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German Pages 244 Year 2012
Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 214
Aktuelle Probleme des Luftverkehrs-, Planfeststellungsund Umweltrechts 2011 Vorträge auf den Dreizehnten Speyerer Planungsrechtstagen und dem Speyerer Luftverkehrsrechtstag vom 2. bis 4. März 2011 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
Herausgegeben von
Jan Ziekow
Duncker & Humblot · Berlin
JAN ZIEKOW (Hrsg.)
Aktuelle Probleme des Luftverkehrs-, Planfeststellungsund Umweltrechts 2011
Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 214
Aktuelle Probleme des Luftverkehrs-, Planfeststellungsund Umweltrechts 2011 Vorträge auf den Dreizehnten Speyerer Planungsrechtstagen und dem Speyerer Luftverkehrsrechtstag vom 2. bis 4. März 2011 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
Herausgegeben von Jan Ziekow
Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0561-6271 ISBN 978-3-428-13909-5 (Print) ISBN 978-3-428-53909-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-83909-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Der vorliegende Band fasst die Vorträge zusammen, die auf dem Speyerer Luftverkehrsrechtstag am 2. März 2011 und den Dreizehnten Speyerer Planungsrechtstagen vom 2. bis 4. März 2011 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer gehalten wurden. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Veranstaltungen waren Vertreterinnen und Vertreter aller Ebenen der Verwaltung, der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Rechtsanwaltschaft, von Vorhabensträgern, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Meiner Sekretärin, Frau Ruth Nothnagel, danke ich für die sachkundige Formatierung auch dieses Tagungsbandes. Darüber hinaus gebührt meinem Assistenten, Herrn Dr. Alfred Debus, Dank für die Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der Tagungen. Speyer, im März 2012
Jan Ziekow
Inhaltsverzeichnis Aktuelle Probleme der Flughafenplanung in Korea Von Hae-Ryoung Kim, Seoul ...............................................................................
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Der Schutz vor Vogelschlag im Lichte des Naturschutzrechts Von Ulrich Hösch, München .......................................................................... ....
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Fluglärmberechnung mittels realer Flugspuren Von Horst Weise, Eppstein ............................................................... .................
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„Flugrouten“ – Verfahren, Maßstäbe, Rechtsfragen Von Markus Deutsch, Bonn ....................................................................... ........
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Lärmverteilung und kommunale Belange – Abwehrrechte von Gemeinden bei der Verlegung von Flugrouten aus Lärmschutzgründen Von Thomas Mehler, Frankfurt ..........................................................................
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Die Einbeziehung des Luftverkehrs in das europäische Emissionshandelssystem Von Olaf Reidt, Berlin ............................................................. .......................... 113 Ausgewählte Entscheidungen zum Luftverkehrsrecht Von Alexander Jannasch, Leipzig ...................................................................... 131 Das Urheberrecht in der Fachplanung Von Winfried Bullinger, Berlin, und Josef-Walter Kirchberg, Stuttgart............... 149 Archäologische Bodendenkmäler in der Planfeststellung Von Petra Stark, Tübingen ................................................................................ 161
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Inhaltsverzeichnis
Legitimation durch Fachplanungsverfahren? Versuch einer diskurstheoretischen Kritik des deutschen Planungsrechts Von Tobias Lieber, Freiburg ....................................................................... ....... 177 Klagen von Vereinigungen nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz Von Bernhard Wegener, Erlangen ............................................................ ......... 189 Rechtsschutz gegen Unterlassungen nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Von Franziska Heß, Würzburg ........................................................................... 203 Kompetenzgrenzen der Planfeststellungsbehörden als Drittschutz bei Infrastrukturvorhaben Von Christian Giesecke, Köln ............................................................................ 223 Die Zuständigkeit des Eisenbahnbundesamtes in der Eisenbahnaufsicht Von Julia Elbracht, Bonn ............................................................................ ...... 235 Verzeichnis der Autoren ........................................................................................... 243
Aktuelle Probleme der Flughafenplanung in Korea Von Hae-Ryoung Kim
I. Einleitung Heutzutage ist der Neubau eines Internationalen Flughafens im Südosten von Korea ein großes Thema. In absehbarer Zeit wird die Standortentscheidung von der Zentralregierung getroffen. Bei der Standortwahl erscheint es sehr problematisch, wenn dabei die bedenklichen Interessenkonflikte beziehungsweise Debatten zwischen verschiedenen Regionen verursacht werden. Zwei Standorte werden bereits überlegt: Daduk Insel und Milyang. Die Insel Gaduk liegt in der Nähe der Hafenstadt Pusan. Milyang liegt in der Mitte der großen Städte, aber in einer Gebirgsgegend. Die Insel Gaduk hätte ein paar Vorteile: gute Fluglinie, geringe Fluglärmbelastung, gute Verkehrsverbindung mit dem Seehafen von Pusan usw. Im Gegensatz dazu hätte Milyang eine günstige Verkehrsverbindung zu den dicht besiedelten Umgebungsstädten. Die Einwohner der Stadt Daegu und der Provinz Kyungnam behaupten, dass der neue Flughafen in Milyang gebaut werden solle, weil sich dadurch ihre Gebiete schnell entwickeln könnten. Die Einwohner der Stadt Pusan sagen, dass der neue Flughafen eine für den Auslandsverkehr günstige Verbindung haben soll und daher die Gaduk Insel der beste Standort sei. Die Meinungsdiskrepanz zwischen den beiden Regionen hatte großen Einfluss auf die Politik der Zentralregierung. In Korea gibt es insgesamt 15 Flughäfen. Die zwei großen sind die Flughäfen Incheon und Kimpo internationaler Flughafen. Die anderen sind Regionalflughäfen. Da Korea ein ziemlich kleines Land ist und die Einwohnerzahl in der Provinz sinkt, werden manche Flughäfen in der Provinz schlecht betrieben. Heute findet eine heftige Debatte nur über den neuen Bau eines Flughafens im Südosten statt, weil dieser dort angesichts des Bedürfnisses nach schnellen Warentransporten ins Ausland nötig ist. Im Folgenden wird das Planungssystem für den Flughafenbau behandelt.
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II. Flughafenplanung in der Raumplanung 1. In der Raumordnungsphase Seit Anfang der 1960er Jahre wird das Raumplanungsrechtssystem in Korea eingesetzt. Die Grundstruktur des koreanischen Raumordnungsrechts basiert auf Raumordnungsplan und Stadtplan. Der Raumordnungsplan in Korea ist ein Musterplan, beziehungsweise Zielplan für die ordnungsgemäße Entwicklung des Landes für 20 Jahre, in dem die Entwicklungsstrategie und die vorgezogene Standortfrage wichtiger Großvorhaben, wie z. B. Seehäfen, Schnellbahnstrecken, Flughäfen und Atomkraftwerke niedergelegt wird. Der Raumordnungsplan wird in der jeweiligen Provinz nach dem räumlichen Charakter in Form des Regionalplans (Provinzraumplan) präzise aufgestellt. Diese Regionalpläne sind deshalb als zweite Stufen der raumordnerischen Pläne zu nennen. Die Rechtsnatur des Raumordnungsplans kann man als Verwaltungsinternum charakterisieren, weil er keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen besitzt. Dieser Raumordnungsplan soll bei den für die Raumentwicklung bedeutenden Verwaltungsentscheidungen beachtet werden. Trotz der innerbehördlichen Wirkung dieses Raumordnungsplans spielt er als ein Zielplan für die Raumentwicklung eine wichtige Rolle. Bei der Aufstellung dieses Raumordnungsplans ist es verpflichtend, die Umwelteinwirkungen des planerischen Vorhabens frühzeitig zu berücksichtigen (sog. Strategische UVP). Im Gegensatz zu diesen Vorschriften des Raumordnungsmustergesetzes ist auch die Raumordnungsklausel bei der Aufstellung von langfristigen Umweltschutzprogrammen und der fachplanerischen Festsetzung der umweltrelevanten Großprojekte zu berücksichtigen. 2. In der Stadtplanungsphase Unter dem Raumordnungsplan wird der Stadtplan in der jeweiligen kommunalen Selbstverwaltungskörperschaft aufgestellt. Diese unterstufigen raumordnerischen Pläne heißen Stadtpläne. Bei den Stadtplänen sind zwei Arten von Plänen zu unterscheiden: Stadtmusterplan und Stadtbaukontrollplan. Der Stadtmusterplan enthält das Entwicklungskonzept und die Grundsätze der Bodennutzung, die hinsichtlich seiner Funktion mit dem deutschen Flächennutzungsplan vergleichbar sind. Der Stadtmusterplan enthält die Planungsleitsätze für die Entwicklung der Stadtplanungsgebiete, die Untergliederung in Stadtplanungszonen (Wohngebiete, Gewerbegebiete, Industriegebiete und Freihaltzonen usw.).
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Im Gegensatz zu dem Stadtmusterplan ist der Stadtbaukontrollplan ein rechtskräftiger Plan, der aufgrund des Stadtmusterplans entwickelt wird. Er enthält die nach der Bodennutzungsart aufgeteilten Zonen und die vorherige Festlegung von Standorten für verschiedene Vorhaben, die innerhalb des Stadtraums gebaut werden sollen, wie Schulen, Straßen, Märkte, Parke, Häfen sowie Flughäfen (etwa 35 Vorhabensarten). Der Stadtbaukontrollplan kann Bauplanungsentscheidungen für Fachplanungen enthalten, die im Stadtgebiet geplant werden. In diesem Zusammenhang enthält die Festsetzung des Stadtbebauungsplans zwei planerische Aspekte: Sie war sowohl raumordnerische Planung als auch vorbereitende Planentscheidung für große Bauprojekte in dem Stadtgebiet. Es ist umstritten, welche Rechtsnatur dieser Stadtbaukontrollplan hat. Einige Autoren bewerten diesen Plan nur als Rechtsnorm, weil er nur abstrakte und generelle Inhalte aufweise. Aber die herrschende Auffassung in der Literatur und die Rechtsprechung des obersten Gerichts Koreas stufen den Stadtbaukontrollplan als Verwaltungsakt ein, weil er nach dem Gesetz für Stadtplanung und Bodennutzung unmittelbare Wirkung gegenüber den Bürgern hätte. Für die unmittelbare Wirkung dieses Plans wird mit folgendem Grund argumentiert: Die mit dem Stadtbaukontrollplan nicht im Einklang stehende Bodennutzung ist verboten. Diese Auffassung wird seit 1982 von dem Obersten Gericht Koreas vertreten. 3. Verzahnung der Raumplanung mit der Fachplanung Nach dem Gesetz für Stadtplanung und Bodennutzung ist es erforderlich, den Bauplan eines bestimmen Vorhabens im Stadtbaukontrollplan zu integrieren, soweit er in dem Zeitpunkt der Aufstellung vom Stadtbaukontrollplan festgesetzt wird. Aber es bedeutet nicht, dass ein bestimmtes Vorhaben nur durch Einführung in dem Stadtbaukontrollplan durchgeführt werden kann. Es ist so, dass ein festgesetzter Fachplan nach dem jeweiligen Fachplanungsgesetz den Rechtscharakter als Stadtbaukontrollplan erhält. Das bedeutet, dass ein Flughafenbauprojekt den Rechtscharakter als Stadtbaukontrollplan besitzt und daher unmittelbare Wirkung nach außen hat. Aufgrund des UVP-Gesetzes ist es verpflichtend, bei der Aufstellung des Stadtbaukontrollplans und jeweiligen Fachplans die UVP frühzeitig durchzuführen. Diese Pflicht obliegt dem Projektinhaber.
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III. Flughafenplanung nach dem Luftverkehrsgesetz (LuftVG) Nach § 94 koreanisches Luftverkehrsgesetz ist der Bau- und Verkehrsminister der Bauherr von Flughäfen, soweit nach gesetzlichen Vorschriften nichts Anderes bestimmt ist. Der Bau- und Verkehrsminister stellt den Musterplan für den Flughafenbau für je 5 Jahre auf, der die provisorischen Standorte und die Ausmaße der geplanten Flughäfen, die Betriebspläne, die Finanzierung des Flughafenbaus, das Umweltschutzprogramm, usw. enthält. Der Bau- und Verkehrsminister bestimmt den Bauherrn. Ein privater Unternehmer kann nur durch die PFI-Verträge nach PFIG als Bauherr bestätigt werden. Private Finance Initiative (PFI) ist dabei eine Form der „öffentlichprivaten Partnerschaften“ (ÖPP), die durch die Finanzierung von öffentlichen Infrastrukturprojekten mit privatem Kapital gekennzeichnet ist. Jeder, der als Bauherr eines Flughafens von dem Bau- und Verkehrsminister genehmigt wurde, soll den Durchführungsplan für den Flughafenbau vor dem Bau- und Verkehrsminister vorlegen und seine Genehmigung bekommen. Die Rechtsnatur des Durchführungsplans für den Flughafenbau ist als Verwaltungsakt zu bewerten, da er nach § 96 Nr. 1 LuftVG die gleichen Rechtswirkungen wie der Stadtbaukontrollplan nach dem Gesetz für Stadtplanung und Bodennutzung hat (sog. Konzentrationswirkung). Wenn der Bau- und Verkehrsminister den Flughafenbauplan selbst festgesetzt hat oder andere Bauherren die oben genannte Genehmigung erlassen haben, muss er diesen Plan durch die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften den Bürgern bekanntgeben. Der Bauherr kann nach dieser Bekanntmachung aufgrund § 98 LuftVG und dem Gesetz für Enteignung enteignen. Nach dem Bau des Flughafens ist es verpflichtend, dass der Bauherr die Bestätigung der Bauerledigung vom Bau- und Verkehrsminister einholt. Hinsichtlich des Planungsverfahrens für Flughäfen regelt das LuftVG nur eine Vorschrift über die Koordinierung mit kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften. D.h. bei der Aufstellung des Musterplans für den Flughafenbau soll der Bauherr die Auffassung der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften einholen. Aber es ist zweifelhaft, ob dieses Koordinierungsverfahren mit den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften die Planungshoheit der Kommunen ausreichend berücksichtigt. Da in Korea seit den 1990er Jahren durch die gegenwärtige Verfassung das kommunale Selbstverwaltungssystem eingeführt wurde, ist diese Frage bedeutsam. Soweit die kommunale Selbstverwaltungskörperschaft den Flughafenbauplan nicht verweigern kann, ist es anzuerkennen, dass die Planungshoheit der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften bei der Flughafenplanung beachtet wird.
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Im LuftVG gibt es keine Vorschrift über die Bürgerbeteiligung an der Flughafenbauplanung. Aber es wird im koreanischen Rechtssystem nicht ausgeschlossen, dass die Beteiligung des Bürgers bei der Planung von Großvorhaben ermöglicht wird. Nach dem koreanischen UVP-Gesetz ist es notwendig, bei der Planung der Großvorhaben eine UVP durchzuführen. Zu solchen Großvorhaben gehören auch die Flughäfen. Beim UVP-Verfahren muss die Planungsbehörde die Akte über die UVP den Bürgern bekanntmachen. Nach der Bekanntmachung kann jeder Bürger in die Akte Einsicht nehmen und seine eigene Auffassung gegenüber der Planungsbehörde äußern. Das oberste Gericht Koreas hatte das Einwendungs- und Akteneinsichtsrecht für die Einwohner anerkannt, die im für die UVP berücksichtigten Bereich wohnen.
IV. Das Planungsverfahren des Flughafens nach dem Sondergesetz für Förderung des Flughafenbaus im Seoul-Umland Gebiet Im Jahr 1991 wurde das Sondergesetz für Förderung des Flughafenbaus im Seoul-Umland Gebiet erlassen, um den Bau der Flughäfen erleichtern und beschleunigen zu können. Das Seoulumlandgebiet umfasst die Hauptstadt Seoul, Inchon City und die Kyung-gi Provinz. Nach diesem Gesetz soll der Bau- und Verkehrsminister den Musterplan für neue Flughäfen in diesem Gebiet aufstellen. Dieser Musterplan enthält Folgendes: x Grundzüge des Konzepts für den neuen Flughafen x Bauplan x Bauzeit x Finanzierungsplan usw. Dieser Musterplan soll 20 Tage für den Bürger ausliegen. Der Bauherr des neuen Flughafens im Seoul-Umland kann nach § 6 dieses Gesetzes grundsätzlich nur der Staat, die kommunale Selbstverwaltungskörperschaft oder eine der öffentlich-rechtlichen Flughafengesellschaften sein. Der private Unternehmer kann nur in dem Fall der Bauherr eines Flughafens werden, wenn er nach dem PFIG als Vorhabensträger anerkannt wird. Der Bau- und Verkehrsminister kann für die effektive Durchführung des Flughafenbaus im Seoul-Umland die Rechtsstellung als Bauherr auf andere Personen übertragen.
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Der Bauherr des neuen Flughafens im Seoul-Umland soll aufgrund des Musterplans für Flughafenbau den Durchführungsplan für den neuen Flughafen formulieren und vom Bau- und Verkehrsminister genehmigen lassen. Nach § 6 Abs. 2 dieses Sondergesetz soll der Bau- und Verkehrsminister folgende Faktoren überprüfen: x Anpassbarkeit des Durchführungsplans zu dem Musterplan x Gesetzmäßigkeit des Durchführungsplans für Flughafenbau x Realisierbarkeit des Finanzierungsplans x Anpassungsmöglichkeiten der PFI-Verträge usw. Im Gegensatz zum LuftVG schreibt das Sondergesetz für Flughafenneubau im Seoul-Umland keine Beteiligung der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften bei der Flughafenplanung vor. Angesichts der großen Bedeutung der Standortwahl von neuen Flughäfen für die Raumentwicklung ist es sehr wichtig, den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften eine vorherige Beteiligungsmöglichkeit zu geben. Diese Nichtbeteiligung nach dem Sondergesetz ist ein Fehler des Gesetzgebers. Mit der Festsetzung des Durchführungsplans für einen neuen Flughafen im Seoul-Umland ist anerkannt, dass alle für den Flughafenbau relevanten Verwaltungsentscheidungen nach dem jeweiligen Gesetz gleichzeitig getroffen werden (sog. Konzentrationswirkung). Wichtig sind Folgende: x Festsetzung des Stadtbaukontrollplans nach dem Gesetz für Stadtplanungund Bodennutzung x Straßenlinienführung nach Straßengesetz x Festsetzung des Flughafenbauplans nach LuftVG x Baugenehmigung nach BauG x Genehmigung für den Abfluss des Abwassers nach WasserschutzG Der Bauherr kann die für den Flughafenbau benötigten Grundstücke enteignen oder Rechte entziehen.
V. Flughafenplanung nach dem Gesetzesentwurf für Förderung des neuen Seehafen- und Flughafenbaus Im Jahr 2010 hatte die Zentralregierung einen Gesetzesentwurf für die Förderung des neuen Hafen- und Flughafenbaus vorgelegt. Hier ergibt sich die
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Frage, ob die Regelung über die beiden Großvorhaben in ein Gesetz gepackt werden kann. Nach diesem Gesetzesentwurf soll der Bau- und Verkehrsminister den Musterplan für neue Flughäfen aufstellen. Bei diesem Aufstellungsverfahren soll er sich mit den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften über den Plan abstimmen. Wenn dieser Musterplan festgesetzt wird, können alle für die Bau- bzw. Betriebsgenehmigung zuständigen Behörden nur im Einvernehmen mit dem Bauund Verkehrsminister ihre Entscheidung treffen. Der Bauherr des neuen Flughafens ist grundsätzlich nur der Staat oder eine kommunale Selbstverwaltungskörperschaft oder ein öffentliches Unternehmen nach dem LuftVG. Aber nach § 4 Gesetzesentwurf für neue Häfen und Flughäfen kann auch ein privater Unternehmer nach dem PFIG Bauherr sein. In allen Fällen soll der Bauherr von dem Bau- und Verkehrsminister als solcher bestätigt werden. Der Schwerpunkt des Gesetzesentwurfs liegt darin, die privaten Unternehmer für den Bau des neuen Flughafens heranzuziehen. Wenn ein privater Unternehmer diese Bestätigung als Bauherr erwerben will, soll er dem Bau- und Verkehrsminister einen resümierenden Bau- und Betriebsplan vorlegen (§ 5 Gesetzesentwurf). Der Plan soll folgende Inhalte enthalten: x Arten des Vorhabens x das für den neuen Flughafen benötigte Gelände und Ausmaß des Flughafens x Zeitplan der Bauarbeiten am neuen Flughafen x Finanzierungsplan und x Betriebsplan des neuen Flughafens Der Bau- und Verkehrsminister kann aufgrund der von den Bewerbern für die Bauherrenstellung eines Flughafens vorgelegten Bau- und Betriebspläne die für das Vorhaben relevanten Behörden koordinieren. Die Einführung dieser Stufe bezweckt, die rechtlichen bzw. technischen Probleme mit anderen Behörden frühzeitig zu erledigen und dadurch den Flughafenbau beschleunigen zu können. Der erfolgreiche Bewerber um die Bauherrenstellung soll den Durchführungsplan für den Bau des neuen Flughafens konkretisieren und vom Bau- und Verkehrsminister genehmigen lassen. Für die Genehmigung dieses Durchführungsplans müssen nach dem „Airport Planning Manuel of ICAO“ folgende Punkte überprüft werden:
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x Kapazität des Bauherrn x das Verhältnis zwischen Bauherrn und der finanziellen Investitur x Bauplan x jährlicher Finanzierungsplan usw. Bei dem Bau- und Verkehrsministerium wird die Überprüfungskommission für neue Flughäfen gebildet, die die oben genannten Prüfungspunkte überprüft. Diese Kommission hat nur die Funktion, das Überprüfungsergebnis dem Bauund Verkehrsminister vorzulegen. Nach der Festsetzung des Bauherrn soll der private Unternehmer nach dem PFIG den PFI-Vertrag mit dem Bau- und Verkehrsminister schließen. Dieser Gesetzesentwurf gibt dem privaten Bauherrn ein Vorzugsrecht, der die nahe dem Flughafengelände liegenden Flächen selbst entwickeln kann. Für das Auswahlverfahren des privaten Bauherrn für den neuen Flughafen schreibt dieser Gesetzesentwurf vor, dass der Bau- und Verkehrsminister den Vorschlag des privaten Bewerbers für den Flughafenbau bekanntmacht und für eine bestimmte Frist auf andere Kandidaten warten muss. Für die Überprüfung des Flughafenplans wird eine Expertenkommission beim Bau- und Verkehrsministerium gebildet. Nach § 27 dieses Gesetzesentwurfes kann der Bau- und Verkehrsminister die entwicklungsfördernden Gebiete festsetzen, die in der Umgebung des für Flughafenbau beabsichtigten Geländes liegen. In diesen entwicklungsfördernden Gebieten kann der Bau- und Verkehrsminister sich ungeachtet des Stadtbaukontrollplans nach dem Gesetz für Stadtplanung und Bodennutzung einen eigenständigen Stadtentwicklungsplan aufstellen, um den Bau des neuen Flughafens zu fördern.
VI. Schutzmaßnahme gegen Fluglärm Der Bau- und Verkehrsminister kann nach § 107 LuftVG die Lärmschutzmaßnahme beim Flughafen selbst vornehmen oder durch den Betriebsinhaber des Flughafens durchführen lassen. Üblicherweise wird diese Schutzmaßnahme gegen den Fluglärm von dem Betriebsinhaber, d.h. den öffentlichen Unternehmer (Inchon Flughafen Gesellschaft oder Korea Flughafen Gesellschaft), durchgeführt. Der Bau- und Verkehrsminister muss die Lärmschutzzone und den Lärmstandard aufgrund der Rechtsverordnung vom Staatspräsident festsetzen, wo die Lärmschutzmaßnahme durchgeführt werden soll. Die Provinzverwaltung
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kann in den oben genannten Lärmschutzzonen den Bürgern Wohnungsbau bzw. wirtschaftliche Tätigkeiten verbieten. Der Lärmstandard hängt von der Art des Flughafenbetriebs ab. Bei dem Betrieb des Flugzeugs muss der Flugzeugführer die lärmvermeidenden Maßgaben beachten. Der Bau- und Verkehrsminister kann den Betrieb des Flugzeugs verbieten oder von dem Betriebsinhaber des Flugzeugs die Lärmabgaben kassieren, soweit die Lärmbelastung durch den Flug die von der Internationalen privaten Flugorganisation geregelte Lärmstandards überschreitet (§ 108-2 Abs. 2 LuftVG) Die Fluglärmschutzmaßnahmen nach LuftVG sind nicht ausreichend, weil die Festsetzung der Fluglärmschutzzone trotz des zunehmenden Flugbetriebs und der dadurch erhöhten Fluglärmbelastung auf die nahegelegenen Wohngebiete nicht angepasst werden müssen. Unter diesen Umständen hat die Zentralregierung Koreas im Jahr 2008 einen Gesetzesentwurf für Fluglärmschutz und finanzielle Hilfe der Fluglärmbetroffenen erlassen. Nach diesem Gesetzesentwurf sollen drei Stufen von Fluglärmschutzzonen unterschieden und der Lärmstandard nach Arten der Lärmschutzzone festgesetzt werden. Dies unterscheidet sich von den Lärmschutzmaßnahmen nach dem geltenden LuftVG. Nach § 6 dieses Gesetzentwurfs muss der Bau- und Verkehrsminister für 5 Jahre den mittelfristigen Fluglärmbekämpfungsplan feststellen, und der Flughafenbetreiber muss nach diesem Fluglärmbekämpfungsplan einen jährlichen Betriebsplan formulieren und dem Bau- und Verkehrsminister vorlegen. Dieser Betriebsplan enthält folgende Angaben: x Betriebsplan der Verminderung des Fluglärms x Finanzhilfe für lärmbelästigte Personen x erwartende Einwirkung von Lärmschutzmaßnahmen x Einstellungsplan der Messgeräte des Fluglärms usw. In dem Gesetzesentwurf gibt es eine Sondervorschrift, wonach für die auf eigene Gefahr die Fluglärmbelästigung hinnehmenden Personen keine Hilfe für Lärmschutz zu leisten ist. Z. B. wenn ein Gebäude nach der Festsetzung der Fluglärmschutzzone neu eingebaut wird, kann keine Lärmschutzmassnahme, z.B. Geldzuschüsse für Lärmschutzfenster, verlangt werden. Bei dem Gesetzesentwurf gibt es einige Vorschriften, die den Entschädigungsanspruch der Fluglärmbetroffenen in der Lärmschutzzone anerkennen. Daher kann er die Umzugskosten verlangen, wenn er vor der Festsetzung Lärmschutzzone Stufe 1 sein Wohnhaus besessen hatte und dann aus dieser
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Zone wegziehen will. Und die Eigentümer im Bereich der Fluglärmschutzzone Stufe 1 können von dem Flughafenbetreiber verlangen, ihr Eigentum zu kaufen. Nach § 23 Gesetzesentwurf soll eine Kommission für Fluglärmbekämpfung bei dem jeweiligen Flughafen errichtet werden, die über die Fluglärmschutzmaßnahme bzw. die dafür benötigte Finanzierung berät.
VII. Rechtsprobleme bei der Flughafenplanung 1. Mangelnde Bürgerbeteiligung Wie oben erwähnt wird, finden die wichtigen Entscheidungen für die Flughafenplanung nicht in einem öffentlichen Verfahren, sondern in einem verwaltungsinternen Überprüfungsprozess statt. Es ist so, weil es für die Flughafenplanung – außer dem UVP-Verfahren nach Gesetz für UVP – kein Verfahren nach dem LuftVG Koreas gibt. Bei der Aufstellung des für die Flughafenplanung bedeutsamen Stadtplans ergibt sich auch das Problem, weil in manchen Fällen nicht ausreichende UVP stattfinden können. Insbesondere ist es nicht selten, dass bei von der öffentlichen Hand durchgeführten Projekten die UVP mangelhaft durchgeführt wird. Dies passiert in der Regel, weil der Kontrolleur sich selbst nicht gut kontrollieren kann. So ist es passiert, wenn die Aufsichtsbehörde selbst der Bauherr eines Vorhabens ist. Unter diesen Umständen wird deutlich, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung an der Planungsentscheidung bei umwelt- und raumrelevanten Vorhaben sehr wichtig ist. In der jüngeren Zeit wurden in Korea bei einigen wichtigen Bauvorhaben, wie z.B. Schnellbahnstrecken, Staudämme, wegen der fehlenden Durchführung der UVP sehr schwierige Rechtsstreitigkeiten zwischen der öffentlichen Hand und den Bürgern bzw. Umweltverbänden ausgetragen. In dem jeweiligen Planungsverfahren in Korea ist es nicht leicht für den Bürger, die Informationen bzw. Dateien über die von der Verwaltung durchzuführenden Großvorhaben zu bekommen und dadurch ihre Rechte und Interessen verteidigen zu können. Dabei besteht kein großer Unterschied, ob in dem jeweiligen Gesetz Beteiligungsmöglichkeiten, wie Akteneinsicht- oder Einwendungsrecht des Bürgers, vorgeschrieben werden oder nicht. In manchen Fachplanungen findet eine sog. „Anhörung in der Öffentlichkeit“ statt, an der normale Bürger teilnehmen können. Aber das echte Problem ist dabei, dass die normalen Bürger eine nur sehr knappe Gelegenheit erhalten, ihre eigenen Auffassungen zu sagen. Bei diesem Anhörungsverfahren gibt das Verfahrensprogramm nur den paar wenigen Experten die Gelegenheit, ihre Meinung zu sa-
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gen. D.h., dass es nur eine sehr geringe Chance für die von dem Vorhaben Betroffenen gibt, ihre eigene Meinung zu äußern.
2. Schwache Rechtsschutzmöglichkeit § 3 KVwGO schreibt folgende vier Arten von Klagen bzw. Streitigkeiten vor: x Klage gegen Verwaltungsakte x Partei-Klage um Streitigkeiten über öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse x Organstreitigkeiten und x Popularklage Die koreanische VwGO enthält kein verwaltungsgerichtliches konkretes Normenkontrollverfahren. Die Streitigkeit über die öffentlich-rechtlichen Verträge kann man mit der Parteiklage vor dem Verwaltungsgericht austragen. Demgegenüber zerfällt die Klage gegen die Verwaltungsakte nach § 4 KVwGO in drei verschiedene Klagearten, die alle als Beschwerdeklage (Hango-Sosong) bezeichnet werden: x Aufhebungsklage, die auf Aufhebung des Verwaltungsaktes zielt x Feststellungsklage, die auf die Feststellung der Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit des Verwaltungsaktes zielt, und x Feststellungsklage auf Bestehen der Verpflichtung zum Tätigwerden der Behörde Trotz der Unterschiede zwischen diesen drei Klagebegehren werden sie im Rahmen der Beschwerdeklage in § 4 KVwGO geregelt. Weil nach KVwGO die verwaltungsrechtliche Anfechtungsklage nur gegenüber Verwaltungsakten anerkannt ist, wurde schon früher zur Erweiterung der Klagemöglichkeit der Versuch unternommen, den Begriff des Verwaltungsaktes auszudehnen. § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVwGO, der bei der Novellierung von 1984 erneut eingeführt wurde, definiert, dass „die Verwaltungsakte (Cheobun) die Ausübung oder Nichtausübung der öffentlichen Gewalt durch Verwaltungsbehörde als Anwendung der Rechtsnormen in konkret-einzelnen Fällen und das übrige Verwaltungshandeln, das dem oben genannten Begriff entspricht, sowie der Widerspruchsbescheid beim Widerspruchsverfahren sind“. Diesen Begriff des VA bezeichnet man in Korea allgemein als Verwaltungsakt im Sinne des Verwaltungsprozessrechts.
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Die wichtigsten Klagearten gegenüber der Verwaltung sind die Anfechtungsklagen, die nur gegenüber Verwaltungsakten erhoben werden können. Es ist umstritten, ob nach KVwGO die Möglichkeit besteht, eine atypische Anfechtungsklage (mit anderen Worten Anfechtungsklage anonymus) – wie z. B. Klage auf Unterlassung eines VA – einzuführen, die die KVwGO nicht ausdrücklich vorsieht. Nach den Befürwortern dieser Meinung könnte man mit verschiedenen Begehren vor Gericht gehen, soweit die Vorschriften der KVwGO nicht entgegenstehen. Das koreanische oberste Gericht lehnt diese Auffassung mit der Begründung ab, dass nur die ausdrücklich bestimmten Klagearten den Bürger Rechtssicherheit geben würden. Das heißt, dass das Gericht den numerus clausus der Klagearten der KVwGO erhalten will. Unter diesen Umständen sind in Korea folgende Klagearten im formellen Sinne fremd: also die allgemeine Leistungsklage, die Fortsetzungsfeststellungsklage, die vorbeugende Klage, die Verpflichtungsklage und die verwaltungsgerichtliche abstrakte Normkontrolle. Da in Korea nur bei bereits erteilten VA die Anfechtungsklage erhoben werden kann, ist die vorbeugende Unterlassungsklage unbekannt. Das heißt, dass die KVwGO nicht die Gewährung vorbeugenden, sondern nur die Gewährung nachgelagerten Rechtsschutzes kennt. Nach koreanischer Verfassung ist die Überprüfung der Vereinbarkeit von Rechtsnormen mit höherangigem Recht eine Sache des Verfassungsgerichts oder des Obersten Gerichts Koreas. Das heißt, dass die Zuständigkeit der Normenkontrolle auf zwei Gerichte verteilt ist. Nach koreanischer Verfassung ist das Verfassungsgericht neben der Verfassungsbeschwerde für die Überprüfung von Gesetzen und deren Vereinbarkeit mit der Verfassung zuständig. Das Oberste Gericht Koreas ist nach Art. 107 Abs. 2 der koreanischen Verfassung für die Überprüfung von untergesetzlichen Normen und deren Vereinbarkeit mit höherrangigen Rechtsnormen zuständig. Das Normenkontrollverfahren setzt auf jeden Fall in Korea die Durchführung der bestimmten verwaltungsgerichtlichen Klage voraus. Das heißt, dass in Korea nur konkrete Normenkontrollverfahren bestehen. Heutzutage spielt die Verfassungsbeschwerde in Korea anstatt des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes eine große Rolle. Diese Verfassungsbeschwerden könnten nach § 68 Abs. 2 des Verfassungsgerichtgesetzes anerkannt werden, wenn das Grundrecht des Bürgers durch den hoheitlichen Akt der Verwaltungsbehörde verletzt wird und keine Rechtsschutzmöglichkeit beim Verwaltungsgericht vorhanden ist. Die Rechtsschutzschutzmöglichkeit gegen eine Flughafenplanung wird in Abhängigkeit ihrer Rechtsnatur eröffnet. In Korea kann man nach koreani-
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schem Verwaltungsprozessrecht gegen einen Verwaltungsakt die Anfechtungsklage erheben. Deshalb ist es sehr sinnvoll, wenn der Flughafenplan den Charakter eines VA hat. Da das koreanische Oberste Gericht nur den Stadtbaukontrollplan nach dem Gesetz für Stadtplanung und Bodennutzung und den Durchführungsplan nach dem jeweiligen Fachplanungsgesetz als VA bewertet hat, kann man nur gegen den Flughafenbauplan und den Durchführungsplan nach LuftVG die Anfechtungsklage erheben. In Korea sind die verwaltungsgerichtliche Verpflichtungsklage und Leistungsklage unbekannt. Gegen eine Rechtsverordnung ist in Korea die konkrete Normenkontrolle möglich. Deshalb kann man nur mit der Anfechtungsklage geltend machen, dass die dem VA zugrunde liegende Rechtsnorm verfassungswidrig ist oder sie mit höherrangigen Rechtsnormen nicht in Einklang steht. Die Klagebefugnis nach § 12 koreanischer VwGO ist dann anerkannt, wenn man durch den Verwaltungsakt in seinen eigenen Rechten und Pflichten verletzt wird (sog. Rechtsschutznormtheorie). Es gibt keine besondere Vorschrift für die Verbandsklage. Im Zusammenhang mit der Flughafenplanung beziehungsweise dem Flughafenbetrieb gab es bis heute nur eine Rechtsstreitigkeit. Das war die zivilgerichtliche Klage auf die Entschädigung wegen des Fluglärms vom Flughafen Kimpo Ende der 1980er Jahre. Es gibt bis heute keine Klage in Korea gegen die Flughafenplanung. Fast alle Rechtsstreitigkeiten über die Großvorhaben wurden ab Anfang der 1990er Jahre eingeleitet, in denen die Demokratisierung des Landes nach geltender Verfassung verwirklicht wird. Die nennenswerten Rechtsstreitigkeiten gegen Großvorhaben sind die Klage gegen die Schnellbahnstrecke Chon-sung Gebirge in der Kyungnam Provinz und gegen den Staudammbau Se-Mangum in der Chunra Provinz. Die Streitgegenstände in beiden Klagen waren die nicht ausreichende UVP. Die Kläger waren Einwohner von Gebieten, in denen die UVP durchgeführt worden war, und die Umweltschutzverbände. Das oberste Gericht Koreas hatte die Klagebefugnis der Umweltschutzverbände aus dem Grund nicht anerkannt, dass keine eigenen rechtlich geschützten Interessen verletzt seien. Diese beiden Klagen wurden abgewiesen, weil das koreanische Oberste Gericht dem Bauherrn (die Planungsbehörde) eine sehr weite Gestaltungsfreiheit mit Planungsermessen zugebilligt hatte.
Der Schutz vor Vogelschlag im Lichte des Naturschutzrechts Von Ulrich Hösch
I. Einleitung Der Vogelschlag (Zusammenstoß von Luftfahrzeugen mit Vögeln) ist ein nicht unbedeutendes Problem für die (zivile) Luftfahrt und den Betrieb von Flughäfen 1 . In jüngerer Zeit haben die Beschädigung einer Boeing 737-700 am 6. April 2010 am Flughafen Hamburg durch eine Bläßgans 2 und die Notlandung eines Airbus der US Airways im Hudson River am 15. Januar 2009 aufgrund einer Kollision mit Wildgänsen sowie die Kollision einer Boeing 737800 in Rom Ciampino am 10. November 2008 für Aufsehen gesorgt 3 . Kollisionen mit Vögeln können bei Luftfahrzeugen Triebwerksausfälle und Verletzungen der Cockpitinsassen aufgrund eines Durchschlagens der Cockpitscheiben bewirken 4 . Vogelschlagereignisse gehören gemäß § 5b LuftVO in Verbindung mit Anlage 6 Nr. 7 b) zu den dem Luftfahrt-Bundesamt zu meldenden sicherheitsrelevanten Ereignissen. Erweist sich der Vogelschlag so einerseits als eine Aufgabe der Gefahrenabwehr, ist andererseits festzustellen, dass naturschutzrechtliche Anforderungen zur Ausweisung von Europäischen Vogelschutzgebieten innerhalb und in der unmittelbaren Umgebung von Verkehrsflughäfen geführt haben 5 . Maßnahmen zur Verhütung des Vogelschlags sind ___________ 1 Vgl. etwa Morgenroth-Branczyk, Gutachten zur biologischen Flugsicherheitssituation am Flughafen München, 2007, S. 18/19 (https:/www.muc-ausbau.de/downloads/Gutachten_PFV/13_VSG_1 Vogelschutzgutachten_pdf). 2 Vgl. BFU-Untersuchungsbericht PX0003-10. 3 Vgl. die DAVVL-Liste vogelschlagbedingter Unfälle http://www.davvl.de/de/vogelschlag/flugunf%C3%A4lle (Aufruf am 25.01.2011). 4 Einen Überblick für die Jahre 1912 bis 2002 gibt das International Bird Strike Committee, Fatalities and Destroyed Civil Aircrafts due to Bird Strike 1912-2002, S. 1 bis 28 (IBSC-26/WP-SA1); siehe auch Frischbier, Vogelschlag – eine Stoßbelastung in der Auslegung von Flugtriebwerken, Vogel und Luftverkehr 2007, S. 5 ff. 5 Vgl. Bay. GVBl. 2008, S. 486 ff. DE 7637-471 (Nördliches Erdinger Moos) für den Verkehrsflughafen München; Hess. VGH, Urt. vom 21. August 2009 – 11 C
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unter diesen Umständen nicht nur an den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten des § 44 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 BNatSchG zu messen, sondern haben auch die Schutzzwecke der entsprechenden Natura 2000-Gebiete zu berücksichtigen. In dem Beitrag geht es um die „Abstimmung“ zwischen Gefahrenabwehr und Naturschutz und die hieraus folgende Rolle für den Flughafenbetreiber und die Luftaufsichtsbehörde.
II. Rechtlicher Rahmen Das Sicherheitsrecht unterscheidet konkrete und abstrakte Gefahren. Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden muss. Maßgeblich ist dabei die ex-ante-Beurteilung des mit der Gefahrenabwehr Beauftragten. Dagegen handelt es sich um eine abstrakte Gefahr, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Verhaltensweisen oder Zustände zu dem Ergebnis führt, dass bei ihrem Vorliegen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt 6 . Im Fall der abstrakten Gefahr besteht daher Anlass, dieser mit generellabstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz, etwa einer Polizeiverordnung, entgegen zu treten. Entsprechend kann auf den Nachweis der Gefahr eines Schadenseintritts im Einzelfall verzichtet werden. Der Unterschied „konkret“/„abstrakt“ bezieht sich nicht auf das Ausmaß der konkreten Gefährdung, sondern darauf, ob es sich um einen Einzelfall handelt oder einen regelmäßig wiederkehrenden Fall. Dagegen ist die theoretische Möglichkeit eines Schadens als (Rest-)Risiko von der Gefahr zu unterscheiden 7 . In diesem Fall ist der Eintritt eines Schadens zwar praktisch, aber nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen 8 . Beim Vogelschlag wird die Höhe des Risikos u.a. durch das Gewicht der Vögel oder ihre Neigung zum Auftreten in Schwärmen bestimmt. Vogelschläge ereignen sich überwiegend während der Start- oder Landephase von Luftfahrzeugen bei Flughöhen unter etwa 3.000 Meter (10.000 Fuß) und verursachen jährlich nicht unerhebliche Schäden 9 . Der Vogelschlag ist (auch) ___________ 318/08. T – für den Verkehrsflughafen Frankfurt; vgl. auch OVG Rheinland Pfalz, Urt. vom 8. Juli 2009 – 8 C 10399/08.OVG –; kritisch Schillhorn, Europäischer Vogelschutz und Verkehrsflughäfen, ZLW 2010, S. 216 ff.; Albrecht/Esser, Zur Eignung von Flughafenflächen als EU-Vogelschutzgebiet, Vogel und Luftverkehr 2007, S. 50 ff. 6 BVerwG, Urt. vom 26. Juni 1970 – IV C 99.67 – Juris RdNr. 14. 7 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehrrecht, 9. Aufl., S. 163. 8 BVerfG, Beschl. vom 8. August 1978 – 2 BvL 8/77– Juris RdNr. 119/120. 9 Richtlinien zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr vom 13. Februar 1974, NfL I-123/74, Vorbemerkung; s.a. KG Berlin, Urt. vom 30. April 2009 – 8 U 15/09 – Juris RdNr. 5: Vogelschlag als typisches Problem des Luftverkehrs steht in ei-
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eine abstrakte Gefahr, die, da er generell im Zusammenhang mit dem Betrieb von Flughäfen auftritt, eine generell-abstrakte Regelung rechtfertigen würde. Eine verbindliche sicherheitsrechtliche Regelung zur Abwehr von Vogelschlag fehlt. Der Vogelschlaggefahr wird durch Einzelmaßnahmen des Betreibers oder aufgrund von planerischen Maßgaben in den Zulassungsentscheidungen entgegen getreten 10 . 1. Sicherheit Vogelschlagereignisse können sowohl ein Risiko für die Sicherheit des Luftverkehrs begründen als auch weitergehend eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch die Luftfahrt darstellen, soweit Dritte von dem Absturz eines Luftfahrtzeugs betroffen sind 11 . § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG weist die sicherheitsrechtliche Aufgabe der Luftaufsicht (Abwehr von betriebsbedingten Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt) den Luftfahrtbehörden und der für die Flugsicherung zuständigen Stelle zu 12 . Satz 2 enthält die erforderliche Befugnis, Verfügungen zu erlassen 13 . Die Einschränkungen aus Satz 3 haben im Zusammenhang mit dem Vogelschlag keine Bedeutung. Spezielle Befugnisse, die den Vogelschlag betreffen, enthält die Vorschrift nicht; es bleibt bei der „allgemeinen“ Befugnisnorm, in Ausübung der Luftaufsicht Verfügungen erlassen zu können. Neben der hoheitlichen Aufgabe der Gefahrenabwehr stehen die Betreiberpflichten des Flughafenunternehmers. Der Flughafenunternehmer hat den von ihm betriebenen Verkehrsflughafen in betriebssicherem Zustand zu erhalten und ordnungsgemäß zu betreiben, § 45 Abs. 1 Satz 1 LuftVZO. Die Erhaltung des betriebssicheren Zustandes umfasst auch die notwendige Verhütung von Vogelschlägen und Wildschäden. § 45 Abs. 1 Satz 1 LuftVZO ist eine Unter___________ nem betrieblichen Zusammenhang und stellt keine höhere Gewalt dar; LG Düsseldorf, Urt. vom 8. August 2008 – 22 S 378/07 –; LG Darmstadt, Urt. vom 1. August 2007 – 21 S 263/08 – Juris RdNr. 21: Vogelschlag als entlastender außergewöhnlicher Umstand i.S.v. Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 261/2004; zu Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 261/2004 vgl. auch EuGH, Urt. vom 22. Dezember 2008 – Rs. C-549/07; OLG Hamm, Urt. vom 11. Februar 2004 – 13 U 194/03 – Vogelschlag durch Brieftaube, ca. 10.500 € Schaden als Fall der Tierhalterhaftung. 10 HMWVL, Planfeststellungsbeschluss vom 18. Dezember 2007, A XI 2.1 (S. 128/129). 11 Vgl. BVerwG, Beschl. vom 5. Oktober 1990 – 4 B 249/89 –, Juris RdNr. 83 ff.; VGH Ba-Wü, Urt. vom 19. Juni 1989 – 5 S 3175/87 –, UA, S. 44: Bewertung des Risikos eines Triebwerksausfalls durch Vogelschlag beim Durchstarten. 12 So auch Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 29 RdNr. 3. 13 Hierzu allgemein Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 29 RdNr. 9 ff.
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nehmerpflicht, deren Missachtung die Zuverlässigkeit des Flughafenbetreibers berühren kann. Die Vorschrift gibt den Flughäfen aber keine hoheitlichen Befugnisse. Die Verpflichtung trifft ihn nur im Rahmen der ihm (rechtlich wie tatsächlich) zur Verfügung stehenden Möglichkeiten als Anlagenbetreiber. Unabhängig von der mit § 29 Abs. 1 LuftVG verfolgten Aufgabe der Gefahrenabwehr besteht die Notwendigkeit der planerischen Problembewältigung bei der Genehmigung und/oder Planfeststellung von Flughäfen, die auch zur Regelung von Betreiberpflichten führen kann. § 6 Abs. 2 Satz 3 LuftVG verlangt bei der Wahl eines Flughafenstandortes die Versagung der luftrechtlichen Genehmigung, wenn das für den Flugplatz in Aussicht genommene Gelände ungeeignet ist oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet wird. Eine solche mangelnde Eignung kann auch aus der örtlich bedingten Gefahr durch Vogelschlag resultieren 14 . Aus § 6 Abs. 2 Satz 3 LuftVG folgt, dass die Auswahl eines Flughafenstandortes im Hinblick auch auf die Frage der Vogelschlaggefahr eine planerische Frage ist. § 9 Abs. 2 LuftVG, § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG eröffnen die Möglichkeit, ggf. Verpflichtung, entsprechende Maßnahmen als Nebenbestimmungen festzusetzen. Unter Umständen kann eine fehlende Eignung des Geländes durch „geeignete Maßnahmen“, z.B. der Biotopgestaltung, hergestellt werden. Die Maßnahmen zur Abwehr der Vogelschlaggefahr bestimmen die Geländeeigenschaft sowohl im Sinne der Widmung zur öffentlichen Verkehrseinrichtung als auch die aus dieser Widmung resultierende etwaige Eignung der Fläche für Zwecke des Naturschutzes. a) Die BMV-Richtlinien zur Verhütung von Vogelschlägen Zur Konkretisierung der Verpflichtungen aus § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG, § 45 Abs. 1 Satz 1 LuftVZO hat der Bundesminister für Verkehr am 13. Februar 1974 Richtlinien zur Verhütung von Vogelschäden im Luftverkehr (im Folgenden: BMV-Richtlinien) erlassen. Unter Ziff. II. der BMV-Richtlinien heißt es, dass die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt gemäß § 29 LuftVG und die sichere und ordnungsgemäße Durchführung des Flughafenbetriebes gemäß § 45 Abs. 1 LuftVZO auch auf die Verhütung von Schäden im Luftverkehr durch Vogelschläge ausgerichtet sein müssen. Der Flughafenunternehmer soll unter Beteiligung der zuständigen Naturschutzbehörde und des Deutschen Ausschusses zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr (DAVVL) ein Gutachten über die ökologischen Verhältnisse des Flughafenge___________ 14 Hess. VGH, Urt. vom 21. August 2009 – 11 C 227/08.T u.a. –; Juris RdNr. 1180; Hess. VGH, Urt. vom 17. Juni 2008 – 11 C 2089/07.T –, Juris RdNr. 205; BVerwG, Beschl. vom 25. März 2009 – 4 B 63.08 –, Juris RdNr. 9.
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ländes und der für Maßnahmen nach der BMV-Richtlinien in Betracht kommenden Umgebung des Flugplatzes einholen 15 . Das Biotopgutachten betrifft die Eignung des als Flugplatz gewidmeten Geländes und dient der Bestimmung der erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung/Verbesserung dieser Eignung. Das „Biotopgutachten“ stellt seiner Intention nach keine ökologische Untersuchung – wie etwa die (avi)faunistische Grundlagenerhebung im Rahmen eines Landschaftspflegerischen Begleitplans – dar, sondern dient der Ermittlung von „biologischen“ Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs und unterbreitet Vorschläge für ihre Beseitigung. Sein Zweck ist auf die „Beeinträchtigung“ der bestehenden ökologischen Situation zugunsten der Verbesserung der Sicherheit gerichtet. Mögliche Maßnahmen sind unter Nr. IV. 1. und 2. der BMV-Richtlinien aufgezählt. Sie betreffen im Wesentlichen die Gestaltung der Flächen innerhalb des Flughafengeländes. Es soll eine „tierfeindliche“ Gestaltung gewählt werden, um die Attraktion des Flughafengeländes für die Tiere, die eine flugsicherheitsrelevante Gefahr begründen können, unattraktiv zu machen. Nr. IV. 3. fordert neben einer effektiven Flughafenumzäunung die Durchführung von „besonderen Maßnahmen“, wie den Abschuss von Wild, die Beseitigung von Nistplätzen und den Fang sowie die Aussiedlung von Vögeln. Ausdrücklich heißt es in Satz 3: „Um den Vogel- und übrigen Tierbestand wirksam unter Kontrolle halten zu können, sollte der Flughafenunternehmer grundsätzlich mit den zuständigen Jagdbehörden eine besondere, den Sicherheitserfordernissen der Luftfahrt Rechnung tragende Regelung für die Jagdausübung treffen.“
Während Nr. IV. Maßnahmen auf dem Flughafengelände beschreibt, erfolgt eine Beschreibung für Maßnahmen, die in der Umgebung von Flughäfen durchzuführen sind, unter Nr. V. Die maßgeblich zu betrachtende Fläche wird auf der Grundlage der inneren und äußeren Hindernisbegrenzungsflächen 16 ermittelt. Die dort vorgeschlagenen sechs verschiedenen Maßnahmen richten sich grundsätzlich auch auf eine Biotopgestaltung. Auch auf diesen Flächen sollten die jagdrechtlichen Belange mit den zur Verringerung des Vogelbesatzes erforderlichen Maßnahmen abgestimmt werden. Gegebenenfalls sei anzustreben, dass eine elektroakustische Vogelvergrämung durchgeführt wird und als besonders gefährdend anzusehende Vogelarten im erhöhten Maß bejagt, gefangen, ausgesiedelt oder ihrer Nistplätze beraubt werden. Betrachtet man die Umgebung der Flughäfen Frankfurt, München oder Köln, dann scheint die Umsetzung des „Auftrags“ der Nr. V der BMV-Richtlinien gründlich misslungen zu sein. Diese Flughäfen sind von Europäischen Vogelschutzgebieten um___________ 15 16
Nr. III der BMV-Richtlinien. Vgl. Anlage 1 der BMV-Richtlinien.
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geben, also Flächen, die sich als die „geeignetsten“ Habitate für die jeweiligen Erhaltungszielarten erweisen. Die Maßnahmen außerhalb des Flugplatzgeländes erweisen sich bei ihrer Durchführung für den Flughafenbetreiber jedenfalls dann als problematisch, wenn er mangels Grundstückseigentums keine Zugriffsmöglichkeiten hat. Seine Betreiberpflichten enden regelmäßig dort, wo sich seine auf Eigentum gestützten Handlungsmöglichkeiten bzw. auf eine hoheitliche Erlaubnis stützenden Berechtigungen erschöpfen. Inwieweit die jeweils zuständigen Behörden die Möglichkeit haben, den Risiken des Vogelschlages bei ihren Entscheidungen Rechnung zu tragen, ergibt sich aus der Richtlinie nicht. Jedenfalls fehlt es an einer § 12 Abs. 2 und Abs. 3 LuftVG entsprechenden Bestimmung für Maßnahmen der Tiervergrämung. Dies hat der Richtliniengeber erkannt und daher in einem Nachtrag klargestellt, dass die Maßnahmen innerhalb des Flughafengeländes vom Flughafenunternehmer durchgeführt werden. Dagegen könne ihm die Wahrnehmung dieser Aufgabe außerhalb des Flughafengeländes mangels Befugnisse des Unternehmers nicht auferlegt werden 17 . Dies entspricht dem Prinzip des Verwaltungsverfahrensgesetzes, von dem Adressaten eines Verwaltungsaktes, nicht ihm etwas nicht Mögliches abzuverlangen, § 44 Abs. 2 Nr. 4 bis 6 VwVfG 18 . Im Ergebnis ist diese Entwicklung jedenfalls dann unerfreulich, wenn sie Risiken für die Sicherheit des Luftverkehrs begründet. Die zweifelhafte Konsequenz aus dieser Konstellation könnte allerdings die Notwendigkeit der Beschränkung des Flugbetriebes sein, nämlich wenn es an der notwendigen Eignung des Geländes fehlt, § 6 Abs. 2 Satz 4 LuftVG. Die BMV-Richtlinien konkretisieren mögliche Betreiberpflichten, die dem Flughafenunternehmer von der zuständigen Luftaufsicht auferlegt werden können, legen diese aber nicht fest. Ebenso enthalten sie abstrakte Regelungen zur Gefahrenabwehr als hoheitliche Aufgabe. Sie füllen die Ermächtigung von § 29 Abs. 1 LuftVG lediglich durch die Beschreibung von Maßnahmen, die Gegenstand einer Anordnung durch die Luftaufsicht gegenüber dem Flughafenbetreiber sein können. Der Erlass einer „Richtlinie“ genügt nicht der Aufgabe der Gefahrenabwehr. In der Normenhierarchie könnte eine solche Richtlinie höchstens als Verwaltungsvorschrift eingeordnet werden. Hierzu müsste sie aber den Anforderungen des Art. 85 Abs. 2 GG genügen. Dies gilt für die BMVRichtlinien mangels Beteiligung des Bundesrats an ihrem Erlass nicht. Da die Luftverkehrsverwaltung gemäß Art. 87 Abs. 2 GG den Ländern durch das Luftverkehrsgesetz als Auftragsverwaltung übertragen ist, ist der Bund auf das Instrumentarium des Art. 85 GG beschränkt. Der Flughafenunternehmer wird ___________ 17 18
Schreiben des BMV vom 3. April 1986 – LR 11/62.10.09/22 Ver 1985, S. 2. Vgl. Meyer, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Aufl., § 44 RdNr. 38, 39.
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bei der Wahrnehmung der Vogelschlagabwehr als Privater tätig. Er bedarf einer öffentlich-rechtlichen Ermächtigung, um Rechte Dritter in Anspruch zu nehmen 19 oder von anderen öffentlich-rechtlichen Vorgaben – wie etwa dem Artenschutz – abzuweichen. Die Inhalte der Richtlinie können aber für jeden Flughafen durch die für ihn jeweils zuständige Aufsichtsbehörde in einem Verwaltungsakt konkretisiert werden. Entsprechend sind auch Verfügungen der Behörde, die sich inhaltlich auf die BMV-Richtlinien stützen, immer im Hinblick auf ihre Umsetzbarkeit durch den Flughafenbetreiber zu beurteilen, etwa wenn Rechte Dritter in Rede stehen. b) Die Vorgaben der ICAO Das ICAO-Abkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der in der Bundesrepublik die Qualität eines einfachen Gesetzes hat 20 . Die 18 Anhänge zum ICAO-Abkommen erlangen über das Verfahren nach Art. 37, 38, 54 und 90 ICAO-Abkommen Verbindlichkeit. Sie werden allerdings ohne Beteiligung der nationalen Parlamente vom Rat (Art. 50 ICAO) auf der Grundlage von Art. 54 Buchstabe c) abgestimmt, Art. 90 ICAO 21 . In den Anhängen wird zwischen „standards“ und „recommendations“ unterschieden. Während die „standards“ verbindlich sind, lassen die „recommendations“ Entscheidungsspielräume zu. Nationale Abweichungen von den Standards sind meldepflichtig und werden veröffentlicht 22 . Bei den Vorgaben in ICAO-Annex 14 Kapitel 9.4 handelt es sich um „recommendations“. Diese „recommandations“ sind so offen und generell formuliert, dass „Umsetzungsdefizite“ im deutschen Recht nicht festzustellen sind. Nach Nr. 9.4.3 des ICAO-Annex 14 ist der „bird strike hazard“ an einem Flugplatz zu minimieren 23 . Soweit diese Anforderungen in ICAO-Doc 9137-AN/901 Part 3 „airport service manual – bird controll and reduction“ präzisiert werden (insbesondere Chapter 3), ergeben sich keine zusätzlichen Anforderungen gegenüber den BMV-Richtlinien. Hinzuweisen ist allerdings auf Nr. 3.2.2, wonach ein „nationales“ „environmental programm“ zur Habitatgestaltung eingeführt werden soll 24 . ___________ 19
Vgl. BVerfG, Urt. vom 24. März 1987 – 1 BvR 1046/85 –, Juris RdNr. 54 ff. Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt vom 7. Dezember 1944, BGBl. 1956 II, S. 411, zuletzt geändert durch das Änderungsprotokoll vom 26. Oktober 1990, BGBl. II, S. 2498. 21 Vgl. Weber, in: Hobe/von Ruckteschell, Kölner Kompendium Luftrecht, Band I, A, RdNrn. 61 ff. 22 Vgl. AIP GEN 1.7. 23 „Action shall be taken to decrease the risk to aircraft operations by adopting measures to minimize the likelihood of collisions between wildlife and aircraft.“ 24 Hild spricht in seiner Übersetzung des ICAO-DOC 9137-AN/901 „von biologischen und biotechnischen Maßnahmen, insbesondere durch Habitat-Management“. 20
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2. Naturschutzrecht Die in den BMV-Richtlinien genannten Maßnahmen zur „Bekämpfung“ von Tieren weisen Konfliktpotenzial mit dem Naturschutzrecht auf. Unabhängig von der gebietsmäßigen Qualifikation von Flächen eines Flughafens oder seiner Umgebung als Europäisches Vogelschutzgebiet begründen die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote seit ihrer inhaltlichen Neubestimmung durch den Europäischen Gerichtshof 25 und die daran anschließende Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes 26 ein Spannungsverhältnis zu der Verpflichtung, den Flughafen in einem betriebssicheren Zustand zu halten. Flughäfen bilden große Grünflächen. Die Flächen um die Start-/Landebahnen des Verkehrsflughafens München sind als Bestandteil eines Europäischen Vogelschutzgebiets ausgewiesen 27 ; der Flughafen Hamburg weist selbst daraufhin, dass er die größten zusammenhängenden Grünflächen in Hamburg besitzt28 . Diese Freiflächen bieten bestimmten, insbesondere wiesenbrütenden Vogelarten, interessante Habitate, da Störwirkungen durch Spaziergänger, freilaufende Hunde, aber auch durch bestimmte Prädatoren, die durch den Flughafenzaun „ausgesperrt“ werden, deutlich reduziert sind. a) Artenschutzrecht Die Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG stellen zwingendes, bewährtes Recht dar. Verstöße können als Ordnungswidrigkeiten, § 69 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3, Abs. 6 BNatSchG und unter Umständen sogar als Straftatbestände, § 71 Abs. 1 oder Abs. 2 BNatSchG zu werten sein. Die Zugriffsverbote gelten unabhängig davon, ob es sich um naturschutzrechtlich besonders geschützte Gebiete handelt. Ausnahmen von diesen Verboten bedürfen einer behördlichen Zulassung, es sei denn, es handelt sich um Handlungen, die vom Jagdrecht gedeckt sind, § 37 Abs. 2 BNatSchG. Dies gilt auch für Handlungen, die der Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit dienen, § 45 Abs. 7 Nr. 4 BNatSchG, Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 2009/149/EG.
___________ 25 26 27 28
Vgl. EuGH, Urt. vom 10. Januar 2006 – Rs. C-98/03 –, RdNrn. 55 ff. So genannte „kleine Novelle“, BGBl. I 2007, S. 2873. Bay. GVBl. 2008, S. 486 ff. DE 7637-471 (Nördliches Erdinger Moos). www.airport.de/de/u_umwelt_vogelschlag.html (Aufruf am 16. Februar 2011).
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aa) Verbotstatbestände (1) Tötungsverbot Nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es verboten, wildlebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Zu den besonders geschützten Arten gehören gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 b) bb) BNatSchG auch die europäischen Vogelarten. Das Verbot erfasst daher alle wild lebenden Vogelarten, Art. 1 Richtlinie 2009/149/EG. Soweit Maßnahmen zur Verhinderung von Vogelschlägen auf die Tötung von Vögeln gerichtet sind, ist dies an § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG zu messen. (2) Zerstörungsverbot § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verbietet, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wildlebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, sie zu beschädigen oder zu zerstören. Der Begriff der Fortpflanzungsund Ruhestätte ist zunächst eng bestimmt 29 , kann aber auch die Lebensstrukturen und standörtlichen Gegebenheiten, die für eine erfolgreiche Reproduktion der Art erforderlich sind, umfassen 30 . Einschränkend bestimmt § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG, dass ein Verstoß gegen das Verbot des Absatzes 1 Nr. 3 (bei europäischen Vogelarten) nicht vorliegt, soweit die ökologischen Funktionen der von dem Eingriff betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt werden. Dies kann auch durch zusätzliche Maßnahmen (so genannte vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen) erreicht werden. Soweit auf dem Flughafengelände Nistplätze von Vögeln beseitigt werden, dürfte es nahe liegen, dass entsprechende Ersatznistplätze nicht wieder auf dem Flughafengelände selbst hergestellt werden. Ob der räumliche Zusammenhang gewahrt bleibt, wenn die Fortpflanzungsstätten außerhalb des Flughafengeländes hergestellt werden, ist im Einzelfall zu prüfen. Eine solche Herstellung ist aber auch unter dem Aspekt zu betrachten, ob sie nicht dem Zweck der Vergrämungsmaßnahme widerspricht, deren Ziel gerade die dauerhafte Vertreibung von Tieren ist.
___________ 29
Vgl. BVerwG, Urt. vom 18. März 2009 – 9 A 39.07 –, RdNr. 66. BVerwG, Beschl. vom 13. März 2008 – 9 VR 10.07 –, Juris RdNr. 31; HessVGH, Urt. vom 17. Juni 2008 – 11 C 1975/07.T –, Juris RdNr. 233. 30
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(3) Störungsverbot Schließlich ist es nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG verboten, wild lebende Tiere der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören. Störungen sind Handlungen, die nicht unmittelbar auf das Tier (Tötung/Verletzung) oder seine Fortpflanzungs- und Ruhestätten (Zerstörung/Beschädigung) einwirken, sondern mittelbar – etwa durch Immissionsbelastungen – zu einer Aufgabe des Revieres führen (sollen). Hierzu wird etwa die in der Richtlinie genannte elektroakustische Vergrämung von Vögeln zu zählen sein. Denkbar wäre auch, dass die Veränderung der Nahrungsmöglichkeiten, z.B. durch die Bekämpfung von Mäusen, tatbestandsmäßig sein könnte. Nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz BNatSchG liegt eine erhebliche Störung erst dann vor, wenn sich durch sie der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Der Störungstatbestand ist gegenüber dem Tötungs- und dem Zerstörungstatbestand vorgelagert 31 und wird durch das Erfordernis der Erheblichkeit konkretisiert. Soweit sich Vögel regelmäßig auf einem bestehenden Flughafengelände oder in seinem Umkreis aufhalten, ist evident, dass die vom regulären Betrieb des Flughafens ausgehenden „Störungen“ keine Störungen im Sinne des Artenschutzrechtes sein können. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die dort lebenden Vögel sich an die „Störungen“ gewöhnt haben 32 . bb) Biotopmanagement Die Verwirklichung von artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen ist aber nicht nur zu prüfen, wenn gezielt gegen einzelne Exemplare einer Art oder ihrer Niststätten vorgegangen wird. Auch das Biotopmanagement als „Vergrämungspflege“ der Landschaft wirft jedenfalls dann Fragen auf, wenn es gezielt dazu verwandt wird, um die Weiterbesiedlung von Vögeln zu verhindern. Werden etwa Flächen, die im Ist-Zustand dauerhaft von Flächen durch Vögeln für das Brutgeschäft genutzt werden, durch entsprechende Bewirtschaftungsformen „hierfür unbrauchbar gemacht“, ist § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG zu prüfen. Ob die Verbotsnorm greift, hängt von der räumlichen Bestimmung des Begriffes „Fortpflanzungsstätte“ im Einzelfall ab. Die dauerhafte Entwertung wieder genutzter Nester kann tatbestandsmäßig sein 33 . Stellt also ein Flughafenbetreiber fest, dass sich auf seinem Gelände eine nicht unerhebliche Zahl ___________ 31
Kratsch, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, § 44 RdNr. 21. Hess. VGH, Urt. vom 28. Juni 2005 – 12 A 8/05 –, Juris RdNr. 63. 33 BVerwG, Urt. vom 26. Juni 2006 – 9 A 28.05 –, Juris RdNr. 43; welche Vogelarten ihre Nester wieder nutzen, ist z.B. im Erlass des Ministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg vom Januar 2011 dargestellt. 32
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etwa von bodenbrütenden Kiebitzen niedergelassen hat, und konstatiert er, dass daraus Gefahren für den Luftverkehr entstehen, steht er vor dem Problem, dass die Einführung eines Biotopmanagements, das diese Vögel „vertreiben“ soll, artenschutzrechtlich zu genehmigen sein kann. Hierzu kann eine konkrete (behördliche) Entscheidung erforderlich sein. Aus der Zulassung eines Flughafens und seines Betriebes kann nicht „automatisch“ auf die dauerhafte Rechtfertigung der Beseitigung von störenden Vögeln geschlossen werden 34 . Die konkret erforderlichen Maßnahmen bedürfen grundsätzlich einer Zulassung. Unabhängig von der Behandlung der aktiven Vergrämung ist der Umgang mit „passiven“ Opfern des Luftverkehrs. Der Vogelschlag führt durch Kollisionen in der Regel auch zum Tod von Tieren. Gleiches gilt für Tiere, die in Wirbelschleppen geraten 35 . Die Rechtsprechung hat insoweit den bereits im Gesetz angelegten Gedanken, dass Tötungen nicht immer tatbestandsmäßig sein müssen, dahin gehend fortgeführt, dass es sich um eine „signifikante Risikoerhöhung“ handeln muss 36 . Eine solche ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn ein zugelassener Luftverkehr in der bisherigen Weise fortgeführt wird. Für die Vergrämung ergibt sich hieraus die Frage, ob Vergrämungsmaßnahmen, die mit dem herkömmlichen Flugbetrieb schon seit jeher verbunden sind, eine solche Risikoerhöhung auch dann nicht darstellen, wenn sie zu einem gezielten Zugriff auf einzelne Exemplare eines Tieres führen. Hierzu würde sich die planerische Bestimmung der Eigenschaft des Flughafengeländes und der erforderlichen Betreiberpflichten anbieten. Gerade die dauerhafte, sich regelmäßig wiederholende Tätigkeit legt es nahe, diese einmalig zuzulassen und nicht jede einzelne Handlung zum Gegenstand eines eigenen Verwaltungsverfahrens zu machen. Hiergegen spricht, dass zumindest das EU-Recht ein dokumentiertes Verfahren für die Zulassung einer Ausnahme verlangt, Art. 9 Abs. 2 2009/147/EG.
___________ 34 EuGH, Urt. vom 14. Januar 2010 – Rs. C-226/08 –, Juris RdNr. 35 bis 51 für die FFH-Verträglichkeitsprüfung. 35 Diese Gefahr wurde vom Hess. VGH, Urt. vom 21. August 2009 – 11 C 318/08.T –, Juris RdNr. 420 als „theoretische Besorgnis“ bewertet. 36 BVerwG, Urt. vom 9. Juli 2008 – 9 A 14.07 –, Juris RdNr. 91: „signifikante Risikoerhöhung“; BT-Drucksache 16/5100, S. 11 (Gesetzesbegründung zu § 43); Hess. VGH, Urt. vom 21. August 2009 – 11 C 318/08.T –, Juris RdNr. 660; VGH BW, Urt. vom 25. April 2007 – 5 S 2243/05 –, Juris RdNr. 120 „ist davon auszugehen, dass beim Betrieb eines planfestgestellten Vorhabens eintretende Tierkollisionen grundsätzlich zum sozialadäquaten Lebensrisiko der Tiere gehören“; s. auch: BVerwG, Urt. vom 12. März 2008 – 9 A 3.06 –, Juris RdNr. 219.
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cc) Ausnahmen § 45 BNatSchG lässt Ausnahmen von den artenschutzrechtlichen Verboten zu. Das Gesetz kennt neben diesen in § 45 BNatSchG geregelten Ausnahmen auch die Befreiung nach § 67 BNatSchG. Ausnahme und Befreiung unterscheiden sich substanziell. Während der Ausnahme begrifflich generell ein vom Gesetzgeber bereits bewältigter und abgewogener Sachverhalt zugrunde liegt, betrifft die Befreiung einen „atypischen“ Sachverhalt 37 . § 44 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG lässt eine Ausnahme zu, wenn im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt dies erforderlich ist. § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG knüpft an Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a), zweiter Anstrich der Richtlinie 2009/147/EG an. Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a), zweiter Anstrich der Richtlinie 2009/147/EG löst – wie die deutsche Vorschrift – das Spannungsverhältnis zwischen Artenschutz und Gefahrenabwehr zugunsten der Sicherheit der Luftfahrt. Die aus Gründen der Flugsicherheit unabweisbaren Maßnahmen zur Tiergefahrenabwehr an einem Flughafen tragen den Abweichungsgründen des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2009/147/EG sowie den Anforderungen des nationalen Artenschutzes Rechnung. „Maßnahmen zur Tiergefahrenabwehr“ sind Handlungen im Zusammenhang mit der Sicherstellung der biologischen Flugsicherheit. Sie dienen der Verminderung der Risiken für die Flugsicherheit, durch das Stören, Vertreiben, Fangen und Töten von Tieren, aber auch durch die Gestaltung, Pflege und Behandlung von Flächen. Die erteilte Ausnahme muss gem. Art. 9 Abs. 2 Richtlinie 2009/147/EG bei der Zulassung der Abweichung angeben, für welche Vogelarten die Abweichungen gelten, welche Handlungen zugelassen werden, die Art der Risiken und die zeitlichen Umstände, die die Abweichung erforderlich machen, und die Stelle, die befugt ist, die Erforderlichkeit und die Voraussetzungen des Mitteleinsatzes zu klären. Dies trägt auch der weiteren Anforderung des § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG, dass keine zumutbaren Alternativen bestehen und sich der Erhaltungszustand der Populationen der Art nicht verschlechtert, Rechnung.
___________ 37 „Vom Gesetz nicht gewollte unzumutbare Härte“. Vgl. auch § 31 Abs. 1, 2 BauGB; dazu Charlier, in: Rixner/Biedermann/Steger, Systematischer Praxiskommentar BauGB/BauNVO 2010, § 31 RdNr. 9 ff. und 23 ff. Beiden Instrumenten ist gemeinsam, dass sie ein einzelfallbezogenes Verwaltungsverfahren betreffen. Gerade dieser Einzelfallbezug macht im Hinblick auf die Ausführungen zur abstrakten Gefahr deutlich, dass es einer „Polizeiverordnung“ bedarf.
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b) Habitatrecht Durch die Errichtung des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 entstehen besondere Schutzgebiete, deren wesentliche Bestandteile nicht erheblich beeinträchtigt werden dürfen 38 . Maßstab hierfür ist der jeweilige Erhaltungszustand der Erhaltungsziele. Bei Europäischen Vogelschutzgebieten sind dies die jeweiligen Arten, bei FFH-Gebieten können dies Vögel als charakteristische Arten der Lebensraumtypen sein. aa) Kriterien für die Ausweisung eines Vogelschutzgebietes Nach Art. 4 Abs. 1 UAbs. 4 Richtlinie 2009/147/EG erklären die Mitgliedstaaten insbesondere die für die Erhaltung der in Anhang I aufgeführten Arten sowie für die Arten nach Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 2009/147/EG zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu Schutzgebieten. Anders als die FFHRichtlinie, die in Anhang III (Phase 1) bestimmte Kriterien für die Auswahl von FFH-Gebieten unionsrechtlich vorgibt, bestimmt Art. 4 Abs. 1 UAbs. 4 Richtlinie 2009/147/EG lediglich, dass die zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu Schutzgebieten zu erklären sind 39 . Was zahlen- und flächenmäßig geeignetste Gebiete sind, ist der Richtlinie nicht zu entnehmen. Der naturschutzfachliche Ermessensspielraum für die Auswahl von Schutzgebieten ist eng und nur an ornithologischen Kriterien ausgerichtet 40 , deren Auswahl allerdings im Ermessen des Mitgliedstaates steht 41 . Die in Art. 2 Richtlinie 2009/147/EG genannten wirtschaftlichen Erfordernisse dürfen bei der Auswahl und Abgrenzung eines Vogelschutzgebietes keine Berücksichtigung finden 42 . Die Nutzung einer Fläche als Flughafen ist solange kein ornithologisches Kriterium, wie nicht gerade diese Nutzung die Flächen für Vögel unattraktiv macht. Die Realität zeigt aber, dass Flughafenflächen und/oder ihre Umgebung für Vögel hoch attraktiv sind. Gebiete, die sich nach Abschluss des formellen Ausweisungsprozesses als geeignetste Gebiete im Sinne von Art. 4 Abs. 1, ___________ 38 Vgl. EuGH, Urt. vom 2. August1993 – Rs. C-355/90 –, RdNr. 22; EuGH, Urt. vom 7. Dezember 2000 – Rs. C-374/98 –, RdNr. 47; BVerwG, Urt. vom 19.5.1998 – 4 A 9.97 –, BVerwGE 107, 1, 18 f; BVerwG, Urt. vom 31. Januar 2002 – 4 A 15.01 –, NVwZ 2002, 1103, 1105; BVerwG, Urt. vom 14. November 2002 – 4 A 15.02 –, BVerwGE 117, 149, 153 f; BVerwG, Urt. vom 15. Januar 2004 – 4 A 11.02 –, BVerwGE 120, 1, 13. 39 EuGH, Urt. vom 19. Mai 1998 – Rs. C-3/96 –, RdNr. 62; BVerwG, Urt. vom 14. November 2002 – 4 A 15.02 –, BVerwGE 117, 149, 154. 40 Vgl. BVerwG, Urt. vom 12. März 2008 – 9 A 3.06 –, Juris RdNr. 51. 41 Vgl. EuGH, Urt. vom 19.5.1998 – Rs. C-3/96 –, RdNr. 61; EuGH, Urt. vom 23.3.2006 – Rs. C-209/04 –, RdNr. 33. 42 EuGH, Urt. vom 11. Juli 1996 – Rs. T-44/95 –, RdNrn. 26 und 27.
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Abs. 2 Richtlinie 2009/147/EG herausstellen, können ebenso faktische Vogelschutzgebiete darstellen wie in ihrer Abgrenzung nicht an veränderte Verhältnisse angepasste Gebiete. Die Mitgliedstaaten trifft eine Überwachungspflicht, die sich an dem jeweiligen Erkenntnisstand zu orientieren hat und „Nachausweisungspflichten“ begründen kann 43 . Allerdings ist inzwischen davon auszugehen, dass die Gebietskulisse grundsätzlich vollständig ist 44 . bb) Das „geeignetste“ Gebiet Die quantitative Eignung des Gebietes lässt sich anhand der Zahl der vorhandenen Vögel (einer Art) gegebenenfalls im Vergleich mit anderen Gebieten ermitteln. Es liegt nahe, aus der zahlenmäßigen Eignung auf die flächenmäßige Eignung zurück zu schließen. Dieser indizielle Rückschluss berücksichtigt aber – wenn er einschränkungslos Geltung beanspruchen sollte – nicht ausreichend, dass mit der Ausweisung des Gebietes auch eine künftige Perspektive verbunden ist. Der Zweck der Ausweisung besteht darin, den Erhaltungszustand der Art (dauerhaft) zu sichern. Dieses Ziel lässt sich aber nicht allein auf der Grundlage einer momentanen Bestandsaufnahme begründen, sondern erfordert eine Bewertung der zu betrachtenden Flächen hinsichtlich ihrer Eignung zur Erreichung des Ziels. Insoweit kommt dem Merkmal der „flächenmäßigen Eignung“ eigenständige Bedeutung zu. Entsprechend wird neben anderen Bewertungskriterien auch das Entwicklungspotential des Gebietes bei der Ermittlung der flächenmäßigen Eignung genannt 45 . Je bedrohter, seltener oder empfindlicher die Arten sind, desto größere Bedeutung ist dem Gebiet beizumessen, das die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physikalischen und biologischen Elemente aufweist. Nur Lebensräume und Habitate, die unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe für sich betrachtet in signifikanter Weise zur Arterhaltung in dem betreffenden Mitgliedstaat beitragen, gehören zum Kreis der im Sinne des Art. 4 Abs. 1 UAbs. 4 Richtlinie 2009/147/EG geeignetsten Gebiete. Für die flächenmäßige Eignung werden entsprechend neben dem Kri___________ 43
Vgl. EuGH, Urt. vom 23. März 2006 – Rs.C-209/04 –, RdNrn. 43 bis 45. Vgl. die Einstellung des Verfahrens 2001/5117 im Oktober 2009. BVerwG, Urt. vom 12. März 2008 – 9 A 3.06 –, Juris RdNr. 52: „In dem Maße, in dem sich die Gebietsvorschläge eines Landes zu einem kohärenten Netz verdichten, verringert sich die richterliche Kontrollintensität. Mit dem Fortschreiten des mitgliedsstaatlichen Auswahlund Meldeverfahrens steigen die prozessualen Darlegungsanforderungen für die Behauptung, es gebe ein (nicht erklärtes) faktisches Vogelschutzgebiet, das eine Lücke im Netz schließen solle.“ 45 BVerwG, Urt. vom 14. November 2002 – 4 A 15.02 –, BVerwGE 117, 149, 155; Hess. VGH, Urt. vom 28. Juni 2005 – 12 A 8/05 –, Bl. 17 der Urteilsausfertigung; genannt werden außerdem die Kriterien „Seltenheit, Empfindlichkeit und Gefährdung einer Vogelart“, „Populationsdichte und Artendiversität eines Gebietes“, „Netzverknüpfung des Gebietes“ sowie „Erhaltungsperspektiven der bedrohten Art“. 44
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terium „größere Biotopzusammenhänge“ auch die Kriterien „artgerechtes Habitat“ und „Entwicklungspotenzial“ sowie „Erhaltungsperspektiven“ herangezogen 46 . cc) Die Flächen des Verkehrsflughafens als „geeignetstes“ Gebiet In § 4 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG wird für Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege vorgeschrieben, dass die bestimmungsgemäße Nutzung von Flächen, die ausschließlich oder überwiegend Zwecken des öffentlichen Verkehrs als öffentliche Verkehrswege dienen, zu gewährleisten ist. Entsprechend können „Freistellungen“ von naturschutzrechtlichen Anforderungen auch zum Schutz der Betriebssicherheit eines Verkehrsflughafens vor Vogelschlag unter diese Bestimmung gefasst werden. Diese funktionsorientierten Freistellungen sind bei der flächenmäßigen Eignung auch für die Zukunft zu berücksichtigen. Aus der Verwirklichung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände – etwa aufgrund eines notwendigen Vogelschlagmanagements – kann ebenso wenig wie aus der technischen Widmung der Flächen unmittelbar darauf geschlossen werden, dass eine bestimmte Fläche per se nicht die erforderliche Eignung zur Ausweisung eines europäischen Vogelschutzgebietes aufweist. Der Beurteilung der flächenmäßigen Eignung eines europäischen Schutzgebietes wohnt eine prognostische Entscheidung inne. Aus der Verbindung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände mit dem Funktionsvorbehalt in § 4 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG ergibt sich allerdings dann, wenn die Verwirklichung von artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen erforderlich ist, um den öffentlichen Verkehrszweck der Anlage zu ermöglichen und dies Rückwirkungen auf Erhaltungsziele haben sollte, dass es an einer entsprechenden flächenmäßigen Enteignung fehlen dürfte. Dieser Ansatz wird durch Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a) 2. Anstrich Richtlinie 2009/147/EG bestätigt, der von einem grundsätzlichen Vorrang der Sicherheit vor dem Naturschutz ausgeht. Allerdings zeigt die Vorschrift auch, dass eine generelle Unvereinbarkeit von europäischen Vogelschutzgebieten und Luftsicherheit nicht besteht. Vielmehr ist im Hinblick auf den Einzelfall zu fragen, ob sich durch eine entsprechende Notwendigkeit auf diesen Flächen „Gefahren abwehrend“ tätig zu werden, Rückschlüsse auf die ornithologische Eignung dieser Flächen ergeben.
___________ 46
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Vgl. BVerwG, Urt. vom 14. November 2002 – 4 A 15.02 –, BVerwGE 117, 149,
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dd) Verträglichkeitserfordernis Handelt es sich um ein Europäisches Schutzgebiet ist es wie ein FFH-Gebiet vor Verschlechterungen geschützt, Art. 7 Richtlinie 92/43/EWG. Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung seiner für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteile führen können, sind unzulässig, § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG. Soweit ein Flugplatz nicht neu angelegt oder wesentlich baulich erweitert wird, dürfte die Ausweisung des Schutzgebiets zeitlich nach der Betriebsaufnahme des Flughafens liegen. Das praktizierte Vergrämungsregime dürfte in diesen Fällen nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen führen. Etwas Anderes kann gelten, wenn das Vergrämungsregime geändert werden soll. Ergibt die Verträglichkeitsprüfung in diesen Fällen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausgeschlossen werden kann, ist eine Abweichungsprüfung durchzuführen, § 33 Abs. 1 Satz 2, § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG. In dieser Abweichungsprüfung bildet das aus § 29 Abs. 1 LuftVG abzuleitende Erfordernis der konkreten Luftsicherheit die zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses die die Beeinträchtigung zu rechtfertigen vermögen. Die naturschutzfachlichen Voraussetzungen (Wirkungsweise der beabsichtigten Maßnahmen, Kohärenzsicherung) sind in einem ergänzenden Biotopgutachten zu belegen. Die erforderlichen Maßnahmen zur Herstellung/Erhaltung der Luftsicherheit sind damit nicht ausgeschlossen; sie bedürfen nur einer eigenständigen Zulassung.
III. Verknüpfung von Vogelschlagverhütung und Vogelschutz Das Artenschutzrecht und das Habitatrecht enthalten keinen Zulassungsgrund für Vergrämungsmaßnahmen, sondern setzen einen solchen vielmehr voraus. Der Zulassungsgrund ist – wie § 45 Abs. 7 Nr. 4 BNatSchG zeigt – der sichere Betrieb des Flughafens. Dies entspricht auch § 29 Abs. 1 LuftVG und § 45 Abs. 1 LuftVZO. 1. Generelle Widmung des Platzes, biologische Gegebenheiten Für die Bewältigung der konkreten Gefahrensituation ist verbindlich zu regeln, wer auf welcher Grundlage die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Ausnahme prüft und entscheidet. Dies kann nur der Flughafenbetreiber sein. Er ist unmittelbar mit der jeweiligen Gefahrensituation konfrontiert, kennt den Zustand seines Flughafens am besten und trägt gegenüber den Nutzern des Platzes die Verantwortung für dessen betriebssicheren Zustand. Entsprechend hat die
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Luftaufsicht unter Berücksichtigung der jeweils zu ermittelnden Belange des Naturschutzes dem Flughafenbetreiber die erforderlichen Maßnahmen zur Herstellung der Luftsicherheit aufzuerlegen und ihre Umsetzung zu kontrollieren. Soweit der Flughafenbetreiber für die Durchführung dieser Maßnahmen, wenn sie gegen Arten- und/oder Habitatschutzrecht verstoßen, der behördlichen Zulassung einer Ausnahme bedarf, ist diese mitzuerteilen, auch soweit keine Konzentrationswirkung besteht. Die Zulassung von Ausnahmen ist davon abhängig, welche Maßnahmen zur Herstellung der notwendigen Sicherheit erforderlich sind. Es handelt sich um flughafenbezogene Einzelfallentscheidungen. Zu unterscheiden sind erstens Bestandsflächen (mit jahrelanger Prägung) von neuen Flächen, Flächen, die dem Habitatschutz unterliegen, von solchen, die „nur“ artenschutzrechtlich relevant sind, und zweitens Maßnahmen, die einen gezielten Zugriff auf Tiere bedeuten, von solchen, die der Biotopgestaltung dienen. Die Zulassung einer Ausnahme im Interesse der Luftsicherheit setzt voraus, dass die konkrete Situation an dem jeweiligen Flughafen ermittelt wird, also welche Vogelarten vorkommen, wie sie sich verhalten, woraus etwaige Sicherheitsrisiken folgen und mit welchen hierauf abgestimmten Maßnahmen reagiert werden kann. Die im Einzelfall erforderlichen Entscheidungen des Flughafenbetreibers müssen auf einer sicheren Rechtsgrundlage getroffen werden können. Dies erfordert, dass dem Flughafenbetreiber ein eindeutiger Handlungsauftrag und -rahmen vorgegeben wird, der im Voraus die Voraussetzungen für das Tätigwerden des Flughafenbetreibers regelt. Die Ermittlung der Bestandssituation kann u.a. durch fortlaufende Erfassung von Vogelschlägen/Gefahrensituationen sowie die Erstellung/Fortschreibung von Biotopgutachten geleistet werden. Das Biotopgutachten sollte sich nicht auf eine Beschreibung der bestehenden (biologischen) Gefahrensituation und der (effizienten) Maßnahmen zu ihrer Abwehr beschränken. Der Inhalt des Gutachtens ist vielmehr weiter zu fassen. Es hat den Zustand unter Berücksichtigung naturschutzfachlicher Vorgaben (Artenschutz, Natura 2000-Gebiete) einschließlich der Wechselwirkungen zwischen Flugplatzgelände und Umgebung darzustellen, die vorgeschlagenen Maßnahmen auf ihre Erforderlichkeit und Angemessenheit zu prüfen und ggf. Kompensationsvorschläge zu machen. Die erforderlichen Ausnahmen sind mit den Auflagen zur Herstellung der Luftsicherheit zu verknüpfen. Entsprechend liegt es nahe, das Gutachten in Abstimmung mit der zuständigen Naturschutzbehörde und der Luftaufsicht zu erstellen. Die Luftaufsicht hat das Maß der notwendigen Sicherheit zu konkretisieren, die Naturschutzbehörde die Angemessenheit der jeweiligen Maßnahme zu bewerten. Die Sicherheit hat Vorrang vor dem Naturschutz, muss aber dann Abstriche hinnehmen, wenn Maßnahmen, die nicht die notwendige Erforderlichkeit aufweisen, erhebliche naturschutzfachliche Schäden bewirken können. Dies ist nur im Einzelfall zu ermitteln.
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2. Die Umsetzung der Vergrämung durch den Flughafenbetreiber Das geltende Recht enthält keine Regelung, wie die erforderliche Gefahrenabwehr von den Flughafenbetreibern umzusetzen ist. Die Heranziehung des Jagdrechtes findet ihren Grund in den BMV-Richtlinien, die auf das Jagdrecht verweisen. Diese Zuordnung ist systematisch problematisch. Bei der Vergrämung geht es nicht um private Jagdrechte, sondern um öffentlich-rechtliche Gefahrenabwehr. Die unterschiedliche Weite und Richtung der Regelung von Jagd- und Artenschutz 47 verstärkt diese Probleme noch. a) Flächengestaltung Biotopmanagementmaßnahmen stellen grundsätzlich keine jagdrechtlichen Maßnahmen dar. Sie sind die Grundlage der Vergrämung, da sie durch einen bestimmten Aufbau der Grünflächen, das Mahdregime sowie die – auch aus Gründen der Verkehrssicherheit – erforderlichen Pflegemaßnahmen die Grundlage für die technische Funktionsfähigkeit der Flughafenanlage bilden. Dieses Regime ist zu konkretisieren und bildet die Grundlage der Bestimmung der weiteren erforderlichen Maßnahmen. b) Abwehr von Tieren Im Unterschied zu dauerhaften Maßnahmen des Biotopmanagements können Maßnahmen der unmittelbaren Tierabwehr durch konkrete Vertreibung und ggf. Eliminierung von Tieren zur Gefahrenabwehr erforderlich sein. aa) Jagdrecht Die Abwehr von Tiergefahren könnte – wie in Nr. IV 2 der Richtlinie vorgesehen – auf einer „jagdrechtlichen Grundlage“ erfolgen. Das Jagdrecht ist grundsätzlich eine Eigentümerbefugnis 48 , § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 BJagdG, die durch die jagdrechtlichen Bestimmungen konkretisiert wird. Das Jagdrecht erstreckt sich auf einen Jagdbezirk, § 4 BJagdG 49 . Vorbehaltlich landesrechtlicher Regelungen bilden Grundflächen mit einer land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich nutzbaren Fläche von 75 ha, die im Eigentum einer Person stehen, ___________ 47 Vgl. M. Schuck, in: ders., Bundesjagdgesetz 2010, Einl. RdNrn. 18 ff.; Metzger, in: Lorz/Metzger/Stöckel, Jagdrecht Fischereirecht, 4. Aufl. 2011, Einleitung RdNr. 27. 48 Vgl. M. Schuck, in: ders., Bundesjagdgesetz, § 1 RdNr. 2, § 3 RdNr. 2. 49 Metzger, in: Lorz/Metzger/Stöckel, Jagdrecht Fischereirecht, 4. Aufl. 2011, § 4 RdNr. 1, 2.
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einen Eigenjagdbezirk, § 7 Abs. 1 Satz 1 BJagdG 50 . Diese kann zumindest auf größeren Flughäfen anwendbar sein, wenn man die Grünflächen innerhalb des Zaunes als land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich nutzbar qualifiziert. Gegenstand des Jagdrechts sind nur die jagdbaren Tiere, § 2 Abs. 1 BJagdG. Bei der Vergrämung geht es nicht um die Ausübung einer Eigentümerbefugnis, sondern um die Wahrnehmung von auch im öffentlichen Interesse liegenden Betreiberpflichten. Die Abwehr von Gefahren darf nicht davon abhängig sein, ob formal die Voraussetzungen eines (Eigen-)Jagdbezirkes vorliegen. Die „jagdrechtliche Lösung“ befreit auch nicht von den Vorgaben des Artenschutzes, soweit Jagdrecht, wie bei vielen Vogelarten, keine Anwendung findet. Auch die spezielle Situation, die sich an Flughäfen einstellen kann, wenn deren Flächen als Natura 2000-Gebiete ausgewiesen werden, ist mit jagdrechtlicher Grundlage nur schwer zu fassen. § 37 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG bestimmt, dass die Vorschriften des Jagdrechts von den Vorschriften des Kapitel 5 (§§ 37 bis 55 BNatSchG) unberührt bleiben. Entsprechend finden die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote des Art. 44 Abs. 1 BNatSchG bei einer zulässigen Ausübung der Jagd auf Wild mit einer Jagdzeit (§ 22 Abs. 1 Satz 1BJagdG i. V. m. § 1 JagdZV) oder kraft jagdrechtlicher Ausnahmeregelung auf Wild während der Schonzeit keine Anwendung 51 . Der Vorrang des Jagdrechts vor dem Artenschutzrecht besteht aber nur für jagdbare Tiere und dies nur innerhalb der zulässigen Jagdzeit. Alle europäischen Vogelarten genießen artenschutzrechtlichen Schutz, § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 b) bb); § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG. Art. 7 der Richtlinie 2009/147/EG enthält aber – anders als die FFH-Richtlinie – eine ausdrückliche Erlaubnis der Jagd auf bestimmte Vogelarten. Nach Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Teil 1 der Richtlinie 2009/147/EG dürfen Exemplare der dort genannten Vogelarten bejagt werden (z.B. Graugans, Stockente oder Ringeltaube). Dagegen dürfen Exemplare von Vogelarten des Anhang II Teil 2 nur in den Mitgliedstaaten bejagt werden, in denen sie angegeben sind, Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2009/147/EG. So darf z. B. der Kiebitz, dem eine hohe Flugsicherheitsrelevanz zugeschrieben wird 52 , in Deutschland nicht bejagt werden. Entsprechendes gilt – anders als für die Aaskrähe, die Elster und den Eichelhäher 53 – auch für die Dohle und die Saatkrähe 54 , die damit dem Artenschutz unterliegen 55 und kein jagdbares Wild darstellen. Auch der Star unterliegt nicht dem Jagdrecht 56 . So___________ 50 51 52 53 54 55 56
Abweichende Regelung etwa in Art. 8 Abs. 1 BayJG: 81,755 ha. Kratsch, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, § 37 RdNr. 16. Vgl. Morgenroth-Branczyk (Fn. 1), S. 49/50. Anhang II Teil 2 Nr. 73, 74, 77. Anhang II Teil 2 Nr. 75, 76. Kratsch, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, § 44 RdNr. 18. Anhang II Teil 2 Nr. 72b.
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weit Säugetiere (wie z.B. Fuchs, Feldhase, Marder, Maus) keine Arten sind, die nach Anhang IV der FFH-Richtlinie geschützt sind oder aufgrund ihrer Aufnahme in die Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wild lebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (EG-ArtSchVO) 57 nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 BNatSchG besonders geschützt wären, kann das Jagdrecht als private Eigentümerbefugnis die weitgehend voraussetzungslose Berechtigung begründen, sie zu töten. Die jagdrechtlichen Tatbestände (Schonzeiten, jagdbares Wild, Jagdbezirk) offenbaren, dass das Jagdrecht kein Instrument zur Etablierung eines Vergrämungssystems ist. Gerade auch bei Federwild (Vögeln) ist die Berufung auf das Jagdrecht nur begrenzt geeignet, Grundlage für Maßnahmen gegen die Vogelschlaggefahr zu sein. Im Hinblick auf die Aufgabe des Flughafenbetreibers, den Flughafen in einem betriebssicheren Zustand zu erhalten, ist die Sicherung des Luftverkehrs auf dieser Grundlage unvollständig, um eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren. Die Nachteile des Jagdrechts als Instrument zur Bewältigung der sicherheitsrechtlichen Aufgabe der Vogelvergrämung an Verkehrsflughäfen liegen darin, dass die jagdbaren Tiere nicht nach luftrechtlichen Gefahrengesichtspunkten bestimmt werden, dass das Entstehen von Eigenjagdbezirken von einer bestimmten Mindestgröße abhängig ist, dass Gemeinschaftsjagdbezirke nicht notwendig den Sicherheitsanforderungen des Luftverkehrs dienen (müssen), dass die Ausübung der Jagd an bestimmte Zeiten gebunden ist, im Übrigen weiterer Erlaubnisse bedarf, und dass Maßnahmen der Vergrämung, wie die Biotopgestaltung, grundsätzlich nicht dem Jagdrecht unterliegen. Art. 9 Richtlinie 2009/147/EG macht deutlich, dass die Sicherheit der Luftfahrt gegenüber in Art. 7 der Richtlinie 2009/147/EG geregelten Jagd einen eigenständigen Abweichungsgrund bildet, der auch anderen formalen Erfordernissen (Art. 9 Abs. 2 Richtlinie 2009/147/EG) unterliegt. Die Vergrämung erfasst eine Reihe von Handlungen, die keinen jagdrechtlichen Bezug haben. Die Tötung von Vögeln und das Unbrauchbarmachen von Nestern/Fortpflanzungsstätten bilden hiervon Ausnahmen. Die jeweiligen Abweichungsgründe sind verschieden. Die Privilegierung der Jagd hat andere Gründe als der Schutz der Luftsicherheit. Die Herstellung der Luftsicherheit mit dem Instrument des Jagdrecht kann nur ein beschränkt geeignetes Hilfsmittel sein, insbesondere seit § 43 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG 2002 aufgehoben worden ist und damit Artenschutz schon bei der Zulassung eines Flughafens eigenständige Relevanz hat. ___________ 57 ABl. Nr. L 61 S. 1, ber. ABl. 1997 Nr. L 100 S. 72 und L 298 S. 70 zuletzt geändert durch VO (EG) 398/2009 vom 23. April 2009 (ABl. Nr. 126 S. 5, ber. ABl. Nr. L 176 S. 27).
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bb) Abschusserlaubnis nach § 12 Abs. 5 WaffG Die Herstellung der Luftsicherheit ist von der Behörde aber unbedingt und unabhängig von dem Bestehen entsprechender privater Rechte zu fordern. Der von der Behörde geforderte Sicherheitszustand muss durch Handlungen des Flughafenbetreibers herstellbar sein. Dies gilt für Maßnahmen des Biotopmanagements ebenso wie für Maßnahmen, mit denen auf Tiere zugegriffen werden soll. Die Grundlage hierfür ist in der behördlichen Entscheidung (Planfeststellungsbeschluss oder Genehmigung) zu schaffen, die die Nutzbarkeit des Platzes als öffentliche Sache regelt, § 35 Satz 2 VwVfG. Statt der jagdrechtlichen Erlaubnisse dürfte die Schießerlaubnis nach § 12 Abs. 5 WaffG zielführender sein, um notwendige Zugriffe zu gewährleisten. Die waffenrechtliche Ausnahmebestimmung ist zweckfrei. Der Sache nach wird sie etwa auf den Abschuss von verwilderten Haustauben angewandt 58 . Es handelt sich um einen nach § 1 Abs. 3, 4, § 2 Abs. 2 i. V. m. Anlage 2 zum Waffengesetz erlaubnispflichtigen Tatbestand. Ausnahmen nach § 13 WaffG sollten im Hinblick auf den abweichenden Zweck des sicherheitsrechtlich und nicht jägerisch motivierten Abschusses und den Besonderheiten des Jagdrechts nicht angenommen werden, sondern der Vorgang sollte umfassend auf § 12 Abs. 5 WaffG gestützt werden. Die Vorschrift erfasst gerade die Fälle wie das ausnahmsweise Abschießen von Vögeln. Anders als in dem zitierten Haustaubenfall dient der Abschuss gerade der öffentlichen Sicherheit. 3. Behördliche Entscheidung In der behördlichen Entscheidung ist das konkret erforderliche Vergrämungsmanagement zu bestimmen, § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG i.V.m. § 29 Abs. 1 LuftVG, § 45 Abs. 1 LuftVZO. Die Einschränkung des § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG – keine Verschlechterung des Erhaltungszustandes – ist trotz des Zwecks der Vorschrift, die Sicherheit der Luftfahrt zu gewährleisten, ebenso zu beachten wie die Prüfung, ob zumutbare Alternativen – dies dürften i.d.R. nur weniger intensive Eingriffe sein – zu der Vergrämungsmaßnahme bestehen. Eine Zulassung der Vergrämungsmaßnahmen erfolgt auf der Grundlage der Situationsanalyse generell-abstrakt für den Flugplatz. Dies kann durch die luftrechtliche Planfeststellung oder Genehmigung geschehen. In beiden Fällen ___________ 58
Vgl. VG Düsseldorf, Urt. vom 11. Januar 2005 – 18 K 5694/04 –, Juris RdNr. 17 ff. Im konkreten Fall wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch das Schießen in der Innenstadt abgelehnt. Kurios: BayVGH, Beschl. vom 11.4.2010 – 21 ZB 10.444 –, Juris RdNr. 5: entlaufene Kuh.
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handelt es sich um fachplanerische Entscheidungen, die die Vogelschlaggefahr bewältigen müssen. Insbesondere der Planfeststellungsbeschluss kann wegen seiner Konzentrationswirkung, § 9 Abs. 1 LuftVG, § 75 Abs. 1 VwVfG, auf der Grundlage des ermittelten Sachverhalts und der hierauf gestellten Prognose entsprechende Maßnahmen als Bestimmung von Betreiberpflichten und damit „Ausnahmeberechtigungen“ im Sinne des Artenschutzrechts anordnen. Unter Beachtung der Vorgaben des Art. 9 Abs. 2 Richtlinie 2009/149/EG dürften diese Voraussetzungen gerade durch das Instrumentarium der luftrechtlichen Zulassungsentscheidung zu regeln sein, indem in diesen die öffentlich-rechtlichen Eigenschaften des Flughafengeländes und die Betreiberpflichten des Flughafenunternehmers geregelt werden. In diesen Entscheidungen können auch die erforderlichen Kontrollpflichten der Behörde und die in diesem Zusammenhang notwendigen Berichts- und Aufzeichnungspflichten des Flughafenunternehmers festgelegt werden. Die Luftsicherheit im Fall der Vogelvergrämung ist unter Beachtung der jeweils einschlägigen naturschutzrechtlichen Anforderungen herzustellen. Dies erfordert, dass dem Flughafenbetreiber ein klar strukturiertes Handlungsmodell vorgegeben wird: Bestimmung der Gefahr, Festlegung der Mittel, um ihrem Eintritt vorzubeugen bzw. sie abzuwehren, vorgezogene Bewertung und Festlegung eines ggf. erforderlichen Ausgleichs. Die behördliche Entscheidung bestimmt die Maßnahmen des Vergrämungsmanagements, ihre Voraussetzungen und ihre Kontrolle. Wesentliches Element ist die Bestimmung eines Verantwortlichen und der Voraussetzungen für seine Tätigkeit, z.B. dass er über eine entsprechende Ausbildung verfügt, ausreichende Erfahrung nachweisen kann, bestimmte Qualifikationen (Jagdschein, Waffenschein etc.) besitzt. Weiter sind die zulässigen Maßnahmen und ihre Kontrolle, z.B. durch Berichtspflichten, festzulegen.
IV. Zusammenfassung Vogelschutz und Luftsicherheit sind Belange, die jeweils für ihren Bereich eigene funktionelle Anforderungen stellen: Die Sicherheit der Luftfahrt bestimmt die Anforderungen an die „sichere“ Ausgestaltung von Flugplatzanlagen und Abwicklung von Flugverfahren; die Ausweisung von europäischen Vogelschutzgebieten und der Artenschutz sollen das gemeinsame Naturerbe hinsichtlich bestimmter Vogelarten sichern. Ob die Verknüpfung der beiden Regime bereits auf der Ebene des Tatbestandes einschränkend wirkt oder aber im Hinblick auf die Rechtfertigung von Eingriffen zusätzliche Legitimation schafft, darf nicht verhindern, dass dem Flughafenbetreiber klare Handlungsanweisungen zu geben sind. Maßgeblich ist, den möglichen (und insoweit erforderlich) Arten- und Habitatschutz der Funktion der Verkehrseinrichtung Flughafen zuzuordnen, § 35 Satz 2 VwVfG, § 29 Abs. 1 LuftVG, § 4 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG. Unter dieser Voraussetzung ist ein Miteinander der Funktion
Der Schutz vor Vogelschlag im Lichte des Naturschutzrechts
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eines europäischen Vogelschutzgebietes und der Anforderungen der Luftsicherheit auf den gleichen Flächen nicht ausgeschlossen. Ebenso kann der Artenschutz bei der Gewährleistung der Luftsicherheit berücksichtigt werden. Die Schutzgüter können einander so zugeordnet werden, dass jedes von ihnen „Wirklichkeit gewinnt“, wenn ihnen jeweils situationsbezoge Grenzen gesetzt werden, damit beide zur optimalen Wirksamkeit gelangen können („simultane Optimierung“) 59 . Vogelschutz und Vergrämung setzen sich unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Schranken. Die luftrechtliche Zulassungsentscheidung hat unter Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes die erforderlichen Maßnahmen zur Gewährleistung der Luftsicherheit zu bestimmen und die hierfür – je nach Sachlage – erforderlichen Ausnahmen von naturschutzrechtlichen Verboten zu erteilen. Die Durchführung der Maßnahmen und die Ausübung der zugelassenen Ausnahmen sind zu dokumentieren. Zentrales Element des Vergrämungsmanagements auf Seiten des Flughafenbetreibers sollte dabei die Etablierung eines konkreten Verantwortlichen sein, der über die entsprechenden Qualifikationen verfügt und die Verantwortung für die Umsetzung der behördlichen Vorgaben trägt.
___________ 59
K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechtes der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1999, RdNr. 72; vgl. auch BVerfG, Beschl. vom 27. November 1990 – 1 BvR 402/87–, Juris RdNr. 41, 43, 50 ff.: „kein steter und ausnahmsloser Vorrang, sondern abwägende Entscheidung“.
Fluglärmberechnung mittels realer Flugspuren Von Horst Weise Â
I. Der Deutsche Fluglärmdienst e.V. (DFLD) Der Deutsche Fluglärmdienst e.V. (DFLD) ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein, der in x 7 europäischen Ländern x 42 Regionen x 406 Messstationen, darunter 100 Kommunale für die Messung von Fluglärm betreibt, darunter 96 Stationen im Umfeld des Flughafens Frankfurt. Über diese Stationen erfolgt eine kontinuierliche Messung des Fluglärms und eine Erfassung der Flugspuren sämtlicher Verkehrsflugzeuge im Umfeld der Flughäfen. Die erfassten Daten werden ausgewertet, dokumentiert und in Langzeitarchiven vorgehalten. Alle Daten sind im Internet frei abrufbar unter DFLD.de, bzw. auf europäischer Ebene unter EANS.net (European Aircraft Noise Services). Aus den erfassten Daten können auch weitere Informationen gewonnen werden, z.B. eine Berechnung der Turbinen-Abgase (Emissionen). In Kürze werden wir das Portal WW-ANS.net (Worldwide Aircraft Noise Services) freischalten, da wir auch in Kanada aktiv werden.
___________ Â Quellenangabe Bilder: Sofern nichts anderes angegeben ist, sind alle Bilder vom DFLD.
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II. Das bisherige Angebot des DFLD Dieser Abschnitt ist sehr knapp gehalten. Er dient nur dazu, Ihnen das Leistungsspektrum des DFLD zu zeigen. Weitere Informationen erhalten Sie auf unseren Webseiten DFLD.de und EANS.net.
x Lärmmessung Darstellung der Rohmesswerte anstelle Langzeit gemittelter Durchschnittswerte, um die Impulshaltigkeit und Häufigkeit der Lärmereignisse darzustellen:
Beispiel: Raunheim am 30.09.2010 zwischen 6 und 8 Uhr
x
Luftraumüberwachung
Beispiel: Flugspuren Rhein-Main-Gebiet vom 30.09.2010. Hintergrundkarte: Mit freundlicher Genehmigung von „Unser Forum“ (www.unserforum.de
Fluglärmberechnung mittels realer Flugspuren
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x Verknüpfung von Fluglärm mit Flugbewegung und umgekehrt Ausgehend von der Lärmkurve erhalten Sie mit einem Mausklick auf den gelben Streifen unter dem Peak …
… die Anzeige aller Flugspuren zum angewählten Zeitpunkt:
Hintergrundkarte: Mit freundlicher Genehmigung von „Unser Forum“ (www.unser-forum.de) Ein weiterer Klick auf die schwarze Flugspur und Sie erhalten die Detailinfos zu diesem Flug, …
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Fluglärmberechnung mittels realer Flugspuren
… zu dem Flugzeug, …
… dem Höhenprofil, …
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und zu den sonstigen Emissionen
III. Berechnung der Isophone mittels realer Flugspuren – Ein gemeinsames Projekt von ZRM, der Landeshauptstadt Wiesbaden und dem DFLD Gemeinsam mit der „Zukunft Rhein-Main“ und der Landeshauptstadt Wiesbaden arbeiten wir seit Frühjahr 2010 an dem Projekt, die Methodik der Lärmberechnung zu verbessern. Eine Lärmberechnung ist Grundlage für die Festlegung der Lärmschutzbereiche und auch des Frankfurter Fluglärmindex. Die Festlegung der Lärmschutzbereiche ist für die Bevölkerung von weitreichender Bedeutung, da sich hieraus insbesondere ergibt, ob ein Anspruch auf passiven Schallschutz besteht. Daher haben Schwachstellen in dieser Berechnung weitreichende Folgen.
Fluglärmberechnung mittels realer Flugspuren
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1. Ziel des Projekts Ziel des Projekts ist es, das bestehende AzB08-Lärmberechnungsverfahren so zu modifizieren, dass es anstelle eines DES mit realen Flugspuren als Eingangsdaten arbeitet. Die Modifikationen des standardisierten AzB-Verfahrens sollen dabei so gering wie möglich sein und die AzB08-Vorgaben sinngemäß eingehalten werden. Das Ergebnis soll die Realität der Lärmbelastung genauer abbilden als die gesetzeskonformen Berechnungen mit standardisierten Eingangsdaten des DES. Die Berechnung soll das komplette Rhein-Main-Gebiet (±50 km Ost/West, ±30 km Nord/Süd vom Flughafenzentrum) im 100 x 100 m Raster für die 6 verkehrsreichsten Monate eines Jahres erfassen. Die Ergebnisse sollen verwendet werden, um zu beurteilen, ob es signifikante Unterschiede zwischen beiden Vorgehensweisen gibt, und um Lärmberechnungen auch für solche Gebiete zu erhalten, die von der hessischen Landesregierung bei der Festsetzung der Lärmschutzbereiche nicht betrachtet werden (Gebiete außerhalb der viel zu engen Lärmschutzzonen). 2. Das bisherige Verfahren nach AzB08 (Anleitung zur Berechnung von Lärmschutzbereichen) Das Verfahren zur Berechnung der Isophonlinien sieht z.Zt. wie folgt aus:
DES
Erzeugung modellierter Flugspuren
Lärmberechnung
Isophone
a) Die Schwachstellen dieses Verfahrens
x DES (Datenerfassungssystem) Das DES (Datenerfassungssystem) wird vom Flughafenbetreiber geliefert. Es enthält unter anderem Angaben über die Zuordnung von Flugbewegungen zu Flugstrecken. Da es sich hierbei um eine Prognose des Flugbetriebes für ein Prognosejahr handelt, ist die Kontrolle der Angaben nur bedingt möglich. Viele Flughafenbetreiber halten das DES auch „unter Verschluss“, so dass Kommunen und Umweltverbände keine Plausibilitätsprüfungen vornehmen können. Immer wieder gibt es kontroverse Diskussionen, ob beispielsweise der
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Horst Weise
prognostizierte Flugzeugmix nicht zugunsten kleiner, lärmarmer Flugzeuge verschoben wurde, um dadurch die Lärmbelastung klein zu rechnen. Bei fast allen Ausbauplanungen wird, um die Genehmigungsfähigkeit zu erreichen, mit Flugrouten gearbeitet, die möglichst kleine Lärmschutzzonen zur Folge haben, aber niemals umgesetzt werden. So wurden die Flugrouten am Fughafen Leipzig-Halle unmittelbar nach Inbetriebnahme der neuen Piste geändert. In Berlin erleben wir eine Diskussion, weil die Flugrouten aus der Planfeststellung geändert wurden. In Frankfurt zeigt sich, dass die auch in den gerichtlichen Verfahren zu Grunde gelegten Flugrouten nicht unmittelbar mit Inbetriebnahme eingeführt werden. Da Flugrouten jederzeit mit einfacher Rechtsverordnung geändert werden können, ist dieses Vorgehen juristisch nur schwer angreifbar, obwohl man mittlerweile belegen kann, dass die Fehlinformationen im Planfeststellungsverfahren Methode haben. Mit unserem Berechnungsverfahren können wir relativ zeitnah reale Fluglärmbelastungen ermitteln und Abweichungen gegenüber den Planungen offen legen.
x Modellierte Flugspuren (Draufsicht) In den modellierten Flugspuren besteht eine Flugroute aus einem Strich mit geringer Streubreite. In der Realität wird oft kilometerweit gestreut geflogen. Beispiel 1: Betriebsrichtung 25 (FRA)
Fluglärmberechnung mittels realer Flugspuren
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Beispiel 2: Betriebsrichtung 07 (FRA)
Berechnete Lärmkonturen
Berechnete Lärmkonturen überlagert mit den Soll-Flugrouten
Berechnete Lärmkonturen überlagert mit den SollFlugrouten und den IstFlugrouten
Hintergrundkarten: Mit freundlicher Genehmigung von „Unser Forum“ (www.unser-forum.de) Beispiel 3: Beide Betriebsrichtungen (FRA), Theorie und Praxis
Flugrouten laut DFS
Flugspuren Juni 2010 (je dunkler die Farbe, umso tiefer der Flug)
Hintergrundkarten: Mit freundlicher Genehmigung von „Unser Forum“ (www.unser-forum.de)
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x Modellierte Flugspuren (Höhenprofil) Unsere derzeit schon verfügbaren Höhenprofile deuten darauf hin, dass die modellierten Höhen, die zur Berechnung herangezogen werden, häufig unterschritten werden. Beispiel:
Der Horizontalfluganteil dieses Anflugs auf FRA betrug: 90 km auf 7.000 ft, 10 km auf 5.000 ft, und 10 km auf 4.000 ft. Zusammen flog dieser Jumbo kurz vor Mitternacht 140 km unter 7.500 ft über dicht besiedeltes Gebiet! 3. Unser Verfahren Um diese Unsicherheiten bei der derzeitigen Lärmberechnung auszuräumen, benutzen wir unsere seit Jahren archivierten Flugdaten zur Lärmberechnung. Ausgehend vom bisherigen Verfahren
DES
Berechnung modellierter Flugspuren
Lärmberechnung
Isophone
ersetzen wir die beiden Schwachstellen DES und Berechnung modellierter Flugspuren durch die real geflogenen Flugspuren. Real geflogene Flugspuren
Lärmberechnung
Isopho ne
Die eigentliche Lärmberechnung erfolgt wie bisher mit einem vom UBA (Umweltbundesamt) zertifizierten Lärmberechnungsprogramm.
Fluglärmberechnung mittels realer Flugspuren
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4. Erste Ergebnisse aus Testläufen Hinweis: Die hier vorgestellten Ergebnisse aus Testläufen basieren nur auf 2 Tagen (26./27.09.2010, 06:00 – 22:00 Uhr), die aber sehr typisch für die vorherrschende Betriebsrichtung 25 (Anflug von Osten) sind. Bei dem oben gezeigten Bild
Hintergrundkarten: Mit freundlicher Genehmigung von „Unser Forum“ (www.unser-forum.de) verwundert z.B. beim Landeanflug aus Osten der spitz nach rechts zulaufende Lärmkegel (schmäler werdender gelber Streifen). Da die real geflogenen Anflugrouten nicht spitz zulaufen, sondern in einem breit gestreuten 180°-Schwenk auf die Anfluggrundlinie einschwenken, erwar-
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tet man in der Lärmberechnung wenigstens eine minimale Ausbeulung nach oben und unten. Die sucht man jedoch vergeblich! Und der nördliche Gegenanflug scheint überhaupt keinen Lärm zu erzeugen. Unsere realitätsnahe Methode beseitigt diese Widersprüche. Sie sehen auf den folgenden Bildern einen Ausschnitt der Stadt Frankfurt in Google Earth, der mit berechneten Fluglärmwerten überlagert ist:
Herkömmliche Berechnung Legende:
Unsere Berechnung
Beides übereinandergelegt
Hintergrundkarten: Google EarthTM – Kartenservice © 2010 Google Earth/© 2010 Aero West/ © 2010 Tele Atlas Der Unterschied beider Methoden ist deutlich erkennbar:
Fluglärmberechnung mittels realer Flugspuren
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x Die herkömmliche Methode weist in den Randbereichen ein signifikant kleineres Gebiet aus. x Der nördliche Gegenanflug über Frankfurt ist nur mit unserer Methodik erfassbar. Noch deutlicher erkennt man die Unterschiede, wenn man einen kleinen Ausschnitt betrachtet. Hier ein hoch aufgelöster Bereich von FrankfurtSachsenhausen:
Herkömmliche Berechnung Unsere Berechnung Hintergrundkarten: Google Earth TM – Kartenservice © 2010 Google Earth/© 2010 Aero West/ © 2010 Tele Atlas
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IV. Fazit Unser Verfahren ist technisch zwar sehr aufwändig, da enorme Rechenleistungen erbracht werden müssen, aber es ist praktikabel. Das Projekt bietet ein Höchstmaß an Transparenz bei der Ermittlung der tatsächlichen Fluglärmbelastung und ist in dieser Form bisher einzigartig. Mit der von uns aufgezeigten Methodik haben betroffene Kommunen und die Bevölkerung erstmals die Chance, die Festlegung von Lärmschutzbereichen zu kontrollieren oder auch z.B. den Frankfurter Fluglärmindex „kritisch zu begleiten“.
„Flugrouten“ – Verfahren, Maßstäbe, Rechtsfragen Von Markus Deutsch
I. Einleitung Nur wenige Infrastrukturvorhaben ziehen derart zahlreiche rechtliche Angriffe auf sich wie Flugplätze. Die Auseinandersetzungen beginnen schon im Vorfeld eines Ausbauvorhabens, wenn es um die Voruntersuchungen für den künftigen Vorhabenstandort geht 1 oder wenn Festlegungen in Raumordnungsplänen durch Siedlungsbeschränkungen oder durch die Bestimmung von Vorranggebieten weiteren Lärmkonflikten vorbeugen wollen 2 . Sie kumulieren in den Rechtsschutzverfahren gegen die jeweiligen Planungsentscheidungen zur Zulassung eines Ausbau- oder Änderungsvorhabens. Es ist folgerichtig, dass auch „Flugrouten“ verstärkt zum Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen werden. Als Flugrouten werden umgangssprachlich die Flugverfahren bezeichnet, die der Luftfahrzeugführer bei Flügen innerhalb von Kontrollzonen, bei An- und Abflügen zu und von Flugplätzen mit Flugverkehrskontrollstellen und bei Flügen nach Instrumentenflugregeln (IFR) zu befolgen hat (§ 27 a Abs. 1 LuftVO). Flugverfahren sind im Nahbereich, aber auch in weiterer Entfernung des Flugplatzes eine wichtige Ursache der Fluglärmbelastung. Virulent wird dies vor allem im Zusammenhang mit der Änderung und Erweiterung von Flughäfen und kontrollierten Flugplätzen. Die Verfahren müssen in solchen Fällen an die geänderte Infrastruktur und den geänderten Betrieb angepasst werden. Das geschieht regelmäßig kurz vor Inbetriebnahme des geänderten Vorhabens und damit oft Jahre nach der luftrechtlichen Zulassungsentscheidung (Planfeststellung gem. § 8 LuftVG oder Geneh___________
Rechtsanwalt bei Dolde Mayen & Partner Rechtsanwälte. Überarbeitete und ergänzte Fassung des Vortrags vom 3. März 2011. Der Verfasser dankt Herrn Thomas Uhl (DFS Deutsche Flugsicherung GmbH) für seine wertvollen Hinweise und kritischen Anregungen. 1 HessVGH, Beschl. vom 12.7.2001 – 2 Q 777/01 – DVBl. 2001, 1863 ff.; BVerwG, Beschl. vom 27.1.2004 – 9 C 7/03 u.a. – DVBl. 2004, 65 ff. 2 HessVGH, Urt. vom 16.8.2002 – 4 N 455/02 – NVwZ 2003, 229 ff.
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Markus Deutsch
migung nach § 6 LuftVG) und erst recht viele Jahre nach Einleitung dieser Zulassungsverfahren. Das kann dazu führen, dass Flugverfahren Flüge über besiedelte Gebiete führen, in denen im luftrechtlichen Zulassungsverfahren für den Ausbau bzw. Erweiterung gar kein oder nur geringer Fluglärm prognostiziert wurde 3 . Dass die Betroffenen sich gegen diese Entwicklung zu Wehr setzen, ist nachvollziehbar. Der Weg zu den Gerichten steht ihnen mittlerweile zwar offen 4 . Die Maßstäbe dieser Kontrolle werden aber weiter kontrovers diskutiert. Klärungsbedürftig sind zunächst Funktion und Aufgabe der „Flugrouten“. Anschließend wird das Verfahren der „Flugrouten“festlegung betrachtet. Dann werden die materiellen Maßstäbe zu ihrer Festlegung erörtert, bevor abschließend auf ihre Verknüpfung mit den luftrechtlichen Zulassungsverfahren einzugehen ist.
II. Die Flugverfahren 1. „Flugroute“ als Verkehrsweg Der Begriff der „Flugrouten“ suggeriert, dass es sich bei ihnen um Verkehrswege handelt, entlang derer die Luftfahrzeuge zu fliegen haben 5 . Diese Gleichsetzung verkennt grundlegende Unterschiede zwischen „Flugrouten“ und Verkehrswegen. a) Bindung an den „Verkehrsweg“? „Flugrouten“ – § 27 a LuftVO verwendet den Begriff Flugverfahren – stellen keine virtuellen Wege für Luftfahrzeuge dar. Es handelt sich um Verhal___________ 3 Michl, ThürVBl. 2011, 121 nennt als Beispiel die Kontroversen um die Flugverfahren am Flughafen BBI – Willy Brandt. 4 Weil die Verwaltungsgerichte (BayVGH, Gerichtsbeschl. vom 30.11.1993 – 20 A 9340022 u.a. – NVwZ-RR 1995, 114 ff.) keinen Rechtsschutz gewähren wollten, musste erst das BVerfG die Zulässigkeit der fachgerichtlichen Kontrolle klären (BVerfG, Kammerbeschl. vom 2.4.1997 – 1 BvR 446/96 – NVwZ 1998, 169 f.). Rechtsschutz wird über die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage (§ 43 VwGO) gewährt (BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 – 11 C 13.99 – BVerwGE 111, 276, 279). 5 Plastisch Meister, ZLW 2004, 23, 26, nach dem die Flugrouten dadurch konkretisiert werden, dass sie vom Luftfahrzeugführer erflogen werden, ähnlich Michl, ThürVBl. 2011, 121, 122; den Verkehrswegecharakter betont auch Geis, in: Geiss/ Umbach, Planung – Steuerung – Kontrolle. Festschrift für Richard Bartlsperger zum 70. Geburtstag, 2006, S. 215, 218; Repkewitz, VBlBW 2005, 1 bezeichnet Flugrouten als „virtuelle“ Verkehrswege; Czybulka/Wandres, DÖV 1990, 1033, 1034 vergleichen sie mit Straßen, ferner Meißner, in: Ziekow, Aktuelle Probleme des Fachplanungs- und Raumordnungsrechts 2004, 2005, S. 37, 41.
„Flugrouten“ – Verfahren, Maßstäbe, Rechtsfragen
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tensanweisungen an den Luftfahrzeugführer im Rahmen der Flugverkehrskontrolle 6 . Sie werden bei kontrollierten Instrumentenflügen (IFRFlügen) sowie bei An- und Abflügen von und zu kontrollierten Flughäfen und Flugplätzen 7 vorgegeben (§ 27 a Abs. 1 LuftVO). Flüge nach Sichtflugregeln, die VFR-Flüge (§ 28 LuftVO), sind nicht an die Vorgaben der Flugverfahren und damit an Flugrouten gebunden 8 . Selbst bei einem IFR-Flug kann der Luftfahrzeugführer bei Sichtflugbedingungen in den Sichtflug wechseln und ist dann nicht mehr an die Flugverfahren gebunden, soweit die Flugsicherung den Wechsel nicht untersagt (§ 40 Abs. 2 LuftVO) 9 . Der Luftfahrzeugführer kann ferner jederzeit eine Flugverkehrskontrollfreigabe (§ 26 LuftVO) 10 für eine Abweichung von dem Flugverfahren beantragen (§ 27 a Abs. 1 LuftVO). Auch die Flugsicherung kann durch Weisungen eine abweichende Flugstrecke vorgeben 11 . Anders als beim landgebundenen Verkehr besteht also keine (dort letztlich faktische) dauerhafte und verfestigte Bindung des Luftfahrzeugführers durch die Flugverfahren an eine bestimmte Trasse 12 . Schon das spricht gegen die Einordnung der Verfahren als Verkehrswege. b) Flugverfahren als Teil von Verhaltensanweisungen Flugverfahren sind vielmehr ein Element in einem Gesamtsystem von Verhaltensanweisungen. Sie schreiben Steuerkurse und Peilungen (Anfangsanflugfixe 13 , Endanflugfixe 14 und Meldepunkte als Schnittpunkte der Leitstrahlen verschiedener Funkfeuer oder als Kartenpunkte) sowie Flug- und Mindesthöhen vor. Teilweise gelten sie nur für bestimmte Tageszeiten. Zwar stellen sie der Sache nach idealtypische Verbindungen zwischen zwei Punkten dar. Durch Navigationsungenauigkeiten (insbesondere im Anflug), die konkrete Verkehrszusammensetzung, die Wetterverhältnisse, andere externe Einflüsse kommt es allerdings regelmäßig zu Abweichungen von dieser Ideallinie. Der Flugverkehr bewegt sich daher innerhalb einer lateralen und vertikalen Streubreite seitlich ___________ 6
Ausführlich dazu Risch, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, Kommentar, Stand: August 2010, § 27 c Rn. 42 ff.; Thürmer, StoffR 2007, 40 f. 7 Die Unterscheidung erläutert Risch, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, a.a.O. (Fn. 6), § 27 c Rn. 43. 8 Thürmer, StoffR 2007, 40 Fn. 10. 9 Lübben, in: Hobe/von Ruckteschell, Kölner Kompendium Luftrecht, Band 2, 2009, E. Rn. 72. 10 Zur Rechtsnatur der Flugverkehrskontrollfreigabe als Verwaltungsakt, Uhl, in: Hobe/von Ruckteschell, Kölner Kompendium Luftrecht, Band 2, 2009, G. Rn. 273. 11 Lübben, a.a.O. (Fn. 9), 2009, E. Rn. 82. 12 Thürmer, StoffR 2007, 40, 41. 13 IAF = Initial Approach Fix = Anfangsanflugfix. 14 FAF = Final Approach Fix = Endanflugfix.
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sowie ober- und unterhalb der Ideallinie, dem Flugerwartungsgebiet 15 . Dieser Begriff darf nicht in einem immissionsschutzrechtlichen Sinn als „Fluglärmerwartungsgebiet“ verstanden werden. Gemeint ist vielmehr der dreidimensionale Raum, in dem sich das Luftfahrtzeug voraussichtlich auf seinem Flug von A nach B voraussichtlich bewegen wird. Flugverfahren sind daher standardisierte Anweisungen an den Luftfahrtzeugführer, eine Art antizipierte Flugverkehrskontrollfreigabe, die für den Luftfahrzeugführer die Durchführung des Flugs erleichtern und für die Flugverkehrskontrolle gleichzeitig Komplexität reduzieren. Sie müssen aber jederzeit flexibel an die sich ändernde Lage angepasst werden können 16 . Die Abweichung von der durch die jeweiligen Flugverfahren vorgegebenen Ideallinie durch Einzelfreigabe, Weisungen oder den Wechsel in den Sichtflug stellt daher nicht etwa eine ausnahmsweise Dispensierung von dem virtuellen Weg dar 17 , sondern ist ein Wesensmerkmal der Flugverkehrskontrolle und damit der Flugverfahren. Auch das zeigt, dass sie nur bedingt mit Infrastruktureinrichtungen zu vergleichen sind. Die maßgebliche Infrastruktur ist der Luftraum. Rechtlich geht es bei der Flugverkehrskontrolle und bei den Flugverfahren um eine Einschränkung des Gemeingebrauchs der Luft (§ 1 LuftVG) zur sicheren Durchführung des Luftverkehrs 18 . c) An- und Abflüge zu Flughäfen und kontrollierten Flugplätzen Im Nahbereich der Flughäfen und kontrollierten Flugplätzen sind die Handlungsmöglichkeiten der Flugverkehrskontrolle allerdings beschränkt. Sie werden vor allem durch die Lage der Start- und Landebahnen und den für sie geltenden betrieblichen Regeln determiniert 19 . Die Handlungsoptionen, die das System von Flugverfahren, Verkehrsfreigaben und Weisungen lässt, werden durch diese Fixpunkte erheblich eingeschränkt. So müssen die Luftfahrzeuge nach den Vorgaben der ICAO beim Landevorgang in einer bestimmten Entfernung den Eindrehbereich, eine Verlängerung der Landebahn, zwingend einhalten und können dann davon nicht abweichen 20 . Außerhalb des Eindrehbereichs stehen die Flugverfahren im Landeanflug als Ideallinie praktisch nur für Notfälle zur Verfügung 21 . In diesem Endanflug sind also die Flugverfahren abwei___________ 15
Lübben, a.a.O. (Fn. 9), 2009, E. Rn. 85; Wysk, ZLW 1998, 285 f. Risch, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, a.a.O. (Fn. 6), § 27 c Rn. 48. 17 So auch Thürmer, StoffR 2007, 40, 41. 18 Darauf weist Thürmer, StoffR 2007, 40 Fn. 10 hin. 19 BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 – 11 C 13.99 – BVerwGE 111, 276, 283; Hermanns/Hönig, NWVBl. 2006, 8. 20 Hermanns/Hönig, NWVBl. 2006, 8 unter Hinweis auf die Vorgaben des Procedures for Air Navigation Services – Aircraft Operations (PANS-OPS), Doc 8168OPS/611, Vol. II (Construction of Visual and Instrument Flight Procedures). 21 Uhl, a.a.O. (Fn. 10), G. Rn. 275. 16
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chungsresistent. Vor Erreichen dieses Punktes ist dies dagegen grundlegend anders. Die aus allen Richtungen anfliegenden Luftfahrzeuge müssen im Anflug in eine sinnvolle Reihung unter Berücksichtigung der einzuhaltenden Staffelungsmindestwerte 22 gebracht werden. Die Flugsicherung bringt die Luftfahrzeuge daher durch Einzelfreigaben auf Einzelkurse, um sie fächerartig auf den Endanflugkurs zu führen. Die Begrenzung auf ein bestimmtes Höhenband und einige wenige abzufliegende Flugverfahren würden zu massiven Kapazitätsbeschränkungen in der Luft führen. Die Einzelkursführung ist daher die einzige Möglichkeit, an hoch frequentierten Flughäfen den Verkehr geordnet und flüssig abzuwickeln 23 . Außerhalb des Eindrehbereichs stehen die Flugverfahren als Ideallinie im Landeanflug praktisch nur für Notfälle zur Verfügung 24 . In der Praxis nutzen Luftfahrzeuge festgesetzte Flugverfahren vor allem für den Abflug. Bei Abflügen kann die Abflugreihenfolge vom Boden aus gesteuert werden. Entsprechend dieser Reihenfolge können die Luftfahrzeuge daher auch eher die Flugverfahren abfliegen 25 . d) Änderung der Flugverfahren Flugverfahren sind auch aus anderen Gründen nicht in Stein gemeißelt. Technische Entwicklungen wie neue Triebwerke, neue Navigationstechnologien (Satellitennavigation) oder sonstige technische Einrichtungen ermöglichen eine präzisere Flugführung und andere Steig- oder Sinkraten. Setzen Luftfahrtunternehmen andere Luftfahrzeuge ein, kann dies Auswirkungen auf Bahnenund Luftraumbelegung (Staffelung) haben. Das gleiche gilt, wenn sich das Verkehrsaufkommen anders entwickelt als prognostiziert. Mehr Überflugverkehr kann Anpassungen in der Streckenführung erfordern, die wiederum An- und Abflugverfahren zu Flughäfen und kontrollierten Flugplätzen beeinflussen. Änderungen des europäischen Rechts insbesondere die Schaffung eines Einheitlichen Europäischen Luftraums können sich bis auf die Ebene der örtlichen An- und Abflugverfahren auswirken. Veränderungen am Boden, wie die Ausweisung neuer Baugebiete sind relevant im Hinblick auf die Hindernisfreiheit ___________ 22
Der vertikale Mindestabstand zwischen zwei Flugzeugen beträgt 1.000 ft (300 m), der horizontale Mindestabstand im Nahkontrollgebiet der Flugsicherung 3 NM. Diese Werte sind einzuhalten, um den sicheren Flugbetrieb zu gewährleisten. Im Übrigen werden die Werte durch den Annex 11 zum ICAO-Abkommen und die einschlägigen Dokumente der ICAO vorgegeben. Die tatsächliche Staffelung hängt dabei vom maximalen Abfluggewicht der Luftfahrzeuge (MTOW) ab. 23 Uhl, a.a.O. (Fn. 10), G. Rn. 275. 24 Uhl, a.a.O. (Fn. 10), G. Rn. 275. 25 Hermanns/Hönig, NWVBl. 2006, 8 verweisen darauf, dass die Luftfahrzeuge beim Abflug zudem bereits nach Erreichen einer Mindesthöhe von ca. 200 m abdrehen können.
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und können Änderungsbedarf bei den bestehenden Flugverfahren auslösen. Die gleichen Wirkungen können die Errichtung (hoher) Bauwerke, der Einsatz von Baustoffen, die Radarstrahlen anders ablenken, und ähnliche Faktoren haben, die den Instrumentenflug erschweren. Anlass für die Anpassung von Flugverfahren können aber auch Lärmbeschwerden der Bevölkerung sein, die dazu führen, Verfahrensfestlegungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu modifizieren. Alle diese Umstände erfordern immer wieder die Anpassung der Flugverfahren. Die Änderungsrate ist dementsprechend hoch. Jährlich werden etwa 50 bis 60 Flugverfahren geändert und neu angepasst. e) Fachliche Grundlage Fachliche Grundlage für die Festlegung der Flugverfahren sind von der Internationalen Zivilen Luftfahrtorganisation ICAO herausgegebene Regelwerke, die Procedures for Air Navigation Services – Aircraft Operations (PANSOPS) 26 . Sie befassen sich nahezu ausschließlich mit Faktoren wie Hindernissen, Funknavigationsanlagen und ähnlichen Kriterien. Die Lärmsensibilität der unter den „Flugrouten“ befindlichen Gebiete spielt in den einschlägigen Regelwerken dagegen keine Rolle. Auch die Folgen eines Absturzes sind nach den PANS-OPS kein Entscheidungskriterium für die Festlegung von Flugverfahren. Dies verdeutlicht den Zweck der Flugverfahren. Sie dienen der Sicherheit des Luftverkehrs vor internen Gefährdungen. Zusammenstöße und Abstürze von Flugzeugen sollen vermieden werden. Das zeigt bereits das Vorwort des Doc. 8168-OPS/611, wenn dort die Funktion der Flugverfahren als „Achievement of Safe, Regular … Flight Operations“ bezeichnet wird. Allerdings bedeutet dies nicht, dass bei der Festlegung der Flugverfahren andere Aspekte ignoriert werden. Die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS), die die fachliche Vorarbeit bei der Festlegung der Flugverfahren leistet 27 , berücksichtigt bei der Verfahrensfestlegung auch Lärmschutzbelange. Dazu nutzt sie ein Softwarewerkzeug NIROS (Noise Impact Reduction and Optimization System) 28 . ___________ 26
Diese Regelwerke werden international eingesetzt. Es handelt sich um die Procedures for Air Navigation Services – Aircraft Operations (PANS-OPS). Die wichtigsten sind Doc 8168-OPS/611, Vol. I (Flight Procedures) und Vol. II (Construction of Visual Instrument Flight Procedures), die Berechnungsvorgaben und Angaben für Toleranzen enthalten; vgl. Lübben, a.a.O. (Fn. 9), Rn. 85 Fn. 164. 27 Die Rechtsprechung hat die Mitwirkung des DFS unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht beanstandet, BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 – 11 C13.99 – BVerwGE 111, 276, 283 f.; OVG Münster, Urt. vom 4.3.2002 – 20 D 120.97.AK – NWVBl. 2003, 695, 696 f. 28 Zu NIROS http://www.dfs.de/dfs/internet_2008/module/fliegen_und_umwelt/deu tsch/fliegen_und_umwelt/grundlagen/planungstool_niros/index.html (zuletzt abgerufen am 10.9.2011).
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NIROS basiert auf einer im ECAC Doc. 29 29 beschriebenen Rechenvorschrift. In diesem System sind die Besiedlungsstruktur und die Bevölkerungsdichte im Einzugsbereich eines Flugplatzes hinterlegt. Es berechnet die Lärmausbreitung einer im System definierten Luftfahrzeugklasse unter Berücksichtigung einer möglichst realitätsnahen, lateralen und vertikalen Flugspurerwartung auf den zu untersuchenden An- und Abflugstrecken 30 . Auf diese Weise kann ein äquivalenter Dauerschallpegel für ein in einzelne Rasterzellen mit einer Größe von 100 x 100 m eingeteiltes Untersuchungsgebiet ermittelt werden. Die Schallemissionen werden mit der Bevölkerungsdichte der überflogenen Rasterzellen gewichtet. Aus der Zahl der Betroffenen, die mit bestimmten Schallpegeln belastet sind, ergibt sich ein Gütewert. Er stellt die relative Belastung in der Rasterzelle im Vergleich mit den Belastungen in einer anderen Rasterzelle dar. Je niedriger der Gütewert ist, desto geringer ist die relative Lärmbelastung durch das jeweilige Flugverfahren im Vergleich zu der Belastung in anderen Rasterzellen, Auf diese Weise ist es möglich, mehrere Flugverfahren im Hinblick auf die jeweils geringste Lärmbelastung zu vergleichen 31 . 2. Flugverfahren als ein Element aus Verhaltensvorgaben Dieser kurze Überblick zeigt, dass Flugverfahren keine „Flugrouten“ sind und mit Verkehrswegen nur wenig bis nichts zu tun haben. Unter tatsächlichen Aspekten fehlen ihnen bereits der für Verkehrswege typische Flächenbezug und die räumliche Begrenzung. Auch der dreidimensionale Raum, den die Flugverfahren vorgeben, weist keine vergleichbare (räumliche) Begrenzung auf, da eine Abweichung von den Vorgaben durch Freigaben oder den Wechsel vom IFR-Flug in den VFR-Flug unter den entsprechenden Bedingungen möglich ist. Verkehrsweg ist vielmehr der gesamte Luftraum (§ 1 LuftVG). Flugverfahren sind dagegen eher Verkehrszeichen. Sie sind eines von mehreren Instrumenten für Verhaltensanweisungen an die Luftfahrzeugführer – und das auch nur unter bestimmten Flugbedingungen – zur sicheren Durchführung der Flüge und insbesondere der An- und Abflüge zu Flughäfen und überwachten Flugplätzen. Sie ermöglichen das sichere Erreichen und Verlassen der Startund Landebahnen und sind ein Hilfsmittel für den Luftfahrzeugführer, um seinen Flug zu planen. Aus Sicht der Flugsicherung gilt nichts anderes: Flugverfahren sind ein Baustein unter mehreren sicherheitsrechtlichen Instrumenten ___________ 29 European Civil Aviation Conference ECAC.CEAC Doc 29 3rd Edition, Report on Standard Method of Computing Noise Contours around Civil Airports Volume I: Applications Guide, Volume II, Technical Guide, December 2005. 30 Mensen, Planung, Anlage und Betrieb von Flugplätzen, 2007, S. 897. 31 Middel/van Engelen/Verbeek, Fluglärmmonitoring am Flughafen Frankfurt/Main, Juni 2003, S. 17.
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wie der Freigabe und der Weisung, um die sichere Durchführung eines Flugs zu ermöglichen. Die Gleichsetzung mit Verkehrswegen ist sachlich falsch und führt rechtlich in die Irre.
III. Das Verordnungsverfahren Wenn es sich bei der Festlegung der Flugverfahren nicht um die Festlegung von Verkehrswegen handelt, können auch die materiellen Anforderungen an die Verkehrswegeplanung nicht ohne weiteres auf die Festlegung dieser Verfahren übertragen werden. Zwar enthält die Verfahrensfestlegung Elemente einer Planungsentscheidung. Das bedeutet aber noch nicht, dass es um Raumplanung geht. Bezeichnenderweise ist das das gesamte Aufstellungsverfahren nicht als Planungsverfahren ausgestaltet. 1. Rechtsnatur Flugverfahren werden gemäß § 27 a Abs. 2 LuftVO durch Rechtsverordnung festgelegt. Zuständig ist nach § 27 Abs. 2 Satz 1 LuftVO das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF). Ermächtigungsgrundlage für die Verordnung ist § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LuftVG. Danach erlässt grundsätzlich das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) die Rechtsverordnungen über das Verhalten im Luftraum. Das BMVBS hat diese Befugnis gem. § 32 Abs. 2 Satz 3 LuftVG auf das BAF übertragen. Schon die Kompetenznorm verdeutlicht, dass es bei der Festlegung der Flugverfahren um Verhaltensanweisungen im Luftverkehr und nicht um Verkehrswegeplanung geht. 2. Das Aufstellungsverfahren Die materielle Erarbeitung der Verfahren obliegt der Deutsche Flugsicherung GmbH, der DFS. a) Die Erarbeitung der Verfahren Die DFS entwickelt unter Heranziehung der Regelwerke der ICAO gestützt auf aktuelles Kartenmaterial zur Abschätzung der Bevölkerungssituation und mit Hilfe computergestützter Analysen eine oder mehrere Varianten für ein
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Flugverfahren. LuftVG und LuftVO sehen diese Einschaltung der DFS allerdings nicht vor. Die Rechtsprechung hat dies trotz Kritik 32 nicht beanstandet. Ein Kompetenzverstoß liegt nicht vor, solange das BAF für die Entscheidung verantwortlich bleibt, für die Einhaltung der rechtlichen Maßstäbe Sorge trägt und die Nachprüfbarkeit dieser Einhaltung sicherstellt 33 . b) Beteiligung Im Unterschied zur Raumnutzungsplanung wie der Bauleitplanung oder der Planfeststellung ist die Beteiligung Dritter im Verordnungsverfahren nur rudimentär ausgestaltet. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung sehen weder LuftVG noch LuftVO vor. Auch eine Behördenbeteiligung ist nicht geregelt. Die Kommunen werden ebenfalls nicht beteiligt. Beteiligt wird an den Flugplätzen, an denen sie eingerichtet ist, die örtliche Fluglärmkommission (§ 32 b LuftVG). Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, dass noch nicht einmal diese Beteiligung zwingend vorgeschrieben sei 34 . Diese Annahme ist nicht zutreffend. Die DFS kommt mit der Einbeziehung der Fluglärmkommission einer Unterrichtungspflicht nach § 32 b Abs. 2 Satz 1 LuftVG nach. Nur so ist die Kommission in der Lage, ihre Beratungskompetenz nach § 32 b Abs. 3 Satz 1 LuftVG auszuüben 35 . Diese Systematik spricht für die Rechtspflicht der DFS bzw. der BAF, die Kommission zu beteiligen. Die Kommission hat die Möglichkeit sich zu den Verfahrensvarianten zu äußern und Vorschläge zu machen. Diese Vorschläge sind nicht bindend. Bei der späteren Festsetzung des Flugverfahrens kann die BAF von ihnen abweichen. Die DFS berücksichtigt die Vorschläge in der Praxis dann nicht, wenn sie aus Sicherheitsgründen nicht geeignet oder nicht durchführbar sind. Sieht sie keine Möglichkeit, die Vorschläge aufzugreifen, teilt sie dies der Kommission unter Angaben von Gründen mit. Die zu erarbeitenden Verfahrensvarianten legt die DFS dann der BAF vor.
___________ 32
Kritisch Repkewitz, VBlBW 2005, 1, 10. BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 – 11 C 13.99 – BVerwGE 111, 276, 283 f.; VGH Kassel, Urt. vom 11.2.2003 – 2 A 1062/01 – NVwZ 2003, 875, 879. 34 Im Schrifttum wird teilweise die Auffassung vertreten, die Beteiligung sei gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben; Wysk, ZLW 1998, 285, 288; Meister, ZLW 2004, 23, 34; Schleiden, Rechtliche Grundlagen der Flugroutenfestlegung, 2009, S. 21. 35 Die Kommission ist selbst kein Träger von Rechten. Sie hat keine eigene Rechtspersönlichkeit und ist nicht klagebefugt, Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, Kommentar, Stand: August 2010, § 32 b Rn. 1. 33
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c) Die Tätigkeit der BAF Als Verordnungsgeber übt das BAF ein Rechtssetzungsermessen aus. Da es die rechtliche Verantwortung für die Festlegung der Flugverfahren trägt, darf es die Vorschläge der DFS nicht unbesehen übernehmen, sondern muss eine eigenständige Entscheidung treffen. Dazu bewertet das BAF das von der DFS erarbeitete Verfahrenspaket. Es überprüft, ob die DFS alle relevanten Belange ermittelt und in ihrem Vorschlag entsprechend abgearbeitet hat. 36 Bei Flugverfahren, die von besonderer Bedeutung für den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm sind, setzt sich das BAF mit dem Umweltbundesamt (UBA) ins Benehmen (§ 32 Abs. 3 Satz 4 LuftVG). Eine zwingende Notwendigkeit, den Vorschlägen des UBA zu folgen, besteht nicht. Anschließend veranlasst das BAF eine Rechtsförmlichkeitsprüfung durch das Bundesministerium der Justiz. Dort wird der Verordnungsentwurf auf Einhaltung der Anforderungen an Form und Gestaltung (Überschriften, Eingangsformel, Zitierweisen, Änderungsbefehle und Regelung über das Inkrafttreten) geprüft. d) Veröffentlichung und Bekanntgabe der Verordnung Damit die Flugverfahren in der Praxis auch eingehalten werden können, muss ihr Inhalt rechtzeitig vor ihrem Inkrafttreten bekannt und bei den Anwendern bereits verfügbar sein. Daher gibt die DFS den Inhalt des jeweiligen Flugverfahrens ungefähr sechs Wochen vor der Bekanntmachung der vom BAF ausgefertigten Verordnung im Bundesanzeiger in die entsprechenden Kommunikationskanäle. Dies ermöglicht es, Luftfahrthandbücher, Karten und ähnliche Unterlagen anzupassen. Die Verordnung wird anschließend veröffentlicht und tritt nach weiteren sechs Wochen in Kraft. Das gesamte Verfahren dauert daher ungefähr acht Monate; bei komplexen Verfahren bis zu einem Jahr 37 . 3. Weitergehende Verfahrensanforderungen Im Vergleich zu den Raum- und Infrastrukturplanungsverfahren hat der Gesetzgeber die Beteiligung Dritter auf ein Minimum reduziert. Für ein Planungsverfahren ist dies zumindest ungewöhnlich. Das wirft die Frage auf, ob der Gesetzgeber möglicherweise hinter dem verfassungs- und europarechtlich gebotenen Maß zurückgeblieben ist. ___________ 36 Nach Angaben aus der Praxis fordert das BAF regelmäßig zusätzliche Informationen und Unterlagen an, falls es die Planung der DFS für erläuterungsbedürftig hält. 37 Uhl, Die Planung von Flugverfahren, Fachgespräch Luftrecht am 19. Mai 2011 in Köln, Handout Ziff. 8.
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a) Kommunale Beteiligungsrechte Das gilt in erster Linie für die kommunale Beteiligung. Der VGH Mannheim 38 hat in einer frühen Entscheidung ein aus dem Schutz der kommunalen Selbstverwaltungshoheit des Art. 28 Abs. 2 GG folgendes Beteiligungsrecht der Kommunen mit der Begründung bejaht, dass sich die Betroffenheit des Gemeindegebiets durch Flugverfahren nur graduell von der Festlegung eines Lärmschutzbereichs oder den Regelungen einer luftrechtlichen Genehmigung unterscheide, die unstreitig in Art. 28 Abs. 2 GG eingreifen. Die überwiegende Auffassung ist dem zu Recht nicht gefolgt. Anders als die luftrechtliche Genehmigung oder die Festsetzung eines Lärmschutzbereichs werden durch Flugverfahren keine Flächen der Gemarkung der kommunalen Planungshoheit vollständig oder zumindest teilweise entzogen. Die Verordnung zur Festlegung von Flugverfahren regelt auch nicht wie ein Planfeststellungsbeschluss die öffentlich-rechtlichen Beziehungen der Kommunen zu dem jeweiligen Vorhaben. Sie hat nur faktische Auswirkung. Solche faktischen Auswirkungen stellen aber nicht zwangsläufig einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG dar. Sie greifen dann in die kommunale Selbstverwaltungshoheit ein, wenn sie hinreichend konkretisierte und verfestigte Planungen der Kommunen vereiteln oder nachhaltig beeinträchtigen. Das gleiche gilt der Fall, wenn durch sie Teile des Gemeindegebietes – faktisch – einer durchsetzbaren Planung entzogen oder kommunale Einrichtungen erheblich beeinträchtigt werden würden. Diese Wirkung kommt Flugverfahren jedoch nicht zu 39 . Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass diese Flugverfahren gerade in der Nachbarschaft der Flughäfen ganz entscheidend für die Fluglärmbelastung der Kommunen seien. Die Fluglärmbelastung im Nahbereich wird durch die Konfiguration des Flughafens und damit rechtlich durch die luftrechtliche Zulassungsentscheidung (Planfeststellung oder luftrechtliche Genehmigung) vorgegeben. In diesen Verfahren findet jedoch eine Beteiligung der Kommunen statt. Ihre aus Art. 28 Abs. 2 GG abzuleitenden Beteiligungsrechte sind also gewahrt. Der erneuten Beteiligung bei der Festlegung der Flugverfahren bedarf es nicht. b) Beteiligung Privater Auch die Beteiligung der lärmbetroffenen Anwohner bei der Festlegung der Flugverfahren ist weder durch einfaches Gesetz noch durch die Verfassung oder durch europäisches Recht vorgeschrieben. ___________ 38
VGH Mannheim, Urt. vom 22.3.2002 – 8 S 1271/01 – DVBl. 2002, 1129, 1133 f. BVerwG, Urt. vom 26.11.2003 – 9 C 6.02 – BVerwGE 119, 245 ff.; VGH Kassel, Urt. vom 11.2.2003 – 2 A 1026/01 – S. 12 f.; Sydow/Fiedler, DVBl. 2006, 1420, 1422; Buchner, DVBl. 2002, 1136, 1140; Schleiden, a.a.O. (Fn. 34), S. 30 f. 39
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aa) Beteiligung im Verwaltungsverfahren Aus § 13 VwVfG ergibt sich kein Anspruch der Lärmbetroffenen auf Beteiligung im Verfahren. Diese Vorschrift gilt für Verwaltungsverfahren. Verwaltungsverfahren sind auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages ausgerichtet (§ 9 VwVfG). Flugverfahren werden jedoch nicht durch Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen durch Rechtsverordnung festgesetzt 40 . § 13 VwVfG kann auch nicht analog angewandt werden. Dafür fehlt es bereits an einer ungewollten Lücke im Verfahren. bb) Grundrechtsschutz durch Verfahren Im Schrifttum wird diskutiert, ob der Aspekt des Grundrechtsschutzes durch Verfahren den Fluglärmbetroffenen einen verfassungsrechtlichen Beteiligungsanspruch im Verordnungsverfahren gewährt 41 . Unter Berufung auf die Mülheim-Kärlich-Entscheidung des BVerfG 42 argumentieren die Befürworter, aus Art. 14 Abs. 1 GG und dem grundrechtlichen Schutz der Gesundheit durch Art. 2 Abs. 2 GG folge die Verpflichtung, ein Verfahren so auszugestalten, dass nicht die Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtspositionen der Fluglärmbetroffenen drohe 43 . Diese These ist fragwürdig. Nicht jede Form der Betroffenheit löst gleich verfassungsrechtliche Obliegenheiten oder gar subjektive (Beteiligungs-)Rechte aus. Verfassungsrechtlich geboten ist ein Grundrechtsschutz durch Verfahren bei Grundrechtsgefährdungen von erheblichem Gewicht für eine Vielzahl von Personen. Ein entsprechendes Gefährdungspotential haben die Lärmimmissionen der Flugverfahren im Regelfalle nicht. Sie bleiben weit unter der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle und sind vielfach so gering, dass sie noch nicht einmal in einer Abwägung eingestellt werden müssen 44 . Anders können die Fluglärmauswirkungen allerdings im Nahbereich eines Flughafens sein. Hier können Flugverfahren im unmittelbaren An- bzw. Abflugbereich dazu führen, dass die von den Luftfahrzeugen verursachten Lärmimmissionen die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle deutlich überschreiten. Diese Schwelle kennzeichnet aber ebenfalls noch nicht den Bereich der Gesundheitsgefährdung und erst recht nicht den der Gesundheitsgefahr. Ohne die dadurch verursachte Belas___________ 40
Wysk, ZLW 1998, 285, 286. Meister, ZLW 2004, 23, 31. 42 BVerfG, Urt. vom 20.12.1979 – 1 BvR 385/77 – BVerfGE 53, 30, 65. 43 BVerfG, Beschl. vom 8.2.1983 – 1 BvL 20/81 – BVerfGE 63, 131, 43. 44 Sydow/Fiedler, DVBl. 2006, 1420, 1422; kritisch dazu, immer wenn eine rechtlich relevante Belastung vorliegt, auch Buchner, DVBl. 2002, 1136, 1138 f. 41
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tung negieren zu wollen, sind selbst bei hohen Fluglärmbelastungen auch nicht im Ansatz gesundheitliche Auswirkungen wie bei einem nuklearen Unfall zu erwarten 45 . Das spricht gegen ein aus dem objektiven Schutzgehalt des Art. 2 Abs. 2 GG abgeleiteten Beteiligungsrechts. Abgesehen davon dürfte in den Gebieten, in denen die Fluglärmimmissionen in den Bereich möglicher Gesundheitsgefährdungen kommen, bereits eine Beteiligung erfolgt sein. Dies sind nämlich die Gebiete unmittelbar im An- und Abflugbereich. Selbst wenn man davon ausgeht, dass in den entsprechenden Gebieten Grundrechtsschutz durch Verfahren zu gewährleisten ist, wäre dies im Hinblick auf die Beteiligung erforderlichen luftrechtlichen Zulassungsverfahren der Fall. In diesen Verfahren erfolgt eine Beteiligung innerhalb der Kontur eines äquivalenten Dauerschallpegels von 55 dB(A) 46 . Der Einwand, die Flugverfahren würden nicht in der Planfeststellung festgelegt, sondern dort nur prognostiziert, könnten sich also später ändern 47 , wäre nur überzeugend, wenn unterhalb dieses Pegels aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Beteiligung unabdingbar wäre. Das ist aber nicht der Fall, da bei Immissionen unterhalb dieses Pegels und selbst bei einem Pegel von 55 dB(A) die Schwelle der Gesundheitsgefährdung noch nicht erreicht ist 48 . cc) Beteiligung nach allgemeinen rechtsstaatlichen Kriterien Andere Autoren vertreten die Auffassung, ein Beteiligungsrecht der Öffentlichkeit folge aus allgemeinen verfassungsrechtlichen Prinzipien wie dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG 49 . Auch dies überzeugt nicht. Der Ableitung subjektiver Beteiligungsrechte aus objektiven Staatsstrukturprinzipien stehen schon systematische Bedenken entgegen. Wenn man trotz dieser Bedenken dem Rechtsstaats- oder Demokratieprinzip im Einzelfall subjektive Beteiligungsansprüche der Öffentlichkeit entnehmen will, ist die Hürde hoch. Ein Gebot zur Anhörung der Betroffenen folgt aus diesen Staatsstrukturprinzipien allenfalls, wenn die Menschen andernfalls entgegen dem Gebot der Unan___________ 45 OVG Münster, Urt. vom 4.3.2002 – 10 D 120/97.AK – NWVBl. 2003, 95, 96; Schleiden, a.a.O. (Fn. 34), S. 25 weist darauf hin, dass bei Aufrechnung der Schwere der Grundrechtsbetroffenheit bei Atomkraftanlagen gegen die Häufigkeit der Grundrechtsbetroffenheit bei Flugrouten wenig überzeugend ist. 46 BayVGH, Urt. vom 27.7.1989 – 20 B 81.D.I. – BayVBl. 1990, 82; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar 11. Aufl. § 73 Rn. 33; Boewe/Geissler/Bues, in: Hobe/von Ruckteschell, Kölner Kompendium Luftrecht, Band 2, 2009, B Rn. 638. 47 Meister, ZLW 2004, 30. 48 Sie wird bei einem äquivalenten Dauerschallpegel von 70 bis 75 dB(A) am Tag bzw. 60 bis 65 dB(A) in der Nacht gezogen, vgl. Dolde, in: ders., Umweltrecht im Wandel, 2001, S. 451, 466 m.w.N. 49 Klinger, LKV 2011, 8, 9.
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tastbarkeit der Menschenwürde zum bloßen Objekt der Verwaltungsentscheidung werden würden 50 . Dazu bedarf es zumindest einer massiven tatsächlichen Betroffenheit. Die Verfassung gibt jedenfalls nicht vor, dass bei Überschreitung bestimmter Immissionsrichtwerte zwingend eine Beteiligung zu erfolgen hat. Der Gesetzgeber hat einen erheblichen Ausgestaltungsspielraum, ab welchem Grad der Lärmbelästigung er solche Beteiligungsrechte einräumt. Die Grenze seines Gestaltungsspielraums dürfte erst überschritten sein, wenn die Lärmbelastung zu einer Gesundheitsgefährdung führt. Wo die Belastung durch Flugverfahren eine solche Qualität erreicht, erfolgt jedoch ohnehin eine Öffentlichkeitsbeteiligung in den luftrechtlichen Zulassungsverfahren. dd) Unionsrecht Aus der Richtlinie 2003/35/EG über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme 51 ergibt sich ebenfalls keine Notwendigkeit, die Öffentlichkeit bei der Festlegung von Flugverfahren zu beteiligen. Flugverfahren sind nicht im konstitutiven Anhang I der Richtlinie aufgeführt 52 . Auch die Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme 53 begründet keine notwendige Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Festlegung von Flugverfahren 54 . Die Richtlinie erfasst Pläne, die den Rahmen künftig zu realisierender UVPpflichtiger Projekte setzen bzw. voraussichtlich Auswirkungen auf Natura 2000-Gebiete haben werden (Art. Art. 3 Abs. 1 bis 4 Richtlinie 2001/42/EG). Die Flugroutenfestlegung ist aber keine rahmensetzende Planung für solche Vorhaben. Sie schafft auch keine Voraussetzung für die Realisierung UVPpflichtiger Vorhaben. Eine solche Wirkung hat sie nicht etwa deswegen, weil die Festlegung eines Flugverfahrens in Zukunft die Zulassung immissionsschutzrechtlicher Anlagen im Nahbereich verhindern könnte. Das zeigt der mit der strategischen Umweltprüfung (SUP) verfolgte Zweck. Ihre Funktion ist die Überprüfung von Plänen und Programmen, die eine Vorbereitungsfunktion für die spätere Genehmigung eines nach Maßgabe der Projekt-UVP-Richtlinie UVP-pflichtigen Projekts haben 55 . Dadurch soll eine Prüfung von Alternativen und Abhilfemaßnahmen in eine frühere Planungsstufe vorverlagert werden, damit eine möglichst frühzeitige Prüfung der Umweltbelange für die Standort___________ 50
Meister, ZLW 2004, 23, 30 f. ABl. 2003 Nr. L 156/17. 52 Sydow/Fiedler, DVBl. 2006, 1420, 1421. 53 ABl. 2001 Nr. L 197/30. 54 A.A. Schleiden, a.a.O. (Fn. 34), S. 132 ff. 55 Graf, Die Umsetzung der Plan-UP-Richtlinie im Raumordnungsrecht des Bundes und der Länder, 2006, S. 50. 51
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entscheidung des UVP-pflichtigen Projektes vorgenommen werden kann 56 . Es muss sich um eine intendierte Rahmensetzung oder Regelungswirkung handeln, nicht nur um eine bloße reflexartige Auswirkung auf ein UVP-pflichtiges Vorhaben. Daher ist es zwar richtig, die Pläne für Bodennutzungen oder Raumfunktionen, die UVP-pflichtige Vorhaben gezielt ausschließen (wie etwa Landschaftsschutzverordnungen) 57 , einer SUP zu unterwerfen. Auch sie setzen insoweit einen Rahmen für Standortentscheidungen. Daran fehlt es aber bei Flugverfahren, die weder die Bodennutzung noch Raumfunktionen regeln und auch sonst keine intendierte Rahmensetzungsfunktion hinsichtlich der Zulassung von baulichen Anlagen haben, sondern sich als Verhaltensanweisungen bei der Durchführung des Luftverkehrs darstellen. Art. 6 i. Verb. m. Art. 3 Abs. 1 bis Abs. 4 Richtlinie 2001/41/EG schreibt für solche Verhaltensanweisungen keine zwingende Konsultation der Öffentlichkeit vor. Die Notwendigkeit einer strategischen Umweltprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung kann schließlich auch nicht damit begründet werden, dass die Festlegung der Verfahren jedenfalls im Nahbereich eines Flugplatzes regelmäßig in einem engen Zusammenhang mit UVP-pflichtigen Vorhaben, nämlich der Zulassung eines solchen Flugplatzes, stehen. Flugverfahren setzen für die Realisierung von Flugplätzen keinen Rahmen, sondern sind vielmehr zwangsläufige Folge einer solchen Realisierung 58 . c) Sicherheitsrechtlicher Charakter des Verfahrens Die Analyse des Verfahrens, aber auch seiner rechtlichen Rahmenbedingungen zeigt, dass es in erster Linie darauf ausgerichtet ist, eine streng fachliche Ausarbeitung von Flugverfahren unter dem Aspekt der Durchführung des Flugverkehrs zu ermöglichen. Anders als die klassischen Gesamt- oder Fachplanungsverfahren ist es nicht auf umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit oder der Träger öffentlicher Belange angelegt. Eine solche Beteiligung ist auch weder verfassungs- noch europarechtlich zwingend vorgeschrieben. Das Verfahren ist also auch nicht darauf angelegt, möglichst alle potentiellen Betroffenheiten zu ermitteln, wie dies bei der planerischen Abwägungsentscheidung über Raum- und Bodennutzungen der Fall ist. Schon das sollte Bedenken gegen die unbesehene Übertragung der Strukturen des Raum- und Bau- und Fachplanungsrechts auf die Festlegung der Flugverfahren wecken. ___________ 56 Berkemann/Halama, Erste Kommentierungen zum BauGB 2004, 2005 S. 94; Schink, Umweltprüfung für Pläne und Programme – Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben und Fachplanung, in: Dokumentation zur 28. wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht e.V., 2004, S. 93, 112 f. 57 Uechtritz, ZUR 2006, 9, 13; Schink, a.a.O. S. 93, 136. 58 Sydow/Fiedler, DVBl. 2006, 1420, 1421; Schleiden, a.a.O. (Fn. 34) S. 143.
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IV. Inhaltliche Anforderungen an die Verfahrensfestlegung Das LuftVG und die LuftVO enthalten keine Aussage zum Charakter der Verfahrensfestlegung, die eine besondere Nähe dieser Verfahren zur Raumplanung aufweist. Ihre Rechtsnatur als planerische Abwägungsentscheidung 59 wurde vom BVerwG 60 herausgearbeitet. Es mag kein Zufall sein, dass die planerischen Konturen von den Senaten herausgearbeitet und „entdeckt“ wurden, die für das Recht der Bauleitplanung bzw. der Fachplanung zuständig sind. Während im Schrifttum vermeintliche Defizite bei der Festlegung von Flugverfahren gerade aus dem Vergleich mit der Bauleit- oder Fachplanung abgeleitet werden, sind sie jedenfalls nicht der Versuchung erlegen, die Anforderungen dieser Rechtsgebiete unbesehen für die Verfahrensfestlegung zu übertragen. Vielmehr hat die Rechtsprechung immer die Besonderheiten und Grenzen dieser Planung hervorgehoben. Zu Recht: Nicht jede Planungsentscheidung muss sich an den Strukturen der Raum- und Bodenplanung messen lassen 61 . 1. Die Kompetenz zur Planung Jegliche Planungskompetenz findet ihre Grenze an den Befugnissen der Stelle, die die Umsetzung der Planungsaufgabe rechtlich zu verantworten hat, hier also an den Kompetenzen der BAF, die durch § 27 c Abs. 1 LuftVG umrissen werden. Zweck der Flugsicherung ist die Abwicklung des Luftverkehrs. Darunter ist die Bewegungslenkung im Luftraum im Sinne einer Kontrolle und Überwachung des Luftverkehrs zu verstehen. Die Flugverfahren müssen also den Verkehr bewältigen, der im Luftraum auftritt. Die Kompetenzen der BAF erfassen nicht die Befugnis, den gleichsam vorgefundenen Verkehr aus anderen Gründen als den der sicheren, flüssigen und geordneten Abwicklung einzuschränken. Die Rechtsprechung hat daher zu Recht betont, dass BAF und DFS nur befugt sind, den vorhandenen Verkehr durch Flugverfahren, Flugverkehrskontrollfreigaben und Weisungen zu verteilen. Sie sind daran gehindert, Regelungen zu treffen, die bereits erlassene Entscheidungen zum Betrieb eines Flughafens oder kontrollierten Flugplatzes einschränken, sondern können den durch die Platzkapazität generierten Lärm nur bewirtschaften 62 . Aus immissionsschutzrechtlicher Sicht bedeutet dies, dass es nicht ihre Aufgabe ist, das Lärm___________ 59 Grundlegend BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 – 11 C 13.99 – BVerwGE 111, 276 ff.; Buchner, DVBl. 2002, 1136, 1137; Meister, ZLW 2004, 23, 26 f. 60 Grundlegend BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 – 11 C 13.99 – BVerwGE 111, 276 ff. 61 Dazu sind die Planungsaufgaben zu unterschiedlich, vgl. etwa den Überblick bei Hoppe, Grundfragen des Planungsrechts – Ausgewählte Veröffentlichungen, 1998, § 1. 62 BVerwG, Urt. vom 4.5.2005 – 4 C 4/04 – BVerwGE 123, 322; BVerwG, Urt. vom 24.6.2004 – 4 C 11.03 – BVerwGE 121, 152, 162.
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aufkommen entscheidend zu reduzieren. Sie können das durch das Luftverkehrsaufkommen bzw. im Nahbereich von Flughäfen und kontrollierten Flugplätzen durch deren Kapazität vorhandene Immissionspotential allenfalls dreidimensional im Raum verteilen. 2. Das Regelungsinstrumentarium Die Planungsaufgabe, aber auch die Anforderungen an die Durchführung der Planung werden weiter durch das vorhandene Instrumentarium begrenzt. Dieser Punkt wird gerade bei der Diskussion um die Flugverfahren nicht hinreichend berücksichtigt. Dieses Versäumnis rührt von dem Fehlverständnis der Flugverfahren als Verkehrswege her. Sie sind es – wie gezeigt – weder tatsächlich, noch sind sie es rechtlich. Rechtlich sind die Flugverfahren ein Baustein der Flugverkehrskontrolle 63 . Die Flugverkehrskontrolle wird durch Verwaltungsakte umgesetzt, deren wichtigste die Flugverkehrskontrollfreigaben nach § 26 Abs. 2 LuftVO sind 64 . Bei ihnen handelt es sich um Genehmigungen, aber auch um bewegungslenkende Anweisungen der Flugverkehrskontrollstelle gegenüber dem Luftfahrzeugführer. Die Freigaben haben nach dem eindeutigen Wortlaut des § 27 a Abs. 1 LuftVO Vorrang vor den Flugverfahren. Die Flugverfahren begründen also weder eine absolute Bindung des Luftfahrzeugführers noch setzen sie den Rahmen für die Flugverkehrskontrollfreigabe. Sie sind vielmehr gegenüber diesen Verwaltungsakten subsidiär 65 . Der geringe rechtliche Bindungsgrad wird deutlich, wenn man berücksichtigt, dass der Luftfahrzeugführer bei den entsprechenden Sichtverhältnissen vom IFR-Flug in den VFR-Flug wechseln und sich so der Bindungswirkung der Verordnung selbst entledigen kann. Flugverfahren sind daher allenfalls sicherheitsrechtliche Maßnahmen für Standardfälle; zur Bewältigung des Fluglärmkonflikts sind sie nicht geeignet. Das bedeutet zwar nicht, dass Fluglärmimmissionen bei ihrer Festlegung völlig unbeachtlich sind. Es zeigt aber auch, dass sie das Auftreten von Fluglärmimmissionen nicht verlässlich beeinflussen können. Wenn aber die entsprechende Eignung zur Reduzierung der Lärmbelastung unvollkommen ist, macht es wenig Sinn, an die Ermittlung der Immissionssituation am Boden hohe Anforderungen zu stellen.
___________ 63
Risch, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, a.a.O. (Fn. 6), § 27 c Rn. 47. Lübben, a.a.O. (Fn. 9), E Rn. 46; Uhl, ebd. (Fn. 10), G. Rn. 273. 65 Risch, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, a.a.O. (Fn. 6), § 27 c Rn. 48; unzutreffend der Hinweis des VGH Kassel, Urt. vom 24.10.2006 – 12 A 2216/05 – NVwZ 2007, 597, 598, dass die Flugverfahren auch Verhaltensanweisungen an Fluglotsen darstellen. 64
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3. Die Vorgaben des § 27 c LuftVG § 27 c Abs. 1 LuftVG stellt daher bei den inhaltlichen Anforderungen an die Festlegung der Flugverfahren die sicherheitsrechtlichen Maßstäbe in den Vordergrund. Nach dieser Vorschrift dient die Festlegung der Flugverfahren der sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Luftverkehrs. a) Sichere, geordnete und flüssige Abwicklung Im Zentrum steht das Gebot der sicheren Abwicklung des Luftverkehrs 66 . Ziel ist die Vermeidung von Gefahren durch Luftfahrzeuge, insbesondere durch zu geringe Sicherheitsabstände untereinander. Auch die geordnete Abwicklung hat sicherheitsrechtlichen Charakter. Sie soll einen störungsfreien Ablauf des Flugverkehrs garantieren und als Folgewirkung nachteilige Auswirkungen des Flugverkehrs durch Fluglärm und Abgase in Folge von Störungen vermeiden. Das Ziel der flüssigen Abwicklung dient der Ausnutzung der vorhandenen Luftraumkapazitäten und soll Wartezeiten und Umwege für Luftfahrzeuge verhindern 67 . Dieses Ziel ist ebenfalls sicherheitsrechtlich beeinflusst: Je stärker der Luftverkehr ist, desto höher sind die Risiken für die Sicherheit der Luftfahrzeuge. b) Die Rechtsnatur der PANS-OPS Der Begriff der sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung ist im Gesetz nicht definiert. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Sein Inhalt ergibt sich aus den von der ICAO veröffentlichten PANS-OPS. Bei den PANS-OPS handelt es sich nicht um nationale Rechtsnorm mit Außenwirkung. Sie sind auch nicht als sogenannte Standards and Recommendations einzustufen, von denen ein ICAO-Vertragstaat nur nach vorheriger Notifizierung der ICAO abweichen darf 68 . Die ICAO empfiehlt die PANS-OPS den Vertragsstaaten „nur“ zur Anwendung. Die Vertragsstaaten müssen wesentliche Abweichungen in ihren Luftfahrthandbüchern veröffentlichen 69 . Auch das macht sie mangels Umsetzung in das nationale Recht nicht zu innerstaatlichen Rechtsnormen. Andererseits zeigt die Einbindung in das völkerrechtliche Regelungssystem des ICAO-Abkommens, dass die PANS-OPS rechtlich nicht irrelevant ___________ 66
Risch, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, a.a.O. (Fn. 6), § 27 c Rn. 28. Risch, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, a.a.O. (Fn. 6), § 27 c Rn. 30. 68 Weber, in: Hobe/Ruckteschell, Kölner Kompendium Luftrecht, Band I, 2008, A Rn. 62 ff. 69 Lübben, a.a.O. (Fn. 9), E Rn. 85 Fn. 164. 67
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sind. Sie sind international akzeptierte Sachverständigeneinschätzungen. Ihre Beachtung aus Gründen der Luftsicherheit hat überragende Bedeutung, weil der Luftverkehr sich weltweit auf sie eingestellt hat. Von ihrer sachverständigen Einschätzung kann die Flugsicherung nur ausnahmsweise aus gewichtigen Gründen abweichen 70 . Aus dem sicherheitsrechtlichen Charakter der Vorgaben des § 27 c LuftVG ergeben sich zwingend Einschränkungen der Gestaltungsfreiheit bei der Festlegung der Flugverfahren. Die Anforderungen an die sichere, geordnete und flüssige Abwicklung des Luftverkehrs sind rechtlich bindend und einer Abwägung nicht zugänglich. Das gilt auch für den Aspekt der flüssigen Abwicklung. Die flüssige Abwicklung begünstigt zwar auch die wirtschaftlichen Belange der Luftfahrtunternehmen, bei denen Umwege zu zusätzlichen Kosten führen. Sicherheitsaspekte und Verkehrsfluss gehen aber Hand in Hand. Eine Trennung zwischen den einzelnen Aspekten ist schon faktisch kaum realisierbar. Jede Beschneidung des Verkehrsflusses wirft automatisch Fragen der Verkehrssicherheit auf. Im Ergebnis haben daher die Zielsetzungen des §27 c den Charakter zwingender Planungsleitsätze. Soweit die sichere, geordnete und flüssige Abwicklung des Verkehrs nicht mehr gewährleistet ist, ist die Grenze der Planungskompetenz der BAF in jedem Fall erreicht. c) Lärm Die Besonderheiten der Flugverfahren spielen auch für die planerische Bewältigung der Lärmproblematik eine Rolle 71 . BAF und DFS dürfen bei der Festlegung der standardisierten Verfahren die Fluglärmimmission nicht etwa ausklammern. § 29 b Abs. 2 LuftVG verpflichtet sie, auf die Vermeidung unzumutbaren Lärms hinzuwirken. aa) Zumutbarkeit Dem LuftVG lässt sich nicht unmittelbar entnehmen, wann die Immissionen von Flugverfahren die Schwelle der Zumutbarkeit im Sinne des § 29 b Abs. 2 LuftVG überschreiten. Die Rechtsprechung hat vor der Novellierung des FluglärmG auf die im Fachplanungsrecht entwickelten Maßstäbe abgestellt 72 . Diese Zumutbarkeitsgrenze wird mit nach Inkrafttreten des FluglärmG zum 6. Juli 2007 durch § 2 FluglärmG bestimmt. Das ergibt sich aus § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG, der die Werte des § 2 FluglärmG mit der luftrechtlichen Zulas___________ 70
In diese Richtung auch Pfaff/Heilshorn, NVwZ 2004, 412, 415. BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 – 11 C 13.99 – BVerwGE 111, 276, 283; BVerwG, Urt. vom 24.6.2004 – 4 C 11.03 – BVerwGE 121, 152, 161 f. 72 BVerwG, Urt. vom 24.6.2004 – 4 C 11.03 – BVerwGE 121, 152, 161 f. 71
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sungsentscheidung verknüpft und verdeutlicht, dass diese auch im luftrechtlichen Zulassungsverfahren zwingend sind. Zwar fehlt eine vergleichbare Aussage zu Flugverfahren im LuftVG oder im FluglärmG. Sachliche Gründe, die Zumutbarkeitsgrenze bei der Flughafenzulassung anders als bei der Regelung der Flugverfahren zu ziehen, gibt es nicht. Im Schrifttum wird daher zu Recht vorgeschlagen, die offensichtliche Lücke des LuftVG durch eine entsprechende Anwendung des § 2 FluglärmG bei der Festlegung von Flugverfahren zu schließen 73 . bb) Hinwirkungspflicht zur Unterlassung unzumutbaren Fluglärms Schon der Wortlaut des § 29 b Abs. 2 LuftVG zeigt, dass BAF und DFS nicht verpflichtet sind, unzumutbaren Fluglärm zu unterbinden 74 . Darin unterscheiden sich die Anforderungen des Lärmschutzes bei der Festlegung der Flugverfahren von denen bei der luftrechtlichen Fachplanung. Der Gesetzgeber lässt es zu, dass die Betroffenen durch Flugverfahren auch mit Lärm jenseits der Zumutbarkeitsgrenze belastet werden. BAF und DFS müssen „nur“ auf die Vermeidung solchen Lärms hinwirken. Diese Hinwirkungspflicht bedarf der Konkretisierung. Der 11. Senat des BVerwG hat zunächst nur verlangt, dass die Abwägung über die Zulassung von Flugverfahren, die unzumutbaren Lärm auslösen, willkürfrei erfolgen muss 75 . Warum aber der Betroffene bis zur Grenze der Willkürlichkeit unzumutbaren Fluglärm durch Flugverfahren hinnehmen muss, ist nicht einsichtig. Vor allem lässt sich eine solche Belastung sachlich dann nicht rechtfertigen, wenn sie vermieden werden kann, ohne dass die sichere, geordnete und flüssige Abwicklung des Flugverkehrs beeinträchtigt wird. Der 4. Senat hat die Anforderungen des § 29 b Abs. 2 LuftVG daher zu Recht präzisiert: Flugverfahren, die unzumutbaren Lärm verursachen, darf das BAF nur festlegen, wenn unter Ausschöpfung aller sicherheitsrechtlich vertretbaren Möglichkeiten keine Abhilfe geschaffen werden kann. Führt ein Flugverfahren zu unzumutbaren Lärm kann das BAF den Nachweis, schonendere Mittel kämen nicht in Betracht, nur dann führen, wenn ihm überwiegende Gründe der sicheren Abwicklung des Flugverkehrs zur Seite stehen 76 . Es unterliegt insoweit einem besonderen Rechtfertigungszwang 77 . Offen ist die Frage, ob die ___________ 73 Wysk/Giesecke, in: Hobe/von Ruckteschell, Kölner Kompendium Luftrecht, Band 2, 2009, H Rn. 129. 74 BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 – 11 C 13.99 – BVerwGE 111, 276, 283; BVerwG, Urt. vom 24.6.2004 – 4 C 11.03 – BVerwGE 121, 152, 161 f. 75 BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 – 11 C 13.99 – BVerwGE 111, 276, 283. 76 BVerwG, Urt. vom 24.6.2004 – 4 C 11.03 – BVerwGE 121, 161 f. 77 BVerwG, Beschl. vom 7.4.2006 – 4 B 69.05 – juris Rn. 8; OVG Münster, Urt. vom 19.7.2005 – 20 D 40/04.AK – juris Rn. 47.
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Pflicht zur Vermeidung unzumutbaren Lärms nur der sicheren Abwicklung des Flugverkehrs weichen muss oder ob auch die geordnete und flüssige Verkehrsabwicklung die Verursachung unzumutbarer Immissionen durch Flugverfahren rechtfertigen kann. Eine Differenzierung setzt voraus, dass sich die Aspekte, Sicherheit, Ordnung und Flüssigkeit des Luftverkehrs bei der Konstruktion der Verfahren trennen lassen. Dort, wo dies aus praktischen Gründen nicht machbar ist, stellt sich die Frage daher nicht. Aber auch dann, wenn es nur um die geordnete und flüssige Verkehrsabwicklung geht, kann die mögliche Verursachung unzumutbarer Pegel gerechtfertig sein. Das kann etwa der Fall sein, wenn in den betroffenen Gebieten bereits passiver Schallschutz gewährleistet wird. Umgekehrt ist es nicht ausgeschlossen, dass diese Belange zurückzutreten haben, wenn besonders hohe Pegel erreicht werden. Dabei ist aber immer auch zu berücksichtigen, dass die Flugverfahren nicht statisch „Wege“ vorgeben, sondern nur greifen, soweit Flugverkehrskontrollfreigaben nicht erfolgen. Ein Verfahren, das nur selten zum Einsatz kommt, kann daher bei einer entsprechenden Rechtfertigung eher zumutbar sein als häufig in Anspruch genommene Verfahren. cc) Fluglärm unterhalb der Zumutbarkeitsgrenze § 29 b Abs. 2 LuftVG enthält keine ausdrückliche Aussage, wie die Flugsicherungsorganisation auf Lärm unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle zu reagieren hat. Das bedeutet nicht, dass derartiger Lärm bei der Festlegung der Flugverfahren keine Rolle spielt 78 . Die Rechtsprechung weist zutreffend darauf hin, dass die Betroffenen auch unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle Lärm nicht hinnehmen müssen, der sich zur Erreichung des mit einer bestimmten Maßnahme verfolgten Ziels objektiv als unnötig erweist 79 . Hier gelten jedoch für die Abwägung keine erhöhten Anforderungen. Die Flugsicherungsorganisation ist nicht verpflichtet, zumutbaren Lärm auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Zumutbarer Lärm steht daher der Festlegung von Flugverfahren nicht entgegen, wenn es für diese Festlegung sachlich einleuchtende Gründe gibt. Dafür reichen vertretbare Argumente aus. Unzulässig wäre es insoweit nur, wenn die BAF Alternativen, die sich unter Lärmschutzgesichtspunkten als eindeutig vorzugswürdig aufdrängen, ausschließt, ohne dass diese Alternativen aus Gründen der unabdingbaren Sicherheitserfordernisse weniger geeignet sind.
___________ 78 79
BVerwG, Urt. vom 24.6.2004 – 4 C 11.03 – BVerwGE 121, 152, 163. BVerwG, Urt. vom 24.6.2004 – 4 C 11.03 – BVerwGE 121, 152, 164.
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dd) Nachtfluglärm Umstritten sind auch die Anforderungen, die der Schutz vor nächtlichem Fluglärm an die Festlegung von Flugverfahren stellt. § 29 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG, der Flugplatzunternehmer, Luftfahrzeuge und Luftfahrzeugführer verpflichtet, auf die Nachruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen, ist von der Rechtsprechung bisher noch nicht als Maßstab für die Festlegung von Flugverfahren aktiviert worden. Der Wortlaut und die Systematik des § 29 b LuftVG legen auch nicht nahe, dass § 29 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG rechtliche Maßstäbe für die Festlegung von Flugverfahren vorgibt. Folgerichtig bemühen sich einige Bundesländer um eine gesetzliche Neufassung des § 29 b LuftVG mit dem Ziel, § 29 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG auch zum Maßstab von Flugverfahren zu machen. Es darf jedoch bezweifelt werden, ob eine entsprechende Novellierung tatsächlich die gewünschten Rechtsfolgen hätte. Auch die Pflicht zu einer besonderen Rücksichtnahme auf die Nachtruhe ändert nichts an der besonderen rechtlichen Strukturen der Verfahrensfestlegung. Sie dient nach wie vor sicherheitsrechtlichen Zwecken. Die Sicherheitserfordernisse des Luftverkehrs mit ihren Komponenten der sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung können nicht zu Gunsten einer besonderen Rücksichtnahme auf die Nachtruhe zurückgestellt werden. Vor allem Sicherheitsbelange haben nicht im Wege der Abwägung hinter einen besonderen Schutz der Nachtruhe zurückzutreten. Ebenso wenig würde sich durch eine Anwendung des § 29 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG eine Kompetenz der BAF ergeben, aus Gründen des Lärmschutzes die nächtliche Kapazität des Flughafens über die Flugverfahren einzuschränken. Es bliebe auch dann dabei, dass die Flugverfahren den durch die luftrechtliche Zulassungsentscheidung determinierten Verkehr bewältigen müssen. Dieser Sachstand darf aber umgekehrt nicht zu der Schlussfolgerung verleiten, der besondere Schutz der Nachruhe spiele bei der Abwägung überhaupt keine Rolle. Dies wird schon dadurch widerlegt, dass die Immissionsgrenzwerte, ab denen nächtlicher Fluglärm unzumutbar wird, nach § 2 FluglärmG deutlich niedriger liegen. Der Abwägungsspielraum des BAF ist bei Flugverfahren, die auch nachts geflogen werden, allein schon deswegen beschränkt. Die BAF ist auch nicht dran gehindert, nächtlichen Fluglärm mit einem höheren Gewicht in ihrer Abwägungsentscheidung einzustellen als am Tag. Dabei darf allerdings nicht verkannt werden, dass die BAF nur in der Lage ist, Fluglärm zu verteilen, der Entlastung des einen Betroffenen also oft zwangsläufig die Entlastung des anderen Betroffenen bedeutet. Die BAF ist daher auch bei nächtlichem Fluglärm weder gehindert, Flugverfahren abwägungsfehlerfrei zu bündeln, noch die Belastung durch eine Entzerrung der Flugrouten räumlich zu verteilen, was zu einer Entlastung bisher hochbelasteter Gebiete, aber eben auch zu einer Belastung von in der Vergangenheit vom Fluglärm nicht oder nur wenig betroffenen Bereichen führen kann.
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4. Weitere materielle Schranken Im Gegensatz zu den Erfordernissen der sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Luftverkehrs und der Pflicht, auf die Vermeidung unzumutbaren Lärms hinzuwirken, enthält das LuftVG keine weiteren unmittel heranzuziehenden Vorgaben für die Festlegung der Flugverfahren. In der Diskussion spielen insoweit die Anwendung der Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung sowie des europarechtlichen Trennungsgebots des Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 96/82/EG eine Rolle. a) Raumordnung und Landesplanung Im Schrifttum wird die Bindungswirkung der Raumordnungsziele und die Berücksichtigung der übrigen Erfordernisse der Raumordnung nach § 4 Abs. 1 ROG für die Verfahrensfestlegung unter Hinweis auf den raumbedeutsamen Charakter der Festlegung von Flugverfahren wegen der mit ihnen verbundenen Lärmauswirkungen bejaht 80 . Die Konsequenzen einer derartigen Beachtlichkeit liegen auf der Hand. So könnte etwa die Raumordnung und Landesplanung in die Versuchung geraten, Flugverfahren durch die zielförmige Festlegung überflugfreier Gebiete oder durch die Festlegung von Nachtschutzzonen zu steuern. Gegen eine solche Beachtungs- und Berücksichtigungspflicht spricht bereits der sicherheitsrechtliche Charakter der Verfahrensfestlegung als ein antizipiertes Bündel einzelner Flugverkehrskontrollfreigaben, die hinter den im Einzelfall erteilten Freigaben zurückzutreten haben und derer sich der Luftfahrzeugführer bei einem Wechsel in den VFR-Flug ohnehin entziehen kann. Auch hier zeigt sich wieder, dass es verfehlt ist, die Festlegung der Flugverfahren mit einer Raum- oder Bodennutzungsplanung gleichzusetzen. Der fehlende raumund bodenbeanspruchende Charakter der Flugverfahren ist rechtlich der entscheidende Grund, warum § 4 Abs. 1 ROG die BAF bei der Festlegung der Verfahren nicht bindet. Die Raumordnung und Landesplanung ist nämlich kompetenzrechtlich nicht befugt, Vorgaben für luftrechtliche Verhaltensanweisungen zu machen. Raumordnung und Landesplanung hat die Aufgabe der überörtlichen Abstimmung von Raumnutzungsansprüchen und Raumfunktionen 81 . Ihr Instrumentarium ist daher auf die Verortung von Nutuzungen und Funktionen am Boden beschränkt. Sie kann auch Maßstäbe vorgeben, die bei der Verortungsentscheidung zu berücksichtigen sind 82 . Flugverfahren nehmen aber nicht selbst Raum in Anspruch oder setzen einen Rahmen für die Boden___________ 80
Klinger, LKV 2011, 8, 11; Repkewitz, VBlBW 2005, 1, 3. Durner, Konflikte räumlicher Planungen, 2005, S. 254 ff. 82 Deutsch, in: Ziekow, Aktuelle Probleme des Luftverkehrs-, Planfeststellungs- und Umweltrechts 2010, 2011, S. 47, 65 f. 81
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nutzung 83 . Aus ihnen ergeben sich auch keine direkten Einflüsse auf die räumliche Struktur eines Gebietes 84 . Sie sind reine Verhaltensanweisungen mit einer zudem nur unvollkommenen Bindungswirkung und daher selbst auch nicht Gegenstand einer Bindung an Raumordnung und Landesplanung. Das bedeutet allerdings nicht, dass die konkrete Bodennutzung im Entscheidungsprogramm der BAF überhaupt keine Rolle spielt. Die Raumordnung und Landesplanung ist aber nicht das Instrument, um steuernden Einfluss auf die Festlegung der Flugverfahren zu nehmen. b) Abstandsgebot nach § 50 Abs. 2 Satz 1 BImSchG Ähnliche Wirkung wie die Beachtung zielförmiger Festlegung der Raumordnung und Landesplanung kann das Trennungsgebot des § 2 Abs. 2 Satz 1 BImSchG bzw. des Art. 12 Richtlinie 96/82/EG haben. Im Schrifttum wird dies teilweise bejaht 85 . Begründet wird dies damit, Flugrouten seien einschlägigen Politiken (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 96/82/EG), bei denen die Mitgliedstaaten das Ziel zu berücksichtigen hätten, schwere Unfälle zu verhüten und ihre Folgen zu begrenzen. Flugrouten werden ferner als Verkehrswege im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 3 Richtlinie 96/82/EG eingeordnet, die einen angemessenen Abstand zu Störfallbetrieben zu wahren hätten. Dass die Flugverfahren keine Verkehrswege sind, sondern sicherheitsrechtliche Verhaltensanweisungen, wurde bereits gezeigt. Der VGH Kassel 86 und ein beachtlicher Teil des Schrifttums 87 wenden sich daher zu Recht dagegen, die Anwendung des Trennungsgebots mit dem Verkehrswegcharakter der Verfahren zu begründen. Ebenso wenig handelt es sich bei den Flugverfahren um einschlägige Politiken im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 96/82/EG. Zu Recht weisen der VGH Kassel und die einschlägigen Stimmen im Schrifttum darauf hin, dass die Richtlinie 96/82/EG in Art. 12 Vorgaben für Flächenausweisungen und Flächennutzungen regele,, Flugverfahren aber den Charakter einer Verkehrsregelung bzw. sind Verhaltensvorschriften für die Luftfahrzeugführer hätten 88 . Sie lassen sich daher auch nicht als Politik der Flächenausweisung einordnen. ___________ 83
Repkewitz, VBlBW 2005, 1, 3; Grüner/Müller, NuR 2011, 107, 109. BVerwG, Urt. vom 26.11.2003 – 9 C 6/02 – BVerwGE 119, 245, 252; VGH Kassel, Urt. vom 11.2.2003 – 2 A 1062/01 – NVwZ 2003, 875, 877; Sydow/Fiedler, DVBl. 2006, 1420, 1422; Grüner/Müller, NuR 2011, 107, 109. 85 Lübben, a.a.O. (Fn. 9), E Rn. 102; Sellner/Scheidmann, NVwZ 2004, 267, 271; Repkewitz, VBLBW 2005, 1, 6 f.; Schleiden, a.a.O. (Fn. 34), S. 89 ff. 86 VGH Kassel, Urt. vom 24.10.2006 – 12 A 2216/05 – NVwZ 2007, 597, 599. 87 Grüner/Müller, NuR 2011, 107, 111 f.; Thürmer, StoffR 2007, 40 ff.; Hermanns/Hönig, NWVBl. 2006, 8 ff. 88 VGH Kassel, Urt. vom 24.10.2006 – 12 A 2216/05 – NVwZ 2007, 597, 599; Grüner/Müller, NuR 2011, 107, 110. 84
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Rechtlich bindende Vorgaben bei der Festlegung der Flugverfahren stellen daher weder § 50 Abs. 2 Satz 1 BImSchG noch Art. 12 Richtlinie 96/82/EG auf. 5. Die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials Damit bleibt zu klären, auf welcher Sachverhaltsbasis die planende Entscheidung zu erfolgen hat. Dies ist gerade im Hinblick auf die Ermittlung der Fluglärmbelastung umstritten. Die Rechtsprechung lässt es genügen, wenn DFS und BAF bei der Ermittlung des betroffenen Personenkreises auf aktuelles Kartenmaterial über die Siedlungsstruktur abstellen 89 . Eigenständige Ermittlungen, Messungen oder gar Prognosen sind ebenfalls nicht erforderlich. Die oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, die verlangt hat, dass bei der Lärmermittlung auch bestimmte topographische Höhenprofile zu berücksichtigen sind 90 , hat vor dem BVerwG kein Gehör gefunden 91 . Im Schrifttum wird diese Reduzierung der Anforderungen an die Ermittlung der Lärmimmissionen unter Verweis auf das planungsrechtliche Abwägungsgebot kritisiert 92 . Berechtigt ist diese Kritik nicht. Sie verkennt, dass die Flugverfahren anders als Festsetzungen oder Darstellung in der Bauleitplanung keine verbindlichen Regelungen für Grund und Boden halten und auch nicht wie die Planfeststellung die öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen der planfestzustellenden Anlage und ihrer Nachbarschaft rechtlich gestalten. Sie sind Verhaltensanweisungen, die sich an die Luftfahrzeugführer richten und zudem hinter der Flugverkehrskontrollfreigabe subsidiär sind, also jederzeit durchbrochen werden können. Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Ermittlung und die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials. Da gerade beim Anflug individuelle Flugverkehrskontrollfreigaben das tatsächliche Lärmgeschehen determinieren, lässt sich eine parzellenscharfe Prognose des Kreises der potentiell Lärmbetroffenen kaum erstellen. Das gilt ähnlich für den Abflug, bei dem die tatsächliche Lärmbelastung ebenfalls stark vom aktuellen Fluggeschehen und der konkreten Verkehrszusammensetzung abhängt. Eine parzellenscharfe Ermittlung der Lärmbelastung würde daher über das Ziel hinausschießen, weil sie letztlich in der Verfahrensfestlegung nicht erfolgreich verarbeitet werden kann. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass dies im unmittelbaren Nahbereich des Flughafens nicht gelten kann, weil das Luftfahrtzeug bei 5 NM im Anflug auf die Bahnen eindreht bzw. beim Start nach Erreichen einer Höhe von 398 ft. frühestens ab___________ 89
BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 – 11 C 13.99 – BVerwGE 111, 276, 284; BVerwG, Urt. vom 24.6.2004 – 4 C 11.03 – BVerwGE 121, 152, 167. 90 VGH Kassel, Urt. vom 11.2.2003 – 2 A 1062/01 – UA S. 24; in der Praxis soll die Berücksichtigung der Topographie mittlerweile allerdings sichergestellt sein. 91 BVerwG, Urt. vom 24.6.2004 – 4 C 11.03 – BVerwGE 121, 152, 167 f. 92 Geis, FS Bartlsperger, a.a.O., S. 215, 225 ff.; Michl, ThürVBl. 2011, 121, 129 f.
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drehen darf, insoweit das Lärmgeschehen also determiniert ist. Diese Lärmproblematik ist nämlich in jedem Fall bereits durch die luftrechtliche Zulassungsentscheidung abgearbeitet und muss bei der Festlegung der Flugverfahren nicht erneut abgewogen werden. Die Kritik, die eine unzureichende Feststellung und Ermittlung des Sachverhalts rügt, verkennt, dass die Reichweite der Sachverhaltsermittlung, der relevante Sachverhalt letztlich durch den Regelungsgegenstand bestimmt wird. Wenn dieser wie im vorliegenden Fall aufgrund der rechtlichen Strukturen keine abschließenden Regelungen treffen kann, bedarf es daher keiner entsprechend detaillierten Aufbereitung des Sachverhalts. Daher genügen der Rückgriff auf aktuelles Kartenmaterial und der Einsatz von Rechenprogrammen, die die relative Fluglärmbelastung im Verhältnis zu anderen Gebieten am Boden ermitteln. Nicht geregelt ist, welche Folgen Ermittlungs- und Einstellungsdefizite hinsichtlich der Lärmemissionen haben. Solche Defizite führen nicht im jedem Falle zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der einschlägigen Verordnung. Das ist nur dann der Fall, wenn sie sich auf das Abwägungsergebnis auswirken können. Diese Voraussetzung wird insbesondere dann gegeben sein, wenn DFS und BAF verkannt haben, dass bestimmte bewohnte Gebiete unzumutbarem Fluglärm ausgesetzt sind und anderweitige sicherheitsrechtlich vertretbare Möglichkeiten für die Verfahrensfestlegung keine Abhilfe verschaffen können. Soweit es dagegen um die Bewältigung zumutbaren Fluglärms geht, dürfte sich ein Ermittlungsoder Einstellungsdefizit regelmäßig kaum auf das Abwägungsergebnis auswirken können.
V. Die Verknüpfung mit dem Planfeststellungsverfahren Die Rechtsprechung hat demnach die rechtlichen Strukturen der Flugverfahren und ihrer Festlegungen zutreffend herausgearbeitet und im Ergebnis auch überzeugend gelöst. Ein Problem an der Schnittstelle zwischen luftrechtlicher Zulassung und Flugverfahren harrt aber nach wie vor der Aufbereitung. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass nach der luftrechtlichen Zulassungsentscheidung die Flugverfahren anders als für diese Entscheidung prognostiziert festgelegt werden. Das kann – wie einleitend bereits erwähnt – dazu führen, dass Regionen Fluglärm ausgesetzt werden, die damit im laufenden Zulassungsverfahren nicht rechnen mussten und deswegen sich im Verfahren nicht beteiligten, in denen vielleicht noch nicht einmal die Antragsunterlagen ausgelegt worden waren. Umgekehrt kann es sein, dass die Änderung der Flugverfahren nach der Zulassungsentscheidung dazu führt, dass auch Investitionen des Flughafenbetreibers in passiven Schallschutz in Gebieten ausgeführt worden sind, in denen die Voraussetzungen für die Finanzierung passiven Schallschutzes weggefallen sind.
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1. Berücksichtigung der Prognose bei der Verfahrensfestlegung Nahe liegt die Überlegung, dass in einem solchen Fall die prognostizierten Flugverfahren ein besonderes Gewicht bei der Verfahrensfestlegung für die BAF haben, diese also nur unter engen Voraussetzungen von ihnen abweichen darf 93 . Das wirft zunächst die Frage auf, woher sich das rechtliche Gewicht einer solchen besonderen Präjudizierung ergeben soll. Die Festlegungen der Anund Abflugverfahren sind rechtlich unabhängig von den Zulassungsverfahren für den Flugplatz 94 . Die Festschreibung der Flugverfahren in der Fachplanungsentscheidung zum Flugplatz scheidet ebenfalls aus. Sie fällt nicht in die Regelungskompetenz des Fachplanungsträgers. Gegen eine entsprechende Präjudizierung der Flugverfahren spricht der sicherheitsrechtliche und verkehrslenkende Charakter der Verfahrensfestlegung. Die Fachplanungsbehörde erstellt ihre Prognose zu Beginn des Fachplanungsverfahrens. Zwischen diesem Zeitpunkt und der Festlegung des endgültigen Flugverfahrens liegen vielfach mehrere Jahre, wenn nicht sogar ein ganzes Jahrzehnt. In dieser Zeit führen Veränderungen im Flugplatzumfeld und der technischen Entwicklung, aber auch Veränderungen der Flottenzusammenstellung und der Verkehrskonzepte zu einer geänderten Sicherheitsbewertung von Flugverfahren. Eine Bindung der BAF an eine lange vor dem Erlass der Verordnung aufgestellte Prognose ist mit dem sicherheitsrechtlichen Charakter der Verfahrensfestlegung nicht zu vereinbaren. Sicherheitsrelevante Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse muss die BAF bei der Festlegung der Verfahren berücksichtigen, sie hat dann keinen Abwägungsspielraum. Allerdings liegt der Einwand nahe, dass zumindest unterhalb der Schwelle der Sicherheitsrelevanz ein Festhalten an der ursprünglichen Prognose der künftigen Verfahren geboten sein könnte. Die überholte Prognose könnte dann nur überwunden werden, wenn aus Gründen der Luftsicherheit keine andere Alternative zur Verfügung stände. Aber auch die überholte Prognose der Flugverfahren stellt keinen besonderen Vertrauenstatbestand dar, auf dessen Fortdauern sich die Betroffenen verlassen dürfen. Ein solches Gewicht erlangt sie auch nicht dadurch, dass sie dem Planfeststellungsbeschluss oder der luftrechtlichen Genehmigung zugrunde gelegt wird. Alles dies spricht gegen eine Bindung des BAF an eine frühere Prognose des Fachplanungsträgers. Der entscheidende Grund für die fehlende Bindung ergibt sich aber auch hier aus der rechtlichen Struktur der Flugverkehrskontrolle und dort aus der Subsidiarität der Flugverfahren. Wenn die Abweichung von den Verfahren durch Flugverkehrskontrollfreigaben oder durch den Wechsel in den ___________ 93 Klinger, LKV 2011, 8, 11, der von einer gewissen Präjudizierung in einem solchen Fall ausgeht. 94 BVerwG, Urt. vom 24.6.2004 – 4 C 11.03 – BVerwGE 121, 152, 158 f.; Repkewitz, VBlBW 2005, 1, 2; Delbanco, Die Änderung von Verkehrsflughäfen, 1998, S. 81 f.
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Sichtflug jederzeit möglich ist, zeigt dies, dass den vorgelagerten Prognosen in der Zulassungsentscheidung nach dem Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers keine determinierende Wirkung für die Verfahren zukommen soll. 2. Anspruch auf Erlass einer Rechtsverordnung Diese Erwägungen sprechen auch gegen die These, die Betroffenen könnten in einem solchen Fall verlangen, dass die ursprünglich prognostizierten Flugverfahren festgesetzt würden, hätten also einen Normerlassanspruch. Das geltende Recht kennt zwar durchaus subjektive Rechte auf Normerlass 95 . Derartige Ansprüche bedürfen einer Rechtsgrundlage. Einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf normative Festsetzung des prognostizierten Flugverfahrens kennt das geltende Recht jedoch nicht. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus Art. 3 Abs. 1 GG noch etwa aus dem Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG oder aus dem Anspruch auf Schutz der Gesundheit. Die letzteren Grundrechte sind Abwehrrechte, sie gewähren keine Leistungsansprüche. Auch aus § 27 c LuftVG und aus § 27 a LuftVO lassen sich solche Ansprüche nicht ableiten. § 27 c LuftVG begründet einen Anspruch auf Abwägung, nicht aber auf Normsetzung. Ebenso wenig enthält § 27 a LuftVO entsprechende Rechte der Betroffenen. Ebenso wenig lässt sich dem Prinzip der Rechtssicherheit und dem daraus resultierenden Vertrauensschutz der Betroffenen ein entsprechender Anspruch entnehmen. Es fehlt bereits an einem staatlichen Akt, der ein hinreichendes Vertrauen auf die (künftige) Festsetzung der prognostizierten Flugverfahren vermittelt. Selbst wenn es einen solchen staatlichen Akt gäbe, dürfte der Betroffene jedenfalls nicht darauf vertrauen, dass diese Prognose auch nach Jahren noch Grundlage der Verkehrssteuerung sein wird. Will man trotz dieser Bedenken einen Normerlassanspruch bejahen wollte, sprechen gewichtige Gründe gegen einen unbedingten Anspruch auf Festsetzung der prognostizierten Verfahren. Die Rechtsprechung geht zutreffend davon aus, dass ein Normerlassanspruch auch die Autonomie des Normgebers und das daraus resultierende Normsetzungsermessens berücksichtigen muss 96 . Der Schutz dieses Ermessens führt regelmäßig dazu, dass jedenfalls kein Anspruch auf Erlass einer Norm mit einem bestimmten, ganz konkreten Inhalt besteht. Und schließlich schlagen auch bei diesem Modell die Besonderheiten der Verfahren als gegenüber der Steuerung durch die einzelne Flugverkehrskontrollfreigabe subsidiäre rechtliche Instrument durch: Die Verfahren sind geradezu auf Abweichung angelegt. ___________ 95 BVerwG, Urt. vom 3.11.1988 – 7 C 115/86 – NJW 1989, 1495 f.; VGH BadenWürttemberg, Urt. vom 26.10.1999 – 1 S 1652/98 – NVwZ-RR 2000, 701 m.w.N. 96 VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 26.10.1999 – 1 S 1652/98 – NVwZ-RR 2000, 701, 702 m.w.N.
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3. Verbindliche Festlegung im Vorfeld der Fachplanung Damit ist auch die Frage fast schon beantwortet, ob die Flugverfahren de lege ferenda etwa als Allgemeinverfügung schon im Vorfeld der luftrechtlichen Fachplanung verbindlich festgeschrieben werden sollten. Mit dem sicherheitsrechtlichen Charakter der Verfahren ist es nicht zu vereinbaren, Handlungsanweisungen etwa 10 bis 12 Jahre vor Inbetriebnahme des geänderten Flughafens bzw. des kontrollierten Flugplatzes aufzustellen. Die Luftsicherheit muss im Zeitpunkt der Inbetriebnahme sichergestellt sein. Dies lässt sich bei einer derzeit frühen Festlegung schon aus praktischen Gründen nicht gewährleisten. Voraussetzung wäre, dass externe Einflüsse, die eine Anpassung der Verfahren nach Abschluss der luftrechtlichen Fachplanung erforderlich machen, verlässlich und in dem notwendigen Umfang ausgeschaltet werden können. Das ist aber nicht der Fall. Schon die grundlegenden Parameter wie das voraussichtliche Verkehrsaufkommen lassen sich nicht mit der notwendigen Genauigkeit bestimmen. Nicht umsonst gehören sie zu den am heftigsten umstrittenen Fragen in der luftrechtlichen Fachplanung. Ebenso wenig lässt sich im Vorfeld der Fachplanung die Verkehrszusammensetzung hinreichend fixieren, um spätere Anpassungen zu vermeiden. Theoretisch denkbar wäre es immerhin, bestimmte Einflussfaktoren aus der Bodennutzung im Umfeld des Flugplatzes durch Veränderungssperren etc. auszuschließen. Das würde aber entsprechende Beschränkungen in einem weiten Umkreis und von langer Dauer erforderlich machen. Sowohl die damit notwendigerweise verbundenen Beschränkungen der kommunalen Planungshoheit als auch des Eigentumsgrundrechts wären mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kaum zu vereinbaren. 4. Regelung in der Planfeststellung Als Lösung wird daher teilweise die Festelegung der Flugverfahren in der luftrechtlichen Fachplanung selbst gefordert 97 . De lege lata gibt das geltende Recht diese Möglichkeit nicht her. § 6 und § 8 LuftVG ermächtigen die Fachplanungsbehörde nur zur Regelung des Flugplatzbetriebs, nicht aber zur Regelung des Flughafenbetriebs 98 . Das Luftrecht müsste also angepasst werden. Am leichtesten wäre dabei noch der Umstand zu bewältigen, dass die Planfeststellung als Verwaltungsakt ausgestaltet ist und ihre Konzentrationswirkung nur Verwaltungsakte und keine Verordnungen erfasst 99 . Die Schwierigkeiten be___________ 97
Rausch-Gast, in: Ziekow, Aktuelle Probleme des Luftverkehrs-, Planfeststellungsund Umweltrechts 2009, 2010, S. 63, 70 f. 98 BVerwG, Urt. vom 9.11.2006 – 4 A 2001.06 – BVerwGE 127, 95 Rn. 80. 99 Michl, ThürVBl. 2011, 121, 128.
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ginnen auf der materiellen Ebene. Als standardisierte Verhaltensanweisungen müssen die Verfahren für Abweichungen offen sein. Dies wird derzeit durch ihre Subsidiarität gegenüber dem Verwaltungsakt der Flugverkehrskontrollfreigabe erreicht. Die Festlegung durch den Planfeststellungsbeschluss impliziert eine höhere Verbindlichkeit und eine Umkehrung des Verhältnisses zwischen Verfahren einerseits und Freigabe andererseits. Dadurch würde aber die Flugverkehrskontrolle in erheblichem Umfang beschnitten. Zu vermeiden wäre dies nur, wenn die Festlegung durch die Planfeststellung die situationsbedingte Steuerung nicht ausschließen würde. Damit würde sie aber einen Großteil der vermeintlichen Rechtssicherheit wieder einbüßen. Zudem müsste sichergestellt sein, dass die Planfeststellung dem häufigen Änderungsbedarf der Verfahren Rechnung trägt. Hier bestehen erhebliche Zweifel, ob das starre und formalisierte Planfeststellungsverfahren überhaupt die notwendige Verfahrensflexibilität erlaubt. Wenn unter den derzeitigen Bedingungen mit einem rudimentären Beteiligungsverfahren die Anpassung bis zu einem Jahr dauert, dürfte sich dieser Zeitraum bei einer Änderungsplanfeststellung oder Änderungsgenehmigung deutlich erhöhen. Die Planfeststellung ist daher zur Lösung des Problems nicht geeignet. 5. Gewährung passiven Schallschutzes Deswegen ist zu überlegen, ob den Betroffenen nicht anders geholfen werden kann. Das neue FluglärmG hat den passiven Schallschutz vom Planfeststellungsverfahren entkoppelt und ihn der Festlegung der Lärmschutzbereiche zugewiesen (§ 4 FluglärmG). Durch eine entsprechende zeitliche Koordination der Festlegung der Flugverfahren und der Bestimmung des Lärmschutzbereiches, insbesondere der Nacht-Schutzzone an einem Flughafen können die Auswirkungen geänderter Flugverfahren jedenfalls in den Regionen gemildert werden, in denen es anders als im Planfeststellungsverfahren prognostiziert zu unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen kommt. Hier kann den Betroffenen passiver Schallschutz bzw. eine Kompensation durch Entschädigung gewährt werden. 6. Nachträgliche Schutzauflagen Die Nachteile für die Betroffenen können schließlich nach Maßgabe des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG gemindert werden 100 . Nach dieser Vorschrift haben die Betroffenen auch nach Bestandskraft eines Planfeststellungsbeschlusses ___________ 100
So auch Gatz, JurisPR 16/2006 Anm. 2 unter D.
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Anspruch auf nachträgliche Schutzauflagen, wenn nicht vorhersehbare Auswirkungen eingetreten sind. Nicht vorhersehbar sind auch Auswirkungen, die anders als prognostiziert eingetreten sind oder die später neu hinzugekommen sind. Das Schrifttum rechnet dazu auch die Änderung von Flugverfahren nach Bestandskraft eines Planfeststellungsbeschlusses 101 . 7. Minderung im Festlegungsverfahren Einzuräumen bleibt, dass mittels der Festlegung der Lärmschutzbereiche und der Anordnung nachträglicher Schutzmaßnahmen allenfalls Schutz vor unzumutbaren Fluglärmbelastungen in Folge der Festlegung neuer Flugverfahren gewährt werden kann. Belastung der Betroffenen wird regelmäßig im Bereich zwischen der fachplanerischen Erheblichkeits- und unter der Zumutbarkeitsschwelle liegen. Ein Anspruch darauf, von derartigen Lärmbelastungen generell verschont zu bleiben, räumt das geltende Recht jedoch nicht ein. Es schützt auch nicht davor, nachträglich wider Erwarten mit derartigen Immissionen belastet zu werden. Allerdings spielt die Belastung der Betroffenen rechtlich durchaus eine Rolle. Auch bei der Festlegung der Flugverfahren muss ermittelt und geprüft werden, inwieweit es zu abwägungsrelevanten Belastungen der Betroffenen unterhalb der fachplanerischen Zumutbarkeitsschwelle kommt. Diese Belange fließen durchaus in die Abwägungsentscheidung ein. Ob und inwieweit sie berücksichtigt werden können, ist jedoch in der Verfahrensfestlegung ähnlich wie im Planfeststellungsverfahren der planerischen Gestaltungsfreiheit des jeweiligen Planungsträgers überlassen. Und schließlich gilt aus gutem Grund, dass die Sicherheit des Luftverkehrs letztlich Vorrang haben muss.
___________ 101
Wysk, ZLW 1998, 285, 292; Kämper, in: Bader/Ronellenfitsch, Beck’scher Online-Kommentar, Stand: 1.1.2011, § 75 Rn. 37.
Lärmverteilung und kommunale Belange – Abwehrrechte von Gemeinden bei der Verlegung von Flugrouten aus Lärmschutzgründen Von Thomas Mehler Ein Maßnahmepaket zum Aktiven Schallschutz am Flughafen Frankfurt/Main wirft für die neu betroffenen Gemeinden zu klärende Rechtsfragen auf. Durch Abänderung der Anflugverfahren, die noch dem kurz zuvor erlassenen Planfeststellungsbeschluss 1 , aber auch dem LEP Hessen 2000 2 oder dem Regionalplan Südhessen 2010 3 zugrunde lagen, wurde eine abweichende Lärmverteilung vorgenommen. Die Rechtsverordnung 4 legt neu einen gegenüber der Anfluggrundlinie nach Süden versetzten Anflug – den sog. „Segmented Approach“ – in der erklärten Absicht fest, weniger dicht besiedelte Gebiete zu überfliegen. 5 Über den konkreten Fall hinaus bietet dieses Verfahren Anlass zur Erörterung der kommunalen Abwehrrechte, insbesondere des Schutzes der vorhandenen Siedlungsstruktur, da die zugrundeliegenden Bebauungspläne in der berechtigten Erwartung aufgestellt worden sind, von Fluglärm verschont zu bleiben. Die Lärmverteilung stellt nicht nur Fragen an die Abwägung und den Umfang der bei der Festlegung zu berücksichtigenden Belange. Auch die Rechtssetzungsbefugnis einer solchen „Lärmplanung“ ist zu diskutieren. Gleichzeitig erweist es sich angesichts der Lärmverteilung als bedenklich, wenn mangels eines förmlichen Beteiligungsrechts der Gemeinden die kommunalen Belange weitgehend unberücksichtigt bleiben würden. Aufgrund der Rechtsprechung, die höhere Anforderungen an die Festlegung der Flugrouten ___________ 1
Vgl. Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Flughafens Frankfurt/Main des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 18.12.2007 (Az.: PF 66 p – V –); www.hessen.de/irj/HMWVL_Internet?uid=5b625deb9ee6-11d5-ce7b-91921321b2c3. 2 Vgl. Landesentwicklungsplan Hessen 2000 in der Fassung der Änderung vom 27.7.2007 (GVBl. I, 487 ff.). 3 Gleichzeitig Regionaler Flächennutzungsplan in der am 15.12.2010 von der Verbandskammer und der Regionalversammlung beschlossenen Fassung; http://www.region-frankfurt.de/Region/Planung/Regionaler-Fl%C3%A4chennutzungs-plan. 4 33. Änderungsverordnung (ÄndVO) zur 212. Durchführungsverordnung zur LuftVO vom 7.1.2011, bekannt gemacht am 21.1.2011 (BAnz. 2011, S. 362 ff.). 5 Allerdings wurde in § 5 der 33. ÄndVO die Betriebszeit der Flugroute auf 23.00 Uhr bis 5.00 Uhr beschränkt.
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in Abhängigkeit davon stellt, ob durch das Flugverfahren unzumutbarer Lärm hervorgerufen wird 6 , ist noch zu untersuchen, wo diese Grenze des unzumutbaren Fluglärms verläuft. Schließlich soll versucht werden, die Maßstäbe, anhand derer die Beeinträchtigung der kommunalen Planungshoheit zu bestimmen ist, aufzuzeigen.
I. Rechtsschutz und Ermächtigungsgrundlage An- und Abflugverfahren werden gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 LuftVG i.V.m. § 27a Abs. 2 LuftVO durch Bundes-Rechtsverordnung des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung (BAF) festgelegt. Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz 7 ist in Form der Feststellungsklage gegen die Festlegung von Flugrouten eröffnet. 8 Auf die Feststellungsklage hin findet jedoch keine volle Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verordnung statt. Der Kläger ist auf die gerichtliche Feststellung beschränkt, dass das festgelegte Flugverfahren ihn in seinen subjektiven Rechten verletzt. 9 Für die Klage einer Gemeinde gilt nichts anderes. Die Feststellungsklage ist auch nicht nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO subsidiär 10 , § 47 VwGO entfaltet keine Sperrwirkung, da das System des verwaltungsgerichtlichen Rechtschutzes es nicht ausschließt, dass andere als die in § 47 Abs. 1 VwGO genannten Normen gerichtlich überprüft werden. Dies wäre überdies mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren. 11 1. Klagebefugnis Die Rechtsprechung prüft die Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO auch bei gegen Rechtsverordnungen der Flugsicherungsbehörden gerichteten Feststellungsklagen nach § 43 VwGO 12 . Sie fehlt nur dann, wenn offensicht___________ 6
BVerwG „Taunusrouten“, Urt. vom 26.4.2004 – 4 C 11/03 –, E 121, 152 ff.; BVerwG, Urt. vom 4.5.2005 – 4 C 6.04 –, E 123, 322 ff. 7 Vgl. zum effektiven Rechtsschutz BVerfG, Nichtannahmebeschl. vom 2.4.1997 – 1 BvR 446/96 –, NVwZ 1998, 169; Meißner, „An- und Abflugrouten – ein neues Planungsrecht entsteht“, in: Ziekow (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Fachplanungs- und Raumordnungsrechts 2004, 37-64. 8 St. Rspr. seit BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 – 11 C 13.99 –, E 111, 276 ff. 9 BVerwG, Beschl. vom 5.10.2009 – 4 B 8/09 –, juris Rn. 6. 10 BVerwGE 121, 152, 156 m.w.N. (Fn. 6). 11 BVerfG, NVwZ 1998, 169; nachfolgend BVerwG (Fn. 8) E 111, 276, 278 m.w.N.; zur Kritik an der „heimlichen Normenkontrolle“ vgl. Rupp, NVwZ 2002, 286; Hufen, VwProzR, 6. Aufl., § 18 Rn. 14. 12 BVerwGE 111, 276, 279 (Fn. 8).
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lich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die subjektiven Rechte der Gemeinde durch die angegriffene Rechtsverordnung verletzt sein können. 13 Die Gemeinden sind durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vor Übergriffen anderer öffentlicher Stellen in ihre Selbstverwaltungsangelegenheiten geschützt. Ihnen ist das Recht eingeräumt, alle örtlichen Angelegenheiten selbst zu regeln. Eine Einschränkung dieser Selbstverwaltungsgarantie ist nur zulässig, wenn sich bei der vorzunehmenden Güterabwägung ergibt, dass schutzwürdige überörtliche Interessen die Einschränkung erfordern. 14 Damit können auch die Gemeinden Träger subjektiver Rechte sein, die bei der Festlegung des Flugverfahrens durch Rechtsverordnung zu berücksichtigen sind. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung verleiht außerdem § 29 b Abs. 2 LuftVG den Gemeinden ein subjektives Recht. Die Vorschrift ist für die Gemeinden drittschützend 15 , da sie sich schon als Grundstückseigentümer zum Schutz vor nachteiligen Einwirkungen auf ihr einfach-rechtlich geschütztes Eigentum nach allgemeinen Grundsätzen berufen können, ohne dass eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts dargelegt werden müsste. 16 Nach § 29 b Abs. 2 LuftVG haben die Luftfahrtbehörden und die für Flugsicherung zuständigen Stellen auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken. Bei der Abwägung ist dem Interesse der Gemeinden, von (zusätzlichem) Fluglärm verschont zu bleiben, ohne Rücksicht auf den Grad der Beeinträchtigung, den das neue bzw. veränderte Flugverfahren auslöst, rechtliche Relevanz zuzusprechen. 17 Die Rechtsprechung hat schon aus diesem Gesichtspunkt die Klage von Gemeinden für zulässig gehalten. Freilich hat das Bundesverwaltungsgericht den Hinweis nicht versäumt, dass die Frage, ob diesem Gesichtspunkt im konkreten Fall Bedeutung zukommt, im Rahmen der Begründetheit der Klage noch zu prüfen sei. 18 Die Gemeinde ist außerdem klagebefugt, wenn durch ein Vorhaben eine hinreichend konkretisierte eigene örtliche Planung nachhaltig gestört wird oder wenn Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung entzogen werden 19 . Gleichzeitig stellt das Bauverbot des § 5 FluglärmG, das zwar nicht von ___________ 13 Vgl. VGH Kassel, Urt. vom 24.10.2006 – 12 A 2216/05 –, juris Rn. 39 zur Klagebefugnis des Betreibers einer unterhalb der Flugroute gelegenen Störfallanlage. 14 Zu Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG vgl. BVerfG, „Memmingen“ Beschl. vom 7.10.1980 – 2 BvR 584/76 – u.a., E 56, 298, 314. 15 Dies gilt überdies unabhängig davon, ob der Lärm zumutbar ist, BVerwGE 121, 152, 165 (Fn. 8). 16 VGH Mannheim, „RILAX“ Urt. vom 22.3.2002 – 8 S 1271/01 –, juris Rn. 56. 17 BVerwG, (nur) NVwZ 2004, 1229, 1230 (Fn. 6). 18 VGH Kassel, Urt. vom 14.3.2006 – 12 A 2659/04 –, Bl. 10 d. UA., vgl. auch BVerwG, NVwZ 2004, 1229, 1230 (Fn. 6). 19 Ständige Rspr. BVerwGE 81, 95, 106; 84, 209, 215; 90, 97, 100.
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der Flugrouten-Rechtsverordnung ausgelöst wird, aber der Rechtsverordnung auf dem Fuße nachfolgt, einen „erheblichen Eingriff in die Planungshoheit dar und versagt der Gemeinde eine eigenverantwortliche Entscheidung über den Standort und die Errichtung von Einrichtungen der Daseinsvorsorge“, wie z.B. von Altenpflegeheimen oder Kindergärten. 20 Nichts anderes kann für die Ausdehnung des Siedlungsbeschränkungsbereichs gelten. Die Festlegung einer neuen Flugroute führt zwar nicht automatisch zu solchen Bau- und Planungsverboten. Diese werden erst durch die Festsetzung des Lärmschutzbereichs im Sinne des § 4 FluglärmG beziehungsweise durch die Ausweitung des zielförmig festgelegten Siedlungsbeschränkungsgebiets im Regionalplan/Regionaler Flächennutzungsplan vermittelt. M.E. begründet allerdings bereits die sichere Erwartung, dass der Lärmschutzbereich bzw. das Siedlungsbeschränkungsgebiet infolge der neuen Flugroute auf das Gemeindegebiet ausgeweitet wird, die Klagebefugnis der Gemeinde. Ferner hat das Bundesverwaltungsgericht jüngst die in der Abwägung zu berücksichtigenden gemeindlichen Belange um die Prüfung erweitert 21 , ob bestehende Nutzungsstrukturen nachhaltig beeinträchtigt werden 22 . Hiernach hat die Abwägung des Bundesaufsichtsamts m.E. auch bei der Festlegung des Flugverfahrens zu berücksichtigen, dass durch rechtswirksame Bebauungspläne festgesetzte Wohngebiete mit Fluglärm beaufschlagt und gewachsene Siedlungsstrukturen beeinträchtigt werden können. Für das Straßenrecht hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass der Lärmzuwachs im gemeindlichen Verkehrsnetz aufgrund des Neubaus einer Straße zur Berücksichtigung des Interesses der Gemeinde an der Bewahrung der in der Bauleitplanung zum Ausdruck gekommenen städtebaulichen Ordnung vor nachhaltigen Störungen führen muss, weil dies einen abwägungserheblichen Belang darstellt, den die Gemeinde geltend machen kann. 23 Im Schönefeld-Urteil wurde den Gemeinden ein Anspruch auf fehlerfreie Abwägung dahingehend zugebilligt, dass ihre bestehenden Nutzungsstrukturen berücksichtigt werden müssen, wenn ihr Gemeindegebiet flächendeckend einer erheblichen Lärmbelästigung ausgesetzt sein würde. 24 Diesem Belang kommt gerade bei der Verlegung der Flugroute aus Lärmschutzgründen besondere Bedeutung zu. Die neu betroffene Gemeinde hat ihre Bauleitpläne in dem Vertrauen aufgestellt, dass die mit der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung zugesagte Wohnruhe dauerhaft auch nach Vollzug der Planung erhalten bleibt. ___________ 20
BVerfGE 56, 276, 317 (Fn. 14). So Paetow, „Lärmschutz in der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung“, NVwZ 2010, 1184, 1187. 22 BVerwG, „Schönefeld“ Urt. vom 16.3.2006 – 4 A 1001.04 –, juris Rn. 241; BVerwG „Franken-Schnellweg“ Urt. vom 17.3.2005 – 4 A 18.04 –, E 123, 152, Ls. 23 BVerwGE 123, 152, Ls (Fn. 6). 24 BVerwG, Urt. vom 16.3.2006, a.a.O., juris Rn. 241 (Fn. 22). 21
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2. Ermächtigungsgrundlage § 32 Abs. 1 Nr. 1 LuftVG in Verbindung mit § 27 a LuftVO geben keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines Flugverfahrens her, welches allein der Lärmverteilung dient. Eine Befugnis zur neuverteilenden Berücksichtigung des Lärms bei der durch flugsicherheitsrechtliche Belange motivierten Entscheidung lässt sich indes schon aus dem Wortlaut des § 29b Abs. 2 LuftVG, dass bei der flugbetrieblichen Entscheidung auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken ist, ableiten. Dass eine Anpassung des Flugbetriebs allein zur Verringerung von Lärmbelastungen an bestimmten Stellen in der Umgebung des Flughafens von § 29b Abs. 2 LuftVG gedeckt ist 25 , muss inzwischen aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung bezweifelt werden. In ständiger Rechtsprechung ist anerkannt, dass es sich bei der Flugroutenfestlegung in erster Linie um ein sicherheitstechnisches Instrument handelt. 26 Dies, so die höchstrichterliche Rechtsprechung, sei dem systematischen Zusammenhang zu entnehmen, in den § 27a LuftVO vor dem Hintergrund des § 32 LuftVG hineingestellt ist. 27 Die Behörde hat, folgt man der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, mit der entsprechende klägerische Begehren zurückgewiesen worden sind, gerade keinen „Auftrag“, die Flugverfahren nach Lärmschutzgesichtspunkten zu optimieren und ist dabei nicht gehalten, die Lärmminderungspotenziale auszuschöpfen. 28 Bezweckt nun aber die Flugverfahrensplanung – wie die des „Segmented Approachs“ zum Flughafen Frankfurt/Main gerade und ausschließlich – eine erhebliche Umverteilung des Lärms, wird der Flugweg nicht mehr gleichsam als Annex der Anlagenzulassung festgelegt, sondern eine eigene Lärmverteilungsentscheidung getroffen, die in dieser Form nicht von §§ 32 Abs. 1 Nr. 1; 27c LuftVG gedeckt ist. Die Grenze muss dort gezogen werden, wo das Flugverfahren gar nicht mehr der Verbesserung der Flugsicherheit oder der Flüssigkeit des Flugverkehrs dient, sondern allein zur Streuung der Verkehrslärmbelastung erlassen wird. In diesem Fall wird der vom Bundesverwaltungsgericht beschriebene systematische Zusammenhang verlassen und der Rechtsverordnung des § 27a LuftVO die Aufgabe der Lärmverteilung zugewiesen, die sich aus § 32 Abs. 1, § 27c LuftVG, aber auch den Beteiligungsvorschriften des § 32 Abs. 4 und Abs. 4c LuftVG nicht mehr entnehmen lässt. ___________ 25
Wysk, Ausgewählte Probleme zum Rechtsschutz gegen Fluglärm, Teil II, ZLW 1998, 285, 288. 26 BVerwGE 123, 322, 327 (Fn. 6); BVerwGE 121, 152, 158 (Fn. 6); OVG Münster, Urt. vom 30.3.2004 – 20 D 128/00.AK –, juris Rn. 24. 27 BVerwGE 121, 152, 158 (Fn. 6). 28 OVG Münster, Urt. v. 30.3.2004, a.a.O., juris Rn. 26 (Fn. 26).
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Ferner verlangt die erst kürzlich eingeführte Vorschrift des § 32 Abs. 4c LuftVG, dass das Benehmen mit dem Umweltbundesamt bei Flugverfahren herzustellen sei, die „von besonderer Bedeutung für den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm“ sind. Wie schon die gesetzgeberische Formulierung in § 29b Abs. 2 LuftVG, dass auf eine zumutbare Lärmbeeinträchtigung „hingewirkt“ werden soll, belegt auch diese Vorschrift, dass der Gesetzgeber keine Kompetenz zur Lärmverteilung geschaffen hat. Dies könnte vom ihm angesichts der Tatsache, dass die „Lärmverteilung“ in den nach § 8 bzw. § 6 LuftVG geregelten Zulassungsverfahren zu erfolgen hat, in dem auch entsprechende Beteiligungsrechte der Betroffenen bestehen, auch ganz bewusst unterlassen worden sein. Gerade der Fall, dass im Nachgang zu solchen Genehmigungsverfahren der Fluglärm vom Bundesaufsichtsamt abweichend verteilt wird, wirft unübersehbare Probleme auf. Diesen Fällen ist auch das verkehrliche Interesse, welches die Überwindung des Eigentums- und Gesundheitsschutzes rechtfertigen könnte, abgängig. Der Gesetzgeber stellt zudem mit § 76 VwVfG ein Verfahren für diesen Fall zur Verfügung, das er vorrangig angewendet wissen will. Zwar gehört der Lärmschutz unstreitig auch zu den Aufgaben, denen die Luftfahrtbehörden bei der Festlegung von Flugverfahren nachzukommen haben. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung darf sich dabei nicht nur von „sicherheitstechnischen Überlegungen leiten lassen“. 29 Bei § 29b Abs. 2 LuftVG handelt es sich aber um eine Abwägungsdirektive, nicht jedoch um eine Ermächtigungsgrundlage. Für sich genommen gibt die Vorschrift keine entsprechende Rechtssetzungsbefugnis her. Wegen Art. 80 Abs. 1 GG muss zudem das Gesetz, welches zum Erlass der Rechtsverordnung ermächtigt, den Inhalt und den Zweck der Ermächtigung bestimmen. Inhalt einer Flugroutenrechtsverordnung ist das Verhalten der Luftfahrzeugführer in der Luft. Der Zweck ergibt sich aber eindeutig aus § 27 c Abs. 1 LuftVG. Das Flugverfahren dient der Gewährleistung eines sicheren, geordneten und flüssigen Luftverkehrs, die Verminderung der Fluglärmbelastung ist darin nicht genannt. Der Gesetzgeber hat Flugverfahren zur Verteilung des Lärms schlicht nicht vorgesehen. Eine entsprechende Verordnungsermächtigung kann auch § 29 Abs. 1 Satz 3 LuftVG nicht entnommen werden, da § 29 b Abs. 2 LuftVG lex specialis zu dieser Vorschrift ist 30 . Es mag zwar wünschenswert sein, dass der Gesetzgeber eine entsprechende Ermächtigung schafft, um den aktiven Lärmschutz zu befördern. Diese Ermächtigung müsste aber auch die Umgestaltung des Rechtssetzungsverfahrens unter Beteiligung der (Neu-)Betroffenen nach sich ziehen. Darüber hinaus wäre es sogar wünschenswert, dass der Gesetzgeber, die Abwägung der zuständigen Behörde leitend, zum Ausdruck bringt, in ___________ 29 30
BVerwGE 121, 152, 161 (Fn. 6). BVerwGE 121, 152, 160 (Fn. 6).
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welchen Fällen er die Bündelung oder die Streuung der Flugbewegungen für vorzugswürdig erachtet.
II. Beteiligungsrecht der Gemeinden Neu oder stärker betroffene Gemeinden müssen im Rechtssetzungverfahren beteiligt werden. Nach der als gefestigt zu bezeichnenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen die Gemeinden zwar bei der Verfahrensplanung – anders als im luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahren – nicht beteiligt werden 31 . Bei einer großflächigen Neuverteilung des Lärms ergibt sich indes unter zwei Gesichtspunkten das Bedürfnis, die Gemeinden zu beteiligen: 1. Beteiligungsrecht aufgrund des nachhaltigen Eingriffs in die Planungshoheit Vom Grundsatz der Nichtbeteiligung ist zunächst für Gemeinden, die nicht Mitglied der Fluglärmkommission des betreffenden Flughafens sind und deren Gemeindegebiet durch die Umverteilung des Lärms aller Voraussicht nach in den Lärmschutzbereich der §§ 4 ff. FluglärmG hineinfallen würde, eine Ausnahme zu machen. 32 Es kann nicht sein, dass eine Gemeinde mit den Bauverboten des § 5 FluglärmG belastet wird, die das BVerfG als schwerwiegende Beeinträchtigung der städtebaulichen und planerischen Entwicklung bezeichnet 33 , ihr aber noch nicht einmal über die Fluglärmkommission eine Anhörung zu der Rechtsbeeinträchtigung gewährt wird. Sofern die Gemeinde infolge der Flugrouten-Rechtsverordnung in den Lärmschutzbereich hineinfällt und damit die Bauverbote des § 5 FluglärmG greifen würden, ist ein verfassungsunmittelbares Beteiligungsrecht anzunehmen. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Grundsatzurteil vom 26.11.2003 ein solches verfassungsunmittelbares Beteiligungsrecht nicht kategorisch ausgeschlossen. Es hat allerdings, während die Vorinstanz nur einen graduellen Unterschied zwischen dem Erlass der Flugrouten-Rechtsverordnung ___________ 31
BVerwG, Urt. v. 26.11.2003 – 9 C 6.02 –, E 119, 245, Ls.; die Vorinstanz, der VGH Mannheim, hatte ein gemeindliches Beteiligungsrecht anerkannt: vgl. VGH Mannheim, Urt. vom 22.3.2003, a.a.O. (Fn. 16). 32 Es liegt freilich auf der Hand, dass eine fakultative Beteiligung der Gemeinden die Transparenz und Akzeptanz der Entscheidung wesentlich steigern könnte. Vgl. zur fakultativen Beteiligung auch BVerwGE 119, 245, 254 (Fn. 31). 33 BVerfGE 56, 276, 317 (Fn. 14).
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und dem Erlass der Rechtsverordnung zur Festsetzung des Lärmschutzbereichs erkannt hat, zwischen den beiden Verordnungen einen wesentlichen Unterschied gesehen. Der damals zuständige 9. Senat fasste erst die Festsetzung des Lärmschutzbereichs und nicht bereits die Flugrouten-Rechtsverordnung als unmittelbare raumbedeutsame Entscheidung und Maßnahme auf. 34 Ein Unterschied zu anderen Fällen, in denen ein verfassungsunmittelbares Beteiligungsrecht vom BVerwG anerkannt worden ist, vermag entgegen der Urteilsbegründung nicht einzuleuchten. In ständiger Rechtsprechung billigt das Bundesverwaltungsgericht ein verfassungsunmittelbares Beteiligungsrecht der Gemeinden im luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahren mit der Begründung zu, es handele sich um eine überörtliche Planung, die die Weiterentwicklung der Gemeinde in Frage stellen könne. 35 Dem Sachzwang einer überörtlichen Planung unterworfen, stünde den Gemeinden wenigstens ein ordnungsgemäßes Verfahren zu, damit dafür gesorgt sei, dass Gemeinden nicht durch überörtliche Planungen überrascht werden. 36 Aus diesem bedeutsamen Gesichtspunkt, dass eine rechtzeitige Gelegenheit zur Anpassung (und Verteidigung) der Bauleitplanung der betroffenen Gemeinde zu schaffen ist, wurde in der Vergangenheit vom BVerwG zu Recht ein Beteiligungsrecht in dem zu einer luftverkehrsrechtliche Genehmigung führenden Verfahren anerkannt. Hervorzuheben ist dabei, dass nach dem damals geltenden mehrstufigen Recht die Genehmigung nach § 6 LuftVG vor allem eine Unternehmergenehmigung und erst in zweiter Linie eine Planungsentscheidung gewesen ist und in dem nachfolgenden luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren eine Beteiligungsmöglichkeit nach § 10 Abs. 2 LuftVG gleichwohl bestand, außerdem die Errichtung baulicher Anlagen erst aufgrund des nachfolgenden Planfeststellungsverfahren zulässig gewesen ist. Damit verfängt aber die höchstrichterliche Argumentation nicht, dass eine abweichende Behandlung der Flugrouten aus der Tatsache heraus gerechtfertigt sei, dass hier anders als bei Genehmigungs- und Planungsentscheidungen, bei denen ein verfassungsunmittelbares Beteiligungsrecht anerkannt ___________ 34 BVerwGE 119, 245, 252 (Fn. 31). Hiergegen ließe sich schon einwenden, dass der VGH Kassel im Urt. vom 3.11.2005 – 4 N 177/05 –, juris Rn. 34, zu Recht hervorhebt, dass der Fluglärm ausgehend von einem Flugverfahren schon unabhängig von den raumordnerischen Vorgaben von der Gemeinde bei ihrer Bauleitplanung zu berücksichtigen ist. Überdies wird übersehen, dass nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 ROG raumbedeutsam auch Maßnahmen sind, die die räumliche Entwicklung und Funktion eines Gebiets beeinträchtigen. 35 BVerwG, Urt. vom 14.2.1969 – IV C 82.66 –, Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 2 = BRS 22 Nr. 29; = DÖV 1969, 428; BVerwG, Beschl. vom 21.2.1973 – IV CB 69.72, Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 4; BVerwG, Urt. vom 22.3.1974 – IV C 42.73, Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 6 = NJW 1974, 1961. 36 BVerwG, Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 2, S. 4 f. auch zur Bedeutung des „Procedere und des Stils der Verhandlung“, die durch das Beteiligungsrecht bestimmt wird.
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worden ist, keine vollendeten Tatsachen zu befürchten seien. 37 Denn solche sind auch in den Konstellationen, in denen das BVerwG ein Beteiligungsrecht zuerkannt hat, nicht zu befürchten gewesen. Auch die ganz pragmatische – und deshalb auch nicht von der Hand zu weisende – Erwägung, der Gesetzgeber habe angesichts des „nicht unerheblichen Verfahrensaufwands“, der betrieben werden müsse, um sämtliche von einer – oder gar mehreren – Flugverfahren betroffenen Gemeinden zu beteiligen, über die Beteiligung zu entscheiden, schweige hierzu aber, 38 verfängt nicht. Denn der Gesetzgeber schweigt zur Einbeziehung der Gemeinden beileibe nicht gänzlich, sondern sieht in § 32 b Abs. 4 S. 1 LuftVG vor, dass „betroffene Gemeinden“ einen Vertreter in die Fluglärmkommission entsenden dürfen. Selbst wenn in der Mitgliedschaft der Gemeinde in der Fluglärmkommission keine förmliche Beteiligung zu sehen ist 39 , gebietet diese Regelung die Beteiligung der nicht der Fluglärmkommission angehörenden Gemeinden, gerade wenn die Gemeinde durch die neu festgelegte Flugroute in den Lärmschutzbereich hineinfällt. Denn in diesem Fall wäre sie auch als „betroffen“ im Sinne des § 32b Abs. 4 S. 1 LuftVG anzusehen und müsste in die Fluglärmkommission aufgenommen werden. 40 Ist dies zum Zeitpunkt der Durchführung des Verfahrens nicht der Fall, ist sie deshalb zu beteiligen. 2. An das Planfeststellungsverfahren anknüpfende Flugrouten-Festlegung Ein Beteiligungsrecht ist auch dann anzuerkennen, wenn die Flugroutenfestlegung in Abweichung zu einer kürzlich vorangegangenen Planfeststellung erfolgt. Die abweichende Festlegung der Flugrouten, sofern sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Planfeststellungsbeschluss steht, lässt die lärmphysikalischen und -medizinischen Gutachten zu den Lärmauswirkungen des Flugbetriebs (§ 40 Abs. 1 Nr. 10 a) und Nr. 10b) LuftVZO) und damit eine wesentliche Grundlage der Abwägung des Zulassungsverfahrens zur Makulatur werden. Das gemeindliche Beteiligungsrecht des § 10 Abs. 2 Nr. 1 LuftVG wird überdies entwertet, wenn sich die Fluglärmbelastung nachher ganz anders darstellt, als dies im Planverfahren noch angenommen wurde.
___________ 37
BVerwGE 119, 245, 253 (Fn. 31). BVerwGE 119, 245, 254 f (Fn. 31). 39 BVerwGE 119, 245, 251 (Fn. 31). 40 Giemulla, in: Frankfurter Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Bd. I, LuftVG, Stand 60. EL, § 32b Rn. 6a. 38
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Der bereits grundsätzlich kritikwürdige Rechtszustand 41 , dass die Flugrouten nicht planfestgestellt werden, erweist sich dann nicht mehr als „erträglich“ 42 , wenn schutzbedürftige Teile oder Einrichtungen der Gemeinde erstmalig oder stärker als dies in den Planfeststellungsunterlagen dargestellt worden ist, verlärmt werden. Denn eine Analyse der Schutzansprüche, die die Gemeinde nach Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses noch geltend machen könnte, deckt nach Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm eine Schutzlücke auf. Eine vom Planfeststellungsbeschluss abweichende Festlegung der Flugroute verstößt im Ergebnis gegen Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Denn die §§ 2 bis 9 FluglärmG treffen eine abschließende Regelung zum passiven Schallschutz. In § 4 Abs. 5 FluglärmG ist geregelt, unter welchen Voraussetzungen noch mit Erfolg nach Festsetzung der Lärmschutzbereiche Ansprüche auf passiven Schallschutz geltend gemacht werden können. Gleichzeitig haben die Oberverwaltungsgerichte, wie z.B. der VGH Kassel in seinen Urteilen zu den sogenannten „Ist-Zustands-Klagen“, die gegen das weit über die Prognose der bestehenden Zulassungsentscheidungen hinausgewachsene Flugbewegungsaufkommen gerichtet waren 43 , klargestellt, dass sich nachträgliche Ansprüche gegen einen bestandskräftig genehmigten Flughafenbetrieb nur auf die Anspruchsgrundlage des § 75 Abs. 2 S. 2 (Landes-)VwVfG stützen können. Der Teilwiderruf der Betriebserlaubnis bzw. die nachträgliche Einschränkung der Auflagen selbst des Nachtflugverkehrs könne von Drittbetroffenen allein unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 VwVfG und überdies nur dann beansprucht werden, wenn nachträgliche Schutzauflagen nicht ausreichten, um den Gefahren für grundrechtlich geschützte Rechtsgüter zu begegnen. 44 Die Auffassung, dass gegen eine nicht als willkürlich zu bezeichnende, jedoch mit unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen verbundene Streckenfestlegung ein ausreichender Rechtsschutz durch die Möglichkeit des Teilwiderrufs der Flug-
___________ 41 Vgl. nur Czybulka, „Festlegung von Flugrouten und Flughafenplanung“, in: Ziekow (Hrsg.), Flughafenplanung, Planfeststellungsverfahren, Anforderungen an die Planungsentscheidung 2001, 9-25. 42 Der treffende Begriff der „Erträglichkeit“ des Rechtszustands stammt von Wysk, ZLW 1998, 285, 292 (Fn. 25), der diese im Hinblick auf die Schutzansprüche des § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG bejahte. 43 Der Planfeststellungsbeschluss des Hess. Min. für Wirtschaft und Technik vom 23.3.1971 zur Errichtung einer „Startbahn West“ am Flughafen Frankfurt ging von einer jährlichen Flugbewegungszahl von 325.000 Flugbewegungen aus, während zum Zeitpunkt der Erhebung der Ist-Zustandsklagen bereits über 450.000 Flugbewegungen erreicht worden sind. 44 VGH Kassel, Urt. vom 2.4.2003 – 2 A 2646/01 –, NVwZ-RR 2003, 729 ff.; Urt. vom 14.10.2003 – 2 A 2796/01 –, ZLW 2004, 284 ff.; Urt. vom 3.6.2004 – 12 A 1118/01 u.a. –, NVwZ-RR 2005, 805 ff.; Urt. vom 23.12.2003 – 2 A 2815/01, UPR 2004, 160 ff.
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hafengenehmigung zu konstatieren sei 45 , lässt sich m.E. vor diesem Hintergrund nicht vertreten. Ferner muss es als offene Rechtsfrage bezeichnet werden, ob der Planergänzungsanspruch des § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG nach Inkrafttreten der § 2 ff. FluglärmG, die insoweit als spezialgesetzliche Regelungen angesehen werden könnten, überhaupt noch anwendbar ist 46 . Erst recht gilt dies für die Gemeinden, die keinem unzumutbaren, sondern lediglich einem abwägungserheblichen Fluglärm ausgesetzt werden. Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm wären die Beeinträchtigungen einer Gemeinde, die unterhalb der fachplanerischen Zumutbarkeitsgrenze liegen, im Rahmen der Abwägung der für und gegen das Projekt streitenden Belange zu berücksichtigen und könnten Auswirkungen z.B. auf die Ausgestaltung der Betriebsregelung haben 47 . Aus dieser Perspektive wirft die nachträgliche, vom Planfeststellungsbeschluss abweichende Verteilung des Fluglärms durch die Neufestlegung von Flugrouten insoweit Bedenken auf, als die letztendlich vom Vorhaben berührten kommunalen Belange umfassend bei der Zulassung des Flugbetriebs abgewogen worden sind. Diesem Mangel muss aber jedenfalls mit einem Beteiligungsrecht im Verfahren zur Festlegung der Flugrouten begegnet werden. Denn der Eingriff in das rechtsgestaltende Beziehungsgeflecht zwischen dem Flughafenbetreiber, Flughafennutzern und Lärmbetroffenen ohne erneutes Beteiligungsverfahren missachtet den aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG folgenden Gesichtspunkt, dass den Gemeinden rechtzeitig die Möglichkeit zu geben ist, ihre Bebauungsplanung auf die Flugroutenänderung einzustellen und die Befugnis, ihre Belange gegen die Veränderung der Flugverfahren einbringen zu können.
III. Gesichtspunkte zur Abwägung Die Festsetzung von Flugrouten gemäß § 27a Abs. 2 Satz 1 kann die Planungshoheit der Gemeinde gleichermaßen stören, wie die Neuanlage oder Änderung eines Flugplatzes. 48 In welcher Weise das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung bei der Festlegung von Flugverfahren die kommunalen Belange der Gemeinde abzuwägen hat, richtet sich wie die gesamte Abwägung nach den gesetzlichen Vorgaben und im Übrigen nach dem rechtsstaatlich für jede Ab___________ 45
So Giemulla am 17.2.2011 zum Flughafen Berlin/Schönefeld, http://www.pressestelle.tu-berlin.de/newsportal/sonderthemen/tui0211_der_weg_zum_regionalflughafen_ ist_vorbezeichnet/?/=1link.de. 46 Offengelassen VGH Kassel, Urt. vom 13.6.2007 – 11 A 2061/06 –, juris, Rn. 48. 47 VGH Kassel, Urt. vom 21.8.2009 – 11 C 227/08.T –, Bl. 151 f. d. UA. 48 Paetow, a.a.O., 1187 (Fn. 21).
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wägung unabdingbar Gebotenen. 49 Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich nicht (mehr) nur darauf, die Willkürfreiheit der Entscheidung des Bundesaufsichtsamts zu prüfen, vielmehr ist eine Abwägungsentscheidung unter Berücksichtigung des primär sicherheitsrechtlichen Charakters der Flugroutenentscheidung vorzunehmen. 50 Die Entscheidung des Bundesaufsichtsamts ist zwar nicht nach fachplanerischen Grundsätzen zu überprüfen. Die Einschränkung bezieht sich zum einen darauf, dass die Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle – anders als im Planfeststellungsverfahren – nicht zu der Verpflichtung führt, vorrangig einen physisch-realen Ausgleich zu schaffen. Mit der Hinwirkungspflicht des § 29 b Abs. 2 LuftVG ist es auch vereinbar, dass selbst unzumutbare Fluglärmbeeinträchtigungen ohne Ausgleich hinzunehmen sind. 51 Zum anderen bezieht sich die Einschränkung gegenüber dem fachplanerischen Maßstab darauf, dass bei einer unterhalb der fachplanerischen Zumutbarkeitsschwelle liegenden Lärmbelastung kein Nachweis dafür erbracht werden muss, dass es sich aus Lärmschutzgründen um die angemessenste oder gar bestmögliche Lösung handelt, es müssen sich lediglich sachlich einleuchtende Gründe für die gewählte Flugroute ins Feld führen lassen. 52 Der ursprünglich vom Bundesverwaltungsgericht angelegte Willkürmaßstab 53 ist damit überholt. 54 1. Unzumutbarkeitsgrenze Durch die am 07.06.2007 in Kraft getretene Novelle des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm 55 wird die Frage aufgeworfen, ob und durch welchen Grenzwert die Zumutbarkeitsgrenze des § 29b Abs. 2 LuftVG konkretisiert wird. Während über § 8 Abs. 1 S. 3 LuftVG „die jeweils anwendbaren Werte des § 2 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm“ Anwendung finden sollen, 56 fehlt eine vergleichbare Vorschrift in § 29b Abs. 2 LuftVG. Dies deutet darauf hin, dass die Festlegung der Zumutbarkeitsgrenze im Rahmen der Abwägung eine einzelfallbezogene und nach den konkreten Verhältnissen zu ___________ 49
BVerwGE 123, 322 (Fn. 6). BVerwGE 123, 322, Ls (Fn. 6); vgl. auch Paetow, a.a.O., Seite 1187. 51 BVerwGE 121, 152, 162 (Fn. 6). 52 BVerwGE 121, 152, 164 (Fn. 6). 53 BVerwGE 111, 276, Ls. (Fn. 8). 54 Paetow, a.a.O., 1187 m.w.N. (Fn. 21). 55 Gesetz vom 30.3.1971 (BGBl. I, 282), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen vom 1.6.2007 (BGBl. I, S. 986). 56 Vgl. zu dem Streit, ob durch die Beachtenspflicht auch für atypische Fälle eine jedenfalls anzuwendende Konkretisierung der Zumutbarkeitsschwelle geschaffen wurde: VGH Kassel, Urt. vom 21.8.2009, a.a.O., Bl. 147 ff. d. UA. (Fn. 47). 50
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bestimmende Tatsachenfrage darstellt, die vom Instanzgericht geklärt werden muss. 57 Eine strenge Verbindlichkeit der Grenzwerte des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm lässt sich aus § 1 FluglärmG auch nur für die Festsetzung der Lärmschutzbereiche entnehmen, da das Gesetz gemäß dem Wortlaut für die baulichen Nutzungsbeschränkungen und den baulichen Schallschutz gilt, womit die in § 2 Abs. 2 FluglärmG enthaltenen Grenzwerte nur für die dort geregelten Lärmschutzbereiche verbindlich sein dürften. 58 Im Ergebnis stellen also auch nach Inkrafttreten der Gesetzesnovelle die Werte des § 2 FluglärmG lediglich einen – freilich gewichtigen – Indikator für den Verlauf der Zumutbarkeitsschwelle des § 29b Abs. 2 LuftVG dar. 59 Bei der Flugrouten-Planung sind für Wohnungen die Grenzwerte des § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 FluglärmG zu berücksichtigen, jedenfalls wenn es sich um einen zivil genutzten Flugplatz handelt. § 2 Abs. 2 S. 2 FluglärmG beinhaltet zwar Grenzwerte sowohl für neue oder wesentlich baulich erweiterte zivile Flugplätze (Nr. 1), als auch für bestehende zivile Flugplätze (Nr. 2), wobei die in Nr. 1 genannten Grenzwerte strenger sind. Nicht gefolgt werden kann aber der Auffassung, dass lediglich der weniger strenge Grenzwert des § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 FluglärmG im Rahmen der Verfahrensplanung Anwendung finden soll, weil der Flughafen schon genehmigt und deshalb als „bestehend“ im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 2 FluglärmG zu behandeln sei. 60 Denn dies lässt sich mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vereinbaren. Der Schutz vor unzumutbarem Fluglärm in § 29b Abs. 2 LuftVG steht als Synonym für den Schutz vor Fluglärm, durch den erhebliche Belästigungen hervorgerufen werden. 61 Als unzumutbar qualifiziert der Gesetzgeber die Lärmeinwirkungen, die durch ihre Erheblichkeit die Schädlichkeitsgrenze überschreiten. Er qualifiziert als unzumutbar ersichtlich den Fluglärm, der auch im luftverkehrsrechtlichen Zulassungsrecht und im sonstigen Luftverkehrsrecht als unzumutbar bewertet wird. 62 Da aber bei der Planfeststellung eines Verkehrsflughafens über §§ 8 Abs. 1 S. 3, 9 Abs. 2 LuftVG der in § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 FluglärmG genannte Wert Anwendung findet, muss dieser auch bei der Flugroutenfestlegung maßgeblich sein. Dass die Grenzwerte des § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 FluglärmG zugleich Indikator für die Verlärmung von besonders schutzbedürftigen Einrichtungen in einer Gemeinde sein können, muss allerdings aufgrund des abgestuften Schutzes, ___________ 57 BVerwGE 121, 152, 165 f. für den Rechtszustand vor Inkrafttreten der FluglärmG-Novelle (Fn. 6). 58 BVerwG, Beschl. vom 2.10.2007 – 4 A 1009/07 –, juris Rn. 30 f. 59 A.A. wohl OVG Münster, Urt. vom 13.11.2008 – 20 D 124/06.AK –, juris Rn. 77. 60 So aber OVG Münster, Urt. vom 13.11.2008, a.a.O., juris Rn. 79 (Fn. 59). 61 BVerwGE 121, 152, 165 (Fn. 6). 62 BVerwGE 121, 152, 161 (Fn. 6).
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den § 5 FluglärmG beinhaltet, bezweifelt werden. § 5 Abs. 1 sieht für besonders schutzbedürftige Einrichtungen ein Bauverbot auch dann vor, wenn diese in der Tag-Schutzzone 2 liegen. Dagegen dürfen in dieser Zone Wohnungen gemäß § 5 Abs. 2 FluglärmG aber errichtet werden. Mit der Rechtsprechung des VGH Kassel in der Flughafenausbauentscheidung vom 21.08.2009 könnte man zwar argumentieren, dass der Gesetzgeber auch bezüglich der Arten der baulichen Nutzung, die er den Grenzwerten unterwirft, pauschaliert hat und die für das Wohnen geltende Zumutbarkeitsgrenze auch auf lärmsensible Einrichtungen wie Altenpflegeheime, Krankenhäuser oder eben Kindergärten und Schulen angewendet wissen möchte. Dies überzeugt allerdings wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen, denen die in der Tag-Schutzzone 2 liegenden Einrichtungen unterworfen sind, nicht. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, könnte man die Zumutbarkeitsgrenze beispielsweise anhand der in der sog. „Lärmsynopse“ 63 für besonders schutzbedürftige Einrichtungen in der Nacht genannten Beurteilungspegel bestimmen, da der Gesetzgeber anders als in seiner ursprünglichen Fassung für die Nachtzeit nicht zwischen einer NachtSchutzzone 1 und einer Nacht-Schutzzone 2 unterscheidet, sich also eine Abstufung anhand der Grenzwerte des Fluglärmgesetzes selbst nicht vornehmen lässt. 2. Situationsgebundenheit Im luftverkehrsrechtlichen Planungsrecht kommt der Situationsgebundenheit der Gemeinde bei einer von ihr gegen den Planfeststellungsbeschluss nach § 8 LuftVG geltend gemachten Klage besondere Bedeutung zu. Gerade die unmittelbare Nachbarschaft 64 oder die geografische Lage der Gemeinde in unmittelbarer Verlängerung zur Start- und Landebahnachse 65 kann nach der Rechtsprechung über den Grundsatz der Situationsgebundenheit zu einer Beschränkung der kommunalen Abwehrrechte führen. Nach diesem Grundsatz können einer Gemeinde Eingriffe, die an die Situationsgebundenheit anknüpfen, umso eher zugemutet werden, je stärker sie schon von ihrer geografischen Lage oder ihrem sonstigen Ausstattungspotenzial her einer Situationsgebundenheit unterliegt 66 . ___________ 63 Griefahn/Jansen/Spreng/Scheuch, „Fluglärmkriterien für ein Schutzkonzept bei wesentlichen Änderungen oder Neuanlagen von Flugplätzen/Flughäfen“, Zeitschrift für Lärmbekämpfung (ZfL) Nr. 49 (2002), 171 ff. 64 VGH Kassel, Urt. vom 21.8.2009, a.a.O., Bl. 47 d. UA (Fn. 47). 65 VGH Kassel, Urt. vom 3.11.2005, a.a.O., juris, Rn. 34 (Fn. 34). 66 BVerwG, „Schönefeld“, Urt. vom 16.3.2006, a.a.O., juris, Rn. 174 (Fn. 22); BVerwGE, B 455, Urt. vom 22.3.1985 – 4 C 63. 71 –, 150 ff.
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Umgekehrt können die Festsetzungen eines Bebauungsplans jedenfalls nicht uneingeschränkt dem Grundsatz der Situationsgebundenheit unterliegen, wenn sie vor der Verfestigung einer luftverkehrsrechtlichen Verfahrensplanung wie der Flugroutenfestlegung erfolgt sind. Im Geltungsbereich eines rechtswirksamen Bebauungsplans gelegene Grundstücke vermitteln ihren Eigentümern das berechtigte Vertrauen, dass eine „heranrückende“ Verkehrsachse, wie vorliegend die in Rede stehenden Flugroute, auf den Bebauungsplan und die darin vorgegebene Nutzbarkeit der Grundstücke namentlich zum Wohnen Rücksicht nimmt. 67 Dies lässt sich auch auf die von einem Flugverfahren neu betroffenen Gemeinden übertragen, weshalb die Frage, ob und wann die Bebauungspläne im Vergleich zu der Flugrouten-Rechtsverordnung zeitlich aufgestellt worden sind, von besonderer Bedeutung ist. Hiernach ergibt sich aus dem Umkehrschluss der Je-Desto-Formel zur Situationsgebundenheit der Gemeinden aber auch, dass gerade die in aller Regel zur Lärmverteilung in Anspruch genommenen, vom Flughafen weiter entfernt oder abseits der üblichen Anflugwege liegenden Gemeinden ein besonderes Schutzbedürfnis gegenüber einer Neubelastung haben, dass bei der Flugverfahrensplanung zu berücksichtigen ist. 3. Lärmkonflikte und Planungshoheit Aus der Planungshoheit folgt, dass die Gemeinde einen Anspruch auf abwägungsfehlerfreie Berücksichtigung des Belangs hat, inwiefern durch die Flugroutenfestlegung ihre hinreichend konkretisierte eigene örtliche Planung gestört wird. Dasselbe gilt für eine fluglärmbedingte erhebliche Beeinträchtigung gemeindlicher Einrichtungen. 68 Diese seit langen Jahren gefestigte Rechtsprechung hat neuerdings eine Aufweitung dahingehend erfahren, dass auch die bestehenden Nutzungsstrukturen, die durch Vollzug der Bauleitplanung entstanden und deshalb auch Ergebnis der damit zum Ausdruck gekommenen städtebaulichen Ordnung sind, als abwägungserheblicher Belang anerkannt wurden. 69 Abwägungserheblich ist demnach der Belang, dass der „Lärmteppich“ nicht ohne nachteilige Auswirkungen auch auf die bestehenden bauplanungsrechtlichen Nutzungsstrukturen und die gewachsene Gliederung der Baugebiete insbesondere der zum Wohnen bestimmten Gebiete bleibt. 70 In der „Frankenschnellweg“-Entscheidung wurde darauf abgestellt, ob der Lärmzuwachs in ausgewiesenen Baugebieten eine nachhaltige Störung nach sich zieht. 71 ___________ 67 68 69 70 71
BVerwGE 71, 150, 157 (Fn. 66). BVerwGE 81, 95, 106; 84, 209, 215; 90, 97, 100. Vgl. Paetow, a.a.O., 1187 (Fn. 21). BVerwG, Urt. vom 16.3.2006, a.a.O., juris Rn. 241 (Fn. 22). BVerwGE 123, 152, Ls (Fn. 22).
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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei einer lärmverteilenden Flugroute die kommunalen Belange unter Einschluss der Beeinträchtigung bereits vollzogener Bebauungspläne bzw. vorhandener Nutzungsstrukturen ermittelt und abgewogen werden müssen. Die Intensität ist freilich in hohem Maße von der Frage abhängig, ob unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen zu befürchten sind. Mangels eines formellen Beteiligungsrechts der Gemeinden trägt das Bundesaufsichtsamt auch das Risiko einer wegen der Verkennung der gemeindlichen Beeinträchtigung möglicherweise abwägungsfehlerhaften Entscheidung. 72 Auch bei der Festlegung der Flugrouten wird es deshalb unumgänglich sein, eine Lärmpegelschwelle zu bestimmen, bei deren Überschreitung von einer nachhaltigen Störung der gemeindlichen Planungshoheit auszugehen ist. Dies lässt sich nur aus Sicht der Gemeinde definieren. Für den Fall, dass sich aufgrund der Fluglärmbelastung, ein im Bebauungsplanverfahren nicht mehr lösbarer Konflikt einstellt, muss eine nachhaltige Beeinträchtigung der in Aufstellung befindlichen Bebauungspläne angenommen werden. Hierzu fällt auf, dass der Begriff der nachhaltigen Störung, welcher bei einer hinreichend verfestigten Planung als Eingriff in die Planungshoheit angesehen worden ist, vom Bundesverwaltungsgericht auch im Zusammenhang mit der Störung bestehender Nutzungsstrukturen verwendet wird. Insofern gilt bezüglich des Eingriffs in die Planungshoheit durch die Beeinträchtigung bereits vollzogener Bebauungspläne nichts anderes als für in Aufstellung befindliche Bebauungspläne 73 . Von einer Beeinträchtigung der Planungshoheit ist auszugehen, wenn die Gemeinde an der Aufstellung eines Bebauungsplans gehindert ist, weil der Bebauungsplan in ein Siedlungsbeschränkungsgebiet fällt (a), in seinem Geltungsbereich Bauverbote nach § 5 FluglärmG gelten würden (b), eine deutliche, nicht abzuwägende Überschreitung der DIN 18005-1 eintreten würde (c) und schließlich, wenn ungesunde Wohnverhältnisse durch einen Gesamtlärmkonflikt geschaffen werden, der die verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze überschreiten würde (d). Abgesehen von den Ausführungen zum Siedlungsbeschränkungsbereich lässt sich dies auf die rechtswirksamen Bebauungspläne einer Gemeinde übertragen. a) Siedlungsbeschränkungsbereiche Die Aufstellung von Bebauungsplänen, die Wohnbebauung zulässig machen soll, wird unmöglich, wenn die Plangebiete fluglärmbedingt innerhalb eines ___________ 72
BVerwGE 119, 245, 254 (Fn. 31). A.A. VGH Kassel, Beschl. vom 15.1.2008 – 11 B 254/08.T –, Bl. 166 d. BA., der von einem „Verbrauch“ der Planungshoheit ausgeht und eine Beeinträchtigung nur dann anerkennt, wenn der Bebauungsplan in Folge des Vorhabens geändert werden müsste. 73
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Siedlungsbeschränkungsbereichs, der zielförmig festgelegt ist, liegen würden. Im Siedlungsbeschränkungsbereich sind Wohn- und Mischgebiete nicht zulässig. 74 Dies ergibt sich bereits aus § 1 Abs. 4 BauGB, wonach die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen sind. Zwar bleibt es der Gemeinde unbenommen, noch gewerbliche Nutzungen bauleitplanerisch zuzulassen. Wohnflächen können im Siedlungsbeschränkungsgebiet aber nicht mehr zugelassen werden. 75 Die Möglichkeit der Festsetzung von Gewerbegebieten lässt die Beeinträchtigung der Planungshoheit deshalb nicht entfallen. b) Bauverbote des § 5 FluglärmG Eine nachhaltige Störung liegt zudem vor, wenn die Flugroutenverschiebung dazu führt, dass Bebauungspläne zukünftig im Bereich der Tag-Schutzzone 1 bzw. der Nacht-Schutzzone des Lärmschutzbereichs nach § 4 FluglärmG liegen. Zwar werden Lärmschutzbereiche, in denen die Bauverbote des § 5 FluglärmG gelten, durch Rechtsverordnung der Landesregierung (§ 4 Abs. 2 S. 1 FluglärmG) festgelegt. Im Rahmen der Abwägung käme die Gemeinde jedoch nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 c BauGB nicht umhin, die zukünftige Belegenheit der überplanten Grundstücke in dem Lärmschutzbereich in ihre Festsetzungen einzubeziehen. Da einem Bebauungsplan, der gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, die städtebauliche Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB abzusprechen ist 76 , wäre ein solcher Bebauungsplan mit Festsetzung der Lärmschutzbereiche aufgrund seines Verstoßes gegen zwingendes Recht rechtswidrig. Bereits vor Erlass der Rechtsverordnung des § 4 Abs. 2 S. 1 FluglärmG stellt sich ein Bebauungsplan, der Wohnungen in der Nacht- bzw. TagSchutzzone 1 zulässt, als abwägungsfehlerhaft im Sinne des § 1 Abs. 7 BauGB angesichts der zu erwartenden Bauverbote dar. Dasselbe gilt in der TagSchutzzone 2 für Bebauungspläne, die lärmsensible kommunale Einrichtung, wie z.B. Kindergärten, beinhalten. c) DIN 18005 Es ist zwar nach ständiger Rechtsprechung nicht von vorneherein abwägungsfehlerhaft, wenn die Gemeinde für einen Bebauungsplan eine Lärmbelastung zulässt, die oberhalb der Orientierungswerte der DIN 18005 Beiblatt 1 ___________ 74
Vgl. zum Regionalen Flächennutzungsplan/Regionalplan-Entwurf 2010 Z3.4.4-1. Anders VGH Kassel, Urt. vom 21.8.2009, a.a.O., Bl. 100 bzw. 400 d. UA. (Fn. 47), der auch übersieht, dass es den Gemeinden in erster Linie auf die Möglichkeit zur Entwicklung von Baugebieten ankommt. 76 BVerwG, Urt. vom 21.3.2002 – 4 CN 14.00 –, juris; VGH Kassel, Urt. vom 22.4.2010 – 4 C 327/09.N –, juris, Ls. 75
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(„Schallschutz im Städtebau“) liegt. Für die allgemeinen Wohngebiete nennt die DIN 18005-1 z.B. Beurteilungspegel von 55 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts. Diese Werte stellen jedoch keine planerische Obergrenze, sondern in der Bauleitplanung überschreitbare Orientierungswerte dar 77 . Allerdings gilt für die Planung auch hier der Je-desto-Grundsatz. Im Rahmen der Abwägung müssen die Gründe, die für die Überschreitung der Orientierungswerte der DIN 18005 – die als sachverständige Konkretisierung der Schallschutzanforderungen im Städtebau aufzufassen sind – umso gewichtiger sein, je weiter diese DIN-Werte überschritten werden. 78 Selbst eine deutliche Überschreitung der Immissionsrichtwerte ist zwar nicht grundsätzlich abwägungsfehlerhaft. Allerdings kommt es auf die gewichtigen städtebaulichen Belange im Einzelfall an, insbesondere darauf, ob durch die Stellung der Gebäude, die Ausrichtung der Schlafräume und die Anforderungen an die Außenbauteile im Innenraum vertretbare Pegel und geschützte Außenwohnbereiche geschaffen werden können. 79 Die Gemeinde hat im Rahmen der Abwägung nach Lage der Dinge alle in Betracht kommenden baulichen und technischen Möglichkeiten in den Blick zu nehmen. Ihr Lärmschutzkonzept erweist sich aber schon dann als abwägungsfehlerhaft, wenn sie Teilen des Baugebietes eine Überschreitung der Lärmorientierungswerte der DIN 18005-1 zumutet, ohne sich dabei Gedanken über die Schutzbedürftigkeit der Außenwohnbereiche zu machen. 80 Bei einer Fluglärmbelastung werden in aller Regel weder Festsetzungen zur Stellung der Gebäude auf dem Baugrundstück, noch Festsetzungen zur Anordnung der Schlafräume die gewünschte Wohnruhe bei geöffnetem bzw. gekipptem Fenster erbringen können. Noch weniger sind diese Festsetzungen geeignet, eine der Erholung dienliche Nutzung des sog. Außenwohnbereichs (Balkon, Terrasse, Garten) zu ermöglichen. An die Überschreitung der Orientierungswerte rechtfertigenden Belangen städtebaulicher Art wird es deshalb bei einer Fluglärmbelastung regelmäßig mangeln. In Zweifel gezogen werden muss ferner, dass im Rahmen der Bauleitplanung § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Fluglärmgesetz zur Bestimmung der Obergrenze dessen herangezogen werden kann, was noch als vertretbare Überschreitung der Orientierungswerte der DIN 18005-1 angesehen werden kann. Dies gilt insbesondere für die in § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 a) genannten Grenzwerte für den Nachtzeitraum. Denn insofern ist zu den in Beiblatt 1 der DIN 18005 genannten Orientierungswerten von 40 dB für das reine Wohngebiet eine deutliche ___________ 77
VGH Mannheim, Urt. vom 17.6.2010 – 5 S 884/09 –, UPR 2011, 149, 151; BVerwG, Beschl. vom 13.6.2007 – 4 BN 6.07 –, BRS 71, Nr. 49; BVerwG, Urt. vom 22.3.2007 – 4 CN 2.06 – E 128, 238 ff. 78 Wie Fn. 77. 79 BVerwGE 128, 238, 241 f (Fn. 77). 80 VGH Mannheim, a.a.O., UPR 2011, 149 (Fn. 77).
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Differenz von 13 dB festzustellen, während der entsprechende Immissionsgrenzwert des § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV von 49 dB einen erheblich niedrigeren Grenzwert beinhaltet, bei dessen Einhaltung für den Straßenverkehr gesunde Wohnverhältnisse im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BauGB als gewahrt angesehen worden sind. 81 d) Gesamtlärmkonflikt Auch im Rahmen der Flugroutenfestlegung ist der Gesamtlärm zu berücksichtigen, sofern die Flugroutenfestlegung zu einer mit Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht mehr zu vereinbarenden Lärmbeeinträchtigung führen würde. Der zum Schutz der Gesundheit verpflichtete Staat darf sich dieser Verpflichtung nicht dadurch entziehen, dass er summierte Immissionen bereits konzeptionell unbeachtet lässt. 82 Eine Berücksichtigung der Gesamtlärmbeeinträchtigung ist im Straßenverkehrsrecht geboten, wenn der neue Verkehrsweg im Zusammenwirken mit vorhandenen Vorbelastungen anderer Verkehrswege zu einer Lärmbelastung führt, die mit Gesundheitsgefahren oder einem Eingriff in die Substanz des Eigentums verbunden ist. Der Staat darf durch seine Entscheidungen keine verkehrlichen Maßnahmen zulassen, die im Ergebnis einen nicht rechtfertigungsfähigen Eingriff in Leben, Gesundheit oder Eigentum auslösen. 83 Dies muss auch für die Flugrouten gelten. Der vorhandene Verkehrslärm kann bei einer gesundheitsgefährdenden Aufsummierung auch in der Bauleitplanung dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn die hinzutretende Fluglärmbelastung nicht der maßgebliche Verursacher ist. Zwar ist die Gemeinde selbst auch nicht Verursacher der gesundheitsgefährdenden Lärmbelastung, sie kann demzufolge diese auch nicht mit bauleitplanerischen Festsetzungen im Sinne des § 9 Abs. 1 BauGB entgegenwirken. Gleichwohl würde aufgrund des Verstoßes gegen § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB sich gerade die Ausweisung eines Wohngebiets angesichts der Gesamtlärmbelastung verbieten, weshalb auch in diesem Falle die Planungshoheit der Gemeinde als nachhaltig gestört anzusehen ist.
___________ 81
BVerwGE 123, 152, Ls. (Fn. 22). BVerwG, „Eschenrieder Spange“, Urt. vom 21.3.1996 – 4 C 9.95 –, E 101, 1, 10 m.w.N. 83 BVerwGE 101, 1, 9 f. (Fn. 82). 82
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Thomas Mehler
IV. Fazit Zur Festlegung von Flugrouten hat sich eine differenzierte Rechtsprechung entwickelt, die dem primär sicherheitsrechtlichen Charakter der Entscheidung über die Festlegung von Flugverfahren Rechnung trägt. Als Instrument für den aktiven Lärmschutz eingesetzt, wirft die Verfahrensplanung, gerade wenn sie in Abweichung zu der fachplanerischen Zulassungsentscheidung für den Flughafen steht, neue Rechtsfragen auf. Dies bezieht sich zunächst darauf, dass dem geltenden Rechtsregime des § 32 Abs. 1 Nr. 1 LuftVG in Verbindung mit § 27a Abs. 2 S. 1 LuftVO eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für eine solche „Lärmplanung“ in Abrede gestellt werden muss. Auch der Grundsatz der Nichtbeteiligung der Gemeinden erscheint, wenn die Gemeinde in den Lärmschutzbereich nach § 4 FluglärmG hineinfallen würde oder wenn eine Divergenz zur fachplanerischen Abwägungsentscheidung festzustellen ist, strukturell als defizitäre verfahrensrechtliche Ausgestaltung. Die für das Prüfprogramm maßgebliche Zumutbarkeitsschwelle wird ferner nicht durch die für bestehende Flugplätze, sondern allenfalls durch die für wesentlich geänderte oder neu angelegte Flugplätze geltenden Grenzwerte des Fluglärmgesetzes konkretisiert. Die im Einzelfall zu klärende Frage, welche Beeinträchtigung als nachhaltige Störung zu bewerten ist, lässt sich anhand der Anforderungen, denen die Gemeinde in der bauleitplanerischen Abwägung unterliegt, beantworten. Gerade bei dem „von oben einwirkenden“ Fluglärm, gegen den keine wirksamen Festsetzungen über den passiven Schallschutz hinaus zur Verminderung der Lärmbelastung getroffen werden können, wird eine deutliche Überschreitung der in der DIN 18005 bei Blatt 1 genannten Orientierungswerte nicht zu akzeptieren sein.
Die Einbeziehung des Luftverkehrs in das europäische Emissionshandelssystem Von Olaf Reidt
I. Einführung in den EU-Emissionshandel Das EU-Emissionshandelssystem bzw. European Union Emission Trading System (EU ETS) ist das weltweit größte multinationale TreibhausgasEmissionshandelssystem. Es ist multi-sektoral aufgestellt und umfasst in seiner ursprünglichen Form etwa 11.500 energieintensive ortsfeste Anlagen, die für die Hälfte aller CO²-Emissionen Europas verantwortlich sind. Ursprüngliches mittelfristiges Ziel des EU ETS war das Erreichen der im Kyoto-Protokoll festgelegten Reduktion der durchschnittlichen Treibhausgasemissionen um 8 % im Vergleich zu 1990 innerhalb der Handelsperiode 2008-2012. Die unionsrechtliche Rechtsgrundlage des EU ETS bildet die Emissionshandels-Richtlinie (RL 2003/87/EG). Sie wurde 2003 vom Europäischen Parlament und dem Rat beschlossen und trat in ihrer ursprünglichen Fassung am 1.1.2005 in Kraft. Sie wurde zuletzt durch die Richtlinie 2009/29/EG vom 23.4.2009 geändert. Die für den Luftverkehr maßgeblichen Regelungen erfolgten durch die Änderungsrichtlinie 2008/101/EG. Neben den 27 EU-Mitgliedstaaten beteiligen sich auch Liechtenstein, Island und Norwegen am EU ETS. Die notwendige Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie erfolgte in der Bundesrepublik insbesondere durch den Erlass des Treibhausgas-Emissionshandels-Gesetzes (TEHG) 1 und die Zuteilungsgesetze ZuG 2007 2 sowie ZuG 2012 3 .
___________ 1 2 3
Vom 8.7.2004, BGBl. I, S. 1578. Vom 26.8.2004, BGBl. I, S. 2211. Vom 7.8.2007, BGBl. I, S. 1788.
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Olaf Reidt
II. Wie funktioniert der Emissionshandel? 4 Der Emissionsrechtehandel erfolgt in mehrjährigen Handelsperioden: 1. Handelsperiode (2005 bis 2007), 2. Handelsperiode (2008 bis 2012), danach voraussichtlich von 2013 bis 2020 3. Handelsperiode (Achtjahreszeiträume, Art. 13 der RL 2003/87/EG). Durch das periodische System werden eine geringere Abhängigkeit von wirtschaftlichen Schwankungen sowie eine höhere Investitionssicherheit erreicht. Emissionszertifikate können nicht in die nächste Handelsperiode mitgenommen werden (Art. 13 der RL 2003/87/EG). Das EU ETS funktioniert nach dem Prinzip des „cap and trade“ (beschränken und handeln). Die Höhe der gesamten Treibhausgasemissionen innerhalb einer Handelsperiode wird beschränkt, um so eine künstliche Knappheit zu erzeugen und einen funktionsfähigen Markt entstehen zu lassen. Die Zertifikate können dabei frei gehandelt werden. 1. Anwendungsbereich Gemäß Art. 2 Abs. 1 der RL 2003/87/EG erstreckt sich das EU ETS auf Emissionen der in Anhang I aufgeführten Tätigkeiten. Die Liste geht zurück auf die IVU-Richtlinie der EU und ist daher nach der dort vorgefundenen Regelungssystematik auszulegen. Daher gilt bspw. der Anlagenbegriff der IVURichtlinie. Die ursprünglich emissionshandelspflichtigen Tätigkeiten lassen sich in vier Sektoren einordnen: Tätigkeiten der Energieumwandlung und -umformung, Tätigkeiten der Eisenmetallerzeugung und -verarbeitung, Tätigkeiten der mineralverarbeitenden Industrie sowie Tätigkeiten sonstiger Industriezweige. Zumeist unterfallen die Tätigkeiten erst ab der Überschreitung eines bestimmten Leistungs- oder Emissionswertes der Emissionshandelspflicht. Gemäß Nr. 1 der Anlage I zur RL 2003/87/EG fallen Anlagen und Anlagenteile, die für Zwecke der Forschung, Entwicklung und Prüfung neuer Produkte und Prozesse genutzt werden, nicht in den Anwendungsbereich des Emissionshandelssystems. Gleiches gilt für solche Anlagen, die ausschließlich Biomasse nutzen. 2. Zuteilung Das EU ETS ist nicht länder- oder unternehmensbasiert, sondern in erster Linie anlagenbasiert. Jede Anlage erhält für eine Handelsperiode eine nach ___________ 4
s. hierzu etwa auch Sellner/Reidt/Ohms, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, 3. Aufl. 2007, S. 275 ff.
Die Einbeziehung des Luftverkehrs in das europ. Emissionshandelssystem
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festen Regeln ermittelte Zertifikatsmenge zugeteilt. Als Mengeneinheit wurde die EUA (European Union Allowance Unit) installiert. Eine EUA berechtigt zur Emission einer Tonne CO². Seit der 2. Handelsperiode werden auch andere Treibhausgase neben CO², wie Distickstoffoxid und perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFC), in den Emissionshandel einbezogen. Die Zuteilung der Zertifikate erfolgte sowohl bei der 1., als auch der 2. Handelsperiode kostenlos. Zur Verteilung der Zertifikate sind von jedem Mitgliedstaat nationale Allokationspläne (NAP) zu erlassen (vgl. Art. 9 RL 2003/87/EG). Die NAP sind jeweils 18 Monate vor Beginn einer Handelsperiode zu erstellen und der EU-Kommission zuzuleiten. 5 Sie bilden eine Übersicht zur Verteilung der Emissionszertifikate und bestehen aus einem Makroplan und einem Mikroplan. Erst Letzterer verteilt die Zertifikate auf die einzelnen Anlagen. Bei der Erstellung der NAP sind die Anforderungen der Emissionshandels-Richtlinie zu beachten, insbesondere die des Anhangs III. Die EUKommission prüft die NAP innerhalb von 3 Monaten nach deren Vorlage. In der Bundesrepublik erfolgt die rechtliche Umsetzung der NAP in Form von Zuteilungsgesetzen. Im Jahr 2004 wurde aufbauend auf dem NAP I das Zuteilungsgesetz 2007 6 erlassen. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 betrug das Ziel in der 1. Handelsperiode 859 Mio. t CO² pro Jahr; in der 2. Handelsperiode noch 844 Mio. t (§ 4 Abs. 1 Satz 3 ZuG 2007). In § 4 Abs. 2 und 3 erfolgte die Verteilung des allgemeinen Ziels auf die Sektoren. Für die Periode 2005 bis 2007 wurde bspw. das Emissionsziel für die Sektoren Industrie und Energie auf 503 Mio. t spezifiziert, für Verkehr und Haushalt auf 298 Mio. t und für Gewerbe, Handel und Dienstleistungen auf 58 Mio. t (Makroplan). Darüber hinaus wurden mit dem ZuG 2007 die materiellen Zuteilungsregeln für die am Emissionshandel teilnehmenden Anlagen in den §§ 7 ff. ZuG 2007 festgelegt. 7 Es unterscheidet hierbei grundsätzlich zwischen bestehenden Anlagen und Neuanlagen und wendete für die Berechnung der zuzuteilenden Zertifikate das Prinzip des „Grandfathering“ an. Anlagen erhielten so viele Zertifikate kostenlos zugeteilt, wie es ihren bisherigen Emissionen entsprach. Die Berechnung erfolgte für bestehende Anlagen (§§ 7, 8) anhand einer Basisperiode, die bis auf wenige Ausnahmen 3 Jahre betrug und die vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme abhängig war. Für Neuanlagen erfolgte die Zuteilung der Emissionsberechtigungen nach § 10 (Ersatzanlagen) und § 11 (zusätzliche Anlagen) ZuG 2007. Im Fall der zusätzlichen Anlagen wurde bei der Berechnung der kostenfreien Zertifikate die Benchmark-Methode verwendet, bei der der Emis___________ 5 6 7
BT-Drs. 16/5260, S. 20. Vom 26.8.2004, BGBl. I, S. 2211. Vgl. BT-Drs. 15/2966.
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sionswert einer Produkteinheit zugewiesen wird. Maßstab für die Berechnung bildete eine typisierte Anlage, die der Neuanlage entsprach, aber mit der besten verfügbaren Technik ausgestattet arbeitet (best available technology = BAT). 8 Für die Zuteilung von Zertifikaten für zusätzliche Neuanlagen wurde ein Reserve-Fonds von 9 Mio. t CO² gebildet (vgl. § 6 Abs. 1 ZuG) 2007. Für die 2. Handelsperiode wurde mit dem ZuG 2012 9 ein in weiten Teilen neu konzipiertes Zuteilungssystem (§§ 6 ff. ZuG 2012) eingeführt. Es sollte vor allem der Forderung der EU-Kommission nach vereinfachten Zuteilungsregelungen Rechnung tragen. 10 Dabei kam es zu einem Paradigmen-Wechsel bei der Zuteilung von Zertifikaten an bestehende Anlagen. Die Zahl der zuzuteilenden Zertifikate wird für Energieanlagen nun nahezu vollständig nach der Benchmark-Methode berechnet, nicht mehr nach dem Konzept des „Grandfathering“. Durch den Wechsel des Systems werden effiziente Anlagen relativ besser gestellt als alte, ineffiziente Anlagen. 11 Im Fall von Neuanlagen erfolgt die Berechnung weiterhin nach der Benchmark-Methode. Für Bestandsanlagen des produzierenden Gewerbes (vgl. VI bis XVIII des Anhangs 1 zum TEHG) allerdings bleibt die „Grandfathering“-Berechnungsmethode erhalten, jedoch unter Verwendung aktualisierter Basisperioden. 12 Auch in der 3. Handelsperiode (2013 bis 2020) wird es zu großen Veränderungen hinsichtlich der Zertifikatsverteilung kommen. So wird bspw. die Vergabe anhand der nationalen Allokationspläne ersetzt durch die Vorgabe von EU-weiten Gesamtobergrenzen für CO²-Emissionen (vgl. Art. 9 der RL 2003/87/EG in der durch die RL 2009/29/EG geänderten Fassung). Für die Zuteilung und Abgabe von Emissionsberechtigungen ist in Deutschland die DEHSt im Umweltbundesamt zuständig (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 2 TEHG). Anlagenbetreiber konnten für die 1. Handelsperiode bis zum 21.9.2004 die Zuteilung von Zertifikaten bei der DEHSt beantragen (§ 10 Abs. 3 Satz 1 TEHG i.V.m. ZuG 2007). Für Neuanlagen bzw. Anlagenerweiterungen gilt hinsichtlich der Antragsfrist § 10 Abs. 4 Satz 1 2. Halbs. TEHG.
___________ 8
Vgl. Weinreich/Marr, NJW 2005, 1078, 1082; Kobes, NVwZ 2004, 1153, 1159. Vom 7.8.2007, BGBl. I, S. 1788. 10 Frenz, Emissionshandelsrecht 2. Aufl., vor §§ 6 ff. ZuG 2012, Rn. 1; EUKommission, „Further Guidance on Allocation Plans fort he 2008 to 2012 Trading Period of the EU ETS“ vom 22.12.2005, COM(2005) 703 final. 11 BT-Drs. 16/5240, S. 26. 12 Frenz, Emissionshandelsrecht 2. Aufl., vor §§ 6 ff. ZuG 2012, Rn. 3; BT-Drs. 16/5240, S. 21. 9
Die Einbeziehung des Luftverkehrs in das europ. Emissionshandelssystem
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3. Nachweis Jeweils zum jährlichen Stichtag (30. April) müssen die Anlagenbetreiber Emissionsberechtigungen in Höhe ihrer tatsächlichen Emissionen des vorangegangenen Jahres abgeben. Das Ausmaß der Emissionen einer einzelnen Anlage wird dabei in der Regel über die Menge des verbrannten Energieträgers ermittelt. Kann ein Unternehmen nicht die erforderliche Menge an Zertifikaten (aufgrund Zuteilung oder Zukauf) nachweisen, muss es eine Strafe von 100 Euro pro fehlender EUA zahlen (vgl. Art. 16 Abs. 3 Satz 2 der RL 2003/87/EG) und außerdem die fehlenden Zertifikate im darauffolgenden Jahr nachreichen. Auch die Veröffentlichung des Namens säumiger Anlagenbetreiber wirkt als Sanktion („Naming-and-Shaming“). 4. Handel Stößt eine Anlage weniger Treibhausgase aus, als es die zugeteilten Emissionszertifikate erlauben, kann der Anlagenbetreiber die restlichen Zertifikate am Markt verkaufen. Hingegen muss er weitere Zertifikate erwerben, wenn die von ihm betriebene Anlage mehr als die zugeteilten Emissionswerte ausstößt. Seit der 2. Handelsperiode können fehlende CO²-Emissionsberechtigungen auch durch Emissionsreduzierungen in Drittländern, aus sogenannten Clean Development Mechanism (CDM) oder Joint Implementation-Projekten (JI) ausgeglichen werden. Die zulässige Höhe der so ausgeglichenen Emissionen kann jeder Staat eigenständig festlegen. Die diesbezüglichen Einzelheiten ergeben sich aus dem Projekt-Mechanismen-Gesetz. Der Handel von Zertifikaten findet rein elektronisch statt. Es bestehen keine Dokumente in Papierform über ein Zertifikat. Gehandelt werden kann an der Börse, über Makler oder direkt zwischen den Beteiligten („over the counter“ = OTS). Der Preis für eine Tonne CO² (entspricht 1 EAU) liegt derzeit bei etwa 14.30 €. 13 Um die Funktionsweise des EU ETS zu gewährleisten, muss stets die Menge der zugeteilten Emissionsberechtigungen geringer sein als die prognostizierten Emissionen. Sonst entsteht kein Druck zur Verringerung der Emissionswerte.
___________ 13
Wert vom 24.1.2011; s. http://www.eex.com/en/.
Olaf Reidt
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III. Einführung des Luftverkehrs in das EU ETS Am 2.2.2009 ist die Änderungsrichtlinie zur Einbeziehung des Luftverkehrs in das EU ETS 14 in Kraft getreten. Zielsetzung der Änderungsrichtlinie ist es, die dem Luftverkehr zurechenbaren Klimaauswirkungen durch die Einbeziehung der Emissionen aus dem Luftverkehr in das EU ETS zu verringern. 15 Aus diesem Grund müssen Luftfahrzeugbetreiber ab dem Jahr 2012 jährlich Emissionszertifikate pro t CO²-Emissionen abgeben. Diese Zertifikate, EU Aviation Allowances (EUAA) genannt, werden den Luftfahrzeugbetreibern durch die Verwaltungsmitgliedstaaten zugeteilt. Welcher Staat für welchen Luftfahrzeugbetreiber zuständig ist, regelt die Verordnung 2009/748/EG 16 durch die sog. Verwaltungsmitgliedstaatenliste. Danach ist Deutschland für 326 Luftfahrzeugbetreiber zuständig. Bereits ab 2010 bestehen Überwachungs- und Berichtspflichten, um es der EU-Kommission zu ermöglichen, noch vor Beginn der 1. Handelsperiode ein Gesamtvolumen an Emissionszertifikaten festzulegen (vgl. Art. 3c Abs. 1 i.V.m. Art. 3 lit. s) der RL 2003/87/EG). In Deutschland erfolgte die Umsetzung der die Überwachungs- und Berichtspflichten betreffenden Vorgaben durch das Erste Gesetz zur Änderung des TEHG vom 16.7.2009 17 sowie die Verordnung über die Erhebung von Daten zur Einbeziehung des Luftverkehrs sowie weiterer Tätigkeiten in den Emissionshandel (DEV 2020) vom 22.7.2009. 18 Vom Emissionshandel erfasst werden alle Luftfahrzeugbetreiber, die Flüge innerhalb der EU oder auch Kontinentalflüge von oder nach Europa durchführen. Auch der Emissionshandel im Luftverkehr verfolgt das System der Handelsperioden. Jedoch wurde zunächst eine von den anderen Sektoren eigenständige 1. Handelsperiode vom 1.1.2012 bis zum 31.12.2012 installiert, um sodann ab der 2. Handelsperiode (2013 bis 2020) den Turnus den Handelsperioden aller Sektoren anzugleichen. 19
___________ 14 15 16 17 18 19
ABl EU L 8/3. Vgl. Erwägungsgrund Nr. 24 der RL 2008/101/EG. Vom 5.8.2009, ABl EU L 219/1. BGBl. I, S. 1954. BGBl. I, S. 2118. Erling, ZLW 2009, 337, 345.
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1. Anwendungsbereich Emissionshandelspflichtig sind ausschließlich die Luftfahrzeugbetreiber. Die Entscheidung gegen die Einbeziehung weiterer Beteiligter im Luftverkehr, wie etwa der Flugzeughersteller, der Flugplatzbetreiber oder der Treibstoffversorger, wird damit begründet, dass allein die Luftfahrzeugbetreiber direkten Einfluss darauf haben, welche Flugzeugmuster auf welche Weise betrieben werden. 20 Art. 3 lit. o) der RL 2003/87/EG definiert den Begriff des Luftfahrzeugbetreibers als die Person, die ein Flugzeug zu dem Zeitpunkt betreibt, zu dem eine Luftverkehrstätigkeit durchgeführt wird. Ist die Identität des Betreibers unbekannt, gilt der Eigentümer des Flugzeugs im Zeitpunkt der Durchführung der Luftverkehrstätigkeit als Luftfahrzeugbetreiber i.S.d. Richtlinie. Der Begriff der Luftverkehrstätigkeit, der dem Umfang der Emissionshandelspflicht im Luftverkehr einen Rahmen zieht, wird in Anhang I der Richtlinie konkretisiert. Danach unterfallen alle Flüge der Luftverkehrstätigkeit, die von einem Flugplatz abgehen oder auf einem Flugplatz enden, der sich im Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedstaates (inkl. der Hoheitsgebiete Liechtensteins, Islands und Norwegens) befindet, und nicht zu den privilegierten Flügen zu zählen sind. Privilegiert sind die in Anhang I der Richtlinie genannten Ausnahmen, die sich auch in der Anlage 1 der DEV 2020 finden. Dazu zählen etwa Flüge in offizieller Mission, Militär-, Zoll- und Polizeiflüge, Flüge im Zusammenhang mit Such- und Rettungseinsätzen, Löschflüge, Flüge im humanitären Einsatz, Rundflüge, Übungs- und Forschungsflüge und Flüge von Kleinstluftfahrzeugen. Als weitere Ausnahme von der Emissionshandelspflichtigkeit ist die de-minimis-Regel zu nennen, die Luftfahrzeugbetreiber privilegiert, die in drei aufeinander folgenden Viermonatszeiträumen weniger als 243 Flüge durchführen oder deren Gesamtemissionsmenge 10.000 t CO²/Jahr nicht übersteigt. Die Emissionshandelspflichtigkeit der Luftfahrzeugbetreiber erstreckt sich derzeit nur auf CO²-Emissionen. Die Bewertung der Emissionen anderer Treibhausgase wurde aufgrund bestehender wissenschaftlicher Unsicherheiten aufgeschoben. 21
___________ 20
343. 21
Erwägungsgrund 15 der RL 2008/101/EG; kritisch dazu Erling, ZLW 2009, 337,
s. den Vorschlag der EU-Kommission zur Einbeziehung der NO-Emissionen des Luftverkehrs, KOM(2008) 433; Erling, ZLW 2009, 337, 345.
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2. Zuteilung Die Zuteilung der EUAAs richtet sich nach folgendem Schema: Dem Luftverkehr wird basierend auf den jährlich einzureichenden Emissionsberichten und Tonnenkilometerdatenberichten durch die EU-Kommission ein Gesamtvolumen an Emissionszertifikaten zugeteilt (vgl. Art. 3c Abs. 4 der RL 2003/87/EG). Dieses ergibt sich aus den historischen Luftverkehrsemissionen gemäß Art. 3 lit. s) der RL 2003/87/EG, d.h. den durchschnittlichen jährlichen Emissionen des Zeitraums von 2004 bis 2006. Für die 1. Handelsperiode (1.1.2012 bis 31.12.2012) stehen für den Flugverkehr Zertifikate zur Verfügung, die einem Äquivalent von 97 % der historischen Luftverkehrsemissionen entsprechen. 22 Die unionsweite Obergrenze der in der 2. Handelsperiode (2013 bis 2020) zu verteilenden Zertifikate wird 95 % der historischen Luftverkehrsemissionen multipliziert mit der Anzahl der Jahre entsprechen (Art. 3c Abs. 2 der RL 2003/87/EG). Für die 1. Handelsperiode werden 85 % der Zertifikate kostenlos ausgegeben. 15 % werden versteigert (Art. 3d Abs. 1 der RL 2003/87/EG). Für die 2. Handelsperiode sind ebenfalls 15 % zur Versteigerung vorgesehen, eine Erhöhung des Anteils ist jedoch möglich. Die Versteigerung liegt im Aufgabenbereich der Mitgliedstaaten, denen auch der Erlös zukommt. Art. 3d Abs. 4 der RL 2003/87/EG spricht eine Empfehlung zur Verwendung der durch die Versteigerung generierten Erlöse zur Bekämpfung des Klimawandels aus, ist jedoch nicht bindend. Die Verteilung der kostenlosen 85 % der Zertifikate erfolgt für jede Handelsperiode auf Antrag der Luftfahrzeugbetreiber. Zuständige Antragsbehörde ist die des Verwaltungsmitgliedstaats (in Deutschland die DEHSt beim Umweltbundesamt), dem der antragstellende Betreiber durch die Verwaltungsmitgliedstaatenliste zugeteilt wurde. Die Antragsfrist endet gemäß Art. 3e Abs. 1 Satz 4 jeweils 21 Monate vor Beginn der Handelsperiode, für die erste Handelsperiode (1.1. – 31.12.2012) jedoch erst zum 31.3.2011. Bei der Antragstellung hat der Luftfahrzeugbetreiber die geprüften Tonnenkilometerangaben (Tonnenkilometer = Flugstrecke x Nutzlast) 23 für die von ihm ausgeführten Luftverkehrstätigkeiten nach Anhang I für das Überprüfungsjahr zu übermitteln (Art. 3e Abs. 1 Satz 2). Als Überprüfungsjahr gilt grundsätzlich das Kalenderjahr, das 24 Monate vor Beginn der Handelsperiode endet, für die erste Handelsperiode das Jahr 2010 (Art. 3e Abs. 1 Satz 3). Sodann (mind. 18 Mona___________ 22 Die EU-Kommission hatte ursprünglich ein cap von 100 % vorgeschlagen, der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments hingegen nur von 75 %. 23 Erling, ZLW 2009, 337, 248; vgl. zum Begriff der Nutzlast Anhang IV Teil B der RL 2003/87/EG.
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te vor Beginn der Handelsperiode) übermitteln die Mitgliedstaaten die eingegangenen Anträge an die EU-Kommission (Art. 3e Abs. 2), die dann (mind. 15 Monate vor Beginn der Handelsperiode, für die erste Handelsperiode bis zum 30.9.2011) die Zahl der Gesamtzertifikate, die Zahl der zu versteigernden Zertifikate, die Zahl der Sonderreservezertifikate, die Zahl der kostenfrei zu verteilenden Zertifikate sowie den Richtwert für die kostenfreie Zuteilung (Zertifikate pro Tonnenkilometer) berechnet und als Entscheidung erlässt (Art. 3e Abs. 3). Gemäß Art. 3e Abs. 4 berechnet und veröffentlicht jeder Mitgliedstaat innerhalb von 3 Monaten nach der Bekanntgabe der Entscheidung der EUKommission die Zahl der Zertifikate, die jedem ihm zugeteilten Luftfahrzeugbetreiber innerhalb der gesamten Handelsperiode zustehen, sowie die Zahl der jährlich auszugebenden Zertifikate pro Luftfahrzeugbetreiber. Die Ausgabe der so errechneten Zertifikate erfolgt dann durch die zuständige Behörde des Verwaltungsmitgliedstaates (die DEHSt) bis zum 28.2. jeden Jahres. 3. Nachweis Luftfahrzeugbetreiber müssen zum Stichtag des 30.4. eines jeden Jahres die EUAAs in Höhe der tatsächlich im vorherigen Jahr verbrauchten Emissionen nachweisen. Fehlende Zertifikate, insbesondere infolge des Verkehrswachstums, müssen rechtzeitig hinzu erworben werden. Auf diese Weise sollen die Unternehmen zur Verwendung effizienterer Flugzeuge und zur Anwendung innovativer Flugverfahren bewegt werden. Allerdings sind die Luftfahrzeugbetreiber berechtigt, anstelle der EUAAs auch gewöhnliche Emissionszertifikate (EUAs) vorzulegen, die sie zuvor von den Betreibern der etwa 11.500 ortsfesten Anlagen des Energie- und Industriesektors erworben haben. Darüber hinaus können EUAAs auch ersteigert werden. Aus dem durch die EUKommission festgelegten Gesamtvolumen können 15 % versteigert werden (Art. 3d Abs. 1 und Abs. 2). Im Vergleich dazu ist der Anteil an zu versteigernden EUAs auf 10 % begrenzt. Auch den Luftfahrzeugunternehmern ist zudem die Möglichkeit eröffnet, Emissionsrechte aus den sog. projektbezogenen Mechanismen im Rahmen von JI und CDM zu nutzen (vgl. Art. 11a Abs. 1 a der RL 2003/87/EG). Die Möglichkeit des Nachweises von Zertifikaten, die auf derartige Klimaschutzprojekte zurückgehen, anstelle des ordentlichen EUAA-Nachweises ist jedoch mengenmäßig auf 15 % der jährlichen Nachweise begrenzt. Es wird als problematisch angesehen, ob die dargestellten Zertifikatserwerbsmöglichkeiten genügen, um das prognostizierte Luftverkehrswachstum aufzufangen. Schätzungen, die von einem Emissionsvolumen von bis zu 43 % oberhalb des „caps“ der 1. Handelsperiode und gar bis zu 70 % oberhalb des „caps“ der 2. Handelsperi-
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ode ausgehen, lassen darauf schließen, dass die Einführung des Emissionshandelssystems mit den genannten Obergrenzen zu Betriebsbeschränkungen führen wird. 24 Kann ein Luftfahrzeugbetreiber am Stichtag nicht genügend Zertifikate nachweisen, treffen ihn grds. dieselben Sanktionsmöglichkeiten wie Betreiber ortsfester Anlagen (Strafzahlungen und spätere Nachweispflicht). Zusätzlich kann der jeweilige Verwaltungsmitgliedstaat als ultima ratio die EUKommission ersuchen eine EU-weite Betriebsuntersagung zu beschließen (Art. 16 Abs. 5 der RL 2003/87/EG). 4. Handel EUAAs, die nicht für den Nachweis am 30.4. des Folgejahres benötigt werden, können am Markt frei gehandelt werden. Im Fall einer Betriebseinstellung oder -verkleinerung sind die Zertifikate dennoch durch die nationale Behörde vollständig zuzuteilen. Der betroffene Betrieb kann die nicht benötigten Zertifikate dann verkaufen. Grundsätzlich ist ein Luftfahrzeugbetreiber aber auch berechtigt auf die Zuteilung kostenloser Zertifikate durch unwiderrufliche, schriftliche Erklärung zu verzichten (vgl. § 5 Abs. 4 DEV 2020). Die Luftfahrzeugbetreiber können auch EUAs von den Betreibern ortsfester Anlagen erwerben. Umgekehrt können EUAAs jedoch nicht von Betreibern ortsfester Anlagen als Zertifikatsnachweis eingereicht werden. Der Handel mit EUAAs ist somit ausschließlich den Luftfahrzeugbetreibern vorbehalten (vgl. Art. 6 Abs. 2 lit. e) der RL 2003/87/EG). Es handelt sich insofern um ein halboffenes Handelssystem. 25 Diese Handelsbeschränkung liegt darin begründet, dass Emissionen des internationalen Luftverkehrs nicht zu den Emissionen der Vertragsstaaten des FCCC (Framework Convention on Climate Change) 26 zählen und somit auch nicht von den Reduktionszielen des Kyoto-Protokolls erfasst werden. 27 Zertifikate vorangegangener Handelsperioden erlöschen mit Ablauf der Handelsperiode (Art. 13 der RL 2003/87/EG).
___________ 24 Erling, ZLW 2009, 337, 347; Sehlleier auf www.reutersinteractive.com/carbon/101911. 25 Erling, ZLW 2009, 337, 347. 26 Vom 9.5.1992, BGBl. 1993 II, S. 1784. 27 Erling, ZLW 2009, 337, 342.
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5. Stand der nationalen Umsetzung, einschlägige Normen, Informationsquellen zu Formularen usw. Um die Einführung des Emissionshandelssystems im Luftverkehr richtlinienkonform gewährleisten zu können, hat der deutsche Gesetzgeber zunächst Regelungen geschaffen, um eine Datenerhebung zu installieren, die die Übermittlung geprüfter Tonnenkilometerangaben an die EU-Kommission ermöglichte. Zu diesem Zweck wurden in einem ersten Richtlinienumsetzungsakt das TEHG um § 27 erweitert 28 und die DEV 2020 erlassen. 29 Letztere Rechtsverordnung regelt die Erhebung der Daten zur Einbeziehung des Luftverkehrs in den EU-Emissionshandel in der Bundesrepublik. Um die Versteigerung der Emissionszertifikate für stationäre Anlagen in der zweiten Handelsperiode zu gewährleisten, wurde am 17.7.2009 die auf dem ZuG 2007 basierende EHVV 2012 erlassen. Am 16.2.2011 veröffentlichte die Bundesregierung ihren Entwurf des Gesetzes zur Anpassung der Rechtsgrundlagen für die Fortentwicklung des Emissionshandels. Damit verfolgt sie vor allem das Ziel, die Umsetzung der Änderungsrichtlinien 2008/101/EG sowie 2009/29/EG abzuschließen. 6. Verfahren und Voraussetzungen der Erstellung von Emissionsberichten a) Monitoringkonzept Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 DEV 2020 haben die Luftfahrzeugbetreiber einen Überwachungsplan zu erstellen und dem Umweltbundesamt einzureichen. Als Überwachungsplan definiert § 2 Abs. 1 Nr. 8 DEV 2020 ein Monitoringkonzept nach Anhang I Abschnitt 4.3. der Monitoring-Leitlinien.30 Die Überwachungspläne fungieren als Basis des jährlichen Emissionsberichtes sowie des Berichts über die Transportleistung. Die Anforderungen an die Überwachung und Ermittlung der CO²-Emissionen und die Tonnenkilometerdaten von Luft-
___________ 28
Vom 16.7.2009; BGBl. I, S. 1954. Vom 22.7.2009; BGBl. I, S. 2118. 30 Als Monitoring-Leitlinien bezeichnet werden die Entscheidung 2007/589/EG der Kommission vom 18. Juli 2007 zur Festlegung von Leitlinien für die Überwachung und Berichterstattung betreffend Treibhausgasemissionen im Sinne der Richtlinie 2003/87/EG (ABl. L 229 vom 31.8.2007, S. 1), zuletzt geändert durch die Entscheidung 2009/399/EG (ABl. L 103 vom 23.4.2009, S. 10); vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 5 DEV 2020. 29
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fahrzeugbetreibern sind in den Anhängen XIV und XV der MonitoringLeitlinien geregelt. 31 Der Luftfahrzeugbetreiber hat in seinem Überwachungsplan festzulegen, welche Überwachungsmethodik er für jeden Luftfahrzeugtyp verwenden wird (vgl. Anhang XV Nr. 3 der Monitoring-Leitlinien). Der Mindestinhalt eines Monitoring-Konzeptes von Luftfahrzeugbetreibern wird in Anhang XV Nr. 3 dargelegt: Danach sind insbesondere Angaben zu machen über: x die Identifizierung des Luftfahrzeugbetreibers x eine Liste der operierenden Luftfahrzeugtypen und die Zahl der Luftfahrzeuge je Luftfahrzeugtyp sowie eine Liste der voraussichtlich zur Verwendung kommenden weiteren Luftfahrzeugtypen x eine Beschreibung der Verfahren, Systeme und Zuständigkeiten für die Kontrolle der Vollständigkeit der Liste x eine Beschreibung der Verfahren zur Überwachung der Liste der Flüge x eine Beschreibung der Methoden zur Bestimmung der Tonnenkilometerdaten je Flug und der Treibstoffmenge etc. In Nr. 6 des Anhang XIV ist festgeschrieben, dass die Luftfahrzeugbetreiber ihre Monitoringkonzepte spätestens 4 Monate vor Beginn der 1. Überwachungsperiode, d.h. bis zum 31.8.2009 der national zuständigen Behörde vorzulegen hatten. Dies konkretisiert § 4 Abs. 1 DEV 2020 für Luftfahrzeugbetreiber, die Deutschland als Verwaltungsmitgliedstaat zugeordnet sind. Das Umweltbundesamt hat die eingereichten Monitoringkonzepte zu überprüfen und zu genehmigen. Hat ein Luftfahrzeugbetreiber bis zu diesem Zeitpunkt keinen Überwachungsplan eingereicht und auch keinen Antrag auf Befreiung von der Einreichungspflicht nach § 6 Abs. 1 DEV 2020 gestellt, so ist er verpflichtet den Überwachungsplan nachzureichen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 DEV 2020). Die Nachreichungsfrist wird durch das Umweltbundesamt festgelegt. Genügt ein vorgelegter Überwachungsplan nicht den Anforderungen der DEV 2020 und der Monitoring-Leitlinien, wird er durch das Umweltbundesamt zur Beseitigung der etwaigen Mängel innerhalb einer festzulegenden Frist aufgefordert (§ 4 Abs. 3 Satz 3 DEV 2020). Luftfahrzeugbetreiber, die ihre Luftverkehrstätigkeit erst nach dem 25.7.2009 aufgenommen haben, sind verpflichtet einen Überwachungsplan unverzüglich einzureichen (§ 4 Abs. 4 DEV 2020). Das gilt auch, wenn die Voraussetzungen, die zu einer Befreiung nach § 6 Abs. 1 DEV 2020 geführt haben, wegfallen, d.h. wenn der Luftfahrzeugbetreiber nicht mehr ausschließlich privilegierte Flüge betreibt. ___________ 31
S. 11.
DEHSt, Leitfaden zur Erstellung von Emissions- und Tonnenkilometer-Berichten,
Die Einbeziehung des Luftverkehrs in das europ. Emissionshandelssystem
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Wird ein Überwachungsplan nicht oder nicht rechtzeitig nachgereicht, so liegt darin eine Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 19 Abs. 1 Nr. 4 TEHG, was gemäß § 19 Abs. 2 TEHG eine Geldbuße in Höhe von bis zu 50.000,00 € nach sich ziehen kann. Rechtzeitig eingereichte Monitoring-Konzepte sind zu genehmigen, wenn sie den Vorgaben der DEV 2020 und der Monitoring-Leitlinien entsprechen. Es besteht insoweit eine behördliche Pflicht zur Prüfung und ggf. zur Genehmigungserteilung. 32 Dem Umweltbundesamt kommt insofern kein Ermessensspielraum zu. Allerdings kann die Genehmigung mit Nebenbestimmungen versehen werden, so z.B. zur Ermittlung der tatsächlichen Nutzlast ohne Taragewicht und ohne Versorgungsmaterial. 33 Die Genehmigung stellt einen begünstigenden Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 VwVfG dar. Sie ist bis zum Beginn der Überwachungsperiode (d.h. im Fall der ersten Überwachungsperiode bis zum 1.1.2010) zu erteilen. Fordert das Umweltbundesamt gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 DEV 2020 zum Nachreichen des Überwachungsplans oder zur Übermittlung weiterer Angaben gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 DEV 2020 oder zur Beseitigung festgestellter Mängel (§ 4 Abs. 3 Satz 3) auf, kann der betroffene Luftfahrzeugbetreiber dagegen mit Rechtsmitteln (Anfechtungsklage, Verpflichtungsklage) vorgehen. Aufgrund der kurzen Zeiträume wird ein Luftfahrzeugbetreiber, dessen Monitoring-Konzept nicht genehmigt wird, ggf. auf den Eilrechtsschutz zurückgreifen müssen. In jedem Fall sollte auf Grundlage des erarbeiteten Monitoring-Konzeptes mit der Überwachung begonnen werden, soweit zum Zeitpunkt des Beginns einer Überwachungsperiode noch keine Genehmigung vorliegt, denn auch ohne erteilte Genehmigung besteht die Emissionsberichtspflicht für Luftfahrzeugbetreiber. Ein Überprüfungs- und Genehmigungsvorbehalt gilt auch, wenn ein Luftfahrzeugbetreiber sein Monitoring-Konzept in wesentlichen Punkten ändert (Anhang I Abschnitt 4.3. Abs. 3 der Monitoring-Leitlinien). b) Erstellung der jährlichen Emissionsberichte Gemäß § 4 Abs. 5 DEV 2020 haben die Luftfahrzeugbetreiber die durch ihre Luftverkehrstätigkeiten verursachten CO²-Emissionen innerhalb der Überwachungsperiode nach Maßgabe der Anhänge I und XIV der MonitoringLeitlinien zu ermitteln und bis zum 31.3. des Folgejahres zu berichten. Grundlage der Ermittlungs- und Berichtspflicht ist der genehmigte Überwachungs___________ 32 33
S. 12.
BVerwG, Urt. vom 18.2.2010 – 7 C 10/09, NVwZ-RR 2010, 473, Rn. 16. DEHSt, Leitfaden zur Erstellung von Emissions- und Tonnenkilometer-Berichten,
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plan. Hierbei gilt der Grundsatz der Methodenkonsistenz. Dieser besagt, dass der Luftfahrzeugbetreiber die einmal genehmigten Ermittlungs- und Berechnungsmethoden konsequent anwenden muss. 34 Hiervon ausgenommen sind solche Änderungen, die die Genauigkeit der jährlichen CO²-Berichtsdaten verbessern. Werden Monitoring-Konzepte während eines Überwachungszeitraums auf diese Weise geändert, so trifft den Luftfahrzeugbetreiber eine unverzügliche Anzeigepflicht. Die jährlich einzureichenden Emissionsberichte müssen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 DEV 2020 zuvor von einer durch das Umweltbundesamt bekannt gegebenen sachverständigen Stelle geprüft werden. Diese sachverständige Stelle legt ihrer Überprüfung das genehmigte Monitoring-Konzept zu Grunde. Führt diese Überprüfung zu dem Ergebnis, dass der Emissionsbericht im Einklang mit dem genehmigten Monitoring-Konzept steht, ist der Bericht zu verifizieren. Ansonsten ist die Verifizierung zu versagen. Hat der Luftfahrzeugbetreiber ohne vorliegende Genehmigung seines Überwachungsplans einen Emissionsbericht erstellt und diesen an eine sachverständige Stelle i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 DEV 2020 weitergeleitet, erfolgt die Prüfung anhand der Vorgaben der DEV 2020 sowie der Monitoring-Leitlinien. Sind die angewendeten Monitoring-Methoden hierbei genehmigungsfähig, so steht das Fehlen der Genehmigung einer positiven Verifizierung nicht entgegen. Jedoch heilt dies nicht das Fehlen der Genehmigung. Vielmehr besteht weiterhin die Pflicht zum Nachreichen des Überwachungsplans mit den ansonsten bestehenden Sanktionsmöglichkeiten (s. a)). Zudem umfasst die Pflicht zur Einreichung eines vollständigen Emissionsberichts nach § 4 Abs. 5 Satz 1 DEV 2020 neben dem verifizierten Prüfbericht auch die Beifügung des Monitoringkonzepts sowie der behördlichen Genehmigung desselbigen. 35 Kommt ein Luftfahrzeugbetreiber der Emissionsberichtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig nicht oder nicht rechtzeitig nach, so handelt er ordnungswidrig gemäß § 12 Nr. 3 DEV 2020 i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 4 TEHG. c) Erstellung des Tonnenkilometerberichts Der Tonnenkilometerbericht stellt das Ergebnis des Monitorings der Transportleistung eines Luftfahrzeugbetreibers innerhalb eines Kalenderjahres dar. Er bildet die Grundlage der kostenlosen Zuteilung von EUAA für die ersten beiden Handelsperioden. Im Gegensatz zum Emissionsbericht ist der Tonnen___________ 34
S. 11. 35
S. 17.
DEHSt, Leitfaden zur Erstellung von Emissions- und Tonnenkilometer-Berichten, DEHSt, Leitfaden zur Erstellung von Emissions- und Tonnenkilometer-Berichten,
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kilometerbericht nur einmalig vorzulegen. Eine dementsprechende Pflicht ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 DEV 2020. Danach ist bis zum 31.3.2011 ein Tonnenkilometerbericht für das Kalenderjahr 2010 zu erstellen und beim Umweltbundesamt einzureichen. In den Tonnenkilometerberichten sind Angaben zur Flugstrecke eines jeden Flugplatzpaares, Angaben zu Passagierzahlen und Gepäck, zu Fracht und Postmasse zu vermerken. Aus diesen Daten ergibt sich die Transportleistung des Luftfahrzeugbetreibers. Bei der Erstellung von Tonnenkilometerdaten ist ein Lückenschluss durch Schätzung im Unterschied zum Emissionsbericht nicht möglich. 7. Zuteilungsantrag Voraussetzung für die kostenlose Zuteilung von EUAA ist grundsätzlich, dass der Luftfahrzeugbetreiber seine Luftverkehrstätigkeit im Jahr 2010 überwacht hat und einen entsprechenden verifizierten Tonnenkilometerbericht beim Umweltbundesamt eingereicht hat. Der Antrag auf Zuteilung von Emissionsberechtigungen ist in diesem Tonnenkilometerbericht integriert (vgl. Art. 3e Abs. 1 Satz 2 der RL 2003/87/EG). 36 Der Gesetzentwurf für das Gesetz zur Anpassung der Rechtsgrundlagen für die Fortentwicklung des Emissionshandels sieht insoweit eine Fiktion des Antrags in § 11 Abs. 4 Satz 3 TEHG vor. 37 Gemäß Art. 3e Abs. 2 der RL 2003/87/EG hat die Bundesrepublik die so eingegangenen Anträge an die EU-Kommission zu übermitteln. Grundsätzlich hat die Übermittlung spätestens 18 Monate vor Beginn der betreffenden Zuteilungsperiode zu erfolgen. Bezüglich der 1. Handelsperiode vom 1.1.2012 bis zum 31.12.2012 gilt der 30.6. 2011 als Übermittlungsfristende. Der Gesetzentwurf sieht eine derartige Übermittlungsverpflichtung in einem neuen § 11 Abs. 5 TEHG vor. Dessen Satz 4 schränkt die Übermittlungsfrist jedoch insofern ein, als dass die zuständige Behörde nach einer Prüfung der Angaben zur Transportleistung nur solche Daten an die EU-Kommission übermitteln muss, deren Richtigkeit zum Ablauf der Übermittlungsfrist ausreichend gesichert sind. Hinsichtlich der ausreichenden Sicherheit der angegebenen Tonnenkilometerdaten wird der zuständigen Behörde somit ein Prüfungsrecht zugestanden. Sie hat bei Zweifeln die Möglichkeiten der Nachweisnachforderung gemäß § 11 Abs. 5 Satz 4 TEHG (Entwurf) auszuschöpfen. Jedoch muss sie keine Ermittlungen mehr anstellen, soweit die rechtzeitige Übermittlung an die ___________ 36
S. 40. 37
DEHSt, Leitfaden zur Erstellung von Emissions- und Tonnenkilometer-Berichten, Gesetzentwurf, TEHG, S. 71.
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EU-Kommission gefährdet würde. 38 Ob das Fehlen eines Monitoringkonzepts bereits die erforderliche Sicherheit der Tonnenkilometerdaten entfallen lässt, ist angesichts der notwendigen Verifizierung durch einen unabhängigen Sachverständigen zu bezweifeln. Wenn man allerdings den Tonnenkilometerbericht erst dann als vollständig eingereicht ansieht, wenn auch das Monitoringkonzept samt behördlicher Genehmigung vorgelegt wird, bestünde bei einem fehlenden Monitoringkonzept keine Übermittlungspflicht seitens der Behörde. Die Übermittlung des Antrags durch die zuständige Behörde an die EUKommission ist mangels Regelungswirkung nicht als Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 VwVfG zu qualifizieren. Da der Luftfahrzeugbetreiber bei rechtzeitiger Übermittlung eines ausreichend gesicherten Tonnenkilometerberichts einen Anspruch auf die Übermittlung an die EU-Kommission hat, kann er gegen ein Unterlassen mit Hilfe der Leistungsklage bzw. im Wege einer einstweiligen Anordnung i.S.d. § 123 Abs. 1 VwGO vorgehen. Für Unternehmen, die eine Luftverkehrstätigkeit erst nach dem Überprüfungsjahr (= Kalenderjahr, das 24 Monate vor Beginn der Handelsperiode endet bzw. das Jahr 2010 für die erste Handelsperiode, Art. 3 e der RL 2003/87/EG) aufnehmen oder deren Tonnenkilometer sich zwischen dem Überprüfungsjahr und dem zweiten Kalenderjahr einer Handelsperiode um durchschnittlich mehr als 18 % jährlich steigert, enthält Art. 3 f der Richtlinie Regelungen zur Inanspruchnahme der sog. Sonderreserve (3 % der Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate). Ein Antrag auf Zuteilung aus der Sonderreserve muss bis spätestens zum 30. Juni des dritten Jahres der laufenden Handelsperiode gestellt werden. Bei einem verspäteten Antrag besteht kein Anspruch auf Zuteilung kostenloser Zertifikate mehr (Art. 3 f Abs. 2 der RL 2003/87/EG, § 13 Abs. 1 TEHG (Entwurf)). In diesem Fall verbleibt also für Luftfahrzeugbetreiber ggf. nur die Möglichkeit, zusätzliche Zertifikate zu erwerben. 8. Zuteilung der EUAA Die Zuteilung der EUAA erfolgt durch die nationale Behörde (vgl. § 11 Abs. 6 TEHG Entwurf), nachdem die EU-Kommission den Richtwert gemäß Art. 3e Abs. 3 lit. e der RL 2003/87/EG berechnet und per Entscheidung erlassen hat. Hierzu besteht eine 3-Monatsfrist ab Übermittlung des Richtwertes. Da die Richtwertberechnung nicht für jeden Luftfahrzeugbetreiber einzeln, sondern für alle gemeinsam durch die Division der Gesamtzahl der zuzuteilenden Zertifikate durch die Summe der durch alle Luftfahrzeugbetreiber ermittelten ___________ 38
Gesetzentwurf, TEHG, S. 92.
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Tonnenkilometer stattfindet, muss sich etwaiger Rechtsschutz bei zu geringer Zuteilung gegen die nationale Zuteilungsbehörde richten. 9. Versteigerung von EUAA Wie dargestellt (2.), werden die meisten EUAA an Luftfahrzeugbetreiber kostenlos zugeteilt. 15 % der EUAA einer Handelsperiode werden jedoch versteigert. Für die Handelsperiode 2013 bis 2020 kann dieser Prozentsatz jedoch noch erhöht werden (vgl. Art. 3d Abs. 2 der RL 2003/87/EG). Die Versteigerung dieser Zertifikate wird gemäß Art. 3d Abs. 3 Satz 1 durch eine EUVerordnung geregelt. Diese liegt derzeit nur im Entwurf vor. 39 Bis diese Verordnung, wahrscheinlich mit Wirkung zum Jahr 2013, eine EU-weite Regelung für die Versteigerung der EUA und EUAA bietet, gilt in Deutschland die auf dem ZuG 2007 basierende EHVV 2012. 40 Seit Januar 2010 (vgl. § 1 EHVV 2012) werden bereits die EUA der zweiten Handelsperiode versteigert. Mit der Versteigerung von mehr als 40 Mio. EUA (vgl. § 2 Abs. 1 EHVV 2012) wurde die KfW beauftragt, die die Rolle des Anbieters übernimmt. Die Versteigerungen finden 2010 und 2011 wöchentlich an der Leipziger Energiebörse EEX (European Energy Exchange) statt. Unterschieden wird das Spot- und das Termingeschäft. Letzterem unterliegen von Januar bis Oktober 570.000 EUA, die im Dezember des laufenden Jahres zu liefern sind. Spotgeschäfte sind solche, die sofortige Erfüllung erfordern. 41 Als Versteigerungsverfahren ist gemäß § 3 Abs. 4 EHVV 2012 das Einheitspreisverfahren mit einer Bieterrunde vorgeschrieben. Jeder Bieter kann dabei nur sein eigenes Gebot einsehen. Die Versteigerung von EUAA wird erst im Jahr 2012 beginnen.
___________ 39 Hierzu Funke/Ertl, Der Entwurf der EU-Kommission zur Versteigerungsverordnung für CO²-Berechtigungen. 40 Verordnung über die Versteigerung von Emissionsberechtigungen nach dem Zuteilungsgesetz 2012 vom 17.7.2009, BGBl. I, S. 2048. 41 s. zum Vorstehenden den Bericht der DEHSt, Versteigerung von Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2008 bis 2012.
Ausgewählte Entscheidungen zum Luftverkehrsrecht Von Alexander Jannasch
I. Vorbemerkung Die Anreise nach Speyer wird Ihnen vielleicht Gelegenheit gegeben haben, sich auf einige Fragen und Probleme, mit denen das Fachplanungsrecht zurzeit konfrontiert wird, einzustellen. Möglicherweise sind Sie über den Stuttgarter Hauptbahnhof gekommen und haben über die wirklichen oder vermeintlichen Vorzüge einer Tunnellösung sowie die Kapazitäten eines Kopfbahnhofs nachgedacht. Dann ist Ihnen sicher auch die Auseinandersetzung um Notwendigkeit und Nutzen einer Schlichtung oder allgemeiner die Frage der frühzeitigen und wirksamen Partizipation erneut bewusst geworden – über die auf dieser Tagung noch zu diskutieren sein wird. Ziemlich sicher sind Sie jedenfalls in Mannheim umgestiegen, dem Sitz des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, der über das Projekt Stuttgart 21 zu Gericht gesessen hat. 1 Vielleicht hat Sie Ihre Anreise aber über Freiburg und Offenburg geführt. Das Regierungspräsidium Freiburg hat als Anhörungsbehörde den Planfeststellungsantrag der Deutschen Bahn mit der Begründung zurückgesandt, die vorgelegte Planung für die Errichtung eines dritten und vierten Gleises quer durch Offenburg kollidiere in der vorgelegten Form mit geltendem Recht und sei damit nicht genehmigungsfähig. 2 Oder sind Sie aus Norddeutschland angereist und haben über die Hindernisse nachgedacht, die sich der Planung von Trassen für Hochleistungselektrizitätsleitungen entgegenstellen, die benötigt werden, um den von Windenergieanlagen – offshore oder in windhöffigen Lagen an Land – produzierten Strom an die Großverbraucher im Süden der Republik zu bringen? ___________ 1
Urt. vom 6. April 2006 – 5 S 848/05 –, VBlBW 2007, 144 (LS), – 5 S 596/05, UPR 2006,453 und 5 S 847/05 UPR 2006, 454. 2 Pressemitteilung vom 18. Januar 2011; Material unter www.rp-freiburg.de
Alexander Jannasch
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Die wenigsten von Ihnen werden dagegen den Verkehrslandeplatz Speyer genutzt haben. Viele von Ihnen werden ihn nicht einmal kennen. Mit ihm war das Bundesverwaltungsgericht in einem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde befasst. 3
II. Alternativenprüfung bei Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets – Verkehrslandeplatz Speyer Der Verkehrslandeplatz Speyer liegt südlich der B 9 und des TechnikMuseums. Die Start- und Landebahn soll von 1226 auf 1677 m verlängert werden. Damit soll neueren europäischen Standards für die Flugsicherheit Rechnung getragen werden. Der Verkehrslandeplatz dient in erster Linie dem Geschäftsreiseverkehr. Südlich der vorgesehenen verlängerten Piste befinden sich ein Europäisches Vogelschutzgebiet sowie ein FFH-Gebiet – Rheinniederung –. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss im Wesentlichen abgewiesen. 4 Soweit es der Klage stattgegeben und das beklagte Land verpflichtet hat, über den Lärmschutz zur Nachtzeit unter Beachtung seiner Rechtsauffassung erneut zu entscheiden, folgt es der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Insoweit ist eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht erhoben worden. Nach den in der Rechtsprechung zum Abwägungsgebot entwickelten allgemeinen Grundsätzen müssen ernsthaft in Betracht kommende Standortalternativen ermittelt, bewertet und untereinander abgewogen werden 5 . Das gilt für die Landes- und Regionalplanung ebenso wie für die Fachplanung und erstreckt sich auch auf die Möglichkeit, an der gegenwärtigen Verkehrsinfrastruktur im Grundsatz festzuhalten. Die Standortauswahl ist nicht schon dann abwägungsfehlerhaft, wenn sich später herausstellt, dass eine zurückgestellte Alternative ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, durch eigene Ermittlungen und Wertungen ersatzweise zu planen und sich dabei von den Erwägungen einer „besseren“ Planung leiten zu lassen. Ein Abwägungsfehler liegt also nicht schon dann vor, wenn für und gegen den einen wie den anderen Standort einleuchtende Gründe ins Feld geführt werden können. Die Standortwahl ist erst dann rechtswidrig, wenn sich die verworfene Alternative entweder als die eindeutig vorzugswürdige Lösung ___________ 3 Beschl. vom 3. Juni 2010 – 4 B 54.09 – NVwZ 2010, 1289 = UPR 2010, 394 = Buchholz 442.40 § 6 LuftVG. 4 Urt. vom 8. Juli 2009 – 8 C 10399/08 – NuR 2009, 882. 5 Urt. vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 Rn. 98 m.w.N.
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hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist. Die Bewertung der privaten und öffentlichen Belange und ihre Gewichtung im Verhältnis untereinander machen das Wesen der Planung als einer im Kern politischen Entscheidung aus, die gerichtlich nur auf die Einhaltung rechtlicher Schranken hin überprüfbar ist 6 . Dies entspricht auch der Aufgabenverteilung zwischen Exekutive und Gerichtsbarkeit in einer rechtsstaatlichen Demokratie. Im Übrigen werden Planfeststellungsverfahren für größere Infrastrukturvorhaben nicht ohne eine Beteiligung der Parlamente des Bundes und der Länder durchgeführt. Dies ist auch beim Projekt Stuttgart 21 der Fall gewesen. Im Landtag von Baden-Württemberg ist intensiv über dieses Vorhaben debattiert worden. Strengere Maßstäbe gelten, wenn die Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets droht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Begriff der Alternative in Art. 6 Abs. 4 Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie 7 aus der Funktion des durch Art. 4 FFH-RL begründeten Schutzregimes zu verstehen. Er steht in engem Zusammenhang mit den Planungszielen, die mit einem Vorhaben verfolgt werden. Lässt sich das Planungsziel an einem nach dem Schutzkonzept der Habitat-Richtlinie günstigeren Standort oder mit geringerer Eingriffsintensität verwirklichen, so muss der Projektträger von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Ein irgendwie gearteter Gestaltungsspielraum wird ihm nicht eingeräumt. Anders als die fachplanerische Alternativenprüfung ist die FFH-rechtliche Alternativenprüfung nicht Teil einer planerischen Abwägung. Der Behörde ist für den Alternativenvergleich kein Ermessen eingeräumt. Art. 6 Abs. 4 FFH-RL begründet aufgrund seines Ausnahmecharakters ein strikt beachtliches Vermeidungsgebot, das zu Lasten des Integritätsinteresses des durch Art. 4 FFH-RL festgelegten kohärenten Systems nicht bereits durchbrochen werden darf, wenn dies nach dem Muster der Abwägungsregeln des deutschen Planungsrechts vertretbar erscheint, sondern nur beiseite geschoben werden darf, soweit dies mit der Konzeption größtmöglicher Schonung der durch die Habitat-Richtlinie geschützten Rechtsgüter vereinbar ist. Die Anforderungen an den Ausschluss von Alternativen steigen in dem Maß, in dem sie geeignet sind, die Ziele des Vorhabens zu verwirklichen, ohne zu offensichtlichen – ohne vernünftigen Zweifel – unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen ___________ 6
Vgl. BVerwG, Urt. vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 19.94 – BVerwGE 100, 370, 383 f., vom 8. Juni 1995 – BVerwG 4 C 4.94 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 102, S. 31 und vom 14. Februar 1975 – BVerwG 4 C 21.74 – BVerwGE 48, 56, 63 f. 7 Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen – FFH-RL –.
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Alexander Jannasch
zu führen. Entscheidend ist daher, ob zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses die Verwirklichung gerade dieser Alternative verlangen oder ob ihnen auch durch eine andere Alternative genügt werden kann 8 . Eine Ausführungsalternative ist vorzugswürdig, wenn sich mit ihr die Planungsziele mit geringerer Eingriffsintensität verwirklichen lassen 9 . Inwieweit Abstriche von einem Planungsziel hinzunehmen sind, hängt maßgebend von seinem Gewicht und dem Grad seiner Erreichbarkeit im jeweiligen Einzelfall ab 10 . Auch bei einem standortgebundenen Vorhaben, wie dem Ausbau eines vorhandenen Flughafens, ist zu prüfen, ob sich an anderer Stelle eine Alternativlösung anbietet oder gar aufdrängt. Als Alternative sind allerdings nur solche Änderungen anzusehen, die nicht die Identität des Vorhabens berühren. Von einer Alternative kann dann nicht mehr die Rede sein, wenn sie auf ein anderes Projekt hinausläuft, weil die vom Vorhabenträger in zulässiger Weise verfolgten Ziele nicht mehr verwirklicht werden könnten. Zumutbar ist es nur, Abstriche vom Zielerfüllungsgrad in Kauf zu nehmen. Eine planerische Variante, die nicht verwirklicht werden kann, ohne dass selbständige Teilziele, die mit dem Vorhaben verfolgt werden, aufgegeben werden müssen, braucht nicht berücksichtigt zu werden. 11 Eine Standortalternative durch Ausbau eines anderen Flughafens an anderer Stelle ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann anzunehmen, wenn die in Betracht kommenden anderen Flughäfen im Wesentlichen denselben Verkehrsbedarf decken würden 12 . Im Fall des Flughafens Speyer hatte man – ganz vorbildlich – den Suchraum der Alternativenprüfung auf die gesamte, Länder- und Zuständigkeitsgrenzen übergreifende, Metropolregion Rhein-Neckar erstreckt. Daher braucht an dieser Stelle nicht vertieft zu werden, inwieweit eine Pflicht zu derartigem Handeln besteht.
___________ 8
Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rs. C–239/04 – Slg. 2006, I– 10183 Rn. 43, 46. 9 Urt. vom 12. März 2008 – BVerwG 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 Rn. 170 und vom 17. Mai 2002 – BVerwG 4 A 28.01 – BVerwGE 116, 254 (262). 10 Beschl. vom 1. April 2009 – BVerwG 4 B 61.08 – NVwZ 2009, 910 Rn. 62 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 34 (insoweit in Buchholz nicht veröffentlicht) (Flughafen Kassel). 11 Urt. vom 9. Juli 2009 – BVerwG 4 C 12.07 – BVerwGE 134, 166 Rn. 33, vom 13. Dezember 2007 – BVerwG 4 C 9.06 – BVerwGE 130, 83 Rn. 67, vom 17. Januar 2007 – BVerwG 9 A 20.05 – BVerwGE 128, 1 Rn. 143 und vom 15. Januar 2004 – BVerwG 4 A 11.02 – BVerwGE 120, 1 (11); Beschl. vom 16. Juli 2007 – BVerwG 4 B 71.06 – juris Rn. 42. 12 Urt. vom 9. Juli 2009 a.a.O. Rn. 37 und vom 13. Dezember 2007 a.a.O. Rn. 67.
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Dabei hatte sich herausgestellt, dass der Flughafen Mannheim-City im Stadtteil Neuostheim, der von Bebauung und anderen Verkehrsflächen umgeben ist, nicht erweitert werden kann. Auch der Standort Worms scheidet insoweit aus. Damit blieb allein die Frage entscheidungserheblich, ob eine zivile Mitnutzung des von den US-amerikanischen Streitkräften genutzten Flughafens ColemanAirfields in Mannheim-Sandhofen – also ganz im Norden von Mannheim – eine zu berücksichtigende Alternative darstellt. Damit kommen wir zur weiteren Voraussetzung für das Vorliegen einer Standortalternative, nämlich ihrer objektiven Realisierbarkeit. Hierzu hatte das Oberverwaltungsgericht Folgendes festgestellt: Die Planfeststellungsbehörde habe davon ausgehen dürfen, dass eine realistische Möglichkeit zur Verwirklichung eines Ausbaus des Coleman-Airfield in Mannheim-Sandhofen für eine zivile Flugplatzmitbenutzung an diesem Standort in absehbarer Zeit nicht gegeben sei. Es müsse – wenn auch an dem anderen Standort ein Ausbau erforderlich sei – gewährleistet sein, dass überhaupt ein Investor für die Realisierung des Ausbauvorhabens am Alternativstandort zur Verfügung stehe. Für den am Standort Coleman-Airfield erforderlichen Ausbau sei kein Investor in Sicht. Die Begründung des Oberverwaltungsgerichts beschränkte sich jedoch nicht auf das Fehlen eines Vorhabenträgers. Daher kam es nicht darauf an, ob bereits dieser Umstand ausreichen könnte, der behandelten Standortalternative ihre mangelnde Eignung entgegenzuhalten. Dafür könnte sprechen, dass er vor dem Hintergrund der vorhandenen Konkurrenz möglicher Träger 13 auf eine mangelnde wirtschaftliche Realisierbarkeit schließen lässt. Vielmehr begründete das Oberverwaltungsgericht eingehend die Probleme, denen sich ein Vorhabenträger auf dem Weg zur Verwirklichung eines Ausbaus des ColemanAirfield gegenüber sähe. Hierzu zählte es die Investitionskosten, die ein regelkonformer Ausbau der Start- und Landebahn einschließlich der unverzichtbaren Infrastruktureinrichtungen für eine zivile (Mit-)Nutzung erfordern werde. Ferner fehle es an einer konkreten Ausbauplanung. Anders als im Falle des Verkehrslandeplatzes Speyer gebe es keine landesplanerische Entscheidung mit der nach § 6 Abs. 2 Satz 2 LuftVG erforderlichen Feststellung, dass das Ausbauvorhaben den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung entsprechen würde. Es sei auch zweifelhaft, ob eine Konversionsgenehmigung ausreichen werde und ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen werden müsse. Ferner seien die Bedingungen, unter denen die US-Streitkräfte eine zivile Mitbenutzung zulassen würden, sowie etwaige Beschränkungen im Hinblick auf den militärischen Flugverkehr noch offen. Auch die Stadt Mannheim, die nach Ansicht des Klägers als möglicher Investor für einen Ausbau ___________ 13
Vgl. Urt. vom 20. April 2005 – BVerwG 4 C 18.03 – BVerwGE 123, 261 (272).
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des Coleman-Airfield und als Betreibergesellschaft für dessen zivile Mitbenutzung in Betracht käme, habe sich zu dem Ausbau ablehnend geäußert. Das Oberverwaltungsgericht hat seiner Würdigung somit nicht nur das bloße Fehlen eines (konkreten) Projektträgers zugrunde gelegt, sondern hat Unwägbarkeiten und Hindernisse aufgezeigt, die einer zeitnahen Realisierung des Vorhabens am Standort Coleman-Airfield unabhängig von der Person des Investors entgegen stehen, mithin jeden potentiellen Investor treffen. Aus denselben Gründen führte auch die zweite Teilfrage nicht zur Zulassung der Revision. In der Beschwerde war gefragt worden, ob ein Alternativstandort für ein Flughafenausbauvorhaben allein deshalb als unzumutbare Alternative bzw. als anderes Projekt angesehen werden dürfe, weil eine realistische Möglichkeit der Verwirklichung dieses Vorhabens am Alternativstandort innerhalb des Planungshorizonts infolge der absehbaren Dauer eines erst noch einzuleitenden Planungs- beziehungsweise Genehmigungsverfahrens nicht gegeben ist. Auch diese Frage erwies sich jedoch für das Bundesverwaltungsgericht nicht als entscheidungserheblich. Denn nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts fehlt es an einer realistischen Möglichkeit der Verwirklichung des Vorhabens am Alternativstandort innerhalb des Planungshorizonts nicht lediglich infolge der absehbaren Dauer eines erst noch einzuleitenden Planungsbeziehungsweise Genehmigungsverfahrens. Vielmehr stehen – wie dargelegt – der Verwirklichung weitere und gewichtigere Hindernisse entgegen, als lediglich der Zeitablauf für ein Planungs- beziehungsweise Genehmigungsverfahren. Das Oberverwaltungsgericht hebt ausdrücklich hervor, die Zeitverzögerung für die Erstellung der in einem Planfeststellungsverfahren prüffähigen Antragsunterlagen durch einen Investor sei für die Frage der Realisierbarkeit ohne Belang; auch die zu erwartende durchschnittliche Dauer eines Genehmigungs- oder Planfeststellungsverfahrens für sich genommen sieht es nicht als Hindernis an. Daher konnte dahingestellt bleiben, ob eine mit erheblichen baulichen Erweiterungen verbundene erstmalige Umwidmung eines bisher ausschließlich militärisch genutzten Landeplatzes zu einem für die zivile Luftfahrt mitbenutzten Verkehrslandeplatz im Verhältnis zu einer durch neue Sicherheitsregelungen erforderlich gewordenen – geringeren – Erweiterung eines vorhandenen zivilen Verkehrslandeplatzes nicht schon von vornherein unabhängig von der Realisierbarkeit – wie vom Oberverwaltungsgericht angedeutet – ein anderes Projekt darstellt und schon aus diesem Grund als Alternative nicht in Betracht kommt. Der referierte Beschluss vom 3. Juni 2010 behandelt zwei weitere Fragen des europäischen Naturschutzrechts, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. x Zum Vogelschutzgebiet an einer anderen Stelle: Wenn die Erklärung des betreffenden Vogelschutzgebiets im Einklang mit den Anforderungen des
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Europäischen Naturschutzrechts erfolgt ist, steht der Umstand, dass das Bundesland an anderer Stelle ein weiteres Vogelschutzgebiet hätte ausweisen müssen, dem Regimewechsel (Art. 7 FFH-RL) nicht entgegen. x Zum Entgegenhalten eines nicht günstigen Zustands im Artenschutz: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verbietet es, einem Vorhabenträger, durch dessen Vorhaben sich aufgrund der vorgesehenen Schadensvermeidungs- und Kompensationsmaßnahmen der Erhaltungszustand sämtlicher Arten der betroffenen lokalen Population nicht verschlechtern wird, entgegenzuhalten, dass bestimmte Arten sich bundesweit nicht in einem günstigen Zustand befinden. 14
III. Angemessene Entschädigung bei untunlichen Schutzvorkehrungen Nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hat die Planfeststellungsbehörde dem Träger des Vorhabens Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. Eine ähnliche Regelung enthält § 9 Abs. 2 LuftVG. Auf dieser Rechtsgrundlage beruhen die Maßnahmen des aktiven Schallschutzes, also insbesondere Schallschutzwände. Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, so hat der Betroffene nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld. Diese Regelung kommt bei Flughäfen häufiger zum Zuge als bei linienförmigen Infrastruktureinrichtungen wie Straßen und Eisenbahntrassen, da eine Abschirmung durch entsprechende bauliche Anlagen nur eingeschränkt möglich ist. Der Planfeststellungsbeschluss des zuständigen Brandenburger Ministeriums zum Flughafen Berlin-Schönefeld vom 13. August 2004 enthält in seinem verfügenden Teil zahlreiche Auflagen, unter anderem zum Lärmschutz. Einen wichtigen Beitrag zum Lärmschutz – insbesondere zum Schutz der Nacht – leisten Betriebsregelungen. 15 Darum geht es im Folgenden nicht. Passiver Lärmschutz wird durch eine Kombination von Dauerschallpegeln und Maximalpegeln gewährt, bei deren Überschreitung der Flughafenbetreiber näher umschriebene Leistungen zu erbringen hat. Innerhalb des Tag- und Nachtschutzgebiets haben die Träger des Vorhabens auf Antrag des Eigentümers ei___________ 14
Leitsatz aus Buchholz 442.40 § 6 LuftVG. Vgl. hierzu Urt. vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 Rn. 266 ff. sowie den Planergänzungsbeschluss vom 20. Oktober 2009, über den das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2011 verhandeln wird. 15
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nes Grundstücks für geeignete Schallschutzvorrichtungen an den Räumen, im Nachtschutzgebiet einschließlich geeigneter Belüftung, zu sorgen. Im Planfeststellungsbeschluss ist die Geldentschädigung für bestimmte Fallgruppen beschränkt worden. 1. Begrenzung der Geldentschädigung für teure Schallschutzeinrichtungen – 30%-Klausel Die Geldentschädigung wird zum einen in folgender Weise eingeschränkt: Überschreiten die Kosten für Schallschutzeinrichtungen 30 % des Verkehrswertes von Grundstück und Gebäuden mit zu schützenden Räumen, hat der Betroffene einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 30 % des Verkehrswertes. Diese Klausel betrifft Fälle, in denen die Kosten der Schallschutzeinrichtungen im Verhältnis zum Wert des gesamten Grundstücks – nicht nur des Gebäudes – außergewöhnlich hoch sind. In der Praxis kommt dies insbesondere bei schlechter Bausubstanz und bei nicht den normalen Maßstäben an eine Isolierung genügenden Gebäuden vor oder bei Gebäudeteilen, bei denen das normale Schalldämmmaß weder angestrebt noch erreicht wird und deren bauliche Verstärkung nicht ohne weiteres möglich ist oder auf einen Neubau des entsprechenden Gebäudeteils hinausläuft, beispielsweise Wintergärten. Das Bundesverwaltungsgericht hat darauf hingewiesen, dass der Geldausgleich ein Surrogat für Lärmschutzeinrichtungen und nicht als Äquivalent für Maßnahmen konzipiert ist, die einer grundlegenden Gebäudesanierung gleich oder nahe kommen mit der Folge, dass das Gebäude praktisch seine ursprüngliche Identität verlöre. 16 Das Bundesverfassungsgericht ist dieser Auffassung gefolgt. 17 Über die Einzelheiten dieser Entscheidungen habe ich im vergangenen Jahr berichtet. 18 2. Entschädigung beim Übernahmeanspruch Der Planfeststellungsbeschluss sah ferner folgende Beschränkung der Entschädigung bei einem Übernahmeanspruch vor: ___________ 16 Beschl. vom 7. Mai 2008 – 4 A 1009.07 – NVwZ 2008, 1007 = Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 74; Gerichtsbescheid vom 31. August 2009 – 4 A 1008.07 – juris. 17 Beschl. vom 29. Juli 2009 – 1 BvR 1606/08 – NVwZ 2009, 1494. 18 Jannasch, Aktuelle Fragen des Luftverkehrsrechts aus der Sicht der Rechtsprechung, VBlBW 2011, 81, 85 ff.
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„Die Träger des Vorhabens haben auf Antrag des Eigentümers eines innerhalb des Entschädigungsgebietes Übernahmeanspruch gelegenen Grundstückes, das am 15.05.2000 mit Wohngebäuden bebaut oder bebaubar war, eine Entschädigung in Höhe des Verkehrswertes gegen Übereignung des Grundstücks zu leisten. Der Verkehrswert des Grundstücks ist zum Stichtag der Geltendmachung des Anspruchs zu ermitteln.“
Die Kläger in dem zu referierenden Verfahren sind Eigentümer eines Grundstücks im Entschädigungsgebiet Übernahmeanspruch. Die Analyse zur Fluglärmbelastung in der Umgebung des Flughafens Berlin-Schönefeld prognostiziert für ihr Grundstück einen energieäquivalenten Dauerschallpegel von 71,6 dB(A) tags und 65,6 dB(A) nachts sowie eine Überschreitungshäufigkeit des Maximal-Schallpegels von 70 dB(A) während der Nacht von 29,3. Damit liegt das Grundstück in dem Bereich, in dem der prognostizierte Fluglärm nach Inbetriebnahme des Flughafens Berlin-Schönefeld die so genannte 19 verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze überschreiten wird. Diese Zumutbarkeitsgrenze ist im Planfeststellungsbeschluss für die Tagstunden der sechs verkehrsreichsten Monate im Jahr bei einem energieäquivalenten Dauerschallpegel von 70 dB(A) außen gezogen worden. Dies ist nicht zu beanstanden. Nach Ansicht des Beklagten scheiden Schutzvorkehrungen zugunsten der Kläger, welche die Lärmwirkungen auf ein zumutbares Maß beschränken könnten, von vornherein aus. Zwar könnten die Innenräume von Wohngebäuden im Entschädigungsgebiet Übernahmeanspruch durch entsprechende Schallschutzmaßnahmen ausreichend geschützt werden, aber ein Wohnen bei ständig geschlossenen Fenstern und Türen sei unzumutbar. Zum Wohnen gehöre auch eine angemessene Nutzung der Außenwohnanlagen. Der Beklagte geht damit selbst zutreffend von der Untunlichkeit von Schutzvorkehrungen aus, weil es letztlich keine Vorkehrungen gibt, die den Klägern wirksamen und zumutbaren Fluglärmschutz bieten könnten. Zu § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG vertritt der Beklagte zu Recht die Ansicht, dass diese Vorschrift nicht nur eine Entschädigung für die Beeinträchtigung der Außenwohnbereiche, sondern je nach Art und Intensität der Fluglärmimmissionen auch einen Anspruch auf Übernahme betroffener Grundstücke zum Verkehrswert gegen Übertragung des Eigentums einschließe. Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Rechtsstandpunkt bereits in seinem grundlegenden Urteil zum Flughafen Schönefeld vom 16. März 2006 geteilt. 20
___________ 19
Zur Terminologie vgl. Jannasch, a.a.O. S. 87. Urt. vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 Rn. 374 ff., 409. 20
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a) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts In diesem Urteil ist das Bundesverwaltungsgericht auch der Auffassung der Kläger entgegengetreten, im Falle eines Übernahmeanspruchs sei der maßgebliche Stichtag für die Grundstücksbewertung vorzuverlegen. Die vom Bundesgerichtshof zur Enteignungsentschädigung entwickelten Grundsätze ließen sich nicht auf den Anwendungsbereich des § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG übertragen. 21 Der finanzielle Ausgleich, der nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG zu leisten sei, habe eine andere Funktion als die Enteignungsentschädigung. Er trete an die Stelle von Schutzmaßnahmen, die an sich geboten sind, weil das Planvorhaben mit erheblichen Belastungen verbunden ist, nach der gesetzgeberischen Wertung aber nicht getroffen zu werden brauchen, weil sie untunlich oder mit dem Vorhabenzweck unvereinbar sind. Hinter der Vorwirkungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehe die Absicht sicherzustellen, dass der Zustand, in dem sich das Grundstück im Augenblick der Wegnahme befindet, den Bezugspunkt für die Enteignungsentschädigung bildet. Ähnliche Erwägungen seien im Anwendungsbereich des § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG von vornherein fehl am Platz, weil die Regelung an § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG anknüpft. Unter den in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen sind dem Vorhabenträger Schutzvorkehrungen aufzuerlegen. Aus dem Regelungszweck ergebe sich, dass die Schutzeinrichtungen jedenfalls zu dem Zeitpunkt vorhanden sein müssen, zu dem die Anwohner ohne sie den Einwirkungen ausgesetzt wären, die es abzuwehren gilt. Das ist der Tag, an dem die neue oder geänderte Verkehrsanlage in Betrieb genommen wird. 22 In seinem Beschluss vom 2. Juli 2008 23 ist das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, seine Ausführungen in den grundlegenden Urteilen vom 16. März 2006 zum Zeitpunkt der Wertermittlung 24 seien für alle Entschädigungsleistungen maßgeblich, die der Planfeststellungsbeschluss den Trägern des Vorhabens auferlegt. Darunter fielen Entschädigungen für die Beeinträchtigung der Außenwohnbereiche und Entschädigungen in dem Fall, in dem die Kosten für passive Schallschutzeinrichtungen 30 % des Verkehrswertes von Grundstück und Gebäuden mit zu schützenden Räumen überschreiten, ebenso wie Entschädigungen in Gestalt eines Übernahmeanspruchs. Das Bundesverwaltungsgericht hat aus dem Regelungszweck des Entschädigungsanspruchs gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG, nämlich seiner Surrogatfunktion abgeleitet, dass als Stichtag für die Ermittlung des Verkehrswertes frühestens der Erlass des (nach § 10 Abs. 6 Satz 1 LuftVG sofort vollziehbaren) Planfeststellungsbe___________ 21 22 23 24
A.a.O. Rn 412. A.a.O. Rn. 413. 4 A 1025.06 –, NVwZ 2008, 1113. Urt. vom 16. März 2006 – 4 A 1075.04 –, BVerwGE 125, 116 Rn. 408 ff.
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schlusses und spätestens der Zeitpunkt in Betracht komme, zu dem der Flughafen in seiner planfestgestellten Form in Betrieb genommen werde. 25 Der Planfeststellungsbehörde steht bei der Stichtagsregelung ein Gestaltungsspielraum zu. Bei seiner Ausfüllung hat sie die schutzwürdigen Interessen der lärmbetroffenen Grundstückseigentümer und Anwohner einerseits und die der Vorhabenträger andererseits in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Das sind verfassungsrechtliche Vorgaben, welche die Planfeststellungsbehörde bei der Auslegung und Anwendung eigentumsbestimmender Normen (hier: § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg) nicht außer Acht lassen darf. Die Stichtagsregelung des Beklagten – so meinte das Bundesverwaltungsgericht – genügt diesen Anforderungen. Sie knüpft nicht an die Inbetriebnahme des Flughafens an, sondern zugunsten der betroffenen Grundeigentümer an den Zeitpunkt der Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses. Die Betroffenen erleiden hierdurch keine Nachteile. Sie werden im Gegenteil begünstigt, da sie es in der Hand haben, für ihren Entschädigungsantrag den Zeitpunkt zu wählen, der ihnen unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem Grundstücksmarkt günstig erscheint. 26 Eine Vorverlegung des Stichtags in der von den Klägern geforderten Weise ist aus Gründen des Eigentumsschutzes (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht geboten. Vor Abschluss des Planfeststellungsverfahrens lässt sich noch nicht sicher abschätzen, ob das Vorhaben überhaupt so wie geplant und mit allen Konsequenzen, die sich aus der planerischen Konzeption ergeben, in die Tat umgesetzt werden kann und soll. Daher kam es für das Bundesverwaltungsgericht auf die von den Klägern unter Beweis gestellte Behauptung, bei ihrem Grundstück komme es zu einer 50%igen Minderung des Verkehrswertes zwischen 1996 und dem 16. November 2004, nicht an. Zu diesen Daten ist zu erläutern: Am 28. Mai 1996 wurde der so genannte Konsensbeschluss getroffen, mit dem die Bundesländer Berlin und Brandenburg sowie der Bund sich als Gesellschafter der Flughafengesellschaft darauf geeinigt hatten, nunmehr die Planung am Standort Schönefeld voranzutreiben. Allerdings dürfte es in diesem Zusammenhang eher auf den Planfeststellungsantrag ankommen, der am 17. Dezember 1999 gestellt wurde. Am 13. August 2004 ist der Planfeststellungsbeschluss ergangen. Im November 2004 beantragten die Kläger die Übernahme ihres Grundstücks.
___________ 25 26
A.a.O. Rn. 413 bis 415. Urt. vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 Rn. 415.
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b) Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Februar 2010 Das Bundesverfassungsgericht ist dieser Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht gefolgt. In seinem Beschluss vom 23. Februar 2010 27 (der erst am 11. März 2010 und damit nach den Planungsrechtstagen 2010 bekannt gegeben worden ist) hat die 3. Kammer des Bundesverfassungsgerichts den referierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Juli 2008 aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Im Ausgangspunkt geht das Bundesverfassungsgericht in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Fälle, in denen ein Übernahmeanspruch besteht, keine Enteignung darstellen. Auch eine verfassungswidrige Inhaltsbestimmung des Eigentums stellt nicht zugleich eine Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG dar und kann wegen des unterschiedlichen Regelungsgehalts von Inhaltsbestimmung und Enteignung nicht in eine solche umgedeutet werden. Dies entspricht der bisherigen Einordnung. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet auch nicht die Prämisse des Bundesverwaltungsgerichts, wonach sich der von den Beschwerdeführern geltend gemachte Entschädigungsanspruch aus § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG und nicht aus dem Aufopferungsgewohnheitsrecht ergibt. Es ist kein Grund dafür erkennbar, anzunehmen, dass die genannte Vorschrift Einwirkungen jenseits der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle nicht erfassen solle. Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt des Weiteren die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, die Entschädigung nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG als Surrogat für Schutzmaßnahmen nach § 9 Abs. 2 LuftVG in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG anzusehen, die jedenfalls in dem Zeitpunkt vorhanden sein müssen, zu dem die Anwohner ohne sie den Einwirkungen ausgesetzt wären, die es abzuwehren gilt. Auch Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG müssen der verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsstellung und dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung Rechnung tragen. Die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten sind dabei in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Auch insoweit besteht Einigkeit zwischen Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht. Diese Pflicht richtet sich in erster Linie an den Gesetzgeber. Ihm wendet sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss zunächst zu: Der Gesetzgeber muss sich im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten; insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Das Wohl der ___________ 27
1 BvR 2736/08 – NVwZ 2010, 512 = UPR 2010, 227.
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Allgemeinheit ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Belastungen. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weitergehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Der Kernbereich der Eigentumsgarantie darf dabei nicht ausgehöhlt werden. Zu diesem gehört sowohl die Privatnützigkeit, also die Zuordnung des Eigentumsobjekts zu einem Rechtsträger, dem es als Grundlage privater Initiative von Nutzen sein soll, als auch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand. Der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers sind unterschiedliche Schranken gezogen. Hervorzuheben ist: Soweit das Eigentum die persönliche Freiheit des Einzelnen im vermögensrechtlichen Bereich sichert, genießt es einen besonders ausgeprägten Schutz. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens des Pflichtigen bildet und die Grundlage seiner privaten Lebensführung einschließlich seiner Familie darstellt. In solchen Fällen tritt die Aufgabe der Eigentumsgarantie, dem Träger des Grundrechts einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm damit eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen, in den Vordergrund. 28 Demgegenüber ist die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers umso größer, je stärker der soziale Bezug des Eigentumsobjekts ist; hierfür sind dessen Eigenart und Funktion von entscheidender Bedeutung. Es ist dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, eigentumsbeschränkende Maßnahmen, die er im öffentlichen Interesse für geboten hält, auch in Härtefällen durchzusetzen, wenn er durch kompensatorische Vorkehrungen unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Belastungen des Eigentümers vermeidet und schutzwürdigem Vertrauen angemessen Rechnung trägt. Durch einen solchen Ausgleich kann in bestimmten Fallgruppen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer sonst unverhältnismäßigen oder gleichheitswidrigen Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG herbeigeführt werden. Wo ausnahmsweise die Anwendung des Gesetzes zu einer unzumutbaren Belastung des Eigentümers führt, können Ausgleichsregelungen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit und zum Ausgleich gleichheitswidriger Sonderopfer in Betracht kommen. Die Verfassungsmäßigkeit einer Ausgleichsregelung setzt zunächst voraus, dass sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht. Darüber hinaus sind Ausgleichsregelungen unzulänglich, wenn sie sich darauf beschränken, dem Betroffenen einen Ausgleich in Geld zuzubilligen. Die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verlangt, dass in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentums so weit wie möglich vermeiden. Als Instrumente stehen hierfür Übergangsregelungen, ___________ 28
Vgl. BVerfGE 102, 1 (21).
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Ausnahme- und Befreiungsvorschriften sowie der Einsatz sonstiger administrativer und technischer Vorkehrungen zur Verfügung. Ist ein solcher Ausgleich des gleichheitswidrigen Sonderopfers im Einzelfall nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich, kann für diesen Fall ein finanzieller Ausgleich in Betracht kommen oder es kann geboten sein, dem Eigentümer einen Anspruch auf Übernahme durch die öffentliche Hand zum Verkehrswert einzuräumen. Zur Höhe einer Ausgleichsleistung führt das Bundesverfassungsgericht aus, diese orientiere sich grundsätzlich am Wert des abverlangten Guts. Während jedoch bei ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen zugunsten Privater die grundrechtlich relevante Einbuße vollständig zu kompensieren ist, muss der Ausgleichsanspruch bei Inhaltsbeschränkungen und Entziehungen des Eigentums zum Wohl der Allgemeinheit nicht notwendig den Verkehrswert abdecken. Da der Ausgleichsanspruch nur der Kompensation eines gleichheitswidrigen Sonderopfers dient, muss er grundsätzlich auch nur diejenige Belastung ausgleichen, die die von der Sozialgebundenheit gerechtfertigte Belastung des Eigentums übersteigt. Auch bei der nach Art. 14 Abs. 1 GG vorzunehmenden Entscheidung ist die Entschädigung unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Das Abwägungsgebot ermöglicht es dem Gesetzgeber, auf situationsbedingte Besonderheiten des Sachverhalts und die Zeitumstände Rücksicht zu nehmen und damit zu einer im Zeitpunkt der Enteignung gerechten Entschädigung zu kommen. Eine starre, allein am Marktwert orientierte Entschädigung ist somit dem Grundgesetz fremd. Es trifft auch nicht zu, dass den Enteigneten durch die Entschädigung stets das „volle Äquivalent für das Genommene gegeben werden muss“. Der Gesetzgeber kann je nach den Umständen vollen Ersatz, aber auch eine darunter liegende Entschädigung bestimmen. Erweist sich jedoch der Wert des entzogenen Gutes in seiner vollen Höhe als das Äquivalent eigener Leistung des Berechtigten, so ist dessen Interesse an einem vollen Wertausgleich im Allgemeinen so gewichtig, dass das Allgemeininteresse an einer möglichst niedrigen Entschädigung zurückzutreten hat. Neben dem Gedanken der „Leistungsäquivalenz“ stellt der Grundsatz des „Sozialbindungsabzugs“ ein weiteres mögliches verfassungslegitimes Kriterium der Entschädigungsreduktion dar. Die starre Fixierung auf die Verkehrswertentschädigung beruht auf der Unterstellung des „Alles-oder-Nichts-Prinzips“, das dem Regelungssystem des Art. 14 GG nicht gerecht wird. Sie übersieht, dass Wertminderungen bis zu einem gewissen Grade von Eigentümern als entschädigungsfreie Sozialbindung hingenommen werden müssen. Daher kann eine Enteignungsentschädigung als „gerecht“ im Sinne von Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG angesehen werden, die jene möglichen oder fiktiven Wertreduzierungen durch entschädigungsfreie Sozialbindungen in Anrechnung bringt.
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Wendet man den Blick auf die Anwendung durch die Verwaltung, so folgt daraus: Diese Vorgaben sind auch bei der Gesetzesanwendung durch die Verwaltung zu berücksichtigen, insbesondere wenn die Verwaltung einen Spielraum bei der Anwendung eigentumsbestimmender Normen hat. 29 Auch ein luftverkehrsrechtlicher Planfeststellungsbeschluss sowie die diesen kontrollierende Gerichtsentscheidung sind an den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen. 30 Dabei ist vorliegend davon auszugehen, dass die durch den Planfeststellungsbeschluss bewirkte Inhalts- und Schrankenbestimmung dem Wohl der Allgemeinheit dient. Denn der geplante Flughafen ist dem allgemeinen Verkehr gewidmet. In Anwendung dieser Maßstäbe gelangt das Bundesverfassungsgericht vorliegend zu einem Verstoß gegen das in Art. 14 Abs. 1 GG verankerte Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Interessen der Beschwerdeführer und die Gemeinwohlinteressen seien fehlerhaft gewichtet und daher nicht in einen angemessenen Ausgleich gebracht worden. Zwar schützt Art. 14 Abs. 1 GG das Grundeigentum der Anwohner des geplanten Flughafens nicht vor jedem Wertverlust durch Planungen. Eine Minderung der Wirtschaftlichkeit ist grundsätzlich ebenso hinzunehmen wie eine Verschlechterung der Verwertungsaussichten. 31 Jedoch übersieht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, dass der Eigentumsgarantie bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken besonderes Gewicht zukommt, soweit das Eigentum die persönliche Freiheit des Einzelnen im vermögensrechtlichen Bereich sichert. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens des Pflichtigen bildet und die Grundlage seiner privaten Lebensführung einschließlich seiner Familie darstellt. In solchen Fällen tritt die Aufgabe der Eigentumsgarantie, dem Träger des Grundrechts einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm damit eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen, in den Vordergrund. 32 Demgegenüber müssen die ebenfalls von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Interessen der Vorhabensträger an der Nutzung des Flughafens, die durch die auf § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG gestützte Entschädigungsauflage beschränkt werden, zurücktreten, wenn die Betroffenen aufgrund der Festlegung des Stichtags für die zu zahlende Entschädigung nicht mehr in der Lage sind, sich ein adä___________ 29
Vgl. BVerfGE 53, 352 (357 f.); 68, 361 (372). Vgl. Beschl. der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. Februar 2008 – 1 BvR 2722/06 –, juris Rn. 54. 31 Vgl. BVerfGE 38, 348 (371); 39, 210 (237); 105, 252 (277 f.). 32 Vgl. BVerfGE 102, 1 (21). 30
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quates Wohngrundstück für sich und ihre Familie leisten zu können. Dabei mag zwar – je nach den Umständen des Einzelfalls – ein gewisser Grundstückswertverlust aufgrund des geplanten Flughafens als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums hinzunehmen sein. Die Beschwerdeführer haben hier jedoch eine Verkehrswertminderung im Ausmaß von 50 bis 60 % geltend gemacht. Von diesem Ausmaß der Verkehrswertminderung war im Verfassungsbeschwerdeverfahren auszugehen, weil sie so vom Bundesverwaltungsgericht, das diesbezüglich auf eine Beweisaufnahme verzichtet hat, im Beschluss vom 2. Juli 2008 unterstellt worden ist. Eine solche Verkehrswertminderung würde hier die wegen der Sozialbindung der Eigentumsgarantie hinzunehmende Verkehrswertminderung übersteigen. Den Eigentümern von im Entschädigungsgebiet „Übernahmeanspruch“ gelegenen Grundstücken bleibt nämlich aufgrund der Unzumutbarkeit der Lärmbelastung faktisch gar nichts anderes übrig, als ihr Eigentum aufzugeben und sich eine Ersatzwohnung zu beschaffen. Dieser Zwang zur Ersatzbeschaffung wird nicht dadurch genommen, dass das Hausgrundstück möglicherweise zu anderen als zu Wohnzwecken noch genutzt werden könnte. Soweit die Bevollmächtigten des Beklagten und der Beigeladenen des Ausgangsverfahrens darauf hinweisen, die Grundstücke im Einzugsbereich des Flughafens könnten mit Blick auf eine gewerbliche Nutzung möglicherweise eine Wertsteigerung erfahren, ändert dies nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts – abgesehen von der Ungewissheit einer solchen Entwicklung – nichts daran, dass eine Wohnnutzung weiter nicht zumutbar ist. Sollten die vom Übernahmeanspruch erfassten Grundstücke aufgrund des Planfeststellungsbeschlusses eine solche Wertsteigerung erfahren, könne dies auf andere Weise berücksichtigt werden. Im Fall der von den Beschwerdeführern geforderten Anwendung der Grundsätze der enteignungsrechtlichen Vorwirkung käme eine solche Wertsteigerung jedenfalls nicht den Beschwerdeführern, sondern dem Übernahmeverpflichteten zugute. Das Bundesverfassungsgericht hält es auch nicht für verfassungsrechtlich ausgeschlossen, trotz des Surrogatcharakters des Entschädigungsanspruchs hinsichtlich der bloßen Ermittlung der Höhe der Entschädigung auf einen früheren Zeitpunkt als den Erlass des Planfeststellungsbeschlusses abzustellen und auf den Entschädigungsanspruch aus § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG den enteignungsrechtlichen Grundsatz der Vorwirkung anzuwenden. 33 Dabei weist es darauf hin, dass die Frage des im Rahmen von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG maßgeblichen Zeitpunkts der Wertermittlung erstmals in diesen Verfahren entschieden worden sei und das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsgedanken des Enteignungsrechts jedenfalls auch für die Beurteilung der Angemessenheit einer ___________ 33
Vgl. insoweit auch § 8 Abs. 2 FluglSchG.
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Übernahmeentschädigung nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG dem Grundsatz nach selbst anwende. Dabei verweist das Bundesverfassungsgericht auf einen vom Bundesverwaltungsgericht im Juni 2007 entschiedenen Fall. Dort ging es um die besondere Situation eines Übernahmeanspruchs bei einem Gartenbaubetrieb, der mit einem Wohnhaus verbunden ist. Allerdings hatte die Planfeststellungsbehörde dort selbst angeordnet, dass bei Vorliegen eines Übernahmeanspruchs eine Entschädigung nach den Regelungen des Enteignungsrechts gegen Übereignung des Grundstücks zu leisten sei. 34 Auch wenn eine Anwendung der Grundsätze der enteignungsrechtlichen Vorwirkung auf die Ermittlung der Entschädigungshöhe nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG bejaht wird, bleibt der Anspruch ein Kompensationsanspruch für eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Daher könnte auch in diesem Fall in Übereinstimmung mit Art. 14 Abs. 1 GG die aufgrund der Sozialbindung zumutbare Belastung aufgrund einer entsprechenden Regelung im Planfeststellungsbeschluss in Abzug gebracht werden. Das Bundesverfassungsgericht hat den Fall an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat bei den Beteiligten eine außergerichtliche Einigung angeregt, bei der den Klägern eine Übernahmeentschädigung gezahlt wird, die es ihnen ermöglicht, wieder ein angemessenes Wohnhaus zu erwerben. Inzwischen konnte das Verfahren zum Ruhen gebracht werden, da die Verhandlungen zwischen den Klägern und der Beigeladenen zu konkreten Ergebnissen geführt haben und nur noch die gebotenen Formalia abzuwickeln sind. Eine grundlegende Aufarbeitung, die auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Vorwirkung einzubeziehen hätte, 35 bleibt somit noch zu leisten.
___________ 34
Rn. 6.
BVerwG, Urt. vom 27. Juni 2007 – BVerwG 4 A 2004.05 –, NVwZ 2007, S. 1308
35 Der BGH hat im Verfahren der Verfassungsbeschwerde eine ausführliche Stellungnahme abgegeben, die das BVerfG in seinem Beschluss eingehend referiert (unter I.4.c, juris Rn. 25-32). Die dort genannte Rechtsprechung des BGH kann an dieser Stelle nicht weiter behandelt werden. Vgl. auch die Anmerkung von Siegfried de Witt DVBl. 2010, 661.
Das Urheberrecht in der Fachplanung 1 Von Winfried Bullinger und Josef-Walter Kirchberg Landes- und Oberlandesgericht Stuttgart haben sich 2010 mit der Rechtsfrage beschäftigt, ob der eisenbahnrechtlich planfestgestellte, also zugelassene Abbruch eines Teils des Stuttgarter Hauptbahnhofs das Urheberrecht der Erben des Architekten verletzt hat 2 . Bei großen Infrastrukturvorhaben, die einer planfeststellungsrechtlichen Entscheidung unterworfen sind, ist vor allem in städtischen Bereichen der Eingriff in Gebäude nicht selten. Dabei kommt insbesondere bei denkmalgeschützten Gebäuden nicht immer der Abriss, sonder häufig nur eine bauliche Änderung in Frage. Bei Gebäuden, die einen Urheberrechtsschutz für sich in Anspruch nehmen können, stellt sich die Frage nach der Bedeutung des Urheberrechts für die fachplanerische Entscheidung. Muss der Urheber eines Werks seine Rechte im öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren geltend machen oder kann er damit warten bis der Eingriff in das Werk unmittelbar bevorsteht? Müssen die zuständigen Genehmigungsbehörden das Urheberrecht abwägen und welche Kriterien gelten dabei? Kann ein Zivilgericht nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses überhaupt noch entscheiden? Ist es an den Verwaltungsakt „Planfeststellungsbeschluss“ gebunden? Auf diese Fragen und die konkreten urheberrechtlichen Rahmenbedingungen geht unser Beitrag ein.
I. Fachplanungsrechtliche Fragen Im Planfeststellungsverfahren nach §§ 72 ff. VwVfG wird die Zulässigkeit des beantragten Vorhabens im Hinblick auf alle vom Planfeststellungsverfahren berührten öffentlichen Belange geprüft (§ 75 Abs. 1 VwVfG). Alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den ___________ 1 Der Beitrag folgt dem Manuskript der Verfasser für deren Vortrag bei den 13. Speyerer Planungsrechtstagen 2011. 2 LG Stuttgart, Urt. vom 20.5.2010, 17 O 42/10, KuR 2010,180; ZUM_RD 2010, 491; OLG Stuttgart, Urt. vom 6.10.2010, 4 U 106/10, KuR 2010, 195; GRUR-RR 2011, 56; ZUM 2011, 173; DVBl. 2011, 440.
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vom Plan Betroffenen werden rechtsgestaltend geregelt. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses sind Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen (§ 75 Abs. 2 VwVfG). 1.1. Die Gestaltungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses schafft die rechtlichen Voraussetzungen für eine Reihe von Eingriffen in private Rechtspositionen. Am bedeutsamsten ist die sogenannte Enteignungsvorwirkung 3 . Den Vorhabenträgern werden private Rechte zwar nicht unmittelbar zugeordnet, sie werden im Planfeststellungsbeschluss aber dem Grunde nach berechtigt, in das private Grundstückseigentum und in die Nutzungsrechte der Pächter und Mieter einzugreifen. Die Enteignungsbehörden können die im Planfeststellungsbeschluss zugelassenen Eingriffe nicht mehr in Frage stellen. Sie sind an die Zulassungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde gebunden (vgl. u.a. § 22 Abs. 1 Satz 2 AEG). Die Zulassung bindet nicht nur im Enteignungsverfahren, sondern gilt unverändert in den Rechtsbehelfsverfahren zur Enteignung. Auch die für die Enteignungsfragen zuständigen Gerichte sind gebunden. Der Eigentümer kann den Eintritt ihm negativer Rechtsfolgen nur vermeiden, wenn er rechtzeitig Einwendungen gegen den beantragten Eingriff erhebt (vgl. § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG). Der Planfeststellungsbeschluss begründet auch eine sog. Duldungswirkung (vgl. § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung oder Änderung der Anlage sind ausgeschlossen. Damit kommt dem Planfeststellungsbeschluss privatrechtsgestaltende Wirkung zu. 4 1.2. Erfassen die Gestaltungs- und Duldungswirkung auch das Urheberrecht? Dieses ist ein höchstpersönliches Recht, das an eine natürliche Person gebunden ist und über deren Tod hinaus nicht von ihr getrennt werden kann. Allerdings sind die Erben berechtigt, die Urheberrechte des verstorbenen Erblassers für sich zu reklamieren. Sonst ist das Urheberrecht, anders als beispielsweise ein Grundstück, nicht veräußer- und verfügbar. Wegen dieses besonderen Charakters stellt sich die Frage, ob es im Planfeststellungsverfahren überhaupt gestaltbar ist, also der fachplanungsrechtlichen Gestaltungs- und Duldungswirkung unterworfen wird? 1.2.1. Wir vertreten die Auffassung, dass der besondere Rechtscharakter des Urheberrechts seiner fachplanungsrechtlichen Regelung nicht entgegensteht. Die auf private Rechte durchgreifende Duldungspflicht des § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG gilt auch für das Urheberrecht. Die Gestaltungswirkung erfasst nicht nur solche Rechte Privater, die einer klassischen Enteignung zugänglich ___________ 3
Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 75 Rn. 14. Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl., § 75 Rn. 62. 4
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sind. So kann ein Planfeststellungsbeschluss auf die menschliche Gesundheit, ein ebenfalls höchstpersönliches Gut, einwirken. Den Betroffenen werden bis zur Grenze der Gesundheitsgefahr Lärmbelastungen zugemutet. 5 Sie müssen sich mit aktiven oder auch nur passiven Lärmschutzmaßnahmen zufrieden geben, ja gegebenenfalls auch Entschädigungen hinnehmen, wenn der Außenwohnbereich so stark betroffen ist, dass er nicht mehr ungehindert genutzt werden kann. 1.2.2. Das Eigentum kann bei Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots unbestritten soweit beeinträchtigt werden, dass der Eigentümer den Abbruch eines Gebäudes hinnehmen muss. Auch das Urheberrecht kann die Zerstörung eines Werkes nicht verbieten 6 . Der Urheber kann nur gestaltende Eingriffe in sein Urheberrecht verhindern. Da der Vorhabenträger berechtigt werden kann, ein urheberrechtlich geschütztes Werk abzubrechen, ist es zumindest insoweit der fachplanungsrechtlichen Abwägung zugänglich. Dann ist aber auch nicht einsichtig, dass der Urheber – wie der Eigentümer – nicht einen die Zerstörung vermeidenden, verhältnismäßigeren Eingriff in sein urheberrechtlich geschütztes Werk hinnehmen muss, wenn das Interesse des Vorhabenträgers sich in der fachplanungsrechtlichen Abwägung gegen die Urheberinteressen durchsetzen kann. 1.3. Zweifel an dieser Auffassung werden aus einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts abgeleitet 7 . Vor dem Bundesverwaltungsgericht hatte die Nichtzulassungsbeschwerde eines Architekten gegen ein Berufungsurteil keinen Erfolg, das die auf Urheberrechte gestützten Klage der Architekten abgewiesen hatte. 1.3.1. Der Architekt hatte beklagt, dass die von ihm im Auftrag des Vorhabenträgers geplante Gestaltung des Nordportals des Elbtunnels nicht verwirklicht wurde. Eine Vielzahl von Einwendungen gegen diese Planung hatte die Planfeststellungsbehörde veranlasst, den Plan nur mit deutlichen Veränderungen zuzulassen. In der Klage hatte der Architekt sich vorrangig auf sein Urheberrecht bezogen. 1.3.2. Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die Rechte eines mit einer öffentlichen Planung beauftragten Architekten aus dem mit ihm abgeschlossenen Architektenvertrag und aus dem Urheberrechtsgesetz im Planfeststellungsverfahren als Anknüpfungspunkt für einen Aufhebungs- oder Änderungsanspruch von vornherein ausscheidet. ___________ 5
Vallendar, in: Hermes/Sellner, Beck’scher AEG-Kommentar § 18 Rn. 115, 175 m.w.N. 6 Vgl. dazu nachstehend 2. 7 BVerwG, Beschl. vom 17.12.1993 – 4 B 200/93 –, NVwZ 1994, 682.
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1.4. Diese Entscheidung wird als Beleg für die These gesehen, im Planfeststellungsrecht könnten Urheberrechte nicht gestaltet bzw. nicht der Duldungspflicht unterworfen werden. 1.4.1. Diese weitgehende Interpretation der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist keinesfalls zwingend. Der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat zutreffend betont, dass der Planfeststellungsbeschluss nur in den durch das Planfeststellungsrecht gezogenen Grenzen auf die Gestaltung der privaten Rechtsbeziehungen des Vorhabenträgers einwirkt. Ansprüche von Privatrechtsinhabern, die auf im Vorfeld der Planfeststellung getroffenen Vereinbarungen beruhen, sollen unberührt bleiben. Der Vorhabenträger könne durch den Planfeststellungsbeschluss private Rechte oder Befugnisse, die er schon inne hat, auch dann nicht durch die Planfeststellung zugewiesen erhalten, wenn er sie benötige, um das von ihm beabsichtigte Vorhaben überhaupt verwirklichen zu können. 1.4.2. Diese Entscheidung behandelt keinen Sonderfall. Sie macht deutlich, dass die Planfeststellung dem Vorhabenträger keine privaten Rechte gestaltet, die der Vorhabenträger mit ihm zur Verfügung stehenden Rechten selbst gestalten kann. 8 So ist der Vorhabenträger als Eigentümer einer Baufläche beispielsweise gezwungen, den Pächter einer im Eigentum des Vorhabenträgers stehenden Fläche mit einer rechtswirksamen Kündigung zur Räumung zu zwingen. Eine Enteignung des Pachtrechts kommt in diesen Fällen regelmäßig nicht in Frage. Die Nutzung der dem Vorhabenträger zustehenden privaten Rechte ist jedenfalls im Regelfall ein gegenüber einer Enteignung verhältnismäßigeres Mittel zur Durchsetzung des Flächenzugriffs. 1.4.3. Es entspricht daher auch dem Verhältnismäßigkeitsgebot, einen Vorhabenträger darauf zu verweisen, seinen Architekten mit Mitteln des Vertragsrechts zur Änderung seiner urheberrechtlich geschützten Planung zu veranlassen. 1.5. Daraus folgt andererseits, dass das Fachplanungsrecht Gestaltungsrechte anbieten kann und muss, wenn dem Vorhabenträger eigene „vertragliche“ Gestaltungsmöglichkeiten zur Durchsetzung des notwendigen Eingriffes nicht zur Verfügung stehen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Einwender gegen das Vorhaben allein gesetzlich begründete Rechte vorbringt, also keine vertraglichen Ansprüche bestehen. Zu den allein gesetzlich begründeten Ansprüchen gehören die Urheberrechte des Erben eines Urhebers. 1.5.1. Landes- und Oberlandesgericht Stuttgart haben im Rahmen der Urheberrechtsstreitigkeit zum Hauptbahnhof Stuttgart 21 die Frage nach der Ge___________ 8
Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl., § 75 VwVfG Rn. 62.
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staltungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses dahinstehen lassen. Das Landgericht hat ausgeführt, der urheberrechtliche Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz sei ein zivilrechtlich begründeter Anspruch, für dessen Bewertung Zivilgerichte und nicht die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Es sieht keine Möglichkeit, dass der betreffende Kläger seinen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch im Rahmen einer verwaltungsrechtlichen Anfechtungsklage durchsetzen kann. 9 Gegen diese Sicht spricht, dass die klassischen zivilrechtlichen Abwehransprüche gegen Lärm und gegen andere Einwirkungen im Planfeststellungsverfahren entschieden werden. Dass ein Betroffener seine insoweit bestehenden Rechte im Rahmen einer Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht geltend machen kann und sachgerecht entschieden erhält, steht außer Frage. Weshalb das bei urheberrechtlichen Fragestellungen anders sein soll, ist nicht ersichtlich. 1.5.2. Auch das Oberlandesgericht Stuttgart hat offen gelassen, ob der Planfeststellungsbeschluss die Geltendmachung der Urheberrechte verhindert. Eine abschließende Entscheidung über die Gestaltungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses und damit den Ausschluss einer zivilrechtlichen Klage wollte es nicht treffen, da es die Berufung aus anderen Gründen zurückweisen konnte. 10 1.6. Als Zwischenergebnis möchten wir die Überzeugung betonen, dass urheberrechtliche Belange zum Abwägungsprogramm der Planfeststellung gehören. Ebenso wie im Planfeststellungsverfahren die Eingriffe in das Eigentum, in das Recht auf Gesundheit und andere höchstpersönliche Rechte abgewogen werden, unterliegt auch ein Eingriff in Urheberrechte der Abwägung der Interessen des Vorhabenträgers und der berechtigten Urheber sowie aller sonst betroffenen Belange. Nur dann, wenn der Vorhabenträger zivilrechtlich auf Grund einer eigenen vertraglichen Rechtsbeziehung zum Urheber auf ihn Einfluss nehmen kann oder nehmen könnte, sind ihm die Möglichkeiten des Planfeststellungsrechts versperrt. Umgekehrt ist der Urheber gehalten, seine Urheberrechte im Planfeststellungsverfahren geltend zu machen. Auch ihn trifft die im Fachplanungsrecht regelmäßig vorgegebene Ausschlusswirkung. Lässt er also die Einwendungsfrist ungenutzt verstreichen, kann er seine Urheberrechte auch in der Folgezeit nicht mehr geltend machen.
___________ 9
LG Stuttgart, Urt. vom 20.5.2010, 17 O 42/10, KuR 2010, 180; ZUM_RD 2010,
491. 10 OLG Stuttgart, Urt. vom 6.10.2010, 4 U 106/10, KuR 2010, 195; GRUR-RR 2011, 56; ZUM 2011, 173; DVBl. 2011, 440.
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II. Die urheberrechtlichen Fragen Im Urheberrecht gibt es für bestehende Werke ein sog. Änderungsverbot (§§ 14, 39 UrhG). Dieses gilt aber nicht vorbehaltlos. Nach der ständigen Rechtsprechung und dem übereinstimmenden Stand der Wissenschaft ist bei Werkänderungen eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Eigentümers oder Nutzungsberechtigten einerseits und den Interessen des Inhabers des Urheberrechts andererseits vorzunehmen. Das Gesetz sieht die Interessenabwägung sowohl innerhalb von § 14 UrhG als auch innerhalb von § 39 UrhG vor. Der Bundesgerichtshof spricht von einer Gesamtschau der änderungsrelevanten Vorschriften und von einer einheitlich vorzunehmenden Interessenabwägung. 11 Eine Veränderung oder Beeinträchtigung des urheberrechtlich geschützten Werks reicht danach für sich genommen gerade nicht aus, um das urheberrechtliche Verbotsrecht auszulösen. Das Landgericht wie auch das Oberlandesgericht Stuttgart haben daher den entscheidenden rechtlichen Gesichtspunkt des Rechtsstreits um den Stuttgarter Hauptbahnhof in der Prüfung Interessenabwägung gesehen. Für die Interessenabwägung gibt es eine Vielzahl an zu berücksichtigenden Kriterien, wobei jeweils die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind. 2.1. Zunächst sind die Gestaltungshöhe und die Eingriffsintensität zu betrachten. Je höher der Schöpfungsgrad und je intensiver Art und Ausmaß des Eingriffs sind, desto höher sind die Erhaltungsinteressen des Urhebers zu gewichten. Das Landes- und Oberlandesgericht Stuttgart sahen in dem Stuttgarter Hauptbahnhof ein urheberrechtlich geschütztes Bauwerk von hohem Rang, in das erheblich eingegriffen wird. 2.2. Bei der Abwägung spielen auch Art und Funktion des Bauwerks eine Rolle. Die Stuttgarter Gerichte haben daher die Modernisierungsinteressen des Bahnhof-Eigentümers berücksichtigt, da es sich um einen Zweck- und Verkehrsbau handelte. Dies überzeugt. Änderungen des Gebrauchszwecks und die sog. Modernisierung gehören begrifflich zusammen. Das Urheberrecht darf nicht dazu führen, Bauwerke vom technischen Fortschritt auszuschließen. 12 Ein Architekt muss vielmehr solche Änderungen nach Treu und Glauben dulden, die zur Erhaltung oder Verbesserung des Gebrauchszwecks erforderlich sind, wie z.B. die Anpassung an neue Bauvorschriften, Materialien und veränderte Bedürfnisse oder die technische Modernisierung. 13 Um die Anpassung an veränderte Bedürfnisse der Gegenwart und die technische Modernisierung mit ___________ 11 12 13
476 f.
BGH GRUR 1999, 230 – Wendeltreppe. Goldmann GRUR 2005, 639, 643. Fromm/Nordemann, UrhR, 10. Aufl. 2008, § 14 Rn. 71; Nahme GRUR 1966, 474,
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dem Ziel der Verbesserung des Gebrauchszwecks ging es beim Stuttgarter Hauptbahnhof. Denn Gegenstand des Rechtsstreits ist der Umbau und die Modernisierung eines vor rund 100 Jahren entlang der damaligen Bedürfnisse geplanten Bahnhofs und dessen Integration in die neue Anlage. Es geht nicht um Zeitgeschmack, es geht um die Infrastruktur für den Großraum Stuttgart. Die Änderungen erfolgen allein aus technisch-funktionalen Gründen. Es geht um die Anpassung des Bahnhofs an eine veränderte Nutzungsform und nicht um Moden. Bloße ästhetische und geschmackliche Gründe für eine Änderung sind urheberrechtlich nämlich unbeachtlich. 2.3. Häufig wird die geplante Änderung nicht die einzige bautechnische Möglichkeit zur Lösung der auftretenden Probleme sein. Dennoch besteht keine gerichtliche Pflicht zur Prüfung von weniger einschneidenden Planungsalternativen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung „Schulerweiterung“ 14 ausdrücklich hervorgehoben, dass es nicht die Aufgabe des Gerichts sei, im Rahmen der Interessenabwägung zu prüfen, ob andere mögliche Abänderungen des Bauherrn zu einer geringeren Beeinträchtigung der Urheberinteressen geführt hätten. Für die Interessenabwägung entscheidend ist nach Auffassung des Bundesgerichthofs die konkrete Planung des Bauherrn. Im Rahmen der Interessenabwägung geht es darum zu prüfen, ob die konkret geplanten Änderungen an dem von dem Urheber geschaffenen Werk diesem zuzumuten sind. Ausdrücklich stellt der Bundesgerichtshof 15 fest: „Ob daneben noch andere, den Urheber gegebenenfalls weniger beeinträchtigende Lösungen denkbar sind, ist hierfür nicht von entscheidender Bedeutung.“
Gegenstand der Interessenabwägung ist folglich nur die gewählte Planungsvariante. Das Gericht hat nicht zu prüfen, ob andere Planungsalternativen bestehen, die für das Urheberrecht schonender sind. Unzutreffend ist insbesondere die Auffassung, dass das Gericht nur dann keine Planungsalternativen zu prüfen habe, wenn der Eingriff gemäß dem Plan des Bauherrn für den Urheber zumutbar ist. Es ist nicht richtig, dass der Bundesgerichtshof so zu verstehen ist, dass das Gericht nach Planungsalternativen für den Bauherrn Ausschau halten kann, wenn die konkrete Planung für den Urheber unzumutbar ist. Gelangt das Gericht bei seiner konkreten Interessenabwägung zum Vorrang der Urheberinteressen, sieht es also eine Änderung als unzumutbar an, spricht das Gericht eine Untersagung der Maßnahme aus. So hat der Bundesgerichtshof beispielsweise in der „Treppenhaus“-Entscheidung den Vorrang der Urheberinteressen angenommen und in der rein ästhetischen Umgestaltung des Treppenhauses durch Einfügung von Zutaten durch einen anderen Architekten ___________ 14 15
GRUR 1974, 675. GRUR 1974, 675, 678.
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eine Urheberrechtsverletzung angenommen. 16 Der Bundesgerichtshof hat einen Eingriff in eine vorhandene Architektur geprüft. Auch bei dem vorbeugenden Unterlassungsanspruch hat das Gericht die Maßnahme seiner Beurteilung so zugrunde zu legen, wie der Bauherr sie geplant hat. Für die urheberpersönlichkeitsrechtliche Beurteilung spielt es keine Rolle, ob es einen Entwurf oder eine Vielzahl von Entwürfen gegeben hat. 2.4. Auch wirtschaftliche Gesichtspunkte können zu Gunsten einer Partei zu berücksichtigen sein. 17 Die Entstehung ganz unverhältnismäßig hoher Kosten braucht der Eigentümer nicht hinzunehmen, um die Interessen des Urhebers zu wahren. 18 Bei der wirtschaftlichen Betrachtung sind die Folgen zu untersuchen, die ein Verbot der geplanten Änderung für den Fortgang des Projekts hätte. 2.5. Die Interessen der Allgemeinheit, z.B. an einer modernen Verkehrsinfrastruktur, können bei der Abwägung ebenfalls relevant werden. So ist es von Bedeutung, dass eine Bahnhofsanlage dem allgemeinen Verkehr dient und damit einen öffentlichen Zweck erfüllt. Für den Eigentümer spricht es, wenn die geplanten Änderungen eine angemessene Infrastruktur für die Bürger sicherstellen sollen. Nach Art. 87e Abs. 4 S. 1 GG muss der Bund beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Verkehrsbedürfnisse, gewährleisten. Dieser Gewährleistungsauftrag kann durch ein Projekt wie den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs umgesetzt werden. Denn dadurch soll für die Allgemeinheit eine Bahnhofsanlage geschaffen werden, die den modernen Verkehrsanforderungen gerecht wird und die dem Aufbau des internationalen Schienennetzes genügt. Für die Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit spricht die Entscheidung „Schulerweiterung“ des Bundesgerichtshofs, 19 in der wörtlich ausgeführt wird: „Den Interessen des Schulträgers und der Öffentlichkeit an einer im Rahmen des Gebrauchszwecks liegenden und durch ihn bedingten Schulbauerweiterung mit möglichst geringem Kostenaufwand müsse daher der Vorrang vor dem Interesse des Kl. an einer unveränderten Beibehaltung des bestehenden Bauwerks zugebilligt werden.“
2.6. Ob auch städtebauliche Erwägungen zu berücksichtigen sind, ist unklar. Für eine Berücksichtigung könnte es sprechen, wenn der Eigentümer als Teil der öffentlichen Infrastruktur städtebauliche und sonstige kommunale Belange ___________ 16
BGH GRUR 1999, 230, 231 f. OLG Frankfurt NJW 1976, 677, 679 – Götterdämmerung; Goldmann GRUR 2005, 639, 643. 18 Fromm/Nordemann, UrhR, 10. Aufl. 2008, § 14 Rn. 73 mit Verweis auf LG Berlin Schulze LGZ 65, 6 – Rathaus Friedenau, wo im Jahre 1953 Mehrkosten von DM 80.000,00 als unverhältnismäßig hoch angesehen wurden. 19 GRUR 1974, 675, 677. 17
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berücksichtigen muss. Das Oberlandesgericht Stuttgart verneinte dies allerdings, da keine originären Eigeninteressen des Eigentümers betroffen seien. 2.7. Eine Verblassung des Urheberpersönlichkeitsrechts durch Zeitablauf ist zu berücksichtigen. Machen Rechtsnachfolger vom Recht aus § 14 UrhG Gebrauch, sind allein die Interessen des Urhebers maßgeblich. 20 Die eigenen Belange des Rechtsnachfolgers spielen also keine Rolle. Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen der Interessenabwägung beispielsweise zu Gunsten des Eigentümers zu berücksichtigen, dass der Urheber bereits vor mehr als fünfzig Jahren verstorben ist. Denn die persönlichen und ideellen Interessen des Urhebers an seinem Werk verlieren mit zunehmendem zeitlichen Abstand vom Tod des Urhebers an Bindekraft und müssen hinter die Belange des Eigentümers zurücktreten – insbesondere dann, wenn der Tod des Urhebers bereits Jahrzehnte zurückliegt. 21 Dieser Grundsatz, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht Jahrzehnte nach dem Tod des Urhebers nicht mehr dasselbe Gewicht hat wie zu seinen Lebzeiten, ist durch den Bundesgerichtshof ausdrücklich bestätigt worden. 22 In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall lagen zwischen dem Tod des Urhebers und der als Entstellung beanstandeten Umgestaltung 20 Jahre. Bei der Abwägung der Interessen der Rechtsnachfolger des Urhebers und denen des heutigen Gebäudeeigentümers sind daher andere Ergebnisse möglich, auch im Sinne eines weiter reichenden Eingriffs in das Urheberpersönlichkeitsrecht, als bei der Beurteilung gleichartiger Sachverhalte zu Lebzeiten des Urhebers. 23 Die Verblassung ist auch kein Verstoß gegen die sogenannte „monistische Theorie“ und steht auch nicht im Widerspruch dazu, dass die Verwertungsrechte bis zum Ablauf der Schutzfrist dem Rechtsnachfolger des Urhebers in vollem Umfang zur Ausübung zustehen. Das Urheberrecht differenziert ausdrücklich zwischen den ideellen Belangen und den vermögensrechtlichen Interessen des Urhebers (§ 11 S. 1 UrhG). Es liegt in der Natur der Sache, dass der Konkretisierung des Urheberpersönlichkeitsrechts andere Kriterien zugrunde liegen als der Ausübung von Verwertungsrechten. Die Verblassung des Urheberpersönlichkeitsrechts führt deshalb weder zu einer unzulässigen Aufspaltung des Urheberrechts noch zu einem a priori abgestuften Schutz. Durch Zeitablauf verschiebt sich jedoch das Gewicht der bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Belange. ___________ 20
Fromm/Nordemann/Dustmann, Urheberrecht, 10. Aufl. 2008, § 14 Rn. 6. Fromm/Nordemann/Dustmann, UrhR, 10. Aufl. 2008, § 14 Rn. 6; Dreyer, HKUrhR, 2. Aufl. 2009, Vor §§ 12 ff. Rn. 31; Schricker/Dietz, UrhG, 3. Aufl. 2006, Vor §§ 12 ff. Rn. 31 m.w.N. 22 BGH GRUR 1989, 106, 107 – Oberammergauer Passionsspiele II. 23 Schricker/Dietz, UrhG, 3. Aufl. 2006, Vor §§ 12 ff. Rn. 31. 21
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Aus der einheitlichen urheberrechtlichen Schutzfrist von 70 Jahren post mortem auctoris kann schließlich auch unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten kein Argument gegen eine Verblassung gewonnen werden. Die Richtlinie 93/98/EWG (kodifizierte Fassung: 2006/116/EG) über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte lässt die Bestimmungen der Mitgliedstaaten zur Regelung des Urheberpersönlichkeitsrechts ausdrücklich unberührt (Art. 9 der Richtlinie). Auch nach Umsetzung der Schutzdauer-Richtlinie durch den deutschen Gesetzgeber hat die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Verblassung des Urheberpersönlichkeitsrechts aus dem Jahr 1989 deshalb Bestand. Überdies ist Anknüpfungspunkt für den Schutz aus § 14 UrhG die nach außen erkennbare Bindung zwischen dem Urheber und seinem Werk, 24 denn das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt den Urheber in den werkbezogenen Ausstrahlungen seiner Persönlichkeit. 25 Es kommt also allein auf das durch das Bauwerk vermittelte „Erinnerungsbild“ in Bezug auf den Urheber an. Das Urheberpersönlichkeitsrecht dient dagegen nicht dem isolierten Schutz der Urheberpersönlichkeit; ein solcher Schutz gründet auf dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Das Entstellungsverbot aus § 14 UrhG gibt dem Urheber auch keinen Anspruch auf die Erhaltung seines Werks an sich. 26 2.8. Ein langes Zuwarten des Urhebers vor der Geltendmachung seiner Ansprüche ist im Rahmen der Interessenabwägung ebenfalls zu Gunsten des Eigentümers zu berücksichtigen. 27 Dies gilt umso mehr, wenn der Urheber mit der Materie aufgrund eigener Sachkunde aufs Beste vertraut ist und erkennen kann, welche Auswirkungen seine Intervention auf die Gesamtplanung haben kann. Entscheidend ist, ob dem Urheber sämtliche tatsächlichen Umstände bekannt sind, so dass es ihm zuzumuten ist, frühzeitig mit seinen urheberrechtlichen Vorbehalten auf den Eigentümer zuzugehen. Die Geltendmachung urheberrechtlicher Ansprüche ist ausgeschlossen, wenn die (vermeintliche) Rechtsverletzung dem Rechteinhaber so offenbar wird, dass sein Schweigen vom Verletzer als Billigung aufgefasst werden kann oder jedenfalls als sicherer Hinweis dafür, dass der Rechteinhaber von der Geltendmachung seiner Rechte absehen
___________ 24
Dreyer, HK-UrhR, 2. Aufl. 2009, § 14 Rn. 49. Schack, GRUR 1985, 352, 361. 26 OLG Schleswig, ZUM 2006, 426 – Kubus Balance; KG, GRUR 1981, 742, 743 – Totenmaske I; LG Hamburg, GRUR 2005, 672 – Astra-Hochhaus; Fromm/Nordemann/Dustmann, UrhR, 10. Aufl. 2009, § 14 Rn. 31; Schricker/Dietz, UrhR, 3. Aufl. 2006, § 14 Rn. 40; Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl. 2008, § 14 Rn. 28). 27 Vgl. OLG München GRUR 1986, 460 – Die unendliche Geschichte. 25
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wird. 28 Nach den Gedanken von Treu und Glauben kann eine Untersagung zu einem späteren Zeitpunkt deshalb unzumutbar sein. 29
III. Ergebnis 3.1. Bestehen zwischen Vorhabenträger und Urheber vertragliche Abreden zum Umgang mit dem Urheberrecht, ist für eine planfeststellungsrechtlich begründete Gestaltung oder Duldungspflicht kein Raum. Es gelten im Verhältnis der Betroffenen allein die urheberrechtlichen Regelungen. 3.2. Fehlen solche vertraglichen Regelungen und sind die Ansprüche ausschließlich gesetzlich begründet, ist der Urheber vor einer planfeststellungsrechtlichen Gestaltung seines Urheberrechts bis hin zu störenden Eingriffen nur geschützt, wenn er seine drohende Rechtsbeeinträchtigung in den Fristen des Planfeststellungsverfahrens erfolgreich vorbringt. Versäumt er dies, geht sein Urheberrecht unter bzw. kann je nach Erfordernis des Vorhabenträgers sehr stark beschränkt oder auch vernichtet werden. 3.3. Voraussetzung dafür ist allerdings eine Abwägungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde, die auch die urheberrechtlichen Rahmenbedingungen in den Blick zu nehmen hat.
___________ 28 29
BGH GRUR 1981, 652, 653 – Stühle und Tische. Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl. 2008, Vor § 31 Rn. 113.
Archäologische Bodendenkmäler in der Planfeststellung Von Petra Stark Feldlerche, Blauflügelige Sandschrecke oder Unio Crassus, eine kleine aber komplizierte Flussmuschel, machen uns Planfeststellern inzwischen kaum mehr Probleme. Auch mit europäischen Schutzgebieten kommen wir gut zurecht und den Fernwirkungen des Lärms bei Straßenplanungen begegnen wir mit ausführlich begründeten Abwägungsentscheidungen. Stellen sich jedoch archäologische Bodendenkmäler dem beantragten Vorhaben in den Weg oder könnte derartiges Ungemach vom unbekannten Keltenfürst, wie der Kollege Dr. Schütz gern zu sagen pflegt, zumindest drohen, verlassen wir uns jedenfalls in Baden-Württemberg gerne darauf, dass sich Vorhabenträger und Landesarchäologen per Investorenvertrag einigen und uns somit die Festsetzung von Auflagen im Beschluss erspart bleibt. Warum ist das so? Vielleicht liegt es daran, dass es im Denkmalrecht keine bundeseinheitliche Eingriffsregelung gibt, sondern eine Erhaltungspflicht. Die gibt es zwar aus gutem Grund – denn ein einmal zerstörtes Kulturdenkmal ist nicht ersetzbar – allerdings ist diese Erhaltungspflicht in 16 Landesdenkmalgesetzen unterschiedlich geregelt. So gibt es in Baden-Württemberg dann auch keine Regelungen dafür, was der derjenige zu tun hat, der in ein archäologisches Bodendenkmal „eingreift“, sondern es stellt sich die Frage, ob derjenige der eine Straße, Eisenbahntrasse oder ähnliches bauen will, ein solches Denkmal verändern oder zerstören darf und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Klare gesetzliche Regelungen dafür, unter welchen Voraussetzungen eine solche Genehmigung zu erteilen wäre, gibt es bei uns im Land nicht. Hinzu kommt, dass die fachlichen Anforderungen an den Untersuchungsumfang und die Untersuchungsmethoden für Bodendenkmäler noch nicht in gleichem Maße allgemein anerkannt und durch Rechtsprechung abgesichert wären, wie wir es aus dem Arten- und Naturschutz kennen. Letztlich ist auch die Frage der Kostentragungspflicht für einzelne denkmalpflegerische Maßnahmen in BadenWürttemberg nicht unstrittig. Der Landesgesetzgeber hat sich – anders als z.B. in Bayern oder Sachsen-Anhalt – auch hier mit Regelungen zurückgehalten. Fehlende oder unklare gesetzliche Regelungen sollten uns jedoch nicht hindern, in Planfeststellungsbeschlüssen möglichst klare Festlegungen zu treffen.
Petra Stark
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Dafür ist allerdings eine klare Haltung der Fachbehörde und auch der Genehmigungsbehörde erforderlich.
I. Veranlasserprinzip auch im Denkmalschutz in Baden-Württemberg So haben wir uns im Regierungspräsidium Tübingen auf den Standpunkt gestellt, dass auch in Baden-Württemberg im Denkmalschutz grundsätzlich das Veranlasserprinzip gilt – in seinen Auswirkungen beschränkt durch die Grundsätze der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit. Zwar ist dies im Gegensatz zu anderen Ländern nicht ausdrücklich im Gesetz enthalten, wir stützen unsere Auffassung aber auf das Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes von 1969, das 1992 in La Valetta, Malta, ergänzt und erweitert wurde. In Deutschland wurde dieses (revidierte) Übereinkommen 2002 durch Gesetz ratifiziert, das am 23.07.2003 in Kraft trat. In der Konvention von Malta wird in Art. 6 von den Staaten eingefordert, dem Verursacherprinzip im Denkmalschutz mehr Bedeutung beizumessen. Dieses Übereinkommen ist für die Bundesrepublik völkerrechtlich verbindlich. Folglich müssen auch unsere Landesgesetze im Lichte dieser Vereinbarung interpretiert und angewandt werden. Mit uns wissen wir zahlreiche Fundstellen in der Literatur 1 , die allesamt ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass derjenige, der eine Genehmigung zur Zerstörung oder Beseitigung eines Denkmals haben will, sowohl die Kosten aller Untersuchungen tragen muss, die für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit notwendig sind, als auch die Kosten aller Maßnahmen, die sich aus Auflagen oder Bedingungen ergeben, die die Genehmigungsfähigkeit erst herstellen, und natürlich auch alle Kosten, die sich aus der Durchführung der Maßnahme selbst ergeben. Für sämtliche Kosten, die im Rahmen natur- oder artenschutzrechtlicher Untersuchungen und daraus resultierender Schutzmaßnahmen entstehen, kommt ganz selbstverständlich der Vorhabenträger auf. Warum sollte das im Denkmalschutz anders sein?
II. Hinweise Bevor ich zu einzelnen Problemen komme, noch folgende Hinweise: ___________ 1
Literaturhinweise siehe am Ende des Textes.
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x Ich gehe insbesondere von linienförmigen Vorhaben aus, die Ausführungen gelten aber auch z.B. für einen Flughafen. x Ich verwende den Begriff Bodendenkmäler im Sinne von archäologischen Bodendenkmälern, die unter den Begriff Kulturdenkmal fallen und damit den DSchGen der Länder unterliegen. Die Kulturlandschaft als schützenswerter Belang ist nicht gemeint. x Ich unterstelle, dass im konkreten Fall die Denkmalfähigkeit der beweglichen oder unbeweglichen Sache im Boden unbestritten ist. Die Denkmalwürdigkeit allerdings ergibt sich bei Bodendenkmälern oftmals erst nach dem Abschieben des Oberbodens oder sogar erst nach einer Rettungsgrabung. Darin liegt – wie wir noch sehen werden – ein Problem der tatsächlichen Handhabung der denkmalfachlichen Anforderungen im Planungsprozess und im Bauablauf. x Ich konzentriere mich in meinem Vortrag auf die Gesetzeslage in BadenWürttemberg, die aber nicht in allen Bundesländern identisch ist: x In Baden-Württemberg gibt es keine Denkmalliste mit konstitutiver Wirkung wie etwa in NRW. Auch unbekannte Kulturdenkmale sind rechtlich als solche einzustufen und unterliegen dem Denkmalschutzgesetz (§ 2 DSchG) x Eine Abgrenzung zwischen Baudenkmal und Bodendenkmal gibt es im Gesetz nicht (anders etwa in Sachsen-Anhalt oder Bayern). x Regelungen über Kostentragungspflichten gibt es ebenfalls nicht (anders ebenfalls in Sachsen-Anhalt, Bayern oder auch in Rheinland-Pfalz). x Ein Kulturdenkmal ist grundsätzlich im Rahmen des Zumutbaren zu erhalten (§ 6 DSchG BW) und darf daher nur mit Genehmigung der Denkmalschutzbehörde verändert, zerstört oder beseitigt werden (§ 8 DSchG BW). x Diese Genehmigung kann mit Auflagen und Bedingungen versehen werden. (§ 7 Abs. 3 DSchG BW, § 36 VwVfG) und wird im PFB gem. § 75 VwVfG konzentriert. x Daneben gibt es noch eine Regelung für Zufallsfunde (§ 20 DSchG). Die letztgenannten drei Regelungen gibt es so oder ähnlich in allen DSchGen der Länder. Dabei ist gerade die Erhaltungspflicht eines Kulturdenkmals ein eherner Grundsatz der Denkmalpflege. Insbesondere bei Bodendenkmälern steht heute nicht mehr das Ausgraben zu Forschungszwecken im Vordergrund, sondern die möglichst ungestörte Erhaltung. Damit soll auch künftigen Generationen noch die Möglichkeit zur Forschung gegeben werden.
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III. Zumutbarkeit aus Art. 14 GG als Grenze der Erhaltungspflicht Die Erhaltungspflicht eines Kulturdenkmals steht allerdings unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit. Sie trifft grundsätzlich den Eigentümer und der hat Art.14 GG auf seiner Seite. Die Erhaltungspflicht hat also ihre Grenzen spätestens dort, wo das Eigentumsrecht zur leeren Hülle würde. Fraglich ist allerdings, ob der Vorhabenträger als Adressat der denkmalschutzrechtlichen Regelungen im Planfeststellungsbeschluss rechtlich dem Eigentümer oder Besitzer des Denkmals gleichgestellt werden kann. Bereits 2006 hat Kollege Thomas Seegmüller vom Eisenbahnbundesamt hier an dieser Stelle zum Thema „Baudenkmäler in der Planfeststellung“ referiert und festgestellt, dass ein Vorhabenträger, der nicht Eigentümer des zu verändernden oder zu beseitigenden Kulturdenkmals ist, sich nicht auf Art. 14 GG als Schranke der Erhaltungspflicht berufen kann, sondern in diesem Fall lediglich eine Abwägung stattzufinden hat zwischen dem öffentlichen Interesse, das Denkmal zu erhalten, und dem Interesse des Vorhabenträgers an einer möglichst kostengünstigen Realisierung seines Vorhabens. In Fall eines Bodendenkmals muss der Vorhabenträger zwar spätestens bei Baubeginn zumindest Besitzer des Grundstücks sein, soweit er das Grundstück für sein Vorhaben benötigt. Auch in diesem Fall stellt sich aber die Frage, ob sich der Vorhabenträger überhaupt auf Art. 14 berufen kann (ungeachtet dessen, ob es sich um einen öffentlich-rechtlichen oder privaten Vorhabenträger handelt). Er bekommt ja gerade die Erlaubnis, das Bodendenkmal zu zerstören. Damit ist die Erhaltungspflicht vollständig beseitigt und kann auch nicht mehr durch Art. 14 GG begrenzt sein. Allerdings wird der Vorhabenträger die Erlaubnis in der Regel nur unter bestimmten Auflagen bekommen. Die Schranke hierfür kann jedoch nur im Rahmen der allgemeinen Abwägung gefunden werden. Dazu gehört zwar auch die Frage der Verhältnismäßigkeit, aber in diesem Fall nicht das Eigentumsrecht.
IV. Dokumentationspflicht als Minus der Erhaltungspflicht Ist die Zerstörung des Bodendenkmals beantragt, wird die Genehmigungsfähigkeit in der Regel nur durch Auflagen und Bedingungen hergestellt werden können. Eine derartige Auflage kann z.B. die Verpflichtung zur Dokumentation des zerstörten Denkmals sein.
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Die Dokumentationspflicht wird allgemein als Minus zur Erhaltungspflicht betrachtet, weil dadurch zumindest der Wert des Denkmals als historisches Dokument zur wissenschaftlichen Auswertung erhalten bleibt, wenn schon das Denkmal also solches zerstört wird. In jedem Fall eines zerstörten Denkmals muss deshalb dessen Denkmalwert dokumentiert werden. Die Dokumentationspflicht trifft den Pflichtigen als Minus zur Erhaltungspflicht unweigerlich, wenn die Zerstörung des Denkmals genehmigt wird. Wenn dies gesetzlich geregelt ist, steht auch diese Dokumentationspflicht unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit. Hierzu hat sich jüngst das BVerwG geäußert zu einem Fall in Sachsen-Anhalt 2 : Dort allerdings sind sowohl die Dokumentationspflicht selbst als auch die Kostentragung dafür durch den Vorhabenträger sowie die Begrenzung durch die Zumutbarkeit gesetzlich geregelt – letzteres allerdings erst seit 2003 (durch ein Investitionserleichterungsgesetz). Zuvor war diese Zumutbarkeitsgrenze noch nicht im Gesetz verankert. Das OVG Magdeburg 3 hatte auf dieser Grundlage in einem früheren Urteil auch entschieden, dass die Dokumentationspflicht nicht durch die Zumutbarkeit begrenzt wird. Dazu gibt es jedoch (leider) kein Urteil des BVerwG. Wenn es keine entgegenstehende gesetzliche Regelung gibt, ist bei allen Anordnungen im Planfeststellungsbeschluss stets der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen, wenn und soweit ein Abwägungsspielraum besteht. Bei rechtlich zwingenden Vorgaben müsste sich eine uneingeschränkte Verpflichtung des Vorhabenträgers aus dem Gesetz ergeben. Für eine Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bliebe dann kein Spielraum mehr. Dies ist im DSchG BW jedoch nicht der Fall, so dass in BadenWürttemberg jedenfalls davon auszugehen ist, dass auch die Dokumentationspflicht ihre Grenze in der Zumutbarkeit für den Eigentümer bzw. in der Verhältnismäßigkeit der Anordnung allgemein findet.
V. Handhabung bei Baudenkmalen Wenn es sich bei dem Kulturdenkmal um ein Baudenkmal handelt, ist unser baden-württembergisches Recht relativ einfach zu handhaben (wenn auch in der Sache nicht unbedingt einfach zu lösen): Ist der Erhalt zumutbar, muss das Denkmal erhalten werden. Ansonsten muss geprüft werden, ob die Zumutbarkeit z.B. durch Zuschüsse hergestellt werden kann oder die Belange des Denk___________ 2 BVerwG, Beschl. vom 13.12.2010, 7 B 64/10 zu OVG Magdeburg, Urt. vom 16.6.2010, 2 L 292/08. 3 OVG Sachsen-Anhalt, Urt. vom 17.4.2003, 2 L 150/02. Alle Entscheidungen in juris; weitere Rechtsprechungshinweise am Ende des Textes.
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malschutzes durch eine geänderte Planung oder durch Auflagen und Bedingungen gewahrt werden können und müssen. Erst wenn auch solche Lösungen nicht möglich sind, darf das Kulturdenkmal verändert, zerstört oder beseitigt werden. Auch dann können Auflagen und Bedingungen gemacht werden, wie etwa die Verpflichtung zur Dokumentation.
VI. Handhabung bei bekannten Bodendenkmälern Grundsätzlich wird auch bei Bodendenkmälern so vorgegangen: Ist die Erhaltung nicht zumutbar oder wäre diese Forderung unverhältnismäßig, darf das Denkmal durch Baumaßnahmen zerstört werden, ggf. unter Auflagen und Bedingungen. Allerdings besteht hier das Problem, dass diese speziellen Denkmäler zunächst im Verborgenen liegen. Für bereits bekannte Bodendenkmäler stellt auch das kein wirkliches Problem dar. Die Fachbehörde hat in diesen Fällen Kenntnisse, auf Grund derer sie entscheiden kann, ob gerade dieses Denkmal erhalten werden muss. Wenn ja könnte die Abwägung möglicherweise ergeben, dass eine andere Trassenführung gewählt werden muss. Dies wäre z.B. mit Sicherheit der Fall, wenn jemand auf die Idee käme, im Bereich der Heuneburg, die ein herausragendes Zeugnis keltischer Geschichte ist, eine neue Straße zu bauen oder im Bereich der Pfahlbauten am Bodensee einen neuen Uferradweg. Eine solche Entscheidung wäre aber auch bei einer ungewöhnlichen Häufung von Bodendenkmälern in der Trasse denkbar. Kommt die Fachbehörde dagegen zum Schluss, dass die bekannten Bodendenkmäler nicht erhalten werden müssen oder dies nicht zumutbar bzw. unverhältnismäßig wäre, kann sie Auflagen und Bedingungen festlegen, unter denen die Genehmigung zur Zerstörung erteilt werden kann. Dies wird insbesondere die Dokumentation des Denkmalwerts sein.
VII. Handhabung bei unbekannten Bodendenkmälern Was aber ist, wenn ein Vorhaben in einer Gegend gebaut werden soll, in der über die Lage von Bodendenkmälern noch nicht viel bekannt ist? Schließlich ist eine umfassende Konfliktbewältigung nur möglich, wenn das Abwägungsmaterial vollständig ist. Als erstes stellt sich hierbei die Frage: Wie viel Kenntnis muss sein? Der Vorhabenträger ist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 UVPG verpflichtet, alle entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens vorzulegen. Hierfür muss er auch selbst Untersuchungen anstellen, wenn es noch kein ausreichendes Datenmaterial gibt, auf das er zurückgreifen kann. Bei Bodendenkmälern wird dies in der Regel der Fall sein, weil die Kenntnisse dar-
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über oft zufällig und in der Regel auch unvollständig sind. So reicht es ja nicht aus zu wissen, dass in einem bestimmten Korridor Bodendenkmäler vorkommen. Für die Entscheidung, ob und wenn ja unter welchen Bedingungen bzw. mit welchen Auflagen verknüpft, das jeweilige Bodendenkmal zerstört werden darf, sind genauere Kenntnisse darüber erforderlich. Aus welcher Zeit stammt das Denkmal, um was genau handelt es sich, könnte es erhalten werden oder wird es durch den Bau in jedem Fall zerstört, können Teile ausgegraben und gesichert werden oder führt auch das zur Zerstörung? Vieles davon ist bei Planungsbeginn noch nicht bekannt. Also muss der Vorhabenträger die zur Beurteilung notwendigen, also entscheidungserheblichen Daten im Rahmen der UVS zusammentragen oder erheben. Zu beurteilen, was entscheidungserheblich ist, ist schwierig. Streitig in der Praxis sind vor allem der erforderliche Untersuchungsumfang und die Untersuchungsmethoden. Hier könnte § 5 UVPG an Bedeutung gewinnen, wonach auf Antrag des Vorhabenträgers die zuständige Behörde – also die Planfeststellungsbehörde – diesen über den Umfang der voraussichtlich für die UVP vorzulegenden Unterlagen unterrichtet. Beim Scoping-Termin kann festgelegt werden, in welchem Bereich welche Untersuchungen in Bezug auf Bodendenkmäler durchgeführt werden müssen. Was genau notwendig ist, muss die Fachbehörde vorgeben und im Streitfall die für das Scoping-Verfahren zuständige Planfeststellungsbehörde entscheiden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für die Trassenwahl im Rahmen der Alternativenprüfung die Untersuchungen in der Regel weniger umfangreich sein müssen als diejenigen auf der dann tatsächlich gewählten Trasse. Insofern sollte bereits auf der Stufe der Alternativenprüfung zur Trassenfindung die Fachbehörde bei der Festlegung des Untersuchungsumfangs einbezogen werden. Einzelne Bohrungen oder Grabungen reichen für eine umfassende Beurteilung meist nicht aus, können aber im Rahmen der Alternativenprüfung, bei der ja eine abgestufte Vorgehensweise zulässig ist, ausreichen. Auch Luftbildauswertungen oder geophysikalische Prospektionen können hier taugliche Mittel sein. In diesem Stadium der Planung muss jedenfalls soviel bekannt sein, dass sicher ausgeschlossen werden kann, dass wegen der vorhandenen Bodendenkmäler eine andere Trasse gewählt werden müsste.
VIII. Festlegung von Maßnahmen durch Investorenvertrag oder Auflagen im Planfeststellungsbeschluss Wenn es um die konkret beantragte Trasse geht, reichen Stichproben sicher nicht mehr aus, wenn es aus der Voruntersuchung für die Alternativenprüfung bereits Anhaltspunkte dafür gibt, dass Bodendenkmäler vorhanden sind. In die-
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sen Fällen schließt das baden-württembergische Landesamt für Denkmalschutz zumeist die anfangs erwähnten Investorenverträge mit den Vorhabenträgern ab. Dabei wird festgelegt, welche Maßnahmen für welche Flächen erforderlich sind und wer die Kosten dafür trägt. In Betracht kommen x Feldbegehungen, x geophysikalische Prospektionen, x Baggerschürfe, x Rettungsgrabungen mit Freilegung, x Ausgrabungen, x Dokumentation und x Bergung der Befunde. Geophysikalische Prospektionen sind in vielen Fällen ein zumutbares und geeignetes Mittel zur weiteren Sachverhaltsaufklärung. Dabei handelt es sich um magnetische und elektrische Messungen, die ohne Eingriff in den Boden durchgeführt werden können. Feldbegehungen, bei denen der Boden nach sichtbaren Veränderungen oder Fundstücken abgesucht wird, sind personalund zeitaufwendig, Baggerschürfe nur auf begrenzten Flächen sinnvoll und zumutbar und die anderen Maßnahmen setzen bereits einen bekannten Befund voraus. Der Umfang dieser Maßnahmen muss je nach konkreter Fallgestaltung festgelegt werden. Muss die gesamte Trasse abgesucht werden oder reicht es aus, bestimmte Verdachtsflächen zu untersuchen? Die Entscheidung darüber hängt auch von der Dichte der bereits vorhandenen Daten ab und von der Art der bereits bekannten und zusätzlich vermuteten Denkmäler. Untersuchungen ins Blaue hinein sind auch im Bereich Denkmalschutz jedenfalls nicht zu verlangen. Allerdings kann durch die Prospektion allein meist noch keine Aussage zum Denkmalwert einer konkreten Fundstelle gemacht werden. Hierfür dürfte es in der Regel erforderlich sein, den Oberboden archäologiegerecht abzuschürfen, also mit dem berühmten zahnlosen Löffelbagger, und ggf. Rettungsgrabungen durchzuführen. Ob derartige Maßnahmen bereits im Rahmen der UVS oder erst vor Baubeginn durchgeführt werden müssen, hängt davon ab, wie hoch die Wertigkeit des jeweiligen Bodendenkmals von der Fachbehörde eingeschätzt wird und wie gewichtig der Belang des Denkmalschutzes für die Trassenwahl ist. Je nach dem wie detailliert die Untersuchungen vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses bereits sind, können dann im Beschluss genaue Regelungen für einzelne Bodendenkmäler getroffen werden. Nach den Erfahrungen der Archäologen kommen bei linienförmigen Vorhaben auf ein bekanntes 5 bis zu 10
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unbekannte Bodendenkmäler. Je überschlägiger die Untersuchungen also sind, desto mehr Ungewissheit bleibt. Die Folge sind dann weitere Untersuchungsverlangen an den Vorhabenträger im Laufe des Verfahrens. Wenn auf der Basis der für die UVP durchgeführten Erhebungen und Untersuchungen keine abschließende Grundsatzentscheidung für die Realisierbarkeit des Vorhabens auf der beantragten Trasse möglich ist, müssen diese vor Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses nachgeholt werden. Wäre die beantragte Trasse nämlich nicht genehmigungsfähig, müsste für eine andere Trassenführung eine Planänderung beantragt werden. Nur wenn auf Grundlage des vorhanden Datenmaterials über das „Ob“ des Vorhabens entschieden werden kann – also grundsätzlich schon zugestimmt wird, dass alle Bodendenkmäler, die durch den Bau ggf. zerstört werden, auch zerstört werden dürfen – können im PFB denkmalrechtliche Auflagen gemacht werden. Bezüglich der in diesem Stadium bereits bekannten Bodendenkmäler ist dies im Wesentlichen unstrittig. Der Vorhabenträger kann aber auch verpflichtet werden, vor Baubeginn zusätzliche Untersuchungen anzustellen, um ggf. weitere bisher unbekannte Bodendenkmäler zu entdecken und ggf. Rettungsgrabungen und Dokumentationen durchzuführen. Auch Auflagen zur Art der Baudurchführung (z.B. mit dem Löffelbagger) sind möglich. Diese Auflagen können nicht nur auf § 7 Abs. 3 DSchG BW gestützt werden, sondern auch auf § 74 Abs. 2 Satz 2VwVfG, wonach die Planfeststellungsbehörde dem Träger des Vorhabens Schutzvorkehrungen aufzuerlegen hat, die zum Wohl der Allgemeinheit erforderlich sind. Möglich wäre auch ein Entscheidungsvorbehalt nach § 74 Abs. 3 VwVfG. Dem Vorhabenträger sind dann die notwendigen Untersuchungen für eine ergänzende Entscheidung der Planfeststellungsbehörde z.B. über etwaige Rettungsgrabungen und Dokumentationen aufzuerlegen. Eine konkrete und allgemeingültige Antwort auf die Eingangsfrage „wie viel Kenntnis muss sein?“ kann ich, wie Sie sehen, leider nicht geben. Wichtig scheint mir, dass in jedem Stadium der Planung eng mit den Fachbehörden und auch der Planfeststellungsbehörde zusammengearbeitet wird, um Untersuchungsumfang und Methoden rechtzeitig abstimmen zu können und unliebsame Überraschungen zu vermeiden.
IX. Kein Anspruch auf Risiko des Zufallfundes Der Vorhabenträger hat jedenfalls kein generelles Recht darauf, von Auflagen bezüglich unbekannter Denkmäler im Planfeststellungsbeschluss gänzlich verschont zu bleiben, weil es in Baden-Württemberg (und wohl auch in anderen Landesgesetzen) für Zufallsfunde eine eigene Regelung gibt (§ 20 DSchG BW). Allein aus der Existenz dieser Vorschrift abzuleiten, dass der Vorha-
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benträger selbst entscheiden könne, ob er das Risiko eines Baustillstandes wegen eines Keltenfürstes eingehen will oder nicht, ist nicht plausibel. Im Planfeststellungsbeschluss muss im Wege der Abwägung entschieden werden, wie die Belange des Denkmalsschutzes gewahrt bleiben, ohne zu unzumutbaren Belastungen des Vorhabenträgers zu führen. Würde man dem Vorhabenträger von vorneherein ein generelles „Wahlrecht“ einräumen, könnte dies zu Lasten der Belange des Denkmalschutzes gehen. Zunächst setzt die kurze Entscheidungsfrist von 4 Tagen, wie sie in Baden-Württemberg vorgesehen ist, die Fachbehörden stark unter personellen und zeitlichen Druck, unter dem möglicherweise die Qualität der fachlichen Beurteilung leiden könnte. Hinzukommen Aspekte der Verhältnismäßigkeit: Während in frühen Phasen der Planung nur Gutachterkosten und Zeitbedarf zu berücksichtigen sind (der aber wahrscheinlich wegen anderer notwendiger Untersuchungen im Rahmen der UVS sowieso vorhanden ist), kommen zu den eigentlichen Untersuchungskosten in späteren Phasen der Plandurchführung allenfalls mögliche Verzögerungen des Baubeginns hinzu. Befindet sich das Vorhaben aber bereits in der Baudurchführung muss der weitaus größere wirtschaftliche Schaden eines Baustillstandes in die Abwägung für oder gegen weitere Maßnahmen (wie Rettungsgrabung und Dokumentation) einbezogen werden. Um sich angesichts der hohen Kosten von Infrastrukturmaßnahmen und deren politischer Bedeutung hiergegen durchzusetzen, müsste der Keltenfürst vermutlich in einem Familiengrab mit gut erhaltenen Grabbeigaben bestattet sein. Fraglich ist allerdings dennoch, ob tatsächlich jede Verdachtsfläche vor Baubeginn untersucht werden muss. Denn bei einer konkret benannten Verdachtsfläche handelt es sich später nicht mehr um einen Zufallsfund, so dass auch § 20 DSchG dann nicht anwendbar ist. Für diese Fälle ist es denkbar, dem Vorhabenträger ein Wahlrecht einzuräumen, wann er die Verdachtsfläche untersucht. Unternimmt der Vorhabenträger trotz vorhandenen Verdachts nichts im Vorfeld der Baumaßnahme, muss er während des Baus im Bereich der Verdachtsfläche zunächst mit entsprechendem archäologiegerechtem Gerät arbeiten und ggf. den Bau so lange unterbrechen, bis die Denkmalpflege (auf seine Kosten) ausreichend Zeit hatte, das Bodendenkmal zu bewerten und zu dokumentieren. Das kann für die konkrete Verdachtsfläche dann auch so im Planfeststellungsbeschluss als Auflage formuliert werden. Dieses Vorgehen hat m.E. allerdings dann Grenzen, wenn viele Verdachtsflächen auf der Trasse liegen und nicht mehr plausibel dargelegt werden kann, dass dies den geplanten Bauablauf nicht wesentlich beeinträchtigt. Auch die Dauer der Bauzeit und die Stillstandskosten sind ja als rechtlich relevante Belange und wegen denkbarer Auswirkungen auf Dritte in die Abwägung einzustellen. Kommt die Planfeststellungsbehörde zu der Überzeugung, dass zum Schutz der denkmalpflegerischen Belange keine (weiteren) Prospektionen (mehr) nötig
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sind und die verbleibenden Kenntnislücken in Kauf genommen und damit dem Reglement des Zufallsfundes überlassen werden können, kann die Denkmalschutzbehörde weitere Untersuchungen nur noch im eigenen Interesse und dann natürlich auch auf eigene Kosten veranlassen. Findet sie dabei (weitere) Denkmäler oder Verdachtsflächen im Baubereich des Vorhabens, sind diese im Planfeststellungsbeschluss bzw. in der Baudurchführung wie bekannte Denkmäler zu behandeln.
X. Was kann vom Vorhabenträger konkret verlangt werden? x In der Phase der Planaufstellung: Im festgelegten Untersuchungsraum der UVS sind verschiedene Trassenvarianten zu berücksichtigen; bei der konkreten Trasse auch die Bereiche der vorübergehenden Inanspruchnahme für die Baudurchführung und die LBPMaßnahmenflächen. Zusammentragen der bereits bekannten Daten über die Bodendenkmale (Datenbanken der Fachbehörden, Gemeinden, Luftbildauswertungen, Befragung von Hobbyarchäologen). Denkmalgerechte Untersuchungen nach Absprache mit den Fachbehörden (mögliche Maßnahmen siehe oben). x Vor der Baudurchführung: Soweit das in der UVS zusammengestellte Datenmaterial hinsichtlich der konkreten Trasse noch nicht ausreichend ist, sind weitere Untersuchungen zum Auffinden von noch unbekannten Bodendenkmälern notwendig. Das kann z.B. der Fall sein, wenn es Verdachtsflächen gibt, die noch nicht genauer betrachtet wurden oder wenn die Ausdehnung eines Bodendenkmals in einer erkannten Fläche unklar ist, diese aber für die Bewertung der Denkmalwürdigkeit notwendig ist, oder wenn zwischen Verdachtsflächen weitere Denkmäler vermutet werden. Hier kommen wiederum geophysikalische Prospektionen und Baggerschürfe in Betracht. Sind Bodendenkmale fachlich bereits entsprechend gewürdigt, sind Rettungsgrabungen vor Baubeginn durchzuführen, um die Dokumentation und ggf. Sicherung der Bodendenkmäler oder Bergung einzelner beweglicher Funde zu ermöglichen. Die Dokumentation der Bodendenkmäler ist als Minus zur Erhaltungspflicht auf jeden Fall erforderlich. x Während der Baudurchführung: Je nach Ergebnis der vorigen Untersuchungen und Maßnahmen: Sind keine oder nur unvollständige Prospektionen erfolgt, sind umfassende Auflagen zur Baudurchführung im Planfeststellungsbeschluss möglich. Jedenfalls in Bereichen, in denen Verdachtsmomente für Bodendenkmäler be-
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stehen, kann dann z.B. das Abtragen des Oberbodens mit „archäologischem Bagger“ – also der zahnlosen Baggerschaufel angeordnet werden. Je nach dem, ob dabei Bodendenkmäler entdeckt werden, sind dann Rettungsgrabungen und ggf. Ausgrabung sowie die Dokumentation anzuordnen. Sind zwar Prospektionen aber keine oder nur unvollständige Rettungsgrabungen durchgeführt worden, sind ergänzende Auflagen zur Baudurchführung möglich z.B. für Bereiche, in denen keine Rettungsgrabungen erfolgt sind, aber bereits Bodendenkmäler entdeckt wurden oder noch vermutet werden. Sind Prospektionen und Rettungsgrabungen durchgeführt worden, gilt für noch nicht erkannte Denkmäler nur § 20 DSchG, der für Zufallsfunde der Fachbehörde 4 Tage Zeit für die Entscheidung lässt, was mit dem Fund zu geschehen hat. Im Fall der Planfeststellung müsste im Streitfall die Planfeststellungsbehörde ggf. eine ergänzende Entscheidung treffen, ob eine Rettungsgrabung durchzuführen ist. Wurde diese Entscheidung im PFB nicht nach § 74 Abs. 3 VwVfG vorbehalten kommt noch § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG als Rechtsgrundlage für nachträgliche Schutzauflagen in Betracht.
XI. Grundstückszugang des Vorhabenträgers Der Vorhabenträger wird erst mit Besitzüberlassung oder Besitzeinweisung verfügungsberechtigt über Grundstücke Dritter. Wie kommt er also für Untersuchungen wie Prospektionen, Bohrungen, Baggerschürfe oder gar Rettungsgrabungen auf das Grundstück eines Eigentümers, der das nicht will? x In der Planungsphase: Für Grundstücksbegehungen, Bohrungen und eventuell auch noch für räumlich und zeitlich begrenzten Oberbodenabtrag durch Baggerschürfe kann die Duldung als vorbereitende Maßnahme z.B. nach §§ 17 AEG, 16a FStrG, 44 EnWG angeordnet werden; allerdings dürften nach dieser Vorschrift Rettungsgrabungen als vorbereitende Maßnahmen nicht möglich sein, weil diese für die Planaufstellung in der Regel nicht notwendig sind. Es reicht dafür aus, positive Kenntnis von einem Bodendenkmal zu haben. x Nach Planfeststellungsbeschluss aber noch vor Baubeginn: o Zum Vollzug einer Auflage auf einem vom Beschluss umfassten Grundstück ist eine Besitzeinweisung notwendig, wenn tatsächlich der Besitz erforderlich ist. Das ist jedenfalls für Oberbodenabschieben und Rettungsgrabungen der Fall. Wenn kein Besitz erforderlich ist, also z.B. für Prospektionen, bei denen nur eine Begehung des Grundstücks notwendig ist, kann auch noch eine
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Duldungspflicht für vorbereitende Maßnahmen zur Baudurchführung in Betracht kommen. o Auf einem nicht vom PFB umfassten Grundstück gibt es kein Recht des Vorhabenträgers, das Grundstück in Besitz zu nehmen. Es kommt daher hier nur eine denkmalschutzrechtliche Anordnung in Betracht. Eine Duldungsverfügung für eine vorbereitende Maßnahme ist nur möglich, wenn die Inanspruchnahme des Grundstücks für eine spätere Planänderung notwendig werden könnte (eher unwahrscheinlich). x Während der Baudurchführung: Zur Baudurchführung muss der Vorhabenträger sowieso schon im Besitz der Grundstücke sein; außerhalb der Baumaßnahmen muss in der Regel auch nichts gemacht werden; sollte sich im Rahmen eines Zufallsfundes die Notwendigkeit ergeben, auch außerhalb der vom PFB umfassten Grundstücke oder Grundstücksteile Rettungsgrabungen vorzunehmen, wären diese denkmalrechtlich zulässig oder im Rahmen eines Ergänzungsbeschlusses zuzulassen.
XII. Kostentragung In der Praxis streitig ist oftmals die Kostentragung für die denkmalpflegerischen Maßnahmen. Maßnahmen, die nicht vom Vorhaben verursacht werden, muss der Vorhabenträger auch nicht bezahlen. Das sind Maßnahmen, die von der Denkmalpflege aus eigenem Interesse vor oder während der Planungs- und Bauphase durchgeführt werden. Also etwa flächendeckende Prospektionen des Raumes, in dem geplant wird, obwohl für die Trassenwahl nur ein beschränkter Korridor zu untersuchen wäre. Oder es werden anlässlich einer notwendigen Grabung im Trassenbereich Rettungsgrabungen außerhalb der Trasse gemacht, weil diese im wissenschaftlichen Zusammenhang miteinander stehen. Auch Prospektionen, die gemacht werden, obwohl die bereits bekannten Denkmäler ausreichend sind, um die restliche Fläche „dem Zufallsfund zu überlassen“, die Fachbehörde aber aus eigenem Interesse mehr Klarheit haben möchte, um nicht überrascht zu werden, gehören hierher. Die Abgrenzung im Einzelfall dürfte hier freilich schwierig sein. Was kann muss nun der Vorhabenträger an Kosten tragen? x In der Planungsphase: Der Vorhabenträger, der nach § 6 Abs. 1 UVPG verpflichtet ist, die entscheidungserheblichen Unterlagen für die UVP vorzulegen, muss die Kosten für alle notwendigen Untersuchungsmaßnahmen tragen. Was notwendig ist, wird im Scoping-Termin festgelegt. Stellt sich im Laufe des Anhörungsverfahrens heraus, dass die vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend
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sind, müssen auch notwendige ergänzende Untersuchungen vom Vorhabenträger finanziert werden. x Vor Baudurchführung zur Umsetzung von Auflagen: Der Vorhabenträger als Veranlasser der denkmalpflegerischen Maßnahmen muss alle Kosten für eventuell noch notwendige Untersuchungen, Rettungsgrabungen, Ausgrabungen sowie die Dokumentationen tragen. Die Kosten für eine eventuelle Aufbewahrung von Fundstücken wären ohne die Baumaßnahme ebenfalls nicht notwendig geworden. Gehen die Fundstücke ins Eigentum des Vorhabenträgers über, trifft ihn die Erhaltungslast. Gehen sie wegen des hervorragen wissenschaftlichen Erhaltungswerts nach § 23 DSchG BW ins Eigentum des Landes über, trägt das Land auch die Kosten der Aufbewahrung. Gleiches muss auch für die Aufbewahrung der Dokumentation eines zerstörten Bodendenkmals gelten. Die wissenschaftliche Auswertung der gesicherten bzw. dokumentierten Funde gehört nicht mehr zu den vorhabensbezogenen Lasten, obwohl auch diese erst durch das Vorhaben veranlasst wurden. Allerdings gibt es hier einen Entscheidungsspielraum der Fachbehörde, wann und wie die Auswertung erfolgt, so dass die unmittelbare Ursächlichkeit der Baumaßnahme für die anfallenden Kosten entfällt. x Während der Baudurchführung: Der Vorhabenträger muss auch bei Zufallsfunden für Rettungsgrabungen und Dokumentationen aufkommen, soweit diese innerhalb der 4-TagesFrist angeordnet werden und verhältnismäßig sind.
XIII. Resümee Problematisch in Baden-Württemberg sind nicht fehlende gesetzliche Regelungen, aber die fehlende Klarheit der Regelungen. Die Gesetzesanwendung ist zudem dadurch erschwert, dass es keine denkmalpflegerischen Standards für Untersuchungen gibt, wie sie sich inzwischen im Natur- und Artenschutz etabliert haben. Es müsste festgelegt werden, welche Untersuchungsmethoden für welche Bodendenkmäler sinnvoll sind und in welchem räumlichen Ausdehnungsbereich untersucht werden muss. Auch die Dichte der Untersuchung müsste festgelegt werden. Wie viel Quadratmeter einer Trasse müssen mit welchen Mitteln untersucht werden, um genug Kenntnisse haben. Letztlich wären auch konkrete Regelungen zur Kostentragungspflicht hilfreich. Vielleicht würde ein gemeinsames Fachkolloquium von Denkmalpflegern und Genehmigungsbehörden hier weiterführen, um gemeinsam denkmalfachliche Standards für Untersuchungsumfang und -methoden festzulegen, auf deren Basis dann rechtssichere Entscheidungen getroffen werden können.
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Literatur- und Rechtsprechungshinweise Strobel/Sieche, Denkmalschutzgesetz für Baden-Württemberg, Kommentar, 3. Auflage 2010 Lars Rößing, Denkmalschutz und UVP, Schriften zum Umweltschutz, Band 134 (Hrsg. Dr. Michael Kloepfer, Berlin) Martin/Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Auflage, 2010 Thorsten Attendorn, Die Berücksichtigung von Belangen des Bodendenkmalschutzes in bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren mit UVP, Natur und Recht, 2006, 756 Susanne Ermert, Kulturelles Erbe in der UVP, Das Verursacherprinzip im Denkmalrecht am Beispiel von Bundesfernstraßen, UVP-Report 18 (2+3), 2004, 94
Zur Erhaltungs- und Dokumentationspflicht:
OVG Sachsen-Anhalt (Magdeburg), Urteil vom 17.04.2003, 2 L 150/02 OVG Sachsen-Anhalt (Magdeburg), Urteil vom 16.06.2010, 2 L 292/08 BVerwG, Beschluss vom 13.12.2010, 7 B 64/10 OVG Düsseldorf, Urteil vom 29.01.2009, 20 A 2034/06 OVG Koblenz, Urteil vom 05.02.2003, 8 A 10775/02
Zu Duldungsverfügungen:
VGH München, Beschluss vom 22.10.1008, 22 AS 08.40031 BVerwG, Beschluss vom 17.09.2002, 9 VR 17/02 BVerwG, Beschluss vom 07.08.2002, 4 VR 9/02, 4 A 16/02
Legitimation durch Fachplanungsverfahren? Versuch einer diskurstheoretischen Kritik des deutschen Planungsrechts
Von Tobias Lieber
I. Einleitung und Fragestellung Als im Herbst 2010 die Auseinandersetzungen um das Großprojekt Stuttgart 21 eskalierten, stritten Befürworter und Gegner nicht nur über Bahnhofskapazitäten, Thermalquellen und Kostenexplosionen, sondern auch über Grundfragen unseres Staatsrechts. Beide Seiten bemühten sich, die jeweils eigene Position durch einen Rückgriff auf die Legitimationsquellen unserer Rechtsordnung zu untermauern. So bestritt Robert Leicht im Tagesspiegel ein „Widerstandsrecht gegen Bahnhöfe“, da das Projekt Stuttgart 21 nicht nur rechtsstaatlich korrekt gestaltet, sondern auch korrekt in demokratisch gewählten Vertretungskörperschaften beschlossen worden sei. Die Legitimationskette sei geschlossen. 1 Ganz ähnlich heißt es noch heute im Argumentationsleitfaden des Kommunikationsbüros der Vorhabensträger, Stuttgart 21 sei demokratisch beschlossen und juristisch bestätigt worden. Die in demokratischen Abläufen getroffenen Entscheidungen müssten respektiert werden. 2 Dagegen steht für Günther Nonnenmacher die legitimierende Kraft rechtsstaatlicher Verfahren im Vordergrund. In einem Beitrag für die FAZ sah er durch die Rufe nach einer Volksabstimmung die Legitimität des Rechtsstaats in Gefahr. 3 Adressat dieser Kritik war Erhard Eppler, der in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung von einem gefährlichen Konflikt zwischen Rechtsstaats- und Demokratieprinzip gesprochen hatte, da das Projekt zwar alle ___________ 1
Robert Leicht, Es gibt kein Widerstandsrecht gegen Bahnhöfe, Tagesspiegel vom 11.10.2010. 2 Bahnprojekt Stuttgart-Ulm e.V., 21 Gute Gründe für Stuttgart 21. 3 Günther Nonnenmacher, Über „Stuttgart 21“ hinaus, FAZ vom 8.10.2010.
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rechtsstaatlich vorgesehenen Entscheidungen hinter sich habe, von der großen Mehrheit der Stuttgarter aber abgelehnt werde. 4 Wenn wir versuchen, diese Debatte zusammenzufassen, so lassen sich wohl drei Feststellungen treffen: 1. Beide Seiten stellen die Frage nach der Legitimität des Projekts. Die Suche nach einer Antwort dreht sich jeweils um die Begriffe des Rechtsstaats und der Demokratie. Möglicherweise stehen die beiden Begriffe zueinander in einem gewissen Spannungsverhältnis. 2. Einig sind sich beide Seiten auch, dass das Projekt Stuttgart 21 ein rechtsstaatliches Verfahren durchlaufen hat, namentlich ein Planfeststellungsverfahren zwischen 2001 und 2005 sowie ein im Jahr 2006 abgeschlossenes Gerichtsverfahren. Uneinigkeit besteht aber darüber, welche Legitimationskraft ein solches Planfeststellungsverfahren vermitteln kann. 3. Das Projekt Stuttgart 21 erhielt mehrfach die Zustimmung verschiedener parlamentarischer Gremien. Aus Sicht der Gegner beruhten diese Entscheidungen aber auf einer unzureichenden oder überholten Informationsbasis. Ich möchte die Debatte um Stuttgart 21 für den Versuch nutzen, die Grundlagen des deutschen Fachplanungsrechts rechtstheoretisch zu hinterfragen. Zur Vermeidung von Missverständnissen ist jedoch gleich auf eine Besonderheit des Stuttgarter Falls hinzuweisen. Das Projekt Stuttgart 21 wird zu erheblichen Teilen durch öffentliche Mittel des Bundes, des Landes Baden-Württemberg, der Stadt Stuttgart und des Stuttgarter Regionalverbands finanziert. Die Haushaltshoheit der Parlamente war deshalb der Grund dafür, warum das Projekt der Zustimmung parlamentarischer Gremien auf verschiedenen Staatsebenen bedurfte. Aus diesen Zustimmungen leiten die Befürworter des Projekts dessen demokratische Legitimität her. Dem eigentlichen Fachplanungsverfahren dagegen wird nur eine – mehr oder weniger bedeutsame – rechtsstaatliche Qualität zugesprochen. Eine öffentliche Finanzierung und damit eine Beteiligung des jeweiligen Haushaltsgesetzgebers ist jedoch eine zwar nicht seltene, aber doch keineswegs zwingende Begleiterscheinung von Planungsverfahren. Sowohl in der Fachplanung als auch in der Bauleitplanung erfolgt die Projektfinanzierung häufig durch private Vorhabenträger. Parlamente werden in solchen Verfahren nicht beteiligt. Wir müssen deshalb, wenn wir nach der originären Legitimationskraft des deutschen Planungsrechts fragen wollen, diese Stuttgarter Besonderheit ausblenden. „Legitimation durch Verfahren“ 5 war und ist ein häufig gebrauchtes Schlagwort im Zusammenhang mit Stuttgart 21. Welches Verfah___________ 4 Erhard Eppler, „Das Volk muss entscheiden“, Interview, Süddeutsche Zeitung vom 17.9.2010. 5 Geprägt wurde diese Wendung maßgeblich durch Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 1969.
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ren damit eigentlich gemeint ist, blieb zumeist unklar. Für die Zwecke meiner Fragestellung soll es allein um das eigentliche planungsrechtliche Verfahren gehen.
II. Ein normativer Legitimitätsbegriff – Die Diskurstheorie des Rechts Die Frage nach der Legitimität eines rechtlich verfassten Entscheidungsprozesses greift zwangsläufig über den Rahmen des positiv verfassten Rechts hinaus. Ist das Projekt Stuttgart 21 schon allein deshalb legitim, weil nach einem vierjährigen ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahren ein rechtmäßiger Planfeststellungsbeschluss erteilt wurde? Die Antwort hierauf finden wir weder im allgemeinen Eisenbahngesetz noch im Verwaltungsverfahrensgesetz, vielleicht noch nicht einmal im Grundgesetz. Vielmehr benötigen wir eine Theorie, die den unabweislichen Legitimationsanspruch jeder Rechtsordnung ausbuchstabiert und damit auch einen kritischen Zugriff auf das jeweils geltende positive Recht ermöglicht. Als eine solche Theorie eignet sich für meine Fragestellung die Diskurstheorie des Rechts von Jürgen Habermas. Dessen zentrales Werk, „Faktizität und Geltung“, erstmals erschienen 1992, trägt den Untertitel „Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats“. 6 Die Theorie greift also genau diejenigen beiden Begriffe – Demokratie und Rechtsstaat – auf, um die sich auch die Stuttgarter Debatte drehte. Zugleich verwendet Habermas einen normativen Legitimitätsbegriff, fragt also danach, wann das in einem bestimmten Verfahren erzielte Ergebnis von den Betroffenen als richtig oder gerecht akzeptiert werden kann. Damit unterscheidet er sich von Luhmanns rein faktischem Legitimitätsverständnis, das nur den Versuch einer Erklärung dafür liefert, dass ein verfahrenskonformes Ergebnis von den Betroffenen tatsächlich akzeptiert wird. Eine solche soziologische Betrachtung hilft dann nicht weiter, wenn es gerade darum geht, die tatsächlich feststellbaren Akzeptanzdefizite zum Anlass zu nehmen, nach normativen Mängeln des legitimierenden Verfahrens zu suchen. 7 Jürgen Habermas ist von Haus aus Soziologe und Philosoph. Die Grundlage seines politischen Denkens bildet die Sprachphilosophie. 8 Er geht davon aus, dass wir uns sprachlich nur verständigen können, wenn auch über den Inhalt ___________ 6
Habermas, Faktizität und Geltung, 4. Aufl. 1994. Vgl. Patrick Bahners, Was heißt Legitimation durch Verfahren, FAZ vom 20.10.2010. 8 Vgl. zu den sprachphilosophischen Grundlagen Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, 1981, ders., Moralbewusstsein und kommunikatives Handeln, 1983 und ders., Erläuterungen zur Diskursethik, 1991. 7
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unserer Aussagen eine intersubjektive Verständigung möglich ist. Mit Aussagen über Tatsachen oder Normen erhebe ich zwangsläufig den Anspruch, dass diese Aussagen wahr oder richtig sind – und zwar nicht nur für mich, sondern für alle relevanten Adressaten meiner Aussage. 9 Normen sind deshalb für Habermas weder inhaltlich beliebig noch Ergebnis einer bloßen Konvention oder Setzung, sondern immer mit dem Anspruch verbunden, für alle Normunterworfenen richtig zu sein. Das Mittel zur Überprüfung solcher Wahrheits- oder Richtigkeitsansprüche ist für Habermas der Diskurs. 10 Der Diskurs umschreibt einen von allen Einschränkungen durch Zeit und Raum befreiten argumentativen Austausch zwischen allen Betroffenen. Dieser ideale Diskurs findet real nie statt. In unserem realen Leben muss jeder Austausch von Argumenten einen Anfang und ein Ende haben und kann niemals alle Betroffenen einbeziehen. Ich kann Tatsachenbehauptungen und normative Aussagen nur hier und jetzt argumentativ verteidigen. Gleichwohl erhebe ich zwangsläufig immer den Anspruch, dass sich diese Behauptung oder diese Aussage auch in einem idealen Diskurs als wahr oder richtig erweisen würde. Jeder reale Diskurs verweist also auf den notwendig vorauszusetzenden, wenn auch nie durchführbaren idealen Diskurs. Was hat all dies mit einer Theorie des demokratischen Rechtsstaats zu tun? Auch Rechtsnormen und Rechtssätze erheben Richtigkeitsansprüche. Das richterliche Urteil „Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000,00 € zu bezahlen“ enthält den Anspruch, dass es sich dabei um eine richtige Anwendung des geltenden Rechts handelt. Zugleich wird aber auch der Anspruch erhoben, dass dieses geltende Recht und damit auch dessen Anwendung im Einzelfall legitim sind. Ein Urteil mit dem Inhalt „Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000,00 € zu zahlen, obwohl dies ungerecht ist,“ stellt einen logischen Widerspruch dar. Ein solcher Satz würde nicht als Ausdruck von Recht, sondern als Ausdruck von Gewalt wahrgenommen. Das Recht ist deshalb zwingend mit dem Anspruch legitimer Geltung verbunden. 11 Um diesen Legitimitätsanspruch zu erklären, greift Habermas auf den Begriff des Diskurses zurück. Demokratische Gesetzgebung wird von Habermas als rechtlich verfasster Diskussionsprozess verstanden. 12 Die politischen Beteiligungsrechte geben uns die Möglichkeit, Argumente in einen Diskurs einzuspeisen, der nach bestimmten rechtlichen Regeln durchgeführt und vorläufig abgeschlossen wird. Wir haben zwar keine Gewähr dafür, dass das Ergebnis eines solchen rechtlich verfassten realen Diskurses am Ende tatsächlich demje___________ 9
Habermas, Faktizität und Geltung, S. 34 f. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 138. 11 Habermas, Faktizität und Geltung, S. 44 f. 12 Habermas, Faktizität und Geltung, S. 141 und S. 160 f. 10
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nigen entspricht, was Ergebnis eines idealen Diskurses wäre. Aber zumindest muss ein diskursiv erzeugtes Recht diesen Anspruch notwendig erheben. Aus diesem Grund bleibt das geltende Recht auch jederzeit inhaltlich kritisierbar. Neue oder bessere Argumente können dazu zwingen, erneut in den diskursiven Rechtssetzungsprozess einzutreten und ihn zu einem neuen, aber wiederum auch nur vorläufigen Abschluss zu bringen. 13 Ein geltendes Recht, dessen Legitimität sich aus der Vermutung inhaltlicher Richtigkeit speisen soll und das deshalb jederzeit durch neue inhaltliche Argumente in Frage gestellt werden kann, ist jedoch hochgradig instabil. Gegenüber dem inhaltlichen Widerspruch des Normadressaten wäre der Legitimitätsanspruch kaum durchzuhalten. Für einen tauglichen Legitimitätsbegriff muss deshalb noch ein weiteres Element hinzukommen, das in Habermas’ diskurstheoretischem Demokratieverständnis zu kurz kommt. Dieses Element finden wir bei der demokratischen Gesetzgebung in der Mehrheitsentscheidung. Die Mehrheitsregel stellt sicher, dass wir alle nicht nur als gleichberechtigte Diskursteilnehmer, sondern auch als gleichberechtigte Rechtssubjekte an dem Rechtssetzungsakt mitgewirkt haben. Jeder von uns konnte nicht nur gute Argumente in einen Diskussionsprozess einbringen, sondern auch eine Stimme abgeben, deren Gewicht unabhängig ist von der Qualität des vorgebrachten Arguments. Der Legitimitätsanspruch demokratisch gesetzten Rechts gründet somit in der Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit einerseits und dem formal gleichen Stimmrecht aller Bürger andererseits. 14 Aus diesem Verständnis legitimen Rechts ergibt sich zwangsläufig auch ein bestimmtes Bild der Gewaltenteilung. Im Gesetzgebungsprozess wirke ich als Bürger durch gleiche politische Kommunikationsrechte und durch gleiche politische Stimmrechte mit. Hier sind die Bürger als Diskursteilnehmer und als Rechtssubjekte gemeinsame Autoren des Rechts. Hier liegt deshalb auch die wesentliche Legitimationsquelle des Rechts. Bei der Rechtsanwendung durch Behörden und Gerichte dagegen kann ich mich zwar als Diskursteilnehmer einbringen, ich besitze aber kein politisches Stimmrecht mehr. Der Legitimitätsanspruch einer Rechtsanwendungsentscheidung muss sich deshalb im Wesentlichen aus der Legitimität des anzuwendenden Rechts ableiten. Hinzu tritt die legitimierende Kraft einer Gleichbehandlung gleicher Fälle. Soweit das anzuwendende Recht aber Auslegungsspielräume zulässt oder gar Ermessensentscheidungen ermöglicht, steht die Legitimität der Rechtsanwendungsentscheidung auf mehr oder weniger wackligen Beinen. Sie kann sich dann nämlich nur noch auf die Überzeugungskraft guter Gründe und nicht mehr auf formal gleiche Mitbestimmungsrechte oder eine gleichmäßige Normanwendung berufen. ___________ 13 14
Habermas, Faktizität und Geltung, S. 220 f. Vgl. Lieber, Diskursive Vernunft und formelle Gleichheit, 2007, S. 334 ff.
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III. Legitimitätsdefizite des Fachplanungsrechts Nach dem kurzen Ausflug in die Diskurstheorie können wir in die Welt des geltenden Fachplanungsrechts zurückkehren und versuchen, dieses geltende Recht durch die Brille der Diskurstheorie kritisch zu hinterfragen. Fasst man hierfür zunächst die wesentlichen Charakteristika des deutschen Fachplanungsrechts zusammen, so ergibt sich in etwa folgendes Bild: Am Anfang steht das Planungsziel eines Vorhabensträgers. Dieses Planungsziel muss zwar den Zielsetzungen des jeweils einschlägigen Fachplanungsgesetzes entsprechen, wird im Übrigen aber nicht weiter rechtlich geprüft. 15 Zugleich steuern die vom Vorhabensträger vorgegebenen Planungsziele sehr weitgehend den späteren Entscheidungsprozess, insbesondere was die Würdigung möglicher räumlicher oder funktionaler Alternativen betrifft. 16 Dass die dem Vorhabensträger zugesprochene Definitionsmacht über die Planungsziele einerseits und eine der Objektivität verpflichtete Alternativenprüfung andererseits nicht konfliktfrei zusammenpassen, zeigt sich etwa an den jüngeren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Verkehrsflughafen Allgäu 17 und zum Verkehrslandeplatz Speyer. 18 Das Fachplanungsverfahren selbst ist dann durch relativ umfangreiche Beteiligungsrechte, aber auch durch eine relativ geringe Bedeutung strikt verbindlichen Rechts gekennzeichnet. Zwar unterliegen natürlich auch Fachplanungsverfahren teilweise der Bindung an striktes Recht. Die eigentlichen Kernfragen aber werden durch das Abwägungsprinzip gesteuert. Der Abwägung unterliegt sowohl die Frage, ob ein Vorhaben angesichts seiner Auswirkungen auf entgegenstehende Belange überhaupt zugelassen werden soll, als auch die Frage, an welchem Standort, auf welcher Trasse oder in welcher genauen Ausgestaltung das Vorhaben realisiert werden kann. Für die Frage der Legitimationskraft von Fachplanungsverfahren ist deshalb das Abwägungsgebot von besonderer Bedeutung. Die Verpflichtung zur Abwägung aller relevanten öffentlichen und privaten Belange findet sich mittlerweile wohl in allen Fachplanungsgesetzen. Unabhängig davon geht das Bundesverwaltungsgericht jedoch in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das Gebot der gerechten Abwägung auch ohne positive Normierung allgemein für alle raumbezogenen Planungen gilt. Abgeleitet wird dies aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes. Das Abwägungsgebot soll ein „dem Wesen rechtsstaatlicher Planung innewohnender Grundsatz“ ___________ 15
BVerwG, Urt. vom 26.4.2007, 4 C 12/05, Rn. 52 – BVerwGE 128, 358 –. Vgl. speziell für die habitatschutzrechtliche Alternativenprüfung, die insofern die strengsten Anforderungen stellt, BVerwG, Urt. vom 9.7.2009, 4 C 12/07, Rn. 33 – BVerwGE 134, 166 –. 17 BVerwG, Urt. vom 13.12.2007, 4 C 9/06 – BVerwGE 130, 83 –. 18 BVerwG, Beschl. vom 3.6.2010, 4 B 54/09 – NVwZ 2010, 1289 –. 16
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sein. 19 Eine ausführlichere Begründung hierfür sucht man allerdings vergeblich. Auch das Bundesverfassungsgericht hat das Abwägungsgebot nicht recht abgeleitet, sondern vielmehr als Selbstverständlichkeit aufgegriffen. 20 Es konstatiert, dass sich Planungsakte nicht im Wege eines Konditionalprogramms normativ vorherbestimmen lassen, da sich eine sachgerechte Bewältigung der durch sie ausgelösten Konflikte einer detaillierten Regelung durch das Gesetz entziehe. Hierfür biete das planerische Abwägungsgebot einen sachgerechten Maßstab. 21 Auf das Abwägungsgebot wird also zurückgegriffen, um die entstehende Lücke in der Gesetzesbindung der Verwaltung zu schließen und dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes noch einigermaßen gerecht zu werden. Dabei wird allerdings nicht berücksichtigt, dass der Gesetzesvorbehalt nicht nur eine rechtsstaatliche, sondern auch eine demokratische Funktion hat. 22 Der Gesetzesvorbehalt soll nicht nur willkürliche Eingriffe des Staates in private Rechte verhindern, sondern – zumindest im Rahmen der Wesentlichkeitstheorie – auch eine Steuerung der Verwaltung durch den demokratischen Gesetzgeber sicherstellen. 23 Hierfür ist das Abwägungsgebot jedoch kein Ersatz, wenn es lediglich als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips verstanden wird. Ein rechtsstaatlich gedeutetes Abwägungsgebot kann sicherstellen, dass die Belange der Betroffenen angemessen zur Geltung kommen. Ein solches Abwägungsgebot kann auch historisch als Versuch der Eingrenzung einer vorausgesetzten staatlichen Planungsmacht verstanden werden. Auf die Frage nach der demokratischen Rückkopplung gibt ein solches Abwägungsgebot aber keine Antwort. Denn das Gebot der gerechten Abwägung lässt den Gestaltungsspielraum der planenden Behörde im Kern unangetastet. Die Behörde wird zur Ermittlung aller relevanten Belange verpflichtet und an völlig unangemessenen Abwägungsergebnissen gehindert. Innerhalb dieses Rahmens wird der planenden Behörde jedoch – wie es in einer der frühen Entscheidungen des 4. Senats heißt – „ein nicht unerhebliches Ermessen eingeräumt“. 24 Oder noch deutlicher ausgedrückt: „Die Be___________ 19 BVerwG, Urt. vom 30.4.1969, IV C 6.68, Rn. 17 – DVBl 1969, 697 –; Urt. vom 12.12.1969, IV C 105.66, Rn. 26 – BVerwGE 34, 301 –; Urt. vom 20.10.1972, IV C 14.71, Rn. 14 – BVerwGE 41, 67 –; ähnlich bereits Urt. vom 11.10.1968, IV C 55.66, Rn. 29 – DÖV 1969, 283 –. 20 Vgl. etwa eine der Rechtsprechung des BVerwG zustimmende jüngere Kammerentscheidung, BVerfG-K, Nichtannahmebeschluss vom 11.11.2002, 1 BvR 218/99, Rn. 19. 21 BVerfG, Beschl. vom 30.11.1988, 1 BvR 1301/84, Rn. 74 – BVerfGE 79, 174 –; BVerfG, Beschl. vom 6.6.1989, 1 BvR 921/85, Rn. 88 – BVerfGE 80, 137 –. 22 BVerfG, Beschl. vom 8.8.1978, 2 BvL 8/77, Rn. 77 – BVerfGE 49, 89 –. 23 Vgl. BVerfG, Beschl. vom 9.5.1972, 1 BvR 518/62 u.a., Rn. 106 – BVerfGE 33, 125 –; BVerfG, Beschl. vom 8.8.1978, 2 BvL 8/77, Rn. 77 ff. – BVerfGE 49, 89 –. 24 BVerwG, Urt. vom 11.10.1968, IV C 55.66, Rn. 29.
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wertung der privaten und öffentlichen Belange und ihrer Gewichtung im Verhältnis untereinander macht das Wesen der Planung als einer im Kern politischen Entscheidung aus.“ 25 Fachplanung unter der Herrschaft des Abwägungsprinzips ist also in ihrem Kern eine politische Gestaltungsentscheidung. Eine Legitimation durch die Rückkopplung an die demokratische Gesetzgebung entfällt weitgehend. Die personale Legitimationskette, die jeden Mitarbeiter einer Planfeststellungsbehörde über die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung mit der Wahlentscheidung des Volkes verbindet, 26 ist schwach ausgeprägt. Der politische Gestaltungsakt einer Fachplanung muss deshalb seine Legitimation im Wesentlichen aus sich selbst heraus ziehen. Betrachtet man aber diese Legitimationsanforderung aus der Sicht der Diskurstheorie, so ergibt sich ein widersprüchlicher Befund. Einerseits sind Fachplanungsverfahren gerade durch umfangreiche Beteiligungsrechte gekennzeichnet. Damit sollen alle relevanten Tatsachen und Argumente für den Entscheidungsprozess fruchtbar gemacht werden. Auch das Abwägungsgebot selbst dient gerade dem Zweck, eine inhaltlich nicht durch striktes Recht determinierte Entscheidung mittels bestimmter Verfahrensanforderungen zu rationalisieren. Die auch gerichtlich durchsetzbare Pflicht zur ordnungsgemäßen Zusammenstellung des Abwägungsmaterials 27 stellt geradezu das Paradebeispiel der rechtlichen Normierung eines Diskurses dar. Andererseits unterliegt der Diskussionsprozess eines Fachplanungsverfahrens aber auch gravierenden Einschränkungen. Dies beginnt bereits bei der Definition der Planungsziele, die der kritischen Diskussion von vornherein weitgehend entzogen sind. Vor allem aber erhebt das Ergebnis eines Abwägungsprozesses noch nicht einmal den Anspruch, dass es im idealen Diskurs für alle Betroffenen konsensfähig wäre. Besonders deutlich wird dies bei der Alternativenprüfung. Rechtmäßig ist nach herkömmlicher Dogmatik nicht notwendig die beste Alternative, sondern jede Alternative, solange sich nicht eine andere als eindeutig vorzugswürdig aufdrängt. 28 Das Abwägungsgebot lässt der planenden Behörde also einen Entscheidungsspielraum, der nicht mehr durch gute Argumente gesteuert wird und auch nicht mehr durch bessere Argumente beeinflusst werden kann. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies schön ausgedrückt, wenn es formuliert, innerhalb des Rahmens des Abwägungsgebots sei ___________ 25 BVerwG, Urt. vom 16.3.2006, 4 A 1075/04, Rn. 98 – BVerwGE 125, 116 –; ebenso bereits BVerwG, Urt. vom 21.3.1996, 4 C 19/94, Rn. 40 – BVerwGE 100, 370 –. 26 Vgl. dazu BVerfG, Beschl. vom 8.8.1978, 2 BvL 8/77, Rn. 74 – BVerfGE 49, 89 –. 27 Vgl. bereits BVerwG, Urt. vom 12.12.1969, IV C 105.66, Rn. 29 – BVerwGE 34, 301 –. 28 BVerwG, Beschl. vom 16.7.2007, 4 B 71/06, Rn. 42.
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„das Vorziehen und Zurücksetzen bestimmter Belange überhaupt kein nachvollziehbarer Vorgang der Abwägung, sondern eine geradezu elementare planerische Entschließung“. 29 Im Abwägungsgebot steckt deshalb ein Element von politischem Dezisionismus, das der Diskurstheorie fremd ist. Positiv ausgedrückt ist dies ein Restbestand hoheitlicher Gestaltungsmacht, negativ ausgedrückt handelt es sich um rechtlich eingegrenzte staatliche Willkür. Für die Legitimationskraft eines Fachplanungsverfahrens ist dies ein Problem. Aus der Sicht der Diskurstheorie muss es für die Adressaten einer Rechtsnorm möglich sein, sich eben auch als Autoren dieser Rechtsnorm begreifen zu können – und zwar als Autoren gleichermaßen in der Rolle als Diskursteilnehmer und als Träger gleicher Stimmrechte. 30 Wo aber können sich die Adressaten eines Planfeststellungsbeschlusses noch als Autoren der getroffenen politischen Gestaltungsentscheidung sehen?
IV. These Über den demokratischen Gesetzgebungsprozess sind wir alle Autoren des geltenden Rechts. Da eine Steuerung solcher Vorhaben durch abstraktgenerelle Rechtsnormen aber weitgehend nicht stattfindet, fällt eine über die Gesetzesbindung vermittelte Autorenstellung aus. Sie müsste ersetzt werden durch ein fachplanerisches Entscheidungsverfahren, in dem die Betroffenen als Autoren des Rechts darüber entscheiden können, ob und ggf. in welcher Form oder an welcher Stelle sie das Vorhaben wollen. Eine solche Rolle ist für die Betroffenen eines Großprojekts im deutschen Fachplanungsrecht aber bisher nicht vorgesehen. Die Bürger werden dort als Träger privater Rechte oder Belange wahrgenommen, denen durch eine angemessene Abwägung Rechnung getragen werden soll, nicht aber als Träger politischer Beteiligungsrechte, die über eine politische Gestaltungsfrage mitentscheiden wollen. Meine These lautet deshalb, dass wir die rechtsstaatliche Dimension des Abwägungsgebots um eine demokratische Dimension ergänzen müssen. Wir müssen Fachplanungsverfahren so organisieren, dass die eigentlichen Kernfragen eines Projekts Gegenstand einer politischen Auseinandersetzung werden, an der sich alle Betroffenen mit guten Argumenten aber auch mit den ihnen eingeräumten Stimmrechten beteiligen können. Wenn Abwägung im Kern politische Gestaltung ist, dann darf diese Gestaltung nicht mehr hinter den verschlossenen Türen einer Verwaltungsbehörde stattfinden, sondern muss in die Sitzungssäle der Parlamente geholt werden. Wir müssen eine Organisations___________ 29 30
BVerwG, Urt. vom 12.12.1969, IV C 105.66, Rn. 26 – BVerwGE 34, 301 –. Lieber, Diskursive Vernunft und formelle Gleichheit, 2007, S. 339 f.
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form finden, die die Bürger nicht zu Betroffenen degradiert, sondern die Planung von Großprojekten als gemeinsames Anliegen der Bürger begreift – und zwar aller Bürger, die von einem solchen Projekt im positiven wie im negativen betroffen sind. Ein solches Modell stößt in der deutschen Denktradition auf Widerstände. Wir sind nicht unerheblich geprägt von der Annahme, der demokratische Gesetzgeber sei zu vernünftigen Ergebnissen nur so lange fähig, wie er abstraktgenerelle Normen schafft. 31 Wie soll denn ein Bürger – so der naheliegende Einwand – zu einer vernünftigen Entscheidung fähig sein, wenn es um die Zulassung eines Atommüllendlagers vor der eigenen Haustür geht? Gleichwohl ließe das deutsche Verfassungsrecht ein solches Modell zu. In seiner Entscheidung zur Südumfahrung Stendal hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass staatliche Planung nicht von vornherein der Exekutive vorbehalten ist, zumal das Grundgesetz Einzelfallgesetze nicht generell ausschließt. Parlamente sind danach zur Planung einzelner Vorhaben grundsätzlich befugt und auch fachlich in der Lage. 32 An einzelnen Stellen finden wir auch bereits heute Elemente parlamentarischer Entscheidungsfindung bei Planungsvorhaben. So werden über die Bedarfspläne des Schienenwege- und des Fernstraßenrechts zumindest grob die Planungsziele durch Gesetz vorgegeben. Ähnliches gibt es vereinzelt in der Raumordnung, sofern dort Zustimmungen der Landtage erforderlich sind. 33 Vor allem aber ist die Bauleitplanung seit jeher dadurch gekennzeichnet, dass Abwägungsentscheidungen durch ein gewähltes und demokratisch verantwortliches Gremium getroffen werden. 34 Es macht für die demokratische Legitimation einen großen Unterschied, ob die Trasse einer Ortsumgehung durch Planfeststellung oder durch planfeststellungsersetzenden Bebauungsplan festgelegt wird. Die rechtsstaatliche Dimension des Abwägungsgebots geht dabei bekanntlich nicht verloren. Die Fachplanung kann sich hier die Bauleitplanung durchaus zum Vorbild nehmen. Ich plädiere deshalb dafür, Fachplanungsverfahren als politische Gestaltungsentscheidungen zu begreifen und auch als solche zu organisieren. Die ___________ 31 Zurückzuführen ist diese Argumentation bereits auf Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1977, S. 33. In Deutschland war es vor allem Carl Schmitt, der die Allgemeinheit des Gesetzes als Garant für dessen Richtigkeit betont hat, vgl. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 139 ff. Kritisch dazu bereits Neumann, Die Herrschaft des Gesetzes, S. 324 ff. und später Böckenförde, Entstehung und Wandel des Rechtsstaatsbegriffs, S. 149. 32 BVerfG, Beschl. vom 17.7.1996, 2 BvF 2/93, Rn. 46 ff. – BVerfGE 95, 1 –. 33 Vgl. etwa § 8 Abs. 4 HessLPlG und § 17 Abs. 2 LPlG NRW. 34 Vgl. zur demokratischen Legitimation im Bereich der Bauleitplanung BVerwG, Urt. vom 24.11.2010, 9 A 13/09, Rn. 49.
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Kernfragen eines Projekts sollten im demokratischen Prozess entschieden werden, der die Bürger nicht nur als Betroffene, sondern als Entscheider einbezieht. Dies hindert nicht daran, die hohe Rationalität heutiger Abwägungsprozesse sowie die gerichtliche Überprüfbarkeit ihres rechtlichen Rahmens beizubehalten. Ebenso hindert dies nicht daran, die vielen Detailfragen eines Großvorhabens in den Händen der sachkundigen Verwaltung zu belassen. Schließlich muss ein solches Modell natürlich die Frage beantworten, wer im Einzelfall alles zur maßgeblichen Bürgerschaft zählt – die Einwohner einer Stadt, eines Bundeslands oder der Bundesrepublik? Für die Legitimationskraft eines Fachplanungsverfahrens wäre es jedoch ein Gewinn, wenn dabei nicht nur über die Bürger entschieden würde, wenn die Bürger auch nicht nur mitgenommen würden, sondern wenn die Bürger selbst – direkt oder vermittelt über ein Parlament – die wesentlichen Entscheidungen treffen könnten.
Klagen von Vereinigungen nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz Von Bernhard Wegener Der folgende Beitrag analysiert die bahnbrechende Musterentscheidung des EuGH in der Rechtssache BUND. 1 Er entspricht nur in Teilen dem noch vor Veröffentlichung des Urteils gehaltenen Speyerer Vortrag des Verfassers, in dem dieser allerdings bereits für eine Entscheidung im jetzt vom EuGH getroffenen Sinne plädiert hatte. In seiner Entscheidung hat der EuGH den Umweltverbänden ein umfängliches Recht zur Klage gegen umweltrelevantes Verwaltungshandeln eingeräumt und die restriktiven Regelungen des Umweltrechtsbehelfsgesetzes als unionsrechtswidrig verworfen. Auch nach der bemerkenswert eindeutigen Leitentscheidung bleiben aber noch wesentliche Detailfragen der Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Umweltverbände offen.
I. Eine Grundentscheidung für den effektiven Umweltrechtsschutz Der EuGH hat sein mit Spannung erwartetes Urteil in der Sache Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND e.V.) gegen Bezirksregierung Arnsberg gefällt. Die BUND-Entscheidung geht auf ein Vorabentscheidungsersuchen des OVG Münster zurück. 2 Im Ausgangsrechtstreit wendet sich der BUND gegen Vorbescheid und Erste Teilgenehmigung für ein im nordrhein-westfälischen Lünen im Bau befindliches neues Kohlekraftwerk. Nach den Feststellungen des OVG Münster verletzen Vorbescheid und Teilgenehmigung insbesondere Bestimmungen des europäisch determinierten Naturschutzrechts. Zu Unrecht sei die Genehmigungsbehörde nämlich davon ausgegangen, dass das Kraftwerk offensichtlich keine er___________ 1
EuGH, Rs. C-115/09, Urt. vom 12.5.2011 (BUND/Bezirksregierung Arnsberg). Der Verfasser hat den BUND in der Rechtssache gutachterlich beraten und gemeinsam mit RA Dirk Teßmer im Verfahren vor dem EuGH vertreten. Der nachfolgende Beitrag entspricht im Wesentlichen der Urteilsanmerkung, die der Verfasser in der Zeitschrift für Umweltrecht veröffentlicht hat. 2 Vgl. Beschl. vom 8.3.2009, 8 D 58/08.AK, ZUR 2009, 380.
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heblichen Auswirkungen auf die in der näheren Umgebung liegenden Naturschutzgebiete haben werde. Auf eine nach den Bestimmungen der sog. FFHRichtlinie 3 erforderliche Prüfung der möglichen Auswirkungen des Kraftwerks auf diese Gebiete habe deshalb nicht von vorneherein verzichtet werden können. Allerdings hatte das OVG Münster Zweifel, ob der klagende Umweltverband die Rechtswidrigkeit der Genehmigungsbescheide insoweit überhaupt rügen könne. In seinem Vorlagebeschluss hatte das Gericht dazu auf die einschlägigen Regelungen des Umweltrechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) 4 hingewiesen. Das UmwRG dient seinerseits der Umsetzung völkerrechtlicher Vorgaben aus der sogenannten Aarhus-Konvention 5 und europarechtlicher Vorgaben aus der EU-Öffentlichkeits- und Rechtsmittel-RL (im Folgenden Rechtsmittel-RL). 6 § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG räumt hierzu den Umweltverbänden eigene Klagerechte ein. Allerdings kann ein Umweltverband danach nur dann Klage erheben, wenn eine Entscheidung oder Unterlassung einer Behörde Rechtsvorschriften widerspricht, die „Rechte Einzelner begründen“. Der Bundesgesetzgeber hatte auf diese Weise die mit dem UmwRG neu geschaffenen Klagerechte der Umweltverbände von der Existenz subjektiv-öffentlicher Rechte abhängig gemacht. Die Umweltverbandsklage war so gewissermaßen akzessorisch zur Individualklage. 7 Ziel der Regelung war es, die vom europäischen Recht vorgegebene Umweltverbandsklage nach Möglichkeit zu beschränken und im schutznormtheoretischen Rahmen der deutschen Dogmatik individueller Rechte „einzuhegen“. In der Rechtswissenschaft war schon frühzeitig auf die mögliche Rechtswidrigkeit dieser Umsetzung hingewiesen worden. Nach wohl überwiegender Meinung sollte die hier unternommene Einschränkung der Klagerechte der Verbände sowohl den Vorgaben der Aarhus-Konvention als auch denen der EU___________ 3 RL 92/43/EWG des Rates vom 21.5.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. 1992, L 206, S. 7. 4 Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) vom 7.12.2006, BGBl. 2006 Teil I, Nr. 58, vom 14.12.2006, S. 2816. 5 Vgl. dazu Gesetz vom 9.12.2006 zu dem Übereinkommen vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen), Bundesgesetzblatt Jahrgang 2006 Teil II Nr. 31, vom 15.12.2006, S. 1251. 6 RL 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.5.2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl. 2003, L 156, S. 17). 7 In der Literatur wird dieser Ansatz denn auch vielfach als „schutznormakzessorische“ Verbandsklage bezeichnet, vgl. etwa Schwerdtfeger, EuR 2011, (i.E.).
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Rechtsmittel-RL widersprechen. 8 Allerdings hielten gewichtige Stimmen in Literatur 9 und Rechtsprechung 10 die Umsetzung auch für vereinbar mit den Konventions- und Richtlinienvorgaben. Die Bundesregierung hatte sie im Verfahren vor dem EuGH vor allem mit dem Hinweis auf die ihrer Ansicht nach im deutschen Verwaltungsprozess besonders hohe Kontrolldichte verteidigt. Diese rechtfertige eine gewissermaßen kompensatorisch restriktive Ausgestaltung des Zugangs zu den Gerichten. 11 In der Literatur war daneben auch die Ansicht verbreitet, dass sich die Regelungen des UmwRG jedenfalls bei einer hinreichend weiten Auslegung des Begriffs der „Rechte Einzelner“ und jedenfalls mit Blick auf die Zulässigkeit der Klagen mit den Vorgaben des internationalen und des europäischen Rechts vereinbaren ließen. 12 Dieser letztgenannten Ansicht hatte sich im Verfahren vor dem EuGH insbesondere auch die EUKommission in ihren Schriftsätzen weithin angeschlossen. Nach ihrer Auffassung sollten die Beschränkungen des UmwRG grundsätzlich unionsrechtskonform sein, der Begriff der „Rechte Einzelner“ aber im Einzelfall erweitert ausgelegt werden müssen. 13 Der EuGH hat demgegenüber in seiner Grundentscheidung die restriktive Umsetzung der Rechtsmittel-RL durch die Bundesrepublik Deutschland zu ___________ 8 Vgl. u.a.: Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU), Rechtsschutz für die Umwelt – die altruistische Verbandsklage ist unverzichtbar, 2005, insbesondere S. 7 ff.; Koch, NVwZ 2007, 369 (376 ff.); Epiney/Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, 2002, S. 328; Ziekow, NVwZ 2007, 259 (260); Schlacke, NuR 2007, 8 (14); Walter, EuR 2005, 302 (318 ff.); Wegener, Rechtsschutz im europäischen (Umwelt-)Recht – Sekundär- und richterrechtliche Bausteine einer gemeinschaftlichen Dogmatik, in: Hendler/Marburger/Reiff/Schröder (Hrsg.), Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts (UTR 98), 2008, S. 319 (339 ff.); Ewer, NVwZ 2007, 267 (272 f.); Müller-Terpitz, ArchVölkR 43 (2005), 466 (486 f.); Schmidt/Kremer, ZUR 2007, 57 (61); Sparwasser, in: Gesellschaft für UmweltR (Hrsg.), UmweltR im Wandel, 2001, S. 1017 (1048); Scheyli, ArchVölkR 38 (2000), 217 (245); Gassner, NuR 2007, 143 (147). 9 Vgl. insbesondere: v. Danwitz, Zur Ausgestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei Einführung der Verbandsklage anerkannter Umweltschutzvereine nach den Vorgaben der Richtlinie 2003/35/EG und der sog. Århus-Konvention, Rechtsgutachten für den VDEW, 2005, S. 38 ff.; ders., NVwZ 2004, 272 ff.; Ipsen, NdsVBl. 1999, 225 ff.; Säcker, Die Einordnung der Verbandsklage in das System des Privatrechts, 2006; Scholz, ZG 2003, 248 ff.; Schrödter, NVwZ 2009, 157 ff. 10 Vgl. etwa OVG Lüneburg, Beschl. vom 7.7.2008, Az. 1 ME 131/08, ZfBR 2008, 684 f.; VG Karlsruhe, Beschl. vom 15.1.2007, Az. 8 K 1935/06, juris, Rn. 25 ff.; insoweit differenzierend OVG Schleswig, Urt. vom 12.3.2009, Az. 1 KN 12/08 – Port Olpenitz, ZUR 2009, 432 ff. 11 Vgl. die Wiedergabe dieser Argumentation in den Schlußantr. GA Sharpston, Rs. C-115/09, Rn. 30 ff. 12 Vgl. etwa Marty, ZUR 2009, 115 (116 f.); ablehnend gegenüber dieser Lösung schon Niederstadt/Weber, NuR 2009, 297 (302 f.). 13 Vgl. Stellungnahme der EU-Kommission zur Rs. C-115/09 vom 2.7.2009, Az. JURM (2009) 8076, Rn. 41 ff.
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Recht als generell unionsrechtswidrig verworfen. Art. 10a der UVP-Richtlinie stehe in seiner durch die Rechtsmittel-RL geänderten Fassung solchen innerstaatlichen Rechtsvorschriften entgegen, die Nichtregierungsorganisationen wie dem klagenden BUND nicht die Möglichkeit zuerkennen, „vor Gericht die Verletzung einer Vorschrift geltend zu machen, die aus dem Unionsrecht hervorgegangen ist und den Umweltschutz bezweckt, weil diese Vorschrift nur die Interessen der Allgemeinheit und nicht die Rechtsgüter Einzelner schützt“. 14 Der EuGH verlangt mit anderen Worten, Umweltverbänden ein Klagerecht einzuräumen, mit dem diese die Verletzung aller durch das Unionsrecht veranlassten Umweltschutzbestimmungen geltend machen können. Auf die für das deutsche Recht traditionell so entscheidende Differenzierung zwischen drittschützenden und nicht drittschützenden Normen soll es – und das ist der eigentliche Kern der Entscheidung – insoweit nicht mehr ankommen. Ausdrücklich und exemplarisch hat der EuGH dies für die Norm festgestellt, die im Mittelpunkt des Vorabentscheidungsersuchens des OVG Münster stand, nämlich für Art. 6 der FFH-Richtlinie. Auch die Verletzung dieser Norm bzw. die der sie umsetzenden Bestimmungen des deutschen Bundesnaturschutzgesetzes müssten die Umweltverbände gerichtlich rügen können. Diese Möglichkeit stehe ihnen unmittelbar aus Art. 10a UVP-Richtlinie zu. Die Bestimmung sei insoweit inhaltlich unbedingt und hinreichend genau, um einer unmittelbaren Anwendung fähig zu sein. Entgegenstehende Bestimmungen des nationalen Verfahrensrechts – konkret solche des Umweltrechtsbehelfsgesetzes – könnten dem nicht entgegengehalten werden. 15
II. Kontext der Entscheidung Die BUND-Entscheidung des EuGH markiert einen Höhe- und vorläufigen Schlusspunkt in der jahrzehntelangen Auseinandersetzung um den Rechtsschutz im Umweltrecht. Die Auseinandersetzung ist dabei beinahe ebenso alt, wie der moderne staatliche Umweltschutz und das moderne Umweltrecht; bei genauerer Betrachtung sogar älter als diese. Im Umweltrecht kulminierte seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts die ältere Diskussion um die Grenzen des Rechtsschutzes
___________ 14 Vgl. EuGH, Rs. C-115/09, Urt. vom 12.5.2011 (BUND/Bezirksregierung Arnsberg), Leitsatz 1. 15 EuGH, Rs. C-115/09, Urt. vom 12.5.2011 (BUND/Bezirksregierung Arnsberg), Leitsatz 2 und Rn. 51 ff.
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im deutschen Verwaltungsrecht. 16 Im Kern ging und geht es dabei um die schon auf Hegel zurückgehende Unterscheidung zwischen Privatinteressen einerseits und Interessen der Allgemeinheit andererseits. 17 Erstere fanden in Deutschland schon im 19. Jahrhundert ihre Konkretisierung in gerichtlich durchsetzbaren subjektiv-öffentlichen Rechten. Von vergleichsweise schwachen Anfängen ausgehend, erweiterte sich der Kreis dieser klagefähigen Normen beständig. Allgemeininteressen und die zu ihrem Schutz erlassenen Normen dagegen sollten allein von der dazu berufenen staatlichen Exekutive durchgesetzt werden. Ihre Verteidigung war und blieb allein hoheitliche Aufgabe, auch wenn progressive Stimmen schon früh auf die enge Verbindung zwischen der Verteidigung individueller und überindividueller Interessen hinwiesen. 18 Im Umweltrecht war diese Grundunterscheidung in ihrer praktischen Bedeutung stets besonders sichtbar. 19 Zwar dienen zahlreiche Umweltschutznormen auch dem Schutz der Rechte Einzelner. Dies gilt besonders für diejenigen Normen, die sich zugleich als Normen des Gesundheitsschutzes verstehen lassen. Normen des Naturschutzes oder – nach einer auch innerstaatlich umstrittenen Einordnung des Bundesverwaltungsgerichts 20 – Normen der Vorsorge sollen aber allein dem Allgemeininteresse dienen und deshalb keine von Einzelnen einklagbaren Rechte begründen. Es bleibt deshalb grundsätzlich der Umweltverwaltung überlassen, die Umweltschutznormen gegenüber konkurrierenden Interessen der Umweltnutzer durchzusetzen. Schon früh entwickelten sich in der umweltrechtlichen Diskussion allerdings Zweifel, ob und inwieweit die staatliche Umweltverwaltung willens und in der Lage ist, den effektiven Vollzug umweltrechtlicher Normen zu garantieren. Ihr soll es dazu nach verbreiteter Auffassung zum einen an den erforderlichen Mitteln, insbesondere an Personal fehlen. Zweifel bestehen vielfach auch am Vollzugswillen der Exekutive. So steht die Umweltverwaltung insbesondere bei ___________ 16 Vgl. nur den Überblick über die zahlreichen aus umweltpolitischer Sicht gegen die Schutznormtheorie geführten Angriffe bei Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der EG, 1996, S. 101 ff. 17 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, §§ 182 ff. 18 v. Ihering, Der Kampf ums Recht, 1874, S. 49; vgl. für das öffentliche Recht: Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: FS Menger, 1985, S. 191 ff. 19 Vgl. etwa Jarass, Drittschutz im Umweltrecht, in: FS Lukes, 1989, S. 57 (57, 63), zur Funktion der Drittklage als wichtigem Anreiz zur effektiven Durchsetzung von Umweltstandards und den Gefahren, die sich mit ihrer Beschränkung im deutschen Recht verbinden. 20 Vgl. dazu etwa VGH Kassel, 7.5.2009, 6 C 1142/07.T, ZUR 2009, 504 unter Hinweis auf BVerwGE 119, 329 (333). Vgl. dazu auch OVG Münster, Vorlagebeschl. vom 5.3.2009, Az. 8 D 58/08.AK, Rn. 28 ff.
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größeren Vorhaben unter einem erheblichen politischen Druck, eine einmal projektierte Anlage zu genehmigen und durch Auflagen und Kontrollen nicht zu belasten. 21 Angesichts dieses Vollzugsdefizits hat der deutsche Gesetzgeber sich 2002 unabhängig von europarechtlichen Vorgaben für die Einführung der sog. naturschutzrechtlichen Verbandsklage entschieden. Nach § 64 BNatSchG kann eine anerkannte Naturschutzvereinigung, ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe einlegen. Mit diesen Rechtsbehelfen können aber allein Entscheidungen in Planfeststellungsverfahren oder Plangenehmigungen sowie Befreiungen von naturschutzrechtlichen Ge- und Verboten angegriffen werden. Gestützt werden können die Rechtsbehelfe zudem allein auf die Verletzung spezifisch naturschutzrechtlicher Normen. 22 Die solcherart eng begrenzte deutsche Naturschutzverbandsklage hat der Bundesgesetzgeber unter dem Zwang zur Umsetzung der Aarhus-Konvention und der Vorgaben der EU-Rechtsmittel-RL durch das UmwRG wie oben bereits skizziert ergänzt. Zwar verzichtet § 2 Abs. 1 und 5 UmwRG auf die spezifisch naturschutzrechtliche Beschränkung der Verbandsklagen, wie sie das BNatSchG kennt. Die Klagebefugnis und die Begründetheit entsprechender Klagen werden aber ihrerseits abhängig gemacht von der Geltendmachung bzw. von der Verletzung von Normen, die dem Umweltschutz dienen und Rechte Einzelner begründen. Diese Beschränkungen – die im ursprünglichen Referentenentwurf aus dem Bundesumweltministerium noch nicht enthalten waren 23 – hatte der Bundesgesetzgeber insbesondere unter dem Eindruck eines vom Verband der Elektrizitätswirtschaft in Auftrag gegebenen Rechtsgutachtens 24 eingeführt. Weder die Aarhus-Konvention noch das diese Konvention umsetzende EU-Recht – so die Kernthese dieses Gutachtens – verlangten nach einer „Privilegierung“ der Umweltverbände gegenüber Individualklägern. In der Sache ging es der betroffenen Wirtschaft um eine Fortschreibung der Freistellung der eigenen Anlagengenehmigungen von der durch klagende Umweltverbände initiierten gerichtlichen Kontrolle.
___________ 21 Zum umweltrechtlichen Vollzugsdefizit im Allgemeinen und zu besonderen Vollzugsdefiziten im europäischen Umweltrecht Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 19 ff. m.w.N. auch zu einschlägigen empirischen Studien. 22 Vgl. §§ 63, 64 BNatSchG, näher dazu Gellermann, in: Landmann/Rohmer, UmwR, 2010, § 64 BNatSchG, Rn. 7 ff. 23 Vgl. Referentenentwurf zum UmwRG vom 21.2.2005, Kabinetts-Nr. 151610001. 24 v. Danwitz, Zur Ausgestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei Einführung der Verbandsklage anerkannter Umweltschutzvereine nach den Vorgaben der Richtlinie 2003/35/EG und der sog. Århus-Konvention, Rechtsgutachten für den VDEW, 2005; vgl. auch ders., NVwZ 2004, 272 ff.
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III. Konsequenzen der Entscheidung 1. Rechtspolitische Reaktionen In den vor allem rechtspolitischen unmittelbaren Reaktionen auf das EuGHUrteil ist von interessierter Seite denn auch vielfach davon gesprochen worden, die neuen Klagerechte der Umweltverbände seien dazu angetan, „Investoren abzuschrecken“. 25 Insbesondere wurde beklagt, der zur Bewältigung der Energiewende notwendige Ausbau der Stromübertragungsnetze werde durch die erweiterten Klagerechte gefährdet. 26 Letzteres erscheint schon deshalb wenig plausibel, weil der Leitungsausbau als planfeststellungspflichtiges Vorhaben nach § 43 EnWG schon bislang in den Bereich der Verbandsklagerechte nach dem BNatSchG fiel. Im Übrigen ist auf die Vielzahl empirischer Studien zu verweisen, die den durchweg rationalen Gebrauch belegen, den die Umweltverbände in der Vergangenheit von ihren Klagerechten gemacht haben. 27 Umweltverbandsklagen haben zwar wiederholt zu Nachbesserungen bei umweltrelevanten Großvorhaben beigetragen. Verhindert haben sie solche Vorhaben aber bislang nicht. Ihr Effekt dürfte vor allem im Vorfeld der Genehmigungsentscheidungen angesiedelt sein. Weil und soweit die Genehmigungsbehörden mit einer gerichtlichen Kontrolle ihrer Entscheidungen rechnen müssen, werden sie auf die Einhaltung der Vorgaben des Umweltrechtes in besonderer Weise achten. 2. Unmittelbare Verbandsklagerechte Rechtliche Konsequenzen ergeben sich aus der BUND-Entscheidung des EuGH zunächst hinsichtlich der unmittelbaren Klageberechtigung der Umweltverbände, wie sie der EuGH in seinem zweiten Leitsatz ausdrücklich herausgestellt hat. Im Ausgangsverfahren wird es jetzt Sache des OVG-Münster sein, dem sich aus der Rechtsmittel-RL ergebenden Recht des BUND zur Geltendmachung der Verletzung von Art. 6 FFH-RL Rechnung zu tragen. Unmittelba___________ 25
So Karpenstein, in: JUVE/Rechtsmarkt, 6/2011, S. 72. Vgl. etwa Financial Times Deutschland vom 12.5.2011 „EuGH stärkt Umweltverbände und bedroht Energiewende“. 27 Zur tatsächlichen Nutzung der naturschutzrechtlichen Verbandsklage Koch, NVwZ 2007, 369 (372); sowie monografisch: Radespiel, Die naturschutzrechtliche Verbandsklage – Theoretische Grundlagen und empirische Analyse, 2008; zuvor bereits: Bizer/Ormond/Riedel, Die Verbandsklage im NaturschutzR, 1990; Blume/Schmidt/Zschiesche, Verbandsklagen im Umwelt- und Naturschutz in Deutschland 1997-1999, 2001; Gassner, Treuhandklage zugunsten von Natur und Landschaft: eine rechtsdogmatische Untersuchung zur Verbandsklage, 1984; Schmidt/Zschiesche/Rosenbaum, Die naturschutzrechtliche Verbandsklage in Deutschland, 2004. 26
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re Verbandsklagerechte können – solange und soweit der Bundesgesetzgeber keine Korrektur des UmwRG vorgenommen hat – auch in parallelen Verfahren Bedeutung erlangen. Die teilweise gegenläufige Rechtsprechung mancher (Ober-)Verwaltungsgerichte, die eine Erweiterung der Verbandsklagerechte durch die Richtlinie verneint hatten, wird sich jedenfalls nicht aufrechterhalten lassen. 28 3. Korrektur des Umweltrechtsbehelfsgesetzes Rechtliche Konsequenzen ergeben sich aus der BUND-Entscheidung auch für den Bundesgesetzgeber. Er muss die vom EuGH als unionsrechtswidrig beurteilten Regelungen des Umweltrechtsbehelfsgesetzes den Vorgaben der Rechtsmittel-RL anpassen. Die wohl eleganteste Lösung wäre es insoweit, die einschränkenden Worte „Rechte Einzelner begründen“ in § 2 Abs. 1 und 5 UmwRG zu streichen. Den anerkannten Umweltverbänden würde so die Möglichkeit gegeben, vor Gericht Verstöße gegen alle Rechtsvorschriften zu rügen, die dem Umweltschutz dienen. Eine Eingrenzung auf spezifisch unionsrechtliche Umweltschutznormen empfiehlt sich dabei nicht. Zwar hat der EuGH in seiner BUND-Entscheidung lediglich festgestellt, dass es den Umweltverbänden möglich sein müsse, vor Gericht die Verletzung solcher Vorschriften geltend zu machen, „die aus dem Unionsrecht hervorgegangen“ sind. Diese zurückhaltende Formulierung erklärt sich aber aus dem spezifischen Kontext der Vorlage des OVG-Münster, in der es insbesondere um die Rüge der Verletzung von Vorschriften der FFHRichtlinie ging. Über die Rügefähigkeit der Verletzung nicht unionalen Umweltrechts musste der EuGH – auch wenn das OVG-Münster mit seiner Differenzierung zwischen seinen ersten beiden Fragen eine solche Antwort zumindest nahegelegt hatte – deshalb nicht notwendigerweise mitentscheiden. Seine eingeschränkte Stellungnahme darf deshalb nicht als prinzipielle Aussage zur fehlenden Rügefähigkeit rein nationalen Umweltrechts gedeutet werden. Im Gegenteil dürfte die Rügefähigkeit, die das Unionsrecht den Umweltverbänden zubilligt, deutlich weiter gehen. Art. 10a UVP-RL und Art. 15a IVURL verfolgen insoweit nämlich einen ebenso formalen wie umfassenden Ansatz: nach beiden Bestimmungen ist der betroffenen Öffentlichkeit wie den Umweltverbänden die Möglichkeit zu geben, die „materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen [der jeweiligen …] Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten“. Die Richtlinienbestimmungen ___________ 28
Vgl. die N. o. in Fn. 10.
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gehen damit nach ihrem klaren Wortlaut von einer vollumfänglichen Rechtmäßigkeitskontrolle aller behördlichen Handlungen oder Unterlassungen aus, die sich auf Projektentscheidungen beziehen, die in den Anwendungsbereich der UVP-RL bzw. der IVU-RL fallen. Der unionsrechtliche Anknüpfungspunkt ist demnach nicht die verletzte Norm, sondern die – ihrerseits unionsrechtlich zu bestimmende – Öffentlichkeitsbeteiligungspflicht des jeweiligen Vorhabens. Muss ein Vorhaben nach UVP-RL oder IVU-RL mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden, dann unterliegt sein Ergebnis einer anschließenden umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle, die durch die Klagen der betroffenen Öffentlichkeit bzw. der Verbände initiiert werden kann. 29 Auf die – unionale oder nationale – Herkunft der Rechtmäßigkeitsmaßstäbe kommt es dann nicht mehr an. 30 Gegen dieses nach dem Wortlaut kaum abweisbare Auslegungsergebnis können – anders als dies in der Literatur vielfach angenommen wird 31 – keine kompetenzrechtlichen Bedenken geltend gemacht werden. Die kompetenziell zulässige Anknüpfung, die der Unionsgesetzgeber insoweit vorgenommen hat, liegt schon in der Verbindung von UVP- bzw. IVU-Verfahren und Rechtmäßigkeitskontrolle. Die unionsrechtlich zwingenden Verfahren wirken gewissermaßen als kompetenzielle Türöffner, die das unionsrechtliche Gebot einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle ermöglichen. Im Übrigen ist der Bundesgesetzgeber selbst dann zur Eröffnung einer materiell und verfahrensmäßig umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle verpflichtet, wenn man der hier vertretenen Auslegung der Bestimmungen der Art. 10a UVP-RL bzw. Art. 15a IVU-RL aus Gründen der Kompetenzverteilung zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten nicht folgt. Die entsprechende Verpflichtung ergibt sich nämlich bereits aus den insoweit wortgleichen Bestimmungen der Aarhus-Konvention. Für die aus diesem völkerrechtlichen Vertrag folgenden Verpflichtungen gelten keine kompetenzrechtlichen Grenzen. Die Bundesrepublik Deutschland ist als Vertragspartei der Aarhus-Konvention also jedenfalls verpflichtet, eine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle für die nach der Konvention öffentlichkeitsbeteiligungspflichtigen Verfahren einzuführen. Eine Eingrenzung des Kontrollmaßstabs auf Normen unionsrechtlicher Herkunft würde diesen völkerrechtlichen Vorgaben widersprechen. ___________ 29
Hierfür spricht auch die ausdrückliche Feststellung des EuGH in der BUNDEntscheidung (Rn. 37), nach der „Art. 10a Abs. 1 der Richtlinie 85/337 bestimmt, dass es möglich sein muss, Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen im Sinne dieses Artikels zum Gegenstand eines gerichtlichen Überprüfungsverfahrens zu machen, um ‚die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit … anzufechten‘, ohne dass er in irgendeiner Weise die Gründe beschränkt, die zur Stützung eines entsprechenden Rechtsbehelfs vorgebracht werden können.“ (Hervorhebung nur hier). 30 In diesem Sinne auch SAntr. GA Sharpston, verb. Rs. C-128-131 und C-134135/09, vom 19.5.2011 – Boxus und Roua, Rn. 95. 31 Vgl. etwa: Schwerdtfeger, EuR 2011 (i.E.).
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Um weitere Verurteilungen in Folgeverfahren zu vermeiden, sollte der Bundesgesetzgeber daher nicht nur die Beschränkung auf Normen, die Rechte Einzelner begründen, sondern auch auf Normen, die dem Umweltschutz dienen, entfallen lassen. Auch für eine solche Einschränkung finden sich nämlich weder in der Aarhus-Konvention noch in den durch die Rechtsmittel-Richtlinie neu gefassten Bestimmungen der UVP-RL und der IVU-RL hinreichende Anhaltspunkte. 32 Auch hier gilt: die umweltschutzrelevante Anknüpfung haben der Richtliniengeber wie die Vertragsparteien der Konvention bereits durch die Beschränkung der Klagerechte auf die besonders umweltrelevanten Genehmigungsverfahren vorgenommen. Die aus ihnen hervorgehenden besonders umweltrelevanten Genehmigungsentscheidungen sind dann aber einer umfänglichen Rechtmäßigkeitskontrolle unterworfen.
IV. Ausblick auf die weitere Entwicklung Auch mit der BUND-Entscheidung ist demnach nur ein vorläufiger Höhepunkt in der Entwicklung hin zu einer internationalrechtlich und unionsrechtlich angeleiteten Erweiterung der Klagerechte im Umweltrecht erreicht. In der nächsten Zeit sind eine Reihe weiterer Klärungen und Auseinandersetzungen zu erwarten. 1. Rechtsschutz nach Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention? Schwierige Fragen wirft derzeit schon der Umgang mit Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention auf. Die Vorschrift enthält Vorgaben für den umweltrechtlichen Rechtsschutz außerhalb der besonders umweltrelevanten Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Allerdings gelten ihre Anforderungen nur für „Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen“. Diese Bestimmung wird ganz überwiegend dahin verstanden, dass sie es den Vertragsstaaten erlaube, den Rechtsschutz jenseits der Klagen gegen besonders umweltrelevante Projekte von einschränkenden Bedingungen abhängig zu machen. Die schutznormtheoretischen Beschränkungen des deutschen Rechts sollen hiervon jedenfalls nach dem Verständnis des Bundesgesetzgebers gedeckt sein. 33 Für Aufsehen hat deshalb die unlängst ergangene Entscheidung des EuGH zum Schutz des Braunbären in der ___________ 32 A.A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, 280 f. 33 Vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zum AarhusÜbereinkommen, BT Drs. 16/2497, S. 46.
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Slowakei gesorgt. Zwar verneint auch der EuGH eine unmittelbare Wirkung des Art. 9 Aarhus-Konvention. Zugleich hat er aber die Gerichte der Mitgliedstaaten aufgefordert, ihr nationales „Verfahrensrecht in Bezug auf die Voraussetzungen, die für die Einleitung eines verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Überprüfungsverfahrens vorliegen müssen, so weit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 dieses Übereinkommens als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen, um es […] Umweltschutzvereinigung[en …] zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten.“ 34 Die Entscheidung ist auf ein sehr geteiltes Echo gestoßen. 35 Zweifelhaft erscheint hier insbesondere die Herleitung der unionalen Kompetenz zur Entwicklung solcher Vorgaben für die Auslegung des nationalen Verfahrensrechts. Hinsichtlich des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention fehlt es nämlich bislang an einer Umsetzung in das Recht der Union. Nach den Regeln über die geteilte Kompetenz im Umweltrecht und über die sog. gemischten völkerrechtlichen Abkommen dürfte die Umsetzung des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention derzeit noch in die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. Die gegenläufige Argumentation des EuGH vermag daran – ohne dass dies hier vertieft werden könnte – nichts zu ändern. 36 2. Aarhus-Konventionsvorgaben für den Rechtsschutz vor den EU-Gerichten? Bemerkenswert ist im Zusammenhang mit den Rechtschutzanforderungen der Aarhus-Konvention auch die Entscheidungspraxis des sog. Compliance Committee (Ausschuss zur Überwachung der Einhaltung der AarhusKonvention), das die Vertragsstaaten als Instrument der Selbstkontrolle eingerichtet haben. 37 Hier lässt sich auf vergleichsweise bescheidener völkerrechtlicher Rechtsgrundlage die Entstehung einer gerichtsähnlichen Institution beobachten, die in jüngeren Entscheidungen durchaus weitreichende Aussagen ge___________ 34
EuGH, Rs. C-240/09, Urt. vom 8.3.2011 – Lesoochranárske zoskupenie VLK, Ls. Eher zustimmend: Schlacke, ZUR 2011, 312 ff.; sehr kritisch dagegen: Jans, Who is the Referee? Access to Justice in a Globalised Legal Order: A Case Analysis of ECJ Judgment C-240/09 Lesoochranárske Zoskupenie of 8 March 2011, http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1834102. 36 Ebenso mit deutlich vertiefter Argumentation Jans, (o. Fn. 35). 37 Zu finden sind die entsprechenden Entscheidungen unter http://www.unece.org/env/pp/ccDocuments.htm. 35
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troffen hat. 38 Hingewiesen sei insoweit vor allem auf die Entscheidung des Compliance Committee, die die Rechtsprechung des EuGH zur Klagebefugnis nach Art. 263 Abs. 4 AEUV als zu restriktiv und potentiell konventionswidrig einstuft. 39 Die hier kritisierte „Plaumann“-Rechtsprechung des EuGH ist auch unionsintern Gegenstand kritischer Auseinandersetzungen. Die völkerrechtlichinstitutionelle Kritik an ihr gibt dem entsprechenden Streit aber eine neue Dimension. Ob das scheinbar so naheliegende Verlangen nach einer Ausweitung der Individualklagerechte gem. Art. 263 Abs. 4 AEUV in mehr als nur in Randbereichen überzeugt, erscheint aber schon bei unionsrechtlicher Betrachtung zweifelhaft. Auch wenn er mit teilweise untauglichen Mittel erfolgt, so ist der Grundansatz des EuGH, einen primär dezentralen Rechtsschutz im Unionsrecht unter Einbindung der nationalen Gerichte zu sichern, doch grundsätzlich überzeugend. 40 Eine Korrektur dieser Grundentscheidung für den dezentralen Rechtsschutz im Unionsrecht auf der Grundlage einer völkerrechtlichen Regelung mit lediglich sektoralem Geltungsbereich erzwingen zu wollen, erscheint wenig überzeugend. 3. Rechtsmittel-RL und Individualrechtsschutz Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Diskussion um den Rechtsschutz im Umweltrecht auch mit Blick auf die Klagerechte Einzelner noch längst nicht am Ende angelangt ist. Hinsichtlich der Normen des unionalen Umweltrechts definiert insoweit letztlich der EuGH deren Klagefähigkeit vor den nationalen Gerichten. Seine einschlägige Rechtsprechung war in der Vergangenheit von einem gegenüber dem überkommenen deutschen Schutznormverständnis durchweg großzügigeren Herangehen geprägt. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Rechtsprechung unter der Geltung der vom Unionsgesetzgeber in der Rechtsmittel-Richtlinie übernommenen Vorgaben der AarhusKonvention weiter entwickeln. Wird die hier normierte grundsätzliche Toleranz gegenüber der dem deutschen Rechtsschutzmodell entsprechenden Ver___________ 38 Hingewiesen sei an dieser Stelle auch darauf, dass die Fragen nach der Vereinbarkeit des UmwRG mit den Vorgaben der Aarhus-Konvention auch Gegenstand eines beim Compliance Committee anhängigen Verfahrens gegen Deutschland sind, vgl. Az. Nr. ACCCC/C/2008/31, http://www.unece.org/env/pp/compliance/Compliance % 20 Committee/31TableGermany.htm. Das Committee hatte das Verfahren aber einstweilen bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt. 39 Report of the Compliance Committee, Findings and recommendations with regard to communication ACCC/C/2008/32 (Part I) concerning compliance by the European Union, adopted on 14. April 2011, http://www.unece.org/env/pp/compliance/CC32/ece.mp.pp.c.1.2011.4.add.1.edited.adv%20copy.pdf. 40 Vgl. zu diesem Komplex Wegener, EuR 2008, Beiheft 3, 45 (47 ff. m.w.N.).
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letztenklage die Rechtsprechung des EuGH beeinflussen? 41 Einstweilig ist dies noch nicht abzusehen. Im Übrigen zeigen sich aber auch in der jüngeren Rechtsprechung des EuGH Grenzen der Klagefähigkeit einzelner Normen. Der EuGH entwickelt und diskutiert diese Grenzen aber bislang noch nicht unter der aus dem deutschen Kontext vertrauten schutznormtheoretischen Begrifflichkeit. Im Mittelpunkt stehen vielmehr Überlegungen zur Bestimmtheit und Unbedingtheit der sich aus der jeweiligen Norm ableitenden Verpflichtungen. So hat der EuGH unlängst in der Sache Stichting Natuur en Milieu entschieden, dass Art. 4 der NEC-Richtlinie, der nationale Höchstmengen für den Ausstoß bestimmter Luftschadstoffe vorschreibt, für sich genommen zu unbestimmt sei, um aus ihm ein individuelles Klagerecht gegen die Zulassung einzelner Anlagen abzuleiten. 42
V. Fazit Die BUND-Entscheidung des EuGH ist das zäsursetzende Grundurteil, das die Klagerechte der Umweltverbände entscheidend stärkt. Der Bundesgesetzgeber muss dessen Vorgaben in einem umfassenden Sinne in das nationale Recht überführen. Vor einem erneuter Versuch einer allzu restriktiven Umsetzung der völkerrechtlichen und unionsrechtlichen Vorgaben ist dabei dringend abzuraten. Einstweilen sind die deutschen Verwaltungsgerichte aufgerufen, die unmittelbare Wirkung der Klagerechte der Umweltverbände sicherzustellen. Angesichts einer Vielzahl offener Fragen bleibt die Diskussion um den Rechtsschutz im Umweltrecht und darüber hinaus aber weiter spannend.
___________ 41
Näher dazu Wegener, Rechtsschutz im europäischen (Umwelt-)Recht – Sekundärund richterrechtliche Bausteine einer gemeinschaftlichen Dogmatik, in: Hendler/Marburger/Reiff/Schröder (Hrsg.), Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts (UTR 98), 2008, S. 319 (347 ff.). 42 EuGH, verb. Rs.-C-165-167/09, Urt. vom 26.5.2011 (Stichting Natuur en Milieu – NEC), Rn. 92 ff.
Rechtsschutz gegen Unterlassungen nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Von Franziska Heß
I. Einleitung Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) vom 7. Dezember 2006 1 Regelungen über den Zugang zu Gericht sowohl für Umweltverbände als auch für Privatpersonen im Bereich des Umweltrechts geschaffen. Das Gesetz dient der Umsetzung von Art. 3 Nr. 7 und Art. 4 Nr. 4 der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten 2 . Diese Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie wiederum überführt die internationalen Vorgaben des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten“ vom 25.06.1998 (Aarhus-Konvention) 3 in Gemeinschaftsrecht. Der Einfluss der internationalen und gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auf die deutsche Rechtsordnung war bereits ausführlich Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzungen, 4 glei___________ 1
BGBl. I S. 2816 – im Folgenden UmwRG. ABl. EU Nr. L 156 S. 17 – im Folgenden Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie. 3 Abgedruckt in NVwZ 2001, Beil. III/2001. 4 Siehe aus der Fülle der Literatur nur Steinbeiß-Winkelmann, Europäisierung des Verwaltungsrechtsschutzes, NJW 2010, 1233 ff.; Ziekow, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Rechtsschutzes, NVwZ 2007, 259 ff.; Alleweldt, Verbandsklage und gerichtliche Kontrolle von Verfahrensfehlern: Neue Entwicklungen im Umweltrecht – Zum Einfluss der Aarhus-Konvention und der Richtlinie 2003/35/EG auf die deutsche Rechtsordnung, DÖV 2006, 621 ff.; speziell zur Aarhus-Konvention ausführlich Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention – Zugleich ein Beitrag zur Fortentwicklung der subjektiven öffentlichen Rechte unter besonderer Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts, Tübingen 2
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ches gilt für die Vereinbarkeit der deutschen Umsetzungsvorschriften mit dem zu Grunde liegenden Gemeinschaftsrecht. 5 Die Diskussion konzentrierte sich dabei bisher vor allem auf die Reichweite der Rügebefugnis von Umweltverbänden und hier insbesondere auf die in § 2 Abs. 1 und Abs. 5 UmwRG vorgesehene Beschränkung der rügefähigen Normen auf Rechtsvorschriften, die Rechte Einzelner begründen. 6 Auch die Vorschrift des § 4 UmwRG hat im wissenschaftlichen Schrifttum eine erhöhte Aufmerksamkeit erfahren. 7 Ein wahres Schattendasein führt hingegen bisher die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG, wonach das Gesetz auch dann Anwendung findet, wenn entgegen geltender Rechtsvorschriften keine Entscheidung nach Satz 1 getroffen worden ist, also ein Fall des Unterlassens vorliegt. Speziell zu den hiermit verbundenen Rechtsfragen liegen soweit erkennbar noch keine wissenschaftlichen Äußerungen vor. Der vorliegende Beitrag möchte sich deshalb der Problematik des Rechtsschutzes gegen Unterlassungen nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz annehmen und hierbei insbesondere eine Systematisierung der denkbaren Konstellationen leisten und deren rechtliche Behandlung näher beleuchten.
___________ 2010; zum Gemeinschaftsrecht ausführlich Dünchheim, Verwaltungsprozessrecht unter europäischen Einfluss, Berlin 2003. 5 Siehe z.B. Appel, Die Erweiterung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten – Anmerkungen zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, ZUR 2009, 115 ff.; Genth, Ist das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz europarechtskonform?, NuR 2008, 28 ff.; Kment, Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und seine Bedeutung für das UVPG – Rechtsschutz des Vorhabenträgers, anerkannter Vereinigungen und Dritter, NVwZ 2007, 274 ff.; Gellermann, Europäisierte Klagerechte anerkannter Umweltverbände, NVwZ 2006, 7 ff.; Ziekow, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Rechtsschutzes, NVwZ 2007, 259 ff.; ein guter Überblick findet sich bei Kment, in: Hoppe (Hrsg.), UVPG, 3. Aufl. 2007, Vorbemerkungen, Rn. 74 ff. 6 Vgl. dazu insbesondere die Beiträge von Genth, Ist das neue UmweltRechtsbehelfsgesetz europarechtskonform?, NuR 2008, 28 (29 ff.); Ewer, Ausgewählte Rechtsanwendungsfragen des Entwurfs eines Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes, NVwZ 2007, 267 (272 f.); Schumacher, Umweltrechtsbehelfsgesetz, UPR 2008, 13 (17); mittlerweile ist diese Debatte durch das Urteil des EuGH vom 12.5.2011, C-115/09 (abrufbar unter www.europa.eu) überwiegend im Sinne der Kritiker geklärt, da der EuGH die Beschränkung der Rügebefugnis von Umweltverbänden auf Vorschriften, die Rechte Einzelner begründen, für gemeinschaftsrechtswidrig erklärt hat. 7 Siehe hierzu Ziekow, Von der Reanimation des Verfahrensrechts, NVwZ 2005, 263 (265); von Schwanenflug/Strohmayr, Rechtsschutz von Kommunen gegen UVPpflichtige Vorhaben – Änderungen durch die Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie der EG?, NVwZ 2006, 395 (399); Schlacke, Zur Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach § 4 UmwRG, ZUR 2009, 80 (81 f.); Schmidt/Kremer, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und der „weite Zugang zu Gerichten“ – zur Umsetzung der auf den Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten bezogenen Vorgaben der sogenannten Öffentlichkeitsrichtlinie 2003/35/EG, ZUR 2007, 57 (62).
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II. Regelungen über Rechtsschutz gegen Unterlassungen im internationalen und supranationalen Recht Die für das zu besprechende Thema relevanten Regelungen über Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten ergeben sich wie bereits angesprochen zunächst aus denen internationalen und supranationalen Grundlagen des UmweltRechtsbehelfsgesetzes und damit aus der Aarhus-Konvention sowie der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie, die nahezu identische Bestimmungen über den Rechtsschutz gegen Unterlassungen enthalten. 1. Aarhus-Konvention Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention lautet: „Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, (a) die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ (b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsprozessrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Artikel 6 und – sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 – sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.“
Eine Erläuterung dieser Anforderung der Einräumung eines Zugangs zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle speziell in Bezug auf die Fälle des Unterlassens erfolgt nicht. Insoweit sind auch dem rechtlich ohnehin unverbindlichen Implementation Guide keine konkreten Hinweise zu entnehmen. 8 2. Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie Die Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie greift dieses Erfordernis der Aarhus-Konvention an mehreren Stellen auf. In Erwägungsgrund 9 wird ausge___________ 8
Vgl. United Nations, The Aarhus Convention: An Implementation Guide, New York and Geneva 2000, S. 118, 123 ff., 128 ff.
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führt, dass Artikel 9 Absätze 2 und 4 des Aarhus-Übereinkommens Bestimmungen über den Zugang zu gerichtlichen oder anderen Verfahren zwecks Anfechtung der materiell- und verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen in Fällen, in denen gemäß Artikel 6 des Übereinkommens eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist, vorsieht. Art. 10a, der über Art. 3 Nr. 7 der Richtlinie 2003/35/EG in die Richtlinie 85/337/EWG (UVP-Richtlinie) 9 eingefügt wurde, ordnet an: „Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die a) ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.“
Art. 15a der Richtlinie 96/61/EG ist insoweit wortgleich. 10 Beide Regelungen verlangen damit letztlich wörtlich übereinstimmend mit den Anforderungen der Aarhus-Konvention eine gerichtliche Überprüfung auch von Unterlassungen.
III. Nationale Umsetzung der internationalen und supranationalen Vorgaben § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG legt zunächst positiv fest, auf welche Arten von behördlichen Entscheidungen das UmwRG Anwendung findet. Dies sind alle Entscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann, sowie Genehmigungen für Anlagen, die nach der Spalte 1 des Anhangs der Verordnung ___________ 9 Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. EG Nr. L 175, S. 40, zuvor geändert durch Richtlinie 97/11/EG vom 3.3.1997, ABl. EG Nr. L 73, S. 5. 10 Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24.9.1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABl. EG Nr. L 257, S. 26.
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über genehmigungsbedürftige Anlagen einer Genehmigung bedürfen, Entscheidungen nach § 17 Abs. 1a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, Erlaubnisse nach § 8 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes für Gewässerbenutzungen, die mit einem Vorhaben im Sinne der IVU-Richtlinie verbunden sind, sowie Planfeststellungsbeschlüsse für Deponien nach § 31 Abs. 2 des Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetzes. Nach dem für die hier besprochene Problematik ausschlaggebenden § 1 Abs. 1 S. 2 UmwRG findet das Gesetz auch dann Anwendung, wenn entgegen geltender Rechtsvorschriften keine Entscheidung nach Satz 1 getroffen wurde. § 2 Abs. 1 und 5 UmwRG als zentrale Regelungen der Rechtsbehelfe anerkannter Vereinigungen greifen die Befugnis zur gerichtlichen Überprüfung von Unterlassungen ebenfalls auf. Hinter der zunächst recht schlicht anmutenden Aussage des § 1 Abs. 1 S. 2 UmwRG verbergen sich doch ganz erhebliche Auslegungsschwierigkeiten und vor allem Folgefragen, bei denen durchaus Zweifel angebracht sind, ob diese seitens des Gesetzgebers umfassend bedacht wurden. Im Folgenden sollen die praktisch denkbaren Konstellationen aufgezeigt und für diese jeweils Lösungsmöglichkeiten entwickelt werden.
IV. Anwendungsfälle von § 1 Abs. 1 S. 2 UmwRG Eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG wurde zunächst dann im Sinne des S. 2 nicht getroffen, wenn seitens der Behörde entgegen der geltenden Rechtsvorschriften ein anderes Verfahren für die Zulassung eines Vorhabens gewählt wurde. Hierhin gehören z.B. diejenigen Fälle, in denen anstatt eines an sich gebotenen Planfeststellungsverfahrens ein Plangenehmigungsverfahren durchgeführt wurde. Diese Konstellationen werden vor allem im zum UmwRG bereits vorzufindenden Schrifttum angesprochen. 11 In der Gesetzesbegründung 12 heißt es darüber hinaus: „Vom Anwendungsbereich sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 auch Rechtsbehelfe erfasst, die darauf gerichtet sind, dass das jeweilige Zulassungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen, aber im Einzelfall unter Verstoß gegen Rechtsvorschriften nicht durchgeführt worden ist. Dies kommt beispielsweise in Betracht bei Errichtung und Betrieb eines Vorhabens oder einer Anlage ohne vorherige Durchführung eines Zulassungsverfahrens oder bei einer vermeintlich zulässigen Änderung eines Vorhabens
___________ 11
Vgl. Schumacher, Umweltrechtsbehelfsgesetz, UPR 2008, 13 (17); Schlacke, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, NuR 2007, 8 (10). 12 Vgl. BT-Drs. 16/2495, S. 10.
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solch einer Anlage auf Grund einer Anzeige anstelle einer behördlichen Zulassungsentscheidung.“
Es kann folglich danach differenziert werden, ob eine behördliche Zulassungsentscheidung aufgrund des falschen Zulassungsverfahrens getroffen wurde oder ob ein Zulassungsverfahren oder eine gerichtlich angreifbare behördliche Zulassungsentscheidung vollständig unterlassen wurde. Diese beiden Situationen, also „Unterlassen des richtigen Zulassungsverfahrens bzw. der richtigen Zulassungsentscheidung“ und „vollständiges Unterlassen eines Zulassungsverfahrens bzw. einer Zulassungsentscheidung“ sollen im Folgenden getrennt betrachtet werden, da diese unterschiedliche Fragen und Probleme aufwerfen. 1. Wahl des falschen Zulassungsverfahrens bzw. der falschen Zulassungsentscheidung Nur scheinbare Besonderheiten weisen zunächst diejenigen Fälle auf, in denen zwar eine behördliche Entscheidung getroffen wurde, aber eben entgegen geltender Rechtsvorschriften keine solche nach § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG. Damit werden diejenigen Fälle erfasst, in denen die Behörde durch Wahl eines anderen Verfahrens eine nicht unter den Anwendungsbereich des UmwRG fallende Entscheidung trifft und dadurch die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit ausschließt. Als Beispielsfall kann die Durchführung eines Plangenehmigungsverfahrens anstatt eines Planfeststellungsverfahrens angeführt werden. 13 In diesem Fall hat es ein behördliches Verfahren gegeben, dass seinen Abschluss auch in einem konkreten Verwaltungsakt gefunden hat, der nunmehr mit der Behauptung, er sei mangels Durchführung des „richtigen“ Genehmigungsverfahrens – mit entsprechender Öffentlichkeitsbeteiligung – rechtswidrig, von einem Dritten mit einer Anfechtungsklage gerichtlich angegriffen werden kann. Ein Blick auf die vor Erlass des UmwRG geltende Rechtslage und Rechtsprechung zeigt, dass insoweit zusätzlich danach unterschieden werden musste, wer Rechtsschutz gegen die im falschen Verfahren erteilte Zulassungsentscheidung nachsucht. a) Bisherige Rechtslage und Rechtsprechung zu Naturschutzvereinen Die rechtlichen Grundlagen, die den Umfang der Beteiligungsrechte eines Naturschutzvereins bestimmen, hat das BVerwG bereits in seinem Urteil vom ___________ 13
So Schumacher, Umweltrechtsbehelfsgesetz, UPR 2008, 13 (17); Schlacke, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, NuR 2007, 8 (10).
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31.10.1990 zu § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG a.F. 14 entwickelt. Danach ergibt sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zielsetzung dieser Beteiligungsvorschrift, das Gewicht der Naturschutzbelange in Planfeststellungsverfahren zu stärken, nicht nur eine objektiv-rechtliche Pflicht der zuständigen Behörde, die anerkannten Naturschutzvereine in einem (eingeleiteten) Planfeststellungsverfahren zu beteiligen, sondern ein selbstständig durchsetzbares, subjektiv-öffentliches Recht des Vereins auf Beteiligung am Verfahren, das unabhängig vom Bestehen eigener materieller Rechte des Vereins ist. Das BVerwG hat diesbezüglich klargestellt, dass ein Naturschutzverein allein unter Berufung auf seine unterbliebene oder unzureichende Beteiligung in einem durchgeführten Planfeststellungsverfahren die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichtlich durchsetzen könne, da nur hierdurch das Beteiligungsrecht seinen Zweck auch effektiv erfüllen könne. Anderenfalls bliebe die Verletzung des dem Verein zustehenden Beteiligungsrechts letztlich sanktionslos. 15 Nach der Qualifizierung des Beteiligungsrechts als originär den Naturschutzvereinen zustehende Rechtsposition hat das BVerwG den Vereinen auch dann ein Klagerecht eingeräumt, wenn dieses Beteiligungsrecht durch die Wahl einer anderen Verfahrensart umgangen wurde. Diese als Umgehungsrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bekannt gewordene Judikatur geht maßgeblich auf ein Urteil vom 14.05.1997 zurück. 16 In dieser Entscheidung hat das Gericht angenommen, das Beteiligungsrecht eines Naturschutzvereins werde auch dann verletzt, wenn die Zulassungsbehörde ein an sich gebotenes Planfeststellungsverfahren umgehe, wobei eine Umgehung insbesondere dann vorliege, wenn die Zulassungsbehörde eine Rechtsbeeinträchtigung Dritter ignoriert, bewusst in Kauf genommen oder grob fahrlässig übersehen habe, um das Planfeststellungsverfahren zu vermeiden. Die aus dem Urteil noch ableitbare Beschränkung der Anfechtbarkeit auf diejenigen Fälle einer der Sache nach rechtsmissbräuchlichen Umgehung der Planfeststellung und damit eines Verfahrens mit Beteiligungsrecht des Vereines wurde in späteren Entscheidungen ausdrücklich aufgegeben. 17 Ein anerkannter Naturschutzverein kann deshalb nach § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG a.F. bzw. § 63 BNatSchG n.F. auch dann nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung Rechtsbehelfe einlegen, wenn er nicht in eigenen Rechten verletzt ist. Eine solches Antragsrecht kommt nach ständiger Rechtsprechung auch der ___________ 14
BVerwG, Urt. vom 31.10.1990, 4 C 7/88 – abgedruckt in BVerwGE 87, 62 – juris Rn. 24 ff. 15 Vgl. BVerwG, Urt. vom 31.10.1990, a.a.O. – juris Rn. 30. 16 Vgl. BVerwG, Urt. vom 14.5.1997, 11 A 43/96 – abgedruckt in BVerwGE 104, 367 – juris Rn. 25 ff. 17 Vgl. z.B. Urt. vom 07.12.2006, 4 C 16/04, BVerwGE 127, 208 – juris Rn. 15 f.
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Fachgerichte 18 auch dann in Betracht, wenn sich eine Behörde zu Unrecht dafür entschieden hat, von einem Planfeststellungsverfahren abzusehen und das Vorhaben in einem anderen Verfahren – ohne Beteiligung von Naturschutzverbänden – zuzulassen. Nach dem Normzweck des § 63 Abs. 1 BNatSchG, nämlich dem Abbau von Vollzugsdefiziten durch ein objektives Beanstandungsverfahren, ist es für das altruistische Verbandsklage- und -antragsrecht von Naturschutzverbänden letztlich ohne Belang, ob ein qualifizierter (etwa vorsätzlicher) Rechtsverstoß der jeweiligen Zulassungsbehörde vorliegt. b) Bisherige Rechtslage und Rechtsprechung zu Privatpersonen Ein derartiges selbständig durchsetzbares Beteiligungsrecht hat die Rechtsprechung bisher für sonstige Drittbetroffene, insbesondere Privatpersonen (z.B. Nachbarn) gerade nicht anerkannt. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG vermitteln Verfahrensvorschriften vielmehr grds. keine selbständig durchsetzbaren Rechtspositionen, selbst wenn das Verfahrensrecht auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beruht. Ein Verfahrensfehler wie insbesondere die Wahl eines falschen Genehmigungsverfahrens bleibt vielmehr prozessual folgenlos, wenn er nicht zugleich kausal für eine Verletzung materieller Rechtspositionen des Klägers ist. Rechtlich relevant kann nach der bisherigen Rechtsprechung die Wahl einer falschen Verfahrensart danach nur dann sein, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit besteht, dass sich der gerügte Fehler auf Abwehrrechte der Kläger ausgewirkt hat. 19 Allein infolge der Wahl eines falschen Verfahrens kann deshalb regelmäßig die Aufhebung einer Zulassungsentscheidung nicht begehrt werden, weil selbst die Verletzung etwaiger Beteiligungsrechte nur in den seltensten Fällen zugleich ursächlich für eine Verletzung materieller Rechte von Drittbetroffenen ist. c) Änderung der Rechtslage durch das UmwRG? Zu klären ist nun, inwieweit das UmwRG die soeben geschilderte bisherige Rechtslage und Rechtsprechung verändert.
___________ 18
Vgl. z.B. SächsOVG, Beschl. vom 23.1.2003, ZUR 2003, 222; VGH BadenWürttemberg, Beschl. vom 17.11.1992, NVwZ-RR 1993, 179 f.; ThürOVG, Urt. vom 2.7.2003, LKV 2004, 559 f. jeweils m.w.N. 19 Vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 – 4 C 4.94 – NVwZ 1996, 381 (387); BVerwG, Beschl. vom 5.11.2002 – 9 VR 14.02 – NVwZ 2003, 207 (209); siehe auch OVG NRW, Beschl. vom 23.3.2007 – 11 B 916/06.AK – NuR 2007, 360.
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aa) Änderungen für anerkannte Vereinigungen Soweit anerkannte Naturschutzvereine betroffen sind, gelten diese gemäß § 5 Abs. 2 UmwRG gleichzeitig auch als anerkannte Vereinigungen nach dem UmwRG. Gemäß § 2 Abs. 5 UmwRG sind Rechtsbehelfe von solchen Vereinigungen, die diese nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 UmwRG eingelegt haben, begründet, soweit das Unterlassen einer Entscheidung nach § 1 Abs. 1 gegen Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen, Rechte Einzelner begründen und für die Entscheidung von Bedeutung sind, verstößt und der Verstoß Belange des Umweltschutzes berührt, die zu den von der Vereinigung nach ihrer Satzung zu fördernden Zielen gehören. Bereits der Wortlaut dieser Bestimmung schließt es aus, dass eine anerkannte Vereinigung hiernach erfolgreich die Verletzung eines Beteiligungsrechts durch das Unterlassen eines Trägerverfahrens geltend machen kann, da hierdurch – wie soeben gezeigt – gerade keine Rechtsvorschriften verletzt werden, die Rechte Einzelner begründen, da das Verfahrensrecht selbst für den Einzelnen gerade keine subjektiv-rechtliche Wirkung entfaltet. Hinzu kommt, dass § 2 UmwRG auf materielle Vorschriften zugeschnitten sein dürfte. 20 Naheliegender erscheint es deshalb, insoweit § 4 UmwRG in den Blick zu nehmen, der mit „Fehler bei der Anwendung von Verfahrensvorschriften“ überschrieben ist. Danach kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 verlangt werden, wenn eine erforderliche UVP oder Vorprüfung des Einzelfalls über die UVPPflichtigkeit nicht durchgeführt worden und nicht nachgeholt worden ist. Eine ausdrückliche Erstreckung auf die Fälle, in denen die eigentlich erforderliche Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG zu Unrecht unterblieben ist, erfolgt nicht. ___________ 20 Beachte in diesem Zusammenhang nochmals das Urteil des EuGH vom 12.5.2011, C-115/09, Leitsatz 1, wonach Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 geänderten Fassung Rechtsvorschriften entgegensteht, die einer Nichtregierungsorganisation im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung, die sich für den Umweltschutz einsetzt, nicht die Möglichkeit zuerkennen, im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, mit der Projekte, die im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung „möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben“, genehmigt werden, vor Gericht die Verletzung einer Vorschrift geltend zu machen, die aus dem Unionsrecht hervorgegangen ist und den Umweltschutz bezweckt, weil diese Vorschrift nur die Interessen der Allgemeinheit und nicht die Rechtsgüter Einzelner schützt. Der EuGH hat insoweit der Begrenzung der Rügebefugnis von Umweltverbänden nach dem deutschen UmwRG auf solche materiellen Vorschriften, die Rechte Einzelner begründen, eine Absage erteilt.
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Fraglich ist, ob hieraus zu folgern ist, dass der Gesetzgeber die Fälle, in denen eine UVP wegen Wahl der falschen Verfahrensart unterblieben ist, von § 4 Abs. 1 UmwRG ausnehmen wollte. Hiergegen spricht bereits § 1 Abs. 1 S. 2 UmwRG, der die entsprechende Geltung des Gesetzes für die Fälle anordnet, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG entgegen geltender Rechtsvorschriften unterlassen wurde und damit gerade auch § 4 Abs. 1 UmwRG für die hier herausgearbeiteten Fälle für entsprechend anwendbar erklärt. Hinzu tritt, dass der Gesetzgeber jedenfalls das fehlerhafte Unterlassen einer an sich gebotenen UVP oder Vorprüfung des Einzelfalls als absolute Verfahrensfehler einordnen wollte, die – vorbehaltlich der Möglichkeit einer Nachholung – stets zur Aufhebung der fraglichen Genehmigung führen, ohne dass es in diesem Zusammenhang eines Eingehens auf die Frage bedarf, ob die Beschränkung auf die in § 4 Abs. 1 UmwRG genannten Fehlertypen gemeinschaftsrechtskonform ist. 21 Da die in § 4 Abs. 1 UmwRG genannten Verfahrensfehler nach dem Willen des Gesetzgebers stets beachtlich sind, kann gemäß § 4 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 2 UmwRG auch die Aufhebung der im falschen Verfahren erteilten Genehmigung verlangt werden, sofern hierdurch die Durchführung einer gebotenen UVP oder Vorprüfung des Einzelfalls unterblieben ist. Geht es hingegen um die Verletzung von Beteiligungsrechten eines Umweltvereins, die durch das BNatSchG gewährt werden, verbleibt es bei der bisherigen Rechtsprechung zur Befugnis der Naturschutzverbände, die infolge der Wahl eines falschen Verfahrens verletzten Beteiligungsrechte im Rahmen einer naturschutzrechtlichen Verbandsklage geltend zu machen. Nach überwiegender und meines Ermessens nach auch zutreffender Auffassung bestehen das Klagerecht nach dem UmwRG und das naturschutzrechtliche Verbandsklagerecht nebeneinander und schließen sich – soweit Überschneidungen bestehen – nicht gegenseitig aus 22 . bb) Änderungen für private Betroffene Für die Möglichkeit privater Drittbetroffener, das Unterlassen einer an sich notwendigen Entscheidung nach § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG gerichtlich geltend zu machen, bringt das UmwRG insofern eine Neuerung, als sich private Dritten über § 4 Abs. 3 UmwRG auch auf die in § 4 Abs. 1 UmwRG genannten Verfahrensfehler berufen können. Auch diese können damit in Verbindung mit § 1 ___________ 21
Vgl. dazu die Nachweise in Fn. 7. Vgl. dazu ausführlich Meitz, Umfang und Verhältnis der Rechtsbehelfe von Umwelt- und Naturschutzvereinigungen – die Auswirkungen der Reform 2010, ZUR 2010, 563 (567 ff.). 22
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Abs. 1 S. 2 UmwRG die Aufhebung einer im falschen Verfahren erteilten Zulassungsentscheidung verlangen, wenn eine erforderliche UVP oder Vorprüfung des Einzelfalls unterblieben ist. Das UmwRG hat damit die zuvor streitige Frage, ob sich Privatpersonen auch unabhängig von einer eigenen materiellen Rechtsbetroffenheit auf das Unterlassen einer UVP oder einer Vorprüfung des Einzelfalls berufen können, zugunsten eines entsprechenden Aufhebungsanspruchs entschieden. 2. Vollständiges Unterlassen eines Zulassungsverfahrens bzw. einer Zulassungsentscheidung Waren die Fälle des falschen Zulassungsverfahrens unter Heranziehung der bisherigen Rechtsprechung systematisch noch verhältnismäßig einfach zu lösen, stellen sich die Fälle, in denen entweder gar kein Verwaltungsverfahren durchgeführt wurde oder nur ein solches, das nicht mit einer behördlichen Zulassungsentscheidung geendet hat, als ungleich schwieriger dar. Angesprochen sind insoweit Fälle, in denen ein Vorhaben oder eine Tätigkeit ohne jegliches behördliches Zulassungsverfahren ausgeführt wird oder die Zulassung eines Vorhabens aufgrund einer Anzeige anstelle einer behördlichen Zulassungsentscheidung erfolgt. Charakteristisch ist für diese Konstellationen, dass eine unmittelbar angreifbare Behördenentscheidung gerade nicht vorliegt. Primär stellt sich hier die Frage, worauf der Rechtsschutz gegen solche „echten“ Unterlassungen eigentlich gerichtet sein kann. a) Mangelnde Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage Legt man den Wortlaut sowohl der Aarhus-Konvention als auch der Richtlinie 2003/35/EG zugrunde, ist jeweils von der „Anfechtung“ von Unterlassungen die Rede. Allerdings ist diese Wortwahl letztlich dem allgemeinen Sprachgebrauch geschuldet und verlangt lediglich, dass eine gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit von Unterlassungen zur Verfügung gestellt wird, ohne eine bestimmte Art des Rechtsschutzes vorzugeben. Überträgt man dies in Begrifflichkeiten des deutschen Verwaltungsprozessrechts, wird unmittelbar deutlich, dass eine Anfechtung im engeren Sinne des § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO und damit eine Anfechtungsklage nicht gemeint sein kann, da ja gerade kein anfechtbarer Verwaltungsakt vorliegt, dessen Aufhebung begehrt werden könnte. Die Fälle, in denen die Aufstellung eines Bebauungsplans unterlassen wurde, werden praktisch nur selten auftreten und sollen deshalb im Folgenden außer Betracht gelassen werden.
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b) Durchsetzung der Verpflichtung zur Einleitung eines Verfahrens nach § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG im Wege einer Verpflichtungsklage Fraglich ist deshalb, ob das UmwRG hier das Recht verleihen will, eine Verpflichtung zur Einleitung eines Zulassungsverfahrens i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG gerichtlich durchzusetzen. In Betracht käme insoweit entweder die Erhebung einer Verpflichtungsklage oder aber einer Leistungsklage. Gegen eine Verpflichtungsklage spricht bereits, dass mit dieser regelmäßig der Erlass eines konkreten Verwaltungsaktes erstrebt wird, auf den der jeweilige Kläger auch einen Anspruch haben muss. In den nach dem UmwRG denkbaren Konstellationen geht es dem Kläger hingegen regelmäßig nicht um den Erhalt der Sachentscheidung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG, auf deren Erteilung er ganz offensichtlich auch keinen Anspruch hat und zwar unabhängig davon, ob ein Umweltverband oder ein privater Drittbetroffener einen Rechtsbehelf einlegt. Der hier von Klägerseite erhobene Vorwurf ist vielmehr vorrangig verfahrensbezogen: Mit dem Unterlassen des Trägerverfahrens wurde zugleich eine an sich erforderliche UVP oder Vorprüfung des Einzelfalls versäumt, es wurden ggf. gleichzeitig Mitwirkungsrechte des Klägers verletzt und es wurde versäumt, ein bestimmtes Vorhaben oder eine bestimmte Tätigkeit anhand umweltbezogener Rechtsvorschriften materiell-rechtlich zu überprüfen. Dem Kläger geht es folglich darum, diese Versäumnisse einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen, mit einer Verpflichtungsklage auf Erlass einer Entscheidung nach § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG ist ihm folglich nicht gedient. Dies gilt auch für eine Verpflichtungsklage in Form der Verbescheidung. c) Durchsetzung der Verpflichtung zur Einleitung eines Verfahrens nach § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG im Wege einer Leistungsklage Erwogen werden muss daher die Möglichkeit einer Leistungsklage und zwar gerichtet auf Einleitung eines Trägerverfahrens nach § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG, in dem die bisher versäumten Handlungen (Durchführung einer UVP oder Vorprüfung des Einzelfalls, Beteiligung des Klägers und materiell-rechtliche Überprüfung des Vorhabens oder der Tätigkeit) nachgeholt werden. Aber auch diese Variante stellt sich bei näherer Betrachtung als nicht unproblematisch dar. So sind die in § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG genannten Entscheidungsverfahren in der Regel antragsabhängig. Die Vorhabensträger sind vorwiegend Privatpersonen, sodass eine Leistungsklage gegen die jeweils für den Erlass einer Entscheidung nach § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG zuständigen Behörde gerichtet auf Einleitung des hierfür notwendigen Trägerverfahrens voraussetzen würde, dass eine entsprechende Befugnis der Behörde besteht, die für die
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Ingangsetzung des Verfahrens notwendige Antragstellung verbindlich vorzuschreiben und gleichzeitig hierauf ein entsprechender Anspruch des Klägers besteht. Eine entsprechende spezialgesetzliche behördliche Befugnis zur verpflichtenden Aufgabe einer Antragstellung wird zwar nur in den seltensten Fällen bestehen 23 , praktisch betrachtet verfügt die Behörde aber ob ihrer Aufsichtsbefugnisse und damit der Möglichkeit, ggf. die Einstellung des bisher ungenehmigten Betriebs anzuordnen, über wirksame Möglichkeiten, den Betreiber einer Anlage zu einer entsprechenden Antragstellung zu bewegen. Zweifelhaft ist aber, ob Dritte dies im Sinne der Geltendmachung eines subjektivöffentlichen Rechts verlangen können. Hierbei ist wiederum danach zu differenzieren, wer einen entsprechenden Anspruch geltend macht. aa) Privatpersonen An dieser Stelle lohnt ein Blick auf die bisher geltende Rechtsprechung. So hat der 4. Senat des BVerwG bereits im Jahre 1980 für das Fernstraßenrecht entschieden, dass die durch den Ausbau einer Bundesfernstraße betroffenen Dritten weder gegenüber dem Träger der Straßenbaulast noch gegenüber der Planungsfeststellungsbehörde einen Rechtsanspruch auf Einleitung und Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens haben. 24 Wird ein Vorhaben vielmehr ohne die erforderliche Planfeststellung oder sonstige Genehmigung errichtet oder betrieben, sind Dritte auf Abwehr-Beseitigungsansprüche oder Folgenbeseitigungsansprüche beschränkt. Derartige Ansprüche setzen regelmäßig voraus, dass in deren materiellen Rechte durch ein rechtswidrig ohne Planfeststellung oder sonstige Genehmigung ausgeführtes Vorhaben eingegriffen wird. bb) Umweltverbände Für Umweltverbände liegt – soweit ersichtlich – diesbezüglich noch keine einschlägige Rechtsprechung vor. Das BVerwG hatte in der in Bezug genommenen Entscheidung für die Verneinung eines subjektiven Rechts auf Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens darauf abgestellt, dass die Vorschriften des fernstraßenrechtlichen Plan___________ 23 Vgl. zum Erfordernis einer besonderen gesetzlichen Regelung nur Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 22 Rn. 22a. Bejahend für die Regelung in § 176 BauGB BVerwG, Urt. vom 15.2.1990, 4 C 41/87, abgedruckt in BVerwGE 84, 335 – juris Rn. 49 ff.; zur zwangsweisen Durchsetzung BVerwG, Urt. vom 15.2.1990, 4 C 45/87, abgedruckt in BVerwGE 84, 354. 24 Vgl. BVerwG, Urt. vom 22.2.1980, IV C 24.77, abgedruckt in DÖV 1980, 16 ff., Leitsatz 1 – juris.
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feststellungsverfahrens über die Beteiligung planbetroffener privater Dritter schon keine selbständig durchsetzbaren subjektiv-rechtlichen Rechtspositionen innerhalb des Verfahrens vermitteln, sodass sich aus ihnen erst recht kein Anspruch privater Dritter auf Tätigwerden der Planfeststellungsbehörde herleiten lasse, wenn der Träger der Straßenbaulast ein Planfeststellungsverfahren rechtswidrig nicht einleite. 25 Gleiches gelte für einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein in diese Richtung gehendes Begehren eines privaten Dritten. Da wie oben ausgeführt, für Naturschutzverbände ein selbständig durchsetzbares Beteiligungsrecht anerkannt ist, könnte überlegt werden, diesen insofern auch einen Anspruch auf Einleitung eines Verfahrens zuzubilligen. Hierfür spricht, dass Naturschutzverbände ohnehin die Aufhebung einer ohne ihre Beteiligung ergangenen Entscheidung verlangen können, wobei sich in der Praxis regelmäßig ein neues Verfahren unter Nachholung der versäumten Beteiligung anschließt. Besteht ein Anspruch schon in einem Fall, in dem zumindest ein Verfahren mit dem Ergebnis einer Zulassungsentscheidung, wenn auch unter Missachtung eines Beteiligungsrechts, durchgeführt wurde, muss dies – so könnte erwogen werden – erst recht gelten, wenn gar kein Zulassungsverfahren erfolgt ist. Zu sehen ist freilich, dass das jeweilige Rechtsschutzziel durchaus unterschiedlich ist, da in der zuerst genannten Konstellation ein Verwaltungsakt vorliegt, dessen Aufhebung zwar beansprucht werden kann, in deren Folge aber die Nachholung der versäumten Verfahrenshandlung im Ermessen der zuständigen Behörde steht. Will sie den Verwaltungsakt noch einmal wirksam erlassen, muss sie das Versäumnis ausräumen oder aber anderenfalls auf den Verwaltungsakt verzichten. In der hier nun interessierenden Konstellation des vollständigen Unterlassens wäre die Verpflichtung der Behörde insofern weitergehend, als dieser zwingend die Durchführung eines Zulassungsverfahrens vorgeschrieben wird. Es bestehen deshalb aus meiner Sicht Zweifel an der Zulässigkeit des genannten Erst-Recht-Schlusses. 26 ___________ 25
Vgl. BVerwG, a.a.O., juris Rn. 30 unter Verweis auf BVerwG, Urt. vom 8. Oktober 1976 – BVerwG VII C 24.73 – Buchholz 442.01 § 28 PBefG Nr. 3 S. 1 (5). 26 Betrachtet man das Ganze aus Sicht des Betreibers der Anlage, erscheint es gleichfalls zweifelhaft, ob Drittbetroffenen in den Fällen des vollständigen Unterlassens ein entsprechender Anspruch auf Verfahrenseinleitung zuzubilligen ist. Ein Betreiber ohne Genehmigung steht nämlich nur auf den ersten Blick besser, als der Inhaber einer im falschen Verfahren erteilten Genehmigung. Der Inhaber der verfahrensfehlerhaft erteilten Genehmigung geht dieser durch die Klage des Drittbetroffenen verlustig und ist auf die Durchführung eines neuen bzw. ergänzenden Verfahrens angewiesen, damit seine Anlage auf rechtlich sicherer Grundlage steht. Dieses Verfahren ist und bleibt aber antragsabhängig. Derjenige, der die Einholung einer Genehmigung versäumt hat, ist gleichfalls nicht Inhaber einer Genehmigung, ihm fehlt es aber zusätzlich letztlich vollständig an der formellen und materiellen Legalisierungswirkung der Genehmigung, sodass er sich ggf. unmittelbar mit entsprechenden Abwehransprüchen Dritter auseinandersetzen muss und zusätzlich einem behördlichen Einschreiten ausgesetzt sein kann.
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cc) Einführung eines Anspruchs auf Einleitung eines Trägerverfahrens durch das UmwRG Fraglich ist, ob das UmwRG einen Anspruch auf Einleitung eines Trägerverfahrens begründen will. Eine ausdrückliche Regelung findet sich diesbezüglich nicht. Es kann allenfalls erwogen werden, ob der Gesetzgeber durch die Formulierung, dass das UmwRG auch dann Anwendung findet, wenn entgegen geltender Rechtsvorschriften ein Verfahren nicht durchgeführt wurde, und durch die Qualifikation des Unterlassens einer UVP oder Vorprüfung des Einzelfalls als absolut beachtliche Verfahrensfehler eine Möglichkeit für Dritte schaffen wollte, die tatsächliche Durchführung der UVP durchzusetzen. Da diese als unselbständiger Bestandteil eines Zulassungsverfahrens ausgestaltet ist, könnte es nahe liegen, einen Anspruch auf Durchführung des Trägerverfahrens zuzubilligen, um die hieran gekoppelte Durchführung der UVP oder Vorprüfung des Einzelfalls einklagbar zu machen. In der Gesetzesbegründung des UmwRG heißt es über die bereits beschriebenen Anwendungsfälle für § 1 Abs. 1 S. 2 UnwRG hinaus: 27 „Hingegen sind Rechtsbehelfe in Bezug auf den Erlass oder die Anfechtung von behördlichen Aufsichtsmaßnahmen nicht erfasst. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1, der lediglich auf die jeweilige Zulassungsentscheidung für ein Vorhaben oder eine Anlage abstellt und somit behördliche Aufsichtsmaßnahmen zum Betrieb eines Vorhabens oder einer Anlage ausklammert. Einziger Ausnahmefall hiervon ist auf Grund der ausdrücklichen Vorgabe der Richtlinie 2003/35/EG die nachträgliche Anordnung nach § 17 Abs. 1a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, welche ein Entscheidungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach der IVU-Richtlinie darstellt. Auf Grund der Nichterstreckung des Anwendungsbereichs auf den Erlass oder die Anfechtung von behördlichen Aufsichtsmaßnahmen – vorbehaltlich der genannten Ausnahme im Immissionsschutzrecht – wird für Klagen in Bezug auf unterlassene Entscheidungen die Feststellungsklage nach § 43 VwGO einschlägig sein.“
Aus meiner Sicht schließt die Gesetzesbegründung den Schluss auf einen Anspruch auf Durchführung des Trägerverfahrens nicht explizit aus, da der Gesetzgeber lediglich eine eigenständige Rechtsschutzgewährung gegen behördliche Aufsichtsmaßnahmen und deren Unterlassen aus dem Anwendungsbereich des UmwRG ausschließen wollte. 28 Der vorliegend diskutierte Anspruch auf Durchführung eines Zulassungsverfahrens mit UVP und entspre___________ Von einer Besserstellung des Anlagenbetreibers ohne Genehmigung kann deshalb im Regelfall nicht ausgegangen werden. 27 Vgl. BT-Drs. 16/2495, S. 10. 28 Den Ausschluss von Aufsichtsmaßnahmen stellt auch Schumacher, Umweltrechtsbehelfsgesetz, UPR 2008, 13 (17) fest.
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chender Öffentlichkeitsbeteiligung kann aber hiermit aber nur schwerlich gleichgesetzt werden. Allerdings gibt die Gesetzesbegründung für einen derartigen Anspruch aber auch nichts her. Angesichts der oben geschilderten, dem hier überlegten Anspruch entgegenstehenden Rechtsprechung wäre aber zu erwarten, dass der Gesetzgeber sich insoweit klarer positioniert hätte, wenn er eine Änderung der Rechtsprechung beabsichtigt hätte. Soweit in der Gesetzesbegründung ausgeführt wird, dass aufgrund des Ausschlusses behördlicher Aufsichtsmaßnahmen aus dem Anwendungsbereich des UmwRG für Klagen in Bezug auf unterlassene Entscheidungen die Feststellungsklage nach § 43 VwGO einschlägig sei, erscheint aber ein Mittelweg erwägenswert. Der Gesetzgeber ging danach offenbar davon aus, dass bei Unterlassungen im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 UmwRG eine Feststellungsklage einschlägig sein soll. Denkbar erschiene es deshalb, Umweltverbänden und Drittbetroffenen einen Anspruch darauf zuzubilligen, dass festgestellt wird, dass die Durchführung eines Verfahrens nach i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG erforderlich war bzw. ist. Hiermit wäre gleichzeitig geklärt, dass der derzeitige Betrieb der betroffenen Anlage rechtswidrig ist, weil die notwendige UVP oder Vorprüfung des Einzelfalls mangels Durchführung eines Trägerverfahrens unterlassen wurde, was die Geltendmachung von Abwehransprüchen erleichtern könnte. Inwieweit dies dann die Grundlage weiterer Aufsichtsmaßnahmen, wie bspw. einer Betriebseinstellung sein könnte, würde wie nach bisheriger Rechtslage davon abhängen, ob der fragliche Dritte einen entsprechenden Anspruch auf behördliches Einschreiten geltend machen kann, wofür vor allem die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf Seiten der Behörde vorliegen müssten, die nach dem klaren Willen des Gesetzgebers durch das UmwRG jedenfalls nicht bewirkt werden dürfte. dd) Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht Abschließend bleibt zu klären, ob allein eine Feststellungsklage auf Feststellung, dass die Durchführung eines Verfahrens nach i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG erforderlich war bzw. ist, dem Anliegen der geänderten UVPRichtlinie hinreichend gerecht würde. Insoweit könnten Zweifel an der Effektivität der Rechtsdurchsetzung bestehen. Aufgrund des ausdrücklich geäußerten Willens des Gesetzgebers, jedenfalls Ansprüche auf behördliches Einschreiten nicht zu begründen, würde eine entsprechende gerichtliche Feststellung allein keine spürbare Wirkung entfalten. Insbesondere lässt diese die bereits begonnene Errichtung bzw. den laufenden Betrieb des ungenehmigten Vorhabens und damit den bereits eingetretenen Verstoß gegen supranationales Recht wie gezeigt letztlich unberührt.
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Für die Zuerkennung eines Rechts von Drittbetroffenen, im Falle des vollständigen Unterlassens eines Zulassungsverfahrens dessen Einleitung gerichtlich durchsetzen zu können, könnten damit ggf. Sinn und Zweck der UVPRichtlinie in Gestalt der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie streiten. Die UVP-Richtlinie will effektiv sicherstellen, dass Vorhaben nicht ohne eine erforderliche UVP oder Vorprüfung des Einzelfalls durchgeführt werden. Der EuGH hat mehrfach entschieden, dass es mit der den Richtlinien zuerkannten verbindlichen Wirkung unvereinbar wäre, grundsätzlich auszuschließen, dass sich betroffene Personen auf die durch eine Richtlinie auferlegte Verpflichtung berufen können. 29 In der sog. Wells-Entscheidung hat der EuGH klargestellt, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung aus Sicht des Gemeinschaftsrechts auch vor der Erteilung der Genehmigung durchgeführt werden muss, da die Richtlinie 85/337 bezweckt, dass die zuständige Behörde die Auswirkungen des in Rede stehenden Projekts auf die Umwelt so früh wie möglich berücksichtigt. 30 Darüber hinaus rechtfertigen bloße negative Auswirkungen auf die Rechte Dritter, selbst wenn sie gewiss sind, es nicht, dem Einzelnen das Recht auf Berufung auf die Bestimmungen einer Richtlinie gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat zu versagen. 31 Nach ständiger Rechtsprechung sind die Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht zu beheben. 32 Daher ist es Sache der zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu treffen, damit die Projekte im Hinblick darauf überprüft werden, ob bei ihnen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt zu besorgen sind, und damit sie bejahendenfalls
___________ 29 Siehe nur EuGH, Rechtssache C-435/97, Urt. vom 16.9.1999, Rn. 69; außerdem Urt. vom 12.2.2009, Cobelfret, C-138/07, Slg. 2009, I-731, Rn. 58. 30 Vgl. EuGH, Urt. vom 7.1.2004 in der Rechtssache C-201/02 (Wells), Slg. 2004 I00723, Rn. 51. 31 Vgl. EuGH, Urt. vom 7.1.2004 in der Rechtssache C-201/02 (Wells), Slg. 2004 I00723, Rn. 57 unter Verweis auf Urteile vom 22.6.1989 in der Rechtssache 103/88, Fratelli Costanzo, Slg. 1989, I-1839, Rn. 28 bis 33; vom 30.4.1996 in der Rechtssache C1994/94, CIA Security International, Slg. 1996, I-2201, Rn. 40 bis 45, vom 12.11.1996 in der Rechtssache C-201/94, Smith & Nephew und Primecrown, Slg. 1996, I-5819, Rn. 33 bis 39 und vom 26.9.2000 in der Rechtssache C-443/98, Unilever, Slg. 2000, I7535, Rn. 45 bis 52. 32 Vgl. EuGH, Urt. vom 7.1.2004 in der Rechtssache C-201/02 (Wells), Slg. 2004 I00723, Rn. 64 unter Verweis auf Urteile vom 16.12.1960 in der Rechtssache 6/60, Humblet, Slg. 1960, 1163, 1185, und vom 19.11.1991 in den Rechtssachen C-6/90 und C-9/90, Francovich u. a., Slg. 1991, I-5357, Rn. 36.
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auf diese Auswirkungen hin untersucht werden. 33 Begrenzt durch den Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten sind derartige Maßnahmen beispielsweise die Rücknahme oder die Aussetzung einer bereits erteilten Genehmigung zu dem Zweck, eine Umweltverträglichkeitsprüfung des in Rede stehenden Projekts im Sinne der Richtlinie 85/337 durchzuführen. Ebenso ist der Mitgliedstaat verpflichtet, alle durch das Unterlassen einer Umweltverträglichkeitsprüfung entstandenen Schäden zu ersetzen. Nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie sind die Einzelheiten des Verfahrens Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats, sie dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzprinzip), und die Ausübung der von der Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip). 34 Ist damit eine UVP oder Vorprüfung des Einzelfalls zu Unrecht unterlassen worden, sind die zuständigen Behörden verpflichtet, alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu ergreifen, um dem Unterlassen einer solchen Prüfung abzuhelfen. In diesem Rahmen ist es nach Auffassung des EuGH Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob nach nationalem Recht die Möglichkeit besteht, eine bereits erteilte Genehmigung zurückzunehmen oder auszusetzen, um dieses Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß den Anforderungen der Richtlinie 85/337 zu unterziehen, oder aber die Möglichkeit für den Einzelnen, wenn er dem zustimmt, Ersatz des ihm entstandenen Schadens zu verlangen. 35 ee) Schlussfolgerung Zusammengefasst kann damit aus meiner Sicht festgestellt werden, dass das Gemeinschaftsrecht es nicht verlangt, dem Einzelnen ein Recht auf Einleitung eines Trägerverfahrens zur Durchführung einer UVP zu verleihen, sondern lediglich verlangt, dass der eingetretene Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht beseitigt wird.
___________ 33 Vgl. EuGH, Urt. vom 7.1.2004 in der Rechtssache C-201/02 (Wells), Slg. 2004 I00723, Rn. 65 unter Verweis auf Urteile vom 24.10.1996 in der Rechtssache C-72/95, Kraaijeveld u. a., Slg. 1996, I-5403, Rn. 61. 34 Vgl. EuGH, Urt. vom 7.1.2004 in der Rechtssache C-201/02 (Wells), Slg. 2004 I00723, Rn. 67 unter Verweis auf Urteile vom 14.12.1995 in der Rechtssache C-312/93, Peterbroeck, Slg. 1995, I-4599, Rn. 12, und vom 16.5.2000 in der Rechtssache C-78/98, Preston u. a., Slg. 2000, I-3201, Rn. 31. 35 Vgl. EuGH, Urt. vom 7.1.2004 in der Rechtssache C-201/02 (Wells), Slg. 2004 I00723, Leitsatz 3.
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Zuzubilligen ist meines Erachtens Drittbetroffenen konsequenterweise aber jedenfalls der angesprochene Anspruch auf Feststellung, dass eine UVP oder Vorprüfung entgegen geltender Rechtsvorschriften unterlassen wurde. Gleichzeitig haben Dritte in den Fällen, in denen gar keine Genehmigung erteilt wurde, einen Anspruch darauf, dass der Betrieb einstweilen, nämlich bis zur Behebung des entsprechenden Versäumnisses, untersagt wird. Auch wenn der Gesetzgeber Aufsichtsmaßnahmen vom Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes ausnehmen wollte, ist zu konstatieren, dass die von ihm allein vorgesehene Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterlassung aus Sicht des Effektivitätsgebotes nicht ausreichen dürfte, um den Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht zu beseitigen. Das Gemeinschaftsrecht verlangt es allerdings nicht, entgegen der bisherigen Lehre und Rechtsprechung, Drittbetroffenen im Falle des vollständigen Unterlassens eines Trägerverfahrens einen Anspruch auf Einleitung eines entsprechenden Verfahrens zuzubilligen. Aus meiner Sicht kann die Beseitigung des Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht auch ebenso effektiv dadurch bewirkt werden, dass bei Ansprüchen auf behördliches Einschreiten der gemeinhin bestehende behördliche Ermessensspielraum entsprechend hin zu einer Einschreitenspflicht und hiermit verbunden zu einer Verpflichtung, den fraglichen Betrieb einstweilen einzustellen, reduziert wird. Diese letztgenannte Pflicht würde sich dann zwar nicht auf das UmwRG stützen, wohl aber auf eine unmittelbare Anwendung der Vorgaben der Art. 10a der UVP-Richtlinie.
V. Zusammenfassung Insgesamt betrachtet ist festzustellen, dass das UmwRG speziell für einen Rechtsschutz gegen Unterlassungen zu einer Erweiterung bisher bestehender Rechtsschutzmöglichkeiten vor allem für private Betroffene von umweltrelevanten Entscheidungen führt. Dies gilt jedenfalls, soweit durch eine Behörde ein falsches Zulassungsverfahren gewählt wurde und hierdurch rechtsfehlerhaft die Durchführung einer UVP oder einer Vorprüfung des Einzelfalls unterlassen wurde. Soweit der Rechtsschutz von Umweltverbänden in Rede steht, hat das UmwRG insoweit eher klarstellende als erweiternde Wirkung. Für die Fälle des vollständigen Unterlassens eines Trägerverfahrens wirft das UmwRG im Einzelnen noch ungeklärte Auslegungsfragen auf und gibt letztlich keine Antwort auf die Frage, wie der geforderte Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung auch dieser Fälle des Unterlassens praktisch zu realisieren ist. Die hier entworfene Lösung, Drittbetroffenen einen Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Unterlassens einer UVP oder einer Vorprüfung des Einzelfalls in Verbindung mit einem Anspruch auf einstweilige Einstellung eines ohne diese Prüfung aufgenommenen Betriebes bis zu einer
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entsprechenden Nachholung der unterlassenen Handlungen zuzubilligen, berücksichtigt zum einen die Vorgaben des supranationalen Rechts und ist andererseits bemüht, zwischen der Interessenlage von Umweltverbänden, Drittbetroffenen und Betreiber einer ausgewogenen Ausgleich zu finden. Eine abschließende Lösung der Fragen, die sich auf Grundlage des UmwRG speziell für den Problemkreis eines Rechtsschutzes gegen Unterlassungen stellen, wird aber der weiteren wissenschaftlichen Diskussion vorbehalten bleiben müssen.
Kompetenzgrenzen der Planfeststellungsbehörden als Drittschutz bei Infrastrukturvorhaben Von Christian Giesecke 1
I. Einleitung Große Infrastrukturvorhaben wie Flughäfen, Häfen, Wasserstraßen, Straßen, Eisenbahnschienenwege o.ä. unterliegen in Deutschland regelmäßig der sogenannten Fachplanung. Ausdruck der Fachplanung ist das Planfeststellungsverfahren mit dem Planfeststellungsbeschluss als Ergebnis. Dieses Verfahren ist grundlegend in den §§ 72-78 VwVfG geregelt und wird durch Sondervorschriften in den einzelnen Fachplanungsgesetzen modifiziert. Die Planfeststellung unterscheidet sich in mehreren Punkten von anderen öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren. Im Gegensatz zur Genehmigung z.B. nach den LBauO oder dem BImSchG handelt es sich beim Planfeststellungsbeschluss grundsätzlich nicht um eine gebundene Entscheidung 2 , die dem Vorhabenträger bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen einen Anspruch auf Erteilung des Planfeststellungsbeschlusses gewähren würde. Vielmehr handelt es sich bei dem Planfeststellungsbeschluss um eine planende Entscheidung, die auf Grundlage einer umfassenden Abwägung ergeht. Der Vorhabenträger hat daher lediglich einen Anspruch auf eine möglichst richtige, also sachgerechte Entscheidung. 3 Der Charakter als Planungsentscheidung und die dadurch eingeschränkte gerichtliche Kontrolldichte haben zur Folge, dass es wie bei anderen Planungsentscheidungen umfangreiche Möglichkeiten zur Fehlerbehebung und Voraussetzungen für die Beachtlichkeit von Fehlern des Planfeststellungsbeschlusses gibt. So wurde durch den Gesetzgeber in den wichtigsten Fachplanungsgesetzen der Vorrang der Planerhaltung vor der Auf___________ 1 Der Autor ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der Sozietät Lenz und Johlen. 2 Eine Ausnahme bildet § 9b Abs. 3 i.V.m. § 7 AtG, vgl. BVerwG, Beschl. vom 26.3.2007 – 7 B 72/06 –. 3 Vgl. Kirchberg, in: Ziekow, Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 3 ff.
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hebung des Planfeststellungsbeschlusses eingeführt. 4 Dadurch führt die Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften nur dann zu einer Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn diese nicht durch Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden können. Fehler bei der planerischen Entscheidung, d.h. in der Abwägung sind grundsätzlich nach § 75 Abs. 1a VwVfG nur dann erheblich, wenn sie offensichtlich sind und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Aber auch ein beachtlicher Mangel führt nur dann zur Planaufhebung, wenn er nicht durch Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. 5 Die Planergänzung bietet dabei die Möglichkeit, weitere oder weitergehende Anordnungen in den Planfeststellungsbeschluss aufzunehmen, um auf diese Weise den subjektiven Ansprüchen Dritter zu genügen. Das ergänzende Verfahren nach § 75 Abs. 1a S. 2 VwVfG bietet u.a. die Möglichkeit, die planerische Abwägungsentscheidung unter Berücksichtigung weitergehender oder fehlgewichteter Belange zu wiederholen. 6 Ungeachtet dieser Möglichkeiten zur Planerhaltung und Fehlerbehebung hat sich in der jüngeren Rechtsprechung ein Verfahrensfehler hervorgetan, der unmittelbar zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führt und damit die Bemühungen des ganzen Verfahrens zunichte machen kann: Die Überschreitung der Kompetenz der Fachplanungsbehörde. 7 Die Problematik dieses Fehlers soll anhand eines Beispielfalles aufgezeigt und auf andere Bereiche der Fachplanung übertragen werden.
II. Die Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde als Verfahrensfehler Mit seiner Entscheidung vom 15.03.2011 hat das Oberverwaltungsgericht Münster den Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau eines Hafens aufgehoben. Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses war die Errichtung eines weiteren Hafenbeckens, eines Containerterminals mit Staffing- und StrippingBereich, eines Schütt- und Stückgutterminals, eines Ingate-Bereichs, eines Reinigungs-, Wasch-, Tank- und Reparaturbereichs, eines Magazins für Ausrüstung sowie Gleisanlagen und Straßenverkehrsflächen. Die Gleise sollten bei___________ 4
Vgl. z.B. § 10 Abs. 8 LuftVG: BVerwG, Beschl. vom 18.8.2005 – 4 B 18/05 –, juris m.w.N. 5 Vgl. zu den Voraussetzungen der Planergänzung nach § 75 Abs.1a VwVfG: BVerwG, Beschl. vom 20.1.2004 – 4 B 112/03 –, juris m.w.N. 6 Vgl. Fischer, in: Ziekow, Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 475 ff. 7 OVG Münster, Urt. vom 15.3.2011 – 2 A 2148/09 –; Urt. vom 29.9.2009 – 11 D 33/08.AK –, DVBl. 2009, 1587; OVG Lüneburg, Urt. vom 6.6.2007 – 7 LC 98/06 – juris.
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derseits des Hafenbeckens angelegt und an das überregionale Schienennetz angeschlossen werden. Die innere Erschließung sollte über eine Ringstraße erfolgen, von denen die Lkw zu den Umschlagflächen geleitet werden. Der Bereich des Ingates umfasste die dem Hafen- und Umschlagbetrieb dienenden Büro-, Verwaltungs-, Abfertigungs-, Aufenthalts- und Sozialräume. Der Antrag umfasste für die Gleise einen Planfeststellungsbeschluss auf Grundlage von § 18 AEG, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für bestimmte Anlagen, Baugenehmigungen für die Errichtung und den Abriss baulicher Anlagen sowie Vorbescheide über die Zulässigkeit der Errichtung baulicher Anlagen im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung sowie die straßenrechtliche Planfeststellung für die Veränderung und den Bau eines Rad- und Fußweges. Die Planfeststellungsbehörde hat den Planfeststellungsbeschluss auf Grundlagen von § 31 Abs. 2 WHG a.F. (neu: § 68 Abs. 1 WHG) erlassen. Dieser lautet: „Die Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer (Gewässerausbau) bedarf der Planfeststellung durch die zuständige Behörde.“
Das Oberverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil den Planfeststellungsbeschluss mit der Begründung aufgehoben, das planfestgestellte Vorhaben sei nicht in seiner Gesamtheit als Gewässerausbau i.S.d. § 31 Abs. 2 WHG a.F. zu beurteilen. Dies beruht im Einzelnen auf folgenden Erwägungen: 1. Umfang des Gewässerausbaus Das Oberverwaltungsgericht kam in der vorliegenden Entscheidung zu dem Ergebnis, dass der Begriff des Gewässerausbaus sich nur auf das Gewässer als solches beziehe. Das Gewässer wiederum werde maßgeblich durch das Gewässerbett definiert, das neben dem vom Wasser bedeckten Boden die seitliche Begrenzung des Wassers umfasse. Das Gewässer erstrecke sich seitlich bis zu der durch den Mittelwasserstand bestimmten Uferlinie. Zum Ufer wiederum werde der Teil des Gewässerbettes gezählt, der bis zur Böschungsoberkante reicht. Auch ein an die Böschungsoberkante landseitig anschließender Geländestreifen wird dem Gewässer bzw. seinem Ufer zugerechnet, sofern das mit dem äußeren Erscheinungsbild unter Berücksichtigung des Wasserabflusses übereinstimmt. 8 Unter Berücksichtigung der Zielsetzung des WHG und der am Wortlaut ausgerichteten Definition des Gewässerausbaus kommt das Gericht zu einer räumlich engeren Auslegung des § 31 WHG a.F. Die unterschiedlichen Funktionen ___________ 8
OVG Münster, Fußnote 7, juris, Rn. 99 ff.
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eines Gewässers und seine vielfältigen Wechselbeziehungen u.a. mit der Nutzung des Raums bestimmten weder die charakteristischen Merkmale eines Gewässers und seiner Ufer noch die Anknüpfungspunkte für die Planfeststellungsbedürftigkeit. Soweit daher der Planfeststellungsbeschluss über die Errichtung des Hafenbeckens und im Wesentlichen der Kaimauern hinausging, war dies nicht von der Reichweite des § 31 WHG a.F. gedeckt. Eine Erweiterung der rechtlichen Kompetenzen über § 78 Abs. 1 S. 1 VwVfG NW lehnte das Oberverwaltungsgericht ebenfalls ab. Bei dieser Vorschrift handele es sich lediglich um eine Verfahrenskonzentration, die ohnehin allenfalls dann einschlägig sein kann, wenn mehrere Planfeststellungsverfahren aufeinander treffen und der Bündelung der behördlichen Zuständigkeiten bedürfen. Da jedoch nicht alle außerhalb des Hafenbeckens liegenden Maßnahmen planfeststellungsbedürftig seien, komme die Anwendung dieser Vorschrift nicht in Betracht. Da die außerhalb des Hafenbeckens liegenden Maßnahmen u.a. durch den Ausbau der zukünftigen Gleisanschlüsse des neuen Hafenbeckens bestimmt wurden, hatte das Gericht erwogen, ob diese Maßnahmen gegebenenfalls nach § 18 AEG einer Planfeststellungspflicht unterlägen. 9 Das OVG folgte diesem Ansatz jedoch nicht, da zum einen durch die eisenbahnrechtliche Planfeststellung lediglich die eisenbahnbetriebsbezogenen Nutzungen planfestgestellt werden könnten. Die baulichen und technischen Einrichtungen des Güterumschlages wiesen jedoch keine ausschließliche bzw. überwiegende Zweckbindung für die Eisenbahn auf. Die insoweit bahnfremden Nutzungen könnten daher nicht über § 18 AEG planfestgestellt werden. Zum anderen seien nach dem Antrag für einzelne Maßnahmen ausdrücklich immissionsschutzrechtliche Genehmigungen bzw. baurechtliche Vorbescheide beantragt worden. Diese unterfielen daher bereits nach dem Antrag nicht der Planfeststellungspflicht nach § 18 AEG. Eine Unbeachtlichkeit der fehlenden sachlichen Zuständigkeit nach § 46 VwVfG NW lehnte das Oberverwaltungsgericht ab, da diese Vorschrift sich ausschließlich auf die örtliche, nicht jedoch auf die sachliche Zuständigkeit beziehe. Zudem kam das Oberverwaltungsgericht, gestützt auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des OVG Lüneburg 10 zu dem Ergebnis, dass der Mangel der sachlichen Zuständigkeit als Verfahrensfehler deshalb beachtlich sei, weil er die Möglichkeit eröffne, dass die Entscheidung anders ausgefallen wäre. Soweit die Grenze der Planfeststellungsermächtigung überschritten werde, kämen im vorliegenden Fall für die Zulassung des Vorhabens ande___________ 9
OVG Münster, Fußnote 7, juris, Rn. 143. BVerwG, Urt. vom 9.3.2005 – 6 C 3/04 –, NJW 2005, 2330; OVG Lüneburg, Urt. vom 6.6.2007 – 7 LC 98/06 –, juris. 10
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re Genehmigungsakte (Genehmigung nach BImSchG, BauO, etc.) in Betracht. Diese Zulassungsakte wiesen aber nicht dieselben besonderen Rechtsfolgen wie die eines Planfeststellungsbeschlusses nach § 75 Abs. 1, Abs. 2 VwVfG NW auf. Die daraus resultierende Einschränkung in der Rechtsposition gegenüber anderen Genehmigungsvorschriften belege bereits, dass die Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit drittschützend seien. Zudem bestünde die konkrete Möglichkeit, dass bei Kenntnis der eingeschränkten Zuständigkeit die Planfeststellungsbehörde das Vorhaben nicht in der vorliegenden Art und Weise genehmigt hätte, so dass die nach den allgemeinen Grundsätzen des § 46 VwVfG notwendige Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensfehlers bestehe. Deshalb scheide eine Heilung des Zuständigkeitsmangels nach dieser Vorschrift aus. Die Anwendung eines ergänzenden Verfahrens lehnte das Oberverwaltungsgericht aus den gleichen Erwägungen ab. Das ergänzende Verfahren komme nur dann in Betracht, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Planfeststellungsbehörde im Ergebnis an der getroffenen Entscheidung festhalten würde. Aufgrund der Überschreitung der Ermächtigungsgrundlage sei dies jedoch nicht möglich. Mit etwas anderer Begründung hatte bereits das OVG Lüneburg eine Anwendbarkeit des § 75 Abs. 1a VwVfG abgelehnt. Die Vorschrift sei bereits ihrem Wortlaut nach nicht auf Verfahrens- und Formvorschriften anwendbar, so dass deren Fehlerbehebung lediglich über die §§ 45, 46 VwVfG möglich sei. 11 Schließlich hielt das Oberverwaltungsgericht auch eine Teilaufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für ausgeschlossen. Der vorliegende Planfeststellungsbeschluss zeichne sich bereits nach dem gestellten Antrag durch eine erhebliche funktionale Verflechtung der einzelnen Anlagenteile aus. Diese Gesamtheit der Anlage spiegele sich in unterschiedlichen Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses wieder. Eine Teilaufhebung würde daher dazu führen, dass der verbleibende Teil des Vorhabens ein „Aliud“ darstellen würde. Da die Teilbarkeit eines Planfeststellungsbeschlusses voraussetzt, dass sich die Rechtswidrigkeit nicht auf den verbleibenden Teil auswirkt, was wiederum bei untrennbarem inneren Zusammenhang nicht möglich ist, sah das Oberverwaltungsgericht eine Teilbarkeit als nicht gegeben an. Mit Verweis auf den Verbleib lediglich eines Planungstorsos hatte bereits das OVG Lüneburg in der genannten Entscheidung die Teilbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses und die Anwendbarkeit eines ergänzenden Verfahrens abgelehnt.
___________ 11
OVG Lüneburg, Urt. vom 6.6.2007, a.a.O., Rn. 81; vgl. auch BVerwG, Beschl. vom 6.5.2008 – 9 B 64/07 –, juris.
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III. Bedeutung für die Fachplanung Die dargestellte Entscheidung macht deutlich, dass die Überschreitung der Grenze der Ermächtigungsgrundlage zur Planfeststellung verheerende Folgen für ein Infrastrukturvorhaben haben kam. Je nach Komplexität des Infrastrukturvorhabens führt die Verletzung der sachlichen Zuständigkeit zur Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensfehlers, insbesondere wenn die nicht planfeststellungspflichtige Maßnahme von einer anderen Behörde zuzulassen wäre. Aufgrund der insoweit rechtlich beschränkten Kompetenz der Planfeststellungsbehörde wird in aller Regel auch ein ergänzendes Verfahren ausscheiden, da der Planfeststellungsbeschluss in jedem Fall um die rechtswidrig einbezogenen Teile beschränkt werden muss. Aufgrund des funktionalen Zusammenhangs wird dies gänzlich neue Planungen und Abwägungen erfordern. Aus ähnlichen Gründen wird in aller Regel die Teilbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses auszuschließen sein, so dass als letztendliche gerichtliche Entscheidung nur die vollständige Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses verbleibt. Zur Realisierung des Vorhabens ist daher die Durchführung eines neuen Planfeststellungsverfahrens erforderlich. Angesichts der damit verbundenen Zeitdauer und politischen Implikationen kann dies ohne Weiteres das Aus für Infrastrukturvorhaben bedeuten. Aufgrund dessen soll an dieser Stelle kurz dargestellt werden, inwieweit sich diese Problemkonstellation auf andere Fachplanungsvorhaben ausweitet. Der dargestellte Fall beruht auf § 31 Abs. 2 WHG a.F., der bereits von seinem Wortlaut her recht eng gefasst ist. Im Rahmen der nachfolgend dargestellten Betrachtung unterschiedlicher Fachplanungsgrundlagen ist auffällig, dass für die Ausgestaltung des jeweils zulassungspflichtigen Vorhabens entweder eine funktionale Betrachtungsweise über den „Anlagenbegriff“, oder aber eine konkrete Definition angelegt wird. 1. § 18 AEG Nach § 18 AEG unterliegen die Betriebsanlagen der Eisenbahn der Planfeststellungspflicht. Zur Konkretisierung dieses Begriffes wird üblicherweise auf § 4 Abs. 1 Eisenbahnbetriebsordnung (EBO) zurückgegriffen. Danach sind Bahnanlagen alle Grundstücke, Bauwerke und sonstige Einrichtungen einer Eisenbahn, die unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zur Abwicklung oder Sicherung des Reise- oder Güterverkehrs auf der Schiene erforderlich sind. Dazu gehören auch Nebenbetriebsanlagen sowie sonstige Anlagen einer Eisenbahn, die das Be- und Entladen sowie den Zu- und Abgang ermöglichen oder fördern. Es gibt Bahnanlagen der Bahnhöfe, der freien Strecke und sonstigen Bahnanlagen. Fahrzeuge gehören nicht zu den Bahnanlagen.
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Kriterium für die Zugehörigkeit zu den planfeststellungspflichtigen Bahnanlagen ist daher die technisch-funktionale Eisenbahnbetriebsbezogenheit, d.h. die Verkehrsfunktion und der räumliche Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb. 12 Über den Anlagenbegriff wird daher maßgeblich eine funktionale Betrachtungsweise angelegt, die einen einigermaßen flexiblen Umgang mit der Planfeststellungspflichtigkeit ermöglicht. 2. § 28 PBefG Nach § 28 PBefG unterliegen die Betriebsanlagen der Straßenbahn der Planfeststellungspflicht. Diese sind nach § 1 Abs. 7 BOStrab definiert als alle dem Betrieb dienenden Anlagen, insbesondere x die Bau-, Maschinen- und elektrotechnischen Anlagen für den Fahrbetrieb einschließlich der Hilfsbauwerke, x die für den Aufenthalt und die Abfertigung der Fahrgäste bestimmten Anlagen, x die Abstellanlagen für Fahrzeuge, x die an das Gleisnetz angeschlossenen Werkstätten. Zu den Betriebsanlagen gehören danach alle Anlagen bzw. ortsfeste technische Einrichtungen, die ihrer Zweckbestimmung nach der Abwicklung und Sicherung des äußeren Straßenbahnbetriebes dienen sollen. 13 Auch für den Straßenbahnverkehr gilt daher der funktionale Anlagenbegriff. 3. § 9a, 9b AtG Nach dem AtG sind sowohl Landessammelstellen wie auch ein zu errichtendes Endlager der Planfeststellung unterworfen. Nach § 9a Abs. 3 AtG haben die Länder Landessammelstellen für die Zwischenlagerung der in ihrem Gebiet angefallenen radioaktiven Abfälle, der Bund Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle einzurichten. Nach § 9b Abs. 1 AtG unterliegen die in § 9a Abs. 3 AtG genannten Anlagen des Bundes sowie die wesentliche Veränderung solcher Anlagen oder ihres Betriebes der Planfeststellung. Auch im Atomrecht gilt damit der Anlagenbegriff, der insoweit eine funktionale Betrachtungsweise eröffnet. Von dem Anlagenbegriff werden daher nicht nur nuklearspezifische Anlagenteile erfasst. Da im Planfeststellungs___________ 12
BVerwG, Urt. vom 27.11.1996 – 11 A 2.96 –, BVerwGE 102, 269; Vallendar, in: Beck’scher AEG Kommentar, § 18 Rn. 43 m.w.N. 13 Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 28 S. 4.
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verfahren einheitlich über die gesamte Anlage des Endlagers entschieden wird, ist der Anlagenbegriff des § 9b AtG weit auszulegen und erfasst alle für den Betrieb der Anlage notwendigen und hilfreichen Anlagenbestandteile. 14 Das OVG Lüneburg hat in seiner Entscheidung zum Endlager Konrad ausdrücklich Einlagerungskammern und sonstige Gebäuderäume, die keinen selbstständigen Zweck verfolgen, als notwendige Instrumente der beabsichtigten (unterirdischen) Endlagerung angesehen, oberirdische Teile des Endlagers als Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses anerkannt. 15 4. § 14 WaStrG Nach § 14 WaStrG sind die Bundeswasserstraßen planfeststellungspflichtig. Diese werden nach § 1 Abs. 4 WaStrG dahingehend definiert, dass zu diesen auch x die bundeseigenen Schifffahrtsanlagen, besonders Schleusen, Schiffshebewerke, Wehre, Schutz-, Liege- und Bauhäfen sowie bundeseigene Talsperren, Speicherbecken und andere Speisungs- und Entlastungsanlagen, x die ihrer Unterhaltung dienenden bundeseigenen Ufergrundstücke, Bauhöfe und Werkstätten hinzugezählt. Das BWaStrG enthält damit keinen funktionalen Anlagenbegriff, sondern eine konkrete Definition des planfeststellungspflichtigen Vorhabens. Über die Grenzen des § 1 Abs. 4 WaStrG können daher die Schranken der Planfeststellungspflichtigkeit recht deutlich gezogen werden. In qualitativer Hinsicht muss es sich um Aus-, Neubau oder Beseitigung einer dem allgemeinen Verkehr dienenden Bundeswasserstraße handeln. 16 5. § 17 FStrG Nach § 17 FStrG sind die Bundesfernstraßen planfeststellungspflichtig. Ebenso wie im WaStrG enthält auch das FStrG eine konkrete Definition des Begriffes der Bundesfernstraßen. Nach § 1 Abs. 4 FStrG zählen dazu x der Straßenkörper; das sind besonders der Straßengrund, der Straßenunterbau, die Straßendecke, die Brücken, Tunnel, Durchlässe, Dämme, Gräben, Entwässerungsanlagen, Böschungen, Stützmauern, Lärmschutzanlagen, Trenn-, Seiten-, Rand- und Sicherheitsstreifen; ___________ 14 15 16
Dörpmund, in: Ziekow, Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 2307 f. OVG Lüneburg, Urt. vom 8.3.2006 – 7 KS 145/02 –, juris. Vgl. Ferk, in: Ziekow, Praxis des Fachplanungsrechts, Rn.1845 ff.
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x der Luftraum über dem Straßenkörper; x das Zubehör; das sind die Verkehrszeichen, die Verkehrseinrichtungen und -anlagen aller Art, die der Sicherheit oder Leichtigkeit des Straßenverkehrs oder dem Schutz der Anlieger dienen, und die Bepflanzung; x die Einrichtungen zur Erhebung von Maut und zur Kontrolle der Einhaltung der Mautpflicht; x die Nebenanlagen; das sind solche Anlagen, die überwiegend den Aufgaben der Straßenbauverwaltung der Bundesfernstraße dienen, z.B. Straßenmeistereien, Gerätehöfe, Lager, Lagerplätze, Entnahmestellen, Hilfsbetriebe und -einrichtungen; x die Nebenbetriebe an den Bundesautobahnen. Wie sich dieser Definition entnehmen lässt, wird allerdings im Rahmen der Festlegung der Bundesfernstraße gleichzeitig der Anlagenbegriff verwandt. Damit wird auch in diesem Zusammenhang zumindest teilweise eine funktionale Betrachtungsweise möglich. So ist für die Einordnung einer Anlage als „Nebenanlage“ i.S.d. § 1 Abs. 4 FStrG relevant, dass sie in einem technischfunktionalen Zusammenhang mit der Straße stehen und den Aufgaben der Straßenbauverwaltung dienen. 17 6. § 8 LuftVG Nach § 8 LuftVG ist ein Flughafen bzw. ein Landeplatz mit beschränktem Bauschutzbereich planfeststellungspflichtig. Der Begriff des Flughafens wird im LuftVG selbst nicht definiert. Eine Definition findet sich allerdings in § 38 LuftVZO. Danach sind Flughäfen solche Flugplätze, die nach Art und Umfang des vorgesehenen Flugbetriebes einer Sicherung durch einen Bauschutzbereich nach § 12 des LuftVG bedürfen. Der Begriff des Flugplatzes wiederum ist gesetzlich nicht definiert. Es findet sich allerdings eine Beschreibung in Anhang 14 des ICAO-Abkommens. Es handelt sich danach um ein festgelegtes Gebiet auf dem Lande oder Wasser (einschließlich Gebäuden, Anlagen und Ausrüstung) das ganz oder teilweise für Ankunft, Abflug und Bewegungen von Luftfahrzeugen bestimmt ist. Auch diese Vorschrift wird üblicherweise funktional ausgelegt, da der Begriff der Flugplatzanlage der Auslegung zugänglich ist und somit geprüft werden kann, welche Anlagen der Funktionalität des Flughafens dienen und also nach § 8 LuftVG der Planfeststellungspflichtigkeit mit unterliegen. 18 ___________ 17
Witting, in: Müller/Schulz, FStrG – Bundesfernstraßengesetz mit Autobahnmautgesetz, 2008, § 1 Rn. 40. 18 Reidt, in: Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, 2010, § 8 Rn. 23.
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7. § 43 EnWG, Hochspannungsleitungen/Gasversorgungsleitungen Nach § 43 EnWG sind die Errichtung und der Betrieb sowie die Änderung von Hochspannungsfreileitungen, ausgenommen Bahnstromfernleitungen, mit einer Nennspannung von 110 KW oder mehr sowie Gasversorgungsleitungen mit einem Durchmessen von mehr als 300 mm der Planfeststellungspflicht unterworfen. Entgegen der übrigen Fachplanungsvorgaben enthält das EnWG weder eine konkrete Definition der Vorhaben noch einen Hinweis auf die Anwendbarkeit des funktionalen Anlagenbegriffes. Insoweit wird insbesondere für die dort genannten Vorhaben auf die Grenzen der Planfeststellungspflicht zu achten sein, soweit sie über den Hochspannungsmast nebst Leitung oder die eigentliche Rohrleitung hinausgehen. So sind diese Trägereinrichtungen der Energieleitung (Masten, Sockel und Fundamente) noch vom Fachplanungsvorbehalt erfasst, da sie mit der Leitung funktionell untrennbar verbunden sind. Davon abzugrenzen sind jedoch Nebeneinrichtungen wie Umspannwerke, Transformatorenhäuser, Stationen zur Gasdruckänderung oder Gasspeicher, die anderen Genehmigungsverfahren unterliegen. 19
IV. Fazit Die überwiegende Anzahl von Planfeststellungsvorschriften ermöglicht eine funktionale oder zumindest in gewissem Rahmen flexible Handhabung des Umfanges der Planfeststellungspflicht. Da die Planfeststellung auch das Ziel verfolgt, eine lebensnahe Vorhabenzulassung zu erreichen, bietet es sich auch bei rechtlicher Betrachtung nicht an, die Grenzen des Vorhabens zu eng zu ziehen. Allerdings muss bei jeder Erweiterung bzw. Nebenanlage die kritische Frage gestellt werden, ob und inwieweit diese tatsächlich einen funktionalen Zusammenhang zum Betrieb aufweist. So hat die Rechtsprechung bereits festgestellt, dass bahnfremde Nutzungen innerhalb eines Bahnhofsgebäudes nicht der Planfeststellungspflicht unterliegen. 20 Die dargestellte Entscheidung des OVG Münster führt zudem die Fragestellung auf, wie insbesondere bei multimodalen Anlagen bzw. verknüpften Verkehrsträgern mit den Nutzungszwecken umzugehen ist, die ausdrücklich nicht der jeweiligen Planfeststellungsgrundlage unterfallen. Dies betrifft z.B. die bahnfremden Nutzungen im Rahmen moderner Umschlagsanlagen. ___________ 19
Pielow, in: Berliner Kommentar zum Energierecht, 2. Aufl. 2010, § 43 Rn. 13. OVG Münster, Urt. vom 15.3.2011 – 20 A 2148/09 – juris; VGH München, Urt. vom 20.10.1998 – 20 A 98.40022 – juris. 20
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Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben zur Planerhaltung wird davon auszugehen sein, dass auch bei einer gerichtlichen Prüfung der jeweiligen Vorhaben die Auslegung der jeweiligen Ermächtigungsgrundlagen nicht allzu konservativ erfolgen wird. Gleichwohl bedarf es eines kritischen Umganges mit den Grenzen der Planfeststellungspflichten, um einer Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses im Falle der gerichtlichen Überprüfung zu entgehen. Eine Überschreitung dieser Grenzen kann einen Verfahrens- und Abwägungsfehler erzeugen, der das gesamte Verfahren „infiziert“. Jedoch sollte im Umkehrschluss auch nicht leichtfertig das Planfeststellungsverfahren auf das Notwendigste konzentriert und alle Übrigen Einrichtungen über Bebauungspläne und andere Errichtungsgenehmigungen zugelassen werden. Denn dies kann dazu führen, dass ein Betroffener diese Zulassungsentscheidung mit der Begründung anfechtet, seine Belange seien nicht in der gesetzlich vorgesehenen Abwägung berücksichtigt, sondern lediglich im Rahmen einer gebundenen Genehmigungsentscheidung anhand der einschlägigen rechtlichen Vorgaben geprüft worden. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist jedoch eine Anfechtungsklage des Dritten gegen eine solche Zulassungsentscheidung möglich, mit der auch gerügt werden kann, die planerische Abwägung der dem Vorhaben entgegenstehenden Belange sei in rechtswidriger Weise nicht vorgenommen worden, weil statt des an sich gebotenen Planfeststellungsverfahrens nur ein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt worden sei. 21 Auch wenn die Chancen auf Aufhebung eines solchen Zulassungsaktes mit dieser Begründung geringer sein dürften, führt dieses Risiko jedoch dazu, den konkreten Antragsgegenstand eines Planfeststellungsverfahrens sehr genau anhand der einschlägigen Rechtsgrundlage(n) zu prüfen. Der funktionale Anlagenbegriff ermöglicht hierbei einen gewissen Spielraum, der jedoch nicht aus Gründen der Verfahrensökonomie überdehnt werden sollte.
___________ 21
BVerwG, Urt. vom 26.9.2001, – 9 A 3/01 –, juris; OVG Ndrs., Urt. vom 25.6.1998 – 12 K 2922/97 –, juris.
Die Zuständigkeit des Eisenbahnbundesamtes in der Eisenbahnaufsicht Von Julia Elbracht 1 Ich werde im Folgenden möglichst kurz gehalten skizzieren, welche Zuständigkeitsregeln das geltende Recht aufstellt, und sodann anhand einiger Beispiele aus der Praxis unserer Arbeit aufzeigen, welche Brisanz dieses Thema doch mit sich bringt. Denn ganz offensichtlich ist die Kompetenzverteilung nicht als rein akademisches Problem oder gar als Machtkampf zwischen Bund und Ländern zu sehen, sondern vielmehr geht es um die alltäglichen Anwendungsprobleme, die eine verworrene Kompetenzverteilung mit sich bringt. Wie Sie sehen, werde ich die derzeitige Rechtslage durchaus in Frage stellen, so dass Sie selbstverständlich auch erwarten dürfen, dass am Ende meines Vortrags ein Vorschlag stehen wird, wie sich die Zuständigkeiten praxisgerechter regeln lassen.
I. Begriff der Aufsicht Vorweg aber möchte ich noch kurz in Erinnerung rufen, was von der Eisenbahnaufsicht umfasst wird: Nach § 5 Abs. 1 AEG wird durch die Aufsicht die Beachtung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) und der auf ihm beruhenden Verordnungen, des EU-Rechts und zwischenstaatlicher Vereinbarungen, jeweils soweit Gegenstände des AEG berührt werden, sichergestellt. Damit handelt es sich um eine Rechtsaufsicht im üblichen Sinne, nicht jedoch um eine Fachaufsicht. Seit der Bahnreform im Jahre 1994 und der Führung der ehemaligen Bundesbahn in einem privatrechtlich organisierten Unternehmen verbietet sich eine Zweckmäßigkeitsaufsicht über Eisenbahnunternehmen ganz selbstverständlich. Maßstab jeglicher Aufsichtsmaßnahmen des Eisenbahnbundesamt kann also nur sein, ob die Eisenbahnen dem geltenden Recht entsprechend und sicher betrieben werden. ___________ 1
Die Vortragende ist Referentin im Justiziariat des Eisenbahn-Bundesamtes. Der Beitrag gibt die persönliche Auffassung der Referentin wieder.
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Gegenstand der Überwachung durch das Eisenbahnbundesamt sind die vier großen Bereiche Fahrzeuge, Betriebsanlagen, Betrieb an sich und Betriebspersonal. Dabei verfolgt die Eisenbahnaufsicht im Kern den Zweck, Gefahrenabwehr zu betreiben, soweit es um Gefahren geht, die sich aus dem Eisenbahnbetrieb für die öffentliche Sicherheit ergeben. Das Eisenbahnbundesamt nimmt seine Aufsichtsaufgaben also als Sonderordnungsbehörde wahr.
II. Derzeitige Rechtslage Für die Darstellung der aktuellen Rechtslage ist sinnvollerweise das Gesetz über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes (BEVVG) der Ausgangspunkt. Dort findet sich in § 2 Abs. 1 BEVVG die Bestimmung, dass das Eisenbahnbundesamt als selbständige Bundesoberbehörde die Aufgaben des Bundes im Rahmen der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahrnimmt. 1. Aufgaben des Eisenbahnbundesamtes § 3 Abs. 1 BeVVG In § 3 BEVVG werden die Aufgaben des Eisenbahnbundesamtes umfassend aufgelistet. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BEVVG weist die Aufgabe der Eisenbahnaufsicht dem Eisenbahnbundesamt zu. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 BEVVG obliegen beispielsweise auch die Planfeststellung und die Bauaufsicht für Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes dem Eisenbahnbundesamt. a) Planfeststellung und Bauaufsicht Insgesamt sind im Bereich der Planfeststellung die Zuständigkeiten eindeutiger verteilt als bei den Aufsichtsaufgaben. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BEVVG ist das Eisenbahnbundesamt für sämtliche Planfeststellungen von Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes zuständig. Dasselbe gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BEVVG für die Bauaufsicht über Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes. Die Länder hingegen verantworten die Planfeststellung von Betriebsanlagen der nichtbundeseigenen Eisenbahnen. Eine derart einschränkungslose Verteilung nach dem Kriterium der Eigentümerstellung lässt beispielhaft wenig Raum für Auslegungsprobleme. Dies gilt erst recht für sämtliche weitere Genehmigungen – mit Ausnahme solcher nach dem WHG –, da aufgrund der Konzentrationswirkung gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 HS 2 VwVfG neben der Planfeststellung andere behördliche Entscheidungen nicht erforderlich sind.
Die Zuständigkeit des Eisenbahnbundesamtes in der Eisenbahnaufsicht
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b) Zuständigkeit für Überwachung der Betriebsanlagen und Schienenfahrzeuge nach § 4 Abs. 2 AEG § 3 Abs. 1 Nr. 5 BEVVG enthält eine Öffnungsklausel, nach welcher dem Eisenbahnbundesamt die Ausübung sonstiger hoheitlicher Befugnisse sowie von Aufsichts- und Mitwirkungsrechten nach Maßgabe anderer Gesetze und Verordnungen obliegt. Als Beispiel für eine derartige andere Bestimmung möchte ich Ihnen im Folgenden kurz die Vorschrift des § 4 Abs. 2 AEG vorstellen. Diese begründet durch ihre besondere Formulierung eine Zuständigkeitskonzentration beim Eisenbahnbundesamt. Nach ihr obliegen Baufreigaben, Abnahmen, Prüfungen, Zulassungen, Genehmigungen und Überwachungen für Errichtung, Änderung, Unterhaltung und Betrieb der Betriebsanlagen und für Schienenfahrzeuge von Eisenbahnen des Bundes aufgrund anderer Gesetze und Verordnungen ausschließlich dem Eisenbahnbundesamt. Auch wenn der Wortlaut des § 4 Abs. 2 AEG die Bahnanlagen mit erfasst, hat die Vorschrift in diesem Bereich kaum praktische Bedeutung. Denn die Errichtung von Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes bedarf gemäß § 18 AEG eines Planfeststellungsbeschlusses, welcher seinerseits bereits aus § 75 Abs. 1 S. 1 HS 2 VwVfG eine Zuständigkeitskonzentration beim Eisenbahnbundesamt bewirkt. Die Konzentrationswirkung des § 4 Abs. 2 AEG führt ebenso dazu, dass es kraft Gesetzes neben den aufgelisteten Entscheidungen keiner weiteren Entscheidungen anderer Behörden bedarf. Dies bedeutet aber nicht, dass das Eisenbahnbundesamt die materiellen Anforderungen der „ausgeschalteten“ Genehmigungen nicht zu beachten hätte. Hier kommt es dann indirekt zur Geltung von Landesrecht im Bereich des Bundes, sprich dieser hat Landesrecht zu beachten. Beispielhaft bedeutet dies, dass das Eisenbahnbundesamt bereits bei der Inbetriebnahmegenehmigung eines Fahrzeugs Lebensmittelhygiene-Anforderungen zu berücksichtigen hat. Diese Zuständigkeitskonzentration war in diesem Bereich zwingend erforderlich, wenn man sich die Funktion des Eisenbahnbundesamtes als Aufsichtsbehörde und insbesondere als einzige Sicherheitsbehörde vor Augen hält. 2. § 5 AEG Nun aber lassen Sie uns die genaue Ausgestaltung der Aufsichtszuständigkeiten im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) betrachten: Im Bereich der Eisenbahnaufsicht ergibt sich die Zuständigkeit des Bundes aus § 5 Abs. 1 a) ff. AEG. Das Gesetz unterscheidet insofern Zuständigkeitszuweisungen von Aufgaben. Schon der Umfang des § 5 AEG verdeutlicht, dass keine klare Verteilung der Zuständigkeit wie hinsichtlich der Planfeststellung erfolgt ist, sondern dass es sich um ein kompliziertes System von Regel und Ausnahme handelt.
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Mehrfach wurde versucht, dieses System zu präzisieren und aktuellen Rechtsentwicklungen anzupassen, wie sich insbesondere an den zahlreichen nachträglich eingefügten Absätzen 1 a) bis 1 h) AEG zeigt. Bisher ist es jedoch noch nicht gelungen, die Zuständigkeiten vereinfacht zu verteilen. a) Anknüpfung an die Eigentümerstellung Im Grundsatz hat der Gesetzgeber bis heute an dem Abgrenzungskriterium der Eigentümerstellung, welches schon vor der Bahnreform herangezogen wurde, festgehalten. Dies zeigt sich schon im Grundgesetz, wenn es in Art. 73 Nr. 6 a GG heißt, dass dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Verkehr mit Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen, obliegt. Die parallele Verwaltungskompetenz wird dem Bund in Art. 87 e Abs. 1 S. 1 GG zugewiesen. Trotz der anscheinend leicht abzugrenzenden Zuständigkeit ergibt sich aufgrund zahlreicher Ausnahmen und Einschränkungen innerhalb des Grundsatzes der Eigentümerzuständigkeit ein komplexes Gefüge der Zuständigkeitsverteilung. § 5 Abs. 1 a) Nr. 1 a) AEG sieht vor, dass der Bund für die Eisenbahnaufsicht und für Genehmigungen für Eisenbahnen des Bundes mit Sitz im Inland zuständig ist. Eisenbahnen des Bundes mit Sitz im Ausland – ein Beispiel hierzu existiert meines Wissens bisher nicht – fallen nach § 5 Abs. 1 a) Nr. 1 b) AEG in den Zuständigkeitsbereich des Bundes, soweit sie eine Eisenbahninfrastruktur auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland benutzen oder betreiben. Ausnahmsweise ist der Bund auch für nichtbundeseigene Eisenbahnen zuständig, nämlich nach § 5 Abs. 1 a) Nr. 1 c) AEG dann, wenn sie ohne Sitz im Inland sind und eine Eisenbahninfrastruktur in Deutschland benutzen; nicht jedoch im Falle des Betreibens einer Infrastruktur. Diese Einschränkung ist historisch zu sehen, da die Aufsicht über die Infrastruktur nichtbundeseigener Eisenbahnen schon immer im Zuständigkeitsbereich der Länder gelegen hat. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Länder für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen zuständig sind, sofern sie ihren Sitz im Inland haben oder soweit sie mit Sitz im Ausland eine Infrastruktur in Deutschland betreiben (vgl. § 5 Abs. 1 a) Nr. 2 AEG). Daraus ergibt sich beispielsweise die Situation, dass sich eine nichtbundeseigene Eisenbahn mit Sitz im Ausland gegebenenfalls an zwei zuständige Behörden wenden muss: Hinsichtlich des eigenen Betreibens einer Infrastruktur in Deutschland an die zuständige Landesbehörde, hinsichtlich des Benutzens einer fremden Infrastruktur in Deutschland an das Eisenbahnbundesamt. Ich denke, es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass diese Situation sowohl für die betreffende Eisenbahn als auch für die beteiligten Behörden sehr misslich ist.
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b) Netzbezogene Zuständigkeit Auch folgende Alltagssituation erwies sich bisher als höchst unpraktikabel: Die Landesbehörden sind untereinander jeweils für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen zuständig, die in ihrem Land den Sitz haben (§ 5 Abs. 1 b) AEG). Dies führte aber bisher zugleich dazu, dass das jeweilige Land bundesweit tätig werden musste – z.B. um Fahrzeuge zu kontrollieren, die naturgemäß nicht ausschließlich in ihrem „Heimatbundesland“ betrieben werden. Mit der zweiten AEG-Novelle im Jahre 2002 wurde daher die sogenannte akzessorische oder netzbezogene Zuständigkeit eingeführt. Nach § 5 Abs. 1 c) AEG bedeutet dies, dass sich die Aufsichtszuständigkeit (nicht aber die Genehmigungszuständigkeit!) über eine Eisenbahn daran anlehnt, wessen Netz die Eisenbahn befährt. Fährt also eine Eisenbahn – egal ob bundeseigen oder nicht – auf dem Netz einer bundeseigenen Eisenbahn, so ist der Bund für die Aufsicht über sie zuständig. Dies hat in der Praxis zu einer Ausweitung der Bundeskompetenzen geführt, da der größte Teil des deutschen Streckennetzes von der DB Netz AG als bundeseigene Eisenbahn betrieben wird. Gleichwohl ergibt sich daraus auch, dass ein Land die Aufsicht über eine bundeseigene Eisenbahn haben kann, wenn sie denn nur auf einem Netz einer nichtbundeseigenen Eisenbahn mit Sitz in seinem Land fährt. Die Absicht hinter dieser Einführung der netzbezogenen Zuständigkeit bestand darin, die bisher bestehende unterschiedliche Zuständigkeit für Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastruktur bei derselben Aufsichtsbehörde zu konzentrieren und dadurch zugleich den sicheren Betrieb besser zu gewährleisten. Denn es besteht gerade im Eisenbahnwesen ein enger Zusammenhang zwischen den infrastrukturellen Bedingungen und dem Eisenbahnbetrieb als solchem. Aus diesem Grund wurden der jeweiligen netzbezogen zuständigen Behörde in § 5 a Abs. 3 AEG auch nur solche Befugnisse erteilt, die der sicheren Benutzung der Infrastruktur dienen. c) Erweiterung durch Einführung der Sicherheitsbescheinigung/-genehmigung Die Zuständigkeit des Bundes hinsichtlich der nichtbundeseigenen Eisenbahnen wurde im Rahmen der Umsetzung des 2. Europäischen Eisenbahnpakets im Jahre 2007 auch dadurch wesentlich erweitert, dass § 5 Abs. 1 e) AEG eingefügt worden ist. Nach Nr. 4 der genannten Vorschrift „obliegt dem Bund für regelspurige Eisenbahnen die Eisenbahnaufsicht ... über nichtbundeseigene Eisenbahnen, die einer Sicherheitsbescheinigung oder Sicherheitsgenehmigung bedürfen“. Diese Ausdehnung der Zuständigkeit war richtigerweise als sinnvoll erachtet worden, nachdem dem Eisenbahnbundesamt die Zuständigkeit nach § 14 Abs. 7 AEG für die neu eingeführte Sicherheitsbescheinigung und Sicher-
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heitsgenehmigung übertragen worden war. Der enge Zusammenhang zwischen der eisenbahnspezifischen Aufsichtsfunktion und der Genehmigungszuständigkeit sprach für eine derart gekoppelte Zuständigkeit. d) Arbeitsschutz Eine weitere Differenzierung im System der Zuständigkeiten nimmt der Gesetzgeber mit § 5 Abs. 5 AEG vor. Danach wird die Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften von den nach diesen Vorschriften zuständigen Behörden überwacht. Damit will der Gesetzgeber nichts anderes sagen, als dass dieselben Behörden die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften bei Eisenbahnunternehmen überwachen sollen wie bei anderen Unternehmen auch. Die Zuständigkeit liegt also bei den originär zuständigen Behörden der Länder. Insofern handelt es sich letztlich eher um eine Klarstellung als um eine Zuständigkeitsverteilung. In der Praxis bereitet die Entscheidung in dieser Allgemeinheit allerdings zahlreiche Probleme. Lassen Sie mich zur Verdeutlichung ein Beispiel skizzieren: Stellen Sie sich vor, der Lokführer eines Güterzuges schläft ein, überfährt deswegen mehrere Signale und stößt schließlich auf einer eingleisigen Strecke mit einem entgegenkommenden Zug zusammen. Sie werden sagen: Das darf doch nicht passieren, ein Lokführer der einschläft. Der hat bestimmt die vorgeschriebenen Lenkzeiten nicht eingehalten und ist 20 Stunden durchgefahren. Darauf muss ich Ihnen nach der derzeitigen Rechtslage leider antworten, dass das durchaus so sein kann. Und es wäre nicht einmal unzulässig. Denn eine Lenkzeitverordnung wie im Bereich des Güterkraftverkehrs existiert für die Eisenbahnen nicht. Von der Verordnungsermächtigung in § 26 Abs. 2 AEG zur Festlegung von Lenk- und Ruhezeiten wurde bisher – außer in der Eisenbahnfahrpersonalverordnung (EFPV) für den grenzüberschreitenden Verkehr – kein Gebrauch gemacht. Zwar bestehen z.B. bei der DB AG interne Vorschriften zu dieser Thematik, doch können diese vom Eisenbahnbundesamt selbstverständlich nicht vollzogen werden. Gehen wir einmal davon aus, dass irgendwann eine Lenkzeitverordnung in Kraft treten wird. Ohne weitere Zuständigkeitsregelungen stellt sich dann die Frage, wem der Vollzug dieser obliegt. Diese Frage stellt sich heute schon für die EFPV. Diese regelt für Eisenbahnunternehmen im grenzüberschreitenden Verkehr unter anderem die Fahr- und Ruhezeiten und damit Spezialregelungen gegenüber den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes. Sie ist also selbst als Arbeitsschutzvorschrift einzuordnen. Darüber, ob tatsächlich nach § 5 Abs. 5 AEG die originären Arbeitsschutzbehörden für ihren Vollzug zuständig sind oder aber, ob dies Eisenbahnaufsichtsbehörden nach § 5 Abs. 1 a) AEG die EFPV vollziehen, herrscht jedoch bisher Unstimmigkeit.
Die Zuständigkeit des Eisenbahnbundesamtes in der Eisenbahnaufsicht
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Nun aber zurück zu dem Beispiel. Ich denke auch ohne eine nähere Erläuterung der möglichen Folgen eines solchen „Einschlafens“ wird schnell deutlich, dass es sich bei einer Lenkzeitvorgabe nicht um eine Vorschrift rein zum Arbeitsschutz handeln würde, sondern ganz vorrangig um eine sicherheitsrelevante Materie. In solchen Fällen aber, wo die Arbeitsschutzstandards eng mit rein bahnspezifischen Tatbeständen verknüpft sind und eine direkte Verbindung zur Aufsicht über andere Sicherheitsvorschriften besteht, sprechen allein schon Zweckmäßigkeitserwägungen für eine Zuständigkeit des Eisenbahnbundesamtes. Jede Wahrnehmung dieser Aufsichtstätigkeit durch eisenbahnfremde Behörden wäre sachfremd und wenig sinnvoll. Allerdings ist es kein Geheimnis, dass die Zweckmäßigkeit an sich noch keine Zuständigkeit begründet, so dass ich die Argumentation noch mit Hilfe des Gesetzes weiterführen möchte: Insofern muss berücksichtigt werden, dass die EFPV laut ihrer Eingangsformel auf § 26 AEG beruht und deshalb vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung erlassen worden ist. Es handelt sich also bei der Verordnung um spezifisches Eisenbahnrecht. Die Aufsicht über dessen Einhaltung ist nach ausdrücklicher bundesrechtlicher Zuweisung in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AEG Aufgabe des Bundes! § 5 Abs. 1 a) AEG überträgt den Eisenbahnaufsichtsbehörden die Zuständigkeit dafür aber nur so weit, soweit das AEG nichts anderes bestimmt. Eine solche andere Bestimmung könnte also in § 5 Abs. 5 AEG gesehen werden. Dies hätte dann zur Folge, dass diejenigen Behörden die Arbeitsschutzvorschriften überwachen, die originär dafür zuständig sind, nicht aber die Eisenbahnaufsichtsbehörden. Genau diese Argumentation entspricht den Überlegungen des Gesetzgebers, obwohl sich die Frage stellt, ob er dabei auch die sicherheitsrelevanten Lenkzeiten im Blick hatte. Aus den Gesetzesmaterialien geht das jedenfalls nicht hervor. Die Option für das Verkehrsministerium in § 5 Abs. 5 S. 2 AEG, dem Eisenbahnbundesamt die Zuständigkeit für sicherheitsrelevante Arbeitsschutzvorschriften zu übertragen, hilft in diesem Fall nicht weiter, da sich diese Möglichkeit ausschließlich auf den technischen Arbeitsschutz bezieht, wie die Formulierung „für Schienenfahrzeuge und Anlagen“ zeigt. Dem Ministerium sind also insoweit durch den Gesetzgeber die Hände gebunden. Die letzte Argumentation könnte man möglicherweise auch genau anders herum führen. Wenn man den Vollzug sämtlicher auf dem AEG beruhenden Rechtsverordnungen gemäß § 5 Abs. 1 AEG als Aufgabe der Eisenbahnaufsichtsbehörden sieht und § 5 Abs. 5 AEG nicht als lex specialis, dann käme man zu einer Zuständigkeit der Eisenbahnaufsichtsbehörden. In diesem Fall wäre § 5 Abs. 5 AEG so zu lesen, dass er lediglich die Arbeitsschutzvorschriften in den Vollzug der allgemein für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden
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Julia Elbracht
stellt, die nicht in einer Verordnung nach dem AEG enthalten sind; mit anderen Worten die nicht sicherheitsrelevanten Arbeitsschutzvorschriften. Welcher der beiden Argumentationslinien man nun folgen sollte, ist bisher nicht geklärt. Das Eisenbahnbundesamt befindet sich diesbezüglich noch mitten im Diskurs mit der nordrhein-westfälischen Regierung.
III. Ausblick / Vorschlag Wie Sie sehen, wird durch das Beispiel des einschlafenden Lokführers sicherlich deutlich, welche Schwierigkeiten das komplizierte Regel-AusnahmeVerhältnis der Zuständigkeiten mit sich bringt. Nicht nur hier, sondern insgesamt im Zuständigkeitsgeflecht um die Eisenbahnaufsicht bedürfte es einer deutlicheren Regelung um klare Verhältnisse zu schaffen. Eine Vereinfachung des § 5 AEG mit seinen zahlreichen Unterabsätzen wäre hierzu dringend nötig. Dabei sollte aber insbesondere berücksichtigt werden, dass Arbeitsschutzvorschriften, die Lenkzeiten festlegen, sicherheitsrelevant sind und den Aufsichtsbereich des Eisenbahnbundesamtes berühren. Eine umfassende Zuständigkeit des Eisenbahnbundesamtes in den Fällen, die Sicherheitsrelevanz aufweisen, ist nicht nur im Sinne einer Vereinfachung empfehlenswert, sondern entspricht vor allem der Eigenschaft des Eisenbahnbundesamtes als Sicherheitsbehörde.
Verzeichnis der Autoren Dr. Hae-Ryoung Kim, Univ.-Prof., Hankook-University of Foreign Studies, Seoul, Korea Dr. Ulrich Hösch, Prof., Rechtsanwalt, Rechtsanwälte Gronefeld, Thoma & Kollegen, München Horst Weise, Dipl.-Inform., Deutscher Fluglärmdienst e.V., Eppstein Dr. Markus Deutsch, Rechtsanwalt, Dolde Mayen & Partner Rechtsanwälte, Bonn Thomas Mehler, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Haldenwang & Kollegen, Frankfurt/M. Dr. Olaf Reidt, Rechtsanwalt, Redeker Sellner Dahs Rechtsanwälte, Berlin Dr. Alexander Jannasch, Richter am Bundesverwaltungsgericht, Leipzig Dr. Winfried Bullinger, Prof., Rechtsanwalt, CMS Hasche Sigle, Berlin und JosefWalter Kirchberg, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Kasper Knacke Rechtsanwälte, Stuttgart Petra Stark, Referatsleiterin, Regierungspräsidium Tübingen Dr. Tobias Lieber, Rechtsanwalt, Schotten Fridrich Rechtsanwälte, Freiburg i.Br. Dr. Bernhard Wegener, Univ.-Prof., Friedrich-Alexander-Universität ErlangenNürnberg, Erlangen Franziska Heß, Rechtsanwältin, BAUMANN Rechtsanwälte, Würzburg/Leipzig Dr. Christian Giesecke, LL.M., Rechtsanwalt, Lenz und Johlen Rechtsanwälte, Köln Dr. Julia Elbracht, Eisenbahn-Bundesamt, Bonn