (Vorfeldrollweg = Bem. F1z, Positionen = F1z-Mix und Fbw.) u.a.

Sekundäre und tertiäre Anlagen (Landseite) Betriebsbereich • W~rnUlg. Caterillg. Taukfanll, etc. Flughafenzufahrt • Pax-Kap~zität (Mod.11split) TerminIIlvorfahrt • Pax-Kapazität. (Länge der Vorfaln1 uud Ebenen)

- - - - - - - - -- -- - - - - - - - -Passagiel'terminal

- WarteräWlle - Gates (Gebäude > 550.000 .,.. Außenpositionen > 350.000) Sicherheits - \md Grenzkontrollen - Gepäcksystem, Gepäckausgabe

-

·, ..,...'"c.•.·_ ·u.,.....·,.cc.

".'.

Halle Abt1ug

- Check in (Common. Flighl. Cute I/II) - Halle Ankunft ...".••...•.......

Die Graphik verdeutlicht, dass etwa 2/3 der Passagierterminalfläche in der Flughafenplanung als luftseitige Anlage betrachtet wird.

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Kapazitätsanalysen in der technischen Flughafenplanung

5. Verzögerungen Verzögerungen sind ein weiteres wesentliches Maß zur Bestimmung der praktischen Kapazität. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Verzögerungswahrscheinlichkeit und Verzögerungshäufigkeit.

a) Verzögerungswahrscheinlichkeit

Die Verzögerungswahrscheinlichkeit ist die Zeit, die erforderlich ist, um einen Flugplan innerhalb einer bestimmten Zeit (in der Regel eine Stunde) abbilden zu können. Die Verzögerungswahrscheinlichkeit wird auch als 4-MinutenVerzögerung bezeichnet5• Die Berücksichtigung der Verzögerung ist erforderlich, da Flugpläne im Fünf-Minuten-Raster erstellt werden. Ohne Berücksichtigung einer Verzögerung müssten fiir den folgenden Flugplan elf unabhängige Landebahnen zur Verfügung stehen, um den um 14.25 Uhr geplanten Verkehr abwickeln zu können. Bei der Verzögerungswahrscheinlichkeit wird nur ein Ausschnitt (eine Stunde) des gesamten Tagesaufkommens erfasst. Damit kann die 4-Minuten-Verzögerung kein Maßstab fiir die Definition der vorhandenen oder benötigten Kapazitäten sein. _- , -- ure a,.,. i "'"" =v. ~"'u I I

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