Aktuelle Probleme des Luftverkehrs-, Planfeststellungs- und Umweltrechts 2014: Vorträge auf den Sechzehnten Speyerer Planungsrechtstagen und dem Speyerer Luftverkehrsrechtstag vom 5. bis 7. März 2014 an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer [1 ed.] 9783428546909, 9783428146901

Der vorliegende Band fasst die Vorträge zusammen, die auf dem Speyerer Luftverkehrsrechtstag am 5. März 2014 und den Sec

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Aktuelle Probleme des Luftverkehrs-, Planfeststellungs- und Umweltrechts 2014: Vorträge auf den Sechzehnten Speyerer Planungsrechtstagen und dem Speyerer Luftverkehrsrechtstag vom 5. bis 7. März 2014 an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer [1 ed.]
 9783428546909, 9783428146901

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Schriftenreihe der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer

Band 228

Aktuelle Probleme des Luftverkehrs-, Planfeststellungs- und Umweltrechts 2014 Vorträge auf den Sechzehnten Speyerer Planungsrechtstagen und dem Speyerer Luftverkehrsrechtstag vom 5. bis 7. März 2014 an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer

Herausgegeben von

Jan Ziekow

Duncker & Humblot · Berlin

JAN ZIEKOW (Hrsg.)

Aktuelle Probleme des Luftverkehrs-, Planfeststellungsund Umweltrechts 2014

Schriftenreihe der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Band 228

Aktuelle Probleme des Luftverkehrs-, Planfeststellungs- und Umweltrechts 2014 Vorträge auf den Sechzehnten Speyerer Planungsrechtstagen und dem Speyerer Luftverkehrsrechtstag vom 5. bis 7. März 2014 an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer

Herausgegeben von Jan Ziekow

Duncker & Humblot  ·  Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Meta Systems GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 2197-2842 ISBN 978-3-428-14690-1 (Print) ISBN 978-3-428-54690-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-84690-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Der vorliegende Band fasst die Vorträge zusammen, die auf dem Speyerer Luftverkehrsrechtstag am 5. März 2014 und den Sechzehnten Speyerer Planungsrechtstagen vom 5. bis 7. März 2014 an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer gehalten wurden. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Veranstaltungen waren Vertreterinnen und Vertreter aller Ebenen der Verwaltung, der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Rechtsanwaltschaft, von Vorhabensträgern, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Meiner Sekretärin, Frau Ruth Nothnagel, danke ich für die sachkundige Formatierung auch dieses Tagungsbandes. Darüber hinaus gebührt meiner Sekretärin, Frau Martina Díaz-Carreño, und meinem Assistenten, Herrn Dieter Katz, Dank für die Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der Tagungen. Speyer, im Dezember 2014

Jan Ziekow

Inhaltsverzeichnis Vom BER und vom Bär – Neues zu den Flugrouten Von Nikolaus Herrmann, Langen ........................................................................

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Wer zahlt für die Luftsicherheit am Flughafen? – Die Anforderungen der Luftsicherheit als Planungs- und Kostenfaktor Von Thilo Streit, Köln .........................................................................................

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Wirbelschleppen im Flughafenbereich Von Martin Schröder, München ............................................................................ 55 Die gerichtliche Kontrolle von UVP-Fehlern Von Monika Böhm, Marburg ................................................................................ 65 Was wird die neue UVP-Richtlinie bringen? Von Alexander Schink, Bonn ............................................................................... 81 Privatisierung im Rahmen der Eisenbahnverkehrsverwaltung Von Moritz Metzler, Bonn .................................................................................. 105 Klagebefugnis von Umweltverbänden und Gemeinden im Umweltrecht Von Sabine Schlacke, Münster ........................................................................... 129 Seveso-II-Richtlinie – Auswirkung der Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG für die Planung von wichtigen Verkehrsinfrastrukturen Von Mathias Hellriegel, Berlin .......................................................................... 145 Funktionales Verständnis, normative Ausrichtung und wertende Betrachtung – zur Erheblichkeit baulicher Eingriffe in den Schienenweg und angemessenen Lärmschutz Von Frank Berka, Hannover .............................................................................. 161

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Inhaltsverzeichnis

EnWG und EnLAG auf dem Prüfstand – Die Erfahrungen in der Praxis der Planfeststellung Von Rolf Rockitt, Hannover ............................................................................. .. 175 Aktuelle Rechtsfragen der Bundesfachplanung Von Werner Schaller und Marius Henrich, Bonn .............................................. 191 Erhaltungsmaßnahmen (Unterhaltung und Erneuerung) von Betriebsanlagen der Eisenbahn Von Thomas Seegmüller, Frankfurt .................................................................... 219 Baden-Württemberg: Ein Leitfaden für eine neue Planungskultur Von Ulrich Arndt, Stuttgart ............................................................................…. 235 Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung zwischen Rechtsvorschrift und Managementinstrument – Das Regulierungskonzept der Richtlinie VDI 7000 Von Volker M. Brennecke, Düsseldorf ............................................................... 245 Verzeichnis der Autoren ........................................................................................... 267

Vom BER und vom Bär – Neues zu den Flugrouten Von Nikolaus Herrmann*

I. Der Braunbär und der EuGH Beim Europäischen Braunbär ist, wie allgemein bekannt, zu unterscheiden zwischen dem sich normal verhalten Bär, dem Problembär und dem Schadbär.1 Gleiches gilt auch für den BER2. Beim BER sind die Zusammenhänge mit dem Luftverkehr eindeutig. Ursus arctos arctos – das ist der wissenschaftliche Name – ist allerdings eher einzelgängerisch und kaum Luftverkehr-affin.3 Doch sind auch hier die Zusammenhänge gut unterrichteten Fachkreisen wohl bekannt. Zwei Unterarten des Europäischen Braunbären treten in der neueren Rechtsprechung auf: der slowakische und der kantabrische Braunbär. Der Europäische Gerichtshof hatte in seinem Urteil vom 8. März 2011 – diese Entscheidung betrifft den slowakischen Braunbären – den Mitgliedstaaten aufgegeben, ihr nationales Prozessrecht in der Weise auszulegen, dass Umweltvereinigungen eine möglichst weitgehende Klagebefugnis zukommt, und zwar namentlich dann, wenn eine mit dem Unionsrecht und insbesondere mit der FFH-Richtlinie geschützte Art betroffen ist.4 Der kantabrische Braunbär – genauer gesagt seine Störung durch den Braunkohletagebau in Nordspanien – war Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens, das mit dem Urteil des Gerichtshofs vom 24. November, ebenfalls im Jahre 2011 abschlossen wurde.5 Unter anderem hat der Gerichtshof in dieser Entscheidung ausgeführt, dass bestimmte Projekte durchaus ___________ * Der Verfasser ist Direktor des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung. Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Verfassers wieder. 1 E. Stoiber, Pressekonferenz vom 25. Mai 2006. 2 Drei-Buchstaben-Code des künftigen Flughafens Berlin Brandenburg, Dokument Nr. 7910 der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO Doc 7910: Location Indicators). 3 Vgl. B. Grzimek u.a. (Hrsg.), Grzimeks Tierleben, Enzyklopädie des Tierreichs, Band 12, 1972, S. 118 ff. 4 EuGH, Urt. vom 8.3.2011 – C-240/09 –, juris, Entscheidungstenor. 5 EuGH, Urt. vom 24.11.2011 – C-404/09 –, juris.

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auch noch in mehreren Kilometern Entfernung FFH-relevante Störungen verursachen können, die nach Artikel 6 der FFH-Richtlinie6 zu bewerten sind.7

II. Flugverfahren und Naturschutz Was hat dies alles nun mit Flugverfahren zu tun? Am 19. Dezember des letzten Jahres hatte das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren über die Klage einer Naturschutzvereinigung zu entscheiden.8 Gegenstand war ein Abflugverfahren vom Flughafen Leipzig. Die Naturschutzvereinigung hatte im Ausgangsverfahren vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht unter anderem geltend gemacht, dieses Abflugverfahren beeinträchtige ein unter dem Flugverfahren liegendes FFH-Gebiet. Die Klage stützte sich außerdem auf das Vorbringen, dass für die Festlegung des Flugverfahrens die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich gewesen sei. Das OVG hatte jedoch bereits die Klagebefugnis der Naturschutzvereinigung verneint: Die Festlegung von Flugverfahren durch Rechtsverordnung sei weder ein Projekt noch ein Plan im Sinne des UVP-Gesetzes noch sei sie ein Projekt im Sinne des FFH-Rechts.9 Dem ist das Bundesverwaltungsgericht nur teilweise gefolgt. Nach Auffassung des Gerichts ist die Festsetzung von Flugverfahren nicht UVP-pflichtig.10 Die Umweltverträglichkeitsprüfung sei anlagenbezogen, Flugverfahren seien aber kein Teil der Anlage. Im Verhältnis zu einer voraufgegangenen Planfeststellung sei die Festsetzung von Flugverfahren auch nicht als weiterer Teil eines mehrstufigen Verfahrens anzusehen, das insgesamt UVP-pflichtig wäre.11 Auch aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Slowakischen Braunbären folge nichts anderes.12 Anders aber die Ausführungen zum FFH-Recht: Der Senat knüpft dabei an sein Urteil vom 10. April 2013 an.13 Damals hatte er entschieden, dass Tiefflugkorridore der Bundeswehr, die über ein FFH-Gebiet führten, als Projekte im ___________ 6 Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. L 206, S. 7, zuletzt geändert durch Richtlinie 2013/17/EU des Rates vom 13. Mai 2013, ABl. L 158, S. 193. 7 EuGH (Fn. 5), Rn. 188 ff. 8 BVerwG, Urt. vom 19.12.2013 – 4 C 14.12 –, UA. 9 Sächs. OVG, Urt. vom 9.5.2012 – 1 C 20/08 –, juris, Rn. 24 ff. 10 BVerwG (Fn. 8), Rn. 11 ff. 11 BVerwG (Fn. 8), Rn. 22. 12 BVerwG (Fn. 8), Rn. 34. 13 BVerwG, Urt. vom 10.4.2013 – 4 C 3.12 –, juris.

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Sinne des FFH-Rechts anzusehen seien. Im FFH-Recht gelte ein wirkungsbezogener Projektbegriff.14 Das Bundesverwaltungsgericht erteilt also – entgegen einer bislang weit verbreiteten Auffassung15 – einem einheitlichen Projektbegriff für Umweltverträglichkeitsprüfungen und für FFH-Prüfungen ein Absage, durchaus im Einklang mit der skizzierten Entscheidung des EuGH zum kantabrischen Braunbären. Wenn daher die Festsetzung eines Flugverfahrens als Projekt im Sinne des FFH-Rechts anzusehen sei, so stehe einer anerkannten Naturschutzvereinigung ein Beteiligungsrecht bei der Erteilung von Befreiungen zu und bei Unterlassung dieser Beteiligung eine Klagebefugnis. Dieses Beteiligungsrecht nach § 63 Absatz 2 Nr. 5 BNatSchG bestehe nicht nur bei förmlichen Befreiungen von Verboten und Geboten, sondern im Hinblick auf Natura-2000-Gebiete auch bei Abweichungsentscheidungen nach § 34 Absatz 3 BNatschG.16 Ob für das streitgegenständliche Flugverfahren eine FFH-Prüfung erforderlich gewesen wäre und gegebenenfalls mit welchem Ergebnis, wird nunmehr das OVG zu prüfen haben. Welche Anforderungen das Umwelt- und Naturschutzrecht an die Festsetzung von Flugverfahren stellt, war auch Gegenstand von zwei Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg aus dem letzten Jahr. Es ging jeweils um Flugverfahren für den künftigen BER, die so im Planfeststellungsverfahren nicht erörtert worden waren, nämlich die sogenannte Müggleseeroute17 und die sogenannte Wannseeroute18. Beide Flugverfahren führen in einiger Entfernung vom Flughafen nach Norden über Berliner Stadtgebiet; die Grobplanung im Planfeststellungsverfahren hatte das Berliner Stadtgebiet komplett ausgespart.

III. Flugverfahren und Planfeststellung Diese Abweichung der vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) vor gut zwei Jahren festgesetzten Flugverfahren19 von der Grobplanung in der Planfeststellung war im Übrigen auch Gegenstand von Klagverfahren, die sich gegen ___________ 14

BVerwG (Fn. 13), Rn. 29 f.; BVerwG (Fn. 8), Rn. 28. Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD v. 17.3.2009, BT-Drs. 16/12274, S. 65; M. Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II, § 34 BNatSchG Rdnr. 5, Losebl. 59 EL; K. Meßerschmidt, in: Bundesnaturschutzrecht, § 34 Rdnr. 17, Losebl. Stand: 88 EL. 16 BVerwG (Fn. 8), Rn. 26, 34 f. 17 OVG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 14.6.2013 – OVG 11 A 10.13 –, juris. 18 OVG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 14.6.2013 – OVG 11 A 20.13 –, juris. 19 247. DVO zur LuftVO vom 10.2.2012, BAnz S. 1086. 15

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den Planfeststellungsbeschluss selbst richteten. Nach den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Juli 201220 stellt sich das Verhältnis von Planfeststellung und Flugverfahrensplanung wie folgt dar: Grundsätzlich kann das gesamte Umfeld eines Flughafens vom Flugverkehr und damit auch von Fluglärm betroffen sein. Soweit daher abwägungserhebliche Auswirkungen nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausgeschlossen sind, ist auch jeder, dessen Grundstück in diesem Einwirkungsbereich liegt, im Planfeststellungsverfahren einwendungs- und klagebefugt. Auch die Umweltverträglichkeitsprüfung im Planfeststellungsverfahren muss sich räumlich auf den gesamten Einwirkungsbereich des Flughafens erstrecken. Die Auswirkungsprognose muss allerdings nicht für den gesamten Einwirkungsbereich in gleicher Intensität erfolgen; sie kann sich auf die Betrachtung bestimmter Flugrouten beschränken. Immerhin aber folgt aus dem Grundsatz der Problembewältigung, dass „die prognostische Flugroutenplanung Art und Ausmaß der zu erwartenden Betroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abbilden“ muss.21 Und weiter heißt es: „Lässt sich die Zulassung des Flughafenausbaus nach dem Abwägungskonzept der Planfeststellungsbehörde nur rechtfertigen, wenn bestimmte Gebiete von erheblichen Beeinträchtigungen durch Fluglärm verschont bleiben, kann die Planfeststellungsbehörde klarstellen, dass der Schutz dieser Gebiete zu den tragenden Erwägungen des Planfeststellungsbeschlusses gehört, zu denen sich das BAF bei der nachfolgenden Festlegung der Flugverfahren nicht in Widerspruch setzen darf.“22

Was aber, wenn dies nicht der Fall ist? Wenn die tragenden Entscheidungsgründe keine solchen Tabuzonen bestimmen? Wenn vorgetragen wird, dass die Planfeststellungsunterlagen die Auswirkungen im Einwirkungsbereich, die Auswirkungen auf die Umwelt und auch die Auswirkungen auf FFH-Gebiete gerade nicht realistisch abbilden? Das OVG Berlin-Brandenburg schließt im Ergebnis eine UVP-Pflicht im Festsetzungsverfahren für Flugverfahren aus. Sämtliche notwendigen UVP-Prüfungen auch zu den Auswirkungen durch Flugverfahren müssten umfassend im Planfeststellungsverfahren erfolgen.23 Eine unvollständige oder fehlerhafte UVP könne aber zur Rechtswidrigkeit einzelner Flugverfahren führen. Ausgehend von der Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, dass grundsätzlich auch von ___________ 20 BVerwG, Urt. vom 31.7.2012 – 4 A 6001/11 u.a. –, juris; – 4 A 5000/10 u.a. –, juris; – 4 A 7001/11 u.a. –, juris. 21 BVerwG (Fn. 20) – 4 A 6001/11 u.a. – Rn. 42; – 4 A 5000/10 u.a. – Rn. 50; – 4 A 7001/11 u.a. – Rn. 66. 22 BVerwG (Fn. 20) – 4 A 5000/10 u.a. – Rn. 51; – 4 A 7001/11 u.a. – Rn. 84. 23 OVG Berlin-Brandenburg (Fn. 17), Rn. 35; OVG Berlin-Brandenburg (Fn. 18), Rn. 31.

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den Planfeststellungsunterlagen abweichende Flugverfahren festgesetzt werden können, führt das Gericht aus: „Allerdings ist die Grenze der hinzunehmenden Veränderungen [...] überschritten, wenn die Festlegung der Flugverfahren die planungsrechtliche Grundlage konterkariert oder verlässt. Das ist nicht nur dann der Fall, wenn das Bundesaufsichtsamt mit seiner Planung gegen erklärte Planungsziele des Planfeststellungsbeschlusses verstößt, sondern auch dann, wenn ein Flugverfahren abweichend von der Grobplanung über ein Gebiet festgelegt wird, das erkennbar nicht von der planerischen Festsetzung getragen ist und auf das sich die erforderliche UVP-Prüfung deshalb nicht erstreckt hat. Eine solche Flugroutenfestsetzung wäre bis zu einer etwaigen planungsrechtlichen ‚Nachbesserung‘ rechtswidrig, denn es fehlte an der erforderlichen – vorgelagerten – planerischen Konfliktbewältigung.“24 In der Sache hat das Gericht einen solchen Verstoß verneint und die Klagen abgewiesen. Was folgt daraus für die Flugverfahrensdogmatik? Mit der Erweiterung des gerichtlichen Prüfprogramms weit über den Lärmschutz hinaus korrespondiert eine Einschränkung des behördlichen Gestaltungsspielraums. Die Flugverfahrensplanung wird eng an die Inhalte der Flughafenzulassung gekoppelt; die Praxis der Vergangenheit, die auf der inzwischen zehn Jahre alten TABUM-Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts25 aufgebaut hat und sich so gut wie ausschließlich einerseits auf Fragen der flugbetrieblichen Sicherheit, andererseits auf den Schutz vor Fluglärm konzentriert hat, wird so voraussichtlich nicht mehr haltbar sein. Allerdings treten dadurch neue Konflikte auf. Der Naturschutz – für unbewohnte Gebiete – und der Lärmschutz – für bewohnte Gebiete – können zueinander in Widerspruch treten, ja selbst innerhalb des Lärmschutzes gibt es Konflikte. Der Schutz von „ruhigen Gebieten“ nach der Umgebungslärmrichtlinie ist nicht leicht in Einklang zu bringen mit dem Fluglärmschutz in dicht besiedelten Gebieten. Allerdings hat hier das OVG Berlin-Brandenburg den vom BAF angenommenen Gewichtungsvorrang des Schutzes besiedelter Gebiete ohne weiteres akzeptiert.26

IV. Feinjustierung Auch wenn die Flughafenzulassung damit die Grundzüge für die Planung von An- und Abflugverfahren vorgibt, bleibt dennoch genügend Raum für Feinjustierung. Deutlich wird dies an dem Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom ___________ 24

OVG Berlin-Brandenburg (Fn. 17), Rn. 37; OVG Berlin-Brandenburg (Fn. 18), Rn. 33. 25 BVerwG, Urt. vom 24.6.2004 – 4 C 11.03 –, juris; sowie – 4 C 15.03 –, juris. 26 OVG Berlin-Brandenburg (Fn. 17), Rn. 72.

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19. September 2013.27 Das Gericht hat hier ein Flugverfahren für die Nachtzeit für rechtswidrig erklärt, dieses Verfahren aber für den Tag bestätigt. Gegenstand waren die Abflugverfahren von der Nordbahn des künftigen Flughafens in westlicher Richtung. Quer vor den beiden Startbahnen liegt in etwa drei Kilometern Entfernung die Gemeinde Blankenfelde-Mahlow als langgestreckter Siedlungsriegel. Im Norden hält dieses Siedlungsgebiet einen gewissen Abstand zu den nächstgelegenen Ortsteilen des Landes Berlin. Für diese Abflüge ist in der vor zwei Jahren getroffenen Entscheidung ein geradeaus führendes Verfahren vorgesehen worden, das im Anfangsteil genau der Kursführung der Anflüge für die andere Betriebsrichtung entspricht. Dies hat zur Folge, dass die unter der Anfluggrundlinie liegenden Gebiete an jedem Tag im Jahr direkt überflogen werden. In der Fluglärmkommission28 war auch eine Führung der Abflüge in einer Nordkurve um Mahlow herum diskutiert worden. Dass diese nicht festgesetzt wurde, hatte das BAF seinerzeit mit erheblichen navigatorischen Schwierigkeiten, Konflikten mit der Forderung des Planfeststellungsbeschlusses nach einem voneinander unabhängigen Betrieb der beiden Bahnen und einer Abschätzung der Lärmwirkungen einer solchen Kursführung begründet.29 Im Kern stellte sich dort die Frage, ob eine Lärmkonzentration oder eine Lärmverteilung vorzugswürdig ist. Diese Frage lässt sich nicht generell beantworten. Hier ist stets eine Einzelfallbetrachtung erforderlich. Die Konzentration des Lärms in einem engen Korridor führt zu weniger, dafür aber sehr stark betroffenen Personen, eine Verteilung des Lärms reduziert zwar das Maß der Belastung für jeden Einzelnen, erhöht aber die Anzahl der betroffenen Personen. Im konkreten Fall war dabei zu berücksichtigen, dass die Nordbahn des künftigen BER identisch ist mit der Südbahn des derzeitigen Flughafens Berlin-Schönefeld. Es war als nicht nur zwischen Lärmkonzentration und Lärmverteilung zu wählen, sondern auch zwischen der Zusatzbelastung bereits vorbelasteter Personen und der Neubelastung von Bewohnern bisher unbelasteter Gebiete. Das BAF hatte sich in diesem Konflikt gegen eine Neubelastung zusätzlicher Personen entschieden.30

___________ 27

OVG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 19.9.2013, OVG 11 A 4.13, juris. Kommission nach § 32b LuftVG für den Flughafen Berlin-Schönefeld; die Sitzungsunterlagen sind veröffentlicht unter http://www.mil.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.238072.de. 29 Abwägungsvermerk des BAF vom 26.1.2012, http://www.baf.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen_BAF/BAF_Abwaegungsvermerk_BER.pdf?__blob =publicationFile, S. 44 ff., 84 f. 30 Abwägungsvermerk des BAF (Fn. 29), S. 44. 28

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Zur Verifizierung dieser Annahmen hatte das BAF während des Gerichtsverfahrens ortsbezogene Gesamtlärmberechnungen jeweils für die beiden Alternativen Geradeausabflug und Nordumfliegung vornehmen lassen.31 Diese Berechnungen haben bestätigt, dass die festgesetzte Variante für den Tag auch numerisch nicht ungünstiger ist als eine Nordumfliegung. Für die Nacht hat sich aber ein anderes Bild ergeben. Die Anzahl der Betroffenen oberhalb der Zumutbarkeitsschwelle sinkt in der Nacht deutlich, wenn der Lärm verteilt wird. Daraus folgt zwar noch nicht, dass das so „errechnete“ Flugverfahren zwingend vorzugswürdig ist. Doch war dies Anlass genug für das BAF, diese Berechnungen in das seinerzeit anhängige Gerichtsverfahren einzuführen und auch ein Festsetzungsverfahren einzuleiten, in dem mit der Fluglärmkommission und dem Umweltbundesamt die Vorzugswürdigkeit einer solchen Nachtstrecke geklärt werden kann, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass – bei leicht anderer Berechnungsmethode – möglicherweise eine Reihe der Neubetroffenen keinen Anspruch auf passiven Schallschutz haben werden. Das Oberverwaltungsgericht hat nun in der vom BAF vorgelegten Berechnung eine ausreichende Grundlage für sein Rechtswidrigkeitsurteil gesehen.32 Zur Begründung verweist das Gericht darauf, dass der maßgebliche Erkenntnisstand für die Entscheidung der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei und dass nach diesem Erkenntnisstand für die Nachtzeit ein Abwägungsfehler vorläge. Die Begründung des Gerichts ist allerdings erstaunlich kurz, und es fällt nicht leicht, sie in Einklang mit der üblichen Abwägungsdogmatik zu bringen. Die tatsächlichen Feststellungen bestätigen nur die Sichtweise des BAF, dass neuere Erkenntnisse es rechtfertigen, eine lärmgünstigere Variante zu planen und in dem üblichen Verfahren mit Fluglärmkommission und Umweltbundesamt zu überprüfen. Dass es sich bei dieser Variante um eine im Sinne der Abwägungsdogmatik sich aufdrängende Alternative handeln würde, haben weder das BAF noch das Gericht festgestellt. Damit bleibt als herausragender Rechtssatz dieser Entscheidung, dass es für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit einer Flugverfahrensverordnung auf den Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt. Diese Aussage allerdings kann keineswegs als gesichert gelten.

___________ 31 DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, Lärmfachliche Bewertung für den Flughafen Berlin Brandenburg (EDDB) vom 24.07.2012, http://www.baf.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen_Andere/DFS_L%C3%A4rmfachlicheBewerung09_2012 _BER.pdf?__blob=publicationFile; sowie vom 22.08.2013, http://www.baf.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen_Andere/DFS_L%C3%A4rmfachlicheBewertung08_2013_BER.pdf?__blob=publicationFile. 32 OVG Berlin-Brandenburg (Fn. 27), Rn. 76 f.

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V. Ermittlungsdefizite Und damit kommen wir zum letzten Mitglied unseres Bestiariums, dem BER II. BER II, das steht für den Forschungsreaktor des Helmholtz-Zentrums Berlin im Stadtteil Wannsee.33 Die bereits erwähnte Wannseeroute führt etwa drei Kilometer querab an diesem Reaktor vorbei. Der Reaktor selbst liegt etwa 25 Kilometer Luftlinie vom Startbahnende der Nordbahn des künftigen Flughafens entfernt. Das OVG Berlin Brandenburg hat diese Flugverfahren für rechtswidrig erkannt. Nach Auffassung des Gerichts leide die Flugroutenfestsetzung „an einem erheblichen Ermittlungsdefizit, weil die Beklagte im Rahmen des Flugroutenfestsetzungsverfahrens keine Risikoanalyse in Bezug auf den Forschungsreaktor BER II vorgenommen hat. Infolge dessen musste auch die Abwägungsentscheidung defizitär bleiben.“34

Das Gericht stellt dabei allerdings – anders als in der soeben behandelten Entscheidung – nicht auf den Sach- und Streitstand der letzten mündlichen Verhandlung ab, sondern ausdrücklich auf den Inhalt des Abwägungsvermerks35, der am Ende des behördlichen Willensbildungsprozesses steht und die wesentlichen Gründe für die behördliche Entscheidung wiedergibt: „Soweit die Beklagte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht hat, die Gefahr eines Störfalls im Forschungsreaktor BER II sei durch die Flugroutenfestlegung ohnehin nicht steuerbar, [...] ist ihr entgegen zu halten, derartige Annahmen der Festlegung der angegriffenen Flugverfahren erkennbar nicht zugrunde gelegt zu haben. [...] Gleiches gilt für die von der Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zuletzt vertretene Auffassung, das Risiko eines Flugzeugunfalls im Bereich des Forschungsreaktors sei dem gesellschaftlich zu akzeptierenden Restrisiko zuzuordnen. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass die Unfallrisiken bereits hinreichend im dem hierfür maßgeblichen Planfeststellungsverfahren behandelt worden seien, hat sie im Normsetzungsverfahren hierauf nicht abgestellt.“36

Das Gericht behandelt dann aber doch die in der mündlichen Verhandlung erörterten Inhalte des Planfeststellungsverfahrens und führt dazu aus: „Zwar ist in dem Planfeststellungsverfahren für den Flughafen Berlin Brandenburg eine Sicherheitsanalyse vorgenommen worden, die sich auch mit dem durch die Konzentration des Luftverkehrs am Standort Schönefeld einhergehenden Unfallrisiko für die benachbarten Siedlungsgebiete beschäftigt. [...] Die Sicherheitsanalyse hat ergeben, dass für die Anwohner in der näheren Umgebung des Flughafens das externe Risiko als gering einzustufen sei und in einer vergleichbaren Größenordnung mit anderen allgemein akzeptierten Gesellschaftsrisiken. Die Unfallwahrscheinlichkeit sei in der Nähe der Start- und Landebahnen am größten und nehme mit zunehmendem

___________ 33

http://www.helmholtz-berlin.de/quellen/ber/ber2/index_de.html. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 23.1.2013 – OVG 11 A 1.13 –, juris, Rn. 28; sowie – OVG 11 A 3.13 –, juris, Rn. 28. 35 Vgl. Fn. 29. 36 OVG Berlin-Brandenburg (Fn. 34), jeweils Rn. 40 f. 34

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Abstand von den Bahnen ab. [...] Die ermittelten Risikozonen betreffen aber ausschließlich die nähere Umgebung des Flughafens [...]. Der Forschungsreaktor BER II ist hingegen nicht mit in den Blick genommen worden [...].“37

Und nun kommt eine vergleichsweise kühne Schlussfolgerung: „Der Umstand, dass nach den im Planfeststellungsverfahren angestellten Risikoermittlungen wenige Kilometer von der Startbahn entfernt bereits der Bereich des sog. Restrisikos erreicht ist, bietet nach Auffassung des Senats noch keine verlässliche Grundlage für den Schluss, dass die Schadenseintrittswahrscheinlich eines durch Flugzeugunfall versursachten Störfalls im Forschungsreaktor BER II erst Recht nicht mehr im Bereich eines rechtlich relevanten Risikos liegen könne. Insoweit lässt die Beklagte außer Acht, dass im Rahmen der auf den Forschungsreaktor bezogenen Risikoeinschätzung neben der Schadenseintrittswahrscheinlichkeit dem potentiellen Schadensumfang eines Worst-Case-Szenarios ein erhebliches Gewicht zukommt.“38

Nun wäre es in höchstem Maße interessant gewesen, aus welchen mathematischen oder physikalischen Gesetzen das Gericht diese Schlussfolgerung meint ziehen zu können. Der Urteilstext schweigt jedoch hierzu. Das ist nur dann folgerichtig, wenn die Risikoermittlung im Planfeststellungsverfahren eben gerade keine tragende Rolle für die Gerichtsentscheidung spielt. Es bleibt also dabei: Beurteilungsmaßstab für die Flugverfahrensfestsetzung ist jedenfalls nach dieser Entscheidung der Abwägungsvermerk und nicht die später noch in die mündliche Verhandlung eingeführten Argumentation. Dennoch bleibt die Frage, warum Absturzrisiken, die in mehr als ungefähr fünf Kilometern Entfernung vom Flughafen nicht mehr in einer Weise beziffert werden können, dass sie dem Flughafenbetrieb zugeordnet werden können, geschweige denn spezifisch irgendwelchen Flugverfahren, – warum also derartige Absturzrisiken zum entscheidungserheblichen Sachverhalt für die Flugverfahrensfestsetzung gerechnet werden sollten und damit für die Festsetzungsbehörde Ermittlungs- und Abwägungspflichten begründen. Interessant wird sein, was hierzu das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren zu sagen haben wird. Wie weit der entscheidungserhebliche Sachverhalt zu ziehen ist, ist auch Kernfrage der letzten Entscheidung, die hier angesprochen werden soll, die Entscheidung des Hessischen VGH zur sogenannten Südumfliegung am Flughafen Frankfurt.39 Mit der Errichtung einer neuen Landesbahn im Nordwesten des Flughafens waren für Abflüge in Richtung Westen neue Abflugverfahren von dem bisherigen Parallelbahnsystem notwendig geworden, da die Beibehaltung der bisherigen Abflugverfahren einen unabhängigen Betrieb der neuen Landebahn verhindert hätte. Dieser unabhängige Betrieb der neuen Bahn war aber ein tragendes Element des Planfeststellungsbeschlusses, namentlich für das Ziel, die ___________ 37 38 39

OVG Berlin-Brandenburg (Fn. 34), jeweils Rn. 42 f. OVG Berlin-Brandenburg (Fn. 34), jeweils Rn. 44. Hess. VGH, Urt. vom 3.9.2013 – 9 C 323/12.T –, juris.

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mit der Flughafenerweiterung beabsichtigte Kapazitätssteigerung auch zu erreichen. Für dieses Kapazitätsziel ist es weiterhin erforderlich, dass die Abflüge vom Parallelbahnsystem in Richtung Westen auch unabhängig von den Abflügen auf der nach Süden gerichteten Startbahn 18 erfolgen können. Dies war auch ein Grund für die Festsetzung des konkreten Verlaufs der Südumfliegung und die Errichtung einer Funknavigationsanlage. Allerdings haben sich die seinerzeitigen Annahmen für den unabhängigen Betrieb der Südumfliegung als derzeit nicht realisierbar herausgestellt. Während die aktuell nachgefragte Kapazität des Flughafens mit dem aktuellen Flugverfahrenssystem abgewickelt werden kann, ist mit diesem System das Erreichen der Zielkapazität jedenfalls derzeit nicht sichergestellt. Dies, so der VGH, hätte das BAF bereits bei der Festlegungsentscheidung wissen müssen. Da der unabhängige Betrieb der streitgegenständlichen Abflugverfahren wesentliches Ziel der Verfahrensplanung gewesen sei, hätten die navigatorischen Probleme im Vorhinein ermittelt werden müssen. Dieses Ermittlungsdefizit führe zu einem Abwägungsmangel, der die Festsetzung rechtswidrig werden lasse.40 Bemerkenswert ist dabei, dass das Gericht das Ermittlungsdefizit nicht aus dem Inhalt des behördlichen Abwägungsvermerks selbst ableitet, sondern vielmehr nachträgliche Erkenntnisse, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, zum Maßstab für die Prüfung der Vollständigkeit des ermittelten Sachverhaltes nimmt – eine gegenüber dem OVG Berlin-Brandenburg durchaus deutlich andere Sichtweise. Für den Schritt vom Ermittlungsdefizit zur Rechtswidrigkeit gibt der Hessische VGH immerhin eine dogmatische Begründung: Die Behörde habe von einem zutreffenden Sachverhalt auszugehen.41 Dieser Satz ist Standard der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in einer Reihe von Rechtsgebieten und findet sich auch in den TABUM-Entscheidungen. Er mag auch mit Fug und Recht zum Mindestmaß des rechtsstaatlich Gebotenen beim Abwägungsgebot gezählt werden. Ein „zutreffender“ Sachverhalt kann aber nicht beliebige Tatsachen umfassen, diese Tatsachen können nur entscheidungserhebliche Tatsachen sein. Und was das Gericht für entscheidungserheblich hält, ist schon erstaunlich. Das BAF hat zum Beispiel keine Aussagen über mögliche Signalverfälschungen der genannten Bodennavigationsanlage durch sogenannte Geländefehler und auch nicht über Signalstärkereduzierungen in einem sogenannten Schweigekegel über der Anlage getroffen.42 Allerdings hat das BAF auch keinerlei Anlass gesehen, in ___________ 40 41 42

Hess. VGH (Fn. 39), Rn. 100 ff. Hess. VGH (Fn. 39), Rn. 44. Hess. VGH (Fn. 39), Rn. 114.

Vom BER und vom Bär – Neues zu den Flugrouten

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einem Gelände so flach wie die Norddeutsche Tiefebene Fehler durch Geländeerhebungen überhaupt in Erwägung zu ziehen, genauso wenig wie Fehler, die nicht bei der Erfliegung des Kurses auf die Anlage hin, sondern erst bei deren Überfliegen auftreten. Die Frage also drängt sich auf, ob das Gericht mit diesen Aussagen – ähnlich wie das OVG Berlin-Brandenburg in der Wannseereaktor-Entscheidung – dem BAF aufgeben will, im Detail und in extenso darzulegen, warum es alles Mögliche bereits a priori für nicht entscheidungserheblich hält. Dies kann allerdings nicht Aufgabe einer Abwägungsbegründung sein. Eine Abwägungsbegründung sollte sich auf die wesentlichen entscheidungserheblichen Gründe beschränken können. Nicht alles, was irgendwo im Verfahren behauptet worden ist, muss einzeln behandelt und beurteilt werden. Dies zu verlangen, würde die Anforderungen an die Abwägungsbegründung für Flugverfahren noch weit über die Anforderungen an die Begründung eines Planfeststellungsbeschlusses hinaus ausdehnen. Ob es sich bei diesen Feststellungen des Hessischen VGH nur um reine Tatsachenfragen handelt und der VGH deshalb die Revision zu Recht nicht zugelassen hat, darüber wird das Bundesverwaltungsgericht in Kürze befinden. Die Folgerungen für den Drittschutz sind erheblich. Das Abwägungsgebot, das ja außer bei Enteignungsbetroffenen grundsätzlich nur einen Anspruch auf gerechte Abwägung der eigenen Belange gibt, wird zu einem Anspruch auf weitreichende Rechtmäßigkeitskontrolle. Denn immerhin hat das Gericht an anderer Stelle nach sehr eingehender Prüfung festgestellt, dass das BAF „die den Klägern drohenden Lärmbelastungen hinreichend ermittelt und in nicht zu beanstandender Weise bewertet“ habe.43 Die nach Auffassung des Gerichts ungenügenden Kapazitätserwägungen sollen gleichwohl zu einer Rechts-verletzung im Hinblick auf Lärmschutzbelange führen können. Mit dem angenommenen Ermittlungsdefizit sei der gesamten Behördenentscheidung quasi die Grundlage entzogen, „weil mit den ausgewählten Flugstrecken eine sichere und flüssige Abwicklung des von dem Planfeststellungsbeschluss vorgegebenen Verkehrsvolumens nicht erreichbar ist und es deshalb an einem sachlichen Grund für die mit der Festlegung der gewählten Flugstrecken verbundene Lärmbelastung fehlt, weil sich die der Variantenauswahl zugrundegelegte tatsächliche Annahme der Beklagten [...] als unzutreffend erwiesen hat.“44

___________ 43 44

Hess. VGH (Fn. 39), Rn. 50 ff. Hess. VGH (Fn. 39), Rn. 122.

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VI. Zusammenfassung Zehn Jahre nach TABUM steht, wie kaum anders zu erwarten, der Lärmschutz im Mittelpunkt der Gerichtsverfahren gegen die Festlegung von Flugrouten. Die seinerzeit gelegten Grundlagen der Rechtsprechung sind von den oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen des letzten Jahres gefestigt und ausgebaut worden.45 Die behördliche Praxis der Lärmermittlung, die weit detaillierter ist als damals und inzwischen auch Gesamtlärmbetrachtungen umfasst, findet weitgehende Zustimmung durch die Gerichte. Lediglich Einzelheiten, etwa rund um die Rechtsfigur des Verteilungsfalls, bedürfen noch der Konturierung. Zentraler Ort der Konfliktbewältigung ist nicht die Flugverfahrensplanung, sondern die Flughafenzulassung. Der gerichtliche Rechtsschutz gegen Flugverfahren ist nach wie vor kein Instrument zur Verhinderung oder Einschränkung des Flugbetriebs. Am Rande aber sind weitere Abwägungsthemen aufgetaucht. Noch unklar ist die Bedeutung von Absturzrisiken und Nuklearanlagen, wohl auch von Störfallanlagen46, und auch die Bedeutung von Kapazitätserwägungen. Das Bundesverwaltungsgericht wird in nächster Zeit Gelegenheit haben, diese Fragen näher auszuleuchten. Gesichert aber ist inzwischen, dass die Auswirkungen auf FFH-Gebiete vom BAF betrachtet werden müssen, wenngleich eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung im Verfahren zur Festsetzung von Flugverfahren nach wie vor keinen Raum hat. Ein möglicher Konflikt zwischen Naturschutz und Lärmschutz ist damit vorgezeichnet.

___________ 45 Vgl. neben den hier behandelten Entscheidungen auch Sächs. OVG, Urt. vom 27.6.2012 – 1 C 14/08 –, juris; Hess. VGH, Urt. vom 27.11.2012 – 9 C 491/11.T –, juris; Urt. vom 17.4.2013 – 9 C 147/12.T –, juris; Urt. vom 17.4.2013 – 9 C 179/12.T –, juris; Urt. vom 1.10.2013 – 9 C 573/12.T –, juris; Urt. vom 1.10.2013 – 9 C 574/12.T –, juris. 46 Vgl. dazu Hess. VGH, Urt. vom 24.10.2006 – 12 A 2216/05 –, juris.

Wer zahlt für die Luftsicherheit am Flughafen? – Die Anforderungen der Luftsicherheit als Planungsund Kostenfaktor Von Thilo Streit1 Im Rahmen der Planung von Flughafenanlagen stellen die Anforderungen der Luftsicherheit einen wichtigen Faktor sowohl hinsichtlich der Gestaltung als auch hinsichtlich der Kosten dar. Die Luftsicherheit selbst steht aufgrund verschärfter internationaler Konflikte und Sicherheitsbedingungen ständig vor neuen Herausforderungen. Die Flughafenbetreiber, die Luftsicherheitsbehörden und die Fluggesellschaften begegnen diesen Herausforderungen durch veränderte Anforderungen an die Flughafengestaltung, neue Sicherheitstechnik und veränderte Kontrolltechniken und -intensitäten. Die Neuerrichtung und Änderung von Sicherheitsbereichen und Kontrollstellen an deutschen Flughäfen unterliegt verschiedenen luftsicherheitsrechtlichen und z.T. auch planungsrechtlichen Anforderungen. Die luftsicherheitsrechtlichen Pflichten der Flughafenbetreiber normieren deren Beitrag zur Sicherung des Flughafenbetriebs im Hinblick auf den erforderlichen Schutz vor Gefahren für die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs2. Die sich aus den einschlägigen Vorschriften ergebenden Pflichtenkataloge sind im laufenden Betrieb zu beachten und kommen auch dann zum Tragen, wenn Genehmigungen nach Planfeststellungs- oder Bauordnungsrecht eingeholt werden müssen. Das Ausmaß von Änderungen und Neuerrichtungen von Sicherheitsbereichen, Kontrollstellen und Behördenflächen und deren Planungen wird auch von den Kosten und der Kostentragungspflicht für die entsprechenden Maßnahmen bestimmt. Die Gestaltung der Sicherheitsbereiche und Kontrollstellen in Flughafenterminals berührt unmittelbar die finanziellen Interessen der Betreiber. Die einschlägigen rechtlichen Regelungen sehen, je nach Einrichtung, die Kostentragungspflicht beim Flughafenbetreiber oder bei der zuständigen Luftsicherheitsbehörde. Denn viele der gelegentlich sehr kostspieligen Einrichtungen zum Schutze der Luftsicherheit können später erstattet werden. ___________ 1 Der Autor ist Rechtsanwalt und Counsel bei der internationalen Sozietät DLA Piper UK LLP in Köln. 2 Die Formulierung entstammt der Regierungsbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes (9. Änderungsgesetz), BT-Drs. 8/3431, S. 11. Obwohl sie aus dem Jahr 1979 stammt, hat sich der Ansatz nicht grundlegend verändert.

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Sowohl das europäische als auch das deutsche Recht enthalten Anforderungen an Einrichtungen für die Luftsicherheit an Flughäfen (dazu nachfolgend unter I.). Diese Regelungen führen z.T. zu planungsrechtlichen Konsequenzen (dazu nachfolgend unter II.). Wie sich die konkrete Planung gestaltet hat jedoch, wie bereits angedeutet, auch damit zu tun, wer die Kosten der entsprechenden Einrichtungen zu tragen hat (dazu nachfolgend unter III.).

I. Anforderungen an Kontrollstellen, Sicherheits- und Behördenbereiche nach europäischem und deutschem Recht Das Luftsicherheitsrecht regelt zur Gewährleistung der Luftsicherheit für die Errichtung und Änderung von Sicherheitsbereichen und Kontrollstellen erhebliche Anforderungen. Der Luftsicherheit dient dabei eine Kombination von Maßnahmen und personellen und materiellen Ressourcen, die das Ziel verfolgen, die Zivilluftfahrt vor unrechtmäßigen Eingriffen zu schützen, die die Sicherheit der Zivilluftfahrt gefährden3. Die Luftsicherheit (engl. aviation security/franz. sûreté de l‘aviation) ist dabei nicht mit der Luftverkehrssicherheit (engl. aviation safety /franz. sécurité aérienne) zu verwechseln. Während die Luftsicherheit auf unrechtmäßige Eingriffe abstellt, betrifft letztere die Abwehr derjenigen Gefahren, die dem Luftverkehr selbst innewohnen4. Für Sicherheitsbereiche und Kontrollstellen in Deutschland sind verschiedene Regelungen des Unions- und Bundesrechts relevant.5 1. Das Luftsicherheitsrecht der EU Das aktuelle Luftsicherheitsrecht der EU wurde im Jahr 2002 im Wesentlichen als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11.09.2001 eingeführt6. Auf der

___________ 3 So die Definition des Unionsrechts in Art. 3 Abs. 2 VO (EG) 300/2008 (ABl. L 97 vom 9.4.2008, S. 72), zuletzt geändert durch VO (EU) 18/2010 (ABl. L 7 vom 12.1.2010, S. 3), welche im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum greift. Vgl. zudem § 1 LuftSiG („Dieses Gesetz dient dem Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen.“). 4 Da diese Gefahren betrieblich bedingt sind, dienen insbesondere technische Maßnahmen wie Navigations- und Kollisionswarnsysteme der Luftverkehrssicherheit. Vgl. Giemulla, in: dies. u.a., LuftSiG, 62. Erg.-Lfg. 2012, Vor § 1, Rn. 12 sowie § 1, Rn. 3 [jeweils Stand: 5/2011]; Richter, Luftsicherheit, 3. Aufl. 2013, S. 20 f. 5 Vgl. zum völkerrechtlichen Teil des Luftsicherheitsrechts Richter, Luftsicherheit, 3. Aufl. 2013, S. 23–35. 6 Richter, Luftsicherheit, 3. Aufl. 2013, S. 37.

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Verordnungsebene existieren insgesamt fünf Verordnungen nebst Änderungsverordnungen. Das Rechtsregime basiert auf einer Grundverordnung7. Die in deren Anhang genannten gemeinsamen Grundstandards werden durch eine Ergänzungsverordnung8 vervollständigt. Die Einzelheiten der praktischen Implementierung dieser gemeinsamen Grundstandards sind wiederum in einer Durchführungsverordnung9 statuiert. Diese legt im Detail dar, welche Maßnahmen zu ergreifen sind. Daneben existiert noch eine Ausnahmeverordnung10, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, bei Flughäfen oder abgegrenzten Flughafenbereichen von den luftsicherheitsrechtlichen Standards abzuweichen, wenn es sich dort bei sämtlichen Starts um besonderen Verkehr wie Lösch- und Rettungsflüge handelt. Schließlich gewährt eine Überwachungsverordnung11 der Kommission die Befugnis, Luftsicherheitsinspektionen durchzuführen. Neben den Verordnungen existiert eine ganze Anzahl von Beschlüssen der Kommission, welche diese in Einzelfragen ergänzen, insbesondere hinsichtlich technischer Anforderungen und Spezifikationen. Wegen ihrer besonderen Sensibilität sind sie als Verschlusssache eingestuft worden und bleiben daher unveröffentlicht12. 2. Das nationale Luftsicherheitsrecht Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat das für Sicherheitsbereiche und Kontrollstellen relevante Recht vor allem im Luftsicherheitsgesetz13 (LuftSiG) geregelt. Das LuftSiG trat Anfang 2005 in Kraft. Anlass war ein Zwischenfall am 5. Januar 2003, bei dem ein geistig Verwirrter in den Luftraum von Frankfurt am Main eindrang14. Innerhalb des LuftSiG nimmt § 8 LuftSiG für die Flughäfen eine zentrale Stellung ein, da in dessen Satz 1 die seitens des Flughafenbetreibers anzuwendenden Sicherungsmaßnahmen reguliert sind. Diese öffentlich-rechtlichen Eigensicherungspflichten führen zu einer Indienstnahme der (privaten) Flughafenbetreiber im öffentlichen Interesse15. Nach § 8 Abs. 2 LuftSiG kann ___________ 7 VO (EG) 300/2008 (ABl. L 97 vom 9.4.2008, S. 72), zuletzt geändert durch VO (EU) 18/2010 (ABl. L 7 vom 12.1.2010, S. 3). 8 VO (EG) 272/2009 (ABl. L 91 vom 3.4.2009, S. 7), zuletzt geändert durch VO (EU) 245/2013 (ABl. L 77 vom 20.3.2013, S. 5). 9 VO (EU) 185/2010 (ABl. L 55 vom 5.3.2010, S. 1), zuletzt geändert durch VO (EU) 1116/2013 (ABl. L 299 vom 9.11.2013, S. 1). 10 VO (EU) 1254/2009 (ABl. L 388 vom 19.12.2009, S. 17). 11 VO (EU) 72/2010 (ABl. L 23 vom 27.1.2010, S. 1). 12 Vgl. Richter, Luftsicherheit, 3. Aufl. 2013, S. 38, mit Nachweisen auf S. 42. 13 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) vom 11.1.2005 (BGBl. I S. 78), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 180 des Gesetzes vom 7.8.2013 (BGBl. I S. 3154). 14 Giemulla, in: dies. u.a., LuftSiG, 62. Erg.-Lfg. 2012, Vor § 1, Rn. 18 [Stand: 5/2011]. 15 s. näher Giemulla, in: dies. u.a., LuftSiG, 62. Erg.-Lfg. 2012, § 8, Rn. 6-8 [Stand: 5/2011].

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die Erfüllung dieser Pflichten notfalls per Verwaltungsakt durchgesetzt werden. Für die Ausgestaltung der Sicherheitsbereiche und Kontrollstellen sind § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 LuftSiG relevant. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Hs. 1 LuftSiG sind Flughafenanlagen, Bauwerke, Räume und Einrichtungen so zu erstellen und zu gestalten, dass die erforderliche bauliche und technische Sicherung, die sachgerechte Durchführung der personellen Sicherungs- und Schutzmaßnahmen und die Kontrolle der nicht allgemein zugänglichen Bereiche ermöglicht werden. Des Weiteren sind den Luftsicherheitsbehörden die für die sachgerechte Durchführung der personellen Sicherungs- und Schutzmaßnahmen und die Kontrolle der nicht allgemein zugänglichen Bereiche erforderlichen Flächen bereitzustellen und vom Flughafenbetreiber zu unterhalten. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Hs. 2 LuftSiG nimmt die Geräte zur Überprüfung von Fluggästen und von diesen mitgeführten Gegenständen und zum anderen Einrichtungen und Geräte zur Überprüfung von Post, aufgegebenem Gepäck, Fracht und Versorgungsgütern auf verbotene Gegenstände mittels technischer Verfahren von dieser Verpflichtung aus. Die Pflicht zur Beschaffung derselben liegt also bei den Luftsicherheitsbehörden. Darüber hinaus verlangt § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LuftSiG vom Flughafenbetreiber, Post, aufgegebenes Gepäck, Fracht und Versorgungsgüter sicher zu transportieren und zu lagern, so dass die Luftsicherheitsbehörde diese nach § 5 Abs. 3 LuftSiG auf verbotene Gegenstände überprüfen kann. Diese Pflicht schließt den Transport zu und zwischen einer mehrstufigen Reisegepäckkontrollanlage (MRKA), wie sie die Luftsicherheitsbehörden betreiben, ein. Um durch Durchsuchungen von aufgegebenen Gepäck sicherzustellen, bei dem auch das Durchlaufen der MRKA nicht zu dem eindeutigen Ergebnis geführt hat, dass das Gepäckstück ungefährlich, also „clean“ ist, hat der Flughafenbetreiber nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LuftSiG die Pflicht, den Gepäckbesitzer herbeizuholen oder in dessen Abwesenheit die Schlösser der Gepäckstücke zu öffnen. Schließlich bestimmt § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LuftSiG, dass der Flughafenbetreiber nicht allgemein zugängliche Bereiche gegen unberechtigten Zugang zu sichern und den Zugang zu sicherheitsempfindlichen Bereiche nur besonders berechtigten Personen zu gestatten hat. Außer der Errichtung von Flughafen, Sicherheitsbereichen und Kontrollstellen gemäß den angesprochenen Vorgaben haben die Flughafenbetreiber weitere Pflichten zur Überlassung von Infrastruktur an die Luftsicherheitsbehörden, die insoweit indirekt durch das Luftsicherheitsrecht veranlasst sind. Diese sind in

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§ 62 Abs. 3, 4 BPolG geregelt16. Ähnliche Regelungen finden sich in § 9 ZollVG17. Hinsichtlich der Einrichtung von Veterinär-Grenzkontrollstellen fehlt es dagegen bisher an einer expliziten Regelung18. Nach § 62 Abs. 3 Satz 1 BPolG haben Flughafenbetreiber den zuständigen Dienststellen der Bundespolizei die erforderlichen Diensträume sowie Parkplätze für ihre Dienstkraftfahrzeuge zur Verfügung zu stellen und diese Einrichtungen in gutem Zustand zu halten. Die Bundespolizei kann daneben nach § 62 Abs. 4 Satz 1 BPolG „weitere Einrichtungen und Leistungen“ verlangen, die mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zusammenhängen und dem Flughafenbetreiber den Umständen nach zugemutet werden können. Für die Zollverwaltung gilt Ähnliches: § 9 Abs. 2 Satz 1 ZollVG enthält eine Parallelvorschrift zu § 62 Abs. 3 Satz 1 BPolG. Der Umfang der Einrichtungen, die der Bundeszollverwaltung zur Verfügung zu stellen sind, ist jedoch weiter: Umfasst sind sämtliche Einrichtungen, die „erforderlich“ sind. Dieser Begriff wird nicht näher definiert. Exemplarisch aufgezählt sind Rampen, Lagerräume und -plätze, Brücken, Diensträume, Wiege- und Untersuchungsvorrichtungen sowie Parkplätze für die Dienst- und Privatkraftfahrzeuge der Zollbediensteten. In Entsprechung zu § 62 Abs. 4 Satz 1 BPolG kann die Bundeszollverwaltung nach § 9 Abs. 3 Satz 1 ZollVG von dem Flughafenbetreiber „weitere Leistungen“ verlangen, die mit der Zollbehandlung der von ihm beförderten oder umgeschlagenen Waren zusammenhängen und ihm den Umständen nach zugemutet werden können.

___________ 16 Gesetz über die Bundespolizei (Bundespolizeigesetz – BPolG) vom 19.10.1994 (BGBl. I S. 2978, 2979), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 20.6.2013 (BGBl. I S. 1602). 17 Zollverwaltungsgesetz (ZollVG) vom 21.12.1992 (BGBl. I S. 2125; 1993 I S. 2493), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 21.7.2012 (BGBl. I S. 1566). Die Verpflichtungen nach BPolG und ZollVG lassen die Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Hs. 2 LuftSiG unberührt, wonach die eigentlichen Luftsicherheitsgeräte von der Luftsicherheitsbehörde zu tragen sind. Hinsichtlich der Pflicht aus § 62 Abs. 4 Satz 1 BPolG wird dies in § 62 Abs. 4 Satz 2 BPolG ausdrücklich festgehalten. 18 Veterinär-Grenzkontrollstellen sind bestimmten Zollstellen zugewiesen. Nichtsdestoweniger können die Regelungen des ZollVG hier keinen direkten Anhaltspunkt bieten, da es sich bei den Veterinär-Grenzkontrollstellen nicht um Teile der Zollverwaltung handelt. So sind etwa nach nordrhein-westfälischem Landesrecht die örtlich zuständigen Kreisordnungsbehörden für die Einrichtung der Grenzkontrollstellen zuständig. Hier kommt daher nur eine analoge Anwendung des ZollVG in Betracht.

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II. Berücksichtigung von Sicherheitsbereichen und Kontrollstellen in der Planung Die Anforderungen an die Gestaltung der Sicherheits- und Kontrollbereiche sind wie sonstige öffentlich-rechtliche Anforderungen bei der Planung eines Flughafens zu berücksichtigen. Dies wird in Anhang I, Nr. 1.1 der Grundverordnung, VO (EG) 300/2008 ausdrücklich festgehalten – dort im Hinblick auf die in Anhang I der VO (EG) 300/2008 genannten gemeinsamen Grundstandards und deren Durchführungsbestimmungen. Die luftsicherheitsrechtlichen Anforderungen an Sicherheitsbereiche und Kontrollstellen sind teilweise recht detailliert geregelt. Anhang I, Nr. 1.2 der VO (EG) 300/2008 statuiert die Unterteilung des Flughafens in vier Bereiche: Landseite, Luftseite, Sicherheitsbereiche sowie sensible Teile von Sicherheitsbereichen19. Die Abgrenzungen zwischen diesen Bereichen müssen deutlich erkennbar sein, wobei Land- und Luftseite nach Anhang, Nr. 1.1.1 der Durchführungsverordnung, VO (EU) 185/2010, stets durch eine physikalische Barriere zu trennen sind. Bei den Sicherheitsbereichen handelt es sich nach der Definition in Art. 13 Abs. 13 der VO (EG) 300/2008 um diejenigen Teile der Luftseite, für die nicht nur eine Zugangsbeschränkung besteht, sondern weitere Luftsicherheitsstandards gelten. Sicherheitsbereiche sind nach Art. 12 der VO (EG) 300/2008 i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 2 LuftSiG zwingend in den Luftsicherheitsplan des Flughafenbetreibers aufzunehmen. Aus Anhang I, Nr. 1.2.2 der VO (EG) 300/2008 ergibt sich, dass abfliegenden Fluggästen der Zugang zu Sicherheitsbereichen erst nach einer Sicherheitskontrolle gewährt werden darf20. Diese Sicherheitskontrolle beginnt nach Anhang, Nr. 1.2.2.2 lit. a der VO (EU) 185/2010 für gewöhnlich mit Vorlage der Bordkarte. Daraufhin werden zum einen der Fluggast selbst und zum anderen sein Handgepäck untersucht. Parallel dazu ist aufgegebenes Gepäck einer separaten Sicherheitskontrolle zu unterziehen. Die Verknüpfung von Sicherheitsbereich und Sicherheitskontrolle führt notwendigerweise dazu, dass Kontrollstellen einzurichten sind. Für diese sind entsprechend Flächen bereitzustellen. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Hs. 1 LuftSiG setzt diese Anforderung dadurch um, dass die Flughafenbetreiber die für die Kontrolle ___________ 19 Die sensiblen Teile der Sicherheitsbereiche erfassen Bereiche, bei denen das Risiko der Vermischung ankommender Passagiere mit kontrolliertem Gepäck mit Passagieren mit unkontrolliertem Gepäck möglich ist; vgl. Art. 1 lit. I VO (EG) 272/2009 i.V.m. Anhang, VO (EO) 185/2010. 20 Auch nach einer Sicherheitskontrolle ist Fluggästen weiterhin der Zugang zu denjenigen Sicherheitsbereichen versperrt, die nicht für Fluggäste, sondern für Gepäck und Luftfahrzeuge ausgewiesenen sind, vgl. Anhang, Nr. 1.1.2.1 der Durchführungsverordnung.

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der nicht allgemein zugänglichen Bereiche stets die erforderlichen Flächen bereitzustellen und zu unterhalten haben. An den landseitigen Kontrollstellen werden die Passagier sowie ihr Handgepäck einer Kontrolle unterzogen. Das aufgegebene Gepäck wird demgegenüber luftseitig in einer separaten Kontrollstelle, üblicherweise der MRKA, untersucht. In der VO (EU) 185/2010 sind detailreich die erforderlichen Kontrollschritte sowohl für Passagiere als auch Handgepäck und aufgegebenes Gepäck geregelt. Die Kontrolle wird dabei insbesondere durch technische Mittel gewährleistet. So werden die Passagiere selbst üblicherweise durch Metalldetektoren untersucht, während das Handgepäck durchleuchtet wird. Untersuchungsgeräte der neueren Generation enthalten dabei auch Detektoren, die in der Lage sind, Flüssigkeiten auf ihre Sprengfähigkeit zu untersuchen. In der MRKA durchlaufen die Gepäckstücke üblicherweise im Rahmen der Gepäckförder- und -sortieranlage zunächst ebenfalls ein Röntgengerät mit der Fähigkeit, Flüssigkeiten auszuwerten. Bestehen nach dieser Untersuchung noch Zweifel, wird das verdächtige Gepäck üblicherweise ausgesondert und weiteren Röntgenuntersuchungen unterzogen. Kann der Verdacht einer Luftsicherheitsgefährdung auch hier nicht ausgeschlossen werden, wird das Gepäckstück üblicherweise unter Hinzuziehen des Passagiers, der es aufgegeben hat, durchsucht. Im äußersten Notfall erfolgt eine gezielte „Sprengung“ des Gepäckstücks. Ist hierfür kein geeigneter sprengsicherer Raum vorhanden, so sind die gefährdeten Flughafenteile zu räumen, was freilich zu erheblichen Einschränkungen für den Flugverkehr und die Passagiere am jeweiligen Flughafen führt. Bereits dieser kurze Überblick verdeutlicht, dass bei der Planung eines Flughafens erhebliche Rücksicht auf die Einrichtungen der gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsbereiche, aber auch der Einrichtungen für das Personal der Luftsicherheitsbehörden zu nehmen ist. Wie bereits eingangs erläutert, stellt die Veränderung der Sicherheitslage ebenso wie die ständig wachsenden Möglichkeiten der technischen Gewährleistung von Sicherheit die Flughafenbetreiber vor erhebliche Herausforderungen. Beispielhaft sei hier der Umgang mit Flüssigkeiten im Handgepäck genannt. Waren diese über Jahre im Handgepäck nur in geringem Ausmaß zulässig, wird derzeit an vielen europäischen Flughäfen durch die Luftsicherheitsbehörden die Möglichkeit geschaffen, mit einer neuen Generation von Handgepäckkontrollgeräten Flüssigkeiten zu untersuchen. So wird die Mitnahme von Flüssigkeiten im Handgepäck sukzessive wieder ermöglicht. Allerdings verlangen die neuen Kontrollgeräte üblicherweise mehr Platz, eine komplette Neuvernetzung- und -stromverkabelung und stellen auch statisch erhebliche Anforderungen an bereits errichtete Kontrollstellen. Die sich ständig ändernden Anforderungen an die Kontrollen beziehen sich freilich nicht nur auf das Handgepäck, sondern auch auf die Kontrolle dar Passagiere – man denke etwa an die Debatte über die sog. „Nackt-Scanner“. Auch die

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Anforderungen an die Kontrolle des aufgegebenen Gepäcks ändern sich, wenn etwa technisch ermöglicht werden soll, dass die Röntgenbilder des untersuchten Gepäcks im Transit auch vom Anschlussflughafen aufgrund einer am Ausgangsflughafen vergebenen Codekennung aufgerufen werden können. Die zusätzlichen Einrichtungen, ob sie nun die Handgepäck-, die Passagieroder die Gepäckkontrolle betreffen, führen daher zu zusätzlichen Anforderungen an die Flughafenbetreiber. Dies kann sowohl die zur Verfügung zu stellenden Flächen betreffen – größere Geräte bedürfen größerer Flächen. Es kann aber auch für die Statik eines ganzen Gebäudes gelten, wenn etwa schwerere Kontrollgeräte zusätzliche statische Maßnahmen oder gar die Neuerrichtung von Gebäuden verlangen. Durch das zu erwartende Aufschaukeln der technischen Möglichkeiten von Angriffen auf die Luftsicherheit und die dadurch verursachten Reaktionen, also den Einsatz von gefahrenadäquaten Geräten, die Intensivierung von Kontrollen, und die Erweiterung der Kommunikationsmöglichkeiten der Luftsicherheitsbehörden, ist auch in Zukunft mit veränderten und erweiterten Anforderungen an die Luftsicherheitsbehörden und damit auch an die Flughafenbetreiber zu rechnen. Die verschiedenen Anforderungen an Sicherheitsflächen und Kontrollbereiche in Flughafenterminals haben Auswirkungen auf den Umfang der seitens des Flughafenbetreibers insgesamt bereitzustellenden Fläche (dazu nachfolgend unter III.1.). Dieser Aspekt kann ebenso wie die erforderliche Gestaltung der entsprechenden Bereiche Konsequenzen für möglicherweise notwendige Planfeststellungsbeschlüsse (dazu nachfolgend unter III.2.) sowie Baugenehmigungen (dazu nachfolgend unter III.3.) haben. 1. Umfang der insgesamt bereitzustellenden Fläche Die seitens des Flughafenbetreibers nach LuftSiG, BPolG und ZollVG bereitzustellende Fläche kann je nach Kapazität des Flughafens recht umfangreich sein, weil sie auch Diensträume und Parkplätze für Dienstkraftfahrzeuge umfassen. Wie bereits ausgeführt, müssen im Falle der Bundeszollverwaltung sogar Parkplätze für die privaten Kraftfahrzeuge der Zollbediensteten21 sowie Lagerräume zur Verfügung gestellt werden. Folglich sind auf sämtlichen Flughäfen ___________ 21 Hinsichtlich der privaten Kraftfahrzeuge der Bundespolizisten existiert zwar keine derartige Pflicht gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 BPolG oder analog § 9 Abs. 2 Satz 1 ZollVG. Jedoch könnte ausweislich der Regierungsbegründung eine entsprechende Bereitstellung nach § 62 Abs. 4 Satz 1 BPolG verlangt werden, wenn dies nach den Umständen zumutbar ist, siehe BR-Drs. 418/94, S. 83. Die Erstattungsfähigkeit für die Parkplätze der Bundespolizisten wäre dann – im Unterschied zur Lage bei den Zollbediensteten – in keiner Weise begrenzt, weil diese Norm generell keine Begrenzung kennt, siehe oben bei I.2.

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stets in erheblichem Ausmaß Flächen auszuweisen, die entweder direkt als Kontrollstelle dienen oder als Unterstützungseinrichtung indirekt mit diesen verknüpft sind. Die Planung darf aber nicht allein auf diejenigen Einrichtungen beschränkt werden, die vom Flughafenbetreiber selbst zu stellen sind. Denn nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Hs. 2 LuftSiG hat zwar die Luftsicherheitsbehörde (und nicht der Flughafenbetreiber) die eigentlichen Luftsicherheitsgeräte zu stellen. Jedoch muss der zur Installation benötigte Platz frühzeitig eingeplant werden, damit es nicht zu baulichen Engpässen kommt. Gerade die Geräte zur Überprüfung von aufgegebenen Gepäck können viel Raum einnehmen. Die Berücksichtigung dieser Aspekte wird in der Praxis dadurch erschwert, dass die Luftsicherheitsgeräte üblicherweise zentral vom Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern und damit ohne Rücksichtnahme auf örtliche Gegebenheiten erworben werden. Somit hat der Flughafenbetreiber ein erhebliches Risiko für eine effiziente vorausschauende Planung. Dem kann nur zum Teil dadurch begegnet werden, dass die Luftsicherheitsbehörden frühestmöglich in die konkrete Planung miteinbezogen werden. Diese Planungsrisiken sind für den Flughafenbetreiber daher auch mit einem erheblichen Kostenrisiko verbunden. Plant er die Kontrollbereiche und Bereiche für Diensträume zu großzügig, entstehen ihm unnötige zusätzliche Kosten. Plant er sie zu knapp, entstehen bei jeder Veränderung der Geräteinfrastruktur der Luftsicherheitsbehörden, bei jeder Kapazitätsveränderung des Flughafens, sowie bei jeder erheblichen Änderung der tatsächlichen Passagierzahlen zusätzliche Kostenrisiken, durch die Notwendigkeit kostspieliger Um- und Neubauten. Die Erstattungsregeln stellen für die Flughafenbetreiber daher einen erheblichen Planungsfaktor bei Neu- und Umbauten von Terminalgebäuden und bei sonstigen Sicherheitsinfrastrukturmaßnahmen dar, vgl. dazu unten bei III. 2. Folgen für den Planfeststellungsbeschluss Sicherheitsbereiche und Kontrollstellen in Flughafenterminals sind von nur untergeordneter Bedeutung für das Planfeststellungsrecht. Dennoch können die Anforderungen an die Ausgestaltung ausnahmsweise bereits auf der Ebene der Planfeststellung eine Rolle spielen. Die Neuerrichtung von Flughäfen bedarf nach § 8 Abs. 1 des Luftverkehrsgesetzes22 (LuftVG) grundsätzlich eines erfolgreich abgeschlossenen Planfeststellungsverfahrens. Der genaue Ablauf ergibt sich aus dem Zusammenspiel der

___________ 22

Luftverkehrsgesetz vom 1.8.1922 (RGBl. 1922 I S. 681); zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 175 des Gesetzes vom 7.8.2013 (BGBl. I S. 3154).

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Vorschriften aus LuftVG und den Verwaltungsverfahrensgesetzen. Das auf Bundesebene geregelte Planfeststellungsrecht wurde vor kurzem reformiert23. Während die Änderungen am Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes24 (VwVfG Bund) bereits am 07.06.2013 in Kraft traten, sollten die Änderungen in den verschiedenen Fachgesetzen – darunter auch diejenigen im LuftVG – ursprünglich am 01.06.2014 in Kraft treten25. Dieses Datum wurde jedoch kurzfristig auf den 01.06.2015 verschoben, um den Ländern genug Zeit zur Adaption des neuen VwVfG Bund zu geben26. Besonders hervorzuheben ist die Regelung des § 8 Abs. 4 Hs. 1 LuftVG. Diese Vorschrift blieb auch nach dem 01.06.2015 unverändert erhalten27. Danach kann die „bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Hochbauten auf dem Flugplatzgelände […] Gegenstand der Planfeststellung sein“. Der Begriff des Hochbaus bezeichnet nach dem natürlichen Sprachgebrauch sowie in der Fachsprache – in Abgrenzung zum Tiefbau – einen Bau, dessen Hauptteile über dem Erdboden liegen28. Der Ausdruck „können“ weist ferner darauf hin, dass die Planfeststellung bei Hochbauten keineswegs zwingend ist. Die Norm deutet somit eine Differenzierung zwischen Planfeststellungsfähigkeit und Planfeststellungsbedürftigkeit an. In der Praxis ist es sogar üblich, dass zumindest ein Teil der nach Unionsrecht sowie nach LuftSiG, BPolG und ZollVG insgesamt bereitzustellenden Flächen über Hochbauten abgedeckt wird, die nicht Bestandteil einer Planfeststellung waren.

___________ 23 Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren (PlVereinhG) vom 31.5.2013 (BGBl. I S. 1388), geändert durch Art. 1b des Gesetzes vom 24.5.2014 (BGBl. I S. 538). Vgl. dazu Schiller, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, 17. Erg.-Lfg. 2013, § 8, Rn. 9 [Stand: 6/2013]. 24 Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.1.2003 (BGBl. I S. 102), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 25.7.2013 (BGBl. I S. 2749). 25 Vgl. Art. 13 des PlVereinhG (Fn. 23) in der ursprünglichen Fassung. 26 s. Art. 1b des Ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vom 24.5.2014 (BGBl. I S. 538). Die im Anwendungsbereich des VwVfG Bund bereits überflüssig gewordenen Vorschriften in den Fachgesetzen sollen erst dann wegfallen, wenn die Länder ihre eigenen Verwaltungsverfahrensgesetze an das neue VwVfG Bund angepasst haben; andernfalls wäre es bei Planfeststellungsverfahren der Länder zu Regelungslücken gekommen. Vgl. die Begründung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales, welcher diese Änderung in das Gesetzgebungsverfahren einführte, BT-Drs. 18/1359, S. 6. 27 Durch die Reform wird § 8 Abs. 3 LuftVG gestrichen. Jedoch fehlt in Art. 13 Nr. 2 des Gesetzes (Fn. 23) die Anweisung, die nachfolgenden Absätze neu zu nummerieren. 28 Vgl. www. duden. de /node/ 701001 /revisions / 1170748 / view [zuletzt abgerufen: 12.5.2014].

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Dennoch gibt es einzelne Fälle, in denen öffentliche Belange so berührt sind, dass die Planfeststellung Pflicht ist. Daher wird § 8 Abs. 4 Hs. 1 LuftVG so verstanden, dass Hochbauten dann planfeststellungsbedürftig sind, wenn sie die technische Kapazität des Flughafens erheblich beeinflussen und daher in einem ausreichenden technischen und räumlichen Zusammenhang mit dem Flughafenbetrieb stehen29. Folglich werden neue Landebahnen kaum je ohne Planfeststellung auskommen. Dagegen kann je nach örtlicher Gegebenheit von der Planfeststellung abgesehen werden, soweit es sich bei den betreffenden Hochbauten um bauliche Anlagen handelt, die nicht die technischen Kapazität sondern allein den Komfort erhöhen. In Betracht kommen hier etwa freistehende Diensträume für Bundespolizei und Bundeszollverwaltung. Aber auch gesonderte Shopping-Center bis hin zu kompletten Flughafenterminals können nach diesem Maßstab oft ohne jegliche Planfeststellung gebaut werden. Ein Planfeststellungsbeschluss wäre aber dann wegen der luftsicherheitsrechtlichen Anforderungen gefährdet, wenn die Luftsicherheit aufgrund des Planfeststellungsbeschlusses nicht zu gewährleisten wäre. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn Bundespolizei und Bundeszollverwaltung die ihnen durch Gesetz übertragenen Aufgaben nicht wahrnehmen könnten. Man könnte daran allein bei solchen Konstellationen denken, in denen die Gesamtfläche so überplant wird, dass die nach LuftSiG, BPolG oder ZollVG bereitzustellenden Flächen, vgl. oben II.1. – beispielsweise die soeben angesprochenen Diensträume – nicht mehr durch Neubauten berücksichtigt werden können und im Flughafenterminal nicht genug Platz ausgewiesen werden kann. Dies käme nur dann in Betracht, wenn die notwendigen Hochbauten aufgrund des Bauordnungsrechts später nicht mehr gebaut werden können. Hieran ist etwa wegen der notwendigen Beachtung von Abstandsflächen zu denken. Solche Fälle werden in der Praxis jedoch kaum einmal auftreten. Eher kann dies der Fall sein, wenn etwa nicht genügend Fläche zur Verfügung gestellt werden kann, um Luftfahrzeuge, die Gegenstand von Bedrohungen, insbesondere von Bombendrohungen sind, auf Sicherheitspositionen zu verbringen, weil der Planfeststellungsantrag hierfür keine ausreichenden Flächen bereit hält. Bei späteren Änderungen und Erweiterungen des Flughafens kann nach § 74 Abs. 7 VwVfG Bund eine Planfeststellung unterbleiben, wenn der Umbau von unwesentlicher Bedeutung ist. Eine sehr ähnliche Regelung ist aktuell in § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftVG enthalten; sie wird aber zum 1. Juni 2015 wegfallen. Damit

___________ 29 Rathgeb, in: Giemulla/Schmied, LuftVG, 63. Erg.-Lfg. 2013, § 8, Rn. 21 [Stand: 11/2009]. Vgl. auch Schiller, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, 17. Erg.-Lfg. 2013, § 8, Rn. 26 [Stand: 6/2013].

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gilt weiterhin30 folgende Faustformel: Wenn der Umbau dazu führt, dass der Flughafen in baulicher oder betrieblicher Hinsicht sein Gesicht verändert31, bedarf es der erneuten Planfeststellung. Im Zweifel kann die zuständige Behörde ersucht werden, eine Unterbleibensentscheidung (auch Negativattest genannt) zu fällen, die die Unwesentlichkeit der Änderung oder Erweiterung und damit die mangelnde Planfeststellungsbedürftigkeit bestätigt32. Wie bereits dargelegt, dürften Luftsicherheitsbelange jedoch auch bei Änderungen und Erweiterungen eines Flughafens, die einer Planfeststellung bedürfen, nur in seltenen Ausnahmefällen dazu führen, dass ein Plan nicht festgestellt werden kann. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Planfeststellungsbeschluss keine hinreichenden Flächen zur Gewährleistung der Luftsicherheit enthielte. 3. Folgen für die Baugenehmigung Die öffentlich-rechtlichen Anforderungen an die Gestaltung der Sicherheitsbereiche und Kontrollstellen werden für den Flughafenbetreiber dann relevant, wenn eine Baugenehmigung einzuholen ist. Die dafür maßgeblichen Vorschriften ergeben sich vor allem aus den einschlägigen landesrechtlichen Bauordnungsvorschriften. Baugenehmigungen kommen bei allen Vorhaben im Zusammenhang mit dem Bau oder Umbau eines Flughafens im Betracht. Dies berührt zum einen Vorhaben, hinsichtlich derer kein Planfeststellungsbeschluss ergangen ist – also die Hochbauten, die zwar planfeststellungsfähig, aber nicht planfeststellungsbedürftig sind33. Zum anderen sind aber auch diejenigen Vorhaben betroffen, die zuvor Gegenstand einer Planfeststellung waren. Das ergibt sich34 aus § 9 Abs. 1 Satz 3 LuftVG (§ 9 Abs. 1 LuftVG zukünftiger Fassung). Diese Norm nimmt Baugenehmigungen ausdrücklich von der Konzentrationswirkung der Planfeststellung aus, welche sich normalerweise aus § 75 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 VwVfG Bund ergibt. Eine sehr ähnliche Vorschrift zur Konzentrationswirkung ist aktuell in § 9 Abs. 1 Satz 1 LuftVG enthalten; sie wird aber zum 1. Juni 2015 wegfallen. ___________ 30

Die jüngste Reform führt insoweit zu keiner inhaltlichen Änderung. Vgl. die Regierungsbegründung, BR-Drs. 171/12, S. 58. 31 Vgl. Reidt, in: Giemulla/Schmied, LuftVG, 63. Erg.-Lfg. 2013, § 6, Rn. 54 [Stand: 9/2009]. 32 Schiller, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, 17. Erg.-Lfg. 2013, § 8, Rn. 78 [Stand: 6/2013]. 33 Vgl. Schiller, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, 17. Erg.-Lfg. 2013, § 8, Rn. 29 [Stand: 6/2013]. 34 Vgl. zum Hintergrund Schiller, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, 17. Erg.-Lfg. 2013, § 9, Rn. 20–23 [Stand: 6/2013].

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Somit ist trotz des umfangreichen Planfeststellungsverfahrens in diesen Fällen eine anschließende Prüfung seitens der Bauordnungsbehörde notwendig. Inwiefern ein konkretes Vorhaben tatsächlich einer Baugenehmigung bedarf, richtet sich nach dem einschlägigen Landesrecht35, z.B. nach der baden-württembergischen36 oder nordrhein-westfälischen37 Landesbauordnung (BauO BW bzw. BauO NW). Nicht nur die Neuerrichtung bedarf einer separaten Genehmigung; auch ein Umbau der bestehenden Einrichtungen kann eine Änderungsgenehmigung erforderlich machen. Dies erfasst auch Umbauten von Kontroll- und Sicherheitsbereichen in Terminals und sonstigen Gebäuden sowie Diensträume für Luftsicherheits- und Zollbehörden. Üblicherweise verlangen die Bauordnungen ein erneutes Genehmigungsverfahren nur dann, wenn der Umbau wesentlich ist, vgl. etwa Nr. 2 des Anhangs zur BauO BW sowie § 65 Abs. 2 BauO NW ausgestaltet. Eine Änderung der Anforderungen der VO (EU) 185/2010 kann allerdings im Einzelfall durchaus dazu führen, dass Kontrollbereiche in wesentlicher Weise komplett umgestaltet oder sogar erneuert werden müssen, etwa wegen einer komplett veränderten Generation von Handgepäckkontrollgeräten und dem damit zusammenhängenden Layout der Kontrollstellen. Das Europäische Luftsicherheitsrecht kann sich insoweit durchaus auf die Notwendigkeit und den Inhalt von Baugenehmigungen nach den Bauordnungen der Länder auswirken.

III. Bedeutung von Sicherheitsbereichen und Kontrollstellen für die Kostenerstattung Wie bereits angesprochen, sind die Kosten der Einrichtung und Umgestaltung von Kontroll- und Sicherheitsbereichen sowie Diensträumen der Luftsicherheitsbehörden und des Zolls wichtige Faktoren bei der Planung der entsprechenden ___________ 35 Dabei muss jeweils der Anwendungsbereich berücksichtigt werden. So gelten die BauO BW sowie die BauO NW nach deren jeweiligem § 1 Abs. 2 Nr. 1 grundsätzlich nicht für öffentliche Verkehrsanlagen. Jedoch besteht in beiden Fällen eine Rückausnahme für Gebäude. Gebäude sind nach § 2 Abs. 2 BauO BW selbständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und geeignet sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen; § 2 Abs. 2 BauO NW enthält eine ähnliche Definition. Deshalb ist bei sämtlichen Hochbauten, die gleichzeitig Gebäude darstellen, nach § 58 Abs. 1 Satz 1 BauO BW bzw. § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NW eine Baugenehmigung notwendig. 36 Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO) in der Fassung vom 5.3.2010 (GBl. S. 416), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 03.12.2013 (GBl. S. 440). 37 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen – Landesbauordnung (BauO NRW) in der Fassung vom 1.3.2000 (GV. NRW. S. 256), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.3.2013 (GV. NRW. S. 142).

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Einrichtungen. Die entsprechenden Errichtungskosten einschließlich der erforderlichen technischen Vorrichtung sind erheblich. Daher spielen sie bei der konkreten Planung eine nicht unerhebliche Rolle. Entsprechend wichtig ist für die Planung auch die Ausgestaltung und Reichweite der gesetzlichen Kostenerstattungsregeln für entsprechende Aufwendungen der Flughafenbetreiber. Die Ansprüche aus § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG, § 62 Abs. 3 Satz 2 BPolG, § 62 Abs. 4 Satz 3 BPolG, § 9 Abs. 2 Satz 2 ZollVG sowie § 9 Abs. 3 Satz 2 ZollVG können als Kostenerstattungsansprüche zwar erst nach Leistung durch den Flughafenbetreiber gegenüber den öffentlichen Stellen geltend gemacht werden. Dennoch besitzen sie eine – zumindest indirekte – Steuerungswirkung. Sofern der Flughafenbetreiber (zumindest faktisch) einen Spielraum im Hinblick auf die bereitgestellte Fläche sowie die qualitative Ausstattung der Einrichtungen besitzt, wird er diese von der Ausgestaltung des betreffenden Kostenerstattungsanspruchs abhängig machen. Somit wird die konkrete Ausstattung – je nach einschlägiger Norm – aus Sicht der Luftsicherheitsbehörde unterschiedlich großzügig ausfallen. 1. Die Kostenerstattungsansprüche nach LuftSiG, BPolG und ZollVG Gegenwärtig sind gesetzlich fünf unterschiedliche Kostenerstattungsansprüche des Flughafenbetreibers gegen die Luftsicherheitsbehörden, die Bundespolizei und die Zollverwaltung gesetzlich geregelt. Sie sind in § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG, § 62 Abs. 3 Satz 2 BPolG, § 62 Abs. 4 Satz 3 BPolG, § 9 Abs. 2 Satz 2 ZollVG sowie § 9 Abs. 3 Satz 2 ZollVG normiert. Die Regelungen enthalten Erstattungsansprüche der Flughafenbetreiber, die im Detail sehr unterschiedlich ausgestaltet sind. Den Anspruchsgrundlagen ist aber gemein, dass sie sich auf die jeweils vom Flughafenbetreiber zu erbringenden Leistungen beziehen und sich damit jeweils auf bestimmte Unterstützungspflicht des Flughafenbetreibers gegenüber den Behörden beziehen. Eine Gemeinsamkeit der Kostenerstattungsansprüche besteht darin, dass der Anspruch jeweils auf die Selbstkosten des Flughafenbetreibers geht. Im Falle des § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG ist in § 8 Abs. 3 Satz 3 LuftSiG explizit festgehalten, dass zur Feststellung der Höhe der Selbstkosten die Vorschriften des Preisrechts bei öffentlichen Aufträgen entsprechende Anwendung finden. Damit bezieht sich das LuftSiG auf die Preisverordnung38, die Vorschriften zur Berechnung der Selbstkosten enthält und auch die Nachvollziehbarkeit der konkret gewählten Berechnungsmethode sicherstellen soll.

___________ 38 Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21.11.1953 (BAnz. 1953 Nr. 244), zuletzt geändert durch Artikel 70 des Gesetzes vom 8.12.2010 (BGBl. I S. 1864). Vgl. BT-Drs. 13/9513, S. 49.

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2. Die einzelnen Anspruchsgrundlagen Die fünf Kostenerstattungsansprüche aus § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG (dazu nachfolgend unter III.2.a)), § 62 Abs. 3 Satz 2 BPolG, § 62 Abs. 4 Satz 3 BPolG, § 9 Abs. 2 Satz 2 ZollVG sowie § 9 Abs. 3 Satz 2 ZollVG sind im Detail sehr unterschiedlich ausgestaltet. Jedoch besteht die strukturelle Gemeinsamkeit, dass sie sich auf die Umsetzung von Anforderungen an die Gestaltung von Sicherheitsbereichen und Kontrollstellen in Flughafenterminals beziehen. Daher entsprechen sie jeweils konkreten Unterstützungspflichten des Flughafenunternehmers. Letztere ergeben sich aus den einzelnen Pflichtenkatalogen aus § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftSiG, § 62 Abs. 3 Satz 1 BPolG, § 62 Abs. 4 Satz 1 BPolG, § 9 Abs. 2 Satz 1 ZollVG bzw. § 9 Abs. 3 Satz 1 ZollVG. a) Der Anspruch nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG Der Anspruch nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG unterscheidet sich von den Kostenerstattungsansprüchen nach BPolG und ZollVG, da sich dieser nicht auf alle Pflichten bezieht, welche in § 8 Abs. 1 und 2 LuftSiG geregelt sind, sondern allein auf die „Bereitstellung und Unterhaltung von Räumen und Flächen“. Der in § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftSiG enthaltene Katalog umfasst jedoch weitaus mehr als nur raum- oder flächenbezogene Unterstützungspflichten. Beispielsweise besitzt der Flughafenunternehmer nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LuftSiG die Pflicht, bei Durchsuchungen des aufgegebenen Gepäcks den Fluggast herbeizuholen oder die Schlösser der Gepäckstücke zu öffnen. Somit sind die in § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftSiG enthaltenen Unterstützungspflichten nicht komplett erstattungsfähig. § 8 Abs. 3 LuftSiG trifft eine grundsätzliche Kostenabgrenzung zwischen Flughafenbetreiber und Luftsicherheitsbehörden. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG soll der Flughafenbetreiber die Kosten der Sicherheitseinrichtungen nach § 8 Abs. 1, 2 LuftSiG tragen. Dies erfasst im Zusammenhang mit den Kontrollstellen insbesondere die Kosten von Errichtung und Gestaltung der Flughafenanlagen, Bauwerke, Räume und Einrichtungen in einer Art, die die erforderliche bauliche und technische Sicherung und die sachgerechte Durchführung der personellen Sicherungs- und Schutzmaßnahmen und die Kontrolle der nicht allgemein zugänglichen Bereiche gewährleistet i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LuftSiG. Ausgeschlossen sind freilich die Luftsicherheitsgeräte, für die die Luftsicherheitsbehörde zuständig ist. Entsprechend sprach der Regierungsentwurf zum LuftSiG davon, dass „nur die behördlichen Kontrollgeräte von der Kostentragung durch den Flughafenbetreiber ausgenommen“ seien und dass die Kosten von Simulationskammern als Einrichtungen von den Luftsicherheitsbehörden zu tragen seien39. ___________ 39

BT-Drs. 15/2361, S. 18.

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Auch die Kosten des Transports und der Lagerung von Post, aufgegebenem Gepäck, Fracht und Versorgungsgütern zur Ermöglichung der luftsicherheitsrechtlichen Kontrolle, einschließlich des Transports in einer MRKA hat nach § 8 Abs. 3 Satz 2 der Flughafenbetreiber zu tragen. Eine Erstattung zu Selbstkostenpreisen i.S.d. VO PR Nr. 30/52 erfolgt hingegen auf Verlangen des Flughafenbetreibers nur für das Zurverfügungstellen von Räumen und Flächen für die Durchführung der behördlichen Luftsicherheitskontrollen. Eine Erklärung für die begrenzte Kostenerstattungsfähigkeit ergibt sich aus der Regierungsbegründung zur Vorgängerregelung des § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG, § 19b Abs. 3 Satz 1 LuftVG40. Die Ausgestaltung dieser Norm begründete der Gesetzgeber mit einem Verweis auf § 29a Satz 1 LuftVG41. Nach dessen damaliger Fassung42 hatte der Flughafenunternehmer die für die Durchführung der Luftaufsicht erforderlichen Räume gegen Vergütung seiner Selbstkosten bereitzustellen und zu unterhalten. Im Gegensatz zur Konstellation in § 8 LuftVG regelte allerdings § 29a LuftVG schon vom Ansatz her ausschließlich raumbezogene Unterstützungspflichten. Dennoch spricht die Bundesregierung in einer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf davon, dass § 19b Abs. 3 Satz 1 LuftVG und § 29a Satz 1 LuftVG gleich zu behandeln seien43. § 19b Abs. 3 LuftVG wurde später um einen dritten und vierten Satz ergänzt, die auf das Preisrecht und damit auch auf die fehlende Erstattung über die Höhe des Marktpreises hinaus beziehen44. In dieser Fassung wurde die Norm inhaltlich unverändert in das LuftSiG übernommen – ohne dass sich die Regierungsbegründung im Zuge dessen mit dem Inhalt des § 19b Abs. 3 LuftVG bzw. des neuen § 8 Abs. 3 LuftSiG auseinandergesetzt hat45. ___________ 40 Eingeführt durch Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes (9. Änderungsgesetz) vom 18.9.1980 (BGBl. I S. 1729). 41 Siehe BT-Drs. 8/3431, S. 12 („Absatz 3 lehnt sich mit der Regelung über die Vergütung für die Bereitstellung von Dienst- und Aufenthaltsräumen für das bei Kontrollen hoheitlich tätige Personal an die bestehende Regelung des § 29 a Satz 1 an, indem nur die Selbstkosten verlangt werden können. Im Übrigen haben die Verpflichteten die entstehenden Kosten selbst zu tragen.“). 42 Nach der aktuellen Fassung, die auf das Elfte Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes vom 25.8.1998 (BGBl. I S. 2432) zurückgeht, sind die Räume nunmehr kostenfrei bereitzustellen und zu unterhalten. Der Bundesrat begründete diese Idee mit dem gestiegenen Wert der Luftaufsicht für den Flugplatzunternehmer, siehe BT-Drs. 13/9513, S. 49 f. Vgl. zur Bedeutung dieser Änderung Schiller, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, 17. Erg.-Lfg. 2013, § 19b a.F., Rn. 43 [Stand: 3/2002]. 43 s. BT-Drs. 8/3431, S. 22. Diese geschah im Rahmen der Ablehnung eines Vorschlags des Bundesrates. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, dem Flughafenunternehmer die Vergütung insoweit zu verwehren, wie die Flächen und Räume unmittelbar für die Kontrolle von Personen und mitgeführten Gegenständen bestimmt sind, siehe BT-Drs. 8/3431, S. 18. 44 s. Elftes Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes vom 25.8.1998 (BGBl. I S. 2432). Vgl. zur Begründung BT-Drs. 13/9513, S. 49. 45 Vgl. BR-Drs. 827/03, S. 31 f.

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Obgleich die Kostentragungsabgrenzung des § 8 Abs. 3 LuftSiG auf den ersten Blick sehr deutlich erscheint (Kosten der Luftsicherheitsgeräte und Simulationskammern trägt die Behörde, Selbstkostenerstattung erfolgt für überlassene Flächen und Räume, alle weiteren Kosten trägt der Flughafenbetreiber), stellen sich in der Praxis erhebliche Abgrenzungsprobleme. Diese erfassen bereits die Frage, was als Bestandteil der behördlichen Kontrollgeräte i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LuftSiG zu verstehen ist und wie mit Geräten und Einrichtungen umzugehen ist, die technisch für die Funktion der Kontrollgeräte zwingend sind. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, inwieweit § 8 Abs. 3 LuftSiG eine abschließende Regelung hinsichtlich der Einrichtungen für die Luftsicherheit darstellt, oder ob etwa daneben auch § 62 Abs. 4 BPolG zur Anwendung kommen kann (dazu nachfolgend unter III.2.a)aa)). Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie der Begriff des Zur-Verfügung-Stellens nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG zu verstehen ist (dazu nachfolgend unter III.2.a.bb.) und in welchem Umfang Kontrollstellen einzurichten sind, deren Selbstkosten dann erstattet werden müssen (dazu nachfolgend unter III.2.a)cc)). Auch ist offen, ob nach nicht aufgrund höherrangigen Rechts eine Pflicht besteht, auch die die Selbstkosten weiterer Einrichtungen, etwa sprengsicherer Räume für die Behandlung verdächtiger Gepäckstücke zu erstatten. (dazu nachfolgend unter III.2.a)dd)).46 Zur Frage, inwiefern der Begriff des Marktpreises aus § 8 Abs. 3 Satz 4 LuftSiG Bedeutung erlangen kann, siehe unten, III.3.a)cc). aa) Kostenerstattung für Geräte und Einrichtungen, die für die Funktion der Luftsicherheitsgeräte unabdingbar sind Die von den Behörden eingesetzten Luftsicherheitsgeräte bestehen üblicherweise aus speziell adaptierten Röntgen- und sonstigen Detektionsgeräten. Im Rahmen der Passagierkontrolle befindet sich jedoch üblicherweise vor und nach dem jeweiligen Kontrollgerät ein Transportband, sowie hinter dem Transportband eine Ablagefläche, an der die Passagiere ihr kontrolliertes Handgepäck wieder aufnehmen. Hier war es bislang üblich, dass die Kosten der gesamten Einrichtungen von den Luftsicherheitsbehörden übernommen wurden. Etwas anderes gilt aber für die Schaffung technischer Voraussetzungen zum Betrieb der Geräte. Im Einzelfall verlangen neue Geräte einen Komplettumbau von Räumlichkeiten sowie erhebliche zusätzliche technische Einrichtungen wie die Neuverlegung von Energie- und Datenkabeln, deren Kosten sechsstellige EUR-Beträge erreichen können. Diese wird man hinsichtlich der Raumumbauten als noch von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LuftSiG und damit der Kostenerstattungsregel nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG erfasst ansehen können. Gerade hinsichtlich einer neuen Datenverkabelung stellt sich jedoch deutlich die Frage, inwiefern dies noch als ___________ 46 Zur Frage, inwieweit die Begrenzung auf den Marktpreis nach § 8 Abs. 3 Satz 4 LuftSiG eine Rolle spielen kann, siehe unten bei III.3.a)cc).

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Errichtung und Gestaltung von Räumlichkeiten und Einrichtungen i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LuftSiG zu verstehen ist, wenn vorher bereits eine entsprechende Verkabelung der alten Geräte existierte. Hier spricht Vieles dafür, dass in diesem Fall die Luftsicherheitsbehörden beim Geräteerwerb nicht hinreichend Rücksicht auf die Gegebenheiten am Flughafen genommen haben. Nichtsdestoweniger verweigern die Behörden hier üblicherweise die Selbstkostenerstattung. Dies wird noch deutlicher bei den in die MRKA eingebauten Kontrollgeräten. Viele dieser Geräte funktionieren nur korrekt, wenn vorher eine bestimmte Positionierung der Gepäckstücke stattfindet. Auch sind – je nach Flughafengestaltung vor Einbringen entsprechender Geräte – erhebliche zusätzliche Einrichtungen erforderlich, etwa die Errichtung vibrationsfreier Fundamente für die Luftsicherheitsgeräte. Hier sind aus der Praxis Fälle bekannt, in denen die Luftsicherheitsbehörden der Ansicht sind, dass die erforderlichen Positionierungsgerätschaften (deren Kosten im Einzelfall auch sechsstellige EUR-Beträge ausmachen) Teil des Gepäcktransports seien. Es sei also Sache des Flughafenbetreibers, für die Kosten aufzukommen. Diese Argumentation erscheint äußerst fragwürdig. Unter dem nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LuftSiG dem Flughafenbetreiber obliegenden Transport von Gepäckstücken, auch zwischen den verschiedenen Kontrollstufen einer MRKA, wird man eine besondere Positionierung der Gepäckstücke durch den Flughafenbetreiber nicht verstehen dürfen. Der Flughafenbetreiber schafft die Luftsicherheitsgeräte nicht an, vielmehr erfolgt die Anschaffung durch zentrale öffentliche Vergabeverfahren. Auf die Belange des jeweiligen Flughafenbetreibers und die räumliche und technische Gestaltung des einzelnen Flughafens wird dabei keine Rücksicht genommen. Wenn im Rahmen der zentralen Vergabe also Luftsicherheitsgeräte angeschafft werden, die einer bestimmten Gepäckpositionierung bedürfen, selbst aber keine Positionierungsfunktion vorhalten, erschiene es im Rahmen der Kostenverteilung nach § 8 Abs. 3 LuftSiG unbillig, müssten die Kosten vom Flughafenbetreiber getragen werden. Die Luftsicherheitsbehörden hätten hier auch Geräte anschaffen können, die keiner entsprechenden Positionierung bedürfen, oder, falls dies technisch nicht möglich ist, Luftsicherheitsgeräte anschaffen müssen, die die Positionierung selbst vornehmen. Dies ergibt sich insbesondere aus dem gegenseitige Rücksichtnahmegebot zwischen Flughafenunternehmer und Luftsicherheitsbehörde, welches aus der gemeinsamen Verantwortung für die Luftsicherheit, wie sie die §§ 3 bis 8 LuftSiG vorsehen, herzuleiten ist. Darüber hinaus besteht für die Luftsicherheitsbehörden ein besonderes Rücksichtnahmegebot auch, weil sie das Eigentum des Flughafenbetreibers in Anspruch nehmen. Hier müssten die entsprechenden Kosten also von den Luftsicherheitsbehörden getragen werden, die es an einer entsprechenden Rücksichtnahme beim Erwerb von Geräten mit besonderen technischen Anforderungen fehlen lassen. § 8 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG ist hier bereits vom Wortlaut her nicht einschlägig – es

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geht nicht um den Gepäcktransport. Auch spricht hier das Rücksichtnahmegebot gegen eine Kostentragungspflicht durch den Flughafenbetreiber. Andernfalls hätte es die Luftsicherheitsbehörde in der Hand, willkürlich und ohne jede Kostenverpflichtung Geräte jeder Größe, jeden Gewichts, etc. anzuschaffen und den Betreiber so dazu zu zwingen, erhebliche Investitionen zu tätigen, nur weil die Luftsicherheitsbehörden allein aus Gründen der Sparsamkeit für die jeweiligen Räumlichkeiten und Anlagen der Betreiber ungeeignete Geräte anschaffen. Nach welcher Rechtsnorm die Kostenerstattung indes zu erfolgen hat, ist diskutabel. Einerseits könnte § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG dahin gehend ausgelegt werden, dass er auch zusätzliche technische Leistungen des Flughafenbetreibers erfasst, die zum Betrieb der Luftsicherheitsgeräte erforderlich sind. Indes ist § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG eng gefasst und regelt nur die Kostenerstattung für zur Verfügung gestellte Räumlichkeiten und Flächen. Dies auf Gerätschaften auszudehnen erscheint daher fragwürdig. Daher spricht Vieles dafür, hinsichtlich zusätzlicher, technisch erforderlicher Einrichtungen, auf § 62 Abs. 4 BPolG zurückzugreifen. Demnach kann der Flughafenbetreiber von der Bundespolizei die Selbstkostenerstattung für Einrichtungen und Leistungen verlangen, die mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Bundespolizei nach den §§ 2 bis 4a BPolG zusammenhängen, die die Bundespolizei verlangt, und die dem Flughafenbetreiber nach den Umständen zugemutet werden können. Bei den Kontrollaufgaben der Bundespolizei handelt es sich um solche nach § 4 LuftSiG. Die Positionierungsgeräte sind auch „zusätzliche Einrichtungen“, weil die Luftsicherheitsbehörde beim Erwerb gerade darauf verzichtet hat, sie ins Luftsicherheitsgerät zu integrieren. Die Anschaffung ist dem Flughafenbetreiber insoweit zumutbar, als ihm ohnehin die Planung und Errichtung einer Gepäckförderanlage obliegt. Durch die technische Notwendigkeit entsprechender Geräte aufgrund der Bauart der Kontrollgeräte ist das Anschaffungsverlangen der Bundespolizei als Luftsicherheitsbehörde konkludent geäußert. Eine Erstattung nach § 62 Abs. 4 Satz 3 BPolG wird auch nicht durch § 62 Abs. 4 Satz 2 gesperrt. Dieser besagt, dass die Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LuftSiG hinsichtlich der Kostentragungspflicht der Luftsicherheitsgeräte unberührt bleibt. Diese Regelung führt nicht zu einer generellen Spezialität des § 8 Abs. 3 LuftSiG für alle Ansprüche im Hinblick auf Kontrollanlagen. Sie besagt einzig, dass die Kosten der Luftsicherheitsgeräte von den Luftsicherheitsbehörden zu tragen sind. Hier verlangt das Luftsicherheitsgerät aber zusätzliche technische Einrichtungen, die nichts mit dem Gepäcktransport zu tun haben. Diese Kosten sind mithin weder von § 8 Abs. 3 Satz 1 noch Satz 2 LuftSiG erfasst. Mithin besteht hier Raum für die Anwendung des § 62 Abs. 4 Satz 1, 3 BPolG47. ___________ 47 Dies führt dazu, dass auch sonstige von den Luftsicherheitsbehörden verlangte Einrichtungen für die Durchführung der Personen- und Gepäckkontrolle nach § 62 Abs. 4 Satz 3 LuftSiG zu erstatten sind, wenn ihre Einrichtung nicht nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

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Ähnliches gilt für den Aufwand des Flughafenbetreibers zur Sicherstellung der Funktionsweise der Luftsicherheitsgeräte in der Passagierkontrolle, etwa für eine komplett neu erforderliche Datenverkabelung. bb) Bereitgestellte Flächen i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG Auch die Begrenzung der für die Luftsicherheitsbehörden bereitgestellten Flächen, für welche nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG Selbstkostenerstattung zu leisten ist, bereitet in der Praxis Schwierigkeiten. Zunächst spricht § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG von den Räumen und Flächen, die vom Flughafenbetreiber der für die Durchführung der Kontrollmaßnahmen zuständigen Behörde zur Verfügung gestellt werden. Hier fehlt ein Hinweis, dass nur die Räume erfasst sind, die eben für die Kontrolle erforderlich sind. Vielmehr ist die Rede von allen Räumlichkeiten und Flächen, die der Luftsicherheitsbehörde zur Verfügung gestellt werden. Dies spricht für eine umfassende Kostenerstattungspflicht für sämtliche Flächen, über die die Luftsicherheitsbehörde tatsächlich vom Flughafenbetreiber Verfügungsbefugnis erhält. Eine Begrenzung erfolgt indes durch § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LuftSiG, auf den § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG ausdrücklich Bezug nimmt: In § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LuftSiG ist die Rede nur von der Gestaltung und Errichtung des Flughafens in der Art, dass die sachgerechte Durchführung der personellen Sicherungs- und Schutzmaßnahmen und die Kontrolle der nicht allgemein zugänglichen Bereiche ermöglicht werden. Erfasst sind also nur die Flächen, die der sachgerechten Durchführung der Kontrollen dienen. Dabei ist zunächst offen, wie groß die Fläche für eine sachgerechte Durchführung der personellen Sicherungs- und Schutzmaßnahmen sowie zur Kontrolle der nicht allgemein zugänglichen Bereiche sein muss. Unklar ist insoweit, was konkret zur Kontrolle erforderlich ist. Ohne Zweifel wird zumindest ein Teil der Fläche, die man am Flughafen als Kontrollstelle deklariert hat, von der Unterstützungspflicht aus § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Hs. 1 LuftSiG erfasst. Zumindest erfasst ist der Ort, an dem das von der Luftsicherheitsbehörde eingebrachte Kontrollgerät steht, die Bewegungsfläche, welche das Kontrollpersonal unmittelbar für die Kontrolle benötigt, die Fläche des Geräts für die Metalldetektion am Passagier, sowie die Flächen für händische Nachkontrollen. ___________ LuftSiG zwingend erforderlich ist. Als Beispiel sind hier die sog. Nachkontrollräume zu nennen, vgl. dazu Richter, Luftsicherheit, 3. Aufl. 2013, S. 203–205. In diesen Räumen werden Gepäckstücke, die an der ersten Untersuchungsstation im Rahmen der MRKA nicht als sicher gewertet wurden, nochmals mit technischen Vorrichtungen (Röntgengeräte, etc.) kontrolliert. Hier kann auch das Öffnen des Gepäckstücks erfolgen. Die Einrichtung eines geschlossenen Raumes ist hierfür nicht erforderlich. Insoweit ist die Errichtung eines entsprechenden Raumes auf Verlangen des Flughafenbetreibers nach § 62 Abs. 4 Satz 3 BPolG erstattungspflichtig. Das bloße Bereitstellen einer offenen Fläche wäre indes nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG zu erstatten, da eine Nachkontrolle an sich notwendig ist.

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Richtigerweise werden jedoch auch die Aufstell- und Warteflächen vor der Sicherheitskontrolle sowie die entsprechenden Abgangsflächen nach der Sicherheitskontrolle erfasst. Die vor- und nachgelagerten Flächen müssen als organischer Bestandteil der Sicherheitskontrolle begriffen werden. Die Aufstell-, Warte- und Abgangsflächen sind ausschließlich dadurch bedingt, dass die Kontrolle stattfindet. Ohne die Kontrollen wäre ihre Einrichtung nicht erforderlich. An ihrer Stelle könnten beispielsweise Einkaufsbereiche oder Büros eingerichtet werden. Auch könnten die Aufstell-, Warte- und Abgangsflächen ohne Kontrolle völlig unerrichtet bleiben. Dem Flughafenbetreiber entstehen also durch die Einrichtung dieser Flächen durch die Kontrolle verursachte Kosten bzw. es entgehen ihm durch die Notwendigkeit der Einrichtung solcher Flächen Einnahmen aus Vermietung. Schließlich ließe sich eine Abfertigung in der Praxis kaum sinnvoll bewältigen, wenn man sich diese Flächen wegdächte. Das Verwaltungsgericht Köln war daher zu Recht der Ansicht, dass § 8 Abs. 1 Nr. 1 LuftSiG nicht nur den engsten Bereich der eingesetzten Luftsicherheitsgeräte umfasst, sondern darüber hinaus auch „dem Passagieraufkommen angemessene Wartebereiche vor den eigentlichen Kontrollspuren und Flächen hinter den Kontrollspuren, auf denen die Passagiere z.B. Schuhe ausziehen oder wieder anziehen und/oder auf eine zusätzliche Durchsuchung in einer Kabine warten“. Diese Flächen seien zur Durchführung einer geordneten und umfassenden Kontrolle unerlässlich – zumal sie aufgrund der Kontrollen jeder anderen Nutzung durch den Flughafenbetreiber entzogen sind48. Beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen scheint es dagegen Tendenzen für eine engere Auslegung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Hs. 1 LuftSiG zu geben49. Hiernach wird grundsätzlich nur die Fläche der Sicherheitskontrolle miteinbezogen, wobei ein Zuschlag gewährt wird: auf die Breite in Höhe von einem Meter und auf die Länge in Höhe von zwei Metern. Weitere Bestandteile der Kontrollstelle sollen jedoch nicht von der Unterstützungspflicht

___________ 48 VG Köln, Urt. vom 14.7.2010, Az. 4 K 4973/09 (juris), Rn. 25. Es ist festzuhalten, dass diese Entscheidung des VG aufgrund eines Vergleichs der Parteien vor dem OVG Münster keinen Bestand hatte, vgl. dazu Fn. 49. 49 Vgl. die vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage des Berichterstatters im 20. Senat des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, Protokoll des Erörterungstermins vom 27.11.2012, S. 3 (nicht veröffentlicht). Gegenstand war eine Berufung gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln, Fn. 48. Diese mündete in einem Vergleich. Vgl. die Einstellung des Verfahrens, Beschluss vom 4.2.2013, Az. 20 A 1774/10 (juris).

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erfasst sein50. Diese Auffassung erscheint aufgrund der vorgenannten Gründe zweifelhaft. Die Notwendigkeit einer weiten Auslegung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Hs. 1 LuftSiG, wie sie auch das Verwaltungsgericht Köln präferiert, ergibt sich bereits daraus, dass die besonderen Befugnisse der Luftsicherheitsbehörden nach § 5 LuftSiG möglichst grundrechtsschonend zu vollziehen sind51. Angesichts des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgt aus der umfassenden Grundrechtsbindung zum Beispiel die Schutzpflicht der Behörden, durch Gedränge ausgelöste Massenpaniken zu verhindern, wie sie zu Stoßzeiten in jeder Menschenmenge auftreten können. Ohne die Einrichtung sachgerechter Aufstell-, Warte- und Abgangsflächen zu fördern, wäre der Staat außer Stande, diesem Gebot nachzukommen52. Hinzu kommt die Verpflichtung der Luftsicherheitsbehörden, aus rechtsstaatlichen Gründen das Interesse des Fluggastes an einer zügigen Abfertigung zu wahren. Aus diesen verfassungsrechtlichen Überlegungen ist der Staat dazu angehalten, für einen reibungslosen Ablauf der Sicherheitskontrolle zu sorgen. Folglich sind Aufstell-, Warte- und Abgangsflächen im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Hs. 1 LuftSiG zur sachgerechten Durchführung erforderlich. Als Konsequenz sind diese Flächen nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG erstattungsfähig. cc) Anzahl notwendiger Kontrollstellen In Verhandlungen spitzen Luftsicherheitsbehörden zum Teil ihre Rechtsposition zu: Sie behaupten, dass für sie nicht mehr als eine Kontrollstelle pro Flughafen erforderlich sei, unabhängig von der Passagierzahl am jeweiligen Flughafen. Dementsprechend bestünde an sich auch keine weiterreichende Erstattungspflicht. Dem ist entgegen zu halten, dass sich die Anzahl der Kontrollstellen am notwendigen Passagierdurchsatz zu orientieren hat. Die notwendige Anzahl richtet sich insoweit danach, wie viele Kontrollstellen zur Erfüllung der Kontrollaufgaben i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Hs. 1 LuftSiG sachgerecht sind. Im Rahmen der Sachgerechtigkeit ist insbesondere auch zu beachten, dass die Passagiere durch die Kontrollen nicht über Gebühr belastet werden dürfen. Dazu ___________ 50 Konsequenterweise ist es bei dieser Sichtweise auch irrelevant, ob zwischen der Sicherheitskontrolle und den vor- und nachgelagerten Flächen eine tatsächliche Abtrennung getroffen wurde oder ob diese baulich fließend ineinander überzugehen scheinen. 51 Die Regierungsbegründung zur Vorgängerregelung § 29d LuftVG verweist insoweit zu Recht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, siehe BT-Drs. 8/3431, S. 13. 52 Eine einfachgesetzliche (!) Verpflichtung des Flughafenbetreibers (etwa nach Baurecht), Gebäude derart zu gestalten, dass Massenpaniken möglichst vermieden werden, kann die Exekutive unmöglich von dieser verfassungsrechtlichen Verpflichtung entbinden. Eine verfassungskonforme Auslegung von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Hs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 LuftSiG ist daher weiterhin nötig.

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gehört das Vorhalten und der Betreib einer Anzahl von Kontrollstellen, die eine zügige Kontrolle ermöglicht, um so die Verletzung von Freiheitsrechten der Passagiere zu vermeiden. Müssen die Passagiere für die Durchführung der Kontrollen zu lange warten bzw. anstehen, obgleich dies nicht notwendig wäre, wenn eine hinreichende Anzahl von Kontrollstellen betrieben werden könnte, ist von einem unverhältnismäßigen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Passagiere nach Art. 2 Abs. 1 GG auszugehen. In die gleiche Richtung geht auch eine Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main, nach der diejenigen Fluggäste Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung gemäß § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 GG verlangen können, die aufgrund überlanger Kontrollzeit ihren Flug verpasst haben53. Das LG Frankfurt war der Ansicht, dass Behörden nach rechtsstaatlichen Grundsätzen Eingriffe in die Rechtssphäre von Privatpersonen in den Grenzen des unumgänglich Notwendigen halten müssen – hierzu gehört auch die Pflicht, den Eingriff in seiner Dauer auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken und nachteilige Folgen des Eingriffs für den Betroffenen herabzumindern. Folgerichtig ist das Abfertigungsinteresse des Fluggastes von Verfassung wegen bei der Auslegung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Hs. 1 LuftSiG zu berücksichtigen. Im Ergebnis ist daher die zur Vermeidung von Passagierrechtverletzungen erforderliche Anzahl von Personenkontrollstellen einzurichten und zu betreiben. Entsprechend ist nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG für die Fläche sämtlicher Kontrollstellen sowie der dazugehörigen Flächen (vgl. dazu oben III.2.a.bb.) Selbstkostenerstattung zu leisten. dd) Einrichtung eines sprengsicheren Entschärferraumes Auch für die Errichtung sogenannter Entschärferräume durch Flughafenbetreiber besteht ein Selbstkostenerstattungsanspruch. Im Entschärferraum, der üblicherweise entweder Teil des Nachkontrollraumes oder in dessen unmittelbarer Umgebung liegt, erfolgt die kontrollierte Sprengung von Gepäckstücken (üblicherweise durch Beschuss mit unter Hochdruck stehendem Wasser), bei denen sämtliche Kontrollen den Verdacht brisanter Inhalte nicht ausschließen konnten. Die Einrichtung entsprechender Räume ist zur Vermeidung der Räumung ganzer Flughafenteile üblicherweise gerade bei Internationalen Verkehrsflughäfen erforderlich. Beim Entschärferraum handelt es sich zunächst nicht um einen Raum, der dem Gepäcktransport i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 LuftSiG dient. Auch findet in ihm keine weitere Kontrolle des Gepäcks i.S.d. §§ 5 Abs. 3, 8 Abs. 1 Nr. 1 LuftSiG statt. ___________ 53 LG Frankfurt, Urt. vom 10.10.2012, Az. 2-4 O 32/12. Das Urteil wurde im Ergebnis, wenngleich nicht in der Begründung bestätigt durch OLG Frankfurt, Urt. vom 12.8.2013, Az. 1 U 276/12, NJW 2013, 3796 f. Das OLG war der Ansicht, dass ein Anspruch aufgrund Aufopferungsgrundsätzen bestehe.

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Vielmehr üben die Luftsicherheitsbehörden hier ihre allgemeine Befugnis nach § 3 LuftSiG aus, indem sie durch Sprengung des jeweiligen Gepäckstücks jede weitere Gefahr abwenden. Um dies sicher tun zu können, ist der Entschärferraum sprengsicher zu errichten. Obgleich der Raum insoweit selbst keine Kontrollfläche darstellt und § 8 Abs. 1 Nr. 1 LuftSiG daher nicht unmittelbar anwendbar ist, ist der Entschärferraum einer baulichen Sicherung zur Erledigung der Kontrollaufgaben der Beklagten ähnlich. Es handelt sich um einen baulich gesicherten Raum, in dem die Beklagte ihre allgemeine Befugnis nach § 3 LuftSiG ausübt. Da hinsichtlich solcher Räume offensichtlich eine unbeabsichtigte Gesetzeslücke besteht, sind § 8 Abs. 1 Nr. 1 LuftSiG und der auf diesen bezogene Erstattungsanspruch des § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG so auszulegen, dass auch baulich besonders gesicherte Räumlichkeiten, die zum (ausschließlichen) Ausüben der Befugnisse der Luftsicherheitsbehörden dienen, von diesen Regelungen erfasst sind. Ein Entschärferraum ist für die sachgerechte Durchführung der Aufgaben und Befugnisse der Luftsicherheitsbehörden erforderlich, da es sich bei entsprechenden Sprengvorgängen nicht um ungewöhnliche Ereignisse handelt. In Planungsgesprächen äußern Vertreter der Luftsicherheitsbehörden auf die Frage, wie häufig entsprechende Szenarien auftreten, regelmäßig, dass zuverlässige Zahlen nicht genannt werden können. Je nach Gepäckaufkommen, Art der Flüge und Kontrollverfahren könne das Szenario einmal am Tag, einmal pro Woche, einmal pro Monat oder auch mehrere Male dicht hintereinander erforderlich werden. Im akuten Fall würden die dem Bundeskriminalamt angehörenden Entschärfer entscheiden. Betriebliche Abläufe hätten im Ernstfall, welcher bis zur tatsächlichen Kontrolle eines verdächtigen Gepäckstücks ja nur ein Verdachtsmoment ist, überhaupt keine Wertigkeit. Je nach Einschätzung der Situation durch die Entschärfer werde ohne einen geeigneten Raum unverzüglich Flughafenteile gesperrt. Im Falle kompletter Sperrungen ganzer Flughafenteile ist üblicherweise mit erheblichen Verzögerungen des gesamten Verkehrs und damit auch für eine Vielzahl von Passagieren zu rechnen. Dabei ist festzuhalten, dass in der Bundesrepublik bislang nicht ein einziger Fall bekannt wurde, in dem tatsächlich eine unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung in einem Gepäckstück gefunden wurde. Eine Räumung ganzer Flughafenteile hätte in diesem Zusammenhang rechtswidrige Eingriffe in die Rechte der Passagiere zur Folge. Die Luftsicherheitsbehörden sind daher zur Durchführung der Kontrollen in einem gesonderten, gesicherten Raum verpflichtet, soweit ein solcher zur Verfügung gestellt werden kann. Die Kontrolle eines einzelnen Gepäckstücks würde hier ansonsten zu erheblichen, unverhältnismäßigen Eingriffen in die Bewegungsfreiheit der Passagiere führen. Diese würden aufgrund der Kontrolle eines einzelnen Gepäckstücks am

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Flughafen zurückgehalten. Auch ergäben sich wesentliche Nachteile für die Luftverkehrsunternehmen. Hinsichtlich der Durchführung und Kontrollen haben die Luftsicherheitsbehörden sowohl Entschließungs- als auch Handlungsermessen. Das Entschließungsermessen ist hier dahingehend eingeschränkt, dass die Behörden Kontrollen bzw. Sprengungen durchzuführen haben, wenn der Verdacht einer unkonventionellen Spreng- oder Brandvorrichtung besteht. Im Hinblick auf die Durchführung der Kontrolle – also im Rahmen ihres Handlungsermessens – hat die Behörde darauf zu achten, dass die Durchführung nicht zu unverhältnismäßigen Einschränkungen von Grundrechten führt. Dies macht auch § 4 LuftSiG nochmals ausdrücklich deutlich. Mit Errichtung und Nutzung eines sprengsicheren Entschärferraums steht eine weniger belastende Alternative zur Behinderung einer Vielzahl von Passagieren, zur Verfügung. Dies wird noch dadurch unterstrichen, dass aufgrund der bisher an deutschen Flughäfen gemachten Erfahrungen kein einziger Fall einer unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung im Gepäck bekannt ist. Bei sachgerechter Ausübung des Ermessens ist daher ein Weg zur sicheren Unschädlichmachung verdächtigen Gepäcks zu wählen, die die Bewegungs- und Handlungsfreiheit der Passagiere, der Luftfahrtgesellschaften, der Flughafenbetreiber und weiterer Dritter, etwa von Mietern am Flughafen weitgehend schützt54. Daher ist das Ermessen der Luftsicherheitsbehörden eingeschränkt bzw. reduziert. Sie dürfen nicht die nicht erforderliche Behinderung sämtlicher Passagiere in Kauf nehmen, wenn sie eine die Rechte der Passagiere respektierende Unschädlichmachung in einem Entschärferraum vornehmen können. Da diese Räume allein der Aufgabenerfüllung der Luftsicherheitsbehörden dienen, sind deren Kosten als Selbstkosten nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG zu erstatten. b) Die Ansprüche des Flughafenbetreibers auf Kostenerstattung nach BPolG und ZollVG Neben dem Anspruch auf Selbstkostenerstattung im Hinblick auf die den Luftsicherheitsbehörden zu Kontrollzwecken zur Verfügung gestellten Räume und Flächen nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG, stehen den Flughafenbetreibern auf Antrag auch weitere Selbstkostenerstattungsansprüche für an die Bundespolizei und die Zollverwaltung überlassenen Leistungen und Einrichtungen zu. Wie bereits eingangs erläutert, ist der Flughafenbetreiber grundsätzlich verpflichtet, sowohl die Bundespolizei als auch die Bundeszollverwaltung bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Mit Blick auf Passkontrollstellen, Diensträume, Einrichtungen wie Rampen, Lagerräume und -plätze, Brücken, Diensträume, Wiege- und Untersuchungsvorrichtungen sowie Parkplätze für die ___________ 54 Vgl. dazu auch die Urteile des LG Frankfurt, Urt. vom 10.10.2012, Az. 2-4 O 32/12, und des OLG Frankfurt, Urt. vom 12.8.2013, Az. 1 U 276/12, NJW 2013, 3796 f.

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Dienstkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge der Bediensteten sind die Details vor allem in § 62 Abs. 3 Satz 1 BPolG und § 9 Abs. 2 Satz 1 ZollVG geregelt. Diese verpflichten den Flughafenunternehmer, bestimmte55 Einrichtungen der Bundespolizei bzw. der Bundeszollverwaltung zur Verfügung zu stellen und in gutem Zustand zu halten. Für diesen Aufwand erhalten sie nach § 62 Abs. 3 Satz 2 BPolG bzw. § 9 Abs. 2 Satz 2 ZollVG eine Vergütung. Ferner eröffnet § 62 Abs. 4 Satz 1 BPolG der Bundespolizei die Möglichkeit, von dem Flughafenunternehmen „weitere Einrichtungen und Leistungen verlangen, die mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Bundespolizei […] zusammenhängen und die ihnen nach den Umständen zugemutet werden können.“ Für die Bundeszollverwaltung enthält § 9 Abs. 3 Satz 1 ZollVG eine Parallelnorm, welche aber nur von „Leistungen“ spricht. Die hierzu gehörigen Kostenerstattungsansprüche sind in § 62 Abs. 4 Satz 3 BPolG bzw. § 9 Abs. 3 Satz 2 ZollVG geregelt. Die deutliche Parallele zwischen der Struktur in § 62 BPolG und derjenigen in § 9 ZollVG ergibt sich aus der Gesetzeshistorie56: § 9 ZollG (bzw. sein Vorgänger § 76 ZollG57) ist mit über fünfzig Jahren die ältere der beiden Vorschriften. § 76 ZollG wurde später um die bis heute erhalten gebliebene Erstreckung der Unterstützungspflicht auf „Parkplätze für die Dienstkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge der Zollbediensteten“ ergänzt58. § 76 ZollG wurde in den 1990er Jahren in Form von § 9 ZollVG in das neu geschaffene Zollverwaltungsgesetz übernommen59. Die Begrenzung der Erstattungspflicht in Höhe des Marktpreises wurde kurz darauf hinzugefügt60.

___________ 55 Im Detail sind dies für die Bundespolizei nach § 62 Abs. 3 Satz 1 BPolG „die erforderlichen Diensträume sowie Parkplätze für die Dienstkraftfahrzeuge“; für die Zollverwaltung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 ZollVG dagegen „die erforderlichen Einrichtungen, insbesondere Rampen, Lagerräume und -plätze, Brücken, Diensträume, Wiege- und Untersuchungsvorrichtungen, Parkplätze für die Dienstkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge der Zollbediensteten“. 56 Redaktionelle Änderungen werden im Folgenden nicht aufgeführt. 57 Eingeführt durch Zollgesetz vom 14.6.1961 (BGBl. I 1961, S. 737). 58 Vierzehntes Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes vom 3.8.1973 (BGBl. I S. 933). Dies soll ausweislich der Regierungsbegründung jedoch lediglich zur Klarstellung geschehen sein, siehe BT-Drs. 7/293, S. 17. 59 Eingeführt durch Zollverwaltungsgesetz (ZollVG) vom 21.12.1992 (BGBl. I S. 2125; 1993 I S. 2493). 60 Gesetz zur Änderung des Zollverwaltungsgesetzes und anderer Gesetze vom 20.12.1996 (BGBl. I S. 2030).

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Dagegen ist § 62 BPolG (bzw. sein Vorgänger § 33 BGSG61) erst über zehn Jahre später in Kraft getreten. Dabei wurde § 76 ZollG zum Vorbild genommen62. § 33 BGSG wurde aber weniger differenziert ausgestaltet als sein zollrechtliches Pendant. Da in der ursprünglichen Gesetzesfassung umstritten war, ob § 33 BGSG unmittelbar auch für Flughafenunternehmer gilt, erfolgte in einer der späteren Reformen eine entsprechende Klarstellung63. Bei der Reform des Bundesgrenzschutzrechts wurde § 33 BGSG als § 62 BGSG64 (inzwischen: § 62 BPolG65) übernommen und noch stärker als bisher an § 9 ZollVG angepasst, wobei letzterer zwischenzeitlich seinerseits aktualisiert worden war66. Bei den Erstattungsansprüchen nach den §§ 9 Abs. 2 Sätze 2–4, Abs. 3 Satz 2 ZollVG, 62 Abs. 3 Sätze 2, 3 und Abs. 4 Satz 3 BPolG sind die in Bezug genommenen Leistungen weniger umstritten als bei dem Anspruch nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG. Hier sind indes die gesetzlich vorgesehenen Anspruchsbeschränkungen bislang weitgehend ungeklärt, dazu sogleich unter 0. Eine dieser Beschränkungen findet sich auch für den Anspruch nach § 8 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG wieder. 3. Reichweite der Kostenerstattungsansprüche Sämtliche Selbstkostenerstattungsansprüche mit Ausnahme des Anspruchs nach § 62 Abs. 4 Satz 3 BPolG sind dem Wortlaut nach beschränkt67. Die vier übrigen Ansprüche sind von mindestens einer der nachfolgenden Anspruchsbeschränkungen erfasst, deren Inhalt jedoch z.T. unklar ist: hinsichtlich Leistungen, die vom Flughafenbetreiber ohnehin benötigt werden (dazu unten, III.3.a)aa)), im Hinblick auf Aufwand, der über das behördenübliche Maß hinaus geht (dazu unten, III.3.a)bb)), sowie bezüglich Selbstkosten, die über die Höhe des Marktpreises hinaus gehen (dazu unten, III.3.a)cc)). Die Bedeutung sämtlicher dieser Beschränkungen ist bislang nicht hinreichend geklärt.

___________ 61

Bundesgrenzschutzgesetz vom 18.8.1972 (BGBl. I S. 1834). BT-Drs. 6/2886, S. 34 f. 63 Gesetz zur Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit auf den Bundesgrenzschutz vom 23.1.1992 (BGBl I S. 178). s. BT-Drs. 12/1091, S. 9. 64 Eingeführt durch Gesetz zur Neuregelung der Vorschriften über den Bundesgrenzschutz (Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetz – BGSNeuRegG) vom 19.10.1994 (BGBl. I S. 2978, 2979). 65 Das konsolidierte Gesetz wurde inzwischen in Gesetz über die Bundespolizei (Bundespolizeigesetz – BPolG) umbenannt, vgl. oben, Fn. 16. 66 BR-Drs. 418/94, S. 82 f. Vgl. zu noch bestehenden Unterschieden auch oben, Fn. 21. 67 Vgl. hierzu die tabellarische Übersicht oben, bei III.1. 62

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a) Der Ausschluss von ohnehin benötigten Einrichtungen und Leistungen Nach §§ 9 Abs. 2 Satz 2 ZollVG und 62 Abs. 3 Satz 2 BPolG besteht kein Erstattungsanspruch, wenn die der jeweiligen Behörde zur Verfügung gestellten Einrichtungen vom Flughafenunternehmer ohnehin benötigt werden. Zunächst ist festzuhalten, dass dieser Anspruchsausschluss nur im Hinblick auf die beiden genannten Anspruchsgrundlagen gilt und nicht analog auf die übrigen Anspruchsgrundlagen nach § 9 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG, § 9 Abs. 3 Satz 2 ZollVG und § 62 Abs. 4 Satz 3 BPolG anzuwenden ist. Aus der Gesetzessystematik ist erkennbar, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der zuletzt genannten Ansprüche bewusst auf den Anspruchsausschluss verzichtet hat. Der Begriff des ohnehin Benötigten wird allerdings weder in § 62 Abs. 3 Satz 2 BPolG noch in § 9 Abs. 2 Satz 2 ZollVG definiert. Bei der Einführung des § 76 Abs. 2 Abs. 2 ZollG, der Vorgängerregelung zu § 9 Abs. 2 Satz 2 ZollVG wurde der Hintergrund dieser Regelung nicht näher erläutert, jedoch benannte die Regierungsbegründung „eine Gleiswaage, auf der die Eisenbahn alle Güterwagen wegen ihres Ladebetriebs verwiegt“ als Beispiel68. Somit sollte eine Erstattung nur dann verwehrt bleiben, wenn die betreffende Einrichtung genauso auch ohne die diesbezügliche Unterstützungspflicht des Flughafenbetreibers angeschafft worden wäre. Obgleich dieses in der Gesetzesbegründung aufgezeigte Beispiel durchaus deutlich macht, welche Art von Leistungen nicht dem Erstattungsanspruch nach § 9 Abs. 2 Satz 2 ZollVG zugänglich sind, so bleiben doch verschiedene Fragen ungeklärt. So mag es durchaus richtig sein, dass eine Einrichtung, die tatsächlich bereits vorhanden ist und tatsächlich ohnehin benötigt wird, keinen Selbstkostenerstattungsanspruch auslöst. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn die „ohnehin benötigte“ Einrichtung nicht Teil eines Ganzen anderen ist, der in dem Umfang, wie er nun besteht, ohne den Bedarf der Behörden nicht so errichtet worden wäre. Als Beispiel seien hier Parkplätze für Dienstfahrzeuge und Privatfahrzeuge der Behördenmitarbeiter genannt. Hier halten die Flughafenbetreiber üblicherweise aufgrund des zusätzlichen Bedarfs, welcher durch die Kraftfahrzeuge der Behörden und ihrer Bediensteten entsteht, eine über die für den Flughafen selbst notwendige Kapazität an Parkplätzen vor. Diese sind somit nicht „ohnehin benötigt“. Wie an Flughäfen üblich, sind jedoch Parkplätze üblicherweise mit Schrankenanlagen ausgestattet. In diesem Fall sind die Kosten, welche für die Gesamtheit der Parkplätze entstehen, also etwa für Schrankenanlagen, durchaus bei der Bestimmung der Selbstkosten des einzelnen den Behörden zur Verfügung ge___________ 68

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stellten Parkplatzes zu berücksichtigen. Zwar wird die Schrankenanlage natürlich auch gebraucht, wenn entsprechende Parkplätze für die Behörden nicht vorgehalten werden. Nichtsdestoweniger kann hier bei der Berechnung nicht von einem virtuellen Parkplatz ohne Schrankenanlage ausgegangen werden, wenn doch eine solche für sämtliche Parkplätze vorhanden ist. Die Einrichtung Parkplatz in ihrer konkreten Form, wie sie den Behörden zur Verfügung gestellt wird, ist hier nicht „ohnehin benötigt“. Diese am Wortlaut orientierte Auslegung des § 9 Abs. 2 Satz 2 ZollVG bzw. des § 62 Abs. 3 Satz 2 BPolG wird auch durch deren systematische Auslegung unterstrichen. So wäre ohne die Verpflichtung aus § 9 Abs. 2 Satz 1 ZollVG bzw. § 63 Abs. 2 Satz 1 BPolG die Zollverwaltung bzw. die Bundespolizei verpflichtet, eigene Parkplätze zu errichten. Solche Parkplätze bedürften dann am Flughafen freilich gleichermaßen einer Schrankenanlage, da der Parkplatz sonst für jedermann befahrbar wäre. Insoweit müsste auch ein von den Behörden eingerichteter Parkplatz entsprechend ausgestattet sein. Auch die verfassungskonforme Auslegung der §§ 9 Abs. 2 Satz 2 ZollVG und 62 Abs. 3 Satz 2 BPolG spricht für eine entsprechende Auslegung. Dabei ist zunächst zu beachten, dass es sich bei den Regelungen der §§ 9 Abs. 3 Satz 1 ZollVG und 62 Abs. 3 Satz 1 ZollVG um Schrankenbestimmungen des Eigentums des jeweiligen Flughafenbetreibers handelt. Der Flughafenbetreiber ist gezwungen, den Behörden als staatliche Stelle Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, die in seinem Eigentum stehen. Dieser Eingriff bedarf freilich der Rechtfertigung. Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs wäre jedoch äußerst zweifelhaft, wenn eine Selbstkostenerstattung nicht in Bezug auf das real in Anspruch genommene, sondern ein virtuelles Eigentum (eben unter Ausschluss wesentlicher Teile des Eigentums, wie im Beispiel der Schrankenanlage) erfolgte. Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit ist daher unter Einrichtungen und Leistungen im Sinne der §§ 9 Abs. 2 Satz 2 ZollVG, 62 Abs. 3 Satz 2 BPolG, für die keine Selbstkostenerstattung geschuldet wird, nur eine selbständige Einrichtung zu verstehen, nicht jedoch ein Bestandteil einer Gesamteinrichtung, die nur als Ganze verständlich ist – wie etwa die Schranke als Teil eines Parkplatzes. b) Die Begrenzung der Ansprüche auf das Behördenübliche Wie in Bezug auf die Frage des „ohnehin benötigt“-Seins stellt sich den Ansprüchen nach § 62 Abs. 3 Satz 3 BPolG, § 9 Abs. 2 Satz 3 und § 9 Abs. 3 Satz 2 ZollVG auch die Frage, wie weit die Erstattungsbegrenzung für nicht bundespolizei- bzw. zollverwaltungsübliche Aufwände reicht. Eine gerichtliche Klärung ist bisher nicht erfolgt. Zunächst ist auch hier festzuhalten, dass dieser Anspruchsausschluss nur im Hinblick auf die drei genannten Anspruchsgrundlagen gilt und nicht analog auf die übrigen Anspruchsgrundlagen nach § 9 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG und § 62 Abs. 4

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Satz 3 BPolG anzuwenden ist. Der Gesetzgeber hat hier offensichtlich willentlich auf diese Beschränkung verzichtet. Dies wird insbesondere im Hinblick auf § 62 Abs. 4 Satz 3 BPolG deutlich, der sich an § 9 Abs. 3 Satz 2 ZollVG anlehnt, aber auf die Begrenzung auf das Bundespolizeiübliche verzichtet. Die Zollverwaltung behilft sich bislang in Bezug auf das Zollübliche gewöhnlich mit einem Muster-Zollamt und erstattet in Orientierung an dessen Ausstattung keine höheren Selbstkosten. Eine Muster-Bundespolizeistation existiert bislang nicht. Insofern können Vergleiche hier kaum gezogen werden. Indes steht in Frage, ob die Bezugnahme auf solche Muster-Zollämter bzw. Muster-Bundespolizeistationen tatsächlich rechtmäßig ist. Grund für die Begrenzung auf das Zollübliche war bei der Einführung laut der Regierungsbegründung, die Vermeidung der Kostenerstattung für „eine besonders repräsentative Ausstattung des Zollabfertigungsraums eines Flugplatzes“69. Nichtsdestoweniger geht das Abstellen auf ein Muster-Zollamt bzw. auf eine Muster-Bundespolizeistation fehl. Dies ergibt sich bereits daraus, dass etwa die Grundstückskosten an Flughäfen, welche in die Selbstkostenberechnung eingehen, grundsätzlich höher sind, als etwa an Orten, wo ansonsten Bundespolizeistationen bzw. Zollämter eingerichtet werden. Auch ergeben sich höhere Errichtungskosten durch die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen, welche an Flughäfen erforderlich sind. Zum Vergleich sollten daher – wenn überhaupt – nicht irgendwelche willkürlich ausgewählten und etwa an Außengrenzen errichteten Zollämter oder Bundespolizeistationen herangezogen werden. Auch verfügen einzelne Zollämter sowie Bundespolizeistationen verschiedentlich über eine deutlich repräsentative bauliche Gestaltung und gehen insoweit über die Vorgaben solcher Muster hinaus. Da sich die Situation der Zollämter und Bundespolizeistationen an Flughäfen, wie bereits erwähnt, grundsätzlich unterscheidet von der Situation entsprechender Behördenämter etwa in Städten oder an Außengrenzen, erscheint es sinnvoll, nur das als zollunüblich bzw. bundespolizeiunüblich im Sinne der §§ 62 Abs. 2 Satz 3 BPolG und 9 Abs. 2 Satz 3 ZollVG anzusehen, was vom normalen Standard entsprechender Zollämter bzw. Bundespolizeistationen an deutschen Flughäfen abweicht. Der Standard sollte also nicht generell auf sämtliche Bundespolizeistationen und Zollämter gerichtet werden, sondern nur auf solche, welche sich in der gleichen Situation befinden wie die am jeweiligen Flughafen. Um das unter III.3.a)aa) verwandte Beispiel nochmals aufzugreifen: Die Beschrankung von Parkplätzen, welche von Bundespolizei und Zollverwaltung bzw. den Bediensteten genutzt werden, ist an Flughäfen sicherlich üblich. Andernorts mag es hierfür schlichte Tore geben. Unverschlossen dürften entsprechende Parkplätze jedoch in den seltensten Fällen sein. Gerade im Hinblick auf Flughäfen ist jedoch davon auszugehen, dass grundsätzlich nur beschrankte Parkplätze zur Verfügung ___________ 69

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stehen. Insofern können entsprechende Schranken vor Parkplätzen hier nicht von der Kostenerstattung nach § 62 Abs. 3 Satz 2 BPolG bzw. § 9 Abs. 2 Satz 3 ZollVG mit der Begründung ausgenommen werden, diese seien nicht zoll- bzw. bundespolizeiüblich. c) Die Anspruchsbegrenzung auf den Marktpreis Nach § 8 Abs. 3 Satz 4 LuftSiG, sowie § 9 Abs. 2 Satz 4 ZollVG und § 9 Abs. 3 Satz 3 ZollVG ist eine Kostenerstattung nur dann vorzunehmen, soweit die Selbstkostenermittlung einen Wert ergibt, der über dem Marktpreis liegt. Zunächst ist auch hier festzuhalten, dass diese Anspruchsbegrenzung nur im Hinblick auf die drei genannten Anspruchsgrundlagen gilt und nicht analog auf die übrigen Anspruchsgrundlagen nach § 62 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG und § 62 Abs. 4 Satz 3 BPolG anzuwenden ist. Der Gesetzgeber hat hier offensichtlich willentlich auf diese Beschränkung verzichtet. § 62 Abs. 3, 4 BPolG sind deutlich an § 9 Abs. 2, 3 ZollVG angelehnt. Dennoch findet hier keine Begrenzung auf den Marktpreis statt. Für Flughafeneinrichtungen ergibt sich hier durchaus die Schwierigkeit der Bestimmung eines Marktpreises. Dies mag für Diensträume der Bundespolizei bzw. der Zollverwaltung noch angehen. Hier können etwa die im gleichen Gebäude oder in vergleichbaren Gebäuden genutzten Büroräume und deren Mieten als Marktpreis herangezogen werden. Etwas anderes gilt jedoch für die Bereiche, in denen üblicherweise die Kontrollstellen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BPolG zu finden sind. Diese befinden sich sehr häufig in der unmittelbaren Umgebung der Einkaufsbereiche des Flughafens. Dies gilt sowohl für den landseitigen Zugang zur Kontrollstelle als auch für den luftseitigen Ausgang der Kontrollstelle. Hier sind die Mieten meist umsatzbezogen und können leicht dreistellige EUR-Beträge pro Monat erreichen. Insoweit wird der Marktpreis hier fast immer über den errechneten Selbstkosten liegen, weshalb es an sich bei der Erstattung der Selbstkosten bleiben müsste. Insoweit stellt es aber auch ein Entgegenkommen der Flughäfen dar, wenn sie sich bei der Geltendmachung des Selbstkostenanspruchs auf Marktpreise, wie sie etwa für Büroräume genutzt werden, einlassen. Schwierig ist auch der Versuch einer Marktpreisbildung für Einrichtungen, die außer den Behörden niemand benötigt, wie etwa für Nachkontroll- und Entschärferräume. Hier wird man daher eine Beschränkung, etwa auf den Marktpreis von Büroräumen, wegen der extrem kostspieligen Sonderausstattung, tatsächlich nicht vornehmen können. Zu erstatten wird hier grundsätzlich tatsächlich der nach der VO/PR Nr. 30/52 zu errechnende Selbstkostenpreis sein.

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Eine weitere Schwierigkeit der Begrenzung des Erstattungsanspruchs auf den Marktpreis stellt die Tatsache dar, dass sie dazu führt, dass die Kosten bei Investition des Flughafenbetreibers, etwa bei der Neugestaltung von Sicherheitsbereichen, nicht an die Luftsicherheitsbehörden weitergegeben werden können, wenn das Bestehen eines Marktpreises, der unter dem Selbstkostenpreis liegt, Erstattungsgrundlage ist. In sämtlichen Fällen, wo der Marktpreis unter den tatsächlichen Selbstkosten nach der VO/PR Nr. 30/52 liegt, folgt daraus, dass weitere Investitionen des Flughafenbetreibers in die Infrastruktur der Kontrollstellen nicht an die Luftsicherheitsbehörden weitergegeben werden können. Wenn also aufgrund einer neuen Generation von Luftsicherheitsgeräten wesentliche Investitionen in die Verkabelung, Datenverkabelung oder generell die Erweiterung der Räumlichkeiten für die Kontrolle anstehen, so gehen diese bei Erstattung zu Marktpreisen stets zu Lasten des Flughafenbetreibers. Dies kann bei den Luftsicherheitsbehörden zu Sorglosigkeit im Umgang mit den Ressourcen des Flughafenbetreibers führen. Die Kosten hat die Luftsicherheitsbehörde in diesem Fall ja ohnehin nicht zu tragen. Umso mehr können die Luftsicherheitsbehörden hier versucht sein, stets weitergehende Anforderungen zu stellen. Insoweit führt die gegenwärtige Regelung zu falschen Anreizen. Dies spricht dafür, auch und gerade hinsichtlich der Kontrollstellen ausschließlich die tatsächlichen Selbstkosten als anrechnungsfähig anzusehen. Wie bereits zuvor erläutert, ist eine Marktpreisbildung für entsprechende Kontrollstellen ohnehin kaum möglich. Den Flughäfen ist daher anzuraten, sich nicht auf entsprechende Marktpreise für Kontrollstellen einzulassen. Jedenfalls sollten sie darauf drängen, dass im Falle der Notwendigkeit weiterer Investitionen diese auf den angenommenen Marktpreis aufgeschlagen werden.

IV. Fazit Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Einrichtung von Kontroll- und Sicherheitsbereichen an Flughäfen nur in seltenen Fällen Einfluss auf ein Planfeststellungsverfahren haben kann. Hinsichtlich möglicher Baugenehmigungsverfahren spielen diese Bereiche dagegen eine größere Rolle. Bei der Planung stellen die Kosten der zur Gewährleistung der Luftsicherheit erforderlichen Einrichtungen und die Kostenverteilung zwischen den Behörden und den Flughäfen eine wesentliche Rolle. Die diesbezüglichen Kostenerstattungsregelungen in LuftSiG, BPolG und ZollVG sind keineswegs so eindeutig, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Insbesondere sind neben den ausdrücklich gesetzlich geregelten Kostenerstattungen für bestimmte Einrichtungen und Leistungen häufig weitere Einrichtungen und Leistungen erforderlich, hinsicht-

Wer zahlt für die Luftsicherheit am Flughafen?

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lich derer die genannten Normen bislang keine eigenständigen Regelungen enthalten. Zur Vermeidung unberechtigter Eingriffe in das Eigentum der Flughafenbetreiber und im Rahmen einer Abwägung aufgrund des Rücksichtnahmegebotes, welches zwischen den Trägern der Luftsicherheit zu gelten hat, werden die Kosten vieler dieser Einrichtungen durch die Behörden, meist nach § 62 Abs. 4 Satz 3 BPolG bzw. § 9 Abs. 3 Satz 2 ZollVG zu erstatten sein.

Wirbelschleppen im Flughafenbereich Von Martin Schröder1

I. Das physikalische Phänomen der Wirbelschleppen Die Tragflächen der Flugzeuge sind so geformt, dass bei der Anströmung von vorne an der Oberseite Unterdruck und an der Unterseite Überdruck entsteht. Diese Druckdifferenz erzeugt den Auftrieb, der die Flugzeuge am Himmel hält2.

Quelle: http://www.vision-ing21.de/downloads/solarflugzeug.pdf

Der tiefste Druck findet sich etwa in der Mitte der Flügeloberseite, so dass sich der Luftstrom auf der Flügeloberseite von der Flügelspitze in Richtung des Rumpfes bewegt. Der relative Höchstdruck findet sich in der Nähe der Mitte der Flügelunterseite, so dass die Luft dort zum Ausgleich des Druckes vom Rumpf in Richtung Flügelspitze strömt3. An den Rändern der Tragflächen endet auch die physikalische Barriere zwischen Über- und Unterdruck. Der Druckausgleich transportiert die Luft um den Randbogen herum nach oben. Die Vorwärtsbewegung des Flugzeugs verdreht den an sich halbkreisförmigen Bogen zu einem Wirbel4. Dies geschieht an beiden Tragflächen. Auf diese Weise entstehen als ___________ 1 Der Autor ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Messerschmidt, Dr. Niedermeier und Partner PartmbB in München. 2 DFS, www. dfs. de /dfs_homepage /de / Flugsicherung /GlossarFlugsicherung/ W/, Stand: 23.10.2014. 3 fsm, Flugsicherungsmitteilungen 3/83, www.lba.de/SharedDocs/Downloads/SB1/S B13/Publikationen/FSM/FSM_83_03.html, Stand: 15.07.2013, S. 2. 4 DFS, www. dfs. de / dfs_homepage / de/ Flugsicherung/GlossarFlugsicherung/W/, Stand: 23.10.2014.

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unvermeidbare Konsequenz des Auftriebs die sogenannten Wirbelschleppen: gegensinnig rotierende, langlebige Wirbel, die jedes fliegende Luftfahrzeug hinter seinen Tragflächen erzeugt5.

Quelle: Flugsicherheitsmitteilungen (fsm) 3/83, Braunschweig6

Die Kraft der Wirbelschleppen ist bei großen Flugzeugen enorm. Sie haben genau die Energie, die das Flugzeug benötigt, um den erforderlichen Auftrieb zu erhalten7. Wesentlich für die Stärke einer Wirbelschleppe ist daher das Gewicht eines Flugzeugs. Je schwerer es ist, desto mehr Auftrieb muss es erzeugen und umso stärker ist die Intensität der Wirbel. Maßgeblich für die Stärke der Wirbelschleppen sind außerdem die Spannweite und die Geschwindigkeit des Flugzeugs. Je größer die Spannweite und je schneller das Flugzeug, desto schwächer der Wirbel8. ___________ 5 Gerz/Holzäpfel, Allgemein verständliche Beschreibung des Phänomens Wirbelschleppen hinter Verkehrsflugzeugen, http://www.dlr.de/dlr/Portaldata/1/Resources/documents/2013/Wirbelschleppen_–_eine_Einfuehrung.pdf, Stand: 23.10.2014, S. 1. 6 fsm, Flugsicherungsmitteilungen 3/83, www.lba.de/SharedDocs/Downloads/SB1/S B13/Publikationen/FSM/FSM_83_03.html, Stand: 15.07.2013, S. 2. 7 Gerz, in: Welt der Physik: Wirbelschleppen, www.weltderphyik.de/gebiete/fluide/Wirbelschleppen/, Stand: 03.03.2014. 8 Gerz/Holzäpfel, http://www.dlr.de/dlr/Portaldata/1/Resources/documents/2013/Wirbelschleppen_–_eine_Einfuehrung.pdf, Stand: 23.10.2014, S. 2.

Wirbelschleppen im Flughafenbereich

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Im Zentrum des Wirbels ist die Windgeschwindigkeit null, doch herrscht dort ein Unterdruck, der den Unterdruck bei weitem übersteigen kann, der durch das schnelle Überströmen z.B. eines Daches erzeugt wird9. Die Windgeschwindigkeit nimmt nach außen bis zum sog. Kernradius zu. Außerhalb des Kernradius nimmt die Windgeschwindigkeit wieder ab. Der linke Wirbel eines fliegenden Flugzeugs rotiert im Uhrzeigersinn, der rechte gegen den Uhrzeigersinn. Jeder Wirbel erfährt also durch seinen Nachbarwirbel eine nach unten gerichtete Geschwindigkeit, weshalb die Wirbelschleppen in der Regel durch eigenen Antrieb nach unten sinken. Seitenwinde können zur Verdriftung der Wirbelschleppen führen10. Die Lebensdauer der Wirbel beträgt bei günstigen Bedingungen etwa 3 Minuten. Sie hängt insbesondere von der Turbulenz der Atmosphäre und von der Temperaturverteilung der umgebenden Luft ab11. Wirbelschleppen können bis zu 350 m, im Einzelfall auch noch weiter unter das erzeugende Flugzeug mit schadensgeeigneter Intensität absinken12. Im Mittel sinken die Wirbel bis etwa den halben Abstand ihrer Wirbelzentren zum Boden und laufen dann seitlich weg (Bodeneffekt). Teile von Wirbelschleppen können auch tiefer absinken und die Dächer von eingeschossigen Gebäuden und den Boden erreichen13.

II. Wirbelschleppen als Gefahr für Flugzeuge Der Einflug eines Flugzeugs in die Wirbelschleppe eines vorausfliegenden Flugzeugs kann sehr gefährlich sein. Je größer das Luftfahrzeug, umso größer und gefährlicher ist auch sein Wirbel für nachfolgende Luftfahrzeuge. ___________ 9 Gerz/Holzäpfel, Planfeststellungsverfahren 3. Start- und Landebahn, Gutachten zum Gefährdungspotenzial durch Wirbelschleppen an der 3. Start- und Landebahn des Flughafens München, Juli 2007, http://www.muc-ausbau.de/media/downloads/pfv/16_WCA_ Gutachten.pdf, S. 8, 13. 10 Gerz/Holzäpfel, http://www.dlr.de/dlr/Portaldata/1/Resources/documents/2013/Wi rbelschleppen_–_eine_Einfuehrung.pdf, Stand: 23.10.2014, S. 1. 11 Gerz/Holzäpfel, http://www.dlr.de/dlr/Portaldata/1/Resources/documents/2013/Wi rbelschleppen_–_eine_Einfuehrung.pdf, Stand: 23.10.2014, S. 3; Gerz/Holzäpfel, Planfeststellungsverfahren 3. Start- und Landebahn, Gutachten zum Gefährdungspotenzial durch Wirbelschleppen an der 3. Start- und Landebahn des Flughafens München, Juli 2007, http://www.muc-ausbau.de/media/downloads/pfv/16_WCA_Gutachten.pdf, S. 8. 12 Gerz/Holzäpfel, Gutachten über Wirbelschleppen im Zusammenhang mit Schadensmeldungen bei Anflügen auf die Landebahnen 07R, 07C, 07L und 25R des Flughafens Frankfurt Main, Nov. 2013, nicht veröffentlicht, Anhang S. 2, 3, 8, 9, 11, 13, 15, 16,17, 18, 19, 20. 13 Gerz/Holzäpfel, http://www.dlr.de/dlr/Portaldata/1/Resources/documents/2013/Wi rbelschleppen_–_eine_Einfuehrung.pdf, Stand: 23.10.2014, S. 3.

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Ein viel zitiertes Beispiel ist der American-Airlines-Flug 587, durchgeführt mit einem Airbus A300, der nach dem Start von John F. Kennedy International Airport am 12.11.2001 im New Yorker Stadtbezirk Queens abstürzte, nachdem er in die Wirbelschleppe einer zuvor gestarteten Boeing 747 eingeflogen war (265 Todesopfer)14. Bis in die späten 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren die Wirbelschleppen als natürliches Nebenprodukt des motorgetriebenen Luftverkehrs allerdings nicht als ernst zu nehmendes Risiko erkannt worden. Dies änderte sich erst mit der Entwicklung großer Flugzeugmuster (Erstflug der B747: 09.02.196915)16. Heute wird die Gefahr, die von den Wirbelschleppen vorausfliegender, großer Flugzeuge für nachfolgende Flugzeuge ausgeht, sehr ernst genommen. Das Durchfliegen einer Wirbelschleppe ist nach A. 7. lit. c) der Anlage 6 LuftVO (zu § 5b LuftVO) ein meldepflichtiges Ereignis. Das Phänomen der Wirbelschleppen limitiert vor allem die Landekapazität von Flughäfen, denn alle Flugzeuge müssen am Ende den gleichen Flugweg in zeitlich sehr engen Abschnitten befliegen. Außerdem können Wirbelschleppen zusätzlich zu der bereits existierenden Sinkrate einen Auftriebsverlust und damit eine zu schnelle Annäherung an den Boden verursachen17. Zur Minimierung der Wirbelschleppengefahr schreibt die ICAO Mindestabstände zwischen landenden Flugzeugen vor, die von den Massen der beteiligten Flugzeuge abhängen:

___________ 14

NTSB, Aircraft Accident Report, In-Flight Separation of Vertical Stabilizer American Airlines Flight 587 Airbus Industrie A300-605R, N14053 Belle Harbor, New York, November 12, 2001, http://www.ntsb.gov/doclib/reports/2004/AAR0404.pdf, S. 1 ff. Als konkrete Ursache für den Absturz erkennt die NTSB (a.a.O., S. 160) allerdings, dass der Erste Offizier des Airbus bei seinem Versuch, die durch die Wirbelschleppe der vorausfliegenden B747-400 ausgelöste Rollbewegung seines Flugzeugs zu korrigieren, die Belastungsgrenzen des Seitenruders überschritten hat. 15 wikipedia.org/wiki/Boeing_747, Stand: 26.10.2014. 16 FAA, Pilot and Air Traffic Controller Guide to Wake Turbulence, Section 2, www.faa.gov/training_testing/tranining/media/wake/04SEC2.PDF, Stand: 04.05.2014, S. 2.3. 17 Kulwatz, Beiträge zur Bestimmung der Flugzeugreaktion beim Einflug in Wirbelschleppen sehr großer Transportflugzeuge, Dissertation, Berlin 2010, Seite 11.

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III. Wirbelschleppen als Gefahr für die Flughafenumgebung 1. Wirbelschleppenbedingte Gefahr für die öffentliche Sicherheit Trifft eine absinkende Wirbelschleppe in der Flughafenumgebung auf ein kleinteilig gedecktes Dach, kann es zum Abwurf von Dachziegeln oder -steinen kommen. Gefährdet sind auch andere Gegenstände (z.B. Markisen, Sonnenschirme und ähnliches) sowie Verkehrsteilnehmer (z.B. Motorrad- und Fahrradfahrer). Die durch Wirbelschleppen an Hausdächern verursachten Schäden werden weltweit an sehr vielen Flughäfen beobachtet18 und sind z.B. in der Umgebung des Flughafens Frankfurt eine bekannte Erscheinung (v.a. in Flörsheim am Main und Raunheim). Dennoch werden die Schäden, die von Wirbelschleppen in der Umgebung von Flughäfen an bodengebundenen Gütern verursacht werden, in der Bundesrepublik nicht systematisch erfasst oder ausgewertet. Der Einsatz zunehmend größeren Fluggeräts und das Heranrücken von Landebahnen an bebaute Gebiete verleihen dem Problem der Wirbelschleppenschäden in der Umgebung von Großflughäfen wachsende Bedeutung. Als Beispiel sei die Landebahn Nordwest (07L/25R) des Flughafens Frankfurt genannt, deren westlicher Aufsetzpunkt auf ca. 5.000m an die nächstgelegene Wohnbebauung der Stadt Flörsheim am Main heranrückt. Seit diese Runway am 21.10.2011 in Betrieb genommen worden ist, haben sich im Verlauf ihrer Anfluggrundlinie bei Ostbetrieb (Betriebsrichtung 07) in Flörsheim am Main zahlreiche Wirbelschleppenschäden ereignet. Die Schäden sind z.T. erheblich. So wurden am 05.04.2013 durch die Wirbelschleppe einer auf die RWY 07L anfliegenden B 777 (Überflughöhe ca. 270m) ca. 4m2 der Dacheindeckung eines Hauses abgeworfen. Das betroffene Gebäude steht in dicht bebauter städtischer Wohnlage grenzständig am Gehweg einer Straße. Die Dachziegel fielen auf Gehweg und Fahrspur. Außergewöhnliche meteorologische oder sonstige Umstände lagen weder bei dem skizzierten Ereignis am 05.04.2013 noch bei anderen in Flörsheim und Raunheim bekannt gewordenen Wirbelschleppenschäden vor, so dass es nicht verwundert, dass Wirbelschleppenschäden in den Ortslagen dieser Städte stetig auftreten. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof stufte die Folgen der Wirbelschleppen am Flughafen Frankfurt in seinen Eilentscheidungen vom 29.07.2013 – soweit ersichtlich erstmals – als Gefahr ein: ___________ 18 Gerz/Holzäpfel, Gutachten über Wirbelschleppen im Zusammenhang mit Schadensmeldungen bei Anflügen auf die Landebahnen 07R, 07C, 07L und 25R des Flughafens Frankfurt Main, Nov. 2013, nicht veröffentlicht, S. 8.

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„Entgegen der Ansicht der Beigeladenen und des Antragsgegners ist auch von einer grundsätzlichen Gefahr für Leben und Gesundheit von Personen auszugehen, auch wenn diese geringer sein dürfte, als die Gefahr für die Hausdächer und damit das Eigentum an Hausgrundstücken. Jedenfalls vermag der Senat nicht auszuschließen, dass letztlich Personen durch herabfallende Ziegel getroffen werden können.“ 19

Diese Bewertung verdient Zustimmung, denn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit liegt vor, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für ein geschütztes Rechtsgut eintritt20. An die Eintrittswahrscheinlichkeit sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je gravierender der drohende Schaden ist21. Nach dem dargestellten Sachverhalt führen die Wirbelschleppen am Flughafen Frankfurt nicht nur regelmäßig zur Sachbeschädigung. Sie bedrohen vielmehr Leben und Gesundheit von Menschen, sodass keine hohe Schadenseintrittswahrscheinlich prognostiziert werden muss, um das Vorliegen einer Gefahr zu bejahen. 2. Mängel der herkömmlichen Maßnahmen gegen die wirbelschleppenbedingte Gefahr für die öffentliche Sicherheit Die jüngsten Planfeststellungsbeschlüsse für die deutschen Großflughäfen verfügen zur Lösung des Wirbelschleppenproblems in der Flughafenumgebung die Verpflichtung des Vorhabenträgers zur Tragung der Kosten für die Sicherung v.a. von Dächern (Dachklammerung, Schneefanggitter) in näher bestimmten Gebieten sowie zusätzlich die Verpflichtung zur Tragung der Kosten für die Reparatur von Wirbelschleppenschäden22. Diese Maßnahmen sind jedoch zur Gefahrenabwehr nicht geeignet, wenn der Betrieb eines Flughafens – wie am Flughafen Frankfurt – zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit führt. Die Flughafenbetreiber werden zwar dazu verpflichtet, die Kosten für die Sicherung von Gebäuden (Dachklammerung, Schneefanggitter) zu tragen. Die Entscheidung darüber, ob die Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden, liegt aber grundsätzlich bei den Eigentümern der betroffenen ___________ 19 HessVGH, Beschl. vom 29.7.2013, 9 B 1362/13.T, juris, Rn. 34, ebenso Beschl. vom 29.7.2013, 9 B 1363/13.T, juris, Rn. 32. 20 Unbestritten, vgl. nur BVerwG, Urt. vom 26.6.1970, IV C 99.67, NJW 1970, 1890; BVerwG, Urt. vom 13.12.1967, IV C 146.65, BVerwGE 28, 310 (315 f.); BVerwG Urt. vom 28.3.2012, 6 C 12/11, NJW 2012, 2676. 21 BVerwG Urt. vom 31.5.2012, 3 A 1/11, NVwZ-RR 2012, 787 (788). 22 Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg, Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld vom 13.8.2004, Teil A, Ziff. 7.5 (Seite 112); Regierung von Oberbayern, Planfeststellungsbeschluss für den Verkehrsflughafen München, 3. Start- und Landebahn, vom 5.7.2011, Teil A. VIII.2.2.1 und 2.2.4 (Seiten 153, 154); Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Verkehrsflughafens Frankfurt am Main vom 18.12.2007, Teil A. Ziff. XI 2.3 (Seite 130) i.d.F. der Planergänzungsbeschlüsse vom 10.5.2013 und vom 26.5.2014.

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Häuser, die durch diese Anordnungen nicht verpflichtet werden, die Dächer ihrer Gebäude gegen Beschädigungen durch Wirbelschleppen zu sichern. Allerdings wäre eine Verpflichtung der Flughafenanrainer zur Sicherung der Dächer ihrer Gebäude gegen Beschädigung durch Wirbelschleppen auch nicht leicht zu begründen. So gewähren etwa § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 LuftVG der Luftaufsichtsbehörde keine Befugnis, gegenüber den von der Wirbelschleppengefahr betroffenen Hauseigentümern als am Luftverkehr unbeteiligten Dritten Duldungsanordnungen zu erlassen. Zwar können danach die Luftfahrtbehörden in Ausübung ihrer Aufgabe, Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt abzuwehren, Verfügungen auch gegenüber Dritten erlassen. Voraussetzung dazu ist aber, dass die derart in Anspruch genommenen rechtlich verpflichtet sind, gegenüber den am Luftverkehr Beteiligten (wie etwa einem Flugplatzbetreiber) Rücksicht auf dessen Interessen zu nehmen. Die Hauseigentümer in der Flughafenumgebung sind jedoch im Hinblick auf die Wirbelschleppengefahr weder kraft Gesetzes noch kraft der zitierten Planfeststellungsbeschlüsse zur Rücksichtnahme auf den Luftverkehr verpflichtet23. Eine Inanspruchnahme der Grundstückseigentümer in der Flughafenumgebung ergibt sich auch nicht, wenn Grundsätze aus dem allgemeinen Ordnungsrecht herangezogen werden, etwa der Generalklausel des Hessischen Sicherheitsund Ordnungsgesetzes – HSOG – oder aus § 9 HSOG als Inanspruchnahme von Nichtstörern. Nach §§ 6 oder 7 HSOG Verantwortliche sind hier in erster Linie die Luftfahrzeugführer und in zweiter Linie der Flughafenbetreiber als Handlungsstörer. Eine Inanspruchnahme der Hauseigentümer kommt deshalb nur als Nichtstörer und damit unter den engen Voraussetzungen des § 9 HSOG in Betracht, der wegen seines Ausnahmecharakters eng auszulegen ist. Nach § 9 Abs. 1 HSOG können die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden Maßnahmen gegen andere Personen als Nichtstörer richten, wenn 

eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwehren ist,



Maßnahmen gegen die nach §§ 6 oder 7 HSOG Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen,



die Gefahrenabwehr- oder die Polizeibehörden die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch beauftragte Dritte abwehren und



die Personen ohne erhebliche eigene Gefährdung und ohne Verletzung höherwertiger Pflichten

___________ 23 HessVGH, Beschl. vom 29.7.2013, 9 B 1362/13.T, juris, Rn. 39; Beschl. vom 29.7.2013, 9 B 1363/13.T, juris, Rn. 37.

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in Anspruch genommen werden können24. Die Inanspruchnahme der Hauseigentümer in der Flughafenumgebung dürfte nach dem allgemeinen Ordnungsrecht regelmäßig ausscheiden, weil Maßnahmen gegen den Flughafenbetreiber oder gegen die Luftfahrzeugführer regelmäßig erfolgversprechend sein sollten. Auch Anordnungen nach den bauordnungsrechtlichen Gefahrenabwehrnormen bei bestandsgeschützten Gebäuden (z.B. § 53 Abs. 3 der Hessischen Bauordnung) dürften nicht möglich sein, denn die Hauseigentümer sind nach dem Bauordnungsrecht ebenfalls als Nichtstörer anzusehen, weil die Wirbelschleppengefahr nicht von den Gebäuden, sondern von den überfliegenden Luftfahrzeugen verursacht wird25. Nach den auch hier anwendbaren ordnungsrechtlichen Grundsätzen könnten sie nur dann in Anspruch genommen werden, wenn Maßnahmen gegen Handlungs- oder Zustandsstörer nicht geeignet sind, die Gefahr abzuwehren. 3. Erforderliche Behandlung der wirbelschleppenbedingten Gefahr für die öffentliche Sicherheit in der Abwägung über Anlage und Betrieb einer Landebahn Die Wirbelschleppengefahr muss – anders als bisher üblich – als Gefahr für Leben, Gesundheit und Eigentum der im Landeanflug in Höhen bis 350m überflogenen Flughafenanrainer erkannt, sorgfältig prognostiziert und bereits in der Abwägung über den Standort von Landebahnen ernst genommen werden (Gefahrenabwehr durch räumliche Trennung). Lässt sich der Konflikt, den die Wirbelschleppen des Landebetriebs auslösen, durch räumliche Trennung nicht lösen, ist über betriebliche Maßnahmen nachzudenken. Stehen mehrere Landebahnen zur Verfügung, wäre etwa eine Betriebsregelung möglich, wonach die wirbelschleppenträchtigen Luftfahrzeuge nur diejenigen Landebahnen nutzen dürfen, die die größte Überflughöhe über besiedeltem Gebiet zulassen. Womöglich lässt sich zusätzliche Anflughöhe dadurch gewinnen, dass Landeschwellen versetzt werden, vorausgesetzt, die Länge der vorhandenen Piste lässt ein solches Vorgehen zu. Auch ein Verbot von Überflügen schwerer Flugzeuge kommt in Betracht.

___________ 24 HessVGH, Beschl. vom 29.7.2013, 9 B 1362/13.T, juris, Rn. 40 ff.; Beschl. vom 29.7.2013, 9 B 1363/13.T, juris, Rn. 38 ff. 25 Anders ist der Fall zu beurteilen, in dem ein Dach baufällig ist, so dass die Dachelemente sich bereits unter dem Einfluss von Wirbelschleppen lösen, die lediglich Unterdrücke und Windgeschwindigkeiten verursachen, die auch bei starken, natürlichen Böen vorkommen.

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IV. Rücknahme der richterlichen Kontrolldichte hinsichtlich der Wirbelschleppengefahr Nach Auffassung des BVerwG26 und des HessVGH27 obliegt die Analyse der Sicherheitslage vorrangig der Planfeststellungsbehörde, die eigenverantwortlich zu bestimmen hat, welcher Sicherheitsstandard angemessen ist, um im Einzelfall Sicherheitsrisiken möglichst auszuschließen. Die gerichtliche Kontrolle von Sicherheitsanalysen, so die zitierten Urteile, folge den Grundsätzen, die für die Überprüfung fachplanerischer Prognosen gelten. Sie erstrecke sich darauf, ob die Prognose auf der Grundlage fachwissenschaftlicher Maßstäbe methodengerecht erstellt worden sei und sei nur dann fehlerhaft, wenn sie hiervon abweiche oder auf willkürlichen Annahmen oder offensichtlichen Unrichtigkeiten beruhe, in sich widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht nachvollziehbar sei. Diese Rechtsauffassung, die der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsbehörde auch bei der Befassung mit dem Wirbelschleppenproblem einen erheblichen, gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraum für die Risikoabschätzung zubilligt, überzeugt nicht. Unter Verletzung der Verfassungsgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG entzieht sie eine wesentliche Verwaltungsentscheidung der Kontrolle durch den Tatrichter. Sie steht auch im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und v.a. des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts, die einen administrativen Funktionsvorbehalt bei der Risikoabschätzung im Atom- und Gentechnikrecht deshalb anerkannt haben, weil § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG28 und § 11 Abs. 1 Nr. 4 GenTG29 auf den Stand von Wissenschaft und Technik und damit auf die anspruchsvollste der technischen Rezeptionsklauseln abstellen. Eine Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde auf den Stand von Wissenschaft und Technik sucht man im Luftverkehrsgesetz vergeblich. Die Auffassung, auch bei der in der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung anzustellenden Sicherheitsanalyse komme der Planfeststellungsbehörde ein Funktionsvorbehalt zu, findet im Gesetz damit keinen Rückhalt. Weder das LuftVG noch eine andere Vorschrift ermächtigt die luftverkehrsrechtliche Planfeststellungsbehörde, abschließend und ohne richterliche Kontrolle das Ausmaß des Risikos festzulegen, ___________ 26 BVerwG, Urt. vom 16.3.2006, 4 A 1075/04, juris, Rn. 243 (BBI – zum Unfallrisiko für benachbarte Siedlungsgebiete). 27 Der soeben zitierten Entscheidung des BVerwG nahezu ad verbum folgend für die Wirbelschleppengefahr HessVGH, Beschl. vom 29.7.2013, 9 B 1362/13.T, juris, Rn. 27; Beschl. vom 29.7.2013, 9 B 1363/13.T, juris, Rn. 25. 28 BVerfG, Beschl. vom 8.8.1978, 1 BvL 8/77 (Kalkar), juris, Rn. 112 f.; BVerwG, Urt. vom 19.12.1985, 7 C 65/82 (Whyl), juris, Ls. 4, Rn. 37 f.; Urt. vom 14.1.1998, 11 C 11/96, juris, Rn. 78; Urt. vom 22.3.2012, 7 C 1/11, juris, Rn. 25. 29 BVerwG, Beschl. vom 15.4.1999, 7 B 278/98, juris, Rn. 7 (zu § 13 Abs. 1 Nr. 3, 4 GenTG a.F., die § 11 Abs. 1 Nr. 3, 4 GenTG des geltenden GenTG entsprechen).

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das die Umgebung aus dem Betrieb eines Flughafens hinzunehmen hat. Auch ein Grundsatz, demzufolge Verwaltungsprognosen als solche gerichtlich nur begrenzt überprüfbar wären, existiert nicht30. Zu bedenken ist außerdem, dass die Grundsätze zur Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle fachplanerischer Prognosen für die bei jeder Fachplanung anzustellenden Bedarfsprognosen entwickelt worden sind. Eine fehlerhafte, von dem Verwaltungsgericht kaum geprüfte Bedarfsprognose führt jedoch lediglich zu einem wirtschaftlichen Schaden bei dem Vorhabenträger und seinen Zuschussgebern, denn in diesem Fall wird ein Vorhaben errichtet, das insgesamt oder jedenfalls in dem errichteten Umfang nicht erforderlich ist. Eine fehlerhafte Sicherheitsanalyse dagegen führt zu einer Gefährdung von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG). Solange der Gesetzgeber den Planungsbehörden nicht klar die Ermächtigung zur Letztentscheidung eingeräumt hat, müssen Sicherheitsanalysen – wie eine Wirbelschleppenprognose – im Luftverkehrsrecht deshalb der vollen richterlichen Kontrolle unterliegen.

___________ 30 Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Losebl., Stand Mai 2013, Art. 19 Abs. 4, Rn. 198.

Die gerichtliche Kontrolle von UVP-Fehlern Von Monika Böhm

I. Einleitung In seiner Altrip-Entscheidung hat der EuGH am 7. November 2013 neue Maßstäbe für die Geltendmachung von Verfahrensfehlern gesetzt.1 In der Folge ist der Gesetzgeber gefordert und auch die Rechtsprechung des BVerwG wird jedenfalls zum Teil modifiziert werden müssen. Von den Grundstrukturen her lässt sich die Entscheidung des EuGH jedoch gut in das deutsche Recht integrieren.

II. Der Fall Altrip Überschwemmungen insbesondere an Elbe und Oder haben die Notwendigkeit des Hochwasserschutzes durch Erweiterung von Retentionsräumen deutlich gemacht. In Rheinland-Pfalz wurde deshalb u.a. ein Planfeststellungsbeschluss für eine ca. 327 ha große Rückhaltefläche für Hochwasser des Rheins getroffen. Geklagt hatte dagegen u.a. die Gemeinde Altrip. Betroffen waren ca. 12 % ihrer Gemeindefläche. Bei einer Flutung des Retentionsraumes wäre Altrip weitgehend vom Wasser umgeben, im gefluteten Polder würde das Wasser teilweise meterhoch über dem Ortsniveau stehen, im Ernstfall wäre ggfs. eine Evakuierung nur über eine Straße möglich.2 Die Kläger, neben der Gemeinde Altrip noch zwei Eigentümer bzw. Pächter von im vorgesehenen Überschwemmungsgebiet gelegenen Grundstücken, rügten ___________ 1 EuGH, Urt. vom 7.11.2013, C-72/12 (Gemeinde Altrip/Gebrüder Hört GbR/Willi Schneider gegen Land Rheinland Pfalz), DVBl. 2013, 1597 ff.; ergangen auf Vorlageentscheidung des BVerwG vom 10.1.2012, NVwZ 2012, 448. 2 Zum Sachverhalt s. Stüer/Stüer, DVBl. 2013, 1601, 1602; s. im Übrigen OVG Koblenz, Urt. vom 12.2.2009, Az. 1 A10722/08.OVG: Planfeststellungsbeschluss, keine umfassende Planprüfung (naturschutzrechtliche Mängel, Defizite bei der Umweltverträglichkeitsprüfung, Verletzung artenschutzrechtlicher Vorschriften). S. auch Anmerkung Meitz, ZUR 2014, 40, 41.

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eine Reihe von Verfahrensmängeln, hatten damit aber weder vor dem VG Neustadt3 noch vor dem OVG Koblenz Erfolg. Die Klage wurde unter Hinweis darauf abgewiesen, dass das Zulassungsverfahren bereits vor Inkrafttreten des UmwRG begonnen worden sei. Im Übrigen wurde bezweifelt, dass die geltend gemachten Verfahrensfehler beachtlich gewesen wären.4 Das BVerwG setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH drei Vorlagefragen vor. Im Kern ging es dabei um die Auslegung des Art. 10a der UVP RL 85/337 in der Fassung der Richtlinie 2003/35. Die maßgeblichen Passagen der Vorschrift lauten:5 „Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die … Zugang zu einem Überprüfungsverfahren ... haben, um die materiell rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, …“

Fraglich war insbesondere, ob folgende Teile von § 4 Abs. 1 UmwRG6 mit diesen Vorschriften vereinbar sind: (1) Die Aufhebung einer Entscheidung … kann verlangt werden, wenn eine … 1. erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder 2. erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt worden und nicht nachgeholt worden ist. …

Im Einzelnen fragte das BVerwG nach: Frage 1: Dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit des Art. 10a7: Sollte der Zeitpunkt der Genehmigung oder derjenige der Einleitung des Verfahrens maßgeblich sein? Der EuGH entschied im letzteren Sinne, maßgeblich war der 25.06.2005. Zu diesem Zeitpunkt war das Planfeststellungsverfahren im Fall Altrip schon in Gang gesetzt, aber noch nicht abgeschlossen worden. Frage 2: Dem Anwendungsbereich der Richtlinie. Nach dem EuGH ist diese nicht nur anwendbar bei unterbliebener, sondern auch bei fehlerhafter UVP.8 Die Regelung des § 4 Abs. 1 UmwRG griff demnach zu kurz. Frage 3: Können der Richtlinie kumulative Voraussetzungen in dem Sinn entnommen werden, dass nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit ___________ 3

VG Neustadt, Urt. vom 13.12.2007, Az. 4 K 1219/06. OVG Koblenz, Urt. vom 12.2.2009, Az. 1 A 10722/08.OVG. 5 Die Vorschrift findet sich nun wortgleich in Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011. 6 Betroffen waren im Übrigen die Regelungen der § 2 I, III UVPG, §§ 1, 4 und 5 UmwRG, § 61 VwGO. 7 EuGH, Altrip, Rz. 31. 8 EuGH, Altrip, Rz. 36 ff. 4

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bestehen muss, dass die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre und dass durch den Verfahrensfehler zudem zugleich eine dem Kläger zustehende materielle Rechtsposition betroffen ist?9 Diese Frage beantwortete der EuGH nur zum Teil, eine Beschränkung allein bei Auswirkungen des Fehlers auf das Ergebnis ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Zum Betroffen sein einer materiellen Rechtsposition fehlten dem EuGH genauere Ausführungen des BVerwG. Bevor im Einzelnen auf die Berücksichtigung von UVP-Verfahrensfehlern vor und nach der Altrip-Entscheidung eingegangen wird, werden kurz die Grundsätze der Umsetzung von EU-Recht in den Mitgliedstaaten dargestellt sowie – vor dem Hintergrund einer Kohärenz der Rechtsprechung des EuGH – die Grundzüge der Verfahrensfehlerlehre im Rahmen der unionseigenen Verwaltung.

III. Die Umsetzung von EU-Recht in den Mitgliedstaaten 1. Grundsätze Grundsätzlich ist das europäische Recht von den Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihrer eigenen Verfahrensordnungen durchzusetzen. Es gilt der Grundsatz der Verfahrensautonomie. Den Vorgaben des Europarechts muss aber Genüge getan werden. Zu beachten sind das Äquivalenzprinzip und der Effektivitätsgrundsatz (effet utile).10 Bezogen auf Verfahrensfehler bedeutet dies, dass die Kriterien bei europarelevanten Sachverhalten nicht ungünstiger sein dürfen als bei solchen nationaler Art. Außerdem darf die Ausübung unionsrechtlich verliehener Rechte nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden. In Deutschland hat dies beispielsweise Einfluss gehabt auf die Rechtsprechung zur Rücknahme europarechtswidriger Verwaltungsakte. Die Regelung des § 48 VwVfG ist insoweit in mehrfacher Hinsicht in modifizierter Form anzuwenden.11 Einflüsse gibt es auch bei der Klagebefugnis.12 Die Altrip-Entscheidung wirft nun ein Schlaglicht auf die Behandlung von Verfahrensfehlern. Nimmt man die deutsche Entwicklung der letzten Jahrzehnte unabhängig von Besonderheiten bei der UVP ins Visier, so lassen sich grob zwei ___________ 9

EuGH, Altrip, Rz. 40 ff. EuGH NVwZ 2013, 347, 352, Rn. 85; EuGH NJW 2012, 2715, 2718, Rn. 48. s. a. EuGH, Altrip, Rz. 45 unter Verweis auf EuGH, BUND, Rz. 43. 11 s. nur Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 48 Rn. 8 m.w.Nachw. 12 s. nur EuGH ZUR 2008, 418 f.; BVerwG NVwZ 2014, 64, 65, Rn. 18. 10

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Entwicklungslinien benennen. Zum einen wurde insbesondere in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Figur des prozeduralen Grundrechtsschutzes entwickelt und damit der Bedeutung von Verfahrensregelungen für die Einbringung und Geltendmachung von Rechten Rechnung getragen.13 Zum anderen lässt sich eine deutliche Tendenz erkennen, den Rechtsschutz gegen Verfahrensfehler insbesondere zur Gewährleistung von Planungs- und Investitionssicherheit immer enger zu begrenzen. Als Beispiel sei insoweit nur auf die Vorschriften des BauGB zum Planerhalt verwiesen, bei denen schon der Name die Zielrichtung deutlich werden lässt.14 Lässt sich das europäische Recht in diesen Rahmen angemessen einpassen? Darauf wird zurückzukommen sein. Zuvor allerdings noch ein kurzer Blick auf das europäische Verwaltungsfehlerrecht, das im Sinne der Kohärenz auch für die Maßstäbe relevant ist, die für das Recht der Mitgliedstaaten gelten. 2. Grundzüge einer europäischen Verfahrensfehlerlehre Spricht man von einer europäischen Verwaltungsverfahrensfehlerlehre, so betrifft diese zunächst einmal die europäische Ebene selbst. Betroffen sind insbesondere die Entscheidungen der Kommission, beispielsweise bei der Zuerkennung von europäischen Subventionen.15 Formelle Fehler und damit gerade auch Verfahrensfehler können im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV geltend gemacht werden. Solange sie keinen Einfluss auf das Verfahrensergebnis haben, sind diese Fehler nach der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich unbeachtlich.16 Bei gebundenen Entscheidungen ist dies regelmäßig der Fall.17

___________ 13 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl., 2011, Vor Art. 1 Rn. 11 f.; BVerfGE 65, 76, 94; 69, 315, 355. 14 Vgl. §§ 214 ff. BauBG. 15 s. etwa EuGH Rs. 234/84, 1986, 2263, 2289, Rn. 30 – Belgien/Kommission; Rs. 259/85, Slg. 1987, 4393, 4415, Rn. 13 – Frankreich/Kommission; weitere Nachw. bei v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 391 Fn. 493. 16 Vgl. v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 391 f. mit zahlreichen Nachw. aus der Rspr. des EuGH. 17 Grundlegend EuGH, Rs. 117/81, Slg. 1983, 2191, 2207 Rn. 7.

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Da es bislang keine geschriebene allgemeine EU-Verfahrensordnung gibt und auch in Spezialbereichen des Sekundärrechts Regelungen nur zum Teil vorhanden sind,18 greift als Maßstab regelmäßig der vom EuGH entwickelte ungeschriebene Grundsatz der Unbeachtlichkeit.19 Aufhebbar sind Entscheidungen danach regelmäßig erst dann, wenn der Fehler sich nachteilig auf den Adressaten der Maßnahme ausgewirkt haben kann.20 Bedeutung kommt dem nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere dann zu, wenn der entscheidenden europäischen Behörde ein Beurteilungsspielraum zusteht. Der deutsche Richter am EuGH Thomas v. Danwitz begründet dies mit dem Bestreben auf europäischer Ebene, die großzügige Gewährung von Beurteilungsspielräumen durch die Stärkung von Verfahrensrechten der Beteiligten und auch anderer Behörden auszugleichen.21 Dem europäischen Recht liegt nämlich die Vorstellung zu Grunde, dass Beteiligungsrechte maßgeblicher Faktor für die Sachrichtigkeit von Entscheidungen sind. Die Rechtsprechung zu den Fehlerfolgen ist von einer differenzierten Kasuistik geprägt, eine zusammenfassende Ordnung wird als sinnvoll erachtet.22 Im Ergebnis wird man hier feststellen können, dass sich die europäische und die deutsche Ebene möglicherweise in ihren Grundstrukturen gar nicht besonders stark unterscheiden. Sicherlich hat die Einräumung von Verfahrensrechten in Deutschland durch das Sekundärrecht der Union stark zugenommen. Einen wirklichen Wertungswiderspruch gibt es insoweit aber nicht. Schon lange vor Verabschiedung der UVP-Richtlinie hat der (Grund-)Rechtsschutz durch Verfahren insbesondere im Umweltrecht eine besondere Rolle gespielt. Als Beleg mag insoweit nur die Rechtsprechung des BVerfG zur Betroffenenbeteiligung im BImSchG bzw. Atomrecht dienen.23 Ob auf der fachgerichtlichen Ebene diesem Gesichtspunkt hinreichend Rechnung getragen wurde, mag dagegen durchaus Zweifeln unterliegen.24 Um die Sachrichtigkeit einer behördlichen Entscheidung ___________ 18 Eine Regelung fand sich beispielsweise in Art. 46 und 53 der VO/EG Nr. 1239/95; aufgehoben am 13.10.2009 durch Verordnung (EG) Nr. 874/2009 der Kommission vom 17. September 2009 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates im Hinblick auf das Verfahren vor dem Gemeinschaftlichen Sortenamt. 19 EuGH, Urt. vom 21.9.2006, Rs. C-167/04 P, Slg. 2006, I-8935, 8994, Rn. 64. 20 Grundlegend EuGH, Urt. vom 15.7.1970, Rs. 41/69, Slg. 1970, 661, 690, Rn. 48/52; v. Danwitz, S. 392, Fn. 498. 21 v. Danwitz, a.a.O., S. 394 m.w.Nachw. aus der Rspr. des EuGH. 22 v. Danwitz, a.a.O., S. 394. Ebenso Guckelberger/Geber, Allgemeines Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht vor seiner unionsrechtlichen Kodifizierung?, 2013, S. 213. 23 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl., 2011, Vor Art. 1 Rn. 11 f.; BVerfGE 65, 76, 94; 69, 315, 355. 24 Kritisch insoweit z.B. Breuer, Entwicklung des Rechtsschutzes im Umweltrecht, in: Fs. für Michael Kloepfer, 2013, 315, 329 ff.

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zu verbessern, gab es ebenfalls in vielen Bereichen schon lange eine erweiterte Öffentlichkeitsbeteiligung.25

IV. UVP-Fehler vor der Altrip-Entscheidung 1. Grundstrukturen der UVP Die 1985 erfolgte Einführung der UVP durch eine inzwischen mehrfach geänderte Richtlinie26 belegt die Verfahrensorientierung des europäischen Rechts in besonderer Weise. Die Richtlinie umfasst Vorgaben für enumerativ aufgezählte Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren,27 um im Sinne einer wirksamen Umweltvorsorge Auswirkungen von bestimmten Vorhaben auf Umwelt und Gesundheit frühzeitig und umfassend zu ermitteln, zu beschreiben und zu bewerten. Die Ergebnisse der durchgeführten Prüfungen sind bei allen behördlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben so früh wie möglich zu berücksichtigen.28 Unmittelbare Rechtsfolgen legen die Richtlinie und ihr folgend das deutsche UVP-Gesetz nicht fest. Eine sog. Nulloption, also die Unzulässigkeit bestimmter Maßnahmen als Ergebnis der UVP, konnte im Entstehungsprozess nicht durchgesetzt werden.29 Neu war an der UVP für Deutschland – wie dargelegt – nicht der Verfahrensschutz an sich, wohl aber seine von den materiellen Strukturen zunächst einmal unabhängige Stellung. Es wurde deshalb vor der Umsetzung der UVP-Richtlinie in Deutschland auch diskutiert, ob überhaupt ein eigenes Gesetz ___________ 25

Ziekow, Gutachten: Neue Formen der Bürgerbeteiligung? Planung und Zulassung von Projekten in der parlamentarischen Demokratie, 69. Deutscher Juristentag, München 2012, http: //www.djt.de/fileadmin/downloads/69/djt_69_Oeffentliches-Recht_120312.p df (26.2.2014). 26 Richtlinie 85/337/EWG des Rates (ABl. L 175 vom 5.7.1985, S. 40); Richtlinie 97/11/EG des Rates (ABl. L 73 vom 14.3.1997, S. 5); Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 156 vom 25.6.2003, S. 17); Richtlinie 2009/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 140 vom 5.6.2009, S. 114); Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 26 vom 28.1.2012); Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 63 Rn. 16, m.w.Nachw. Siehe zur Entwicklung etwa Kment, in: Hoppe, UVPG, 3. Aufl., 2007, Vorb. Rn. 1 ff.; Peters/Balla, UVPG, 3. Aufl., 2006, Einleitung Rn. 3 f. 27 Ursprünglich konnten eine Reihe von Verfahren nach Maßgabe von Art. 4 II i.V.m. Anhang 2 der Ursprungsrichtlinie 85/337/EWG, AblEG 1985 Nr. L 175, S. 40 zunächst durch die Mitgliedstaaten einer Vorprüfung zur Notwendigkeit einer UVP unterworfen werden. Vgl. dazu Kokott/Sobotta, NVwZ-Beilage 2013, 48, 50 f. m.w.Nachw. 28 Zur Zwecksetzung vgl. auch § 1 UVPG. 29 Peters/Balla, UVPG, 3. Aufl., 2006, Einleitung Rn. 15.

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nötig sei oder aber eine Ergänzung der schon bestehenden Verfahrensvorschriften in den einzelnen Fachgesetzen ausreiche.30 Schließlich wurde ein eigenständiges UVP-Gesetz erlassen und die UVP als unselbständiger Bestandteil in die jeweiligen verwaltungsbehördlichen Zulassungsverfahren integriert.31 Maßgeblich ist insoweit das jeweilige Fachrecht.32 Rechtsschutz gegen UVP-Fehler kann in der Folge in Deutschland bislang grundsätzlich nur indirekt erlangt werden, nämlich im Rahmen von Rechtsmitteln gegen die Entscheidung, in die die UVP integriert wurde. In der Rechtsprechung wurde insoweit auf § 46 VwVfG abgestellt.33 Verfahrensfehler sind nach dieser Norm nur dann beachtlich, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung ohne Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre.34 Eine Aufhebung kommt dagegen dann nicht in Betracht, wenn offensichtlich ist, dass der Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Eine gerichtliche Geltendmachung setzt dabei jeweils voraus, dass möglicherweise subjektive Rechte verletzt sind. Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn die verletzten Verfahrensvorschriften gerade der Sicherung materieller Rechte dienen.35 Inwieweit aus dem UVP-Verfahren Drittschutz abgeleitet werden kann und ob Entscheidungen bereits allein wegen eines Verfahrensfehlers aufzuheben sind, war dabei bislang umstritten.36 In der Literatur wurde das Vorliegen von subjektiven Rechten bejaht,37 von der Rechtsprechung des BVerwG38 dagegen abgelehnt. 2. Modifikation durch Umweltrechtsbehelfsgesetz Im Zuge der Umsetzung der von der Aarhus-Konvention geforderten verbesserten Überprüfung umweltrechtlicher Entscheidungen wurde die UVP-Richtlinie 85/337 durch die Richtlinie 2003/35/EG ergänzt durch einen neuen ___________ 30

Kment, in: Hoppe, UVPG, 3. Aufl., 2007, Vorb. Rn. 34 ff. s. § 2 Abs. 1 UVPG, dort finden sich auch Vorgaben zum Untersuchungsumfang. 32 Vgl. nur Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 63 Rn. 19. 33 Vgl. nur BVerwG, NVwZ 2008, 563, 566 f.; NVwZ 2009, 459, 463. Dagegen Gassner, NVwZ 2008, 1203, 1204 f. m.w.Nachw. 34 s. nur BVerwGE 100, 238, 253. 35 Kritisch zur deutschen Rechtsprechung zu den sog. relativen Verfahrensfehlern Schlacke, NVwZ 2014, 11, 15 m.w.Nachw. 36 Zum Meinungsstand s. Kopp/Ramsauer, VwVfG, a.a.O., § 64 Rn. 31. 37 Vgl. Gärditz, NVwZ 2014, 1, 2 f. m.w.Nachw.; Ziekow, NVwZ 2007, 259, 264; kritisch zum deutschen Modell der Verfahrenskontrolle auch Burgi, DVBl. 2011, 1317, 1321. 38 Vgl. nur BVerwG NVwZ-RR 1999, 429, 430. 31

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Art. 10a.39 In Deutschland wurde vor diesem Hintergrund das UmwRG erlassen.40 Für Fehler bei der Anwendung von Verfahrensvorschriften legte das Gesetz in § 4 Abs. 1 fest, dass eine Aufhebung einer Entscheidung über ein UVP-pflichtiges Vorhaben nur dann verlangt werden kann, wenn entweder eine UVP oder eine erforderliche Vorprüfung im Einzelfall nicht durchgeführt worden und auch nicht nachgeholt worden ist. Schon im Gesetzgebungsverfahren war die Vorschrift umstritten. Unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des BVerwG41 versuchte der Bundesrat ursprünglich eine vollständige Streichung der Regelung zu erreichen, die in der Fassung des Regierungsentwurfs übrigens neben den genannten Regelungen auch die Verletzung anderer wesentlicher Verfahrensvorschriften als Aufhebungsgrund vorsah.42 Der Bundesrat war der Auffassung, dass die Regelung über das europarechtlich zwingend gebotene hinausgehe und die Regelung ohnehin nicht im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes liege. Außerdem befürchtete er Verzögerungen bei wichtigen Planungs- und Investitionsentscheidungen. Die Bundesregierung ging demgegenüber davon aus, dass die Vorschrift europarechtlich zwingend vorgegeben sei.43 Der Referentenentwurf vom 21.02.2005 sah deshalb in nicht abschließender Weise insbesondere auch die unterlassene Vorlage der entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens, die fehlende Behördenbeteiligung bzw. Öffentlichkeitsbeteiligung sowohl auf nationaler Ebene als auch grenzüberschreitend als maßgebliche Fehler an.44 Verabschiedet wurde letztlich eine modifizierte Fassung mit den oben genannten Beschränkungen. In der Lit. hielten dies viele für eine unzureichende Umsetzung der Richtlinie.45 ___________ 39 Schon zuvor war allerdings der EuGH grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Verletzung von UVP-Vorgaben klagbar sein muss, vgl. EuGH vom 7.1.2004, C 201-02. Rz. 54 ff. 40 Entwurf eines Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz), BR-Drs. 552/06, S. 7 ff. 41 BVerwGE 100, 238 ff. 42 BR-Drs. 552/06, S. 5. 43 Vgl. BT-Drs. 16/2931, S. 8. Verwiesen wurde auf Art. 10a der Richtlinie, außerdem auf das Urteil des EuGH vom 7.1.2004, Rs C-201/02, Delenna Wells gegen Vereinigtes Königreich. 44 Zum Referentenentwurf vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 69. Ergänzungslieferung, 2013, § 4 Rn. 5. 45 s. nur Kment, in: Hoppe, UVPG, Vorb. Rn. 77; Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2013, § 4 UmwRG Rn. 44 ff.

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Im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz ging gleichwohl der Verfahrensschutz nun über § 46 VwVfG hinaus.46 Soweit die Fälle des § 4 Abs. 1 UmwRG betroffen waren, kam es also nicht mehr darauf an, ob die Entscheidung in der Sache durch den Fehler beeinflusst wurde oder nicht. Vorbehaltlich einer Heilung47 führte deshalb jeder Verstoß gegen § 4 Abs. 1 UmwRG zu einer Aufhebung der Genehmigungsentscheidung. Für andere UVPFehler blieb § 46 VwVfG dagegen maßgeblich.48 In der Literatur wurden weitere Vorschriften als generell drittschützend angesehen.49 Insbesondere wurde § 12 UVPG drittschützende Wirkung zugesprochen, da die darin festgeschriebene Bewertung und Berücksichtigung jedenfalls insoweit unmittelbar auf die Entscheidungsfindung einwirke, als die zugrundeliegenden materiellen Bewertungsmaßstäbe subjektiven Rechtsschutz vermittelten.50 Das BVerwG hielt jedoch an seiner ständigen Rspr.51 fest, dass eine Klagebefugnis bei Verfahrensfehlern nur dann besteht, wenn zugleich die Verletzung einer materiellen Rechtsposition droht. Selbst nach Inkrafttreten des UmwRG sollte dies weiterhin auch für UVP-Fehler gelten.52 Den diesbezüglichen Verfahrensanforderungen wurden nur dienende Funktionen zugeschrieben, um materielle Rechte und Belange besser durchsetzen zu können, ein eigenständiger drittschützender Charakter wurde dagegen abgelehnt.53 Auch durch § 4 Abs. 1 UmwRG werde den dort genannten Verfahrenserfordernissen aus sich heraus keine drittschützende Wirkung zugesprochen.54 ___________ 46 Vgl. dazu nur Balensiefen, Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, § 4 Rn. 1 unter Verweis auf die Begründung des Regierungsentwurfs, BR-Drs. 552/06, S. 25. 47 Ggfs. auf Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 3 1. HS UmwRG i.V.m. § 45 Abs. 2 VwVfG. 48 Vgl. dazu nur BVerwG, NVwZ 2012, 448 Rn. 31 f.; Ziekow, NVwZ 2007, 259, 264; Ogorek, NVwZ 2010, 401, 402; Schlacke, in: Gärditz, VwGO, § 4 UmwRG Rn. 14 ff. Weitere Nachw. zum Meinungsstand finden sich bei Fellenberg/Schiller, a.a.O., § 4 Rn. 31. S. außerdem Balensiefen, Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, 1. Aufl. 2013, § 4 Rn. 3. 49 Vgl. nur Ziekow, NVwZ 2007, 259, 261. Zur Frage, ob dabei zwischen Umweltverbänden und sonst. Beteiligten zu differenzieren ist s. nur OVG Lüneburg, NuR 2009, 58, 60 und Fellenberg/Schiller, a.a.O., § 4 Rn. 48. 50 s. Scheidler, NVwZ 2005, 863, 864 f. Vgl. im Übrigen zum Ganzen Wulfhorst, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 69. Ergänzungslieferung, 2013, § 12 Rn. 56 f. 51 Grundlegend BVerwGE 61, 257, 275. 52 BVerwG, Urt. vom 20.12.2011 – 9 A 30/10, Rdnr. 19 ff. 53 Für die Zeit vor Inkrafttreten des UmwRG s. nur BVerwG NVwZ-RR 1999, 429, 430. S. auch Fellenberg/Schiller, a.a.O., § 4 Rn. 46 m.w.Nachw. 54 BVerwG, Urt. vom 20.12.2011 – 9 A 30/10, Rn. 21 a. E. Ebenso Spieth/Appel, NuR 2009, 312, 315. Keine unionsrechtlichen Bedenken gegen diese Rspr. sehen auch Fellenberg/Schiller, a.a.O., § 4 Rn. 48 f. m.w.Nachw.

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Nach der Altrip-Entscheidung müssen diese Grundstrukturen nun angepasst werden. Die Gewährleistungen des Art. 10a der UVP-Richtlinie erfordern insoweit eine Erweiterung. Diese lässt sich allerdings durch eine europarechtskonforme Auslegung insbesondere des § 46 VwVfG in das deutsche Recht integrieren.55

V. UVP-Fehler nach der Altrip-Entscheidung 1. Maßgeblicher Zeitpunkt Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des EuGH sind neue Rechtsnormen zwar nicht auf bereits entstandene, endgültig erworbene Rechtpositionen anwendbar, wohl aber auf deren künftige Wirkungen sowie auf neue Rechtspositionen.56 Dies gilt insbesondere für Verfahren, deren Durchführung einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt.57 Es war vor diesem Hintergrund nicht überraschend, dass der EuGH die Einleitung des Verfahrens als maßgeblich für die zeitliche Anwendbarkeit des Art. 10a ansah. Es wird davon ausgegangen, dass wegen Ablauf der Rechtmittelfristen die praktische Bedeutung des Urteils insoweit allerdings gering bleiben wird.58 2. Geltendmachung von Verfahrensfehlern Grundsätzlich muss nun in UVP-Verfahren zwar jeder Verfahrensfehler geltend gemacht werden können.59 Die Regelung des § 4 Abs. 1 UmwRG mit ihrer Beschränkung auf unterbliebene Umweltverträglichkeits- bzw. Vorprüfungen muss deshalb geändert werden. Bei der Neuregelung kann aber berücksichtigt werden, dass der Geltendmachung von Verfahrensfehlern für den konkreten Einzelfall vom EuGH auch wichtige Grenzen gesetzt werden.

___________ 55 s. a. Gärditz, NVwZ 2014, 1, 2 ff., der zu Recht davon ausgeht, dass die Rspr. des BVerwG zur Unanwendbarkeit der Norm auf absolute Verfahrensfehler (s. nur BVerwGE 105, 348, 353 f. = NVwZ 1998, 395, 398) aufgegeben werden muss. 56 Vgl. nur EuGH, 6.7.2010, C-428/08, Musanto, Rn. 66, zum Ganzen auch Berkemann, DVBl. 2010, 1403, 1405. 57 Zur Rspr. bzgl. der UVP s. die Nachw. bei Meitz, ZUR 2014, 40, 41 f.; EuGH, Urt. vom 15.1.2013, Rs. C-416/10 – Krizan u. a., Rn. 95. 58 Meitz, ZUR 2014, 40, 41 f. 59 EuGH, Altrip, Rz. 48.

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Das Altrip-Urteil des EuGH knüpft zunächst einmal an die Entscheidung Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland vom 12.5.201160 an. Schon darin wurde zwar festgestellt, dass es mangels unionsrechtlicher Vorschriften Aufgabe jedes Mitgliedstaats sei, Verfahrensmodalitäten von Rechtsbehelfen zu klären und dass diesen ein beträchtlicher Spielraum zu komme bei der Bestimmung dessen, was als Rechtsverletzung anzusehen ist.61 Damit sollten die Gründe, auf die ein Rechtsbehelf gestützt werden kann, nach dem EuGH allerdings in keiner Weise beschränkt werden. Ausdrücklich stellt der EuGH insoweit in der Altrip-Entscheidung fest: „Jedenfalls wollte er (gemeint ist der Unionsgesetzgeber) die Möglichkeit, einen Verfahrensfehler geltend zu machen, nicht an die Voraussetzung knüpfen, dass dieser Fehler Auswirkungen auf den Inhalt der angegriffenen endgültigen Entscheidung hatte.“62

3. Einschränkungen Auf der anderen Seite wollte der EuGH jedoch nicht wegen jedes denkbaren Verfahrensfehlers eine Aufhebung der Behördenentscheidung ermöglichen. In der Praxis hätte dies wichtige Vorhaben- und Planungsentscheidungen verzögert, vielleicht sogar unmöglich gemacht. Es wäre im Sinne der Kohärenz auch kaum mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Verfahrensfehlern auf europäischer Ebene zu vereinbaren gewesen. Vielmehr hält es der Gerichtshof für zulässig, dass nach dem nationalen Recht eine Rechtsverletzung i.S.d. Art. 10a Buchst. b nicht vorliegt, wenn im konkreten Einzelfall auch ohne den geltend gemachten Verfahrensfehler die angegriffene Entscheidung nicht anders ausgefallen wäre.63 Insoweit geht die Altrip-E über die BUND-E hinaus.64 Die Rechtsprechung des BVerwG, wonach Fehler nur dann bedeutsam sind, wenn sie sich auf die Sachentscheidung ausgewirkt haben,65 wird damit jedenfalls vom Grundsatz her anerkannt.66 Europarechtlich ist es also grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass nach nationalem Recht eine ___________ 60 EuGH, Bund für Naturschutz Deutschland, Landesverband Nordrhein-Westfalen, C-115/09, insbes. Rn. 37 ff. 61 EuGH Altrip, Rz. 50 unter Verweis auf EuGH, BUND, Rn. 55. 62 EuGH, Altrip, Rz. 47. 63 EuGH, Altrip, Rz. 51. 64 Stüer/Stüer, DVBl. 2013, 1601, 1603 m.w.Nachw. verweisen insoweit darauf, dass mit der Altrip-Entscheidung eine Linie fortgeschrieben werde, die der EuGH bereits für den Sonderfall der FFH-Verträglichkeitsprüfung entwickelt habe. 65 Grundlegend BVerwGE 100, 238, 251 f. Zum Kausalitätserfordernis weitere Hinweise zur eigenen Rechtsprechung in EuGH, Altrip, Rz. 36 ff. 66 Stüer/Stüer, DVBl. 2013, 1601, 1602 f.

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Rechtsverletzung nur dann vorliegt, wenn ein Verfahrensfehler sich auch im Ergebnis auf den Inhalt einer Entscheidung auswirkt.67 4. Beweislastumkehr Allerdings erfährt dieser Grundsatz sogleich wieder eine Einschränkung, indem letztlich eine Beweislastumkehr verlangt wird. Der EuGH moniert nämlich, dass in Deutschland der Rechtsbehelfsführer eine Rechtsverletzung belegen muss, indem er nachzuweisen hat, dass nach den Umständen des Einzelfalls eine Entscheidung ohne den Verfahrensfehler möglicherweise anders ausgefallen wäre. Die Auferlegung der Beweislast aber kann danach die Ausübung von durch die RL 85/337 zugestandenen Rechten wegen der Komplexität von UVP-Verfahren und ihrem weitgehend technischen Charakter übermäßig erschweren.68 Deshalb darf dem Beschwerdeführer nach der Altrip-Entscheidung des EuGH in keiner Form eine Beweislast auferlegt werden. Eine Rechtsverletzung i.S.d. Art. 10a kann demnach nur dann verneint werden, wenn das Gericht oder die zur Entscheidung zuständige Stelle allein auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen feststellen kann, dass die angegriffene Entscheidung ohne den geltend gemachten Verfahrensfehler nicht anders ausgefallen wäre. Knüpft man insoweit an die Rechtsprechung zur EU-Eigenverwaltung an, so wird man dies grundsätzlich jedenfalls bei gebundenen Entscheidungen unterstellen können. Anders sieht es dagegen aus, wenn Ermessens- oder Beurteilungsspielräume der Verwaltung bestehen. Auch bei Abwägungsentscheidungen wird man inhaltliche Konsequenzen von Verfahrensfehlern regelmäßig nicht ausschließen können. Ob dabei allerdings im Ergebnis große Differenzen zwischen europäischen und deutschen Recht bestehen, erscheint zweifelhaft. Bei großen Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren soll gerade die prozedurale Ausgestaltung auch nach deutschem Verständnis sicherstellen, dass ein angemessener Ausgleich stattfindet zwischen verschiedenen Belangen und Interessen. Formelle Fehler führen deshalb u.a. regelmäßig auch zur Fehlerhaftigkeit von Abwägungsergebnissen.69 Anknüpfen lässt sich im Übrigen an die Lehre von den sog. absoluten Verfahrensfehlern. Dabei handelt es sich um Verstöße gegen Verfahrensnormen, die ___________ 67

EuGH, Altrip, Rz. 49 ff. EuGH, Altrip, Rz. 52 ff. 69 Vgl. dazu Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 5. Aufl. 2013, Rn. 813 f. m.w.Nachw. Vgl. auch §§ 214 ff. BauGB. Die Rügefrist des § 215 Abs. 1 BauGB gilt nicht für Mängel im Abwägungsergebnis. Diese können unbefristet geltend gemacht werden, nach Ablauf der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO allerdings nur noch inzident im Rahmen von Individualklagen, s. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 110 EL 2013, § 215 Rn. 25 m.w.Nachw. 68

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bestimmten Beteiligten zum Schutz ihrer eigenen Interessen eingeräumt werden oder aber zum Schutz allgemeiner Interessen, wie dies beispielsweise bei der Anerkennung besonderer Mitwirkungsrechte von Naturschutzverbänden der Fall ist. Nach dem deutschen Recht ist in diesen Fällen § 46 VwVfG nicht anwendbar.70 Derartige besondere Schutzfunktionen kommen aber auch dem UVP-Verfahren zu.71 Zu berücksichtigen sind nach der Altrip-Entscheidung im Übrigen zum einen die Schwere des Fehlers und zum anderen das Betroffen sein von den durch die Richtlinie 84/337 geschaffenen Garantien für die betroffene Öffentlichkeit zum Zugang zu Informationen und zur Beteiligung am Entscheidungsprozess. Welche Verfahrensfehler müssen in diesem Rahmen nun überprüft werden können? Anknüpfen kann man an in der deutschen Literatur bereits angesprochene Fehler72 

bei der Bekanntmachung zu Beginn des Beteiligungsverfahrens (§ 9 UVPG), bei der Auslegung der Unterlagen zur Einsicht für die Öffentlichkeit (§ 9 Abs. 1b UVPG), bei der öffentlichen Bekanntmachung der Zulassungsentscheidung (§ 9 Abs. 2 UVPG), bei der zusammenfassenden Darstellung der Umweltauswirkungen (§ 11 UVPG), bei der Unterlassung einer Vorprüfung (§ 3a UVPG) sowie bei deren unzureichender Dokumentation (§ 3c UVPG).

    

Auf den ersten Blick sind insoweit die Unterschiede beispielsweise zur Beachtlichkeit von Fehlern bei der Bauleitplanung nicht sehr groß.73 Bei der erforderlichen Neufassung des UmwRG sollte allerdings eine zu enge Festschreibung auf die Verletzung bestimmter Verfahrensfehler vermieden werden. Denkbar wäre etwa eine Beschränkung auf die Geltendmachung wesentlicher Verfahrensfehler, ggf. ergänzt mit einigen Regelbeispielen. Auf diese Weise könnte jedenfalls jederzeit eine europarechtliche Auslegung sowie die Integration der Rechtsprechung des EuGH sichergestellt werden. Es hätte außerdem den Vorteil, dass unmittelbar an die Rspr. zur Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 2 AEUV bei wesentlichen Verfahrensfehlern von EU-Rechtsakten angeknüpft ___________ 70

Vgl. zum Ganzen Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl., 2012, § 46 Rn. 18 m.w.Nach. BVerwG, Urt. vom 24.1.2011, 9 A 23/10, Rn. 17 f.; Kment, NVwZ 2007, 274, 275 f. 72 Aufzählung nach Fellenberg/Schiller, a.a.O., § 4 Rn. 32.; vgl. auch Schlacke, NVwZ 2014, 11, 14. 73 Vgl. §§ 214 f. BauGB. 71

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werden könnte. Danach werden anknüpfend an den Effektivitätsgrundsatz Beweiserleichterungen als erforderlich angesehen, wenn nach dem Unionsrecht Berechtigte in Beweisnot sind.74 In der Praxis werden aber offenbar Klagen häufig als unbegründet zurückgewiesen, wenn die Tatsachen nicht fundiert dargelegt wurden.75 5. Beeinträchtigung einer materiellen Rechtsposition Abschließend greift der EuGH noch das Kriterium der Beeinträchtigung einer materiellen Rechtsposition des Beschwerdeführers auf. Das BVerwG hatte in der Vorlagefrage 3 auch danach gefragt, ob eine Aufhebung nur dann in Betracht komme, wenn durch den Verfahrensfehler zugleich eine dem Kläger zustehende Rechtsposition betroffen ist. Nähere Ausführungen dazu fehlen jedoch. Der EuGH stellte deshalb darauf ab, er könne den Gründen der Vorlageentscheidung nicht entnehmen, ob die Prüfung des Kriteriums für die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits zweckdienlich wäre.76 Insoweit bestehe kein Anlass zur Äußerung. Die Frage nach dem Zusammenhang von Verfahrensfehlern und materiellen Rechten bleibt also offen. Greifen Verfahrensfehler nur durch, wenn auch eine materielle Rechtsposition betroffen ist? Stellt ein beachtlicher Verfahrensfehler zugleich einen Eingriff in eine materielle Rechtsposition dar? So hat die deutsche Generalanwältin Juliane Kokott die Fragen auf der letzten Jahrestagung der GfU formuliert.77 Sie hat dabei auch darauf hingewiesen, dass eine Beantwortung insoweit eine sehr viel deutlichere Darstellung der deutschen Rechtslage und Dogmatik sowie der daraus resultierenden Fragestellung durch das BVerwG vorausgesetzt hätte. Sollte das Gericht im Ausgangsrechtsstreit nun der Auffassung sein, dass zwar ein Verfahrensfehler vorliege, der auch die Verwaltungsentscheidung inhaltlich beeinflusse, aber damit keine materielle Rechtsposition der Kläger beeinträchtigt sei, so sei es zweifelhaft, ob die Klage aus diesem Grund ohne erneute Anrufung des EuGH abgewiesen werden könnte. Diese Aussage lässt sich auch auf den Wortlaut des Art. 10a stützen, der davon spricht, dass die materiellrechtliche und die verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit ___________ 74 Nachw. bei Micklitz/Rott, Verbraucherschutz, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, 34. Ergänzungslieferung 2013, Rn. 671. 75 Schroeder/Sild, EuZW 2013, 12, 13 m.w.Nachw. zur Kontrolldichte im EU-Beihilferecht. 76 EuGH, Altrip, Rz. 55 f. 77 In diesem Sinne Kokott/Sobotta, DVBl. 2014, 132, 134. Zur Problematik s. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Pedro Cruz Villalón vom 20. Juni 2013 im AltripVerfahren, Rn. 84 ff.; außerdem die Stellungnahme der EU-Kommission vom 26.4.2013 im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, Nr. 2007/4267.

Die gerichtliche Kontrolle von UVP-Fehlern

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von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen angefochten werden können muss, soweit die Bestimmungen der Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung reichen. Es kann hier aber regelmäßig Überschneidungen geben. Gerade dies aber ist bei der UVP grundsätzlich der Fall, da in ihrem Rahmen auch unmittelbare wie mittelbare Auswirkungen nicht nur auf Umweltgüter sondern auch auf die menschliche Gesundheit zu berücksichtigen sind. Dass der europäische Schutz insoweit mitunter weitergeht, als dies nach deutschem Verständnis der Fall ist, hat u.a. die Entscheidung des EuGH zu Aktionsplänen bei der Luftreinhaltung deutlich gemacht.78 6. Rechtsschutz Fragt man danach, ob Verfahrensfehler nur durchgreifen, wenn eine materielle Rechtsposition betroffen ist, dann ist letztlich die Frage nach dem Umfang der Klagebefugnis angesprochen. Deren Ausgestaltung aber liegt grundsätzlich im Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten, wenn auch wiederum wegen des Effektivitätsgrundsatzes mit den entsprechenden europarechtlichen Modifizierungen. Insoweit sind noch einige Fragen offen. Ausführlich diskutiert wurde die Frage auf der GfU-Jahrestagung 2013.79 Grundsätzlich ist Rechtsschutz gegen UVP-Fehler nur im Rahmen von Rechtsbehelfen gegen die Verfahren möglich, in die die UVP eingegliedert ist. Rechtsschutz kommt insoweit aber nur bei der Möglichkeit der Verletzung eines subjektiven Rechts in Betracht. Dieses ist jedoch, wie aufgezeigt, in europarechtskonformer Weise auszulegen. Für die Frage, ob UVP-Verfahrensfehler Drittschutz vermitteln, kann dabei auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen werden. Im Übrigen ist immer dann, wenn die Verfahrensgestaltung gerade auch dem Schutz des materiellen Rechts dient, bei einem Verfahrensfehler zugleich auch die einem Kläger insoweit zustehende materielle Rechtsposition betroffen. Zu beachten ist außerdem, dass grundsätzlich durch Art. 10a auch Verbänden Rechtsschutzmöglichkeiten eingeräumt werden und dies jedenfalls auch zum Schutz des objektiven Umweltrechts.80 ___________ 78 EuGH, Urt. vom 25.7.2008 – C-237/07, Rn. 35 ff.; s.a. BVerwG, Urt. vom 5.9.2013, Az. 7 C 21.12. 79 Kokott/Sobotta, DVBl. 2014, 132 ff.; Epiney/Reitemeyer, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht – Vorgaben der Aarhus-Konvention und des EU-Rechts und Rechtsvergleich (Manuskript des Vortrags auf der GfU-Jahrestagung 2013); Gärditz, NVwZ 2014, 1 ff.; aus der EuGH-Rspr. vgl. nur Urteil vom 8.3.2011, RS C-240/09, Rn. 48, slowakischer Braunbär. 80 Vgl. EuGH, Urt. vom 12.5.2011, C-115/09, Rn. 35 ff., 42.

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Es ist vor diesem Hintergrund schon die Frage aufgeworfen worden, ob es zulässig ist, dass der Rechtsschutz für Verbände über den Individualrechtsschutz hinausreicht.81 Beide erfüllen jedoch unterschiedliche Funktionen, so dass eine Gleichstellung mir jedenfalls nicht zwingend geboten erscheint.

VI. Zusammenfassung und Ausblick Die Altrip-Entscheidung des EuGH leistet einen wichtigen Beitrag zur Fortentwicklung des Verwaltungsverfahrensfehlerrechts in Deutschland. Abgesehen davon, dass § 4 Abs. 1 UmwRG geändert werden muss, lassen sich die vom Gerichtshof entwickelten Kriterien aber qua europarechtskonformer Auslegung ins deutsche Recht integrieren. Weiter offen bleibt die Frage nach dem Zusammenhang von materiellen Rechts- und Verfahrensfehlern. Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des EuGH sind weitere Ausweitungen von Rechten Betroffener aber absehbar.

___________ 81 Vgl. Leidinger, NVwZ 2011, 1345 ff.; zur Problematik s. auch Breuer, FS. Kloepfer, a.a.O., 315, 328 f., der auch eine Schieflage im Verhältnis zwischen Verbandsklagerecht und der beschränkten Klagebefugnis der Gemeinden sieht.

Was wird die neue UVP-Richtlinie bringen? Von Alexander Schink Für die Berücksichtigung von Umweltbelangen bei Zulassungsentscheidungen ist die Umweltverträglichkeitsprüfung von zentraler Bedeutung. Als Verfahrensinstrument verpflichtet sie zu einer systematischen und medienübergreifenden Prüfung und Berücksichtigung der Umweltauswirkungen von Vorhaben im Zulassungsverfahren. Die kürzlich verabschiedete Novelle der UVP-RL zielt darauf ab, die Verfahrensfunktion der UVP und damit die Bedeutung der Umweltbelange für die Zulassungsentscheidung zu stärken. Sowohl den Vorhabenträgern als auch den Zulassungsbehörden werden hierzu neue Prüfanforderungen auferlegt, die zu einem nicht unerheblichen Mehraufwand führen werden. Eine grundlegende Neukonzeption der UVP ist jedoch nicht vorgenommen worden. Insbesondere ist auch in Zukunft hiermit keine materielle Wirkung verbunden. Auch eine Alternativenprüfung ist nach wie vor nicht zwingender Bestandteil der UVP, sondern ggf. ausschließlich nach den Vorgaben des Fachrechts durchzuführen.

I. Einleitung Ende 2012 hat die EU-Kommission ein Verfahren zur Änderung der UVPRichtlinie1 auf den Weg gebracht.2 Ziel dieses Vorschlages war es, erkannte Mängel in der Richtlinie zu beseitigen, ökologische und sozioökonomische Ver-

___________ 1 Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (kodifizierter Text), Abl. 2012 Nr. L S. 1. 2 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten vom 26.10.2012, KOM (2012) 628 final.

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änderungen und Herausforderungen zu berücksichtigen und die Grundsätze intelligenter Rechtsetzung zu verwirklichen.3 Die Beurteilung von Umweltauswirkungen auf nationaler Ebene sollte verbessert, die UVP-RL vereinfacht werden.4 In seiner Beschlussfassung vom 13.12.2013 hat das Europäische Parlament die Regelungsvorschläge in einigen Punkten nicht unerheblich verschärft.5 Das nach ablehnender Stellungnahme des Europäischen Rates zum Beschluss des Europäischen Parlaments erforderliche Trilog-Verfahren6 endete am 19.12.2013 mit einer Einigung,7 der das Europäische Parlament in seiner Sitzung vom 12.03.2014 zugestimmt hat. Nach der erwarteten Zustimmung des Europäischen Rates kann die UVP-Änderungsrichtlinie in Kraft treten. Durch die Einigung im Trilog sind die ursprünglich vorgesehenen gravierenden Änderungen in vielen Punkten nicht unerheblich reduziert worden. So ist auf die Einführung eines verpflichtenden Scopings8 ebenso verzichtet worden wie auf die Vorgabe einer zwingenden Alternativenprüfung9 und eine materielle Wirkung der UVP.10 Verzichtet werden soll auch darauf, das Fracking, für das das Europäische Parlament eine zwingende UVP-Pflicht gefordert hatte,11 UVPpflichtig zu machen. Im Folgenden sollen die Änderungen im Einzelnen dargestellt und ihre Auswirkungen auf das nationale Recht näher beleuchtet werden.

___________ 3

KOM (2012) 628 final vom 26.10.2012, Begründung S. 2 unter 1. Zu den vorgesehenen Änderungen: Kennyeressy, Kritische Analyse des Vorschlags zur Änderung der UVP-Richtlinie, UPR 2013, 139 ff.; Hahn/Watson, Novellierung der UVP-Richtlinie, I+E 2013, 157 ff.; Schink, Verstärkung der Öffentlichkeitsbeteiligung und neue UVP-Anforderungen für Unternehmen, DVBl. 2013, 1347, 1352 ff. 5 Vgl. dazu Hahn/Watson, I+E 2013, 157 ff.; Schink, DVBl. 2013, 1352 ff. 6 Vermittlungsverfahren nach Art. 294 Abs. 8, 10 AEUV. Dazu: Epping, in: Vedder/Heitschel v. Heinegg, Europäisches Unionsrecht, 2012, Art. 294 AEUV Rn. 20 ff.; Gellermann, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 294 Rn. 29 ff.; Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2011, Art. 294 Rn. 18. 7 Vgl. Council of the European Union, Proposal for a directive of the European Parliament and of the council amending directive 2011/92/EU on the assessment of the effects of the of certain public and private projects on the environment vom 19.12.2013, 2012/0297 (COD). 8 Dazu Schink, DVBl. 2013, 1353. 9 Dazu Schink, a.a.O. 10 Schink, DVBl. 2013, 1354. 11 Dazu Schink, DVBl. 2013, 1349 f. 4

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II. Die UVP als Verfahrensinstrument Kerngedanke der Projekt-UVP ist es, vor Zulassung von potentiell umweltbelastenden Projekten deren jeweilige Umweltauswirkungen in einem rechtlich geordneten und transparenten Verfahren zu prüfen und bei der anschließenden Entscheidung zu berücksichtigen.12 In einem standardisierten Prüfverfahren sollen die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des Projekts auf Mensch, Fauna und Flora, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, Sachgüter und kulturelles Erbe sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren geprüft und bei der Zulassungsentscheidung berücksichtig werden. Ziel ist dabei nicht die Feststellung, dass das Projekt umweltverträglich ist. Die UVP schließt die Zulassung nicht umweltverträglicher Projekte keineswegs aus. Sie zielt vielmehr in erster Linie darauf ab, vor Zulassung eines Projekts Klarheit darüber zu gewinnen, inwieweit es die Umwelt beeinträchtigen kann und zu prüfen, wie eine Minimierung seiner Umweltauswirkungen möglich ist und ob es trotz erkannter erheblicher Umweltauswirkungen zugelassen werden kann.13 Der Schwerpunkt der UVP liegt deshalb auf dem Verfahren.14 Materielle Wirkungen, so sie überhaupt bestehen, sind eher gering und erschöpfen sich im Wesentlichen darin, dass unbestimmte Rechtsbegriffe und das Ermessen bei Zulassungsentscheidungen im Sinne einer vorsorgeorientierten umweltgerechten Entscheidung interpretiert werden und – dies vor allem – durch den als Folge des formalisierten Prüfverfahrens erreichten Erkenntnisgewinn über Umweltauswirkungen von Vorhaben Umweltbelange bei der Zulassungsentscheidung besser und verstärkt berücksichtigt werden können. Der UVP kommt deshalb erhebliche Bedeutung für die Richtigkeitsgewähr einer Entscheidung gerade unter Umweltaspekten zu. Hierin liegt die eigentliche materielle Bedeutung der UVP. Sie verbessert die Anwendung des materiellen Umweltrechts und stärkt auf diese Weise seine Durchsetzung.15

___________ 12

So Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, 2011, § 8 Rn. 1. Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, 2011, § 8 Rn. 6. 14 Zur Verfahrensorientierung der UVP: BVerwG, Urt. vom 25.1.1996 – 4 C 9/95 –, NVwZ 1996, 788, 790; Hien, Die Umweltverträglichkeitsprüfung in der gerichtlichen Praxis, NVwZ 1976, 422, 425 ff.; Beckmann, in: Hoppe/Beckmann, Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, UVPG, Kommentar, 4. Aufl. 2012, § 12 Rn. 123; Gallas, Die Umweltverträglichkeitsprüfung im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, UPR 1991, 214, 218; Lange, Rechtsfolgen der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Genehmigung oder Zulassung eines Projekts, DÖV 1992, 780, 784; Schink, Die Umweltverträglichkeitsprüfung – Eine Bilanz, NuR 1998, 173, 176 f.; Wulfhorst, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 2013, § 12 UVPG Rn. 24. 15 Schink, NuR 1998, 173, 177. 13

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An dieser verfahrensrechtlichen und zugleich auf Optimierung der Berücksichtigung von Umweltbelangen in Zulassungsentscheidungen für potentiell umweltbelastende Projekte abzielenden Wirkung der UVP knüpft die UVP-Änderungs-RL an. Sie ist in ihrer Zielsetzung darauf ausgerichtet, über eine Präzisierung des Prüfvorgangs der UVP einschließlich von Entscheidungen über die UVP-Pflichtigkeit von Vorhaben nicht nur eine größere Vereinheitlichung der Anwendung der UVP-RL in den Mitgliedstaaten zu bewirken, sondern zugleich auch den Erkenntnisgewinn über Umweltbelastungen, Vermeidungs- und Kompensationspotentiale bei zu erwartenden Umweltschäden zu steigern und dadurch die Bedeutung der UVP nochmals zu stärken. Die Änderungsrichtlinie hält dabei am verfahrensrechtlichen Charakter der UVP fest; materielle Wirkung wird ihr im Gegensatz zu den Vorschlägen der Kommission und des Europäischen Parlaments16 nicht beigelegt. Die in Art. 8 Abs. 2 UVP-RL-E (Fassung EP) vorgesehene Regelung ist im Trilog gestrichen worden. Hiernach sollte in Fällen, in denen ein Projekt erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen erwarten lässt, von der zuständigen Behörde in enger Zusammenarbeit mit den zu beteiligenden Behörden und dem Vorhabenträger geprüft werden, ob der Umweltbericht überarbeitet und das Projekt geändert werden muss, um diese nachteiligen Auswirkungen zu vermeiden oder zu verringern und ob zusätzliche Schadensbegrenzungs- und Ausgleichsmaßnahmen erforderlich sind. Der Befürchtung, der UVP würde zukünftig eine materielle Wirkung für die Vorhabenzulassung mit einer problematischen und inhaltlich unbestimmten Zielrichtung zuerkannt,17 ist damit nicht eingetreten. Die UVP bleibt ein rein verfahrensrechtliches Instrument mit der oben beschriebenen materiellen Wirkung durch Erkenntniszuwachs.

III. Begriff der UVP im Projektbegriff Art. 1 UVP-RL, der für das UVP-Recht die Begriffsbestimmungen enthält, definierte bislang den Begriff der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht. Welche Elemente Bestandteil einer UVP sind, konnte deshalb in der Vergangenheit nur durch Analyse der einzelnen Verfahrensschritte der UVP ermittelt werden. Auch aus der bisherigen Fassung der UVP-RL ergab sich damit, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung als wesentliche Elemente ‒

die Erarbeitung einer Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) mit den nach Art. 5 Abs. 3 UVP-RL erforderlichen Angaben, ‒ eine Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung – auch grenzüberschreitend – gemäß Art. 6 und 7 UVP-RL, ‒ eine Prüfung und Bewertung der aus der UVS, vorhandenen behördlichen Unterlagen und Kenntnissen, der Behörden und Öffentlichkeitsbeteiligung ___________ 16 17

Dazu Kenneyeressy, UPR 2013, 143; Schink, DVBl. 2013, 1354. Kennyeressy und Schink, jeweils a.a.O.

Was wird die neue UVP-Richtlinie bringen?

‒ ‒

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gewonnenen Angaben über die Umweltauswirkungen des Vorhabens gemäß Art. 8 UVP-RL, die Erstellung einer zusammenfassenden Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen gemäß Art. 3 UVP-RL auf die dort genannten Schutzgüter der UVP sowie eine Berücksichtigung der Ergebnisse der UVS und der Konsultationen der Öffentlichkeit und der Behörden im Genehmigungsverfahren

erforderte (Art. 8 UVP-RL). Art. 1 Abs. 2 (g) UVP-RL-neu soll diese Verfahrenselemente der UVP zukünftig beschreiben und damit den Inhalt der UVP näher definieren. Dieser Definition kommt dabei angesichts der bloßen Beschreibung der bisherigen Elemente der UVP eine lediglich deklaratorische Bedeutung zu. Änderungen des UVP Verfahrens sind damit nicht verbunden. Insbesondere werden durch diese Definition keine neuen Verfahrenselemente in die UVP eingeführt. Veränderungen ergeben sich vielmehr nicht aus Art. 1 Abs. 2 lit. (g) UVP-RL-neu, sondern aus Änderungen, die durch die UVP-RL-neu für die einzelnen Verfahrenselemente der UVP eingeführt werden. Durch die Neuregelung in Art. 1 Abs. 2 lit. i UVP-RL-neu wird zunächst verdeutlicht, dass es sich bei der Umweltverträglichkeitsprüfung um eine Verfahrensregelung handelt. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut, wo es heißt: „Umweltverträglichkeitsprüfung … bedeutet das Verfahren, das aus folgendem besteht:“. Durch diese Regelung ist verdeutlicht worden, dass es sich bei der UVP nicht um eine materielle Regelung, sondern um eine Verfahrensregelung handelt. Als Elemente der UVP werden in Abs. 2 lit. (g) UVP-RL-neu folgende Verfahrensschritte genannt: ‒ ‒ ‒ ‒



Ausarbeitung eines UVP-Berichts durch den Projektträger gemäß Art. 5 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 UVP-RL (Erstellung einer UVS), Durchführung von Konsultationen gemäß Art. 6 und Art. 7 (Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung), Prüfung der nach Art. 5 Abs. 3 UVP-RL vorgelegten UVS sowie zusätzlicher Angaben sowie aller relevanten Angaben, die in der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung gewonnen wurden, Schlussfolgerungen der zuständigen Behörde über die erheblichen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt unter Einbeziehung der Prüfung der UVS sowie gegebenenfalls weiterer zusätzlicher Prüfungen (zusammenfassende Darstellung und Bewertung) und Aufnahme der begründeten Schlussfolgerung in alle Zulassungsentscheidungen über UVP-pflichtige Projekte.

Von besonderer Bedeutung für das Verfahren ist die in Art. 1 Abs. 2 (g) (iii) UVP-RL-neu zum Ausdruck gekommene Prüfungspflicht der Behörde. Zwar verbleibt es hiernach bei der Verantwortung des Vorhabenträgers für die Erstel-

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lung der Umweltverträglichkeitsstudie und damit die Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts.18 Die Regelung verdeutlicht jedoch, dass der Amtsermittlungsgrundsatz des § 24 VwVfG hierdurch nicht verdrängt wird. Vielmehr gilt er weiterhin auch für UVP-pflichtige Zulassungsverfahren, und zwar nicht nur im Sinne einer nachvollziehenden Amtsermittlung,19 sondern im Sinne einer umfänglichen Amtsermittlungspflicht der zuständigen Behörde.20 Die Regelung tariert allerdings das Verhältnis zwischen Vorhabenträger und Zulassungsbehörde nicht neu aus. Vielmehr bleibt dem Vorhabenträger entsprechend dem umweltrechtlichen Verursacher- und Kooperationsprinzip21 nach wie vor die Aufgabe, die Umweltauswirkungen umfassend zu ermitteln; die Zulassungsbehörde kontrolliert diese Ermittlung regelmäßig auf ihre Vollständigkeit und Sachgerechtigkeit und ergänzt diese durch bei ihr vorhandene oder im Rahmen der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung gewonnene weitere Erkenntnisse. Durch die Betonung der Amtsermittlungspflicht in Art. 1 Abs. 2 (g) (iii) UVP-RL-neu wird den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auferlegt, Prüfpflichten durch die Zulassungsbehörde zu normieren und dadurch der Gefahr einer Subjektivität der Umweltprüfung durch den Vorhabenträger entgegenzuwirken mit dem Ziel, möglichst objektive Erkenntnisse über die Umweltwirkungen eines Projekts zu erzielen und diese in die Entscheidung einzubringen.22 1. UVP als Trägerverfahren für andere Umweltprüfungen Die UVP ist in Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 2 UVP-RL nach nationalem Recht gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 UVPG unselbständiger Teil von verwaltungsbehördlichen Verfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit von UVPpflichtigen Vorhaben dienen. Sie ist dabei zugleich auch Trägerverfahren für andere Umweltprüfungen.23 Da sie von ihrer Zielsetzung her darauf ausgerichtet ist, alle Umweltauswirkungen in einem systematischen Verfahren zu ermitteln, ___________ 18

Dazu Appold, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, § 2 Rn. 54; Kment, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, § 6 Rn. 1 6 f.; Erbguth/Schink, UVPG, 2. Aufl. 1996, § 6 Rn. 1. 19 So aber Erbguth/Schink, UVPG, § 5 Rn. 5, § 11 Rn. 2. 20 In diesem Sinne Kment, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, § 6 Rn. 2. 21 Zum Vorsorgeprinzip als Element des europäischen Umweltrechts: Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 3 Rn. 80 ff.; zum Kooperationsprinzip, ders., § 3 Rn. 126 ff., vgl. auch Schink, Das Kooperationsprinzip, in: Schliesky/Ernst, Recht und Politik, Edzard Schmidt-Jortzig zum 65. Geburtstag, 2007, S. 69 ff. 22 Zur Bedeutung von UVP-Verfahrensregelungen für die Herstellung von Objektivität bei der Umweltverträglichkeitsprüfung: Erbguth/Schink, UVPG, § 5 Rn. 5 m.d.N. 23 Zur Bedeutung der UVP als Trägerverfahren für andere Umweltprüfungen: Schink, Umweltprüfung – Verträglichkeitsprüfung – naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, NuR 2003, 647. Für die Bauleitplanung: Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 2 Rn. 6.

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zu beschreiben, zu bewerten und bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens zu berücksichtigen, erstreckt sie sich von ihrer Reichweite her auch auf die Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3, 4 FFH-RL/§ 34 BNatSchG sowie die einschlägigen artenschutzrechtlichen Prüfungen gemäß §§ 44 Abs. 1, 45 Abs. 7 BNatSchG. Gesetzlich festgeschrieben ist die Funktion der UVP als Trägerverfahren für anderweitige Umweltfachprüfungen hingegen bislang nicht. In § 1 Abs. 3 UVP-RL-neu werden die Mitgliedstaaten zukünftig verpflichtet, die UVP als Trägerverfahren für Umweltprüfungen aus der FFHRL24 sowie der Vogelschutz-RL25 zu erstrecken. Nach der Neuregelung sind koordinierte und gemeinsame Verfahren für die UVP und die Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3, 4 FFH-RL verpflichtend vorgesehen. Dabei muss sichergestellt sein, dass die materiellen und verfahrensrechtlichen Anforderungen des FFH-Rechts eingehalten werden. Das nationale Recht trägt dem schon heute Rechnung, da – wenn auch nicht gesetzlich fixiert – die UVP Trägerverfahren auch für die FFH-Verträglichkeitsprüfung ist.26 Für andere Umweltprüfungen, die nach EU-Recht vorgesehen sind, soll zukünftig eine fakultative Möglichkeit für die Mitgliedstaaten bestehen, koordinierte und/oder gemeinsame Verfahren vorzusehen (Art. 1 Abs. 3 UAbs. 2 UVPRL-neu). Betroffen hiervon sind z.B. Prüfungen im Hinblick auf die Einhaltung des Verschlechterungsverbotes des Art. 4 Abs. 5 lit. c WRL.27 Die Mitgliedstaaten sollen sich dabei insgesamt bemühen, für die Auswirkungen eines bestimmten Projekts auf die Umwelt nur eine Prüfung durchzuführen, unabhängig davon in welchen EU-Rechtsvorschriften diese Prüfung vorgesehen ist (Art. 1 Abs. 3 UAbs. 4 UVP-RL-neu). Diese Regelung soll insbesondere dem Umstand Rechnung tragen, dass die UVP eine medienübergreifende Prüfung28 darstellt, bei der alle Umweltauswirkungen einschließlich ihrer Wechselwirkungen zu ermitteln, zu beschreiben, zu bewerten und in der Entscheidung zu berücksichtigen sind. ___________ 24 Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, FFH-RL, Abl. Nr. L 206 S. 7. 25 Richtlinie 2009/147/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (kodifizierte Fassung), Abl. 2010 Nr. L 20 S. 7. 26 Schink, NuR 2003, 647. Vgl. auch dens., in: Erbguth, Die Umweltverträglichkeitsprüfung: Neuregelungen, Entwicklungstendenzen, 2004, S. 33 ff. 27 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABl. Nr. L 327 S. 1. 28 Zum medienübergreifenden Charakter der UVP vgl. nur: Erbguth, Entwicklungen im Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung, UPR 2003, 321; Hermann/Wagner, Grenzen der Summation und Kumulation im Umweltrecht, NuR 2005, 20, 22; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, 2. Aufl. 2000, § 8 Rn. 72; Kment, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, Einl. Rn. 6; Schink, NuR 2003, 647, 649.

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Dieses Ziel wird am besten erreicht, wenn alle Umweltprüfungen in einem Verfahren konzentriert werden. Auf der Grundlage dieser Regelung stellt sich für das nationale Recht insbesondere die Frage, ob nicht auch im Immissionsschutzrecht eine umfassende Konzentrationswirkung eingeführt werden muss, die sich auch auf die wasserrechtlichen Prüfungen erstreckt.29 Die UVP-RL-neu wirft damit für das nationale Recht die gleichen Probleme wie Art. 5 Abs. 2 IE-RL30 auf. Auch hiernach sind die Zulassungsverfahren in vollem Umfang zu koordinieren. Ob § 10 Abs. 5 S. 2 BImSchG, wonach die Genehmigungsbehörde, soweit für das Vorhaben weitere Zulassungen nach anderen Gesetzen vorgeschrieben sind, für eine vollständige Koordination der Zulassungsverfahren sowie der Inhaltsund Nebenbestimmungen zu sorgen hat, diesen Anforderungen Rechnung trägt, erscheint zweifelhaft.31 Art. 1 Abs. 3, 3. UAbs. UVP-RL-neu verpflichtet die Mitgliedstaaten weiter, sich zu bemühen, nur eine Behörde für die unterschiedlichen, auf Grund des EURechts vorgeschriebenen Umweltprüfungen zu benennen. Damit wird nicht allein eine Integration der verschiedenen Umweltprüfverfahren in die UVP als Trägerverfahren, sondern zugleich auch eine Verfahrenskonzentration auf nur eine Behörde angestrebt. § 14 UVPG trägt dem schon heute weitgehend Rechnung,32 sieht man davon ab, dass die Konzentration der UVP bei der Zuständigkeit von Bundes- und Landesbehörden in parallelen Zulassungsverfahren nicht geregelt ist.33 2. UVP-pflichtige Projekte Neuregelungen zu den UVP-pflichtigen Projekten enthält die UVP-RL-neu nicht. Die Anhänge I und II zu Art. 4 bzw. 2 UVP-RL sind unverändert geblieben. Unter Streichung des bisherigen Art. 1 Abs. 4 UVP-RL und Anfügung eines neuen Absatzes 5 in Art 4 UVP-RL sind die Mitgliedstaaten zukünftig allerdings ___________ 29

Zur insoweit beschränkten Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG: BVerwG, Urt. vom 23.6.1989 – 7 B 87/89 –, DVBl. 1990, 57; Sellner/Reidt/Ohms, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, 3. Aufl. 2006, 2/Rn. 178; Landmann/Rohmer/Seibert, Umweltrecht, § 13 BImSchG Rn. 80 ff. 30 Richtlinie 2010/75 EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung), ABl. Nr. L 334/17, S. 1. 31 Dazu Buchmann, Das Koordinierungsgebot nach dem Scheitern des UIG, NuR 2009, 380; Jarass, Das Gebot der Koordinierung konkurrierender Zulassungsverfahren, NVwZ 2009, 65; Koch, Immissionsschutzrecht, in: ders., Umweltrecht, 4. Aufl. 2014, § 4 Rn. 173. 32 Zur Konzentration des UVP-Verfahrens bei der federführenden Behörde nach § 14 UVPG: Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, § 14 Rn. 28 ff.; Erbguth/Schink, UVPG, § 14 Rn. 3 ff. 33 Dazu und zum Verfahren in diesen Fällen: Stüer, US-Hospital Weilerbach, BauR 2013, 1617, 1623.

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auch dann zur Durchführung einer UVP-verpflichtet, wenn sie ein Einzelvorhaben durch „einen besonderen Akt der nationalen Gesetzgebung“ zulassen. Zum Akt nationaler Gesetzgebung im Sinne des Art. 1 Abs. 5 UVP-RL gehören dabei nicht nur Gesetze, sondern auch Verordnungen. Eine Flucht in die Gesetzgebung zur Vermeidung einer UVP für einzelne Projekte ist damit nicht mehr möglich (vgl. Art. 1 Abs. 5 UVP-RL-neu). Allerdings haben die Mitgliedstaaten in diesen Fällen die Möglichkeit, Gesetzgebungsvorhaben zur Zulassung von UVP-pflichtigen Projekten von einer Öffentlichkeitsbeteiligung auszunehmen, dies allerdings unter der Voraussetzung, dass die Zwecke der UVP-RL verwirklicht werden. Gesetzgebungsverfahren zur Zulassung UVP-pflichtiger Projekte müssen deshalb insbesondere eine Information der Öffentlichkeit und damit die Transparenz über die Umweltauswirkungen des zuzulassenden Vorhabens gewährleisten. Auch eine Äußerung der betroffenen Öffentlichkeit im Verfahren, etwa durch Anhörungen im Gesetzgebungsverfahren, und die Berücksichtigung der Ergebnisse solcher Anhörungen müssen gewährleistet sein. Ob dazu Regelungen in der Geschäftsordnung der Gesetzgebungsorgane ausreichen, erscheint zweifelhaft. Sinnvoller ist eine Regelung des Verfahrens im UVPG. Denn damit wird zumindest eine Selbstbindung des Gesetzgebers herbeigeführt, ungeachtet dessen, dass er in Einzelfällen solche Bestimmungen auch wieder außer Kraft setzen kann.

IV. Gegenstand der UVP 1. Schutzgüter der UVP Die Regelung des Art. 3 UVP-RL, die die Schutzgüter der UVP beschreibt, hat eine Neuformulierung mit erheblichen neuen Prüfpflichten erhalten. Die bisherige Regelung, dass sich die UVP auf den Menschen beziehen muss, wird dahin präzisiert, dass die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts auf die Bevölkerung und die menschliche Gesundheit zu identifizieren, zu beschreiben und zu bewerten sind. Diese Regelung dient der Klarstellung und Ergänzung, da die bisherige Fassung des Art. 3 lit. a UVP-RL nicht deutlich regelte, ob nur die Auswirkungen eines Projektes auf das einzelne menschliche Individuum einschließlich seiner Gesundheit oder auch auf die Bevölkerung insgesamt erfasst war.34 ___________ 34 Nach nationalem Verständnis war bisher schon eine Sichtweise maßgebend, die sowohl Auswirkungen auf den Einzelnen als auch die Bevölkerung erfasst und nicht nur Gesundheitsschäden, sondern auch Störungen des physischen, psychischen und sozialen Wohlbefindens erfasst werden. Dazu Appold, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, § 2 Rn. 25; Bunge, HdbUVP, § 2 UVPG, Rn. 86 f.; Gassner, UVPG, Kommentar, 2006, § 2 Rn. 11;

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Bislang erfasste die UVP-RL als Schutzgut Fauna und Flora und damit Tiere und Pflanzen. Dieses Schutzgut wird durch Art. 3 lit. aa) UVP-RL-neu erheblich ausgeweitet, indem zukünftig Schutzgut auch die biologische Vielfalt unter Berücksichtigung der nach der FFH-RL und der Vogelschutz-RL geschützten Arten und Lebensräume ist.35 Der Begriff der biologischen Vielfalt geht erheblich über den Schutz der Fauna und Flora hinaus. In Anlehnung an die Biodiversitätskonvention36 ist hierunter die Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten einschließlich der innerartlichen Vielfalt sowie die Vielfalt an Formen von Lebensgemeinschaften und Biotopen zu verstehen ist (vgl. auch § 7 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG)37. Die biologische Vielfalt, die Vielfalt an Lebensräumen und Lebensgemeinschaften, an Arten sowie die genetische Vielfalt innerhalb der Arten ist damit jetzt über die einzelnen Spezies von Fauna und Flora hinaus Gegenstand der Prüfung der UVP. Zu ermitteln ist deshalb zukünftig bei der UVP nicht allein, ob und welche Auswirkungen ein Projekt auf Fauna und Flora hat. Vielmehr ist auch zu prüfen, inwieweit die Biodiversität, also die Vielfalt von Arten und Lebensräumen hierdurch beeinträchtigt werden kann. Das Abstellen allein auf die Auswirkungen auf Pflanzen, Tiere und Habitate vor Ort genügt diesen Anforderungen nicht. Vielmehr sind auch die regionalen und überregionalen Wirkungen auf die Biodiversität bei Beeinträchtigung von Habitaten und Arten mit in die Prüfung einzubeziehen. In diesen Zusammenhang sind insbesondere Zerschneidungswirkungen oder Auswirkungen auf seltene oder überregional bedeutsame Habitat- und Artenvorkommen zu prüfen. Wichtig ist dabei, dass Art. 3 lit. aa) UVP-RL-neu den Einzelfallbezug der UVP dabei nicht infrage stellt, wie der Eingangssatz verdeutlicht, nach dem die UVP-Prüfung „in geeigneter Weise nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls“ durchzuführen ist. Hierdurch wird der Vorhabenbezug der UVP verdeutlicht und das Ziel vorgegeben, bei der UVP keine uferlosen, für die Zulassung des Projekts und seine Auswirkungen auf die Umwelt irrelevanten Prüfungen vorzunehmen. Bei dieser Beschränkung, beim Projektbezug der UVP soll es nach dieser Regelung verbleiben.38 Neben Boden-, Wasser, Luft und Klima wird zukünftig auch die Fläche Gegenstand der UVP sein (vgl. Art. 3 lit. b) UVP-RL). Damit werden auch der Flächenverbrauch und seine Auswirkungen mit in die UVP-Prüfung einbezogen, ___________ Peters/Balla, UVPG, Kommentar, 3. Aufl. 2006, § 2 Rn. 12; Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, § 2 UVPG Rn. 34. 35 Das nationale Recht sah dies – insoweit über die UVP-RL hinausgehend – bereits vor. Zum daraus folgenden Prüfungsumfang: Appold, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, § 2 Rn. 28; Bunge, HdbUVP, § 2 UVPG, Rn. 94. 36 Biodiversitätskonvention vom 5.6.1992 (BGBl II 1993 S. 1741). 37 Vgl. Art. 2 Abs. 1 der Biodiversitätskonvention; Klages, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2011, § 7 Rn. 2; Müller-Walter, in: Lortz/Conrath/Mühlbauer/Müller-Walter/Stöckel, Naturschutzrecht, 3. Aufl. 2014, § 7 Rn. 3. 38 Zum Projektbezug der UVP: Kment, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, Einl. Rn. 9 f.

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und zwar auch insoweit, als die Flächeninanspruchnahme keine schutzwürdigen Böden betrifft, sondern Freiflächen und damit insbesondere landwirtschaftliche Flächen verbraucht. Damit soll dem zunehmenden Flächenverbrauch und seinen schadhaften ökologischen Wirkungen entgegengewirkt werden.39 Neu gegenüber der bisherigen UVP-RL ist auch, dass sich die Prüfung auf schwere Unfälle und/oder Katastrophen erstrecken muss, von denen das Vorhaben betroffen sein kann und die für es relevant sind (Art. 3 UAbs. 2 UVP-RLneu). Auch hierdurch wird der Prüfrahmen der UVP ausgeweitet. Die Neuregelung soll gewährleisten, dass bei der Zulassung von Vorhaben solche Umweltauswirkungen mit erfasst werden, die typische Folge von Unfällen und Katastrophen sind, die vom Projekt ausgehen können oder denen das Projekt ausgesetzt sein kann. Die Wirkungen von Explosionen oder Bränden in chemischen Anlagen, von Hochwasser auf Industrieanlagen oder von Erdbeben sind deshalb bei der UVP mit zu erfassen, zu beschreiben und zu bewerten. Soweit insoweit kritisch angemerkt worden ist, dass dieser Prüfung der Bezug zum Vorhaben fehlt,40 ist dem zu widersprechen. Art. 3 UVP-RL verpflichtet nach wie vor zum Projektbezug der Umweltuntersuchungen. Nur solche Auswirkungen von Katastrophen oder Unfällen, die für das konkrete Projekt relevant sind, sind deshalb in die UVP einzubeziehen. Welcher Maßstab dabei anzulegen ist, richtet sich nach den einschlägigen fachrechtlichen Vorschriften, denn die UVP-Prüfung reicht jeweils nur so weit, wie dies zur Beurteilung der Zulassungsfähigkeit des Vorhabens erforderlich ist.41 Soweit nach den einschlägigen wasserrechtlichen, immissionsschutzrechtlichen und störfallrechtlichen Regelungen Katastrophen und Unfälle in die Prüfung der Zulässigkeit des Vorhabens einzubeziehen sind, hat sich die UVP deshalb auch darauf zu erstrecken. Das nationale Recht ist dieser Vorgabe durch eine Änderung des § 2 Abs. 1 UVPG anzupassen. 2. Bestimmung der UVP-Pflicht von Vorhaben Art. 4 UVP-RL unterscheidet zwischen nach EU-Recht zwingend UVPpflichtigen Vorhaben des Abs. 1 in Verbindung mit Anhang I und den nach Festlegung der Mitgliedstaaten fakultativ UVP-pflichtigen Vorhaben des Abs. 2 in Verbindung mit Anhang II. An dieser Unterscheidung hält auch die UVP-RLneu fest. Das gilt auch für die Bestimmungen zur Methodik, mit der die Mitgliedstaaten eine Entscheidung über die UVP-Pflicht von Vorhaben treffen können. ___________ 39

Erwägungsgrund 6 UVP-RL-neu. BR-Drs. 655/12 (Beschluss), S. 8/9 Nr. 22; Kennyeressy, UPR 2013, 139. 41 BVerwG, Beschl. vom 17.2.1997 – 4 VP 17.96 –, NuR 1998, 305, 308; Nds OVG, Beschl. vom 27.10.2004 – 12 B 3827/04 –, ZUR 2007, 207, 208; Bunge, HdbUVP, § 6 UVPG Rn. 25; Kment, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, § 5 Rn. 18, § 6 Rn. 11; Schink, NuR 2003, 647, 651. 40

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Nach wie vor können sie dies durch Festlegung von Schwellenwerten, Kriterien oder eine Einzelfalluntersuchung (Screening) festlegen, wobei beide Verfahren mit einander kombiniert werden können (vgl. Art. 4 Abs. 2 S. 2 f. UVP-RL). Auch an der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die relevanten Auswahlkriterien des Anhangs III bei der Einzelfallprüfung und der Festlegung von Schwellenwerten für UVP-pflichtige Projekte zu berücksichtigen, ändert sich nichts.42 Legen die Mitgliedstaaten fest, dass die UVP-Pflicht auf der Grundlage eines Screenings festgestellt werden soll, wie dies bei der allgemeinen und standortbezogenen Vorprüfung gemäß § 3c UVPG der Fall ist, enthielt die UVP-RL bislang keine Regelung dazu, welche Unterlagen vom Vorhabenträger beizubringen waren und welche Prüftiefe beim Screening durch die Behörde durchzuführen war. Nach der Rechtsprechung des BVerwG steht der Zulassungsbehörde bei der Durchführung der Vorprüfung ein Einschätzungsspielraum zu, der nur daraufhin überprüft werden kann, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3 c UVPG durchgeführt worden und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist.43 Nach diesen Grundsätzen muss eine Vorprüfung überhaupt stattgefunden haben und das Ergebnis der Vorprüfung darf keine Rechtsfehler aufweisen, die seine Nachvollziehbarkeit ausschließen. Letzteres wird angenommen, wenn die Vorprüfung entweder Ermittlungsfehler aufweist, die so schwerwiegen, dass sie auf die Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses durchschlagen, oder wenn das Ergebnis außerhalb des Rahmens zulässiger Einschätzungen liegt.44 Gemäß § 3c S. 6 UVPG ist das Ergebnis der Vorprüfung weiter zu dokumentieren, indem die der Vorprüfung zu Grunde gelegten Unterlagen, die wesentlichen Prüfschritte und die dabei gewonnenen Erkenntnisse über nachteilige Umweltauswirkungen zumindest grob skizziert und in der Zulassungsentscheidung oder in einem zu den Verwaltungsakten genommenen Dokument niedergelegt werden.45 Schließlich ist die UVP-Prüfung nur eine überschlägige Prüfung, die keine volle UVP darstellen darf.46 Nach Art. 4 Abs. 4 UVP-RL-neu wird der Einschätzungsspielraum, der der Zulassungsbehörde bei der Frage zukommt, welche Unterlagen und Informationen als geeignete Grundlage einer überschlägigen Prüfung benötigt werden,47 erheblich eingeschränkt. Art. 4 Abs. 4 UVP-RL-neu verlangt für das Screening ___________ 42 Zu den von den Mitgliedstaaten hierbei zu beachtenden Ermessensgrenzen: EuGH, Rs. C-72/95, Slg. 1996, I-5403 – Kraaijeveld; Rs. C-133/94, Slg. 1996, I-2323 Rn. 41ff. – Kommission ./. Belgien; Rs. C-301/95, Slg. 1998 – Kommission ./. Deutschland; Meßerschmidt, Europäisches Umweltrecht, § 8 Rn. 56 ff. 43 BVerwG, Urt. vom 7.12.2006 – 4 C 16/04 –, NVwZ 2007, 576, Rn. 48. 44 OVG Hamburg, Beschl. vom 24.2.2014 – 5 Bs 24/10 –, UPR 2010, 454, Rn. 19; BayVGH, Beschl. vom 12.3.2014 – 22 ZB 13.2382 –, juris Rn. 29. 45 BVerwG, Beschl. vom 28.2.2013 – 7 VR 13/12 –, UPR 2013, 345 Rn. 15. 46 BVerwG, Urt. vom 20.12.2011 – 9 A 31/10 –, BVerwGE 141, 282 Rn. 25. 47 BVerwG, Urt. vom 7.12.2006 – 4 C 16.04 –, BVerwGE 127, 208 Rn. 49; Urt. vom 20.12.2011 – 9 A 31/10 –, BVerwGE 141, 282 Rn. 25.

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zukünftig eine „kleine UVP“. Der Vorhabenträger wird dazu verpflichtet, die in Anhang II UVP-RL-neu genannten Informationen über Merkmale des Projektes und die damit verbundenen möglichen erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt im Screeningverfahren vorzulegen. Hierzu gehören neben einer Beschreibung des Projekts und seinen physischen Merkmale einschließlich von Abrissarbeiten, eine Beschreibung des Projektstandortes, seiner ökologischen Empfindlichkeit und der geographischen Räume, die durch das Projekt möglicherweise beeinträchtigt werden, eine Beschreibung der Umweltfaktoren, die vom Projekt möglicherweise erheblich beeinträchtigt werden sowie der möglichen Auswirkungen auf die Umwelt infolge von Rückständen, Emissionen und der Abfallerzeugung sowie der Nutzung von natürlichen Ressourcen (Boden, Flächen, Wasser und biologische Vielfalt). Weiter hat der Vorhabenträger den Kriterien des Anhangs III UVP-RL für die UVS, soweit sie relevant sind, bei Zusammenstellung seiner Angaben im Rahmen des Screenings Rechnung zu tragen. Durch diese neuen Rechtspflichten wird der Prüfaufwand für den Vorhabenträger beim Screening erheblich ausgeweitet. Die Auswahl der Unterlagen steht nicht mehr in seinem Ermessen; sie entspricht vielmehr weitgehend den Unterlagen, die für eine UVS erforderlich sind. Der Aufwand für Vorhabenträger steigt damit beträchtlich.48 Andererseits trägt die Neuregelung jedoch zur Objektivierung und Vergleichsmäßigung des Screenings bei. Sie verhindert pauschale, ergebnisorientierte Prüfungen und trägt auf diese Weise zu einer Verbesserung der Grundlage der Entscheidung über die UVP-Pflicht von Einzelvorhaben bei. Der Neuregelung in Art. 4 Abs. 4 UVP-RL-neu ist im nationalen Recht durch eine Änderung des § 3c UVPG Rechnung zu tragen. Nach Art. 4 Abs. 5 UVP-RL trifft die Behörde zukünftig im Screeningverfahren ihre Entscheidung über die UVP-Pflicht eines Vorhabens unter Berücksichtigung der vom Vorhabenträger vorgelegten Unterlagen. In ihrer Entscheidung hat sie dabei unter Bezugnahme auf die in Anhang III für die UVP-Pflicht relevanten Kriterien darzulegen, warum eine UVP-Pflicht besteht oder nicht besteht. Die Entscheidung hierüber ist der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Diese Regelung erfordert eine Anpassung des § 3a S. 2 UVPG, denn hiernach ist nur die Ablehnung der UVP-Pflicht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, während bei einer Feststellung der UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens die Öffentlichkeit nur nach den Regelungen des UIG des Bundes oder der Länder zu unterrichten ist.49 Nach Art. 4 Abs. 6 UVP-RL-neu haben die Mitgliedstaaten zukünftig ihre Entscheidung in Screeningverfahren über die UVP-Pflicht in einen Zeitraum von ___________ 48 Kritisch zur Neuregelung deshalb Kenneryessy, UPR 2013, 140; Schink, DVBl. 2013, 1353. 49 Verwiesen wird damit auf den jedermann zustehenden Auskunftsanspruch aus § 3 Abs. 1 UIG. Dienes, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, § 3a Rn. 20; Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 3a UVPG Rn. 19.

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höchstens 90 Tagen zu treffen, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Vorhabenträger alle gemäß Art. 4 Abs. 4 erforderlichen Informationen vorgelegt hat. In Ausnahmefällen, etwa wegen der Komplexität oder Größe eines Projekts kann die Frist angemessen verlängert werden.

V. UVS des Vorhabenträgers 1. Scoping-Verfahren Entgegen den ursprünglichen Absichten ist das Scoping-Verfahren nicht verpflichtender Bestandteil der UVP.50 Nach Art. 5 Abs. 2 UVP-RL-neu ist das Scoping-Verfahren vielmehr nach wie vor nur auf Antrag des Projektträgers durchzuführen. Dabei sind die nach Art. 6 Abs. 1 UVP-RL zu beteiligenden Behörden im Verfahren anzuhören (Art. 5 Abs. 2 S. 2 UVP-RL-neu). Die Mitgliedstaaten können allerdings regeln, dass das Scopingverfahren verpflichtend durchgeführt wird (Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 UVP-RL-neu). Angesichts der Unterstützungsfunktion, die das Scoping haben soll, können Zweifel daran bestehen, ob von dieser Regelung Gebrauch gemacht werden sollte.51 Sollte der Gesetzgeber allerdings erwägen, die in § 25 Abs. 3 VwVfG fakultativ vorgesehene frühe Öffentlichkeitsbeteiligung verpflichtend zu machen,52 ist empfehlenswert, diese mit einem pflichtigen Scoping zu kombinieren. Denn hierüber kann erreicht werden, dass in UVP-pflichtigen Vorhaben vor Stellung eines Zulassungsantrages eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung auf der Grundlage von Unterlagen über die voraussichtlichen Umweltauswirkungen des Vorhabens unter Einbeziehung des fachbehördlichen Sachverstandes durchgeführt wird.53 2. UVS des Vorhabenträgers Die Neufassung des Art. 5 Abs. 1 UVP-RL-neu zu den Angaben des Projektträgers entspricht weitgehend der bisher in Art. 5 Abs. 3 UVP-RL enthaltenen Regelung. Allerdings werden die vom Projektträger geforderten Angaben für den ___________ 50

1353. 51

Zu diesem Regelungsvorschlag: Kenneryessy, UPR 2013, 140; Schink, DVBl. 2013,

Zur Unterstützungsfunktion des Scopings: Kment, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, § 5 Rn. 3. 52 Für eine solche Regelung Schink, EU-rechtliche Spielräume für eine Begrenzung der Öffentlichkeitsbeteiligung in UVP-pflichtigen Verfahren, EurUP 2014, Heft 2 (i. E.). 53 Für eine Kombination von früher Öffentlichkeitsbeteiligung und Scoping: Schink, Öffentlichkeitsbeteiligung – Beschleunigung – Akzeptanz, DVBl 2011, 1377, 1382; ders., Bürgerakzeptanz durch Öffentlichkeitsbeteiligung in der Planfeststellung, ZG 2011, 226, 234.

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UVP-Bericht durch eine Modifikation des Anhangs IV UVP-RL erheblich ausgeweitet. Einbezogen werden in die Prüfung müssen zukünftig Abrissarbeiten, der Verbrauch von Grund und Boden während der Bau- und Betriebsphase, der Energiebedarf und Energieverbrauch, der Ressourcenverbrauch von Wasser, Flächen, Boden und biologischer Vielfalt, die Auswirkungen des Vorhabens auf die Biodiversität und das kulturelle Erbe, einschließlich der architektonisch wertvollen Bauten und der archäologischen Aspekte, die Landschaft, das Klima (z.B. Art und Umfang der Treibhausgasemissionen) und die Anfälligkeit des Projektes für die Folgen des Klimawandels. Bei den Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt sind schwere Unfälle und/oder Katastrophen mit einzubeziehen, soweit diese für das betroffene Projekt relevant sind. Besonders kritisch wird beurteilt, dass vom Vorhabenträger zukünftig eine Beschreibung der relevanten Aspekte des aktuellen Zustandes der Umwelt (Basisszenario) und eine Übersicht über deren wahrscheinliche Entwicklung bei Nichtdurchführung des Projektes gefordert wird, soweit die natürlichen Veränderungen gegenüber dem Basisscenario mit zumutbarem Aufwand auf der Grundlage verfügbarer Umweltinformationen und wissenschaftlichen Kenntnissen beurteilt werden kann (UVP-RL-neu, Anhang IV Nr. 3). Kritisiert wird hieran vor allem, dass durch das geforderte Basisszenario der Projektbezug der UVP verloren gehen und dieses eine Einladung dazu darstellen könnte, uferlose Untersuchungen aller irgendwie relevanten Umweltaspekte in die UVP einzubringen.54 Die Regelung lasse im Unklaren, welche Umweltaspekte konkret zu betrachten sind. Weiter werde nicht deutlich, über welchen Zeitraum und in welcher räumlichen Dimension die Betrachtung vorzunehmen ist. Der Vorhabenträger werde so vor kaum lösbare Aufgaben gestellt; ihm werde faktisch eine unbeschränkte hypothetische Untersuchung auferlegt, die in der Praxis nicht leistbar sei.55 An dieser Kritik ist festzuhalten. Gegenüber den Vorentwürfen wird das Basisszenario zwar jetzt nur noch verlangt, soweit es mit zumutbarem Aufwand auf der Grundlage verfügbarer Umweltinformationen und wissenschaftlicher Kenntnis erstellt werden kann. Unklar bleibt jedoch nach wie vor, auf welche Elemente im Einzelnen und welchen Raum sich das Basisszenario beziehen soll. Darüber hinaus dürfte es dem Vorhabenträger kaum möglich sein, die Entwicklung der Umwelt ohne sein Vorhaben vorauszusagen. Denn in diese Prognose müssen die Auswirkungen anderer Vorhaben ebenso wie die natürliche Entwicklung und die Folgen des Klimawandels eingehen. Die Prognose der zukünftigen Umweltentwicklung stellt den Vorhabenträger vor komplexe, kaum lösbare Aufgaben. Schließlich fragt sich, in welchem Bezug das Basisszenario zur Umweltverträglichkeitsprüfung für das konkrete Vorhaben steht. Denn über das Basisszenario hinaus verlangt Anhang IV UVP-RL in jedem Fall eine Beschreibung der Umwelt am Standort des Vorhabens und dessen Veränderungen als Folge ___________ 54 55

Vgl. Schink, DVBl. 2013, 1252; Kennyeressy, UPR 2013, 142. Kennyeressy, UPR 2013, 142.

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seiner Zulassung. Welchen darüber hinausgehenden Erkenntniswert für die Zulassungsfähigkeit eines Vorhabens das Basisszenario haben soll, bleibt unerfindlich. 3. Qualitätssicherung des UVP-Berichts Zur Qualitätssicherung des UVP-Berichts sieht Art. 5 Abs. 3 UVP-RL-neu zwei Neuregelungen vor: Zum einen muss der Projektträger sicherstellen, dass der Umweltbericht von kompetenten Fachleuten erstellt wird. Zum anderen hat die zuständige Behörde zu gewährleisten, dass sie über Personal mit ausreichendem Fachwissen verfügt bzw. erforderlichenfalls Fachkenntnisse einholen kann, um den UVP-Bericht zu prüfen. Ob eine ausdrückliche Verpflichtung des Vorhabenträgers, für die Erstellung des UVP-Berichts in jedem Fall Sachverständige heranzuziehen, erforderlich ist, mag man bezweifeln.56 Sie dürfte jedoch zur Qualitätssicherung der UVS sinnvoll und erforderlich sein und entspricht weitgehend der bisherigen Praxis. Die Verpflichtung, Behörden mit ausreichendem Fachpersonal auszustatten bzw. diese Fachkenntnisse erforderlichenfalls extern nachzufragen, wird erhebliche Auswirkungen auf die Personalausstattung der Zulassungsbehörden für UVP-pflichtige Vorhaben haben: Entweder müssen sie zukünftig Personal vorhalten, das in der Lage ist, sämtliche Umweltauswirkungen des Vorhabens zu prüfen und zu beurteilen oder sie müssen externe Sachverständige mit einer solchen Prüfung beauftragen. Auch dies trägt sicherlich zur Qualitätssicherung der UVP bei. Viele Behörden werden allerdings kaum in der Lage sein, immer den erforderlichen Sachverstand für die Prüfung der UVS und anderer, für die UVP relevanter Unterlagen aufzubieten.57 Angesichts der im Verfahren erforderlichen Beteiligung der Fachbehörden stellt sich auch die Frage nach der Notwendigkeit einer solchen Bestimmung. Wegen der knappen personellen und finanziellen Ressourcen gerade der Umweltverwaltung erscheint es jedoch zweifelhaft, ob diese Anforderungen wirklich in der Praxis umgesetzt werden können. 4. Alternativenprüfung/Kumulation Hinzuweisen ist weiter darauf, dass Art. 5 UVP-RL-neu keine verpflichtende Alternativenprüfung für UVP-pflichtige Vorhaben eingeführt hat. Es verbleibt ___________ 56

Dazu Kennyeressy, UPR 2013, 142. Das gilt nicht nur, aber in besonderer Weise für die Behörden der Kreisstufe, die nach nationalem Recht in vielen Fällen für die Zulassung UVP-pflichtiger Vorhaben zuständig sind. Soweit die Bauleitplanung selbst UVP-pflichtig ist (dazu Schink, Umweltverträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung, UPR 2004, 81 ff.), betrifft diese Vorgabe auch die Gemeinden. 57

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viel mehr dabei, dass die Alternativenprüfung dem Vorhabenträger überlassen ist, der geprüfte vernünftige anderweitige Lösungsmöglichkeiten und die Angabe der wesentlichen Gründe für die ausgewählte Lösung im Hinblick auf die Umweltauswirkungen vorzulegen hat, soweit er eine Alternativenprüfung vorgenommen hat (Art. 5 Abs. 1 lit. d) UVP-RL-neu; Anhang IV Nr. 2). Es verbleibt deshalb beim bisherigen Rechtszustand, wonach eine Alternativenprüfung nur nach den materiell-rechtlichen Vorgaben des Fachrechts, nicht jedoch als Bestandteil der UVP erforderlich ist.58 Näher geregelt im Anhang IV ist auch die Einbeziehung kumulierender Vorhaben. Nr. 5 lit. e) Anhang IV UVP-RL-neu sieht vor, dass der Umweltbericht sich auch erstrecken muss auf die Kumulierung der Auswirkungen mit anderen vorhandenen und/oder genehmigten Projekten. Zu berücksichtigen sind dabei alle vorhandenen Umweltprobleme in Bezug auf möglicherweise betroffene Gebiete mit besonderer umweltbedingter Bedeutung oder die Nutzung der natürlichen Ressourcen. Ob die Kompromisslösung § 3b Abs. 2 UVPG59 dieser Regelung gerecht wird, erscheint zweifelhaft. Anhang IV Nr. 5 lit. (e) UVP-RL-neu stellt – anders als § 3b Abs. 2 UVPG – nicht darauf ab, ob es sich um mehrere Vorhaben derselben Art handelt, die gleichzeitig verwirklicht werden sollen. Vielmehr sind hiernach – ebenso wie bei den Auswahlkriterien für das Screening nach Anhang III Nr. 3 lit. (h) – die Auswirkungen vorhandener und/oder genehmigter Vorhaben einzubeziehen. Zwar ist nach § 3b Abs. 2 S. 1, 2 UVPG eine Kumulierung mit anderen selbständigen Anlagen auch dann zu berücksichtigen, wenn die Voraussetzungen des § 3b Abs. 2 S. 1 und 2 UVPG nicht vorliegen, da gemäß § 3c S. 1 UVPG die ökologische Empfindlichkeit eines Gebietes, das durch ein Vorhaben möglicherweise beeinträchtigt wird, unter Berücksichtigung der Kumulierung mit anderen Vorhaben mit ihrem gemeinsamen Einwirkungsbereich zu beurteilen ist.60 Die Kumulation ist nach § 3b Abs. 2 S. 1 UVPG jedoch auf Vorhaben beschränkt, die gleichzeitig verwirklicht werden sollen und in einem engen Zusammenhang stehen. Diese Einschränkung ist weder in Anhang III Nr. 1 lit. b), Nr. 3 lit. a) noch im Anhang IV Nr. 5 lit. e) UVP-RL-neu ___________ 58 Dazu BVerwG, Urt. vom 30.5.1984 – 4 C 58/81 –, BVerwGE 69, 256, 273; Beschl. vom 20.12.1988 – 7 NB 2/88 –, BVerwGE 81, 128, 136; Urt. vom 25.1.1996 – 4 C 5/95 –, BVerwGE 100, 238, 249; Urt. vom 18.3.2009 – 9 A 39/07 –, BVerwGE 133, 239 Rn. 131; Urt. vom 24.11.2010 – 9 A 13/09 –, BVerwGE 138, 226 Rn. 54. Vgl. auch Steinberg/Wickel/Möller, Fachplanung, 4. Aufl. 2012, § 3 Rn. 178 ff.; Hoppe/Schlarmann/Buchner/Deutsch, Rechtsschutz bei der Planung von Verkehrsanlagen und anderen Infrastrukturvorhaben, 4. Aufl. 2011, Rn. 813 ff., 889 ff., 915 ff; Schink, Umweltschutz durch Bauplanungsrecht, in: Hansmann/Sellner (Hrsg.), Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. 2012, 5/Rn. 112 ff.; Schink, in: Knack/Henneke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 74 Rn. 124. 59 Dazu zum Zustandekommen dieser Regelung: Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 3 b UVPG Rn. 6; Dienes, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, § 3 b Rn. 10 ff. 60 BVerwG, Urt. vom 20.8.2008 – 4 Z 11/07 –, BVerwGE 131, 352 Rn. 31.

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enthalten. Die Kumulationsregelung des § 3b Abs. 2 UVPG wird deshalb ausgeweitet werden müssen. Zu berücksichtigen sind die Umweltauswirkungen aller genehmigter Vorhaben (Vorbelastung) sowie von geplanten. Auf die Gleichzeitigkeit der Verwirklichung, denselben Vorhabentyp oder eine räumliche Nähe kommt es nach dem Wortlaut der Neuregelung nicht an.

VI. Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung Art. 6 Abs. 2 UVP-RL verpflichtete die Mitgliedstaaten bislang, die Öffentlichkeit durch öffentliche Bekanntmachung frühzeitig über das Vorhaben und die hierüber verfügbaren Informationen zu unterrichten, die insbesondere vom Vorhabenträger eingeholt wurden.61 Eine öffentliche Bekanntmachung durch elektronische Medien war nur fakultativ vorgesehen. Die Neufassung der UVP-RL sieht in Art. 6 Abs. 2 jetzt eine verpflichtende öffentliche Bekanntmachung durch elektronische Medien vor (Art. 6 Abs. 2 S. 1 UVP-RL-neu). Dabei sind zukünftig die relevanten Informationen der Öffentlichkeit auf einer angemessenen Verwaltungsebene elektronisch zugänglich zu machen, und zwar mindestens über ein zentrales Portal oder über einfach zugängliche Zugangsstellen (Art. 6 Abs. 5 S. 2 UVP-RL-neu). Die öffentliche Bekanntmachung durch elektronische Medien tritt zukünftig verpflichtend neben die öffentliche Bekanntmachung. Zukünftig erforderlich ist eine doppelte Bekanntmachung, nämlich eine herkömmliche, z.B. in Amtsblättern oder Tageszeitungen, sowie eine elektronische. Präzisiert worden ist auch die Regelung über den Zeitrahmen der verschiedenen Phasen der Öffentlichkeitsbeteiligung in Art. 6 Abs. 6 UVP-RL. Nach Art. 6 Abs. 6 lit. b) UVP-RL-neu muss der betroffenen Öffentlichkeit ausreichend Zeit zur Vorbereitung und effektiven Beteiligung am umweltbezogenen Entscheidungsverfahren eingeräumt werden. Die Anhörungsfrist für die betroffene Öffentlichkeit zum UVP-Bericht muss im Übrigen nach dem neu angefügten Art. 6 Abs. 7 UVP-RL zukünftig mindestens 30 Tage betragen. §§ 9 Abs. 1 S. 3 UVP, 73 Abs. 4 S. 1 VwVfG sind an diese Neuregelung anzupassen. Ob die einmonatige Auslegungsfrist der §§ 9 Abs. 1 S. 3 UVPG, 73 Abs. 3 S. 1 VwVfG den neuen Anforderungen genügt, ist bei Vorhaben mit umfangreichen Stellungnahmen und Gutachten zweifelhaft.62 ___________ 61 Zu den Anforderungen, die sich aus dieser Regelung für die öffentliche Bekanntmachung ergeben: BVerwG, Urt. vom 18.7.2013 – 4 CN 3/12 –, DVBl. 2013, 1321 m. Anm. Stüer/Stüer, DVBl. 2013, 1324 ff.; Smehyl, KommunalpraxisBy 2013, 420 ff. und Schink, Anforderungen an die öffentliche Bekanntmachung der Arten umweltbezogener Informationen gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB, UPR 2014, 3 ff. Vgl. auch OVG Lüneburg, Beschl. vom 25.2.2014 – 1 MN 245/13, juris Rn. 33; OVG NRW, Beschl. vom 19.2.2014 – 2 D 83/13.NE –, juris Rn. 25 ff.; BVerwG, Beschl. vom 14.1.2014 – 4 BN 41/13 –, juris Rn. 2. 62 Dazu Schink, EurUP 2014, Heft 2 (i. E.).

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VII. Entscheidung in UVP-pflichtigen Verfahren Keine Änderung in der Sache stellt die Ergänzung des Art. 8 UVP-RL-neu dar, wonach die Ergebnisse der Konsultationen, der vom Vorhabenträger vorgelegten UVS der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung sowie der eingeholten Stellungnahmen „gebührend“ zu berücksichtigen sind. Nach wie vor richtet sich die Frage, wie und inwieweit die Ergebnisse der UVP in die Entscheidung eingehen und dort berücksichtigt werden können, nach den Anforderungen des materiellen Rechts,63 die im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen sind und die eine medienübergreifende Prüfung und Berücksichtigung ermöglichen müssen.64 Zu erwägen ist allerdings, dass die Neuregelung in Art. 8 UVP-RL-neu bei Abwägungsentscheidungen zu einer Stärkung des Gewichts der zu berücksichtigenden Umweltbelange führt. Nach allgemeiner Auffassung zum bisherigen Rechtszustand werden die betroffenen Umweltbelange durch die UVP nicht in ihrer Bedeutung gestärkt.65 Der Grund hierfür liegt letztlich darin, dass eine abstrakte Vorrangstellung von Umweltbelangen in UVP-pflichtigen Verfahren weder mit dem gesetzlichen Bestimmtheitsgebot noch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar wäre.66 An dieser Ausgangslage ändert die Neuformulierung des Art. 8 UVP-RL nichts. Das eingefügte Wort „gebührend“ weist vielmehr lediglich darauf hin, dass Umweltbelange (in Abwägungsentscheidungen) entsprechend ihrem – tatsächlichen und rechtlichen Stellenwert zu berücksichtigen sind und dass hierbei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten ist. Eine abstrakte Vorrangigkeit oder Steigerung der Gewichtigkeit von Umweltbelangen ist damit nicht intendiert. 1. Formelle Anforderungen an Entscheidungen in UVP-pflichtigen Verfahren Nach der neu eingefügten Regelung des Art. 8 a Abs. 1 lit. (a) UVP-RL-neu muss die Entscheidung in UVP-pflichtigen Verfahren folgenden formellen Rechtmäßigkeitsanforderungen genügen: Die Entscheidung muss enthalten ‒

eine begründete Schlussfolgerung über die erheblichen Umweltauswirkungen des Projekts unter Berücksichtigung UVS und eigener Untersuchungen,

___________ 63

Beckmann, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, § 12 Rn. 70. Erbguth/Schink, UVPG, § 12 Rn. 32; Beckmann, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, § 12 Rn. 72. 65 Beckmann, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, § 12 Rn. 67; Wulfhorst, in: Landmann/Rohmer, UVPG, § 12 Rn. 37. 66 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 – 4 C 19.94 –, NVwZ 1996, 1016; Beckmann, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, § 12 Rn. 67. 64

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alle Umweltauflagen, die mit der Entscheidung verbunden sind und eine Beschreibung aller Maßnahmen, mit denen erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden, ihnen vorgebeugt oder sie verringert bzw. ausgeglichen werden sollen, soweit angemessen: Überwachungsmaßnahmen.

Wird eine Genehmigung nicht erteilt, sind die hierfür wesentlichen Gründe in die Entscheidung aufzunehmen (Art. 8 a Abs. 2 UVP-RL-neu). Die genannten Anforderungen gelten auch, wenn Vorhaben nicht in Genehmigungsverfahren, sondern durch gesetzliche Regelung oder Verordnung zugelassen werden (Art. 8 a Abs. 3 UVP-RL-neu). Für den Zeitrahmen der Entscheidung legt die UVP-RL keine Fristen fest. Art. 8 a Abs. 4 a UVP-RL-neu bestimmt vielmehr lediglich, dass die zuständige Behörde Entscheidungen über die Zulässigkeit UVP-pflichtiger Vorhaben in einer angemessen Frist trifft. Eine weitere wichtige Regelung für das Verfahren enthält Art. 8 a Abs. 5 UVP-RL-neu. Hiernach soll die Behörde der Entscheidung über die Bewertung der Umweltverträglichkeit eines Vorhabens gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. g) Ziff. IV UVP-RL-neu aktuelle Entscheidungsgrundlagen zu Grunde legen. Art. 8 a Abs. 5 S. 2 UVP-RL-neu verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, Fristen für die Gültigkeit der Bewertung der Umweltverträglichkeit nach Art. 1 Abs. 2 lit. g) Ziff. IV festzulegen. Daraus ergibt sich für die Behörden ein nicht unerheblicher Druck, auf eine Verfahrensbeschleunigung hinzuwirken und diese zu realisieren. Wenn nämlich wegen Zeitablaufs die UVP „abgelaufen“ ist und nicht mehr verwendet werden kann, müssen ggf. die UVS und die Konsultationen der Behörden und der Öffentlichkeit wiederholt werden. Um dies zu verhindern ist im Verfahren zukünftig zu gewährleisten, dass die Zeitspanne zwischen der Vorlage der UVS und der Sachentscheidung innerhalb eines angemessenen Rahmens liegt, der sicherstellt, dass die UVS sowie die eingeholten Konsultationen weiter verwendet werden können. Dabei dürfte ein Zeitrahmen von maximal 2 Jahren schon angesichts häufig unvorhersehbarer Entwicklungen im Naturhaushalt angemessen sein. 2. Monitoring Regelungen über einen Monitoring enthielt die UVP-RL im Gegensatz zur SUP-RL bislang nicht.67 Deshalb regelte § 14 m UVPG nur die Überwachung ___________ 67 Zum SUP-Monitoring gem. § 14m UVPG: Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann, § 14m Rn. 14 ff. Zum Monitoring in der Bauleitplanung, das auf der Vorgabe für die SUP basiert: Stüer/Sailer, Monitoring in der Bauleitplanung, BauR 2004, 1392, 1395; Schink,

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der Auswirkungen von Plänen und Programmen.68 Nach Art. 8 a Abs. 4 UVPRL-neu ist in UVP-pflichtigen Entscheidungen zukünftig auch festzulegen, in welchen Verfahren ein Monitoring erfolgen soll. Dabei sollen die Überwachungsmaßnahmen den zu überwachenden Auswirkungen auf die Umwelt und ihrer Dauer nach Art und Umfang sowie dem Standort des Projekts und dem Ausmaß seiner Auswirkungen auf die Umwelt angemessen sein. Es sollen also nur verhältnismäßige Monitoringmaßnahmen festgelegt werden, die sich je nach Wirkungspfad erheblich unterscheiden können. Bestehen nach EU- oder nationalem Recht bereits geeignete Überwachungsregelungen, können diese weiterhin angewendet werden. Insbesondere die Überwachungsregelungen nach der IE-RL (vgl. Art. 16, 23) sowie dem BImSchG können deshalb vollinhaltlich in das Monitoringkonzept integriert werden und zusätzliche Anforderungen ersetzen.

VIII. Objektivität der Zulassungsbehörden/Sanktionen Um eine objektive Durchführung der UVP zu gewährleisten, bestimmt Art. 9a UVP-RL-neu, dass die zuständigen Behörden zu einer objektiven Durchführung der UVP-verpflichtet und Interessenkollisionen auszuschließen sind. Als Mindesterfordernis sieht Art. 9a UAbs. UVP-RL-neu hierzu vor, dass bei den zuständigen Zulassungsbehörden zumindest eine funktionelle Trennung von Aufgaben durchgeführt wird, deren gemeinsame Wahrnehmung mit der Verpflichtung zur Durchführung einer objektiven UVP nicht vereinbar ist. Danach ist insbesondere eine funktionale Trennung zwischen Vorhabenträger und Zulassungsbehörde geboten. Diese Anforderungen gelten nach der Rechtsprechung des BVerwG für die Planfeststellung bereits heute.69 Eine gesetzliche Regelung zur Umsetzung des Art. 9a UAbs. 2 UVP-RL-neu ist jedoch sinnvoll. Neu aufgenommen in die UVP-RL wurde eine Sanktionsregelung. Art. 10a UVP-RL-neu legt – ebenso wie z. Bsp. Art. 79 IE-RL – hierzu fest, dass die Mitgliedstaaten Regelungen dazu treffen müssen, welche Sanktionen bei Verstößen gegen innerstaatliche Vorschriften zur Umsetzung der UVP-RL zu verhängen sind. Die Sanktionen müssen dabei wirksam, verhältnismäßig und abschre___________ in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 2. Aufl. 2014, Rn. 14 ff.; Uechtritz, Die Umweltprüfung in der Bauleitplanung, BauR 2005, 18591875. 68 Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, § 14 m Rn. 9. Zur parallelen Regelung in der Bauleitplanung vgl. nur Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 4c Rn. 2 ff.; Schink, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, § 4c Rn. 2 f. 69 BVerwG, Urt. vom 18.3.2009 – 9 A 39/07 –, BVerwGE 133, 239; Urt. vom 24.11.2011 – 9 A 23/10 –, NVwZ 2012, 557. Kritisch: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 73 Rn. 21; Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 74 Rn. 7; Lieber, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2014, § 74 Rn. 68.

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ckend sein. Welche Sanktionen der Gesetzgeber im Einzelnen bei Verstößen gegen UVP-Pflichten wählt, unterliegt nach dieser Regelung seinem gesetzgeberischen Ermessen. In Betracht kommen insbesondere Ordnungswidrigkeitentatbestände, aber auch verwaltungsrechtliche Instrumente, wie Bestimmungen über einer nachträglichen Aufhebung oder Außerkraftsetzung des Vollzugs von Vorhabenzulassungen, die ohne die gebotene UVP oder unter Verstoß gegen Verfahrensanforderungen der UVP-RL zustande gekommen sind.

IX. Verwaltungsrechtsschutz Art. 11 UVP-RL ist bei der Neufassung der UVP-RL unverändert geblieben. Die bisherigen Auslegungsprobleme insbesondere im Hinblick auf die Frage, welchen Stellenwert UVP-Verfahrensfehler für den Erfolg einer Klage haben, sind damit weiterhin ungelöst. Die Auslegungsprobleme, die die Altrip-Entscheidung des EuGH beschwert hat, müssen infolge dessen vor allem in der Rechtsprechung bewältigt werden.70

X. Umsetzungsfrist und Übergangsregelungen Die Umsetzungsfrist für die durch die UVP-Änderungsrichtlinie getroffenen Neuregelungen beträgt 3 Jahre. Eingeleitete Verfahren mit UVP-Screening sind nach den bisherigen Regelungen fortzuführen (Art. 3 Abs. 1 der Änderungsrichtlinie). Ist im UVP-pflichtigen Verfahren bei Ablauf der Umsetzungsfrist das Scopingverfahren oder das Behördenbeteiligungsverfahren eingeleitet, werden diese nach den bisherigen Vorschriften zu Ende geführt (Art. 3 Abs. 2 der Umsetzungsrichtlinie).

XI. Fazit Die – je nach Standpunkt – erwarteten oder befürchteten erheblichen Änderungen der UVP-RL sind ausgeblieben. Weder ist das Scoping verpflichtend ge___________ 70

EuGH, Urt. vom 7.11.2013 – Rs. C-72/12 – Gemeinde Altrip, DVBl 2013, 1597. Zu dieser Entscheidung und den hieraus zu ziehenden Folgerungen: Ekardt, Nach dem Altrip-Urteil: Von der Klagebefugnis zu Verfahrensfehlern, Abwägungsfehlern und Individualrechtsschutz, NVwZ 2014, 393 ff.; Gärditz, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht, NVwZ 2014, 1, 7; Kokott/Sobotta, Rechtsschutz im Umweltrecht, DVBl 2014, 132, 133 f.; Meitz, Urteilsanmerkung, ZUR 2014, 40 ff.; Schlacke, Zur fortschreitenden Europäisierung des (Umwelt-)Rechtsschutzes, NVwZ 2014, 11, 14; Stüer/Stüer, Urteilsanmerkung, DVBl 2013, 1601 ff.

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worden, noch ist eine Alternativenprüfung für UVP-pflichtige Verfahren zwingend vorgegeben noch misst sich die UVP zukünftig auch eine materielle Wirkung bei. Die Änderungen betreffen in erster Linie Verfahrensanforderungen, die dem Ziel dienen sollen, die Objektivität und gleichmäßige Anwendung der UVP-RL in den Mitgliedstaaten sicherzustellen. Hierdurch werden sowohl für Vorhabenträger als auch die Behörden neue Verfahrensanforderungen gestellt. Eine grundlegende Neuorientierung enthält die UVP-RL indessen nicht. Die Verfahrensanforderungen werden – wenn auch zum Teil mit nicht unerheblichem Aufwand – zu bewältigen sein.

Privatisierung im Rahmen der Eisenbahnverkehrsverwaltung Von Moritz Metzler

I. Einleitung Seit der Bahnreform von 1994 unterliegt das einfachgesetzliche Eisenbahnrecht einem stetigen Wandel. Dabei ist das Eisenbahnverfassungsrecht seit 1994 von (weiteren) europäischen Vorgaben bislang verschont worden. Durch aktuelle europäische Vorgaben – die insbesondere eine Privatisierung der Eisenbahnverkehrsverwaltung intendieren – könnte eine Änderung des Eisenbahnverfassungsrechts aber notwendig werden. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Grenzen der Privatisierung der Eisenbahnverkehrsverwaltung und fokussiert speziell den Einsatz privater Stellen bei der staatlichen Aufgabenwahrnehmung unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben (B.). Dabei stellt sich insbesondere auch die Frage, ob eine Akkreditierung privater Stellen deren Einsatz im Rahmen der Verwaltung zu legitimieren im Stande ist (C.). Abschließend sollen die hier gefundenen Ergebnisse zusammengefasst werden (D.).

II. Grenzen der Privatisierung der Eisenbahnverkehrsverwaltung Zunächst soll der Begriff der Eisenbahnverkehrsverwaltung an Konturschärfe gewinnen (I.), um sodann die Frage zu stellen, ob ein verfassungsrechtlicher Nukleus der Eisenbahnverkehrsverwaltung besteht, der – vorbehaltlich einer Grundgesetzänderung – nicht reduziert werden darf (II.), um anschließend die Privatisierungstendenzen im Rahmen der Eisenbahnverkehrsverwaltung näher zu beleuchten (III.). 1. Begriffsbestimmung Eisenbahnverkehrsverwaltung Gemäß Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG wird die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes in bundeseigener Verwaltung geführt, während die eigentliche Leistungserbringung selbst (etwa Betreiben von Infrastruktur, Angebot

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von Verkehrsleistungen) auf privatwirtschaftlich agierende Wirtschaftsunternehmen übertragen ist, Art. 87e Abs. 3 GG. Die Eisenbahnverkehrsverwaltung nach Art. 87e GG wird entsprechend ihrer leistungsverwaltungsrechtlichen Komponente entkleidet und, wie es die Entwurfsbegründung1 sagt, auf Verwaltung im traditionellen Rechtsverständnis beschränkt.2 Den Behörden der Eisenbahnverkehrsverwaltung in Bund und Ländern obliegt danach im Rahmen des Gesetzesvollzuges u.a. die Aufsicht über die Beachtung des Rechts im Bereich des Eisenbahnwesens durch Eisenbahnverkehrsunternehmen und Unternehmen, die Eisenbahninfrastruktur betreiben. Für eine nähere Konturierung im Sinne einer positivrechtlichen Beschreibung des Verwaltungsspektrums hilft dies aber nur bedingt weiter. Nach der Begründung des Gesetzes soll sich die Formulierung des Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG an Art. 87d Abs. 1 GG anlehnen. Der Begriff der Eisenbahnverkehrsverwaltung ist bislang im Grundgesetz nicht enthalten. Er ist so zu verstehen und auszulegen wie der in Art. 87d verwendete Begriff „Luftverkehrsverwaltung“.3 Das BVerfG hat den Begriff der Eisenbahnverkehrsverwaltung positiv dahin beschrieben, es umfasse „alle hoheitlichen Ordnungs- und Steuerungsaufgaben, die das Eisenbahnwesen einschließlich des Baus und des Betriebs der Eisenbahnen betreffen“.4 Im Weiteren heißt es, dass es Aufgabe des Staates ist, konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung auf den Bahnanlagen abzuwehren.5 Nach der einschlägigen Kommentarliteratur soll unstreitiger Kern der Materie „Eisenbahnverkehrsverwaltung“ die Aufgabe der Gefahrenabwehr sowie klassische Wirtschaftsüberwachung sein und unproblematisch erfasst sei damit das gesamte Spektrum traditioneller präventiver und repressiver ordnungsbehördlicher Maßnahmen (etwa Genehmigung, Überwachung)6. Daneben sollen Regulie___________ 1

BT-Drs. 12/5051 S. 6 ff. BT-Drs. 12/5051 S. 6. 3 BT-Drs. 12/5051 S. 6; Schmidt-Aßmann/Röhl weisen zu Recht darauf hin, dass man von den in Bezug genommenen Verkehrsbereichen keine wesentlichen Interpretationshilfen wird erwarten können (Schmidt-Aßmann/Röhl, Grundpositionen des neuen Eisenbahnverfassungsrechts DÖV 1994, 577 [583]). Denn jeder dieser Verkehrsbereiche habe seine eigenen technisch-organisatorischen und geschichtlichen Bedingtheiten, die das jeweilige Verwaltungsverständnis prägen und auf andere Bereiche nicht einfach übertragbar sind (Schmidt-Aßmann/Röhl a.a.O.). 4 BVerfGE 97, 198 (222). 5 BVerfGE 97, 198 (223). 6 Möstl, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Loseblatt, Art. 87e Rn. 149. Die dort aufgezählten und im Folgenden wiedergegebenen Aspekte sollen nicht abschließend sein. Möstl a.a.O.; so auch Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz, Art. 87e Rn. 3. 2

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rungsverwaltung (Netzzugang, Entgeltregulierung, Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Pflichten etc.), die Planfeststellung sowie als Annexkompetenz zur Eisenbahnverkehrsverwaltung auch die bahnpolizeilichen Aufgaben zum Aufgabenspektrum zu zählen sein.7 Andere8 beziehen sämtliche eisenbahnverkehrsbezogene Genehmigungen, die Aufsicht über (private) Eisenbahnunternehmen, die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und bahnpolizeiliche Aufgaben in den Begriff der Eisenbahnverkehrsverwaltung mit ein. Ferner gehe es bei Eisenbahnverkehrsverwaltung nicht nur um Aufsicht im Sinne eines gefahrenabwehrenden Minimalprogramms, sondern u.a. auch um Betriebsgenehmigungen.9 Zieht man nunmehr die Begrifflichkeit der Luftverkehrsverwaltung des Art. 87d GG in die Auslegung des Aufgabenspektrums mit ein, so ergibt sich ein Bild, dass von einer umfassenden verfassungsrechtlich verankerten Verwaltungsaufgabe ausgeht.10 Neben diese klassischen Verwaltungsaufgaben dürfte auch die in der Finanzverfassung verankerte11 Finanzierungsverantwortung für Verkehrsbedürfnisse des öffentlichen Personennahverkehrs als Teilaspekt der Eisenbahnverkehrsverwaltung hinzutreten. 2. Kernbereich Eisenbahnverkehrsverwaltung Fraglich ist, ob der eben dargestellte Aufgabenbereich, der zur Eisenbahnverkehrsverwaltung zu zählen ist, verfassungsrechtlich aufgeladen ist und damit für eine Änderung der Aufgaben im Bereich der Eisenbahnverkehrsverwaltung eine Verfassungsänderung notwendig wäre oder ob es dem einfachen Gesetzgeber überlassen sein soll, die Aufgaben, die zur Eisenbahnverkehrsverwaltung gehören sollen, zu definieren/festzulegen. Von weitergehendem Interesse ist sodann, ob der mögliche Kernbereich der Eisenbahnverkehrsverwaltung materielle Anforderungen an die zuständigen staatlichen Stellen in dem Sinne stellt, dass ein Mindestmaß an inhaltlicher Aufgabenerfüllung bei der zuständigen staatlichen Institution verbleiben muss. Verfassungsrechtlicher Kernbereich: Betrachtet man die einschlägige Kommentarliteratur der „Vorbildnorm“ Art. 87d GG („Luftverkehrsverwaltung“), so wird der Luftverkehrsverwaltung auch die „gesetzesfreie Verwaltung“ zugewiesen.12 Würde es dem einfachen Gesetzgeber überantwortet sein, zu gestalten, was ___________ 7

Möstl a.a.O., Rn. 149; BVerfG a.a.O. Vgl. Windthorst, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 87e Rn 13. 9 Schmidt-Aßmann/Röhl a.a.O., Fn. 4; ebenso Freise, in: Kunz (Hrsg.), Eisenbahnrecht, A 1.1; zu Art. 87e GG Rn. 2; Kühlwetter und Kramer, in: (Kunz), Eisenbahnrecht, A 3.1. Rn. 5. 10 Windthorst, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 87d Rn. 10f.; so auch Studenroth, Aufgaben und Befugnisse des Eisenbahn-Bundesamtes, in: VerwArch 87 (1996), 97 (100f.). 11 Vgl. Art. 106a GG. 12 Windthorst, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 87d Rn. 10. 8

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unter den Begriff „Verkehrsverwaltung“ gehört, dürfte von „gesetzesfreier Verwaltung“ keine Rede sein, da es in diesem Fall wohl keine „gesetzesfreie Verwaltung“ geben würde. Insofern geht die einschlägige Kommentierung wohl davon aus, dass der Begriff der „Luftverkehrsverwaltung“ verfassungsrechtlich aufgeladen ist. Der verfassungsrechtliche Begriff der „Luftverkehrsverwaltung“ könnte damit umfassender zu verstehen sein als der gesetzlich normierte Bereich der „Luftverkehrsverwaltung“. Entsprechend dürfte es sich – nach den Vorgaben des verfassungsändernden Gesetzgebers – bei der Eisenbahnverkehrsverwaltung verhalten. Des Weiteren streitet für einen verfassungsrechtlichen Gehalt des Begriffs der „Luftverkehrsverwaltung“ die Kommentarliteratur, wenn dort ausdrücklich von einem „verfassungsrechtlichen Rahmen“ gesprochen wird, in dem die Festlegung der einzelnen Gegenstände der Luftverkehrsverwaltung dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegt.13 Dafür, dass die Eisenbahnverkehrsverwaltung verfassungsrechtlich aufgeladen ist, dürfte schließlich auch die Entscheidung des BVerfG zur Bahnpolizei fruchtbar gemacht werden können, wenn dort eine Definition des Begriffs der Eisenbahnverkehrsverwaltung geliefert wird.14 Auch dadurch, dass die Finanzierung nach Art. 106a GG nicht im AEG abgebildet ist, spricht vieles dafür, dass ein Bereich der Eisenbahnverkehrsverwaltung besteht, ohne dass der einfache Gesetzgeber hierauf zugreifen könnte, mithin ein verfassungsrechtlicher Nukleus vorhanden ist. Es handelt sich dabei um einen historisch gewachsenen Ansatz, neben den die in der Verfassung selbst genannten Bereiche, etwa der Finanzierung, treten. Es ist damit festzuhalten, dass ein verfassungsrechtlicher Nukleus mit guten Gründen vertretbar ist.15 Die zum Kernbestand gehörende Verwaltung könnte daher, ohne Grundgesetzänderung, nicht reduziert werden. Andererseits dürfte es dem einfachen Gesetzgeber unbenommen sein, den Bereich der Eisenbahnverkehrsverwaltung zu erweitern. In Abgrenzung vom verfassungsrechtlichen Kernbereich der Eisenbahnverkehrsverwaltung, der einfachgesetzlich und im Zuständigkeitsbereich des EBA wohl überwiegend in den § 3 BEVVG und § 5 AEG zu lokalisieren sein dürfte, dürfte auch ein Bereich hinzutreten, der zwar einfachgesetzlich als Eisenbahnverkehrsverwaltung anzusehen ist, aber keine Entsprechung im grundgesetzlich postulierten Begriff der Eisenbahnverkehrsverwaltung finden dürfte. Einfachgesetzlich ist dieser Bereich – ebenfalls im Zuständigkeitsbereich des EBA – wohl ___________ 13

Windthorst, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 87d Rn. 11. BVerfG a.a.O. Fn. 5. 15 Es bedürfte an dieser Stelle sicherlich einer eingehenden, insbesondere historischen Untersuchung und Auslegung. 14

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u.a. dem § 4 Abs. 6 AEG zuzuordnen. Daran wird auch deutlich, dass der verfassungsrechtliche Bereich der Eisenbahnverkehrsverwaltung durch den einfachen Gesetzgeber erweiterbar ist. Auf die einschränkende Wirkung des Merkmals „Eisenbahnen des Bundes“ (EdB) und die juristisch nicht unproblematische Verknüpfung einer Verwaltungskompetenz an die Eigentümerstellung sei an dieser Stelle lediglich hingewiesen.16 Problematisch und klärungsbedürftig ist dabei insbesondere, wie der (legal definierte17) Begriff „Eisenbahnen des Bundes“ auszulegen ist.18 3. Privatisierung der Eisenbahnverkehrsverwaltung Nachdem festgestellt wurde, welche Bereiche der Eisenbahnverkehrsverwaltung zuzurechnen sind, stellt sich die Frage, ob und wenn ja wie diese Bereiche privatisiert werden dürfen. Zunächst sollen die gängigen Privatisierungsformen dargestellt werden (a). Sodann sollen die verfassungsrechtlichen Privatisierungsgrenzen in Bezug auf den Bereich der Eisenbahnverkehrsverwaltung konkretisiert werden (b), um im Anschluss zu untersuchen, ob der Bereich der Eisenbahnverkehrsverwaltung einen materiellen Kernbereich aufweist, der es nahelegt, ein Mindestmaß an inhaltlicher Tätigkeit, bezogen auf die Verwaltungsaufgaben, bei der öffentlichen Hand zu belassen (c). Letztlich soll unter Berücksichtigung der abstrakten Ergebnisse ein Ausblick auf die europäischen Vorgaben und Vorhaben (RL 2008/57/EG i.V.m. 2011/217/EU und 4. Eisenbahnpaket) gewagt werden (d). a) Definitionen/Begriffsbestimmungen19 aa) Formelle Privatisierung/Organisationsprivatisierung Bei der Organisationsprivatisierung behält der Bund die der Bundesverwaltung zugewiesene Aufgabe, erfüllt sie aber nicht durch eigene Behörden oder ___________ 16 Vgl. etwa BT Drs. 12/5015, S. 7, 10; sowie bezogen auf das komplexe Geflecht an Regel-Ausnahme-Verhältnissen im Bereich der Zuständigkeiten Elbracht, Die Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes in der Eisenbahnaufsicht, in: Ziekow (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Fachplanungsrechts, 2012, S. 235 (241f.). 17 Art. 73 Abs. 1 Nr. 6a GG. 18 Möstl a.a.O. Rn. 77; Möstl spricht bzgl. des Begriffs „Eisenbahnen des Bundes“ auch vom Zentral- und Schlüsselbegriff des Eisenbahnverfassungsrechts insgesamt, a.a.O. Rn. 9. 19 Vgl. zu den Begriffsbestimmungen auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 60 ff.

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bundesunmittelbare Körperschaften, sondern gründet eine privatrechtliche Eigengesellschaft. Es handelt sich hierbei um eine Form des Verwaltungsprivatrechts, das dadurch gekennzeichnet ist, dass der Staat öffentliche Aufgaben in Privatrechtsform erfüllt.20 bb) Materielle Privatisierung/Aufgabenprivatisierung Bei der sog. Aufgabenprivatisierung (auch „echte“, „eigentliche“ und „materielle Privatisierung“ genannt) entledigt sich der Staat einer bislang wahrgenommenen öffentlichen Aufgabe, indem er sie Privaten überlässt. Eine Direktionsmacht des Bundes gegenüber den Privaten, die sich nunmehr den öffentlichen Aufgaben widmen, besteht dann nicht mehr. Ob ein Rückzug des Staates aus der Erfüllung einer vom Grundgesetz zugewiesenen öffentlichen Aufgabe verfassungsgemäß wäre, ist fraglich. Dabei kann bereits hier festgestellt werden, dass eine vollständige Aufgabenprivatisierung im Bereich der sog. obligatorischen Staatsaufgaben (hierzu zählt Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG) ohne ausdrückliche Ermächtigung im Grundgesetz ausscheidet. cc) Funktionale Privatisierung/Erfüllungsprivatisierung Zentrales Merkmal der funktionalen Privatisierung21 ist, dass die Verantwortung für eine Staatsaufgabe teilweise auf einen Privaten verschoben wird. Der Staat behält die Leitungsverantwortung, dem Privaten werden vorbereitende und/oder durchführende Tätigkeiten überantwortet (Vorbereitungsverantwortung bei der Einschaltung z.B. privater Entwurfsplaner, Verifikateure oder Berater, Durchführungsverantwortung bei der Einschaltung z.B. privater Betreiber oder Inspekteure). Die Aufgabe bleibt zwar beim Bund, ihr Vollzug wird aber auf ein echtes Privatrechtssubjekt übertragen. Dieses Privatrechtssubjekt soll hier als Verwaltungshelfer bezeichnet werden. Der Verwaltungshelfer soll entweder eigenverantwortlich oder weisungsgebunden handeln.22 Hier werden die Privaten zwar mit funktionalem Bezug zur Staatsaufgabe tätig, werden jedoch nicht „etatisiert“, treten also (anders als ein „Beliehener“) gegenüber dem Bürger als ___________ 20

Ibler, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 86 Rn. 116. Nach Peine (Peine DÖV 1997, 353 [356]) soll lediglich die funktionale Privatisierung eine verwaltungsrechtliche Dimension – die hier insbesondere auch von Interesse ist – besitzen. 22 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn 59. Hier wird der Verwaltungshelfer weiter gefasst: Nach klassischem Begriffsverständnis war für den Verwaltungshelfer erforderlich, dass er im Auftrag und nach Weisung der Behörde handelt (Peine DÖV 1997, 353 [356]). Die Lösung von der Weisung, hin zu einer Eigenverantwortlichkeit, stellt damit eine Erweiterung dar. Vgl. auch Ibler, a.a.O., Art 86 Rn. 117. 21

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„echte“ Private, insbesondere ohne Hoheitsbefugnisse, auf. Nach Ibler23 soll man es mit einer Staatsaufgabe zu tun haben, wenngleich der private Helfer diese nicht hoheitlich erledigt, da ungeachtet des dem Verwaltungshelfer eingeräumten Handlungsspielraums dieser stets auch für den Staat handelt. Dies dürfte sich auch mit einer haftungsrechtlichen Betrachtungsweise decken.24 Der Begriff der Staatsaufgabe ist – in den hier interessierenden Bereichen – an anderer Stelle ähnlich beschrieben, nämlich als diejenige öffentliche Aufgabe, deren Wahrnehmung von der Verfassung selbst vorgeschrieben ist.25 Daher sollen bei der Bundesverwaltung Vorbereitung und/oder Durchführung der Aufgabe grundsätzlich auf Private ausgelagert werden können, solange der Bund durch seine Leitungsbefugnis eine hinreichende Direktionsmacht behält; dies soll ihm durch eine Absicherung mit entsprechenden Ingerenzrechten i.d.R. möglich sein.26 Die Ingerenzrechte beziehen sich grundsätzlich auf privatrechtliche Instrumentarien, wie etwa Auskunfts-, Einsichts-, Mitwirkungsrechte; Zustimmungsvorbehalte, Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse. Di Fabio sieht dies indes deutlich kritischer, wenn er vertritt, dass die Staatsaufgabe es ausschließt, dass Private sie selbstständig ohne Staatsaufsicht im verwaltungsrechtlichen Sinne wahrnehmen.27 Denn die verwaltungsrechtliche Wahrnehmung einer Staatsaufsicht dürfte deutlich enger gefasst sein, als die auf privatrechtliche Instrumentarien zielenden Ingerenzrechte, insbesondere deshalb, weil Behörden sich klassischer verwaltungsrechtlicher Handlungsformen bedienen könnten und daher mit Befehl und Zwang arbeiten könnten, mithin durch Verwaltungsakte vollstreckbare Titel schaffen könnten. dd) Andere Privatisierungsformen Auf andere Privatisierungsformen, die hier nicht abschließend dargestellt werden sollen, etwa die Indienstnahme Privater28 oder die Verfahrensprivatisierung29, ist an dieser Stelle lediglich hinzuweisen.

___________ 23

A.a.O. Rn. 118. Vgl. dazu unten III. 2. b)ee). 25 Di Fabio, JZ 1999, 585 (587). 26 Droege, DÖV 2006, 861 (865). 27 Di Fabio, JZ, 1999, 585 (586). 28 BVerfG, 16.3.1971, ‒ 1 BvR 52/66, 1 BvR 665/66, 1 BvR 667/66, 1 BvR 754/66‒, hier die Bevorratungspflicht für Erdölerzeugnisse. 29 Di Fabio, JZ 1999, 585 (589). 24

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b) Privatisierung und die Vorgaben des Grundgesetzes aa) Art. 87e GG Nach Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG wird die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes in bundeseigener Verwaltung geführt. Zunächst wird hierdurch ein kompetenzrechtlicher Gehalt dergestalt ausgedrückt, dass zwischen Bundes- und Landeskompetenz zu unterscheiden ist.30 Daneben bringt die Festlegung auf bundeseigene Verwaltung aber auch einen organisationsrechtlichen Gehalt zum Ausdruck. Insoweit ist auch auf die noch zu behandelnden Rechtsfolgen des Art. 86 1. Alt. GG zu verweisen. Bundeseigene Verwaltung heißt in diesem Zusammenhang auch unmittelbare Bundesverwaltung.31 Die Entscheidung des verfassungsändernden Gesetzgebers in Art. 87e zugunsten der bundeseigenen Verwaltung, ist mit der Entscheidung für eine bundesunmittelbare Verwaltung gleichbedeutend; mithin sind von Art. 87e Abs. 1 Satz 1 Erscheinungsformen mittelbarer Bundesverwaltung nicht gedeckt.32 Aus dem Verbot mittelbarer Staatsverwaltung wird teilweise gefolgert, dass auch der Einsatz privatrechtlicher Organisationsformen von vornherein ausgeschlossen sein muss.33 ___________ 30

Vgl. etwa Möstl, a.a.O., Rn. 150f. Möstl, a.a.O., Rn. 153 m.w.N.; bundeseigene Verwaltung mit Bundesverwaltung gleichsetzend Uerpmann, in: Münch/Kunig, Grundgesetz, Art. 87e Rn. 3. Die Gleichsetzung hätte zur Folge, dass „Bundesverwaltung“ auch für sämtliche Formen mittelbarer Bundesverwaltung offen wäre, was Unterschiede für die Schranken der Privatisierung der Staatsaufgaben nach sich zieht. Möglicherweise kann dem Verbot der Aufgabenprivatisierung im Bereich der Eisenbahnverkehrsverwaltung auch eine Ausstrahlungswirkung – des Verbots sich privatrechtlicher Organisationsformen bedienen zu dürfen – in Bezug auf die Erfüllungsprivatisierung gesprochen werden. Dafür könnte sprechen, dass Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG eine gewisse Wahrnehmungspflicht der Eisenbahnverkehrsverwaltung durch bundeseigene Verwaltung zugesprochen werden dürfte. Kritisch Möstl, a.a.O., Rn. 160. Der Staat müsste entsprechend die Kontrolle über die Tätigkeit der Privaten behalten können; mithin wäre eine besonders enge Bindung der Privaten an den Staat erforderlich. 32 Möstl, a.a.O., Rn. 153, 157. Bedenklich dürfte daher auch eine Beleihung von Prüforganisationen sein, da es sich bei der Beleihung um mittelbare Staatsverwaltung handelt und mit der Beleihung eigene Hoheitsbefugnisse verbunden sind. Durch diese eigenen Hoheitsbefugnisse der Prüforganisationen würden aber die Befugnisse und damit auch die Aufgabe der unmittelbaren Staatsverwaltung (unzulässig) reduziert. 33 So wohl Gersdorf, in: v.Mangold/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 87e Rn. 26. A.A. Möstl a.a.O. Rn. 157, der davon ausgeht, dass privatrechtliche Organisationsformen nicht per se ausgeschlossen sein können. Möstl geht aber auch davon aus, dass die Eisenbahnverkehrsverwaltung nicht insgesamt oder in wesentlichen Teilen in Privatrechtsform geführt werden darf. Hiervon zu unterscheiden sei jedoch die Frage, ob sich Behörden der bundeseigenen Eisenbahnverkehrsverwaltung für einzelne Zwecke juristischer Personen des Privatrechts bedienen können. Die entscheidende Frage dürfte an dieser Stelle sein, 31

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bb) Art. 86 GG Zieht man daneben Art. 86 GG in die Betrachtung mit ein, ergibt sich Folgendes: Nach Art. 86 GG soll dem Staat im Bereich der bundeseigenen Verwaltung die Wahl einer Organisationsform aus dem Privatrecht grundsätzlich versagt sein.34 Andererseits soll in Bereichen, in denen eine Materie der Bundesverwaltung obligatorisch (Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG ist ein Fall der obligatorischen Bundesverwaltung35) zugewiesen ist, eine Privatisierbarkeit in Randbereichen zulässig sein; die Kernbereiche (hierzu sollen etwa Aufgaben zählen, die den Einsatz hoheitlicher Befugnisse erfordern) sollen allerdings einen festgelegten Aufgabenkern enthalten.36 Sofern eine Aufgabe nach ausdrücklicher Vorgabe einer Zuweisungsnorm (hier Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG) nur in öffentlich-rechtlicher Organisationsform erfüllt werden darf, scheidet der Einsatz privatrechtlicher Organisationseinheiten aus.37 Problematisch ist, was mit Einsatz in diesem Sinne gemeint ist. Einsatz könnte grundsätzlich umfassend zu verstehen sein und damit auch die einen Verwaltungsakt vorbereitenden Tätigkeiten erfassen; mithin jeglichen Einsatz verbieten. Einsatz könnte aber unter einer restriktiveren Betrachtung auch so zu verstehen sein, dass die staatliche Entscheidung nicht so weit durch Private vorbereitet sein darf, dass der Einsatz der Privaten die öffentlich-rechtliche Tätigkeit wesentlich überwiegt, überlagert oder überflüssig zu machen scheint. Erforderlich soll demnach das Verbleiben einer Direktionsmacht beim Bund sein.38 Diesem Erfordernis soll genügt sein, solange der Bund hinreichend und jederzeit auf die privaten Organisationsformen Einfluss hat und diesen durch entsprechende Einwirkungsrechte sichern kann.39 Nach dem oben Beschriebenen müsste es sich demnach um verwaltungsrechtliche Direktions- oder Ingerenzrechte handeln.

___________ ob es verfassungsrechtliche Grenzen des „Bedienens“ gibt und was unter wesentlichen Teilen zu verstehen ist. 34 Ibler, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 86 Rn. 84 sowie Rn. 102 und 104. 35 Ibler, a.a.O., Rn. 62. 36 Ibler, a.a.O., Rn. 103. 37 Ibler, a.a.O., Rn. 104. 38 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 119, 269 ff.; zitiert nach Ibler, a.a.O., Rn. 106. 39 Ibler, a.a.O., Rn. 106, 118 m.w.N. u.a. auf Droege, DÖV 2006, 861 (865 f.).

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cc) Art. 33 Abs. 4 GG Ob Art. 33 Abs. 4 GG eine Privatisierungsgrenze darzustellen im Stande ist oder lediglich als Vorbehaltsbereich zugunsten des Berufsbeamtentums zu betrachten ist, ist in der Literatur kontrovers diskutiert.40 Verschiedene Gerichte haben Art. 33 Abs. 4 GG indes schon als Privatisierungsgrenze herangezogen.41 Di Fabio geht auch davon aus, dass Art. 33 Abs. 4 GG eine Grenze zieht, wenn er schreibt, dass Beleihung, Verwaltungshilfe und Indienstnahmen Privater für Zwecke der Ausübung hoheitlicher Befugnisse Ausnahmen unter besonderer rechtsstaatlicher Bindung und innerhalb des auf Kontrolle der öffentlichen Gewalt ausgerichteten Verwaltungsrechtssystems sind. Dabei soll der zirkulierende Begriff der Gewährleistungsverantwortung nicht so verstanden werden, dass Private unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten handeln und von einer fachlich weitgehend ahnungslosen Behörde nur die Unbedenklichkeit bescheinigt wird oder es zu einer unkontrollierten Übernahme in den behördlichen Willen kommt.42 Diese Aspekte sprechen indes auch dafür, dass den zuständigen Behörden ein über ein Mindestmaß hinausgehender Prüfumfang verbleiben muss.43 dd) Art. 2 Abs. 2 GG Ebenso dürften die aus Art. 2 Abs. 2 GG deduzierbaren staatlichen Schutzpflichten als verfassungsrechtliche Grenze in Betracht kommen. Beim Inverkehrbringen von Produkten, Dienstleistungen (und Verfahren) trifft den Staat eine verfassungsrechtlich verbriefte Schutzpflicht.44 Die staatliche Schutzpflicht hat nach allgemeinen Grundsätzen dabei umso ausgeprägter auszufallen, umso gefährlicher die Produkte, Dienstleistungen und Verfahren wirken können. Dem Staat und seinen Organen kommt bei der Erfüllung derartiger Schutzpflichten ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu.45 Anders als die Grundrechte in ihrer Funktion als subjektive Abwehrrechte sind die sich aus dem objektiven Gehalt der Grundrechte ergebenden staatlichen Schutzpflichten ___________ 40

Vgl. etwa Peine, DÖV 1997, 353 (355 f.) m.w.N. Vgl. etwa Urteil des AG Tiergarten vom 24.4.1996 ‒ 304a OWi 467/96 ‒. Das AG Tiergarten geht darüber hinaus davon aus, dass die dort vorliegende Privatisierung (Übertragung der Aufgabe „Verkehrsordnungswidrigkeiten“ zu verfolgen) auch gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verstößt, da es einer Privatperson an den dem Hoheitsträger eingeräumten Ermessenspielräumen fehlt. 42 Di Fabio, JZ 1999, 585 (592). 43 Vgl. dazu sogleich unter III.3.c). 44 Vgl. etwa Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Band I, Art. 2 II Rn. 76 ff. 45 Vgl. BVerfGE 77, 170 (214); 79, 174 (202); 92, 26 (46). 41

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grundsätzlich unbestimmt.46 Wie die staatlichen Organe solchen Schutzpflichten nachkommen, ist von ihnen prinzipiell in eigener Verantwortung zu entscheiden.47 Etwa im Bereich des Technik- oder Lebensmittelrechts kann der Staat seiner Schutzpflicht insbesondere durch die Bereitstellung geeigneter Verwaltungsverfahren nachkommen, die dem Schutz der Grundrechte dienen. ee) Exkurs § 24 VwVfG Neben den verfassungsrechtlichen Fragen stellt sich auch die Frage, ob § 24 VwVfG eine „Privatisierungsgrenze“ darstellt. Insbesondere scheint unklar, ob mit dem Amtsermittlungsgrundsatz, den das „europäische Verfahrensrecht“ auch kennt, ein umfassender Prüfauftrag der zuständigen Behörde verbunden ist oder ob der Prüfauftrag der Behörde auf das materielle Programm, festgelegt etwa durch einschlägige (europäische) Verordnungen, begrenzt ist.48 Im Kern dürfte damit ein Spannungsverhältnis zwischen (nationalem) Verfahrensrecht und – auf Europarecht fußendem – materiellem Recht angelegt sein, dass wohl nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, etwa „lex-specialis“ und „lex posterior“ aufzulösen sein dürfte. c) Materieller Gehalt der Eisenbahnverkehrsverwaltung Der festgestellte Befund zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Privatisierung der (Eisenbahnverkehrs)Verwaltung deutet indes massiv darauf hin, dass auch verfassungsrechtlich ein materieller Kern an Verwaltung erhalten bleiben muss. Anders wäre etwa das erforderliche Direktionsrecht49 des Bundes nur schwerlich auszufüllen und die Vorgaben des Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG und des Art. 86 GG zu befolgen. Soweit sich das Direktionsrecht, die Direktionsmacht des Bundes, auf privatrechtliche Ingerenzrechte beschränkt, dürfte ein verfassungsrechtliches Konfliktfeld mit dem Begriff der Eisenbahnverkehrsverwaltung eröffnet sein. Denn die legislativen Entscheidungen, zivilrechtliche Instrumentarien zu implementieren, müssten nach klassischem Verwaltungsverständnis50 auch vollzogen werden können. Dies dürfte in ausreichendem Maße nur über verwaltungsrechtliche Handlungsformen gewährleistet sein. Konkret dürfte dies ___________ 46

Vgl. BVerfGE 96, 56 (64). Vgl. BVerfGE 46, 160 (164); 96, 56 (64). 48 Für eine Begrenzung sprechen indes einige Judikate; vgl. etwa Simmenthal II-Urteil (EuGH Rspr. 1978, 629, Rs. C-107/77). 49 Die Begriffe Direktionsrecht, Ingerenzrecht, Einwirkungsrecht und Leitungsverantwortung, Direktionsmacht werden hier weitestgehend synonym verwendet, wobei wohl eine genaue Definition notwendig wäre. 50 Gefordert ist nach der Begründung zu Art. 87e GG schließlich Verwaltung im traditionellen Sinn. 47

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bedeuten, dass – sofern etwa die Auslagerung von Prüftätigkeiten auf Private erfolgt – beim Bund das notwendige Fachwissen zur Überprüfung der Prüfberichte vorhanden sein muss. In diesem Sinne dürfte auch Peine zu verstehen sein, wenn er formuliert, dass die federführenden Behörden jederzeit Aufsicht und Kontrolle sicherstellen können müssen sowie die Befugnis zur Letztentscheidung bei den Behörden verbleibt. Sämtliche verfahrensleitenden und -bestimmenden oder nach außen wirkenden Entscheidungen hat die Behörde zu treffen; sie alleine kann Verfügungen und Anordnungen bekanntmachen.51 Ohne das notwendige Fachwissen und ohne eine greifbare materielle Kompetenz, würde die eben formulierte Forderung daher leerlaufen. Keine ernsthafte Option dürfte es in diesem Zusammenhang sein, wenn der einfache Gesetzgeber sich zu einer gesetzlichen Fiktion dergestalt hinreißen ließe, dass Antragsteller im Rahmen von Zulassungsentscheidungen Prüfberichte vorzulegen (ggf. mit Beteiligung eines Privaten im Sinne eines 4. Augenpaares) haben und nach Vorlage der Prüfberichte eine Genehmigung als erteilt fingiert wird. Eine solche gesetzgeberische Fiktion dürfte sich mit dem Begriff der Eisenbahnverkehrsverwaltung beißen, da Verwaltung nach dem traditionellen Verwaltungsverständnis die legislativen Tätigkeiten ausschließt. Die gesetzgeberische Fiktion wäre vom Begriff der Verwaltung mithin ausgeschlossen. Auch die ausschließliche Zuständigkeit der zuständigen Bundesbehörden im Bereich der Eisenbahnverkehrsverwaltung, insbesondere des Eisenbahn-Bundesamtes, für den Verwaltungsvollzug52, dürfte für einen materiellen Gehalt sprechen. Denn vom Begriff des Gesetzesvollzugs dürfte auch die umfassende Anwendung des Gesetzes umfasst sein. Die Voraussetzungen einer Zulassungsentscheidung abzuprüfen, könnte man insofern als integralen Bestandteil einer Zulassungsentscheidung ansehen. Als problematisch ist in diesem Zusammenhang daher auch anzusehen, wenn der Gesetzgeber das materielle Programm des Gesetzesvollzugs für eine staatliche Aufgabe reduziert. Noch komplexer stellt sich die Situation dar, wenn man zulässigerweise davon ausgeht, dass Zulassungs- und Genehmigungsentscheidungen auch terminologisch der Eingriffsverwaltung zuzurechnen sind, nämlich als präventive Aufsicht. In diesem Bereich ist eine „Privatisierung“ bzw. die Auslagerung von Prüftätigkeiten noch restriktiver zu handhaben, da hier klassische Hoheitsrechte mit einem staatlichen Gewaltmonopol durchgesetzt werden können. In diesen Kernbereichen des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts greift ein Staatsvorbehalt ein.53 In diesem Bereich muss die demokratisch und gerichtlich kontrollierte öffentliche Gewalt verant___________ 51 52 53

Peine, DÖV 1997, 353 (355). Vgl. insoweit auch Windthorst a.a.O. Rn. 14. Di Fabio, JZ 1999, 585 (592).

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wortlich handeln. Privatrechtssubjekte dürfen nur in den bekannten Erscheinungsformen der Verwaltungspraxis (etwa Beleihung, Verwaltungshilfe) eingesetzt werden.54 Diese klassischen Erscheinungsformen der Verwaltungspraxis haben aber gemeinsam und immanent, dass ihnen eine materielle Aufsicht und Kontrolle der übergeordneten Verwaltung an die Hand gegeben ist. Ohne inhaltliche Befugnisse ist diese notwendige Aufsicht und Kontrolle nicht auszufüllen. d) RL 2008/57/EG i.V.m. 2011/217/EU und 4. Eisenbahnpaket Der staatliche Einfluss, vermittelt über entsprechende Einwirkungsrechte, dürfte jedenfalls dann verlassen sein, wenn europäische Institutionen Aufgaben, die der Eisenbahnverkehrsverwaltung nach Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG in Bezug auf Eisenbahnen des Bundes zugewiesen sind, wahrnehmen. Problematisch dürften daher die im 4. Eisenbahnpaket angedachten Änderungen sein. Sofern die Genehmigungen für Eisenbahnen des Bundes auf europäischer Ebene ausgesprochen werden sollen, dürfte ein Konfliktfeld mit Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG eröffnet sein. So dürfte es sich etwa mit Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG beißen, wenn durch europäische Gesetzgebung eine europäische Aufsichtsbehörde und/oder Genehmigungsbehörde für Kernbereiche der Eisenbahnverkehrsverwaltung geschaffen würde und diese Behörde Aufgaben nach der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahrzunehmen hätte. Vorsicht wäre insbesondere im Bereich von „Sicherheitsbescheinigungen und Sicherheitsgenehmigungen“ geboten, da hier die Grenzen zwischen Aufsicht und Genehmigung fließend sind.55 Kritisch zu begleiten dürfte auch die angedachte „Verschlankung“ von Zulassungsverfahren nach RL 2008/57/EG i.V.m. 2011/217/EU sein. Hier sollen verschiedene private Prüforganisationen einen zugewiesenen technischen Bereich überprüfen, der dann (in der Regel ungeprüft) in die Genehmigung einfließt. Fraglich ist dabei inwieweit noch eine verfassungsrechtlich geforderte Entscheidung der Verwaltung übrig bleibt. Der „private“ Prüfanteil im Rahmen einer Genehmigung darf sich dabei nicht als so überwiegend darstellen, dass sich Zweifel an der inhaltlichen Aufgabenwahrnehmung durch die Verwaltung ergeben. Bei der Behebung eines angeblichen „administrativen Schwergangs“ darf die Eisenbahnverkehrsverwaltung mithin nicht zur formellen Hülle ausgehöhlt werden.56

___________ 54

Di Fabio, JZ 1999, 585 (592). Vgl. insofern auch Overbeck, „Verfahren und Kriterien bei der Erteilung der Sicherheitsbescheinigung (SiBe) für EVU“ im Rahmen der 16. Jahresfachtagung der EisenbahnSachverständigen vom 11.bis 12.02.2014. 56 Insofern erscheinen die in anderem Zusammenhang formulierten Warnungen Ronellenfitschs (DÖV 1996, 1028) aktueller denn je. 55

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III. Erfüllungsprivatisierung der Verwaltung mit Hilfe einer Akkreditierung oder fachbehördliche Bewertung (etwa Anerkennung) im Rahmen des Einsatzes Privater? Damit Private im Bereich der bundesunmittelbaren Verwaltung agieren dürfen, bedürfen sie einer Beurteilung/Bewertung ihrer Fachkunde. Dabei stellt sich die Frage, ob verfassungsrechtlich einer der beiden Wege geeigneter erscheint. Darüber hinaus stellt sich in diesem Zusammenhang die – hier nicht beantwortbare – Frage, ob eine verwaltungsrechtliche Zulassungsentscheidung, die in der Regel einen Einzelfall abbildet, mit einer Beurteilung der Fachkunde von privaten Prüforganisationen so weit ins Vorfeld verlagert werden darf, dass die Einzelfallentscheidung zu einer abstrakten Generalentscheidung verblasst. Denn mit der Vorverlagerung der Zulassungsentscheidung wird – je nach gesetzlicher Ausgestaltung – bei einer Herabsetzung des materiellen Prüfprogramms der Verwaltung gleichzeitig die notwendige inhaltliche Beschäftigung der Verwaltung – und damit auch die Staatsaufgabe – reduziert. 1. Akkreditierung57 Nach Art. 2 Ziffer 10 der VO 765/2008 ist die Akkreditierung eine Bestätigung durch eine nationale Akkreditierungsstelle, dass eine Konformitätsbewertungsstelle die in harmonisierten Normen festgelegten Anforderungen und, gegebenenfalls, zusätzliche Anforderungen, einschließlich solcher in relevanten sektoralen Akkreditierungssystemen, erfüllt, um eine spezielle Konformitätsbewertungstätigkeit durchzuführen. 2. Akkreditierungswesen auf dem Prüfstand Eine Konsultation des Verfassungsrechts zur Frage, ob eine fachbehördliche Bewertung (Anerkennung) oder eine Akkreditierung zulässig, geboten oder indiziert ist, könnte auf den ersten Blick die Ordnungsfunktion des Verfassungsrechts überspannen. Nach den gefundenen Ergebnissen ist aber erkennbar, dass beim Einsatz Privater im Rahmen einer Erfüllungsprivatisierung eine „Staatsnähe“ verfassungsrechtlich unbedenklicher ist, als eine „Staatsferne“. Ferner dürfte eine öffentlich-rechtlich implementierte Direktionsmacht des Bundes, die sich – nach hier bevorzugter Auffassung – in den klassischen verwaltungsrechtlichen Typformen bewegt, verfassungsrechtlich geeigneter sein als andere Instrumentarien. ___________ 57 Vgl. zum Akkreditierungswesen grundlegend etwa: Kapoor/Klindt, Die Reform des Akkreditierungswesens im Europäischen Produktsicherheitsrecht, EuZW 2009, 134; Tiede/Ryczewski/Yang, Einführung in das Akkreditierungsrecht, NVwZ 2012, 1212.

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Einfachgesetzlich und im europäischen Kontext ist daher zu untersuchen, ob die fachbehördliche Bewertung (Anerkennung) oder die Akkreditierung von privaten Prüforganisationen die verfassungsrechtlich geforderte Staatsnähe und Direktionsmacht eher bedient. Dabei ist insbesondere auch auf das Verhältnis von Anerkennung zu Akkreditierung einzugehen. Denn wenn die europarechtlichen Vorgaben eine Anerkennung ausschließen würden, wäre eine Anerkennung wegen des Anwendungsvorrangs des Europarechts wertlos. Des Weiteren ist sich der Frage, ob vor dem Hintergrund des materiellen Gehalts der Eisenbahnverkehrsverwaltung eine Anerkennung oder eine Akkreditierung von privaten Prüforganisationen indiziert ist, zu nähern. Fraglich ist daher zunächst, wie das Verhältnis von fachbehördlicher Bewertung (etwa Anerkennung) zu Akkreditierung durch die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) ist (1.). Im Weiteren soll ein kurzer Blick auf verfassungsrechtliche Fragen bezogen auf das Akkreditierungswesen geworfen werden (2.). a) Verhältnis von Akkreditierung zu fachbehördlicher Bewertung Grundsätzlich ist festzuhalten, dass zwischen fachbehördlicher Bewertung und Akkreditierung kein Exklusivitätsverhältnis zementiert sein dürfte; so ist weder der VO 765/2008/EU, noch dem Gesetz über die Akkreditierungsstelle (AkkStelleG) ein Vorrang der Akkreditierung vor anderen sicherheitlichen (fachbehördlichen) Bewertungen zu entnehmen. Die Systematik des AkkStelleG spricht vielmehr für einen Vorrang spezialgesetzlicher Regelungen und dürfte damit dem auch europarechtlich verankerten „lex specialis-Grundsatz“ entsprechen. Denn nach § 1 Abs. 2 AkkStelleG bleibt die in anderen Rechtsvorschriften geregelte Zuständigkeit von Behörden, Stellen die Befugnis zu erteilen, als Konformitätsbewertungsstelle tätig zu werden, unberührt. Hierdurch soll das Verhältnis zu anderen Regelungen festgelegt werden. Mitunter wird mit einer entsprechenden Wendung („Regelungen anderer Gesetze bleiben unberührt“) ein Vorrangverhältnis ausgedrückt.58 Für ein Vorrangverhältnis spezialgesetzlicher Regelungen (etwa Anerkennung) gegenüber einer Akkreditierung, die vom Sinngehalt ähnliche Ziele verfolgen59, spricht die Systematik des AkkStelleG. Denn in § 4 AkkStelleG ist die Zusammenarbeit der nationalen Akkreditierungsstelle (in Deutschland: DAkkS) mit anderen Behörden geregelt. Nach § 4 Abs. 1 AkkStelleG übermittelt die DAkkS den Behörden, die auf Grund einer Rechtsvorschrift Konformitätsbewertungsstellen die Befugnis erteilen, als solche tätig zu werden, die notwendigen Informationen über Akkreditierungstätigkeiten oder Maßnah___________ 58

Vgl. Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl., Rn. 87. Diese Frage, ob tatsächlich ähnliche Ziele verfolgt werden, bedürfte wohl einer eingehenden Untersuchung der einschlägigen Grundlagen, die hier nicht geleistet werden kann. 59

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men, die die Akkreditierungsstelle ergriffen hat. Dies spricht dafür, dass ein fachbehördlicher Primat greift. In § 4 Abs. 2 AkkStelleG ist sodann ein Auskunftsanspruch anderer Behörden, also der Fachbehörden gegenüber der DAkkS, postuliert. Ferner enthält § 4 Abs. 2 Akk-StelleG den Anspruch anderer Behörden, gegenüber der DAkkS, ein Überprüfungsverfahren einzuleiten soweit die Fachbehörde die DAkkS über Mängel an der fachlichen Kompetenz der Konformitätsbewertungsstelle unterrichtet. Dies setzt voraus, dass die Fachbehörde das Fachwissen bei sich konzentriert. Denn andernfalls wäre die vorausgesetzte Mängelerkennung nicht möglich. Dafür, dass kein Exklusivitätsverhältnis festgelegt werden sollte, spricht auch die europäische Grundlage, die EU-Verordnung selbst. So ist bereits in Erwägungsgrund 5 der 765/2008/EU ein „Lex-specialis“ Grundsatz anerkannt.60 Daneben streitet Erwägungsgrund 11 der 765/2008/EU für eine „Spezialzuständigkeit“ wenn dort festgehalten ist, dass durch die Errichtung einer nationalen Akkreditierungsstelle die Zuweisung von Funktionen innerhalb der Mitgliedstaaten unberührt gelassen werden sollte. Flankierend greift Erwägungsgrund 12 ein, wonach die nationalen Behörden die Auffassung vertreten können, dass sie selbst die geeigneten Mittel besitzen, um diese Beurteilung selbst vorzunehmen. Entscheidender aber dürfte sein, dass Art. 4 Abs. 5 der 765/2008/EU einen Subsidiaritätsgedanken zum Ausdruck bringt. Hiernach soll nämlich die Akkreditierungsstelle erst mit der Akkreditierung betraut werden, wenn nicht eine Fachbehörde die Akkreditierung (also eine eher administrative Beurteilung; gegenüber einer Anerkennung, die wohl eher eine sicherheitliche und damit umfassendere Bewertung zum Gegenstand hat und damit a maiore ad minus zulässig sein dürfte) selbst vorgenommen hat. Aufgrund der bestehenden nationalen wie europäischen Rechtsgrundlagen kommt damit ein Vorrangverhältnis der Spezialbehörden bei der sicherheitlichen Bewertung gegenüber einer Bewertung durch die DAkkS zum Ausdruck. Verstärkt wird dieser Befund noch durch das in Art. 6 Abs. 2 765/2008/EU niedergelegte Wettbewerbsverbot. Hiernach dürfen nationale Akkreditierungsstellen nicht mit Akkreditierungsstellen anderer Mitgliedstaaten in Wettbewerb treten. Ein solches Wettbewerbsverbot dürfte erst Recht innerhalb eines Nationalstaates gelten, wenn es darum geht ob die DAkkS oder eine Fachbehörde zuständig ist; gleichermaßen dürften diese Erwägungen für den nationalen Gesetzgeber gelten, wenn es darum geht, ob zukünftig für eine Bewertung die DAkkS oder eine Fachbehörde zuständig sein soll. Daneben beschreibt Art. 4 Abs. 6 der 765/2008/EU, dass die Verantwortlichkeiten und Aufgaben der nationalen Akkreditierungsstelle von denen anderer nationaler Behörden klar abgegrenzt sein müssen. Dies ist sowohl im bestehenden ___________ 60 Ausdrücklich soll der „Lex-specialis“-Grundsatz wohl nur für Harmonisierungsakte der Gemeinschaft greifen, doch ist andererseits explizit festgehalten, dass die entsprechenden Bestimmungen der Verordnung 765/2008/EU nur in den Bereichen gelten sollten, die durch spezielle Bestimmungen nicht abgedeckt sind.

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Recht als auch in Rechtsetzungsverfahren zu berücksichtigen. Schließlich sprechen Art. 5 Abs. 2 der VO 765/2008/EG sowie die Erwägungsgründe 5 und 41 des Beschlusses 768/2008/EG für einen Primat der fachbehördlichen Bewertung. Darüber hinaus verdeutlichen Art. R 14 Abs. 2, R 22 Abs. 3 und R 23 Abs. 4 des genannten Beschlusses, dass die Akkreditierung kein verpflichtendes Mittel zum Nachweis der fachlichen Kompetenz einer „Konformitätsbewertungsstelle“ ist. Als Zwischenergebnis ist damit festzuhalten, dass es weder einen europarechtlichen, noch einen nationalen Ausschluss einer fachbehördlichen Bewertung gibt. Vielmehr steht es im Ermessen der Mitgliedstaaten, ob eine Fachbehörde oder die nationale Akkreditierungsstelle einen Kompetenznachweis erbringt. Dabei dürfte die Frage, ob eine Anerkennung „besser“ geeignet, ist als eine Akkreditierung auch, anhand der inhaltlichen Aussagekraft der entsprechenden Bescheinigung getroffen werden. Dies läuft im Kern auf eine fachliche Bewertung der Akkreditierung gegenüber der Anerkennung hinaus.61 Damit kann, jedenfalls bei gesetzgeberisch noch gestaltbaren fachbehördlichen Bewertungsverfahren, die zu fordernde Staatsnähe besser sichergestellt werden, als durch ein Akkreditierungssystem, welches anderen Grundsätzen folgt.62 Zwar ist das Akkreditierungssystem auch an das VwVfG gebunden, es folgt aber grundsätzlich anderen Mechanismen; nämlich Vorgaben aus (europäischen) Normen (insbesondere technischen Normen, etwa ISO/EN/DIN). Insbesondere werden administrative Vorgaben abgeklopft, während fachspezifische Aspekte eher rudimentär behandelt zu werden scheinen. Die verfassungsrechtliche Festlegung auf eine bundesunmittelbare Verwaltung im Bereich der Eisenbahnverkehrsverwaltung dürfte einer Akkreditierung daher insofern im Wege stehen, als durch eine Akkreditierung, die für alle Fachbereiche gleich abläuft, der notwendige eisenbahnfachspezifische Aspekt außer Betracht bleibt. Jedenfalls bietet eine Anerkennung gegenüber einer Akkreditierung den unbestreitbaren Vorteil, dass die verfassungsrechtlich gebotene inhaltliche Beschäftigung der zuständigen Fachbehörde mit der Materie stattgefunden hat. ___________ 61 Grundsätzlich dürften hier auch die Überlegungen Ronellenfitschs (DÖV 1996, 1028, 1030) auf die vorliegende Frage, welches Verfahren (Akkreditierung oder Anerkennung) besser geeignet ist, übertragen werden können. 62 Droege, DÖV 2006, 861 (865), sieht im Bereich der Luftverkehrsverwaltung nur durch die Beleihung die erforderliche Staatsnähe als erfüllt an. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen von Luftverkehrsverwaltung und Eisenbahnverkehrsverwaltung unterscheiden sich aber nicht unwesentlich: Während im Bereich der Luftverkehrsverwaltung die verfassungsrechtlichen Vorgaben weniger streng sind (es genügt die Führung der Verwaltung in Bundesverwaltung; insbesondere aber ist Art. 87d Abs. 1 Satz 2 GG zu berücksichtigen) ist es im Bereich der Eisenbahnverkehrsverwaltung zwingend, dass eine bundesunmittelbare Verwaltung gegeben ist. Andererseits betrachtet Droege insbesondere den Aufsichtsrechtlichen Bereich, in dem wegen der Eingriffe in Grundrechte eine größere Staatsnähe indiziert ist.

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b) Verfassungsrechtliche Aspekte Nachdem festgestellt wurde, dass die europäischen und nationalen Vorgaben einer fachbehördlichen Bewertung beim Einsatz privater Prüforganisationen nicht entgegenstehen dürften, stellt sich noch die Frage, ob das Akkreditierungswesen, gemessen an deutschem Verfassungsrecht, unbedenklich ist. Eine kritische juristische Auseinandersetzung, ob das Akkreditierungswesen überhaupt der richtige Weg für eine sicherheitliche Bewertung/Kompetenzbeurteilung ist, hat bislang wohl nicht stattgefunden. Dabei stellen sich einige grundlegende verfassungsrechtliche Fragen der Zulässigkeit eines Akkreditierungssystems, die der Beantwortung oder Konturierung harren. Eine grundlegende Beurteilung kann an dieser Stelle nicht erfolgen; dennoch soll ein kritischer Blick auf einige ausgewählte Aspekte des Verfassungsrechts geworfen werden. Sofern danach bereits durchgreifende Bedenken gegen eine Akkreditierung sprechen, ist dies auch ein gewichtiges juristisches Argument für eine fachbehördliche Bewertung (Anerkennung) und gegen eine Akkreditierung. aa) Vereinbarkeit mit Art. 2 Abs. 2 GG An dieser Stelle ist bereits auf die oben angestellten Überlegungen zu verweisen.63 Dabei ist klar, dass sich zwar gerade mit Blick auf das Schutzgut des menschlichen Lebens in besonders gelagerten Fällen, wenn anders ein effektiver Lebensschutz nicht zu erreichen ist, die Möglichkeit der Auswahl der Mittel zur Erfüllung der Schutzpflicht auf die Wahl eines bestimmten Mittels verengen kann,64 dies soll aber verfassungsrechtlich wohl nicht den Grundsatz darstellen soll. Die Wahl kann aber immer nur auf solche Mittel fallen, deren Einsatz mit der Verfassung in Einklang steht.65 Dies wäre im Bereich der Akkreditierung gerade noch offen.66 Dabei stellt sich bereits hier von der Zielsetzung des Akkreditierungswesens67 die Frage, ob durch die DAkkS in ausreichendem Maße sicherheitliche Aspekte bei der Akkreditierung beachtet werden. Die Erwähnung

___________ 63

Vgl. oben III. 3. b)dd). Vgl. BVerfGE 46, 160 (164 f.). 65 BVerfGE 115, 118-166. 66 Die Wertigkeit des Akkreditierungswesens zeigt auch hier einmal mehr am Urteil des OLG Zweibrücken vom 30.1.2014 ‒ 4 U 66/13 ‒. Denn eine akkreditierte Stelle haftet im Verhältnis zu Dritten, also im „Bereich zur Zulassungsentscheidung“ stehenden (und je nach konkreter gesetzlicher Ausgestaltung), grundsätzlich nicht. Ein sicherheitlicher oder haftungsrechtlicher Mehrgewinn kann also gerade nicht festgestellt werden. 67 Vgl. grundlegend die in Fn. 57 genannten Beiträge, m.w.N. 64

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sicherheitlicher Aspekte in der VO 765/2008/EG68 kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass insbesondere wettbewerbspolitische Gründe die Motivation für die Verordnung und insgesamt den sog. „New Legislativ Framework“69 bilden. Daneben ist festzustellen, dass, anders als beispielsweise in Spezialgesetzen, bei denen eine Differenzierung nach der Gefahrgeneigtheit des begutachteten Produkts, der Dienstleistung oder den Verfahren angestellt wird, diese Differenzierung im Akkreditierungswesen nicht wieder aufgegriffen wird. Insbesondere ist unklar, wie sich eine sicherheitliche Bewertung mit Art. 8 Ziffer 10 VO 765/2008/EG vertragen soll. Denn hier wird auf wirtschaftliche Erwägungen abgestellt, die insofern als Einfallstor für sicherheitliche Erosionserscheinungen anzusehen sind. bb) Vereinbarkeit mit Art. 12 GG In Frage steht hier eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit solcher Unternehmen, die zwar – nach dem Duktus der VO 765/2008/EG – als „Konformitätsbewertungsstelle“ am Markt agieren möchten, sich aber nicht akkreditieren lassen möchten; faktisch aber dennoch vom Akkreditierungswesen betroffen sind. Als Eingriff in die Berufsfreiheit genügt nämlich bereits, dass durch staatliche Maßnahmen der Wettbewerb beeinflusst und die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit dadurch behindert wird.70 Dadurch, dass es – ohne positiv rechtlich klargestellt zu sein, welche Akkreditierungsfelder erschlossen werden sollen – gemäß § 2 Abs. 1 AkkStelleG Antragenden an die Hand gegeben ist, welches Feld einer Akkreditierung unterliegt, hat der Gesetzgeber Tür und Tor geöffnet, um Unternehmen, die zwar die Regeln der Kunst einhalten, sich aber nicht akkreditieren lassen wollen, faktisch in eine Akkreditierung zu zwingen, um keinen Wettbewerbsnachteilen ausgeliefert zu sein. Verstärkt wird der Eingriff noch durch die Wirkung der Akkreditierung und dem Selbstverständnis einer Akkreditierung. Während die staatliche Anerkennung einer Fachbehörde begrenzt auf ein singuläres Feld ist, beansprucht eine Akkreditierung umfassendere Folgen. Denn wer einmal akkreditiert ist (mit den entsprechenden Folgeüberprüfungen), dem wird im entsprechenden Wirtschaftssektor eine umfassende Kompetenz zugeschrieben. Genau das dürfte durch die Reform des Akkreditierungswesens auch intendiert gewesen sein. Denn der bis zur Reform des Akkreditierungswesens bestehende nationale Flickenteppich sollte eingedampft werden; zugunsten eines kompetenten Systems, dem von Verbraucherseite großes Vertrauen entgegenge___________ 68 Die Sicherheit, etwa Schutz der öffentlichen Gesundheit, findet beispielsweise Erwähnung in den Erwägungsgründen 1, 4, oder in Art. 1 Abs. 2. 69 Vgl. hierzu die Hinweise in Fn. 67. 70 BVerfGE 86, 28, 37.

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bracht werden soll. Ob dieses politisch gewollte Vertrauen auch juristisch gerechtfertigt werden kann, erscheint vor dem Hintergrund des Judikats des OLG Zweibrücken als äußerst fraglich.71 Man könnte insofern auch von einer europäisch verordneten Kennzeichnungsgutgläubigkeit sprechen, deren inhaltliche Substanz vage ist. Insofern erscheint auch eine Rechtfertigung eines faktischen Eingriffs in die Berufsfreiheit als ungewiss. cc) Wesentlichkeitslehre Fraglich ist, ob die vom BVerfG entwickelte Wesentlichkeitstheorie bei der Implementierung des Akkreditierungswesens in Deutschland hinreichend beachtet wurde. Die Wesentlichkeitstheorie – so das BVerfG in ständiger Rechtsprechung72 – verpflichtet den Gesetzgeber, in grundlegenden normativen Bereichen, dazu dürften jedenfalls Bereiche der Grundrechtsrelevanz73 zählen, soweit sie staatlicher Entscheidung zugänglich sind, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen.74 Übertragen auf das Akkreditierungswesen stellt sich die Frage, ob im Akkreditierungsrecht die Akkreditierungsfelder positivrechtlich vom Gesetzgeber umrissen sein müssten. Dabei ist zu beachten, dass es im Wesen von Qualitätsbeurteilungen liegt, dass die anzulegenden Kriterien wandelbar sind und sich daher einer (eher statischen) gesetzgeberischen Regelung entziehen.75 Um diese Fragen gesetzgeberischer Regelungen geht es hier aber nicht, sondern um eine dieser vorgelagerten Fragen. Denn die für die Qualitätsbeurteilung anzulegenden Kriterien, die nicht zwingend einer gesetzgeberischen Regelung bedürfen, können erst dann angelegt werden, wenn determiniert, ist welches Akkreditierungsfeld erschlossen werden soll. Die Frage, die sich stellt, ist also, ob der zuständige Gesetzgeber positiv rechtlich festzulegen hat, welche Akkreditierungsfelder zukünftig bestellbar sein sollen. Eine positiv rechtliche Festlegung dürfte nur schwerlich verneint werden können, da es sich um einen grundrechtsrelevanten Bereich handelt76. Weder in der VO 765/2008, noch im AkkStelleG ist positiv rechtlich geregelt, welche Akkreditierungsfelder erschlossen werden können. Vielmehr eröffnet § 2 Abs. 1 AkkStelleG für interessierte Konformitätsbewertungsstellen grundsätzlich die Möglichkeit einer Akkreditierung. ___________ 71

OLG Zweibrücken, Urt. vom 30.1.2014, Az 4 U 66/13 (noch nicht rechtskräftig). Vgl. beispielsweise BVerfGE 49, 89 (126). 73 Grundrechtsrelevanz dürfte weit zu verstehen sein und auch auf Fälle bezogen werden können, die sich im Vorfeld einer Grundrechtsverletzung abspielen; also etwa auch präventive Aufsichtsmaßnahmen – etwa Zulassungsentscheidungen – zum Schutz von Art. 2 Abs. 2 GG. 74 Vgl. etwa für BVerfGE 47, 46 (78); sowie BVerfGE 125, 175 (222 f.); in Bezug auf den Beruf: BVerfGE 33, 125 (160). 75 Meyer, Akkreditierungssystem verfassungswidrig?, NVwZ 2010, 1010 ff. 76 Dies hat sich zuletzt etwa auch in der Entscheidung des OLG Zweibrücken vom 30.1.2014 ‒ 4 U 66/13 ‒, gezeigt. 72

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Daneben ist in Spezialgesetzen die Möglichkeit einer Akkreditierung eröffnet. Auch hier bleiben nicht unwesentliche Fragen unbeantwortet, so dass von einer verfassungsrechtlichen sauberen Lösung nicht gesprochen werden kann. dd) Vorbehalt des Gesetzes Eng im Zusammenhang mit der Frage, ob der Gesetzgeber Wesentliches selbst geregelt hat, steht die Frage, ob, soweit wie hier Grundrechtsrelevanz vorliegt, die Tragweite des Gesetzesvorbehalts beachtet wurde. Soweit von Grundrechtswesentlichkeit die Rede ist, umfasst der Gesetzesvorbehalt auch einen Parlamentsvorbehalt. Ob dieser im Akkreditierungswesen eingehalten ist, müsste eingehend untersucht werden. Dabei dürfte es modernem Staatsverständnis entsprechen, dass gewisse Transparenzanforderungen sowie ein Mindestmaß an Vorhersehbarkeit gegeben sind. Dies dürfte in Anbetracht der bereits offenbarten Lücken nicht in befriedigendem Maße eingehalten sein. Undurchsichtig ist in diesem Zusammenhang ferner die Art und Weise, wie die DAkkS neue Akkreditierungsfelder akquiriert. Dabei ist gerade fraglich, ob die Akquise auf eine gesetzliche Grundlage zurückzuführen ist.77 Dass eine Akkreditierung ein zulässiges Instrumentarium ist, die verfassungsrechtlichen Vorgaben einzuhalten, konnte nach den hier gefundenen Ergebnissen gerade nicht bestätigt werden. Im Gegenteil, es überwiegen die Zweifel. ee) Haftungsrechtliche Aspekte Fragt man nach dem Wert einer Akkreditierung gegenüber einer Anerkennung, so dürfen auch haftungsrechtliche Aspekte nicht außer Betracht bleiben. Dabei ist u.a. die Staatshaftung/Amtshaftung in den Fokus zu rücken. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH genügt, dass die Arbeit einer (privaten) Stelle mit der Verwaltungstätigkeit einer Behörde auf das Engste zusammenhängt und die Stelle in die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe so maßgeblich eingeschaltet ist, dass die Prüfung der Stelle geradezu einen Bestandteil der von der Behörde ausgeübten und sich in ihrem Handeln niederschlagenden hoheitlichen Tätigkeit bildet.78 Entscheidend ist also, ob die (private) Stelle im Pflichtenkreis der jeweiligen Behörde tätig wird.79 Eine Amtshaftung kann daher – bei Vorliegen der ___________ 77 Wenig Licht ins Dunkel bringt dabei der Internetauftritt der Deutschen Akkreditierungsstelle (http://www.dakks.de/). 78 BGH, Urt. vom 15.9.2011 ‒ III ZR 240/10 ‒; ferner BGH, Urt. vom 27.5.1963 ‒ III ZR 48/62 u.a –, beide zitiert nach juris. 79 „Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der Behörde zu erfüllenden Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Unternehmers ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen“ (BGHZ 121, 161 [165]).

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übrigen Voraussetzungen – nicht mehr verneint werden. Damit ist haftungsrechtlich aber auch kein Gewinn einer Akkreditierung im Vergleich zu einer Anerkennung gewonnen, wenn die dahinter stehende Körperschaft haftet. Dann spricht aber vieles dafür, die „Konformitätsbewertungsstelle“ eng an die Kontrollmechanismen der zuständigen Fachbehörde zu binden. Für den Bürger besser ausgestaltet dürften indes Systeme sein, die klassischen verwaltungsrechtlichen Typologien folgen. Denn bei den klassischen verwaltungsrechtlichen Typologien sind die haftungsrechtlichen Akteure und Konsequenzen klar erkennbar. Dies dürfte auch ein rechtsstaatliches Qualitätsmerkmal darstellen. Dabei hat das – noch nicht rechtskräftige – Urteil des OLG Zweibrücken bestätigt, dass (eine Vielzahl an) akkreditierte Stellen nicht unbedingt ein Mehr an Sicherheit bringen, sondern allenfalls eine Verantwortungsverteilung der beteiligten Akteure im Rahmen von Produktzulassungen vorspiegeln und damit zur Verwirrung beitragen.80 Auch stellt sich wiederum die Frage, welcher sicherheitliche Wert einer europäischen Bewertung (hier Akkreditierung) zufließt, wenn haftungsrechtlich für die damit beauftragte Prüforganisation kein Risiko hinterlegt ist. Hieran wird aber auch deutlich, dass der europäische Ansatz des „New Approach“ bzw. „New Legislative Framework“ anderen Mechanismen folgt als einer sicherheitlichen Bewertung und damit für Zulassungsentscheidungen, sofern diese überhaupt eine sicherheitliche Komponente enthalten, letztlich und im Ergebnis wertlos sein dürften.

IV. Zusammenfassung 1.

2.

Eisenbahnverkehrsverwaltung umfasst alle hoheitlichen Ordnungs- und Steuerungsaufgaben, die das Eisenbahnwesen einschließlich des Baus und des Betriebs der Eisenbahnen betreffen. Hierzu zählen insbesondere Aufsicht, Genehmigungen, Planfeststellung, Regulierung und bahnpolizeiliche Aufgaben. Diese Aspekte gehören zum verfassungsrechtlichen Kernbestand der Eisenbahnverkehrsverwaltung. Dieser Kernbestand ist ohne Grundgesetzänderung nicht veränderlich im Sinne von reduzierbar. Verfassungsrechtliche Konflikte dürften insbesondere dann entstehen, wenn europäische Vorgaben den Kernbestand berühren im Sinne von reduzieren. Die Eisenbahnverkehrsverwaltung im Sinne des Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG ist bezogen auf Eisenbahnen des Bundes weder privatisierbar im Sinne einer Aufgabenprivatisierung noch im Sinne einer Formellen Privatisierung.

___________ 80 Daneben kann zum „Wert“ von Kennzeichnungen allgemein die instruktive Entscheidung des BGH, NJW 1974, 1503, herangezogen werden.

Privatisierung im Rahmen der Eisenbahnverkehrsverwaltung

3.

4.

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Soweit eine Erfüllungsprivatisierung (maßgebliche Prüftätigkeit im Rahmen von Genehmigungsverfahren durch private Prüforganisationen) in Frage steht, ist diese nur in engen Grenzen und mit großer Staatsnähe realisierbar. Zweifelhaft ist insbesondere, ob durch den einfachen Gesetzgeber im Zuge einer Erfüllungsprivatisierung lediglich eine formale Hülle der Staatsaufgabe „Eisenbahnverkehrsverwaltung“ zurückgelassen werden darf. Es spricht einiges dafür, dass mit dem Begriff der „Eisenbahnverkehrsverwaltung“ ein materiell aufgeladener Bestand an Verwaltungsaufgaben dergestalt verbunden ist, dass im Rahmen von Staatsaufgaben, etwa Genehmigungen, die die Entscheidung tragenden Gründe bei der zuständigen bundesunmittelbaren Stelle getroffen werden. Im Zuge dessen ist im Rahmen der Beteiligung Privater eine Anerkennung die verfassungsrechtlich gebotenere (bis indizierte) Entscheidung gegenüber einer Akkreditierung.

Klagebefugnis von Umweltverbänden und Gemeinden im Umweltrecht Von Sabine Schlacke

I. Einleitung Europäischer Gegenwind ist für das deutsche verwaltungsgerichtliche Individualrechtsschutzsystem nicht neuartig. Jüngst zeigte sich dies durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Klagebefugnis von Umweltverbänden, die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs umsetzte. Das Spannungsfeld, in dem sich der deutsche Individualrechtsschutz befindet, wird auf der einen Seite durch die Abhängigkeit des Zugangs zu Verwaltungsgerichten von einer eigenen Rechtsverletzung1 und auf der anderen Seite durch ein durch das internationale Recht und das Unionsrecht forciertes, an Interessensverletzungen anknüpfendes Rechtsschutzsystem markiert.2 Schließlich wird dieses Spannungsverhältnis durch überindividuelle Rechtsbehelfsbefugnisse verschärft, die, ebenfalls unionsrechtlich bedingt, der deutsche Gesetzgeber zunehmend behördlich anerkannten Umweltverbänden zuweist, um überindividuelle Interessen – z.B. die der Umwelt – wahrzunehmen und durchzusetzen (vgl. § 42 Abs. 2, 1. Hs. VwGO).3 Dieses Spannungsverhältnis hat sich in Deutschland durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 5. September 20134 möglicherweise entschärft: Das BVerwG bejahte die Klagebefugnis eines nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltverbands gem. § 42 Abs. 2, 2. Hs. VwGO, obwohl der Verband die gerichtliche Überprüfung eines Luftreinhalteplans und nicht die Kontrolle der Verletzung eines eigenen Rechts begehrte. Um diese Entscheidung ___________ 1

Vgl. § 42 Abs. 2, 2. Hs. VwGO. Calliess, NJW 2002, S. 3578; ders., NVwZ 2006, S. 2; Epiney/Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, 2002, S. 300 f. Zur Unterscheidung vgl. Skouris, Verletztenklage und Interessentenklage im Verwaltungsprozeß, 1979, S. 11. 3 Diesen überindividuellen Rechtsschutz verkörpern im Umweltrecht § 64 BNatSchG oder § 2 UmwRG, vgl. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 5 ff. 4 BVerwG, Urt. vom 5.9.2013 – 7 C 21/12, NVwZ 2014, S. 64 ff.; vgl. dazu Gärditz, EurUP 2014, S. 39 ff.; Bunge, ZUR 2014, S. 3 ff.; Ekardt, NVwZ 2014, S. 393 ff.; Franzius, DVBl. 2014, S. 543 ff.; Schlacke, NVwZ 2014, S. 11 ff. 2

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Sabine Schlacke

einordnen und bewerten zu können, bedarf es zunächst eines historischen Rückblicks auf die Entwicklung der Klagebefugnis von Umweltverbänden. Auch die Klagebefugnis von Gemeinden soll insoweit in den Blick genommen werden (II.), um sodann die wesentlichen Gründe des Urteils des BVerwG vom 5. September 2013 unter Berücksichtigung der diese Entscheidung prägenden EuGHRechtsprechung zu analysieren (III.). Anschließend werden die hieraus resultierenden Konsequenzen für den Rechtsschutz von Umweltverbänden und Gemeinden aufgezeigt und die Frage aufgeworfen, ob eine Aufgabe der Schutznormtheorie und des Verletztenklagesystems angezeigt ist (IV.). Neben dem abschließenden Fazit werden ausblickend die nächsten Schritte des Gesetzgebers beleuchtet (V.).

II. Die Entwicklung der Klagebefugnis von Umweltverbänden und Gemeinden Das Umweltrecht kann als Laboratorium für die Entwicklung überindividueller Rechtsbehelfe, u.a. und insbesondere in Form von (altruistischen) Verbandsklagen, bezeichnet werden5. Aktuelle Umwelt-Rechtsbehelfe finden sich in § 64 BNatSchG und § 2 UmwRG. Mit ihnen können Verletzungen von umweltbezogenen Normen durch behördlich anerkannte Umweltvereinigungen geltend gemacht werden. Die Entwicklung der Klagebefugnis von Umweltverbänden in den letzten ca. 35 Jahren kann in drei große zeitliche Phasen gegliedert werden: Die 1970er und 1980er Jahre können als Aufbauphase bezeichnet werden. Der Gesetzgeber verankerte die Beteiligung von anerkannten Verbänden im Bundesnaturschutzgesetz 19766 – als Minus zur Verbandsklage. Mit der Anerkennung des Mitwirkungsrechts als absolutes Verfahrensrecht 1990 durch das Bundesverwaltungsgericht erfuhr die partizipatorische Verbandsklage ihre bundesweite Akzeptanz.7 Die naturschutzrechtliche Verbandsklage entwickelten zunächst die Landesgesetzgeber, indem sie den bundesrechtlich eröffneten Spielraum nutzten (§ 42 Abs. 2, 1. Hs. VwGO: „Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, …“). 1979

___________ 5 Andere überindividuelle Rechtsbehelfe sind etwa in § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO (Behörden), § 8 Abs. 4 HwO (Handwerkskammern). 6 Vgl. § 29 BNatschG a.F. vom 20.12.1976, BGBL. I S. 3574. 7 BVerwG, Urt. vom 31.10.1990 – 4 C 7.88, E 87, NVwZ 1991, S. 162 ff.

Klagebefugnis von Umweltverbänden und Gemeinden im Umweltrecht

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verankerte erstmalig das Land Bremen eine Verbandsklage im Landesnaturschutzgesetz,8 gefolgt von zwölf weiteren Ländern, bis 2002 der Bundesgesetzgeber die Verbandsklage im Bundesnaturschutzgesetz verankerte.9 Lediglich Bayern, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern hatten keine Rechtsbehelfsbefugnis für anerkannte Naturschutzverbände vorgesehen.10 Die naturschutzrechtliche Verbandsklage dient damit nicht der Umsetzung unionsrechtlicher Verpflichtungen, sondern hat – wie aufgezeigt – deutsche Wurzeln. Die 1990er Jahre können als Deregulierungsphase zugunsten der Verfahrensbeschleunigung im Rahmen des Aufbaus der neuen Bundesländer eingeordnet werden. Rasch erweiterte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der entsprechenden Vorschriften auf das gesamte Bundesgebiet. Die Beschleunigungsgesetzgebung11 hatte eine Reduzierung von Beteiligungsrechten, eine Verschärfung von Verwirkungsregelungen sowie den Erlass der zur Beschleunigung von Zulassungsverfahren dienenden fachgesetzlichen Regelungen zur Fehlerbehebung und Planergänzung12 zum Gegenstand13 und betraf insoweit nicht allein das Umwelt- und Fachplanungsrecht, sondern insbesondere das Verfahrens- und Prozessrecht. Obwohl weitere Deregulierungs- und Beschleunigungstendenzen auch noch eine Dekade später zu beobachten sind,14 kann seit 2000 eine gegenläufige Entwicklung konstatiert werden, die durch eine stetige, durch das Völker- und Uni___________ 8

Vgl. § 44 BremNatSchG a.F., Brem. BürgerschaftsDrs. Nr. 9/1130 v. 20.8.1979, S. 4. Durch Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften (BNatSchNeuregG) v. 25.3.2002, BGBl. 2002 I S. 1193. 10 Die Statuierung im Naturschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern erfolgte wenige Monate nach Inkrafttreten des BNatSchG am 1.1.2002. 11 Vgl. Planungsvereinfachungsgesetz v. 17.12.1993, BGBl. I S. 2123; Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz v. 12.9.1996, BGBl. I S. 1354. 12 Vgl. § 17 Abs. 6c Satz 2 FStrG; § 20 Abs. 4 Satz 2 WaStrG; § 20 Abs. 7 Satz 2 AEG, § 29 Abs. 8 Satz 2 PBefG. Anderes gilt jedoch bei der Anwendung von § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG: Er gilt nur für erhebliche Mängel bei der Abwägung, nicht aber auch für eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften. Ausweislich der Gesetzesbegründung werde die Unbeachtlichkeit von Form- und Verfahrensfehlern bereits durch § 46 VwVfG geregelt; vgl. BT-Drs. 13/3995, S. 10. 13 Vgl. ausführlich Erbguth, Zur Vereinheitlichung der jüngeren Deregulierungsgesetzgebung im Umweltrecht mit dem Verfassungs- und Europarecht, 1999; Erbguth/Schlacke, Umweltrecht, 5. Aufl., 2014, § 2 Rn. 10. 14 Vgl. Gesetz zur Beschleunigung von Planungsvorhaben für Infrastrukturvorhaben v. 9.12.2006, BGBl. I S. 2833; Gesetz zur Reduzierung und Beschleunigung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren v. 23.10.2007, BGBl. I S. 2470; vgl. ferner Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren, BT-Drs. 17/9666. 9

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onsrecht beförderte Konsolidierung überindividueller Rechtsbehelfe im Umweltrecht gekennzeichnet ist. So trat 2001 das 1998 in Aarhus unterzeichnete UN/ECE-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (kurz: Aarhus-Konvention)15 in Kraft. Die Aarhus-Konvention bewirkte eine Ausweitung der Information der Öffentlichkeit, der Öffentlichkeits- und Verbandsbeteiligung sowie der Verbandsklage in Umweltangelegenheiten in der Europäischen Union und in Deutschland. Deutschland hat das Abkommen 2006 ratifiziert.16 Durch die bundesweite Einführung der naturschutzrechtlichen Verbandsklage 2002 entfaltete sie auch in Bayern, BadenWürttemberg und Mecklenburg-Vorpommern Geltung. 2003 verpflichtete die Europäische Gemeinschaft (jetzt: Europäische Union) die Mitgliedstaaten aufgrund der völkerrechtlichen Vorgaben mittels der ÖffentlichkeitsbeteiligungsRichtlinie 2003/35/EG17 zur Ausdehnung der Beteiligung der Öffentlichkeit und der Verbände an umweltrechtlichen Verfahren sowie zur Einführung einer Verbandsklage. Mit der durch die Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie geänderte UVP-Richtlinie 2011/92/EU18 und IE-Richtlinie 2010/75/EU19 sowie der Umwelthaftungs-Richtlinie 2004/35/EG20 verpflichtete die Europäische Union die Mitgliedstaaten, eine überindividuelle Klagebefugnis zugunsten von Nichtregierungsorganisationen einzuführen, die die Möglichkeit eröffnet, Verletzungen des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung,21 des Industrieanlagenrechts22 und des Umwelthaftungsrechts23 gerichtlich oder außergerichtlich überprüfen zu lassen. Das deutsche Umweltrecht, das bislang nur im Rahmen des Naturschutzrechts eine Klagebefugnis zugunsten anerkannter Naturschutzverbände kannte, bedurfte angesichts dieser völker- und europarechtlichen Anforderungen einer grundlegenden Erweiterung des Zugangs zu Verwaltungsgerichten zugunsten von Nichtregierungsorganisationen. ___________ 15 BGBl. II 2006 S. 1251. Die Europäische Gemeinschaft ratifizierte das Übereinkommen durch Beschl. 2005/370/EG des Rates v. 17.2.2005, ABl. L 124, S. 1. 16 BGBl. II 2006 S. 1251. 17 ABl. L 156 v. 26.5.2003, S. 17; zuletzt geändert durch Richtlinie 2011/92/EU, ABl. L 26 v. 28.1.2012, S. 1. 18 Art. 11 (ex Art. 10a UVP-Richtlinie 85/337/EG). 19 Art. 25 (ex Art. 15a IVU-Richtlinie 2008/1/EG). 20 ABl. L 143 v. 30.4.2004, S. 56; zuletzt geändert durch Richtlinie 2009/31/EG, ABl. L 140 v. 5.6.2009, S. 114. 21 Art. 11 Richtlinie 2011/92/EU v. 13.12.2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 26 v. 28.1.2012, S. 1. 22 Art. 25 Richtlinie 75/2010/EU v. 24.11.2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung), ABl. L 334 v. 17.12.2010, S. 17. 23 Art. 13 Richtlinie 2004/35/EG v. 21.4.2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ABl. L 143 v. 30.4.2004, S. 56.

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Eineinhalb Jahre verspätet setzte Deutschland Ende 2006 die Verbandsklageerfordernisse des Völker- und Europarechts in das deutsche Recht durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG)24 und 2007 durch das Umweltschadensgesetz (USchadG)25 um. Hierdurch erfuhr der überindividuelle Rechtsschutz, der im Umweltbereich bislang auf naturschutzbezogene Angelegenheiten beschränkt war, eine erhebliche Erweiterung auf umweltbezogene Vorhabenzulassungen. Nunmehr konnten mittels überindividuellen Rechtsbehelfs auch UVP-pflichtige Vorhabengenehmigungen, insbesondere nach dem BImSchG genehmigungspflichtige Industrieanlagen, gerichtlich kontrolliert werden. Das UmwRG 2006 setzte eine Schutznormakzessorietät für den Zugang von Verbänden zu den Verwaltungsgerichten voraus.26 Danach konnten Verbände nur solche Normen rügen, die jedenfalls auch den Schutz individueller Rechte zu dienen bestimmt waren (drittschützende Normen), ohne dass der Verband allerdings eine konkrete Betroffenheit i.S.v. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO geltend machen musste. Die Beschränkung der Zulässigkeit von Umwelt-Rechtsbehelfen auf die Rüge drittschützender Normen hatte zur Folge, dass nur ein Bruchteil des Umweltrechts mittels der Verbandsklage überprüfbar war. Umwelt-Rechtsbehelfen kam nach dieser Konzeption eine bis dato nicht gekannte Zwitterstellung zwischen überindividuellem und individuellem Rechtsschutz zu: Die Verbände waren nicht Sachwalter von Umweltschutzinteressen, sondern Sachwalter von Dritten, deren subjektive Rechte verletzt waren. 2010 vereinheitlichte der Bundesgesetzgeber – im Gefolge des Scheiterns des Umweltgesetzbuchs – die Voraussetzungen für die Anerkennung von Naturschutz- und Umweltverbänden durch Novellierung des BNatSchG und des UmwRG insbesondere des § 3 UmwRG,27 korrigierte aber nicht den aus völker- und europarechtlicher Perspektive zu engen schutznormakzessorischen Ansatz des UmwRG. Diese Korrektur erfolgte sodann am 12. Mai 2011 durch den Gerichtshof der Europäischen Union (Trianel)28.29 Nach einem Vorabentscheidungsersu___________ 24 Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) v. 7.12.2006, BGBl. 2006 I S. 2816; zuletzt geändert durch Art. 5 Abs. 32 G v. 24.2.2012, BGBl. 2012 I S. 212, 262. 25 Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz – USchadG) v. 10.5.2007, BGBl. 2007 I S. 666. 26 Vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG 2006. 27 Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege v. 29.7.2009, BGBl. 2009 I S. 2542. 28 EuGH, Urt. vom 12.5.2011 – C 115.09, NVwZ 2011, S. 801 ff. 29 Vgl. dazu Durner/Paus, DVBl. 2011, S. 759 ff.; Wegener, ZUR 2011, S. 363 ff.; Schlacke, NVwZ 2011, S. 804 f.; Appel, NuR 2011, S. 414 ff.; Müller, EurUP 2011, S. 512 ff.; Hellriegel, EuZW 2011, S. 512 ff.; Fellenberg/Schiller, UPR 2011, S. 321.

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chen des OVG Münster stellt der EuGH - klar, dass die Beschränkung der Rügebefugnis auf die Verletzung von drittschützenden Normen für Verbandsklagen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG unionsrechtswidrig ist, da sie gegen Art. 10a UVP-Richtlinie a.F. verstößt. Seitdem ist die dogmatische Zuordnung des Verbands-Rechtsbehelfs gem. § 2 Abs. 1 UmwRG als überindividueller Rechtsbehelf nicht mehr zweifelhaft30 und seine Zwitterstellung zwischen individuellem und überindividuellem Rechtsschutz systemkonform bereinigt.31 Bis zum Erlass des Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften,32 das in Art. 1 die Anpassung des UmwRG an das Unionsrecht enthält, entfaltete die entsprechende, nicht unionsrechtskonform umgesetzte Vorschrift der UVP-Richtlinie (mittlerweile Art. 11) eine unmittelbare Wirkung.33 Die Änderungen des UmwRG im Jahre 2013 trugen im Wesentlichen der Umsetzung des Urteils des EuGH vom 12. Mai 2011 (Trianel) Rechnung, indem die Beschränkungen der rüge- und kontrollfähigen Normen auf solche, die Rechte Einzelner begründen, in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 S. 1 UmwRG gestrichen werden. Daneben wurden das Verhältnis von Umwelt-Rechtsbehelf und naturschutzrechtlichem Rechtsbehelf neu geregelt (§ 1 Abs. 3 UmwRG), die rügefähigen UVP-Verfahrensfehler in § 4 erweitert und ein neuer § 4a UmwRG eingefügt, der Maßgaben zur Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung, m. a. W. Sonderverwaltungsprozessrecht, enthält. Es ist zu erwarten, dass diese prozessualen Sonderregelungen, die eine Fristsetzung für die Klagebegründung, eine Begrenzung der gerichtlichen Kontrolldichte bei Beurteilungsspielräumen und die Regelung, dass die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage nur bei ernsthaften Zweifeln an der Rechtmäßigkeit erfolgen darf, betreffen, sich in der Praxis als Hürden für Verbände herausstellen und möglicherweise auch in Konflikt mit dem Unionsrecht geraten.34 Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Trianel35 und in ihrem Gefolge die Novelle des UmwRG 2013 zeitigen auch Konsequenzen für den Prüfungsumfang der Behörde oder des Gerichts: Das Unionsrecht provoziert eine Ausweitung der behördlichen und gerichtlichen Kontrolltätigkeit. Eine Beschrän___________ 30

Schlacke, NuR 2006, S. 8, 15 f.; Ziekow, NVwZ 2007, S. 259, 259 ff. Vgl. näher zu den systematischen Konsequenzen und der europarechtlichen Vereinbarkeit Schlacke, NuR 2006, S. 8, 15 f.; Ziekow, NVwZ 2007, S. 259, 259 ff. 32 Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften v. 21.1.2013, BGBl. I S. 95 f. 33 Vgl. auch BMU, Presseerklärung vom 12.5.2011, abrufbar unter http://www.bmub. bund.de/presse/pressemitteilungen/pm/artikel/klagerechte-von-umweltverbaenden-erwei tert/(Stand: 12.7.2014). 34 Schlacke, ZUR 2013, S. 195, 201 f. 35 S. oben Fn. 28. 31

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kung auf Umweltvorschriften, die Rechte Einzelner begründen, ist unionsrechtswidrig.36 Für die Begründetheitsprüfung in Betracht zu ziehende kontrollfähige und -pflichtige Normen sind insoweit sämtliche Umweltvorschriften, seien sie nun subjektiver oder objektiver, materieller oder verfahrensrechtlicher Natur. Insbesondere sind Vorsorgeregelungen,37 Vorschriften des Naturschutzrechts38 und prozedurale Vorgaben kontrollfähig.39 Verletzungen verfahrensrechtlicher Vorschriften sind indes nur von Bedeutung, wenn sie beachtlich i. S. v. § 46 VwVfG oder speziellere Regelungen des Fachplanungsrechts (z. B. § 17e Abs. 6 FStrG) sind.40 Während die Trianel-Entscheidung das Schrifttum kaum noch überraschte,41 war der eigentliche Paukenschlag des EuGH weitgehend ungehört geblieben: Bereits am 8. März 201142 betraf dieser die Nichtbeteiligung eines Umweltverbands an einer Entscheidung slowakischer Behörden zugunsten des Abschusses von Braunbären. Der EuGH leitete aus dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes und dem Äquivalenzprinzip eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erweiterung des Zugangs zu gerichtlichem Rechtsschutz für Umweltverbände, jedenfalls für Verletzungen von nationalem Umweltrecht ab, das auf Unionsrecht basiert (hier: FFH-Recht).43 Im Unterschied hierzu entwickelte sich die Klagebefugnis von Gemeinden weniger spektakulär. Sie leitet sich aus der verfassungsrechtlich gewährleisteten kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) ab. Diesbezüglich können Gemeinden ihre Klagebefugnis insbesondere auf die den Kernbereich der ___________ 36

Schlacke, NVwZ 2011, S. 804 f.; Bunge, NuR 2011, S. 605, 610. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BImSchG sowie Regelungen in BImSch-Verordnungen, §§ 32 Abs. 2, 45 Abs. 2 und 48 Abs. 2 WHG oder der Abwasserverordnung, § 7 BBodSchG und §§ 10 ff. BBodSchV. 38 §§ 14 ff., 20 ff., 30, 34, 44 BNatSchG. 39 Vgl. Vorschriften des UVPG, § 3 Abs. 5 BNatSchG. 40 Siehe auch die Sonderregelung des § 4 Abs. 1 UmwRG. 41 Vgl. bereits S. Schlacke, NuR 2007, S. 8, 14 f. 42 EuGH, Urt. vom 8.3.2011 – Rs. C – 240.09, ZUR 2011, S. 317; dazu Schlacke, ZUR 2011, S. 312; Radespiel, EurUP 2011, S. 139; Rehbinder, EurUP 2012, S. 23, 29 ff.; Jans, Who is the referee? Access to Justice in a Globalised Legal Order. A case Analysis of ECJ Judgment C 240/09 Lesoochranárske zoskupenie of 8 March 2011 (abrufbar unter: http://papers.ssrn.com/sol3/papers. cfm?abstract_idee=1834102); Wegener, ZUR 2011, S. 363, 366 f.; Schink, DÖV 2012, S. 622 ff. 43 Bezugnehmend auf EuGH, Urt. vom 8.3.2011 – Rs. C – 240.09, ZUR 2011, S. 317, hat das VG Wiesbaden, Urt. vom 10.10.2011, Az. 4 K 757.11. WI(1), eine Verbandsklagebefugnis im Hinblick auf die Aufhebung von Luftreinhaltepläne anerkannt; ähnlich in Bezug auf einen Regionalplan vgl. Hess. VGH, Beschl. vom 14.5.2012 – 9 B 1918.11, JURIS. Rn. 35. A.A. OVG Koblenz, Beschl. vom 27.2.2013 – 8 B 10254/13, NVwZ 2013, S. 881. 37

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Selbstverwaltungsgarantie kennzeichnende Planungshoheit stützen. Eine spezifische Klagebefugnis in Umweltangelegenheiten kommt Gemeinden nicht zu. Auch Verfahrensrechte von Gemeinden anerkannte das BVerwG nur ausnahmsweise als absolute Verfahrensrechte: Dazu zählen die Beteiligung einer Gemeinde im luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahren44 und das Einvernehmen der Gemeinde nach § 36 BauGB.45 Durch die Einführung des UmwRG 2006 erhielten Gemeinden – neben Verbänden und natürlichen Personen – gem. § 4 Abs. 3 UmwRG auch die Möglichkeit, Verletzungen von UVP-Recht gerichtlich geltend zu machen: Gemeinden als Gebietskörperschaften und damit juristische Personen des öffentlichen Rechts können auch die Nichtdurchführung einer rechtswidrig unterlassenen UVP oder UVP-Vorprüfung rügen. Nach der AltripEntscheidung des EuGH vom 7.11.201346 ist dieser Katalog der Verfahrensfehler unter Berücksichtigung des Unionsrechts zu eng gefasst. Rüge- und damit auch kontrollfähig müssen wesentliche Verfahrensfehler einer UVP sein.47 Der Bundesgesetzgeber erarbeitet derzeit einen Gesetzentwurf zur erneuten Anpassung des UmwRG an das Unionsrecht.

III. Urteil des BVerwG vom 5. September 2013 Während das UmwRG die Rechtsschutzanforderungen der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG und jene der nach Art. 9 Abs. 2 AK (sog. dritten Säule der Aarhus-Konvention: „Zugang zu Rechtsschutz“) umsetzt, bestand weitgehende Einigkeit im Schrifttum, dass Art. 9 Abs. 3 AK keine unmittelbare Pflicht zur Einführung von Klagebefugnissen für Einzelne oder Verbände beinhaltet48 oder Konsequenzen für den gerichtlichen Kontrollumfang und -maßstab nach sich zieht.49 Vielmehr, so die überwiegende Auffassung, stelle Art. 9 Abs. 3 AK es den Vertragsstaaten anheim, ob sie über Art. 9 Abs. 2 AK hinausgehende ___________ 44

BVerwG, Beschl. vom 15.10.1991 – 7 B 99.91, 7 ER 301.91, E 81, S. 95, 106; BVerwG, Urt. vom 16.12.1981 – 4 C 40.86, NJW 1992, S. 256, 257. 45 BVerwG, Urt. vom 10.8.1988 – 4 C 20/84, NVwZ-RR 1989, S. 6, 6 f. 46 EuGH, Urt. vom 7.11.2013, Rs. C-72/12 – Gemeinde Altrip u. a., vgl. hierzu der Beitrag von Böhm in diesem Band. 47 Vgl. Schlacke, NVwZ 2014, S. 11, 14. 48 So v. Danwitz, NVwZ 2004, S. 272, 276; Scheyli, AVR 2000, S. 217, 246; Epiney/Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, 2002, S.329 f.; Epiney, ZUR 2003, S. 176, 179; Jendroska, JEEPL 2005, S. 12, 19; Seelig/Gündling, NVwZ 2002, S. 1033, 1040; a.A.: Calliess, NuR 2006, S. 601, 614; SRU, Rechtsschutz für die Umwelt – die altruistische Verbandsklage ist unverzichtbar, 2005, Rn. 20; Dross, JEEPL 2005, S. 22 f. 49 Vgl. EuGH, Urt. vom 8.3.2011, Rs. C-240/09, ZUR 2011, S. 317 ff.; vgl. dazu Schlacke, ZUR 2011, S. 312 ff.; a.A. Schink, DÖV 2012, S. 622 ff.

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weitere Überprüfungsverfahren für Mitglieder der Öffentlichkeit, die bestimmte nach innerstaatlichem Recht festgelegte Kriterien erfüllen, eröffnen, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen. Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention lautet: „Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass die Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.“

Der EuGH beurteilte die Wirkungen des Art. 9 Abs. 3 AK in seinem Urteil vom 8. März 2011 in der Rs. C-240/09 (slowakischer Braunbär)50 gänzlich anders als das bisherige Schrifttum. In dem vom Obersten Slowakischen Gerichtshof vorgelegten Verfahren begehrte ein slowakischer Umweltverband, an einem Verwaltungsverfahren beteiligt zu werden. Gegenstand des Verwaltungsverfahrens waren Ausnahmegenehmigungen von einer Schutzregelung für bestimmte Arten, wie etwa den Braunbären, durch das Umweltministerium der Slowakischen Republik. Der Braunbär zählt nach Anhang IV der FFH-Richtlinie zu den streng geschützten Tierarten. Der Umweltverband ist zwar über diese Verfahren informiert worden; eine Beteiligung wurde indes abgelehnt und der dagegen eingelegte verwaltungsbehördliche Rechtsbehelf zurückgewiesen. Der oberste slowakische Gerichtshof wollte nun vom Europäischen Gerichtshof wissen, ob Art. 9 Abs. 3 AK als Bestandteil des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar sei und insoweit gebiete, dass eine Umweltvereinigung Zugang zu Gericht erhalten müsse, um Umweltrechtsverletzungen überprüfen zu lassen. Nach Auffassung des EuGH entfaltet Art. 9 Abs. 3 AK zwar keine unmittelbare Wirkung, da der Unionsgesetzgeber keinen Umsetzungsakt in Bezug auf Art. 9 Abs. 3 AK erlassen hat.51 Dennoch decke Art. 9 Abs. 3 AK gleichwohl einen weitgehend durch die Union geregelten materiellen Bereich des Umweltrechts ab (hier das FFH-Recht52)53 und sei mithin als Unionsrecht einzuordnen. Insoweit ist Art. 9 Abs. 3 AK auch von den Mitgliedstaaten unmittelbar zu berücksichtigen, obwohl er ausfüllungsbedürftige Tatbestandsmerkmale enthält. Art. 9 Abs. 3 AK verpflichtet die Vertragsstaaten, das mitgliedstaatliche Recht „soweit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 … [der Aarhus-Konvention] als auch mit ___________ 50

EuGH, Urt. v. 8.3.2011, Rs. C-240/09, ZUR 2011, S. 317 ff. Die Verbandsklage-Richtlinie ist im Entwurfsstadium 2003 stecken geblieben, vgl. KOM (2003) 624 endg. 52 EuGH, Urt. vom 8.3.2011, Rs. C-240/09, ZUR 2011, S. 317 ff., Rn. 40 f. 53 Ebenda, Rn. 36. 51

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dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen, um es einer Umweltschutzorganisation (…) zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten“. Diese sicherlich „pragmatische“54 richterliche, die unionsrechtlichen Grenzen aber noch einhaltende, Rechtsfortbildung55 führt dazu, dass die Mitgliedstaaten auf der Basis von Art. 9 Abs. 3 AK i.V.m. materiellem Unionsumweltrecht einer nach innerstaatlichen Kriterien näher bestimmte Öffentlichkeit Zugang zu Gerichten zu eröffnen haben.56 Der deutsche Gesetzgeber hat diese EuGH-Entscheidung bei seiner Novellierung des UmwRG in 2011 und 2012 nicht berücksichtigt. Ein feineres Gespür für die aus dem Unionsrecht resultierenden Umsetzungspflichten entwickelte hingegen die deutsche Rechtsprechung. Sie nahm den EuGH ernst: Das Verwaltungsgericht Wiesbaden entschied im Oktober 2011,57 dass ein nach dem UmwRG anerkannter Umweltverband die Kontrolle eines Luftreinhalteplans verlangen kann, obwohl die Überprüfung von Luftreinhaltepläne nicht vom Anwendungsbereich des UmwRG oder des BNatSchG erfasst wird und der Verband auch ersichtlich nicht in eigenen Rechten verletzt war. Der Auslegungsentscheidung des EuGH komme nach Auffassung des VG Wiesbaden zwar keine Allgemeinverbindlichkeit, wohl aber eine Leitfunktion zu. Der Verwaltungsgerichtshof Kassel, das Verwaltungsgericht München,58 das Verwaltungsgericht Augsburg59 und das Oberverwaltungsgericht Koblenz60 bestätigten den Vorstoß des VG Wiesbaden und dehnten den Anwendungsbereich der Verbandsklage auf artenschutzrechtliche Befreiungen und einen bergrechtlichen Betriebsplan aus. Das VG Augsburg nimmt eine unmittelbar aus Art. 9 ___________ 54

Berkemann, DVBl. 2013, S. 1137, 1139, 1145. Insoweit a.A. Schink, DÖV 2012, S. 622, 627 f.; Jans, Review of European Administrative Law 2011, S. 85, 89 ff.; zweifelnd Wegener, ZUR 2011, S. 363, 366; Franzius, Aktuelle Probleme des Umweltrechtsschutzes, in: FS Kloepfer, 2013, S. 377, 385. 56 EuGH, Urt. v. 8.3.2011, Rs. C-240/09, ZUR 2011, S. 317 ff., Rn. 37. 57 VG Wiesbaden, Urt. vom 10.10.2011 – 4 K 757/11.WI, ZUR 2012, S. 113, Rn. 57; bestätigt durch Kammerurt. vom 16.8.2012 – 4 K 165/12.WI, Immissionsschutzrecht 2012, S. 190. 58 VGH Kassel, Beschl. vom 14.5.2012 – 9 B 1918/11, ZUR 2012, 438 (Regionalplan); VG München, Urt. vom 9.10.2012 – M 1 K 12.1046, ZUR 2012, S. 699 f., Rn. 20 ff. (Luftreinhalteplan). 59 VG Augsburg, Beschl. vom 13.2.2013 – Au 2 S 13.143, NuR 2013, S. 284 ff. (artenschutzrechtliche Befreiung). 60 OVG Koblenz, Beschl. vom 6.2.2013 – 1 B 11266/12.OVG, ZUR 2013, S. 293 ff., Rn. 40 ff. (bergbaulicher Hauptbetriebsplan). 55

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Abs. 3 AK ableitbare Klagebefugnis an, die im Rahmen des Prozessrechts, insbesondere von § 42 Abs. 2 VwGO zu berücksichtigen sei61. Einige Gerichte lehnten gleichwohl Konsequenzen aus der EuGH-Rechtsprechung ab: So das OVG Lüneburg,62 das die Antragsbefugnis eines anerkannten Umweltverbands für eine Normenkontrolle eines Regionalen Raumordnungsprogramms verneinte, da es daran zweifelte, ob Art. 9 Abs. 3 AK eine Art Schutznormfunktion zukomme, und schließlich eine innerstaatliche Wirkung jedenfalls für vorgelagerte Entscheidungen – wie vorliegend Raumordnungsprogramme – für ausgeschlossen hielt. Der Achte Senat des rheinland-pfälzischen Oberverwaltungsgerichts erkannte im Unterschied zum Ersten Senat desselben Gerichts ebenfalls keinen Anlass zur Erweiterung der Verbandsantragsbefugnis. Nach seiner Auffassung spricht gegen eine unionsrechtliche Verpflichtung zur Gewährung des Zugangs zu Verwaltungsgerichten zugunsten von Umweltverbänden, dass weder § 64 BNatSchG noch § 2 UmwRG Anwendung fänden, noch Art. 9 Abs. 3 AK eine unmittelbare Wirkung beigemessen werden könne, so dass eine Klagebefugnis gem. § 42 Abs. 2, 1. Hs. VwGO ausscheide. Eine analoge Anwendung sprenge nach Auffassung des Gerichts die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung.63 Das Schrifttum ist ebenso gespalten wie die Rechtsprechung.64 Das BVerwG entschied am 5. September 201365 in einer Sprungrevision, dass das Ergebnis des VG Wiesbaden66 richtig war. Ein nach § 3 UmwRG anerkannter Umweltverband – geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe mit Sitz in Berlin – kann einen Luftreinhalteplan gerichtlich kontrollieren lassen, obwohl dieser nicht vom Anwendungsbereich des UmwRG erfasst wird. Im Kern hatte das BVerwG zu entscheiden, ob der Umweltverband eine Klagebefugnis besitzt. Zur Begründung entfaltete das BVerwG einen Dreischritt: Das BVerwG verneint zutreffend – erstens – die Möglichkeit, die Klagebefugnis auf § 42 Abs. 2, 1. Hs. VwGO i.V.m. Art. 9 Abs. 3 AK zu stützen.67 Es ___________ 61

VG Augsburg, Beschl. vom 13.2.2013 – Au 2 S 13.143, NuR 2013, S. 284 ff. (artenschutzrechtliche Befreiung). 62 OVG Lüneburg, Urt. vom 30.7.2013 – 12 MN 300/12, ZUR 2013, S. 627. 63 OVG Koblenz, Beschl. vom 27.2.2013 – 8 B 10254/13, ZUR 2013, S. 291 ff., insb. Rn. 14 ff. (Baugenehmigung für den Neubau von Trocknergebäuden mit Rundsilos).  64 Eine Klagebefugnis von Verbänden i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO bejahen Klinger, NVwZ 2013, S. 850 ff.; ders., EurUP 2013, S. 95 ff.; Berkemann, DVBl. 2013, S. 1137, 1144 ff.; Seibert, NVwZ 2013, S. 1040, 1041 ff.; Radespiel, EurUP 2011, S. 238, 240; Schlacke, ZUR 2011, S. 312 ff.; a.A. Schink, DÖV 2012, S. 622. 627 ff.; ders., DVBl. 2012, S. 197, 198; Siegel, DÖV 2012, S. 709, 715 f.; Fellenberg/Schiller, UPR 2011, S. 321, 325. 65 BVerwG, Urt. vom 5.9.2013 – 7 C 21.12, NVwZ 2014, S. 64 ff. 66 VG Wiesbaden, Urt. vom 16.8.2012 – 4 K 165/12.WI, Immissionsschutzrecht 2012, S. 190. 67 BVerwG, Urt. vom 5.9.2013 – 7 C 21.12, NVwZ 2014, S. 64 ff., Rn. 18 ff.

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sei nach Auffassung des BVerwG zwar grundsätzlich möglich, auch europäische Vorschriften als anderweitige gesetzliche Vorschriften i.S.d. § 42 Abs. 2 Hs. 1 VwGO anzuerkennen. Art. 9 Abs. 3 AK sei aber aufgrund seines fehlenden selfexecuting Charakters gerade nicht eine solche Norm und auch ansonsten enthalte weder das Unions- noch das nationale Recht eine derartige Norm, so dass es an einer gesetzlichen Bestimmung fehle.68 Das BVerwG verneint zweitens – ebenfalls zu Recht – eine analoge Anwendung von § 2 UmwRG, der eine Klagebefugnis zugunsten der nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltverbände für Klagegegenstände des § 1 UmwRG normiert.69 § 2 UmwRG diene der Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 AK und laut Gesetzesbegründung gerade nicht der Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 AK. Außerdem enthalte nach dem Willen des Gesetzgebers § 1 UmwRG einen abschließenden Katalog von Klagegegenständen. Dieser gesetzgeberische Wille müsse nach Auffassung des Gerichts respektiert werden, auch wenn der Gesetzgeber irrte, als er dachte, er müsse Art. 9 Abs. 3 AK nicht umsetzen. Das Gericht geht zur Begründung der Umsetzungsverpflichtung auch auf Ausführungen des compliance committee zur Aarhus-Konvention ein. Das BVerwG leitet drittens – und das ist die eigentliche dogmatische Revolution dieser Entscheidung – eine Klagebefugnis aus § 42 Abs. 2, 2. Hs. VwGO ab. Nach Auffassung des Gerichts hat ein nach § 3 UmwRG anerkannter Umweltverband auch eine Klagebefugnis, selbst wenn er nicht in eigenen Rechten verletzt ist. Das BVerwG leitet aus § 47 Abs. 1 BImSchG auch für Umweltverbände nach § 3 UmwRG einen Anspruch auf Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen ab, selbst wenn diese nicht in eigenen Rechten – wie etwa der Gesundheit – verletzt sind, sondern allenfalls Umwelt- und Gesundheitsbelange als Gemeinwohlbelange zur Durchsetzung verhelfen wollen.70 Wenn es um die effektive Durchsetzung von Unionsrecht ginge, so komme dem Umweltverband – u.a. unter Bezugnahme auf J. Masing – eine prokuratorische Rechtsstellung zu.71 Das BVerwG stützt seine Entscheidung nicht nur auf die Braunbären-Entscheidung allein, sondern auch auf die Janecek-Entscheidung72 des EuGH. In dieser hat der Gerichtshof anerkannt, dass natürliche und juristische Personen das Recht haben, den Erlass von Aktionsplänen bei Überschreitung der Feinstaubgrenzwerte von Kommunen zu verlangen. ___________ 68

Zustimmend auch Gärditz, EurUP 2014, S. 39, 42. BVerwG, Urt. vom 5.9.2013 – 7 C 21.12, NVwZ 2014, S. 64, 67, Rn. 38 ff. 70 Ebenda Rn. 48. 71 BVerwG, Urt. v. 5.9.2013 – 7 C 21.12, NVwZ 2014, S. 64, 67. Diesen Begriff entlehnt das BVerwG bei Masing, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 2. Aufl., 2012, § 7 Rn. 93a ff., S. 112 ff. 72 EuGH, Urt. vom 25.7.2008 – Rs. C-237/07, NVwZ 2008, 984, Rn. 48 – Janecek. 69

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Das BVerwG sieht in § 3 UmwRG eine Grundentscheidung des deutschen Gesetzgebers, dass nur die nach dieser Vorschrift anerkannten Umweltverbände berechtigt sein sollen, vor Gericht die Verletzung von dem Umweltschutz dienenden Rechtsvorschriften geltend zu machen.

IV. Konsequenzen Was folgt nun aus dieser Entscheidung? Nach § 3 UmwRG anerkannte Verbände haben eine prokuratorische Rechtsstellung. Das bedeutet: Sie sollen die praktische Wirksamkeit und Einheit des Unionsrechts gewährleisten und damit zugleich kraft Effektivitätsprinzip unionsrechtlich geschützte Belange geltend machen dürfen. Sie erhalten damit eine doppelte Sachwalterfunktion: prozessual sind sie beauftragt, dem Unionsrecht gerichtlich zur Wirksamkeit zu verhelfen, um damit zugleich die materielle Umsetzung zu gewährleisten.73 Nicht ganz klar ist, was das BVerwG unter dieser prokuratorischen Rechtsstellung versteht, m.a.W. welchen Belangen die Verbände zur Durchsetzung verhelfen sollen. Einerseits wird davon ausgegangen, dass sie Gesundheitsbelange wahrnehmen und zu Sachwaltern von Anwohnerinteressen werden.74 Gegen diese Interpretation spricht indes, dass das BVerwG auf die nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltverbände abstellt. Diese erhalten ihre Anerkennung für die Wahrnehmung und Durchsetzung von Umweltschutzinteressen, nicht hingegen für die Wahrnehmung und Durchsetzung von Rechten Einzelner i.S.e. Prozessstandschaft. Die Rechtsmacht zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs auf Erlass von Luftreinhalteplänen begrenzt das BVerwG auf Verbände, deren behördlich anerkannter und satzungsmäßiger Zweck auf Umweltschutz gerichtet ist.75 Mit dieser Funktionszuweisung überbrückt das BVerwG die fehlende Betroffenheit des Umweltverbands in eigenen, subjektiven Rechten. Insoweit handelt es sich nicht lediglich um eine Entformalisierung des Kreises subjektiv Berechtigter,76 sondern um eine Entkernung des Schutznormgedankens. Ob insoweit auch Gemeinden eine Klagebefugnis zukommt, erscheint fraglich. Gemeinden sind juristische Personen des öffentlichen Rechts. Unter Bezugnahme auf die Janecek-Entscheidung77 kommen sie aber nur dann als betroffene Öffentlichkeit in Betracht, wenn sie ein, etwa in der Luftqualitätsrichtlinie verankertes, Schutzinteresse geltend machen. Ob sie als Prozessstandschafter für die ___________ 73 74 75 76 77

Vgl. Schlacke, NVwZ 2014, S. 11, 13. Gärditz, EurUP 2014, S. 39, 42 f. So auch Franzius, DVBl. 2014, S. 543, 548 ff. So Gärditz, EurUP 2014, S. 39, 43. EuGH, NVwZ 2008, S. 984 ff. – Janecek.

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Sabine Schlacke

Gesundheit ihrer Einwohner eintreten können, scheint zumindest nicht ausgeschlossen.78 Jedenfalls besteht auch nach der Altrip-Entscheidung des EuGH kein hinreichender Anknüpfungspunkt, um eine altruistische Gemeindeklage in dem Sinne begründen zu können, dass Gemeinden ohne eigene Rechtsverletzung Rechte Dritter oder überindividuelle Interessen durchzusetzen vermögen.79 Der bislang auf Gegenstände des § 1 UmwRG und § 64 BNatSchG beschränkte Anwendungsbereich der Verbandsklage ist nicht mehr abschließend: Anerkannte Verbände können nunmehr auch außerhalb des UmwRG und BNatSchG liegende behördliche Handlungen und Unterlassungen gerichtlich überprüfen lassen, wenn sie Verletzungen von unionsrechtlich bedingtem Umweltrecht rügen. Die bereits im Hinblick auf die Anerkennung von individuellen Rechten europäisierte Schutznormdoktrin erfährt durch die Entscheidung des BVerwG einen weiteren Europäisierungsschub: Nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltverbände sind klagebefugt, wenn sie eine Verletzung unionsrechtlich bedingten Umweltrechts rügen können. Auch Verletzungen von Verfahrensvorschriften sind einklagbar – so auch UVP-Verletzungen. Die Antragsbefugnis für Normenkontrollanträge ist von dieser Abkehr von der Schutznormtheorie betroffen. Eine Popularklage wird damit nicht eröffnet, wohl aber eine Art Interessentenklage. Zusätzliche prozessuale Anforderungen – wie sie etwa § 4a UmwRG vorsehen – müssen bei einer Stützung der Verbandsklage auf § 42 Abs. 2, 2. Hs. VwGO nicht berücksichtigt werden. Das bedeutet auch, dass bei Verletzungen von Umweltunionsrecht ein Verband zukünftig geringere prozessuale Hürden vorfindet, wenn er seine Klagebefugnis nicht auf § 2 UmwRG, sondern auf § 42 Abs. 2 VwGO stützt. Der Rechtswidrigkeitszusammenhang, also die Verletzung in eigenen Rechten des Klägers, den § 113 I 1 VwGO fordert, muss – um nicht den Effektivitätsgrundsatz des Unionsrechts erneut zu verletzen – ebenfalls bei derartigen Klage entfallen.

V. Fazit und Ausblick Die Entscheidung des BVerwG, Art. 9 Abs. 3 AK über das Unionsrecht für anwendbar zu erklären, enthält Sprengstoff für das Individualrechtsschutzsystem. Sie führt im Ergebnis zu einer Interessentenklage und wird – wohl nicht nur für das Umweltrecht – die Schutznormlehre ablösen. ___________ 78 Vgl. EuGH, Urt. vom 26.5.2011 – Rs. C-165/09 bis C-167/09, Slg. 2011, I-4599, Rn. 93 – Stichting Natuur en Milieu u.a. 79 Vgl. insoweit auch Siegel, NJW 2014, S. 973, 974 f.

Klagebefugnis von Umweltverbänden und Gemeinden im Umweltrecht

143

Die Rechtsprechung des BVerwG und des EuGH lediglich als Sonderentwicklung im Umweltrecht aufzufassen, greift (wohl) zu kurz. Denn der Gerichtshof bemüht den prozessualen Effektivitätsgrundsatz und das Äquivalenzprinzip nicht nur für den Umweltbereich. Vielmehr ist das Umweltrecht lediglich die Speerspitze einer Rechtsprechungsentwicklung, die darauf zielt, unter Berufung auf das Effektivitäts- und Äquivalenzgebot dem Unionsrecht in den Mitgliedstaaten zu mehr prozessualer und materieller Wirksamkeit zu verhelfen. Im deutschen Rechtsschutzsystem sollte daher in erster Linie der Bundesgesetzgeber die Pässe der Rechtsprechung verwerten und für eine systemkonforme Integration zu sorgen. Die völker- und unionsrechtlich bedingten Rechtsschutzaufträge können systemkonform durch eine gesetzgeberische Trennung zwischen Individualrechtsschutz und überindividuellen Rechtsschutz erfolgen. Es bedarf für letzteres eine Klarstellung in der VwGO, ggf. in einem Abs. 3 zu § 42 VwGO.80 Dieser sollte die betroffene Öffentlichkeit, insbesondere anerkannte Verbände zur gerichtlichen Durchsetzung von überindividuellen Schutzinteressen ermächtigen. Auch scheint sich eine Erweiterung des Kontrollumfang der Gerichte anzudeuten. Dies folgt sowohl aus der Altrip-Entscheidung des EuGH als auch aus der des BVerwG: Der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz zwingt zu einer intensiveren gerichtlichen Kontrolle von objektiven Rechtssätzen. Insoweit stellt sich die Frage, ob die praktizierte Kontrolltiefe im deutschen Verwaltungsrechtsschutz beibehalten werden kann. Auch diesbezüglich dürfte das Effektivitätsgebot des Unionsrechts als Leitprinzip dienen.

___________ 80 A.A. Franzius, DVBl. 2014, S. 543, 546 ff., der eine funktionale Subjektivierung des Begriffs der „Rechte“ i.S.v. § 42 Abs. 2, 2. Hs. VwGO favorisiert. Es bleibt offen, welche Belange dann nicht mehr als subjektiv gelten.

Seveso-II-Richtlinie – Auswirkung der Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG für die Planung von wichtigen Verkehrsinfrastrukturen Von Mathias Hellriegel

I. Einleitung Von Anlagen, in denen mit gefährlichen Stoffen umgegangen wird, können im Falle größerer Betriebsstörungen ernste Gefahren für deren Umgebung ausgehen.1 Bestmögliche Vorsorge gegen die Auswirkungen solcher Ereignisse bietet die räumliche Trennung von gefährlichen Anlagen und schutzwürdigen Nutzungen durch die vorsorgliche Einhaltung ausreichender Abstände. Dies hat auch der europäische Gesetzgeber erkannt und deshalb in Art. 12 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Seveso-II-Richtlinie2 festgelegt, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass zwischen Störfallbetrieben und schutzwürdigen Nutzungen ein angemessener Abstand gewahrt bleibt. In Art. 12 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Seveso-II-Richtlinie wird ausdrücklich geregelt, dass die Mitgliedstaaten auch die Neuansiedlung von wichtigen Verkehrswegen in der Nachbarschaft von Störfallbetrieben dahingehend überwachen müssen. Dieses störfallrechtliche Abstandsgebot ist nationalrechtlich in § 50 BundesImmissionsschutzgesetz (BImSchG) verankert und gilt neben der Bauleitplanung3 auch für die Fachplanung4. § 50 BImSchG erwähnt Verkehrswege ebenfalls ausdrücklich; so heißt es (verkürzt): Bei raumbedeutsamen Planungen und ___________ 

Dr. Mathias Hellriegel ist Partner der Sozietät Malmendier Partners, Berlin. Das Gefahrenpotential von (Groß)Betrieben der chemischen Industrie hat sich jüngst wiederum gezeigt bei der Explosion einer Düngemittelfabrik in West, TX (USA). 2 Richtlinie 96/82/EG des Rates vom 9. Dezember 1996 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen, in der Fassung der Richtlinie 2003/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2003. Das Abstandserfordernis ist auch in Art. 13 der Seveso-III-Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 enthalten. 3 Jarass, in: Jarass, BImSchG, 10. Aufl. 2013, § 50 Rn. 6; Schoen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 1. August 2013, § 50 BImSchG Rn. 69. 4 Jarass, in: Jarass, BImSchG, 10. Aufl. 2013, § 50 Rn. 7; Schoen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand 1. August 2013, § 50 BImSchG Rn. 70. 1

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Mathias Hellriegel

Maßnahmen sind die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen und von schweren Unfällen im Sinne des Artikels 3 Nummer 5 der Richtlinie 96/82/EG in Betriebsbereichen hervorgerufene Auswirkungen auf sonstige schutzbedürftige Gebiete, insbesondere wichtige Verkehrswege, so weit wie möglich vermieden werden. In aktuellen Entscheidungen haben der EuGH und das BVerwG dazu Stellung genommen, wie das Abstandsgebot aus Art. 12 Abs. 1 Unterabsatz 2 der SevesoII-Richtlinie auszulegen und welche Anforderungen daraus für Verwaltungsentscheidungen folgen. Die Urteile betrafen zwar primär die Frage, ob und auf welche Weise das Abstandsgebot im Baugenehmigungsverfahren zu berücksichtigen ist. Die Aussagen der Gerichte lassen sich jedoch auch auf das Planfeststellungsrecht und damit auf die Auslegung von § 50 BImSchG übertragen. Die Rechtsprechung ist daher von Planfeststellungsbehörden im Rahmen von Planfeststellungsverfahren für wichtige Verkehrswege zwingend zu beachten. Die Erfahrung zeigt, dass die Relevanz und die Konsequenzen der neuen Rechtsprechung für die behördlichen Praxis – sowohl in Baugenehmigungsverfahren, als auch bei der Aufstellung von Bebauungsplänen und in Planfeststellungsverfahren – noch nicht im erforderlichen Maße zur Kenntnis genommen werden. Um Planfeststellungsbehörden hier die notwendige Sicherheit mit dem Umgang von Störfallanlagen zu geben, werden die Urteile des EuGH und des BVerwG sowie die daraus abzuleitenden Folgen für Planfeststellungsverfahren aufgearbeitet. Dafür werden zunächst diejenige Anforderungen dargestellt, die das BVerwG nach bisheriger Rechtsprechung an das Abstandsgebot aus Art. 12 Seveso-II-Richtlinie und § 50 BImSchG für Planungsentscheidungen gestellt hat (vgl. II.). Im Anschluss daran werden die neuen Vorgaben des EuGH sowie des BVerwG zum Abstandsgebot erläutert (vgl. III.). Wie diese Vorgaben im Planfeststellungsverfahren materiell-rechtlich zu berücksichtigen sind und welche Auswirkungen sie für die Gestaltung des Planfeststellungsverfahrens haben, wird abschließend aufgezeigt (vgl. IV.).

II. Bisherige Rechtsprechung des BVerwG Das BVerwG hatte in seinen Entscheidungen schon bisher stets gefordert, dass unverträgliche Nutzungen, also auch Störfallbetriebe und wichtige Verkehrswege, räumlich getrennt werden sollen, um den Zielen des Störfallschutzes gerecht zu werden.5 Aus der Formulierung „so weit wie möglich“ in Art. 12 Abs. 1 Unterabsatz 2 Seveso-II-Richtlinie und § 50 Satz 1 BImSchG hat das Gericht ___________ 5 BVerwG, Beschl. vom 20. Januar 1992 – 4 B 71.90, NVwZ 1992, 663 (664); BVerwG, Beschl. vom 5. Dezember 2008 – 9 B 28.08, NVwZ 2009, 320 (324); Tophoven, in: Giesberts/Reinhardt, Beck’scher Online-Kommentar Umweltrecht, Stand: 1. Januar 2014, § 50 BImSchG Rn. 18.

Seveso-II-Richtlinie – Auswirkung der Rechtsprechung

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jedoch abgeleitet, dass dieses Trennungsgebot abwägungsfähig ist. Der Grundsatz, wonach Betriebsbereiche und schutzbedürftige Gebiete in einem angemessenen Abstand zu errichten sind, könne im Rahmen der Planung überwunden werden.6 Dabei versteht das BVerwG § 50 Satz 1 BImSchG als Abwägungsdirektive.7 Somit haben die störfallschutzrechtlichen Belange im Rahmen der planerischen Abwägung ein besonderes Gewicht.8 Der Belang des Störfallschutzes könne daher nur in solchen Fällen zurücktreten, in denen andere Belange von noch größerer Bedeutung vorgebracht werden können. Eine entsprechende Rechtfertigung kommt – so das BVerwG – insbesondere dann in Betracht, wenn von dem Störfallbetrieb vergleichsweise geringe Gefahren ausgehen oder wenn eine bereits bestehende Gemengelage überplant wird. Denn der Trennungsgrundsatz des § 50 Satz 1 BImSchG kann in seiner praktischen Umsetzung bei vorbelasteten Gebieten oftmals gar nicht oder nur eingeschränkt beachtet werden.9

III. Neue Entscheidungen des EuGH und des BVerwG Diese Grundsätze sind durch eine Entscheidung des EuGH und mehrere Entscheidungen des BVerwG präzisiert worden. Gegenstand der Entscheidung des EuGH vom 15. September 201110 sowie der Entscheidungen des BVerwG vom 20. Dezember 201211 war ein Rechtsstreit, in dem die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung für ein Gartencenter in der Nähe eines Störfallbetriebs begehrte. Strittig war, ob das Abstandsgebot aus Art. 12 Seveso-II-Richtlinie auch ___________ 6 BVerwG, Urt. vom 13. Mai 2009 – 9 A 71.07, BeckRS 2009, 38096, Rn. 44; BVerwG, Urt. vom 13. Mai 2009 – 9 A 72.07, NVwZ 2009, 1498 (1503); BVerwG, Urt. vom 19. April 2012 – 4 CN 3.11, ZfBR 2012, 566 (570); Jarass, in: Jarass, BImSchG, 10. Aufl. 2013, § 50 Rn. 28. Ein Teil des Schrifttums (Berkemann, ZfBR 2010, 18 (28); Grüner, Planerischer Störfallschutz, S. 202; Louis/Wolf, NuR 2007, 1 (4); Weidemann/Freytag, StoffR 2004, 225 (228 f.)) sieht die Abwägungsfähigkeit des Trennungsgebotes als unzureichende Umsetzung des Art. 12 Seveso-II-Richtlinie an. Diesen Auffassungen steht jedoch entgegen, dass der EuGH und das BVerwG in ihren aktuellen Entscheidungen den in § 50 Satz 1 BImSchG enthaltenen Wertungsspielraum wiederholt als zulässig ansahen. 7 BVerwG, Urt. vom 22. März 1985 – 4 C 73.82, NJW 1986, 82 (83); früher noch als Optimierungsgebot bezeichnet. 8 BVerwG, Urt. vom 28. Januar 1999 – 4 CN 5.98, NVwZ 1999, 1222 (1224); BVerwG, Urt. vom 22. März 2007 – 4 CN 2.06, NVwZ 2007, 831 (831); BVerwG, Urt. vom 25. Mai 2011 – 9 A 15.10, BeckRS 2011, 52060, Rn. 21. 9 BVerwG, Beschl. vom 20. Januar 1992 – 4 B 71.90, NVwZ 1992, 663 (664); BVerwG, Beschl. vom 5. Dezember 2008 – 9 B 28.08, NVwZ 2009, 320 (324); BVerwG, Beschl. vom 8. März 2010 – 4 B 76.09, BeckRS 2010, 47840, Rn. 7; Köck, ZUR 2012, 418 (421). 10 EuGH, Urt. vom 15. September 2011 – Rs. C-53/10, EuZW 2011, 873 ff. mit Anmerkung Hellriegel, S. 876 ff. 11 BVerwG, Urt. vom 20. Dezember 2012 – 4 C 11.11, BeckRS 2013, 47820 und 4 C 12.11, BeckRS 2013, 47821.

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für Baugenehmigungsverfahren gilt. In diesem Zusammenhang hat der EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens dargelegt, wie Art. 12 der SevesoII-Richtlinie auszulegen ist (vgl. dazu 1.). Wie diese Vorgaben des EuGH in nationales (Bauplanungs-)Recht umzusetzen sind, hat das BVerwG mit Urteilen vom 20. Dezember 2012 entschieden (vgl. 2.). In einer Entscheidung aus dem Jahr 2013 hat das BVerwG dazu Stellung genommen, wie die – für Baugenehmigungsverfahren entwickelten Grundsätze – auf Planfeststellungsverfahren und § 50 BImSchG zu übertragen sind (vgl. 3.). 1. Urteil des EuGH vom 15. September 2011 Der EuGH hat im Urteil vom 15. September 2011 klargestellt, dass Mitgliedstaaten verpflichtet sind, angemessene Abstände im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Seveso-II-Richtlinie auf der Ebene der Planung oder der Ebene der Genehmigung zu beachten. Denn die Vorgaben der Seveso-II-Richtlinie beschränken sich nicht auf Planungsentscheidungen im Sinne des deutschen Bauplanungsrechts, sondern gelten gemäß Art. 12 Abs. 1 Unterabsatz 2 Seveso-II-Richtlinie auch für „Verfahren für die Durchführung von Politiken“. Damit hat der Gerichtshof zum einen bestätigt, dass das Abstandsgebot auch für Planfeststellungsverfahren gilt, den Anwendungsbereich zum anderen aber auf Verwaltungsverfahren ausgedehnt, die auf den Erlass eines gebundenen Verwaltungsakts gerichtet sind, wie Baugenehmigungsverfahren. Der Gerichtshof macht ferner deutlich, dass es keine strikten Vorgaben und Methoden zur Festlegung von angemessenen Abständen im Sinne des Art. 12 der Seveso-II-Richtlinie gibt. Ebenso gibt es keine festen Vorgaben dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen ein schutzbedürftiges Vorhaben innerhalb des angemessenen Abstands eines Störfallbetriebs zulässig ist. Denn – so der EuGH – aus Art. 12 der Seveso-II-Richtlinie folge nicht, dass Vorhaben generell abgelehnt werden müssen, wenn sie keine angemessenen Abstände einhalten. Vielmehr komme den Mitgliedsstaaten ein Wertungsspielraum zu; sie können Vorhaben auch dann genehmigen, wenn die angemessenen Abstände unterschritten sind. Erforderlich sei dann jedoch eine Abwägung im Einzelfall. Relevante Abwägungsfaktoren seien dabei u. a. die Art der gefährlichen Stoffe, die Unfallrisiken und -folgen, die Art und Nutzungsintensität des geplanten Vorhabens und auch sozioökonomische Belange.12 Im Ergebnis folge zumeist eine in erheblichem Maße individuelle Entscheidung. Ein absolutes Verschlechterungsverbot in dem Sinne, dass Vorhaben nicht genehmigungsfähig sind, wenn sie den IstZustand mit Blick auf die Auswirkungen eines schweren Unfalls verschlechtern, gelte daher nicht. ___________ 12

EuGH, Urt. vom 15. September 2011 – Rs. C-53/10, EuZW 2011, 873 (875).

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2. Urteile des BVerwG vom 20. Dezember 2012 Das BVerwG hat im Anschluss an das Vorabentscheidungsverfahren dazu Stellung genommen, wie die unionsrechtlichen Vorgaben in das nationale Recht zu integrieren sind.13 Da der zugrunde liegende Sachverhalt ein Baugenehmigungsverfahren im unbeplanten Innenbereich betraf, hat das BVerwG dargelegt, wie sich das Störfallrecht in die Prüfung des § 34 BauGB einpassen lässt. Das BVerwG stellt klar, dass dogmatischer Anknüpfungspunkt innerhalb des § 34 Abs. 1 BauGB das Gebot des Sich-Einfügens ist und dort im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zu prüfen ist.14 Dabei sei im Wege einer „nachvollziehenden Abwägung“ zu prüfen, ob ein schutzbedürftiges Vorhaben innerhalb des angemessenen Abstands eines Störfallbetriebs zulässig ist.15 Das BVerwG knüpft damit begrifflich an das Abwägungsgebot im Sinne des § 1 Abs. 7 BauGB an und bringt zum Ausdruck, dass im Baugenehmigungsverfahren eine „auf den Einzelfall ausgerichtete Gewichtsbestimmung“, d.h. eine vorhabenbezogene Abwägung, durchzuführen ist. Bei dieser nachvollziehenden Abwägung sei zweistufig vorzugehen.16 Zunächst sei der angemessene Abstand zwischen Störfallbetrieb und sensibler Nutzung zu bestimmen (vgl. a); werde dieser nicht eingehalten, sei zu untersuchen, ob eine Abstandsunterschreitung vertretbar sei (vgl. b). Soweit ein bauplanerischer Konflikt aufgeworfen werde, der nur durch ein Bebauungsplanverfahren lösbar ist, kann eine Baugenehmigung nicht erteilt werden, sondern es ist ein Bebauungsplan aufzustellen (vgl. c). Abgesehen von diesen letzten Grundsatz sind die genannten Vorgaben des BVerwG auf das Planfeststellungsverfahren übertragbar (vgl. d) sowie III. 3.). a) Ermittlung angemessener Abstände Das BVerwG weist in seinen Urteilen aus 2012 zunächst darauf hin, dass es absolute Abstandswerte nicht gebe. Der angemessene Abstand sei mangels konkreter Vorgaben im jeweiligen Einzelfall anhand aller „störfallspezifischer“ Faktoren zu bestimmen. Ausschlaggebend sei, in welchem Ausmaß das neu hinzukommende Vorhaben das Unfallrisiko ansteigen lässt oder sich die Unfallfolgen verschlimmern. Um dies zu bestimmen, seien die vom EuGH genannten Kriterien zu untersuchen, unter anderem also die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines schweren Unfalls, die Unfallfolgen, die Art und Intensität der neuen Nutzung ___________ 13 BVerwG, Urt. vom 20. Dezember 2012 – 4 C 11.11, BeckRS 2013, 47820 und 4 C 12.11, BeckRS 2013, 47821. 14 BVerwG, Urt. vom 20. Dezember 2012 – 4 C 11.11, BeckRS 2013, 47820, Rn. 29 f. 15 BVerwG, Urt. vom 20. Dezember 2012 – 4 C 11.11, BeckRS 2013, 47820, Rn. 26. 16 BVerwG, Urt. vom 20. Dezember 2012 – 4 C 11.11, BeckRS 2013, 47820, Rn. 15.

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Mathias Hellriegel

sowie die Leichtigkeit, mit der im Notfall Hilfe geleistet werden kann.17 Diese Auflistung der „störfallspezifischen“ Faktoren sei ausdrücklich nur beispielhaft zu verstehen; abhängig von der Gesamtheit aller Faktoren könne der angemessene Abstand größer oder kleiner ausfallen.18 Dabei könne der Spielraum, der den Behörden bei der Bemessung des Abstandes zukommt, gerichtlich überprüft werden.19 Denn der vom EuGH angesprochene Wertungsspielraum greife noch nicht bei der Ermittlung der Abstände, sondern erst im zweiten Prüfungsschritt, d.h. bei der Berücksichtigung der Abstände. b) Unterschreiten nach Abwägung im Einzelfall Entsprechend den Vorgaben des EuGH verlangt das BVerwG sodann zu prüfen, ob das geplante Vorhaben sich innerhalb oder außerhalb des ermittelten Abstandes befindet. Liege es außerhalb, sei es zulässig. Auch wenn es sich innerhalb des Abstands befinde, könne es im Einzelfall zugelassen werden, wenn gewichtige Belange für die Zulassung des Vorhabens streiten. Hierunter fasst das BVerwG „sozioökonomische Faktoren“, also soziale, ökologische und wirtschaftliche Belange.20 Denn die Seveso-II-Richtlinie verlange nicht, dass angemessene Abstände stets eingehalten werden müssen; sie müssen nur hinreichend berücksichtigt werden. Die Behörden seien somit verpflichtet, die verschiedenen Belange gegeneinander abzuwägen. Hierbei greife der vom EuGH zugesprochene Wertungsspielraum. Dabei gelte jedoch, dass ein Vorhaben in aller Regel unzulässig ist, wenn es das erste Vorhaben ist, das den angemessenen Abstand unterschreitet (erstmalige Gemengelage). Denn Ziel der Seveso-II-Richtlinie sei es, Abstände langfristig zu sichern.21 Dies bedeute, Abstände weiterhin dort einzuhalten, wo sie bisher gewahrt wurden. Damit gilt nunmehr, dass eine Vorbelastung in der Regel die Voraussetzung darstellt, um überhaupt in die nachvollziehende Abwägung eintreten zu können.22 Denn ohne Vorbelastung – sprich: vorhandene schutzbedürftige Nutzungen – liege eine erstmalige Gemengelage vor, bei der eine Abstandsunterschreitung grundsätzlich unzulässig ist.

___________ 17

BVerwG, Urt. vom 20. Dezember 2012 – 4 C 11.11, BeckRS 2013, 47820, Rn. 18. Vgl. auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 1. August 2013, § 3 12. BImSchV, Rn. 25. 19 BVerwG, Urt. vom 20. Dezember 2012 – 4 C 11.11, BeckRS 2013, 47820, Rn. 20. 20 BVerwG, Urt. vom 20. Dezember 2012 – 4 C 11.11, BeckRS 2013, 47820, Rn. 22. 21 BVerwG, Urt. vom 20. Dezember 2012 – 4 C 11.11, BeckRS 2013, 47820, Rn. 28 und 30. 22 A.A. wohl Uechtritz, NVwZ 2013, 724 (725). 18

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c) Leistungsfähigkeitsgrenze Planungserfordernis Das BVerwG weist darauf hin, dass die störfallrechtlichen Konflikte nicht immer innerhalb des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots bewältigt werden können. Die Leistungsfähigkeitsgrenze des Baugenehmigungsverfahrens sei dann erreicht, wenn nicht individuelle (soziale, ökologische und wirtschaftliche Belange), sondern städtebauliche Gründe für eine Zulassung eines Vorhabens in der Umgebung eines Störfallbetriebs streiten, oder wenn Alternativstandorte für die Verwirklichung des Vorhabens zur Verfügung stehen.23 Eine nachvollziehende Abwägung kann dann nicht ausreichen. Städtebauliche Konflikte sind wie bisher in einem Bebauungsplanverfahren zu lösen, in dem alle öffentlichen und privaten Belange miteinander und gegeneinander abzuwägen sind. d) Konsequenzen für das Planfeststellungsverfahren Die vom BVerwG aufgestellten Grundsätze gelten nicht nur für Baugenehmigungsverfahren, sie sind im Wesentlichen auf Planfeststellungsverfahren übertragbar. Die im Baugenehmigungsverfahren durchzuführende „nachvollziehende Abwägung“ entspricht dabei der planerischen Abwägung im Planfeststellungsverfahren. Damit sind sowohl die Grundsätze zur Ermittlung des angemessenen Abstands (vgl. soeben a)) sowie die Grundsätze zur Ermittlung und Abwägung der relevanten störfallspezifischen und sozioökonomischen Belange (vgl. soeben b)) von Planfeststellungsbehörden zu beachten. Lediglich der Prüfungspunkt „Planungserfordernis“ (vgl. soeben c)) entfällt, denn die Planfeststellung ist bereits eine planerische Entscheidung, in der – anders als im Baugenehmigungsverfahren – (grundsätzlich) alle Konflikte bewältigt werden müssen. 3. Urteil des BVerwG zu § 50 BImSchG Die Übertragbarkeit der für das Baugenehmigungsverfahren entwickelten Prüfungsschritte auf Planfeststellungsverfahren hat das BVerwG im Beschluss vom 16. Januar 2013 bestätigt.24 Dort wiederholt es diejenigen Grundsätze, die es in den bauplanungsrechtlichen Rechtstreitigkeiten für die Erteilung einer Baugenehmigung aufgestellt hat. In dieser Entscheidung hält das Gericht zunächst ausdrücklich fest, dass die Vorgaben des Art. 12 Seveso-II-Richtlinie in § 50 BImSchG ordnungsgemäß umgesetzt sind, d.h. aus Art. 12 Seveso-II-Richtlinie keine über § 50 BImSchG hinausgehenden Vorgaben folgen. ___________ 23 24

BVerwG, Urt. vom 20. Dezember 2012 – 4 C 11.11, BeckRS 2013, 47820, Rn. 35. BVerwG, Beschl. vom 16. Januar 2013 – 4 B 15.10, ZfBR 2013, 363 ff.

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Das BVerwG führt ferner aus, dass aus Art. 12 Seveso-II-Richtlinie für das Planfeststellungsverfahren keine konkreten Abstandsvorgaben folgen. Ferner gebe es kein Risikominimierungsverbot im Sinne eines Verschlechterungsverbots, d.h. neue Verkehrswege können im Einzelfall auch innerhalb des angemessenen Abstands eines Störfallbetriebs zulässig sein. Dementsprechend enthalte Art. 12 Seveso-II-Richtlinie keine strikte Abwägungsdirektive in dem Sinne, dass dem Interesse des Anlagenbetreibers uneingeschränkter Vorrang bei der Abwägung einzuräumen ist.

4. Zwischenergebnis

Festzuhalten bleibt, dass die in der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG entwickelten Grundsätze zum störfallrechtlichen Abstandsgebot weiterhin gelten (vgl. oben II.). Über störfallrechtliche Belange ist in der planerischen Abwägung zu befinden. Dabei ist § 50 BImSchG als Abwägungsdirektive zu verstehen, d.h. das Interesse des Anlagenbetreibers an der Einhaltung des Abstands ist ein gewichtiger Belang, der sich in der Regel durchsetzen wird. Vor allem in Gemengelagen kann das Interesse des Anlagenbetreibers an der Abstandswahrung in den Hintergrund treten und ein neuer Verkehrsweg innerhalb des angemessenen Abstands zulässig sein. Präzisiert hat der EuGH und vor allem das BVerwG, wie die planerische Abwägung durchzuführen ist. Hier gilt zukünftig eine zweischrittige Prüfung. Zunächst hat die Planfeststellungsbehörde die angemessenen Abstände zu ermitteln; hierbei kommt ihr kein Wertungsspielraum zu. Unterschreitet der neue Verkehrsweg die erforderlichen Abstände, ist in einem zweiten Schritt im Rahmen der planerischen Abwägung zu prüfen, ob das Vorhaben innerhalb des Abstands ausnahmsweise zugelassen werden kann.

IV. Praktische Umsetzung im Planfeststellungsverfahren

Um die soeben dargestellten Anforderungen des BVerwG zu erfüllen, ist Behörden, Planern und Vorhabenträgern in der Praxis der folgende Prüfungsablauf zu empfehlen. Dieser greift die zweistufige Prüfungsreihenfolge des BVerwG auf und untergliedert sie in weitere Teilschritte:

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Prüfung: 1. Anwendbarkeit des Art. 12 Seveso-II-Richtlinie: Wichtiger Verkehrsweg 2. Ermittlung des Angemessenen Abstands (nach Leitfaden KAS 18) 3. Prüfung des Vorliegens einer Gemengelage 4. Ermittlung und Bewertung sonstiger störfallspezifischer Faktoren 5. Ermittlung und Bewertung sozioökonomischer Faktoren

1. Anwendbarkeit des Art. 12 Seveso-II-Richtlinie: Wichtiger Verkehrsweg Als ersten Schritt sollte die Planfeststellungsbehörde prüfen, ob Art. 12 der Seveso-II-Richtlinie anwendbar ist, ob also ein wichtiger Verkehrsweg vorliegt. Die Richtlinie selbst regelt nicht, wann ein Verkehrsweg als „wichtig“ und wann er als nicht wichtig zu qualifizieren ist. Anhaltspunkte dafür bieten jedoch die Antworten der Kommissionsdienststellen auf Auslegungsfragen der Mitgliedstaaten.25 Dort wird ausgeführt, dass als wichtige Verkehrswege etwa Straßen mit mehr als 100.000 PKW in 24 Stunden und Schienenwege mit mehr als 250 Personenzügen in 24 Stunden einzustufen sind. Straßen mit weniger als 10.000 PKW in 24 Stunden und Schienenwege mit weniger als 50 Personenzügen in 24 Stunden sind hingegen nicht als wichtige Verkehrswege zu qualifizieren. Liegen die Voraussetzungen für einen wichtigen Verkehrsweg vor, so ist das störfallrechtliche Abstandsgebot im Planfeststellungsverfahren zu beachten. Wird für einen Verkehrsweg ein Verkehrsaufkommen prognostiziert, das in dem nicht definierten Bereich zwischen wichtigem und nicht wichtigem Verkehrsweg fällt, wird die Seveso-II-Richtlinie in der Praxis dennoch angewendet. Die Höhe des Verkehrsaufkommens wird dann bei der Abwägung der betroffenen Belange berücksichtigt. Je geringer das Verkehrsaufkommen ist, desto weniger schutzbedürftig ist der Verkehrsweg und desto eher ist er in der Nachbarschaft eines Störfallbetriebs zulässig (vgl. dazu unten IV. 4.).

___________ 25

gv.at.

Richtlinie 96/82/EG (Seveso II), Auslegungsfragen und Antworten, www.bmwgj.

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2. Ermittlung des angemessenen Abstands Hat die Planfeststellungsbehörde geklärt, ob sie das Abstandsgebot aus Art. 12 Seveso-II-Richtlinie berücksichtigen muss, ist im nächsten Schritt der angemessene Abstand im Sinne des Art. 12 Seveso-II-Richtlinie des Störfallbetriebs zu ermitteln. Hierfür gibt es, wie das BVerwG zutreffend feststellt, keine konkreten rechtlichen Vorgaben. Die Praxis greift daher auf den Leitfaden KAS 18 der Kommission für Anlagensicherheit zurück26. Dieser Leitfaden bietet einen wesentlichen ersten Anhaltspunkt, in welchem Rahmen sich der angemessene Abstand bewegen sollte.27 Er stellt derzeit, trotz formal fehlender Bindungswirkung und Legitimation28 einen auch in Literatur und Rechtsprechung akzeptierten29 de-facto-Standard zur Ermittlung des angemessenen Abstands dar. In diesem Leitfaden sind für die wichtigsten gefährlichen Stoffe, mit denen in Störfallbetrieben umgegangen wird, neben zu erwartenden Obergrenzen von Abstandswerten (sogenannte „Achtungsabstände“, Nr. 3.1 des Leitfadens)30 detaillierte Vorgaben enthalten, wie in einem konkreten Einzelfall ein „angemessener Abstand“ (siehe 3.2 des Leitfadens) zu bestimmen ist. Ausgehend von einer hypothetischen Freisetzung der gefährlichen Stoffe wird deren Ausbreitung über die Luft mit vorgegebenen Modellen berechnet und der Abstand ermittelt, bei dem die Konzentration ein unbedenkliches Maß erreicht. Dieser Ansatz soll ausdrücklich kein möglichst realitätsnahes Abbild eines realen Ereignisses liefern, sondern nur grob vereinfacht einen sehr unwahrscheinlichen „großen“ Störfall (Dennoch-Störfall im Sinne der deutschen Störfallterminologie31) beschreiben. Der angemessene Abstand ist damit nur eine modellhaft ermittelte Eigenschaft des Störfallbetriebs, die auf Basis der dortigen Gegebenheiten bestimmt wird. ___________ 26 Kommission für Anlagensicherheit (KAS): Leitfaden „Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung – Umsetzung § 50 BImSchG“ der KAS-Arbeitsgruppe „Fortschreibung des Leitfadens SFK/TAA-GS-1“, November 2010 (Leitfaden KAS 18). 27 Vgl. BayVGH, Urt. vom 14. Juli 2006 – 1 BV 03.2179 u.a., ZfBR 2007, 362 (366). 28 Köck, ZUR 2012, 418 (422). 29 U.a. Kraus, ZfBR 2012, 324 (326 und 329); Kuschnerus, BauR 2011, 602 und BauR 2011, 761 (763 ff.); Mitschang, UPR 2011, 281 (286 f.); Reidt, BauR 2012, 1182 (1190 ff.). 30 In Nr. 3.1 arbeitet der Leitfaden ähnlich dem seit langem bekannten sog. „Abstandserlass NRW“ (Runderlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – V-3 – 8804.25.1 vom 6. Juni 2007) mit grob pauschalisierten Zahlenwerten; die praktische Bedeutung dieser pauschalisierten Werte ist – wiederum ähnlich dem Abstandserlass – in der Praxis allerdings eher gering. 31 Störfallkommission beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Abschlussbericht SFK GS 26 „ … Abgrenzung von Dennoch-Störfällen …“, Oktober 1999; Darimont: TÜ 50 (2009), Nr. 1/2, S. 23 bis 25.

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Im Leitfaden KAS 18 finden allerdings von den möglicherweise maßgeblichen „störfallspezifischen“ Faktoren ausschließlich die auf Seiten des Störfallbetriebs in die Abstandsermittlung Eingang32. Die „störfallspezifischen“ Faktoren auf Seiten des Vorhabens – namentlich dessen Schutzbedürftigkeit – sowie die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sind nicht bzw. nur rudimentär berücksichtigt und damit in einem weiteren (Zwischen-)Schritt zu untersuchen. Die „Wahrscheinlichkeit (eines Schadenseintritts)“ wird über die Festlegung einer – nach umfangreichen Auswertungen der Schadensberichte der vergangenen Jahrzehnte – für einen typischen Störfallbetrieb als „hinreichend unwahrscheinlich“ angesehenen, stoffspezifischen Freisetzungsannahme („Leckgröße“) als Eingangswert in die oben skizzierte Berechnungsmethodik berücksichtigt. Eine Häufung von Gefahrenpotentialen findet dabei aber keine Berücksichtigung, ebenso nicht andere, die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts womöglich erheblich beeinflussende Faktoren. Der angemessene Abstand ist vielmehr derzeit (vereinfacht) ausschließlich jeweils von dem „größten“ Gefahrenpotential – bspw. dem größten Behälter mit dem gefährlichsten Stoffinhalt – abhängig. Weitere Gefahrenpotentiale oder deren Anzahl, haben keinen Einfluss auf das Ergebnis bspw. derart, dass sich bei mehreren Gefahrenpotentialen größere Abstände ergäben. Ob dieser sog. deterministische (im Unterschied zum probabilistischen, d h. an Wahrscheinlichkeiten orientierten) Ansatz, der bis dato ein Grundprinzip des deutschen Anlagensicherheitsrechts (mit Ausnahme des Regelungsbereichs des Atomgesetzes) bildet, langfristig Bestand haben wird, muss bezweifelt werden, denn das BVerwG und der EuGH haben ausdrücklich klargestellt, dass dieser Faktor zu berücksichtigen ist.33 Um diesen Anforderungen gerecht zu werden sollte der störfallspezifische Faktor der „Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts“ daher wenigstens qualitativ bei der Prüfung der sonstigen störfallspezifischen Faktoren genau wie die Schutzbedürftigkeit des Verkehrswegs berücksichtigt werden (vgl. sogleich IV. 4.). Ist der angemessene Abstand anhand des Leitfadens KAS 18 ermittelt, ist zu prüfen, ob der geplante Verkehrsweg sich innerhalb oder außerhalb des so ermittelten Abstandes befindet. Ob der Abstand zutreffend ermittelt wurde, unterliegt dabei der vollen gerichtlichen Kontrolle; der Planfeststellungsbehörde kommt insoweit kein Ermessensspielraum zu.34 Liegt der Verkehrsweg außerhalb, bestehen keine störfallrechtlichen Bedenken. ___________ 32

König/Darimont, UPR 2012, 286 (290). EuGH, Urt. vom 15. September 2011 – Rs. C-53/10, EuZW 2011, 873 (875); BVerwG, Urt. vom 20. Dezember 2012 – 4 C 11.11, BeckRS 2013, 47820, Rn. 18. 34 Tophoven, in: Giesberts/Reinhardt, Beck’scher Online-Kommentar Umweltrecht, Stand: 1. Januar 2014, § 50 BimSchG – Rn. 18c. Die von ihm zitierten Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Februar 2012 – 2 B 15/12, BeckRS 2012, 48099 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, 33

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3. Vorliegen einer Gemengelage Befindet sich der Verkehrsweg dagegen innerhalb des angemessenen Abstands des Störfallbetriebs, besteht ein störfallrechtlicher Konflikt, der im Rahmen der planerischen Abwägung zu bewältigen ist. Hier sollte zunächst untersucht werden, ob der neue Verkehrsweg zu einer erstmaligen Gemengelage führt. Ist dies der Fall, ist es wegen des Gebots, Abstände langfristig zu sichern, in aller Regel unzulässig. Hinzuweisen ist darauf, dass das BVerwG in seinen Urteilen den Begriff der „Gemengelage“ nicht im bauplanungsrechtlichen Sinn verwendet. Gewöhnlich ist darunter ein Nebeneinander von Nutzungen zu verstehen, die verschiedenen Baugebieten im Sinne der Baunutzungsverordnung zuzuordnen sind, also etwa das Nebeneinander von Industrie- und Wohnnutzung.35 Hier ist der Begriff jedoch in einem weiteren Sinn zu verstehen. Es ist schon dann von einer „Gemengelage“ auszugehen, wenn innerhalb des Abstands eine Nutzung vorhanden ist, die vergleichbar schutzwürdig ist wie der neu hinzukommende Verkehrsweg. Diese schutzwürdige Nutzung kann, muss aber kein Verkehrsweg sein. 4. Sonstige störfallspezifische Faktoren – (Schutzbedürftigkeit des Verkehrswegs, Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts) Aufgrund der dichten Siedlungsstruktur in Deutschland dürften in der Umgebung des Störfallbetriebs Gemengelagen jedoch in der Regel schon bestehen. Dann ist in einem vierten Schritt zu prüfen, ob der neu hinzukommende Verkehrsweg trotz seiner Lage innerhalb des nach dem Leitfaden KAS 18 ermittelten angemessenen Abstands zulässig ist. Das BVerwG verlangt hier, die möglichen Wechselwirkungen des Störfallbetriebs mit dem konkret hinzukommenden Verkehrsweg im Falle einer ernsten Betriebsstörung im Störfallbetrieb zu prüfen. Dies ist anhand der genannten „störfallspezifischen“ Faktoren auf Seiten des Verkehrswegs (vgl. III. 2. a) zu bewerten. Im Ergebnis muss ermittelt werden, ob der hinzukommende Verkehrsweg schutzbedürftig ist. Um dessen Schutzbedürftigkeit zu bestimmen, sind anlagenbezogene, vorhabenbezogene und umgebungsbezogene Faktoren zu bestimmen und zu bewerten. Zu den anlagenbezogenen Faktoren gehören insbe___________ Beschl. vom 16. Dezember 2011 – 25 L 581/11, BeckRS 2012, 45810 dürften zu dieser Frage jedoch nichts hergeben, da sie Baugenehmigungsverfahren betreffen, in denen die Genehmigungsbehörde keine nur eingeschränkt überprüfbare Ermessensentscheidung trifft. 35 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: 1. September 2013, § 34 Rn. 76a; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 15. Januar 2009 – 10 S 17/08, BeckRS 2009, 31036.

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sondere die Art und Menge der im Betriebsbereich des Störfallbetriebs gelagerten gefährlichen Stoffe, die Unfallwahrscheinlichkeit und die Unfallfolgen sowie die vom Störfallbetrieb getroffenen Schutzvorkehrungen. Zu den vorhabenbezogenen Faktoren zählen die Anzahl der anwesenden Personen, deren Aufenthaltsdauer, Empfindlichkeit und Mobilität. Hier wirkt sich zum einen das (prognostizierte) Verkehrsaufkommen auf dem Verkehrsweg aus; je geringer das Verkehrsaufkommen, desto eher wird das Vorhaben innerhalb des angemessenen Abstands zulässig sein können (vgl. oben IV. 1.). Zum anderen wird bei Verkehrswegen in der Regel zu berücksichtigen sein, dass sich die Verkehrsteilnehmer fortbewegen, also sich innerhalb des angemessenen Abstands nur wenige Sekunden aufhalten werden. Diese geringe Dauer der Exposition kann zugunsten der Verwirklichung des Verkehrswegs in die planerische Abwägung eingestellt werden. Zu beachten ist weiterhin, ob im Falle eines Störfalles der Verkehrsfluss gestoppt und verhindert werden kann, dass Fahrzeuge in den angemessenen Abstand hineinfahren. Insbesondere bei Schienenwegen wäre an Signalschaltungen zu rechnen, die betroffene Streckenabschnitte blockieren. Ferner sind baulichen Schutzmöglichkeiten und die Lage des Vorhabens innerhalb des angemessenen Abstands zu berücksichtigen; je weiter es am Rand des angemessenen Abstands liegt, desto eher kann es zulässig sein. Umgebungsbezogene Faktoren sind schließlich die Zugangsmöglichkeiten für Rettungskräfte, die vorhandene Umgebungsbebauung sowie die topografischen Verhältnisse. Welche „störfallspezifischen“ Faktoren im Einzelnen zu prüfen sind, hängt dabei im Einzelfall vom geplanten Verkehrsweg und den Gegebenheiten des Gebiets ab. Nach Auffassung des BVerwG dürfte es jedenfalls im Regelfall erforderlich sein, die Schutzbedürftigkeit des neuen Verkehrswegs durch einen Störfallsachverständigen beurteilen zu lassen; ein solches Gutachten wäre vom Vorhabenträger beizuholen.36 In dem Gutachten sollte der geplante Verkehrsweg mit Blick auf die genannten störfallspezifischen Faktoren dargestellt und die möglichen Unfallrisiken bewertet werden. Kommt die fachliche Einzelfallbeurteilung zu dem Ergebnis, dass der neue Verkehrsweg an diesem Standort im Ergebnis kein dort inakzeptables Maß der Schutzbedürftigkeit aufweist, ist die Ansiedlung trotz der Nähe zum Störfallbetrieb aus Störfallsicht zulässig. Ob die Schutzbedürftigkeit des neuen Verkehrswegs zutreffend bewertet wurde, d.h. die relevanten Faktoren korrekt ermittelt und gewichtet wurden, unterliegt ebenfalls der gerichtlichen Kontrolle. Anders als in Baugenehmigungsverfahren, die auf eine gebundene Entscheidung gerichtet sind (vgl. oben III. 2. a), dürfte es sich dabei jedoch nicht um eine volle gerichtliche Kontrolle handeln. Vielmehr dürfte sich die gerichtliche Kontrolle nur darauf beziehen, ob Abwägungsfehler, insbesondere Abwägungsdefizit und Abwägungsfehleinschätzung, vorliegen. Aber selbst eine solche eingeschränkte gerichtliche Kon___________ 36

BVerwG, Urt. vom 20. Dezember 2012 – 4 C 11.11, BeckRS 2013, 47820, Rn. 17.

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trolle dürfte das Planfeststellungsverfahren von Verkehrswegen zusätzlich erschweren. Denn Gerichte haben die behördliche Ermittlung und Bewertung des Störfallrisikos auf der Planungsebene in der Vergangenheit vielfach als fehlerhaft bewertet.37 Um das Risiko zu minimieren, dass Planfeststellungsbeschlüsse mit Erfolg angegriffen werden kann, sollte die Planfeststellungsbehörde den störfallrechtlichen Sachverstand von Immissionsschutzbehörden einbinden. 5. Sozioökonomische Faktoren Erweist sich der Verkehrsweg als schutzbedürftig, sind in einem fünften Schritt – in der Systematik des BVerwG auf der zweiten Prüfungsebene (vgl. III. 2. b) – die sozio-ökonomischen Faktoren in die nachvollziehende Abwägung miteinzubeziehen. Das BVerwG fasst darunter soziale, ökologische und wirtschaftliche Belange; wie diese Begriffe weiter auszufüllen sind, wird die Praxis zeigen müssen. Konkret zu nennen sind vor allem Verkehrsbedürfnisse sowie das Gebot des sparsamen Flächenverbrauchs. Erweist sich der Verkehrsweg unter Berücksichtigung dieser Faktoren als vertretbar, kann er trotz der Abstandsunterschreitung und der eigentlich bestehenden Schutzbedürftigkeit zulässig sein. Dies dürfte insbesondere der Fall sein, wenn die verbleibenden (theoretischen) Restrisiken als hinnehmbar erscheinen. Die planerische Abwägung dürfte von den Gerichten – anders als im Baugenehmigungsverfahren (vgl. oben III. 2. b) – erneut nur eingeschränkt überprüfbar sein. Prüfungsmaßstab dürfte hier insbesondere sein, ob die Abwägung der beiden Faktorengruppen zu unverhältnismäßigen Ergebnissen führt (Abwägungsdisproportionalität). In der Praxis ist daher ein wichtiges Augenmerk darauf zu legen, dass die betroffenen Belange umfassend ermittelt, bewertet und gegen die störfallspezifischen Faktoren abgewogen werden. Diese Aufgabe ist originäre Aufgabe der Planfeststellungsbehörde; sie kann – anders als die Bestimmung der Schutzbedürftigkeit – nicht auf den Vorhabenträger und einen Störfallgutachter übertragen werden. Diese können die Planfeststellungsbehörde allenfalls bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials unterstützen. 6. Zwischenergebnis Um Verkehrswege neben Störfallbetrieben zukünftig gerichtsfest zu planen, sollten sich die Planfeststellungsbehörden an den Vorgaben des BVerwG zum Bauplanungsrecht orientieren. Ausgangspunkt für die Prüfung sollten dabei die sich aus dem Leitfaden KAS 18 (dort Abschnitt 3.2) ergebenden Abstände sein. ___________ 37 HessVGH, Urt. vom 22. April 2010 – 4 C 306/09.N, ZfBR 2010, 588 ff.; OVG NRW, Urt. vom 3. September 2009 – 10 D 121/07, BeckRS 2009, 38902.

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Im Anschluss daran ist zu prüfen, ob diese Abstände unterschritten werden dürfen, weil eine Gemengelage bereits vorliegt und die Abwägung der störfallspezifischen oder der sozioökonomischen Faktoren eine Unterschreitung vertretbar erscheinen lässt.

V. Fazit Festzuhalten bleibt, dass die Entscheidungen des EuGH und des BVerwG nicht zu einer Strukturrevolution für die Planung von wichtigen Verkehrswegen führt. Nach wie vor ist der störfallrechtlich angemessene Abstand einer Abwägung zugänglich; im Rahmen der Abwägung ist dem Störfallschutz jedoch ein hohes Gewicht beizumessen. Führen Verkehrswege durch bisher noch nicht bebaute Gebiete, so sind die Anforderungen an die Genehmigung höher, als wenn im Umfeld des Störfallbetriebs schon eine Gemengelage besteht, d.h. weitere schutzbedürftige Nutzungen schon vorhanden sind. Den Vorhabenträgern sowie den zuständigen Planfeststellungsbehörden ist zu empfehlen, die aufgezeigten fünf Prüfungsschritte konsequent nachzuvollziehen und zu dokumentieren. Dabei sollten sie frühzeitig die Verträglichkeit ihres Vorhabens bei eventueller Nichteinhaltung des angemessenen Abstands durch Fachgutachter beurteilen lassen. Es ist zu zeigen, dass der hinzutretende Verkehrsweg genehmigungsfähig ist – entweder weil er außerhalb des angemessenen Abstands liegt, nicht schutzbedürftig ist oder seine Zulassung im Einzelfall unter Abwägung aller betroffenen Belange vertretbar erscheint.

Funktionales Verständnis, normative Ausrichtung und wertende Betrachtung – zur Erheblichkeit baulicher Eingriffe in den Schienenweg und angemessenen Lärmschutz Von Frank Berka

I. Vorbemerkung Der Beitrag „Funktionales Verständnis, normative Ausrichtung und wertende Betrachtung – zur Erheblichkeit baulicher Eingriffe in den Schienenweg und angemessenem Lärmschutz“ baut auf dem vor zwei Jahren gehaltenen Vortrag „Aktuelle Fragen zum Schienenverkehrslärmschutz – Technische und rechtliche Entwicklungen“ auf.1 Er behandelt eine in der Zwischenzeit eingetretene rechtliche Entwicklung. Diese gibt Anlass, sich mit dem durch §§ 41–43 BImSchG und die 16. BImSchV vermittelten fachrechtlichen Schienenverkehrslärmschutz unter einem besonderen Blickwinkel zu befassen, der bis in die jüngste Zeit noch keine größere Praxisrelevanz hatte. Obwohl viele Fragen des Schienenverkehrslärmschutzes seit langem gerichtlich geklärt sind, gibt es aufgrund der Verschiedenheit der Eisenbahnausbauvorhaben immer wieder auch neue Konstellationen, die in ihrer ganz konkreten Gestaltung erstmalig Gegenstand richterlicher Entscheidungen werden. Die vorhergehenden Planfeststellungen wie die Gerichtsentscheidungen selbst bauen auf dem Gesetz und früherer Rechtsprechung auf und entwickeln für die neuen Konstellationen neue Lösungsansätze. Der Schienenweg im Sinne des § 41 BImSchG und der 16. BImSchV besteht aus dem Oberbau, Unterbau und der Oberleitung.2 Eine wesentliche Änderung des Schienenwegs liegt vor, wenn in seine Substanz eingegriffen wird. Während die – bereits bei oberflächlicher Planbetrachtung offenkundigen – Änderungen am Oberbau (Spurplan) und der Oberleitung (Elektrifizierung) in ihrer rechtlichen Würdigung weitgehend geklärt wurden, führte der Unterbau seit Jahren ein ___________  Der Autor ist Sachbereichsleiter „Planfeststellung, Recht“ in der Außenstelle Hannover des Eisenbahn-Bundesamtes. Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wieder. 1 Berka, in: Ziekow (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Luftverkehrs-, Planfeststellungsund Umweltrechts 2012, S. 163–178. 2 BVerwG, Urt. vom 20.5.1998 – 11 C 3.98, NVwZ 1999 67 und juris, „Oberaudorf“.

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Schattendasein. Er wurde im Wesentlichen nur als die Unterlage des Oberbaus gesehen – und seine Änderung allein im Zusammenhang mit der Änderung des Oberbaus betrachtet. Zuletzt zeigte sich jedoch, dass der Unterbau auch eine eigenständige Bedeutung haben kann, und zwar bei Streckenausbauten, bei denen der Oberbau nahezu in gleicher Lage verbleibt, der Unterbau jedoch erheblich verstärkt wird. Zum Unterbau gehören Planumsschichten, Dämme und auch Brücken.3 Der Unterbau kann also aus Erd- und auch aus Ingenieurbauwerken bestehen. Führen die vorgesehenen Maßnahmen zu einer vermehrten Verkehrsaufnahme durch Erhöhung der Streckenkapazität oder der Streckengeschwindigkeit, so dass durch die Baumaßnahmen die vorausgesetzte oder planerisch gewollte Leistungsfähigkeit des Verkehrsweges erhöht wird, so ist eine wertende Betrachtung der Erheblichkeit baulicher Eingriffe vorzunehmen. Diese darf nicht bei einer bautechnischen Betrachtung einzelner Bauabschnitte enden, diese ausschließlich nach bautechnischen Kriterien in erhebliche und unerhebliche bauliche Eingriffe differenzieren und allein einer solchen Unterscheidung folgend Schallschutzansprüche bejahen bzw. verneinen. Vielmehr ist eine die einzelnen Bauabschnitte übergreifende Betrachtungsweise zu wählen. Dabei ist ein funktionales Verständnis des Begriffs des erheblichen baulichen Eingriffs angezeigt.4 Ferner ist die normative Ausrichtung der Änderung des Schienenwegs an seiner Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.5 Im Ergebnis zeigt sich dabei, dass bei einer funktionalen Betrachtungsweise mehr Lärmschutz zu gewähren ist als bei einer engen bautechnischen Differenzierung zwischen erheblichen und unerheblichen Eingriffen.

II. Ausgangsfall – Sachverhalt Der Ausgangsfall betrifft die Eisenbahnausbaustrecke Berlin – Rostock. Diese steht jedoch auch stellvertretend für andere Eisenbahnstrecken der DB Netz AG. Wie der Begriff „Ausbaustrecke“ schon nahelegt, handelt es sich nicht – auch nicht teilweise – um eine Neubaustrecke. Und auch eine bei vielen anderen Ausbaustrecken vorgesehene Erweiterung um ein oder zwei zusätzliche Gleise ist nicht vorgesehen. Vielmehr ist die Strecke zweigleisig und elektrifiziert. Und das soll sich auch nicht ändern. Linienverbesserungen spielen auf dieser recht geradlinigen Strecke keine bedeutende Rolle. Die beiden Gleise sollen im Wesentlichen in ihrer vorhandenen Gleisachse verbleiben. ___________ 3 4 5

BayVGH, Urt. vom 25.2.2003 – 22 A 02.40013, juris, „Rohrbach“. BVerwG, Urt. vom 18.7.2013 – 7 A 9.12, juris, „Nassenheide“. BVerwG, richterliche Verfügung vom 23.4.2012 – 7 A 6.11, unveröffentlicht.

Bauliche Eingriffe in den Schienenweg und angemessener Lärmschutz

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Vorgesehen ist eine umfassende Verbesserung des Untergrundes durch umfangreiche Unterbau- oder Untergrundverbesserungen und/oder den Einbau eines Tragschichtsystems. Ziel ist eine Steigerung der Tragfähigkeit der Strecke, die zu einer Erhöhung der Radsatzlast (von 22,5 t auf 25,0 t) führen soll, und eine Heraufsetzung der Streckenhöchstgeschwindigkeit (von 120 km/h auf 160 km/h), die Reisezeitverkürzungen im Personenverkehr ermöglichen soll.

III. Rechtliche Einordnung 1. Gesamtzusammenhang Nach § 18 AEG dürfen Betriebsanlagen einer Eisenbahn einschließlich der Bahnfernstromleitungen nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Bei der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Planfeststellungspflichtige bauliche Änderungen i.S.d. § 18 AEG sind abzugrenzen von rein betrieblichen Änderungen und von bloßen Instandhaltungsmaßnahmen. Diese erfolgen aufgrund der ursprünglich für die bereits vorhandenen Eisenbahnbetriebsanlagen ergangenen Genehmigungen. Einer erneuten Planfeststellung bedarf es nicht. Das unter II. beschriebene Vorhaben betrifft bauliche Änderungen vorhandener Eisenbahnbetriebsanlagen i.S.d. § 18 AEG und ist damit planfeststellungspflichtig. Ein Planfeststellungsbeschluss besteht aus einem verfügenden Teil, einer Begründung und einer Rechtsbehelfsbelehrung. In der Begründung erfolgt u.a. eine materiell-rechtliche Würdigung des Vorhabens. Diese enthält eine Begründung der im verfügenden Teil getroffenen Nebenbestimmungen und der Abwägung widerstreitender Belange. Das Kapitel zum Immissionsschutz in der Begründung ist regelmäßig sehr umfangreich und in verschiedene bau- und betriebsbedingte Immissionen unterteilt. Die hier zu thematisierenden Lärmschutzansprüche betreffen den betriebsbedingten Schallschutz. 2. Mögliche Rechtsgrundlagen für Lärmschutzansprüche Die Planfeststellungsbehörde hat bei ihrer Entscheidung den vom späteren Verkehr auf dem neuen oder geänderten Schienenweg ausgehenden Lärm unter drei Gesichtspunkten zu betrachten, die auch als die drei Ebenen des Schienenverkehrslärmschutzes bezeichnet werden können.6 Das Hauptaugenmerk der Be___________ 6 Dazu näher Berka, in: Krautzberger/Rengeling/Saerbeck (Hrsg.), Bau- und Fachplanungsrecht – Festschrift für Bernhard Stüer, S. 331, 335 ff.

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teiligten richtet sich zumeist auf die einfachrechtliche Ebene (§§ 41–43 BImSchG i.V.m. der 16. BImSchV). Zunehmende Bedeutung gewinnt aber auch eine unmittelbar aus den Grundrechten auf Schutz der Gesundheit und des Eigentums (Art. 2 Abs. 2 und 14 Abs. 1 GG) abgeleitete Schutzpflicht. Und schließlich erfordert das fachplanungsrechtliche Abwägungsgebot eine eigene Entscheidung über den Schienenverkehrslärm. Dieser Beitrag soll ausschließlich den fachrechtlichen Lärmschutz behandeln. 3. Fachgesetzliche Lärmvorsorge gemäß §§ 41–43 BImSchG i.V.m. der 16. BImSchV Die fachgesetzliche Ebene hält für den Schienenverkehrslärmschutz mit den §§ 41–43 BImSchG und den auf der Grundlage von § 43 BImSchG erlassenen Rechtsverordnungen, insbesondere der 16. BImSchV, ein in sich geschlossenes System von Spezialvorschriften bereit. Nach § 41 BImSchG ist bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen sowie von Eisenbahnen, Magnetschwebebahnen und Straßenbahnen unbeschadet des § 50 sicherzustellen, dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Das gilt nicht, soweit die Kosten der Schutzmaßnahme außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen würden. Im Text spricht die Vorschrift also abstrakt von „Eisenbahnen“ und „Straßenbahnen“, während die amtliche Überschrift den engeren Begriff der „Schienenwege“ verwendet. Die 16. BImSchV konkretisiert den einfachrechtlichen Lärmschutz. Nach ihrem § 1 Abs. 1 gilt die Verordnung für den Bau oder die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen sowie von Schienenwegen der Eisenbahnen und Straßenbahnen (Straßen und Schienenwege). Der Anknüpfungspunkt für die Schallschutzverpflichtungen und -ansprüche auf der einfachrechtlichen Ebene ist also der (Neu-)Bau oder die wesentliche Änderung eines Schienenweges. Damit ist nicht jede planfeststellungspflichtige Änderung von Eisenbahnbetriebsanlagen ein möglicher Auslöser für Schallschutzmaßnahmen gegen Schienenverkehrslärm. Unter „Bau“ ist ausschließlich der Neubau eines Schienenweges zu verstehen. Ist bereits ein Schienenweg vorhanden, so ist eine wertende Betrachtung anzustellen, ob ein geplantes Vorhaben einen Neubau oder eine wesentliche Änderung (Ausbau) darstellt. Maßgeblich ist insoweit eine trassenbezogene Betrachtung mit Blick auf das räumliche Erscheinungsbild im Gelände.7 Es gibt zwei Fallgruppen für den Tatbestand einer wesentlichen Änderung: Die erste Gruppe betrifft die bauliche Erweiterung eines Schienenweges um ein ___________ 7

BVerwG, Urt. vom 10.11.2004 – 9 A 67/03, NVwZ 2005, 591.

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oder mehrere durchgehende Gleise. Eine solche Erweiterung ist unabhängig vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen stets eine wesentliche Änderung. Die (künftige) Lärmbelastung ist in dieser Alternative erst bei der Prüfung von Schutzmaßnahmen relevant. Dagegen ist die zweite Fallgruppe komplizierter: § 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 der 16. BImSchV beschreiben drei miteinander verwandte Konstellationen, bei denen mehrere Voraussetzungen vorliegen müssen, damit das Bauvorhaben als wesentliche Änderung eines Schienenweges anzusehen ist. Allen Unterfällen ist gemeinsam, dass ein erheblicher baulicher Eingriff in den Schienenweg ursächlich für eine bestimmte Steigerung des Beurteilungspegels des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms sein muss. Voraussetzung der ersten Konstellation ist eine Lärmsteigerung um mindestens 3 dB(A). Da bei der Lärmberechnung am Ende nicht mathematisch gerundet, sondern der Gesamtbeurteilungspegel bzw. die Differenz des Beurteilungspegels stets auf ganze Dezibel aufgerundet wird (Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV), genügt letztlich eine Lärmsteigerung um 2,1 dB(A). Dagegen ist im zweiten Unterfall eine Erhöhung auf mindestens 70 dB(A) am Tage oder mindestens 60 dB(A) in der Nacht gefordert. Werden die genannten Werte erreicht, hält der Verordnungsgeber jede Lärmsteigerung für eine wesentliche Änderung, auch wenn sie weniger als 2,1 dB(A) beträgt. Es genügt jede rechnerisch feststellbare Lärmzunahme. In der dritten Alternative geht es um die Erhöhung ausgehend von mindestens 70 dB(A) am Tage oder 60 dB(A) in der Nacht. Dieser Fall unterscheidet sich von dem zuvor beschriebenen dadurch, dass die vorgefundene Vorbelastung bereits oberhalb der genannten Werte liegt. Eine Lärmsteigerung für Immissionsorte in Wohn-, Kern-, Dorf- und Mischgebieten ist in beiden Fällen gleichermaßen als wesentliche Änderung anzusehen. Anders ist es jedoch in Gewerbegebieten: Hier besteht ein Schutzanspruch nur, wenn die Vorbelastung noch unterhalb der genannten Beurteilungspegel liegt. Schallschutzansprüche liegen in den drei Konstellationen vor, wenn – im Rahmen einer gemäß § 18 AEG planfeststellungspflichtigen baulichen Änderung von Eisenbahnbetriebsanlagen – ein erheblicher baulicher Eingriff in den Schienenweg ursächlich für die jeweilige o.g. Steigerung des Beurteilungspegels des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms ist. Die Kausalität zwischen dem erheblichen baulichen Eingriff und der Lärmsteigerung ist eine eigenständige Anspruchsvoraussetzung. 4. Gegenstand des erheblichen baulichen Eingriffs Gegenstand des erheblichen baulichen Eingriffs i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV ist allein der Schienenweg – nicht jedoch eine sonstige Eisenbahnbetriebsanlage. Das ergibt sich bereits aus der Überschrift zu § 41 BImSchG. Der Begriff des Schienenweges erfasst ausschließlich die Gleisanlagen

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mit ihrem Oberbau, Unterbau und ihrer Oberleitung.8 Zum Unterbau gehören Planumsschichten, Dämme und Brücken.9 Seitliche Stromschienen von S- und U-Bahnen sind ebenfalls Bestandteile des Schienenweges. Dagegen gehören Signalanlagen, Bahnsteige, Fernmeldeanlagen, Funkmasten, Empfangsgebäude, Güterschuppen, Stellwerke etc. nicht zum Schienenweg i.S.d. § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV.10 Der Begriff „erheblicher baulicher Eingriff“ i.S.d. 16. BImSchV ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Kern des ausfüllungsbedürftigen Tatbestandes ist der Begriffsteil „erheblich“. Ein Ziel der Ergänzung des „baulichen Eingriffs“ durch „erheblich“ ist die Ausscheidung von Bagatellfällen, aber der Begriff hat darüber hinaus eine größere Tragweite. Die amtliche Begründung der 16. BImSchV11 gibt Hinweise zur Ausfüllung des Begriffs. Nicht erheblich seien kleinere Baumaßnahmen wie Versetzen von Signalanlagen, Auswechseln von Schwellen, Einbau von Weichen oder die Änderung der Fahrleitung. Erheblich sei ein baulicher Eingriff nur, wenn in die Substanz des Verkehrsweges eingegriffen werde und das Vorhaben zu einer erkennbaren Veränderung des Verkehrsweges führe. Auf dieser Grundlage kann zur Erheblichkeit eines baulichen Eingriffs in den Schienenweg folgende Definition aufgestellt werden: Ein baulicher Eingriff ist dann erheblich, wenn durch den Eingriff äußerlich erkennbar in die Substanz des Schienenweges, bestehend aus Oberbau, Unterbau und Oberleitung/Stromschiene, eingegriffen wird.12 In Bezug auf den Oberbau erfüllt eine Änderung der vorhandenen Gleisachse in mehr als nur unerheblicher Weise (etwa durch „stopfen und richten“) die Definition. Im Bereich der Fahrstromversorgung ist ein Neubau einer Oberleitungsanlage – oder einer Stromschiene – erheblich. Der Unterbau hatte in früheren Fällen regelmäßig keine nennenswerte eigenständige Bedeutung, da er unverändert blieb oder zugleich auch der Oberbau geändert wurde. Beispielhaft seien genannt Vorhaben zur Geschwindigkeitserhö-

___________ 8 BVerwG, Urt. vom 20.5.1998 – 11 C 3/98, NVwZ 1999, 67. Der im „Oberaudorf“Urteil verwendete Begriff „Überbau“ meint nicht Brückenüberbauten, sondern auch und gerade Schienen, Schwellen, Schotter und feste Fahrbahnen. Vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 9.9.2013 – 7 B 2.13, juris, Rn. 8. 9 VGH München, Urt. vom 25.2.2003 – 22 A 02.40013, juris. 10 Ausführlich dazu Berka, in: Kunz, Eisenbahnrecht, Stand: November 2013, A.6.2 – Kommentierung zur 16. BImSchV § 1 Rn. 6 ff. 11 BR-Drs. 661/89. 12 So auch: Eisenbahn-Bundesamt, „Umwelt-Leitfaden zur eisenbahnrechtlichen Planfeststellung und Plangenehmigung sowie für Magnetschwebebahnen, Teil VI Schutz vor Schallimmissionen aus Schienenverkehr“, 2012.

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hung, die durch sog. Linienverbesserungen ermöglicht wurden, und Verkehrsprojekte Deutsche Einheit mit der Wiederherstellung eines planungsrechtlich vorhandenen Unterbaus.

IV. Besondere Problematik des Falles Im unter II. beschriebenen Ausgangsfall der Eisenbahnausbaustrecke Berlin – Rostock bleibt die Lage des Oberbaus nahezu unverändert. Eine Oberleitung ist bereits vorhanden. Der Unterbau soll umfangreich verbessert werden, damit die Tragfähigkeit/Achslast und die Streckenhöchstgeschwindigkeit erhöht werden können. Dazu sollen ca. 7.200 Rammpfähle mit einer Länge bis zu 21 Metern und auf etwa 16.000 Quadratmetern sogenannte Rüttelstopfsäulen in den Boden eingebracht werden.13 Das wirft zwei Probleme im Umgang mit der unter III. 4. aufgeführten Definition auf: Zum einen stellt sich die Frage nach einer äußerlichen Erkennbarkeit eines Eingriffs in den Unterbau. Zum andern ist zu klären, wie es sich um einen Eingriff in die Substanz des Verkehrsweges verhält. Das führt zu der Frage, welcher Maßstab für die Erheblichkeit anzuwenden ist. In Betracht kommt ein bautechnischer, ein betriebstechnischer oder ein rechtlicher Maßstab – oder ein Maßstab aus mehreren Komponenten.

V. Auswertung der Rechtsprechung In der bisherigen Praxis wurde bei der Beurteilung der Erheblichkeit eines baulichen Eingriffs ein überwiegend bautechnisch geprägter Maßstab angelegt und durch rechtliche Erwägungen ergänzt. Dieser Maßstab ist im Zusammenhang mit der aktuellen Rechtsprechung zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. 1. Funktionales Verständnis In seinem Urteil vom 18.07.2013 führt das Bundesverwaltungsgericht zunächst folgendes aus: „Auch bei umfangreichen Eingriffen in die Substanz des Fahrwegs, wie sie hier vorgesehen sind, können, wenn Lage und Höhe der Gleise

___________ 13

Eine nähere Beschreibung der Baumaßnahmen findet sich unter http://bau-arbeiten.bahn.de/docs/berlin-bb/infos/RE5_RB12_100912-260413_faq.pdf.

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sich nur unwesentlich verändern, lediglich Erhaltungs- und Unterhaltungsmaßnahmen vorliegen, die die Rechtsfolge des § 41 BImSchG nicht nach sich ziehen.“14 Soweit wird die frühere Rechtsprechung zitiert.15 Wenig später folgt der Kernsatz des BVerwG: „Angesichts des gebotenen funktionalen Verständnisses des Begriffs des erheblichen baulichen Eingriffs kommt es bei einer die einzelnen Bauabschnitte übergreifenden Betrachtungsweise entscheidend darauf an, ob durch die Baumaßnahmen die vorausgesetzte oder planerisch gewollte Leistungsfähigkeit des Verkehrsweges erhöht wird.“16 Und schließlich erklärt das Gericht: „Eine vermehrte Verkehrsaufnahme folgt hier zum einen aus der Erhöhung der Streckengeschwindigkeit und zum anderen aus der Erhöhung der Radsatzlast. Beide Ausbauziele erfordern umfangreiche Ertüchtigungsmaßnahmen im Bereich der Erdbauwerke und des Gleisunterbaus durch den Einbau eines Tragschichtsystems. Das ist ein tauglicher Ansatzpunkt für die Annahme eines erheblichen baulichen Eingriffs.“17 2. Normative Ausrichtung Diese Rechtsprechung steht im Zusammenhang mit einem früheren Verfahren für die gleiche Ausbaustrecke, das jedoch nicht durch ein Urteil endete. Das Bundesverwaltungsgericht teilte den Prozessbeteiligten in einer richterlichen Verfügung18 folgendes mit: „§ 41 BImSchG i.V.m. der 16. BImSchV setzt neben einem erheblichen baulichen Eingriff eine Erhöhung des Lärmpegels voraus. Der PFB verneint bereits den baulichen Eingriff, weil sich ungeachtet der beabsichtigten Anhebung der Höchstgeschwindigkeit durch die Bauarbeiten die Lage der Gleise nicht ändere. ... Ob dieser Ansatz angesichts der normativen Ausrichtung der Änderung des Schienenweges an dessen vorausgesetzter und planerisch gewollter Leistungsfähigkeit und einer vermehrten Verkehrsaufnahme durch Erhöhung der Streckenkapazität oder der Streckengeschwindigkeit trägt, könnte dahinstehen, wenn es an der erforderlichen Lärmpegelerhöhung fehlte ...“.

___________ 14

BVerwG, Urt. vom 18.7.2013 – 7 A 9.12, juris, Rn. 22. BVerwG, Urt. vom 17.11.1999 – 11 A 4.98, BVerwGE 110, 81,84 f. und Urt. vom 12.4.2000 – 11 A 18.98, – BVerwGE 111, 108, 120 f. 16 BVerwG, Urt. vom 18.7.2013 – 7 A 9.12, juris, Rn. 22 und Orientierungssatz 1. 17 Wiederum BVerwG, Urt. vom 18.7.2013 – 7 A 9.12, juris, Rn. 22. 18 BVerwG, richterliche Verfügung vom 23.4.2012 – 7 A 6.11, unveröffentlicht. 15

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3. Wertende Betrachtung Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof befasste in seinem Urteil vom 25.02.2003 mit dem erheblichen baulichen Eingriff: „Im vorliegenden Fall ist die strittige Weichenverbindung aber Bestandteil eines größeren und damit erheblichen baulichen Eingriffs. Deshalb wäre eine isolierte Betrachtung rechtswidrig und müsste als unzulässige Umgehung immissionsschutzrechtlicher Pflichten gewertet werden. Dies setzt eine Wertung der baulichen Einzeleingriffe als zusammenhängend voraus, die räumliche, betriebstechnische und lärmschutzfachliche Aspekte berücksichtigt. Es handelt sich um eine immissionsschutzrechtliche und nicht um eine planfeststellungsrechtliche Wertung. Eine derartige Wertung ist hier geboten.“19

4. Einordnung und Auswertung Das Bundesverwaltungsgericht bezieht der Begriff „funktionales Verständnis“ auf den erheblichen baulichen Eingriff und den Begriff „normative Ausrichtung“ auf die Änderung des Schienenweges. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bezieht die „wertende Betrachtung“ ebenfalls auf den erheblichen baulichen Eingriff. Die Gerichte stellen also jeweils Bezüge zum Immissionsschutzrecht und dort zum erheblichen baulichen Eingriff in den Schienenweg gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV her. Die gerichtlichen Inbezugnahmen können ohne weitere Untergliederung als Terminus ‚erheblicher baulicher Eingriff in den Schienenweg‘ zusammengefasst und insoweit auf alle drei Begriffe funktionales Verständnis, normative Ausrichtung und wertende Betrachtung bezogen werden. Das funktionale Verständnis mag eine rechtliche, eine bautechnische und eine betriebstechnische Komponente haben. Die normative Ausrichtung beinhaltet im Wesentlichen eine rechtliche Komponente. Die wertende Betrachtung ist eine rechtliche (BayVGH: immissionsschutzrechtliche) Wertung. Insgesamt umfassen die Begrifflichkeiten also eine rechtliche Wertung, die zum einen an der Norm und zum anderen am (technischen) Ergebnis des Ausbaugeschehens (gesteigerte Leistungsfähigkeit des Verkehrsweges/vermehrte Verkehrsaufnahme aufgrund eines planerischen Gesamtkonzepts) anknüpft. Gerade in der beabsichtigten Steigerung der Aufnahmeleistung des Verkehrsweges liegt der gesetzgeberische Grund, nunmehr erneut sicherzustellen, dass durch die Änderung keine nach dem Stand der Technik vermeidbaren schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden. Dagegen wollte der Gesetzgeber eine „schleichende“ nicht durch Maßnahmen des ___________ 19

BayVGH, Urt. vom 25.2.2003 – 22 A 02.40013, juris.

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Baulastträgers veranlasste oder ausgelöste Veränderung der Verkehrsfunktion und eine damit verbundene Steigerung des Verkehrslärms nur als Frage künftiger Lärmsanierung erfasst sehen.20 Eine bauliche Änderung i.S.d. § 18 AEG, die zugleich einen erheblichen baulichen Eingriff in den Schienenweg i.S.d. 16. BImSchV darstellt, vermittelt demnach insbesondere dann einen Schallschutzanspruch, wenn aufgrund eines planerischen Gesamtkonzeptes das Ziel einer Erhöhung der vorausgesetzten oder planerisch gewollten Leistungsfähigkeit des Verkehrsweges bzw. einer vermehrten Verkehrsaufnahme – z.B. durch Erhöhung der Streckenkapazität oder der Streckengeschwindigkeit – verfolgt wird. Fehlt es dagegen an einem solchen Gesamtkonzept, so sind fachrechtliche Lärmschutzansprüchen nicht schon deswegen ausgeschlossen. Auch kleinere, punktuelle Maßnahmen, die sich nicht auf ein streckenbezogenes planerisches Gesamtkonzept stützen, können als bauliche Änderungen i.S.d. § 18 AEG und bauliche Eingriffe i.S.d. 16. BImSchV zu qualifizieren sein. Auch in diesen Fällen ist zu prüfen, ob sie „erheblich“ sind und Schallschutzansprüche auslösen. Denn auch solche Maßnahmen können die Lärmsituation an einem schutzbedürftigen Immissionsort verschlechtern, selbst wenn sie sich nur auf eine Verbesserung der Betriebsqualität beziehen mögen. Gedacht sei insoweit an Maßnahmen, bei denen der Spurplan eines Bahnhofs verändert wird und ein Gleis näher an die Bebauung heranrückt. Oder es wird ein neuer Kreuzungsbahnhof geplant, um einen anderen Kreuzungsbahnhof zu ersetzen, weil sich das als fahrplantechnisch günstiger erweist. Oder eine Eisenbahnüberführung über einen großen Fluss soll neben einer vorhandenen Brücke gebaut werden, um während der Bauzeit den Betrieb nicht zu stören. Sodann soll die Strecke auf die neue Brücke verlegt werden. 5. Der Unterbau: Abgrenzung zwischen Änderung und Instandhaltung Die in IV.4. genannte bauliche Änderung i.S.d. § 18 AEG, die zugleich einen erheblichen baulichen Eingriff in den Schienenweg i.S.d. 16. BImSchV darstellt, ist im Hinblick auf den Unterbau näher zu konturieren und von der Instandhaltung abzugrenzen. In Bezug auf die Tragfähigkeit des Unterbaus ist die Streckenklasse nach der Europäischen Norm (EN) 1552821 ein taugliches Abgrenzungskriterium zwischen einer baulichen Änderung und einer bloßen Instandhaltungsmaßnahme. ___________ 20

Storost, in: Ule/Laubinger/Repkewitz, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Bd. 2, Stand 08/2013, § 41 Rn. C9 m.w.N. 21 EN 15528 „Bahnanwendungen – Streckenklassen zur Bewerkstelligung der Schnittstelle zwischen Lastgrenzen der Fahrzeuge und Infrastruktur“, Ausgabe 2013-01.

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Eisenbahnstrecken werden in EN 15528 im Hinblick auf ihre maximal zulässige Radsatzlast und die maximal zulässige Last je Längeneinheit („Meterlast“) unterschieden und in verschiedene Klassen eingeteilt. Eine Untergrundverbesserung mit dem Ergebnis einer zukünftigen Einordnung der Strecke in eine höhere Streckenklasse ist als bauliche Änderung i.S.d. § 18 AEG einzustufen. Eine Untergrundsanierung, nach der die Strecke in der gleichen Klasse wie zuvor verbleibt, ist dagegen als Instandhaltungsmaßnahme am Streckenunterbau zu betrachten. Die Strecke Berlin – Rostock war bisher eine Strecke der Klasse D4 und soll künftig die Tragfähigkeit der Klasse E4 aufweisen (Steigerung der Leistungsfähigkeit des Verkehrsweges). Das hier vorgeschlagene Abgrenzungskriterium ist mit der in V.1.–V.4. beschriebenen Rechtsprechung also vereinbar. Es liegt eine bauliche Änderung i.S.d. § 18 AEG vor. Diese stellt zugleich einen erheblichen baulichen Eingriff in den Schienenweg i.S.d. 16. BImSchV dar. 6. Die Grenzen des zu schützenden Bereichs Ein weiterer Aspekt der Rechtsprechung bedarf einer näheren Befassung: Die Gerichte stellen klar, dass der zu schützende Bereich über die Grenzen der einzelnen bautechnisch als erhebliche bauliche Eingriffe zu qualifizierenden Änderungen hinausgehen kann. Das gilt sowohl bei mehreren nahe zueinander liegenden erheblichen baulichen Eingriffen (BayVGH – „Rohrbach“) als auch bei Fällen, die über dieses enge Näheverhältnis hinausgehen (BVerwG – „Berlin – Rostock“).22 Die Rechtsprechung eröffnet dem Eisenbahn-Bundesamt auch insoweit weitreichende Wertungsspielräume. Das Bundesverwaltungsgericht spricht im Urteil vom 18.07.2013 ausdrücklich eine die einzelnen Bauabschnitte übergreifende Betrachtungsweise an. Unter „einzelne Bauabschnitte“ können die einzelnen bautechnisch als erhebliche bauliche Eingriffe zu qualifizierenden Änderungen verstanden werden. Es mag aber auch die fachplanungsrechtliche Abschnittsbildung in den Blick zu nehmen sein, an deren Abschnittsgrenzen die Betrachtung nicht automatisch endet. Eine pauschale Grenzziehung für eine übergreifende Betrachtungsweise ist kaum möglich. Es wird vielmehr auf die rechtliche Bewertung des konkreten Vorhabens ankommen. Dabei werden die Eisenbahnknoten eine Rolle spielen. Denn eine übergreifende Betrachtung wird jedenfalls nicht über die ein Vorhaben begrenzenden Knoten hinausreichen. Es ist also für ein Vorhaben zunächst zu ermitteln, was als Knoten für den Ausbaugegenstand einzustufen ist. Das kann ___________ 22 BVerwG, Urt. vom 18.7.2013 – 7 A 9.12, juris, Rn. 22; BayVGH, Urt. vom 25.2.2003 – 22 A 02.40013, juris.

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bei längeren Ausbaustrecken durchaus auch ein Ort zwischen den Enden der im Bundesverkehrswegeplan genannten Ausbaustrecke sein, z. B. Hildesheim auf der ABS Löhne – Elze – Hildesheim – Braunschweig – Wolfsburg beim begrenzten Ausbauvorhaben „Zweigleisigkeit Hildesheim – Groß Gleidingen“. Der zu betrachtende Abschnitt kann aber auch schon vor den Knoten enden, etwa dann, wenn sich die auf einen Knoten zulaufende Strecke vorher verzweigt und der baulich zu ändernde Abschnitt deswegen dort endet (ABS Augsburg – Olching mit dortiger Streckenteilung in den Hauptbahnhof München und den Rangierbahnhof München-Nord, ABS Lüneburg – Stelle mit dortiger Ausfädelung der Zufahrt zum Rbf. Maschen aus der Strecke nach Hamburg). Nimmt man die Bezüge in den Blick, die das Bundesverwaltungsgericht verwendet (einerseits der Verkehrsweg, andererseits eine die einzelnen Bauabschnitte übergreifende Betrachtungsweise), dann mag das Ausbauvorhaben regelmäßig innerhalb der beiden „Außengrenzen“ der gemeinsam zu betrachtenden Bauabschnitte fachgesetzliche Lärmschutzansprüche vermitteln. Diese Lärmschutzansprüche sind bei abschnittsweiser Planfeststellung jedoch grundsätzlich nur auf den gegenständlichen Abschnitt bezogen zu erfüllen – ein interimsweiser Schallschutz außerhalb dieses Planfeststellungsabschnitts kommt dagegen nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht.23 Die außerhalb der beiden „Außengrenzen“ weiterführenden Abschnitte vor oder auch in einem Knoten mögen dagegen in der Regel „nur“ unter dem Blickwinkel des fachplanungsrechtlichen Abwägungsgebotes zu betrachten sein.24 Die Abwägung führt aber nicht automatisch zur Gewährung von Schallschutzmaßnahmen. Vielmehr konturiert das Bundesverwaltungsgericht seine Überlegungen dahingehend, dass die der Lärmzuwachs auf dem weiterführenden Abschnitt mehr als unerheblich sein und ein eindeutiger Ursachenzusammenhang zwischen dem planfestgestellten Bauvorhaben und der zu erwartenden Verkehrszunahme auf dem weiterführenden Abschnitt bestehen muss.25

VI. Zusammenfassung 1.

Das EBA wird die Erkenntnisse aus der aktuellen Rechtsprechung in seiner Verwaltungspraxis beachten.

___________ 23

Vgl. dazu BVerwG, Urt. vom 21.11.2013 – 7 A 28.12, juris, Rn. 46 ff. Vgl. BVerwG, Urt. vom 17.3.2005 – 4 A 18/04, BVerwGE 123, 152 = NVwZ 2005, 811, „Frankenschnellweg“. 25 Vgl. Berka, in: Kunz, Eisenbahnrecht, Stand: November 2013, A.6.2 – Kommentierung zur 16. BImSchV Einleitung Rn. 14 und OVG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 24.11.2010 – 12 A 2.10, LKV 2011, 42 und juris, Rn 51. 24

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2. 3. 4.

5. 6.

7.

8.

173

Ausgangspunkt ist stets eine bauliche Änderung von Betriebsanlagen einer Eisenbahn i.S.d. § 18 AEG. Eine solche bauliche Änderung, die zugleich einen erheblichen baulichen Eingriff in den Schienenweg i.S.d. 16. BImSchV darstellt, begründet Schallschutzansprüche. Eine bauliche Änderung des Unterbaus, die zugleich ein erheblicher baulicher Eingriff in den Unterbau als Teil des Schienenweges i.S.d. 16. BImSchV ist, kann für sich alleine Schallschutzansprüche auslösen, ohne dass zugleich ein erheblicher baulicher Eingriff in den Oberbau oder die Oberleitung vorliegt. Bei der vorzunehmenden wertenden Betrachtung, ob eine bauliche Änderung einen erheblichen baulichen Eingriff darstellt, ist ein rechtlicher Maßstab anzulegen. Die wertende Betrachtung knüpft zum einen an der Norm und zum anderen am (technischen) Ergebnis des Ausbaugeschehens (gesteigerte Leistungsfähigkeit des Verkehrsweges/vermehrte Verkehrsaufnahme aufgrund eines planerischen Gesamtkonzepts) an. Eine bauliche Änderung i.S.d. § 18 AEG, die zugleich einen erheblichen baulichen Eingriff in den Schienenweg i.S.d. 16. BImSchV darstellt, vermittelt insbesondere dann einen Schallschutzanspruch, wenn aufgrund eines planerischen Gesamtkonzeptes das Ziel einer Erhöhung der vorausgesetzten oder planerisch gewollten Leistungsfähigkeit des Verkehrsweges bzw. einer vermehrten Verkehrsaufnahme – z.B. durch Erhöhung der Streckenkapazität oder der Streckengeschwindigkeit – verfolgt wird. Der zu schützende Bereich kann über die Grenzen der einzelnen bautechnisch als erhebliche bauliche Eingriffe zu qualifizierenden Änderungen hinausgehen. Das gilt sowohl bei mehreren nahe zueinander liegenden erheblichen baulichen Eingriffen als auch bei Fällen, die über dieses enge Näheverhältnis hinausgehen.

EnWG und EnLAG auf dem Prüfstand – Die Erfahrungen in der Praxis der Planfeststellung Von Rolf Rockitt Der Vortrag soll einen Überblick in die bislang ergangene zumeist höchstrichterliche Rechtsprechung zum Energierecht, vor allem zu ausgewählten Rechtsgebieten im EnWG und EnLAG bieten. Zugleich soll er aufzeigen, welch rechtliche gesetzgeberische Schwächen insbesondere im EnLAG derzeit bestehen, die sich in der Frage der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit für die Errichtung von Erd- und Seekabeln leider fortsetzen.

I. Projekte in Niedersachsen Das Land Niedersachsen, bzw. die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLSTBV) ist zuständig für alle in Niedersachsen anlandenden Netzanbindungsverfahren zum Abtransport der offshore produzierten Energie (sog. Offshore-Verfahren) sowie für alle in und durch Niedersachsen führende EnLAG-Projekte. Darüber hinaus ist sie Genehmigungsbehörde für im Bundesbedarfsplangesetz einzeln genannten Vorhaben sowie für alle weiteren Ausbau- und Änderungsplanungen auf der 110- und 220-kV-Spannungsebene. In den vergangenen Jahren konnte die NLTSBV bereits umfangreiche Erfahrungen auf diesem eher neuen Gebiet der Fachplanung sammeln.

II. Planrechtfertigung: Allgemeine Abwägungskriterien 1. Planrechtfertigung Die sog. Planrechtfertigung stellt ein ungeschriebenes Erfordernis jeder Fachplanung sowie eine Ausprägung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns dar. Eine solche Planrechtfertigung für ein Vorhaben ist gegeben, wenn für das beabsichtigte Vorhaben gemessen an den Zielsetzungen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes ein Bedarf besteht, die geplante Maßnahme unter diesem Blickwinkel also erforderlich ist.1 Eines hohen Maßes an Erforderlichkeit im ___________ 1

BVerwG, Urt. vom 26.4.2007, 4 C 12.05, Rn. 45 – Mühlenberger Loch.

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Sinne von Unausweichlichkeit des Vorhabens bedarf es nicht. Das Vorhaben muss zumindest vernünftigerweise geboten sein.2 Die allgemeinen Anforderungen an die Planrechtfertigung gelten im Übrigen (zu Recht) auch für privatnützige Vorhaben.3 Im Fall der grundsätzlich privatrechtlich organisierten Energieversorgungsunternehmen hat das Bundesverwaltungsgericht die Enteignung für Zwecke der öffentlichen Energieversorgung gebilligt.4 a) EnLAG Ähnlich wie die Anlage zum Fernstraßenausbaugesetz konstatiert § 1 Abs. 2 EnLAG den vordringlichen Bedarf für bestimmte in dessen Anlage näher bezeichnete Vorhaben.5 Damit ist die energiewirtschaftliche Notwendigkeit bereits gesetzlich festgelegt. Diese Feststellung entfaltet nicht nur für die Planfeststellungsbehörde Bindungswirkung gem. § 1 Abs. 2 Satz 3 EnWG, sondern auch für das gerichtliche Verfahren.6 Noch nicht entschieden ist, ob sich die gesetzliche Bedarfsfeststellung außerhalb der in § 2 Abs. 2 EnLAG bezeichneten Pilotprojekte lediglich auf die Ausführung als Freileitung bezieht und so den Bau als Erdkabel ausschließt.7 Im Zweifel empfiehlt es sich somit, eine Erdkabellösung als technische Variante im Einzelnen näher zu prüfen (siehe unten unter 3. b)). Derzeit liegt dem Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde vor, bei der wohl auch die Verfassungsgemäßheit des EnLAG geprüft wird. Daher kann es geboten sein, die Planrechtfertigung auf ein zweites Standbein zu stellen, indem die energiewirtschaftliche Notwendigkeit im Einzelnen näher begründet wird. Im Regelfall ist dieser Streitpunkt Teil der Einwendungslage, sodass ohnehin hierauf näher einzugehen wäre. In der Regel dürfte es mittels der Dena-Netzstudien sowie den dem EnLAG zugrunde liegenden Gesetzesmaterialen regelmäßig möglich sein, eine entsprechende Bedarfsfeststellung zu formulieren. Insbesondere ist ein Vorgehen dann ratsam, wenn gerügt würde, dass die Bedarfsfeststellung evident sachwidrig und damit für die Planfeststellung unbeachtlich wäre.8

___________ 2 3 4 5 6 7 8

BVerwG, Urt. vom 16.3.2006, 4 A 1075.04, Rn. 182 – Flughafen Schönefeld. Vgl. BVerwG, Urt. vom 26.4.2007, 4 C 12.05, Rn. 48. BVerwG, Beschl. vom 20.3.1984, 1 BvL 28.82, 2. LS. BVerwG, Beschl. vom 24.5.2012, 7 VR 4.12, Rn.18f. St. Rspr., vgl. Urt. vom 14.1.2011, 9 A 14.10, Rn. 15 m.w.N. Leider offen lassend: BVerwG, Beschl. vom 26.9.2013, 4 VR 1.13, Rn. 40. Vgl. hierzu BVerwG, Urt. vom 18.7.2013, 7 A 4.12, Rn. 37.

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b) EnWG Die energiewirtschaftliche Planung nach dem EnWG ist gerechtfertigt, wenn sie – gemessen an Zielen dieses Planungsgesetzes – erforderlich, d.h. vernünftigerweise geboten ist. Das EnWG beabsichtigt nach dessen § 1 Abs. 1 eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität. Vor diesem Hintergrund ist es vernünftigerweise geboten, eine für die Versorgung mit Elektrizität mit elektrischem Strom erforderliche Leitung, die am Ende ihrer mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln zu erhaltenden Lebensdauer angekommen ist, durch eine neue Leitung zu ersetzen. Auch aus dem Aspekt der Effizienz ist es vernünftigerweise geboten, die mögliche Übertragungsleistung der elektrischen Leitung auf den heutigen Stand zu erhöhen.9 2. Abschnittsbildung Die Abschnittsbildung ist bei Infrastrukturvorhaben als eine richterrechtliche Ausprägung des allgemeinen rechtsstaatlichen Abwägungsgebotes anerkannt.10 Ein Projekt wie das einer Energieleitung übertrifft Autobahnvorhaben regelmäßig, was deren Länge anbetrifft. Angesichts vielfältiger Schwierigkeiten, die mit einer detaillierten Streckenplanung verbunden sind, sind solche Projekte in der Praxis nur sachgerecht umzusetzen, wenn Einzelteile eines Vorhabens lediglich getrennt planfestgestellt und im Anschluss daran realisiert werden.11 Ob eine eigenständige Verkehrsfunktion notwendig sei, wie sie in Projekten nach dem Fernstraßengesetz gefordert wird, ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Jedenfalls wurde eine eigenständige (eingeschränkte) Funktion als ausreichend angesehen, um eine Torsobildung zu vermeiden.12 Denkbar wäre auch eine zulässige Abschnittsbildung dergestalt, dass die Leitung auf der „grünen Wiese“ enden würde und dargelegt werden kann, dass ein Anschluss mit einem nahe gelegenen Hochspannungsnetz erreicht werden könnte. Allerdings ist hier zu beachten, dass ein solches Vorgehen sich ausschließlich auf das in Deutschland betriebene Netz mit Wechselspannung bezieht. Für die jetzt im Bundesbedarfsplangesetz ausgewiesenen Leitungen mit sogenannter Gleichstromtechnik scheitert eine solche Argumentation regelmäßig daran, dass es sich hier um unterschiedliche Techniken handelt. ___________ 9

BayVGH, Urt. vom 24.5.2011, 22 A 10.40049, Rn. 26. BVerwG, NVwZ 1992, 1093; DVBL 2010, 1300. 11 BVerwG, Urt. vom 19.5.1998 – 4 A 9.97 –, BVerwGE 107, 1 (14). 12 BVerwG, Beschl. vom 22.7.2010, 7 VR 4.10, Rn. 28; Beschl. vom 24.5.2012, 7 VR 4.12, Rn. 30. 10

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Soweit eine Abschnittsbildung auf einen Torso hinausläuft, etwa bei länderübergreifenden Projekten, empfiehlt es sich, die Rechtsprechung des 9. Senats des BVerwG auf die Energieleitungsvorhaben zu übertragen, die aus Gründen der Beschleunigung (dort das Verkehrsinfrastrukturbeschleunigungsgesetz) bereits die gesetzliche sofortige Vollziehbarkeit als ausreichende Verklammerung der angrenzenden Abschnitte hat genügen lassen.13 Das BVerwG hat folgende Nebenbestimmung in diesem Kontext gebilligt: „Das Teilstück (näher bezeichnet) darf erst gebaut werden, wenn ein PFB in Fortführung des genehmigten Teilstückes ergangen ist, und sofern und solange er auch vollziehbar ist.“ Im Übrigen sind die im Fachplanungsrecht, insbesondere die im Fernstraßenrecht im Zusammenhang mit der Abschnittsbildung stehenden Aspekte abzuarbeiten, wie beispielsweise, ob in den nachfolgenden Abschnitten keine unüberwindbaren Hindernisse bestehen. Hierzu ist eine Vorausschau auf nachfolgende Abschnitte nach Art eines „vorläufigen positiven Gesamturteils“ erforderlich. Das Ergebnis einer solchen Prognose muss lauten, dass der Verwirklichung des Vorhabens auch im weiteren Verlauf keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen.14 Der hierzu geforderte Prüfungsmaßstab ist jedoch geringer als der, der an den zu beurteilenden Abschnitt anzulegen ist. 3. Variantenauswahl Die Variantenauswahl ist bekanntermaßen eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, wonach verlangt wird, alternative Planungen auf ihre jeweilige Eingriffsintensität bei gleicher planerischer Zielsetzung zu prüfen.15 Die Auswahl zwischen verschiedenen räumlichen Trassenalternativen ist Bestandteil der vorzunehmenden Abwägungsentscheidung, die der gerichtlichen Kontrolle nur beschränkt unterliegt. Die planerische Gestaltungsfreiheit bei der Trassenwahl ist erst dann verletzt, wenn eine andere als die gewählte Trassenführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen oder wenn die Planfeststellungsbehörde im Rahmen der Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange rechtserhebliche Fehler nachzuweisen sind.16

___________ 13

BVerwG, Urt. vom 03.5.2013, 9 A 16.12, Rn. 82. BVerwG, Urt. vom 10.4.1997, 4 C 5.96, Rn. 25, BVerwGE 104, 236 [243]; Urt. vom 27.10.2000, BVerwG 4 A 18.99, Rn. 39. 15 BVerwG, Beschl. vom 26.6.1992 – BVerwG 4 B 1 – 11.92, NVwZ 1993, 572. 16 BVerwG, Urt. vom 12.8.2009, 9 A 64.07, Rn. 119. 14

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Gem. § 43e Abs. 4 EnWG sind nur solche Abwägungsmängel erheblich, die offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. a) Freileitung ./. Erdkabel auf der 380-kV-Ebene Es spricht vieles dafür, dass die gesetzliche Bedarfsfeststellung sich lediglich auf die Ausführung als Freileitung erstreckt und die Ausführungsalternative eines Erdkabels damit ausgeschlossen ist.17 Für den Fall eines EnLAG-Projektes hat das BVerwG aus folgenden Erwägungen dies gefolgert: Indem § 1 Abs. 1 EnLAG ausdrücklich Bezug nimmt auf § 43 Satz 1 EnWG, wonach dort jedenfalls in Nr. 1 lediglich von „Freileitungen“ die Rede ist (alle anderen Fälle passen nicht auf die im EnLAG genannten Projekte), bezieht sich die gesetzliche Bedarfsfeststellung daher wohl nur auf die Ausführung als Freileitung. Zudem wird lediglich für vier explizit genannte Pilotprojekte in § 2 Abs. 1 EnLAG der an sich auf Freileitungen beschränkte Anwendungsbereich auf eine teilweise Erdverkabelung ausnahmsweise erweitert. Nach dieser gesetzlichen Regelungssystematik spricht vieles dafür, dass die gesetzliche Bedarfsfeststellung grundsätzlich (nur) auf eine Freileitung beschränkt ist. Darüber hinaus dient die Erdverkabelung ausdrücklich dem Erprobungszweck. Hinzu kommt, dass § 2 Abs. 2 EnLAG als Ausnahmevorschrift nicht analogfähig ist.18 Aus den Gesetzesmaterialien lässt sich schließlich entnehmen, dass das EnLAG „eine abschließende Regelung hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten von Erdkabeln auf der Höchstspannungsebene“ treffen wollte.19 Solange jedoch insoweit keine abschließende Entscheidung aus Leipzig vorliegt, empfiehlt es sich für die Praxis, – zumindest hilfsweise – die Entscheidung Freileitung oder Erdkabel weiterhin am fachplanerischen Abwägungsgebot zu messen. b) Erdverkabelung als technische Planungsalternative In der Fachplanung plant nicht die Planfeststellungsbehörde selbst originär, sondern sie vollzieht die entsprechenden Planungen und Vorstellungen des Vorhabenträgers nach und übernimmt dadurch die rechtliche Verantwortung für die Planung.20 Ihr kommt also nicht die Aufgabe zu, eigene Überlegungen anstelle der planerischen Erwägungen des Vorhabenträgers anzustellen. Im Rahmen ihrer ___________ 17 Offenlassend: BVerwG, Beschl. vom 28.2.2013, 7 VR 13.12, Rn. 28 f., zuletzt, BVerwG, Urt. vom 18.7.2013, 7 A 4.12, Rn. 51. 18 Beschl. vom 28.2.2013, 7 VR 13.12, Rn. 48. 19 BT-Drs. 17/4559, S. 6. 20 Vgl. BVerwG, Beschl. vom 26.9.2013, 4 VR 1.13, Rn. 41.

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Befugnis muss sie sicherstellen, dass die beantragte Trassenalternative rechtmäßig ist. Dabei kommt der Behörde jedoch die Befugnis zu, bislang noch nicht berücksichtigte abwägungsrelevante Umstände in ihre Abwägungsentscheidung einzubeziehen.21 Im Rahmen der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials sind alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativen zu berücksichtigen und mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange einzustellen.22 In der Regel dürfte die Freileitung gegenüber der Erdverkabelung vorzugswürdig sein. Die Übertragung von Strom auf der Höchstspannungsebene als Freileitung ist anerkannter Stand der Technik. Ob man dies bei der Erdverkabelung auf dieser Spannungsebene insbesondere durch den in § 2 Abs. 2 EnLAG zum Ausdruck kommenden Erprobungszweck behaupten kann, ist fraglich. Hierfür liegen derzeit lediglich beschränkte Erfahrungswerte vor. Störungen sind bei Freileitung besser beherrschbar. Hier finden Kurzunterbrechungen im Millisekundenbereich statt, die keine Auswirkungen auf die Versorgung zeigen. Ernsthafte Störungen sind optisch schnell identifizierbar und innerhalb weniger Tage zu reparieren. Kurzschlüsse in Kabeln führen hingegen zu deren sofortigen Abschaltung. Die Lokalisierung des schadhaften Kabels gestaltet sich bei Weitem aufwändiger. Die Stelle muss ausgegraben und vor Ort eine neue Muffe unter sterilen Bedingungen hergestellt werden. Personal hierfür steht in Deutschland auch nur begrenzt zur Verfügung. So kommt es, dass eine Reparatur bis zu mehrere Wochen dauern kann. Die Lebensdauer von Erdkabeln ist schließlich wohl nur auf 40 Jahre begrenzt, während sie bei Freileitungen das Doppelte und mehr beträgt. Eine Erdverkabelung bietet gegenüber einer Freileitung Vorteile, wenn es um die Auswirkung auf das Landschaftsbild geht. Im Rahmen der Abwägung kann zu Gunsten einer Freileitung gelegentlich die Bündelung mit einer bestehenden Freileitung und damit die Vorbelastung einer bereits bestehenden Trasse ins Feld geführt werden. Allerdings würden die Schutzgüter Biotope, Boden und Wasser durch eine Erdverkabelung in größerem Maße beeinträchtigt werden als bei einer Freileitung. Außerdem verursacht eine Erdverkabelung Mehrkosten um das 2,84,2-fache, was einen abwägungserheblichen Belang darstellt.23

___________ 21 22 23

BVerwG, Urt. vom 27.10.2000, 4 A 18.99, Rn. 31. BVerwG, Urt. vom 3.5.2013, 9 A 16.12, Rn. 85. BVerwG, Beschl. vom 22.7.2010, 7 VR 4.10, Rn. 42.

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III. EnWG Die Fachplanung nach dem EnWG gelangte erst im Jahre 2001 in das deutsche Recht aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungs-richtlinie. Zuvor war der Leitungsbau zwar nicht rechtsfrei, aber durchaus einfacher im Wege eines sogenannten Anzeigeverfahrens. So berichten es jedenfalls die Planer von Leitungen. 1. Erfordernis der Planfeststellung, § 43 EnWG Nach dem derzeit geltenden § 43 EnWG unterliegen dem Planfeststellungsvorbehalt die Errichtung und der Betrieb sowie die Änderung … [allgemein formuliert] von Energieleitungen. Im Gegensatz zu anderen Fachplanungsgesetzen unterliegt dem Planfeststellungsvorbehalt auch der Betrieb also solcher. Hintergrund für die Aufnahme dieses Tatbestandes sind die entsprechenden Rechtsgrundlagen der UVP-Pflicht, ausgelöst durch die UVP-Änderungsrichtlinie aus dem Jahr 1997. Diskutiert werden kann, ob der Betrieb der Errichtung oder dessen Änderung akzessorisch folgt. Sinnvollerweise können die Errichtung und der Betrieb wohl nur als eine Einheit betrachtet werden. In der Kommentarliteratur werden jedoch Fälle erwähnt, die einen eigenen Regelungsgehalt dem Betrieb zukommen lassen wollen. Als ein solcher Fall wird die Wiederinbetriebnahme einer jahrelang nicht genutzten Energieleitung genannt.24 Planfeststellungsbedürftig sind neben den Freileitungen ab der Nennspannung von 110-kV auch Erdkabelvorhaben unter bestimmten Voraussetzungen sowie auch Nebenanlagen. a) Hochspannungsfreileitungen Der Gesetzgeber unterwirft Hochspannungsfreileitungen ab der Nennspannung von 110-kV der Planfeststellung. Als Spannungsebenen werden in Deutschland die 110-kV, die 220-kV sowie die 380-kV Ebene eingesetzt. Das historisch unabhängig entstandene Netz der Bahnstromleitung wird explizit ausgenommen, da diese gem. § 2 Abs. 3 AEG Bestandteil der Eisenbahninfrastruktur sind. Diese unterliegen dem Planfeststellungsvorbehalt nach § 18 AEG. b) Erdverkabelung Die Erdverkabelung wird in verschiedenen Fällen zugelassen. ___________ 24 Danner/Theobald, Energierecht, Loseblattsammlung, § 43 Rn. 20; Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 43 Rn. 15.

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Als Netzanbindung von Offshore-Anlagen (Satz 1 Nr. 3) werden auf Antrag Planfeststellungsverfahren innerhalb des Küstenmeeres als Seekabel sowie landeinwärts bis zum technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt des nächsten Übertragungs- oder Verteilernetzes durchgeführt. Denselben räumlichen Umfang erfahren die grenzüberschreitenden Gleichstrom-Hochspannungsleitungen (Satz 1 Nr. 4). Fachlich betreten wir im Naturschutz in gewisser Weise „Neuland“, da Auswirkungen im Wattenmeer bislang keine umfangreichen Untersuchungen vorausgegangen sind. Zudem stellen die Kriegsaltlasten mit der in der Nordsee nach dem 2. Weltkrieg verklappten Munition ein erhebliches Hindernis in zeitlicher und finanzieller Hinsicht dar. Daneben bieten Satz 4 und Satz 7 fakultative Möglichkeiten der Erdverkabelung. In Satz 4 begegnet uns noch die alte Regelung, wonach innerhalb eines 20km-Korridors entlang der Küstenlinie eine Erdverkabelung beantragt werden kann. Mit Einführung der Anbindung der Offshore Windparks über die Nr. 3 ist diese Regelung aber im Grunde überflüssig geworden.25 Satz 7 regelt schließlich die Möglichkeit einer Erdverkabelung ausschließlich auf der 110-kV Spannungsebene mit dem ausdrücklichen Hinweis auf eine Abschnittsbildung im Zusammenhang mit einer Freileitung. Die Begrenzung auf eng umschriebene Möglichkeiten der Planfeststellungsfähigkeit von Erdkabeln kann man als Fluch oder als Segen bezeichnen. Gelegentlich ergeben sich Fallgestaltungen, beispielsweise wenn auf einer höheren Nennspannung als 110-kV vor einem Umspannwerk ein begrenzter Bereich aus technischen Gründen eine Erdverkabelung gewünscht wäre. Hier wären an sich weitere gesetzliche Regelungen vorstellbar. Andererseits bietet es in einer Vielzahl der Fälle für die Vorhabenträger einen Vorteil, keine entsprechende rechtliche Möglichkeit einer Erdverkabelung vorzufinden. Der immer stärker geäußerte Wunsch nach einer Erdverkabelung könnte im Rahmen der Varianten in der Regel mit dem Hinweis auf die fehlende Regelung einer entsprechenden Norm begegnet werden, so jedenfalls die Argumentation der Netzbetreiber. c) Nebenanlagen Der Gesetzgeber bietet zudem die Möglichkeit, sogenannte notwendige Anlagen in die Planfeststellung zu integrieren. Explizit werden Umspannanlagen und Netzverknüpfungspunkte genannt. Durch die Formulierung „insbesondere“ wurde klargestellt, dass weitere Anlagen hierunter fallen können, wie beispielsweise Schaltanlagen, Muffenbauwerke, Konverterstationen, Betriebsgebäude, Zufahrten sowie sonstige Anlagen und Nebeneinrichtungen. Der Vorhabenträger besitzt hier ein Wahlrecht. Bislang besteht die Tendenz bei Umschaltanlagen wie auch bei Konverterstationen, die Genehmigung nach ___________ 25

Steinbach, NABEG/EnLAG/EnWG, § 43 EnWG, Rn. 55.

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dem BImSchG einzuholen, da dieses Verfahren, wenngleich es keine enteignungsrechtliche Vorwirkung entfaltet, deutlich schneller ablaufen kann. 2. Plangenehmigung Voraussetzung für die Erteilung einer Plangenehmigung ist unter anderem gem. § 43b Nr. 2 Satz 2 EnWG, dass Rechte anderer nur unwesentlich beeinträchtigt werden. Im Fall der Genehmigung eines sog. Hochtemperaturleiterseils erklärte uns der Netzbetreiber, im Besitz aller Grunddienstbarkeiten für alle überspannten Flurstücke zu sein. Im Verfahren stellte sich etwas anderes heraus. Dort wo die Grunddienstbarkeiten fehlten, waren nunmehr Einzelbetrachtungen erforderlich, welche die Rechtsanwendung an äußerste Grenzen stoßen ließ. 3. Alternative Erdkabel, § 43h § 43h EnWG eröffnet für die Variantenauswahl ein neues Kapitel. Während in den „normalen“ Freileitungsverfahren regelmäßig die Mehrkosten einer Erdverkabelung zur Ablehnung einer solchen Variante führen dürften, sieht der Gesetzgeber bei Vorliegen der dortigen Voraussetzungen nunmehr den Regelfall der Erdverkabelung vor.26 Diese lauten: ‒ Nennspannung von 110 kV oder weniger ‒ neue Trasse ‒ Unterschreiten des Kostenfaktors 2,75 ‒ keine entgegenstehenden naturschutzfachlichen Belange. Ohne ins Detail gehen zu wollen zeigt der Gesetzestext einige Schwächen. Beispielsweise erstreckt sich der Anwendungsbereich auch auf Hochspannungsleitungen unterhalb der 110-kV-Ebene, die jedoch nicht planfeststellungsfähig sind. Lediglich für die Nennspannung von 110-kV bietet § 43 Satz 7 EnWG die Möglichkeit, solche Leitungen als Erdkabel planfestzustellen. Ab wann von einer neuen Trasse gesprochen werden kann, ist ebenfalls unklar. Eine Legaldefinition bietet das Gesetz nicht. Mit Blick auf § 11 Abs. 1 Nr. 1 NABEG liegt die Annahme jedoch nahe, die Trasse als konkreten und parzellenscharfen Verlauf der Leitung einschließlich der Maststandorte zu bezeichnen.27 Das Ersetzen oder der Ausbau einer bestehenden Leitung fällt jedoch nicht hier-

___________ 26 27

BT-Drucks. 17/6073, S. 35. Steinbach, NABEG/EnLAG/EnWG, § 43h EnWG, Rn. 23.

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unter; etwas anderes gilt nur, wenn eine neue Leitung direkt neben einer Bestandsleitung errichtet werden soll.28 Würde eine neue Leitung teilweise innerhalb der alten Trasse und teilweise außerhalb derer verlaufen, unterfällt der außerhalb verlaufende Teil dem § 43h EnWG, wenn er wesentlich aus dem alten Trassenraum herausschwenkt.29 Bei der Berechnung der Kosten blieb der Gesetzgeber ebenfalls eine Legaldefinition schuldig. Als gesichert dürfte gelten, dass die Gesamtkosten die Errichtung und den Betrieb beinhalten. Als ungeklärt dürfte aber die Frage gelten, ob auf das Gesamtprojekt oder lediglich auf einen Teilabschnitt abzustellen ist, in dem partiell über eine Erdverkabelung nachgedacht werden könnte. Ebenso ist fraglich, welche fiktive Erdkabelführung für die Kostenschätzung zu Grunde zu legen wäre. Wie gravierend naturschutzfachliche Belange zu sein haben, bleibt ebenfalls unklar. Eine Erdverkabelung löst regelmäßig Konflikte aus. Abgesehen vom strikten Recht des Gebiets- und Artenschutzes können etwa Feuchtbiotope gequert werden. Fachlich ungeklärt ist indes, welche nachhaltigen Folgen die Erderwärmung für den Boden haben wird. Trotz Vorliegens der Voraussetzungen kann eine Freileitung dennoch beantragt werden, wenn öffentliche Interessen nicht entgegenstehen. Auch hier fehlt eine Legaldefinition, welche Interessen in die Abwägung eingestellt werden dürfen. Ebenfalls fällt auf, dass private Interessen jedenfalls keine Rolle spielen sollen/dürfen.

IV. EnLAG 1. Gesetzgebungskompetenz des Bundes Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurden Stimmen laut, dass dem Bund keine Kompetenz für den Erlass eines solchen Gesetzes zukomme. Insbesondere könne kein Bedürfnis der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse anerkannt werden, insbesondere für die Frage einer einheitlichen Regelung einer Erdverkabelung.30 Soweit es um ein Vorhaben geht, das nicht als Pilotprojekt vorgesehen ist, können nach Auffassung des BVerwG31 die verfassungsrechtlichen Bedenken ___________ 28 29 30 31

Ebda, Rn. 24. Vgl. OVG Lüneburg, 7 MS 4/13, Leitsatz 2. Gutachten Deutscher Bundestag WD 3-451/09. Urt. vom 18.7.2013, 7 A 4.12, Rn. 33.

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gegen das EnLAG, insbesondere gegen die fehlende Gesetzgebungskompetenz, dahinstehen. Die diskutierte Frage der Verfassungswidrigkeit würde keineswegs auf das gesamte Gesetz durchschlagen, mithin auch nicht auf die Bedarfsfeststellung in § 1 Abs. 2 EnLAG. Denn zwischen der Bedarfsfeststellung in § 1 EnLAG und der Bestimmung zur Erdverkabelung in § 2 des Gesetzes besteht kein untrennbarer Zusammenhang. Allerdings bekommen die Kritiker nunmehr Aufwind durch die eingelegte Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen die 380kVTrasse durch den Thüringer Wald. 2. Der Einsatz von Erdkabeln auf der Höchstspannungsebene, § 2 Abs. 2 § 2 Abs. 2 EnLAG eröffnet neben § 2 Abs. 2 Satz 2 des Bundesbedarfsplangesetzes für bestimmte Pilotprojekte die Möglichkeit einer Erdverkabelung. § 2 Abs. 2 EnLAG weist Besonderheiten gegenüber der ansonsten einheitlichen Dogmatik im Fachplanungsrecht aus. Einige hiervon möchte ich anhand eines Gerichtsverfahrens veranschaulichen, in dessen Rahmen ein Netzbetreiber die NLSTBV auf Einleitung des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht verklagt hatte. Der Vorhabenträger hatte von mehreren potentiellen Erdkabelabschnitten (Unterschreitung der Mindestabstände) lediglich zwei Bereiche für eine Erdverkabelung vorgesehen, ansonsten aber eine durchgehende Freileitung beantragt. Vor dem Hintergrund, dass das Verlangen der Behörde nur abwägungsfehlerfrei ausgeübt werden könne, wenn auch die Auswirkungen einer Erdverkabelung detailscharf vorliegen, legte der Vorhabenträger auf Anregung des Gerichtes parzellenscharfe Pläne für alle übrigen Erdkabelvarianten vor, ohne aber seinen Antrag hierauf zu erstrecken. Im Übrigen ist es auch nicht Aufgabe der Behörde – so der Berichterstatter des Gerichtes –, selbst Pläne zu erstellen. Im Rahmen eines Vergleiches kam es zur Auslegung der Antragstrasse sowie nachrichtlich mit den fiktiven Erdkabelvarianten. Im Gegenzug verpflichtete sich der Vorhabenträger, gegen eine von uns evtl. angeordnete Erdverkabelung in einem bestimmten Abschnitt keinen Rechtsbehelf zu erheben.32 Zu den dogmatischen Problemen der Anstoßwirkung sowie der Anordnung einer Erdverkabelung ohne Antrag komme ich gleich.

___________ 32

Vgl. dazu BT-Drs. 17/11871, S. 3.

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a) Bedingter Verkabelungszwang Während in der ursprünglichen Fassung von 2009 von einem Wahlrecht der Netzbetreiber auszugehen war, hat der Gesetzgeber offenbar aus Unzufriedenheit mit dem Fortgang der Erdverkabelung den § 2 Abs. 2 EnLAG 2011 insoweit erweitert, wonach die zuständige Landesbehörde unter den Voraussetzungen des Abs. 2 eine Verkabelung verlangen kann. Grundsätzlich ist das Fachplanungsrecht von der sogenannten Dispositionsmaxime geprägt, wonach lediglich die Behörde auf Antrag tätig werden darf. Erstmalig soll dieses Prinzip mit dieser Vorschrift durchbrochen werden. Klar ist, dass sich das Verlangen zumindest auf die Vorlage detailscharfer Pläne entsprechender Alternativerdverkabelungen beziehen muss. Zu Recht darf es die Auslegung der Unterlagen im Rahmen des § 73 Abs. 2 VwVfG verweigern, wenn solche Planungen nicht vorgelegt werden.33 Konsequenterweise müsste das Verlangen auch darauf erstreckt werden können, die Erdverkabelung ohne explizite Antragstellung anzuordnen. Hierfür spricht die Absicht des Gesetzgebers, nunmehr Verzögerungen im Leitungsausbau zu vermeiden, wenngleich dies durchaus mit rechtlichen Schwierigkeiten behaftet ist. Hierzu fehlt jedoch ein entsprechender Antrag, sodass sich der Vorhabenträger dagegen rechtlich zur Wehr setzen kann, sodass das Argument für einen zügigen Ausbau entkräftet werden könnte. Die Anordnung einer Erdverkabelung ist als modifizierende Auflage zu verstehen, gegen die sich der Vorhabenträger im Wege einer Verpflichtungsklage wehren könnte.34 Zudem sind die Anstoßwirkung und die damit einhergehende Präklusion fraglich, weil sich der Antrag lediglich auf die Freileitung bezieht. Allerdings neigte das BVerwG in der nichtöffentlichen Sitzung am 12.9.2012 dazu, das EnLAG als spezialgesetzliche Regelung zu verstehen, wodurch potentiell Betroffene auch gegen Planungsvarianten Einwendungen erheben können. Schließlich ist der Frage nachzugehen, ob die Veränderungssperre des § 44a EnWG sich lediglich auf die beantragte Trasse oder auch auf die nachrichtlich ausgelegten Pläne erstreckt. Bislang bezog sich der „Plan“ auf das beantragte Vorhaben. Ob mit Blick auf den zügigen Netzausbau eine erweiternde Auslegung des § 44a EnWG geboten scheint, bleibt jedoch abzuwarten. b) Technisch und wirtschaftlich effizienter Teilabschnitt als Erdkabel Der Gesetzgeber wollte, dass bei allen Möglichkeiten zur Teilverkabelung ein ständiges Abwechseln der Erdverkabelung mit der Freileitungsbauweise, das zu ___________ 33 34

So jedenfalls BVerwG, 7 A 10.11, Protokoll nichtöffentl. Sitzung am 12.9.2012. BVerwG, Urt. vom 22.11.2000, 11 C 2.00, BVerwGE 112, 221 [224].

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erheblichen Mehrkosten führt, vermieden werden soll. Daraus folgernd definiert er einen solchen Teilabschnitt, wenn er mindestens eine Länge von 3 km aufweist, unabhängig von der Länge der Strecke, auf der die Bebauungsabstände auf diesem Streckenabschnitt unterschritten werden. Die Länge von 3 km wird zudem dadurch gerechtfertigt, dass mit einer einheitlichen Länge Ungleichbehandlungen vermieden werden, die daraus resultieren, dass die Teilverkabelung davon abhängig gemacht wird, ob die Länge des Streckenabschnitts mit Siedlungsannäherung zufällig mindestens 3 km beträgt oder nicht. Ebenso spielten Erwägungen eine Rolle, bisherige Verfahrensverzögerungen zu vermeiden und so das Risiko zukünftiger Rechtsstreitigkeiten zu reduzieren, die aus der Auseinandersetzung über den Umfang der Verkabelung resultieren.35 Allerdings sollte nach Auffassung des BVerwG nicht außer Acht gelassen werden, dass die Festlegung von Verkabelungsabschnitten der fachplanerischen Abwägung unterfällt. Daher können bei der Beurteilung der entsprechenden Länge unterschiedliche Effizienzgründe eine Rolle spielen.36 c) Unterschreiten von Abständen zu Wohngebäuden Das Verlangen setzt voraus, dass die Leitung 1. in einem Abstand von weniger als 400 Meter zu Wohngebäuden errichtet werden soll, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder im unbeplanten Innenbereich im Sinne des § 34 des Baugesetzbuchs liegen, falls diese Gebiete vorwiegend dem Wohnen dienen, oder 2. in einem Abstand von weniger als 200 Meter zu Wohngebäuden errichtet werden soll, die im Außenbereich im Sinne des § 35 des Baugesetzbuchs liegen. Die Gründe des Gesetzgebers, Abstandsvorschriften zum Tatbestandsmerkmal für eine Erdverkabelungsmöglichkeit zu erheben, bleiben im Unklaren. Erst mit der 1. Änderung zum EnLAG wird jedenfalls auf die besondere Schutzwürdigkeit des Wohnumfeldes eines Grundstückseigentümers abgestellt. Ob die künftigen Entscheidungen zur Frage, was mit Wohnumfeldschutz gemeint sei, sich an der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG orientieren werden, wonach ein solcher Tatbestand keine individuelle Schutzwürdigkeit im Sinn der Schutznormtheorie entfalte, bleibt abzuwarten. Im Baurecht erkennt die Rechtsprechung jedenfalls kein Recht auf freie Aussicht an.37 Allerdings sieht der Gesetzgeber den Belang des Wohnumfeldes gewahrt, wenn der Grundstückseigentümer der Annäherung einer Freileitung an sein ___________ 35 36 37

BT-Drs. 17/4559, S. 6. So jedenfalls BVerwG, 7 A 10/11, Protokoll nichtöffentl. Sitzung am 12.9.2012. Vgl. VGH München, Urt. vom 29.7.1992, 20 N 91.2692.

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Wohngrundstück einer Freileitung zustimmen kann. Indirekt wird dem Grundstücksinhaber daher sogar ein zu beachtender Belang eingeräumt. Unklar bleibt auch, was der Wohnumfeldschutz alles umfasst. Sind es die Sichtbeziehungen zu den Stromleitungen oder aber die typischen wohnumfeldnahen Aktivitäten wie die Nutzung von Spiel- oder Sportplätzen oder die Nutzung ortsrandnaher Fuß-, Rad- und Wanderwege? Hier ist noch vieles ungeklärt. d) Abwägung Nach der zum Bundesbaugesetz entwickelten, auf die energierechtliche Planung aber im Grundsatz ohne weiteres übertragbaren Rechtsprechung verlangt das Abwägungsgebot, dass – erstens – eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass – zweitens – in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass – drittens – weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist vielmehr im Gegenteil ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen.38 Der Gesetzgeber hat mit dem EnLAG bewusst einige wenige Pilotprojekte ausgewählt, in denen die Erdverkabelung von Höchstspannungsleitungen erprobt werden soll, da die Erdverkabelung auf dieser Spannungsebene noch nicht zu den anerkannten Regeln der Technik gehört. Daher dürfte der Erprobungszweck einen Punkt neben anderen im Rahmen der Abwägung spielen. Andere Gesichtspunkte werden naturschutzfachlicher Art sein, wie etwa die Folgen einer Bodenerwärmung und deren drainierende Wirkungen, Querung von Biotopen usw.

V. Exkurs: Rechtsweg bei der Verlegung von Erd- und Seekabeln § 48 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat Anlass zu einem „Kriegsschauplatz“ zwischen dem Verwaltungsgericht Oldenburg und dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg gegeben. In jenem Paragraphen ist formuliert: ___________ 38

BVerwG, Urt. vom 14.2.1975 – BVerwG 4 C 21.74 – BVerwGE 48, 56 (63).

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„Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten die betreffen … 4. Planfeststellungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb oder die Änderung von Hochspannungsfreileitungen mit einer Nennspannung von 110 Kilovolt oder mehr, Erd- und Seekabeln jeweils mit einer Nennspannung von 110 Kilovolt.“ Im Offshoreverfahren DolWin 1, das die Offshore-Plattform DolWin alpha mit dem Netzverknüpfungspunkt in Dörpen im Emsland verbindet, sollte eine Gleichstromleitung als Seekabel verlegt werden. Während für Freileitungen explizit von „110 kV und mehr“ die Rede ist, belässt es der Gesetzgeber bei der Formulierung „von 110 kV“. Der Gesetzeswortlaut sieht daher die Zuständigkeit nicht beim OVG.39 Ob eine teleologische Auslegung zu einer anderen Lösung gelangt, mag zunächst dahinstehen, da sich den Gesetzesbegründungen für die Änderungen der VwGO keine Hinweise darauf entnehmen lassen, inwieweit eine Zuständigkeit des OVG entgegen des Wortlautes beabsichtigt gewesen sei. Mehr noch: Der ursprüngliche Gesetzesentwurf zur Änderung des § 48 VwGO sah vor, dass Freileitung und Kabel mit mehr als 110 kV die Zuständigkeit des OVG ausgelöst hätte.40 Der Gesetzgeber folgte schließlich der Beschlussempfehlung und dem Bericht zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung41 mit dem heute geltenden Wortlaut. Auch das Gesetz zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze vom 21.08.2009 änderte § 48 VwGO nur insoweit, als das Wort „Erdkabel“ durch „Erd- und Seekabel“ ersetzt worden ist. Das in der Rechtsbehelfsbelehrung vorgesehene Verwaltungsgericht Oldenburg reagierte mit einem Verweisungsbeschluss an das OVG Lüneburg und begründete seine Entscheidung damit, dass nach Sinn und Zweck der aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung geschaffenen Vorschrift auch Seekabel mit einer höheren Nennspannung erfasst worden seien. Zudem bezeichnete es das VG Oldenburg es als bloßes Versehen des Gesetzgebers, dass er bei den Erdkabeln den Zusatz „oder mehr“ nicht mit aufgenommen hat. Konsequenterweise nahm es nunmehr an, ein Fall des § 58 VwGO läge vor, sodass die Jahresfrist zum Tragen käme. Das OVG Lüneburg schloss sich zwar unserer Rechtsauffassung an. Eine Verweisung gem. § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG sprach es indes nicht aus, weil es den Verweisungsbeschluss des VG Oldenburg jedenfalls für nicht offensichtlich rechtswidrig hielt. Die Argumentation lautete: Der Wortlaut sei eindeutig. Eine als sachgerechte Auslegung bezeichnete teleologische Extension der Norm begegne jedenfalls durchgreifenden methodischen Bedenken. Allerdings gibt der Senat zu, eine andere Auslegung wäre wohl – allerdings ___________ 39 40 41

Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 48 Rn. 7. BT-Drs. 16/54 vom 4.11.2005, S. 22. BT-Drs. 16/3158 vom 25.10.2006, S. 23.

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mit einer völlig anderen Argumentation – vertretbar, indem von einer sogenannten „verdeckten Regelungslücke“ des Gesetzes ausgegangen werden könne. D.h., dass § 45 VwGO (Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte) teleologisch reduziert würde und die dadurch entstandene Regelungslücke im Wege einer Gesetzesanalogie zu den in § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Fallgruppe 2 VwGO ausdrücklich geregelten Fällen der Erd- und Seekabel mit einer Nennspannung von jeweils (genau) 110-kV geschlossen würde. Aufgrund der vom OVG bestätigten Rechtsauffassung haben wir die Rechtsbehelfsbelehrung bei einem erneuten Offshore-Verfahren nicht geändert. Das VG Oldenburg hat die neue Klage erneut an das OVG Lüneburg verwiesen unter Berufung auf die vom OVG nun thematisierte verdeckte Regelungslücke. Eine Rückverweisung an das VG war unter diesen Umständen nun überhaupt nicht mehr denkbar.

VI. Ausblick In der Zukunft sind bereits zahlreiche Energieverfahren angekündigt. Insbesondere lässt sich dies den jüngst von der Bundesnetzagentur bestätigten Netzentwicklungsplänen für On- und Offshore entnehmen. Vieles ist rechtlich leider noch unklar. Wünschenswert wären daher Klarstellungen durch den Gesetzgeber aber auch Konkretisierungen durch die Verwaltungsgerichte. Möge die Energiewende trotz allem gelingen!

Aktuelle Rechtsfragen der Bundesfachplanung Von Werner Schaller und Marius Henrich Mit der in Abschnitt 2 des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes Übertragungsnetz (NABEG)1 geregelten Bundesfachplanung wurde im Zuge der Energiewende ein neues Planungsinstrument geschaffen, das zu einem beschleunigten Ausbau der Übertragungsnetze in Deutschland beitragen soll. Der nachfolgende Beitrag verortet in einem einleitenden Abschnitt die Bundesfachplanung innerhalb des mehrstufigen Planungs- und Genehmigungsregimes für Höchstspannungsleitungen, gibt einen kurzen Überblick über den Ablauf des Verfahrens und stellt in Grundzügen das methodische Vorgehen der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) bei der planerischen Ausarbeitung der Anträge auf Bundesfachplanung dar (vgl. unter I.). Anschließend werden ausgewählte rechtliche Fragestellungen der Bundesfachplanung behandelt. Neben der vieldiskutierten Frage nach den Rechtswirkungen von Zielen der Raumordnung in der Bundesfachplanung (vgl. unter II., 1.) werden die rechtliche Bedeutung von notwendigen Nebenanlagen für diese Planungsstufe (vgl. unter II., 2.) und die Frage thematisiert, in welchem Umfang der Einsatz von Erdkabeln im Anwendungsbereich des NABEG vom Grundsatz her überhaupt möglich bzw. gesetzlich ausgeschlossen ist (vgl. unter II., 3.).

___________  Die Verfasser sind Referenten im Rechtsreferat der Abteilung Netzausbau der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur). Der Beitrag basiert in aktualisierter und erweiterter Form auf einem Vortrag, den der erstgenannte Verfasser am 6.3.2014 auf den 16. Speyerer Planungsrechtstagen gehalten hat. Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Das Manuskript wurde am 28.7.2014 fertiggestellt. 1 Art. 1 des Gesetzes über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze v. 28.7.2011 (BGBl. I S. 1690 ff.), zul. geänd. durch Art. 4 des Dritten Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften v. 20.12.2012 (BGBl. I S. 2730 ff.).

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I. Einleitung 1. Einordnung der Bundesfachplanung Die Bundesfachplanung ist die erste von zwei Planungsstufen, die im NABEG für den Ausbau der Höchstspannungsnetze vorgesehen ist. Grundlage für die Zulassung von Ausbauvorhaben auf der Höchstspannungsebene nach dem Rechtsrahmen des NABEG ist der vom Gesetzgeber als Anlage zum Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG)2 verabschiedete Bundesbedarfsplan. Mit Erlass des Bundesbedarfsplans wird gem. § 12e Abs. 4 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)3 i.V.m. § 1 Abs. 1 BBPlG für die darin aufgelisteten Vorhaben die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf festgestellt. Dieser gesetzlichen Bedarfsfeststellung geht mit der Genehmigung des von den ÜNB erarbeiteten Szenariorahmens (§ 12a Abs. 3 EnWG) sowie der Bestätigung des von den ÜNB vorgelegten gemeinsamen nationalen Netzentwicklungsplans bzw. Offshore-Netzentwicklungsplans (§§ 12c Abs. 4, 17c EnWG) durch die Bundesnetzagentur ein sich jährlich wiederholender mehrstufiger Prozess der energiewirtschaftlichen Bedarfsermittlung voraus, in dessen Rahmen mehrere Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligungen stattfinden. Mindestens alle drei Jahre mündet dieser Prozess – flankiert durch eine Strategische Umweltprüfung (§ 12c Abs. 2 EnWG und § 14b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Anlage 3 Nr. 1.10 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG)4) – in der Übermittlung des Entwurfs für einen Bundesbedarfsplan an die Bundesregierung, die den Entwurf ihrerseits mindestens alle drei Jahre dem Gesetzgeber vorlegt (§ 12e Abs. 1 EnWG). Diejenigen Vorhaben, die im Bundesbedarfsplan mit „A1“ oder „A2“ als länder- oder grenzüberschreitend oder als Offshore-Anbindungsleitung gekennzeichnet sind, fallen in den Anwendungsbereich des NABEG5 und unterliegen folglich dem darin verankerten Planungs- und Genehmigungsregime, für das der ___________ 2 Art. 1 des Zweiten Gesetzes über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze v. 23.7.2013 (BGBl. I S. 2543 ff.), zul. geänd. durch Art. 11 des Gesetzes zur grundlegenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und zur Änderung weiterer Bestimmungen des Energiewirtschaftsrechts v. 21.7.2014 (BGBl. I S. 1066). 3 Energiewirtschaftsgesetz v. 7.7.2005 (BGBl. I S. 1970, 3621), zul. geänd. durch Art. 6 des Gesetzes zur grundlegenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und zur Änderung weiterer Bestimmungen des Energiewirtschaftsrechts v. 21.7.2014 (BGBl. I S. 1066). 4 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung i.d.F. der Bekanntmachung v. 24.2.2010 (BGBl. I S. 94), zul. geänd. durch Art. 10 des Gesetzes v. 25.7.2013 (BGBl. I S. 2749). 5 Der dem BBPlG als Anlage beigefügte Bundesbedarfsplan listet 36 Vorhaben auf, von denen 16 Vorhaben als länder- oder grenzüberschreitend gekennzeichnet sind. Offshore-Anbindungsleitungen sind im aktuellen Bundesbedarfsplan nicht aufgelistet.

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Bund zuständig ist.6 Für diese Vorhaben ist auf der ersten Planungsstufe im Wege der Bundesfachplanung nach §§ 4 ff. NABEG ein raumverträglicher Trassenkorridor festzulegen. Dieser ist Grundlage für die zweite Planungsstufe, die Planfeststellung nach Abschnitt 3 des NABEG. Mit der Planfeststellung wird der genaue Verlauf der Trasse (einschließlich der Maststandorte, Zufahrtswege etc.) innerhalb des Trassenkorridors bestimmt und das Ausbauvorhaben rechtlich zugelassen. Für die Vorhaben des Bundesbedarfsplans, die nicht als länder- oder grenzüberschreitend oder als Offshore-Anbindungsleitung gekennzeichnet sind, verbleibt es bei der Zuständigkeit der Länder und dem bisherigen Planungs- und Genehmigungsregime. Für diese Vorhaben soll grundsätzlich gem. § 15 Abs. 1 Raumordnungsgesetz (ROG)7 i.V.m. § 1 Nr. 14 Raumordnungsverordnung (RoV)8 ein Raumordnungsverfahren durchgeführt werden. Anschließend erfolgt die Zulassung im Wege der Planfeststellung nach §§ 43 ff. EnWG. a) Besonderheiten der Bundesfachplanung Die Bundesfachplanung ersetzt für die in den Anwendungsbereich des NABEG fallenden Vorhaben die Durchführung von Raumordnungsverfahren, vgl. § 28 NABEG. Sie weist Ähnlichkeiten aber auch Unterschiede zum Raumordnungsverfahren auf9 und wird daher mit Recht als ein „fachplanerisches Verfahren sui generis“10 bezeichnet. Der wichtigste Unterschied zum Raumordnungsverfahren kommt in der Verbindlichkeit der Bundesfachplanung zum Ausdruck: Während die in einem Raumordnungsverfahren ergangene Entscheidung lediglich als zu berücksichti-

___________ 6 Die Zuständigkeit der Bundesnetzagentur für die Bundesfachplanung folgt aus § 31 Abs. 1 NABEG. Mit der Verordnung über die Zuweisung der Planfeststellung für länderübergreifende und grenzüberschreitende Höchstspannungsleitungen auf die Bundesnetzagentur (Planfeststellungszuweisungsverordnung – PlfZV) v. 23.7.2013 (BGBl. I S. 2582) wurde ihr für die im Bundesbedarfsplan mit „A1“ bzw. „A2“ gekennzeichneten Vorhaben auch die Zuständigkeit für die Planfeststellungsverfahren übertragen, vgl. § 31 Abs. 2 NABEG i.V.m. § 1 PlfZV. 7 Raumordnungsgesetz v. 22.12.2008 (BGBl. I S. 2986), zul. geänd. durch Art. 9 des Gesetzes v. 31.7.2009 (BGBl. I S. 2585). 8 Raumordnungsverordnung v. 13.12.1990 (BGBl. I S. 2766), zul. geänd. durch Art. 5 Abs. 35 des Gesetzes v. 24.2.2012 (BGBl. I S. 212). 9 Aus der umfangreichen Literatur siehe nur Durner, DVBl. 2013, 1564 ff.; Franke, in: FS Salje, 2013, 121, 133 f.; Appel, ER 2012, 3, 5; Erbguth, NVwZ 2012, 326, 328; ders., DVBl. 2012, 325, 326; Schmitz/Jornitz, NVwZ 2012, 332, 334. 10 BT-Drs. 17/6073, S. 19.

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gende gutachterliche Stellungnahme in die Abwägungsentscheidung der Planfeststellung einfließt11, entfaltet der im Wege der Bundesfachplanung festgelegte Trassenkorridor gem. § 15 Abs. 1 S. 1 NABEG bindende Wirkung für das Planfeststellungsverfahren; das Vorhaben kann folglich nur innerhalb des ausgewiesenen Trassenkorridors zugelassen werden.12 Des Weiteren unterscheidet sich die Bundesfachplanung von Raumordnungsverfahren dadurch, dass die Bundesnetzagentur gem. § 7 Abs. 3 S. 2 NABEG nicht an den Antrag des Vorhabenträgers gebunden ist. Als verfahrensführende Behörde ist sie überdies verpflichtet, ernsthaft in Betracht kommende Alternativen zu prüfen. Diese Prüfungspflicht beschränkt sich nicht bloß auf die vom Vorhabenträger eingeführten Trassenkorridoralternativen,13 sondern umfasst – der Verbindlichkeit der Bundesfachplanung Rechnung tragend – grundsätzlich alle ernsthaft in Betracht kommenden Alternativen, also auch solche, die von dritter Seite, insbesondere von den Ländern (§ 7 Abs. 3 S. 1 NABEG), vorgeschlagen werden. Schließlich ist in der Bundesfachplanung anders als in Raumordnungsverfahren eine Strategische Umweltprüfung durchzuführen, vgl. § 5 Abs. 2 NABEG. b) Prüfungs- und Entscheidungsinhalte der Bundesfachplanung In der Bundesfachplanung findet eine räumliche Konkretisierung der Vorhaben in der Weise statt, dass mit dem festzulegenden Trassenkorridor eine erste planerische Verbindung zwischen den im Bundesbedarfsplan als Anfangs- und Endpunkte der Vorhaben angegebenen Netzverknüpfungspunkten erfolgt. Der Trassenkorridor wird in § 3 Abs. 1 NABEG als Gebietsstreifen definiert, in dem die Trasse einer Stromleitung verläuft und für den die Raumverträglichkeit festgestellt werden soll oder festgestellt ist. Die genaue Breite eines Trassenkorridors ist gesetzlich nicht vorgeschrieben; nach dem Willen des Gesetzgebers soll jedoch eine Breite zwischen 500 m und 1.000 m zugrunde gelegt werden.14 ___________ 11 BVerwG, Beschl. vom 30.8.1995, 4 B 86/95, Rn. 7; BVerwG, Beschl. vom 4.6.2008, 4 BN 12/08, Rn. 2; Steinberg/Wickel/Müller, Fachplanung, 4. Aufl. 2012, § 7, Rn. 64 f. 12 Ist eine rechtmäßige Planfeststellung bspw. wegen unüberwindbarer naturschutzfachlicher Hindernisse innerhalb des Trassenkorridors nicht möglich, kann eine Zulassung des Vorhabens außerhalb des Trassenkorridors zunächst nicht erfolgen. Vielmehr müsste zuvor der Verlauf des Trassenkorridors im Wege der Bundesfachplanung geändert werden, um eine rechtmäßige Planfeststellung zu ermöglichen. Vgl. hierzu de Witt, in: de Witt/Scheuten (Hrsg.), NABEG, 2013, § 15 NABEG, Rn. 29; Schiller, EurUP 2013, 178, 180; Schirmer/Seiferth, ZUR 2013, 515, 521; Appel, ER 2012, 3, 5; Durner, NuR 2012, 369, 373; a.A. Wagner, DVBl. 2011, 1453, 1458; Moench/Ruttloff, NVwZ 2011, 1040, 1043. 13 So aber in Raumordnungsverfahren, vgl. § 15 Abs. 1 S. 3 ROG. 14 BT-Drs. 17/6073, S. 23.

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Die Prüfungsinhalte der Bundesfachplanung ergeben sich aus § 5 NABEG. Danach hat die Bundesnetzagentur zu prüfen, ob der Verwirklichung des Vorhabens in einem Trassenkorridor überwiegende öffentliche oder private Belange entgegenstehen. Sie hat insbesondere die Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Raumordnung i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ROG und die Abstimmung mit anderen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 6 ROG zu prüfen. Gegenstand der Prüfung sind auch die ernsthaft in Betracht kommenden Alternativen von Trassenkorridoren. Zudem ist – wie bereits dargelegt – eine Strategische Umweltprüfung durchzuführen. In der Entscheidung über die Bundesfachplanung gem. § 12 Abs. 2 NABEG weist die Bundesnetzagentur den Verlauf eines raumverträglichen Trassenkorridors sowie die an den Landesgrenzen gelegenen Länderübergangspunkte aus.15 Zudem muss die Entscheidung eine Bewertung und zusammenfassende Erklärung der Umweltauswirkungen des Trassenkorridors und das Ergebnis der Prüfung von alternativen Trassenkorridoren enthalten. Die Entscheidung über die Bundesfachplanung hat keine unmittelbare Außenwirkung; sie kann nur im Rahmen von Rechtsbehelfen gegen die Zulassungsentscheidung für das Ausbauvorhaben überprüft werden, vgl. § 15 Abs. 3 NABEG. c) Ablauf der Bundesfachplanung Das Verfahren auf Bundesfachplanung beginnt gem. § 6 NABEG mit dem Antrag des/der ÜNB als Vorhabenträger. Darin sind ein bevorzugter Trassenkorridor und die in Frage kommenden alternativen Trassenkorridore darzulegen. Ferner muss der Antrag Erläuterungen zur Auswahl zwischen den in Frage kommenden Alternativen unter Berücksichtigung der erkennbaren Umweltauswirkungen und der zu bewältigenden raumordnerischen Konflikte enthalten. Er soll zudem Angaben enthalten, die die Festlegung des Untersuchungsrahmens nach § 7 NABEG ermöglichen. Unverzüglich nach Einreichung des vollständigen Antrages führt die Bundesnetzagentur gem. § 7 Abs. 1 NABEG eine öffentliche Antragskonferenz durch, um mit den betroffenen Trägern öffentlicher Belange, den Vereinigungen, dem Vorhabenträger und der interessierten Öffentlichkeit den Gegenstand und Umfang der für die Trassenkorridore vorzunehmenden Bundesfachplanung zu erörtern. Insbesondere soll erörtert werden, inwieweit Übereinstimmung der beantragten Trassenkorridore mit den Erfordernissen der Raumordnung besteht oder ___________ 15 Die kartografische Ausweisung der Länderübergangspunkte hat mit der durch die PlfZV erfolgten Übertragung der Zuständigkeit für die Planfeststellungsverfahren auf den Bund für die im Bundesbedarfsplan mit „A1“ bzw. „A2“ gekennzeichneten Vorhaben vorerst an praktischer Bedeutung verloren.

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hergestellt werden kann und in welchem Umfang und Detaillierungsgrad Angaben in den Umweltbericht aufzunehmen sind. Rechtlich umstritten ist die Frage, ob im Rahmen der öffentlichen Antragskonferenz der interessierten Öffentlichkeit nur eine passive Zuhörerrolle oder aber auch ein aktives Rederecht einzuräumen ist.16 Zwar mag es insbesondere im Lichte einer systematischen und teleologischen Auslegung des § 7 Abs. 1 und Abs. 2 NABEG vertretbar erscheinen, der Öffentlichkeit in der Antragskonferenz lediglich eine passive Zuhörerrolle zuzubilligen. Im Bestreben, eine möglichst effektive und weitgehende Öffentlichkeitsbeteiligung in den Planungsverfahren sicherzustellen, wird die Bundesnetzagentur den interessierten Bürgern gleichwohl auch ein aktives Rederecht in diesem Verfahrensschritt einräumen. Auf Grund der Ergebnisse der Antragskonferenz legt die Bundesnetzagentur nach pflichtgemäßem Ermessen den Untersuchungsrahmen für die Bundesfachplanung fest und bestimmt den Inhalt der nach § 8 NABEG einzureichenden Unterlagen. Nach Vorlage der vollständigen Unterlagen durch den Vorhabenträger führt die Bundesnetzagentur eine Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung und einen Erörterungstermin durch. Das Verfahren endet mit der Entscheidung über die Festlegung eines raumverträglichen Trassenkorridors. 2. Methodische Herangehensweise der Vorhabenträger an die Bundesfachplanung In Vorbereitung der Bundesfachplanung werden zwischen der Bundesnetzagentur als verfahrensführender Behörde und den ÜNB als Vorhabenträger intensive Diskussionen über die inhaltlichen und methodischen Anforderungen an die im Rahmen der Bundesfachplanung einzureichenden Unterlagen geführt.17 Zu unterscheiden ist dabei zwischen dem Antrag auf Bundesfachplanung nach § 6 NABEG und den von den Vorhabenträgern im Laufe der Verfahren nach § 8 NABEG einzureichenden weiteren Unterlagen, zu denen insbesondere die Raumverträglichkeitsstudie und der Entwurf des Umweltberichts für die Strategische Umweltprüfung zählen. Letztere werden in den konkreten Verfahren ___________ 16 Für ein aktives Rederecht der interessierten Öffentlichkeit in der Antragskonferenz siehe etwa Sangenstedt, in: Steinbach (Hrsg.), NABEG/EnLAG/EnWG, 2013, § 7 NABEG, Rn. 121; Kment, RdE 2011, 341, 345 f.; Steinbach, DÖV 2013, 921, 925. Für ein lediglich passives Teilnahmerecht dagegen Appel, in: Säcker (Hrsg.), Energierecht, Band I, 3. Aufl. 2014, § 7 NABEG, Rn. 29; Durinke, in: de Witt/Scheuten (Fn. 12), § 7, Rn. 13; Hofmann, JZ 2012, 701, 707; Moench/Rutloff, NVwZ 2011, 1040, 1042; Schirmer/Seifert, ZUR 2013, 515, 520; Wagner, DVBl. 2011, 1453, 1459. 17 Grundlage der Methodendiskussion ist der Leitfaden zur Bundesfachplanung der Bundesnetzagentur (Stand: 7.8.2012), abrufbar unter http://www.netzausbau.de.

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durch die Festlegung des Untersuchungsrahmens hinsichtlich der an sie zu stellenden inhaltlichen und methodischen Anforderungen weiter konkretisiert. Die bisherigen Ergebnisse der Methodendiskussion sind in einem von den ÜNB erstellten und veröffentlichten Musterantrag eingeflossen.18 Darin wird das methodische Vorgehen beschrieben, das die ÜNB bei der Ausarbeitung der Anträge auf Bundesfachplanung nach § 6 NABEG für die einzelnen Vorhaben zugrunde legen, um eine möglichst einheitliche Herangehensweise an die Bundesfachplanung sicherzustellen. Die planerische Ausarbeitung der Antragsunterlagen nach § 6 NABEG vollzieht sich methodisch in zwei Schritten: Im Rahmen einer Grobkorridorfindung werden in einem ersten Schritt die Suchräume für geeignete Trassenkorridore zwischen den im Bundesbedarfsplan angegebenen Netzverknüpfungspunkten eingegrenzt und konkretisiert. Im anschließenden zweiten Schritt werden innerhalb der zuvor abgegrenzten Grobkorridore geeignete Trassenkorridore ermittelt und miteinander verglichen. Ergebnis dieses zweistufigen Planungsprozesses ist die Ausweisung eines vom Vorhabenträger bevorzugten Trassenkorridors und die Darlegung der in Frage kommenden alternativen Trassenkorridore i.S.d. § 6 NABEG. Mit der Grobkorridorfindung wird ein gesetzlich nicht vorgeschriebener, gleichwohl methodisch sinnvoller Zwischenschritt zur räumlichen Konkretisierung der Trassenkorridorplanung durchgeführt. Sie vollzieht sich in mehreren, ineinandergreifenden Arbeitsschritten, deren Darstellung und Dokumentation Teil der Antragsunterlagen sein soll: Zunächst werden im Wege einer Raumwiderstandsanalyse besonders konfliktträchtige Bereiche mit sehr hohen Raumwiderständen frühzeitig identifiziert und als Planungsräume für die Abgrenzung von Grob- und Trassenkorridoren möglichst gemieden.19 Hierzu werden vier Raumwiderstandsklassen definiert, denen jeweils bestimmte Kriterien zugeordnet werden.20 Ziel der Raumwiderstandsanalyse ist es, insbesondere die Bereiche der RWK I – also Bereiche sehr

___________ 18 Antrag auf Bundesfachplanung, Musterantrag nach § 6 NABEG, Teil 1: Grob- und Trassenkorridorfindung (Musterantrag der ÜNB nach § 6 NABEG), Stand: 15.11.2013, abrufbar unter http://www.netzentwicklungsplan.de. 19 Die Raumwiderstandsanalyse wird in der Fläche der Ellipse aus dem Umweltbericht zum Bundesbedarfsplan durchgeführt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Grob- und Trassenkorridore zwingend innerhalb dieser Ellipse verlaufen müssen. 20 Raumwiderstandsklasse (RWK) I enthält sehr hohe, RWK II enthält hohe, RWK III enthält mittlere Raumwiderstände. In RWK IV werden diejenigen Kriterien aufgenommen, deren Raumwiderstände auf der Ebene der Bundesfachplanung noch nicht qualifizierbar sind, vgl. Musterantrag der ÜNB nach § 6 NABEG (Fn. 18), S. 24 ff.

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hohen Raumwiderstands – bei der Abgrenzung von Grobkorridoren zu meiden.21 Neben der Raumwiderstandsanalyse erfolgt – dem Vorbelastungsgrundsatz und dem Bündelungsgebot Rechnung tragend – eine Analyse von Bündelungspotenzialen; diese erstreckt sich auf der Ebene der Grobkorridorfindung auf überregionale linienhafte Infrastrukturen (Stromleitungen, Straßen, elektrifizierte Schienenwege) und nimmt insbesondere Bündelungsmöglichkeiten mit bestehenden Hoch- oder Höchstspannungsfreileitungen sowie Bundesautobahnen in den Blick.22 Ergänzend werden weitere Planungsgrundsätze, wie bspw. eine möglichst kurze und gradlinige Verbindung, berücksichtigt.23 In Bereichen, in denen durchgängige Querriegel sehr hohen Raumwiderstands identifiziert werden, wird anhand einer Ampelbewertung die Durchgängigkeit des Raums für einen Leitungsbau geprüft. Eine rote Ampelbewertung führt danach zum Ausschluss des räumlichen Bereichs für die Abgrenzung von Grobkorridoren.24 Planerisches Zwischenergebnis dieses ersten methodischen Schritts ist die Ausweisung eines oder mehrerer Grobkorridore.25 Die Trassenkorridorfindung erfolgt innerhalb der abgegrenzten Grobkorridore im anschließenden zweiten methodischen Schritt. Dabei werden im Grundsatz die gleichen ineinandergreifenden Arbeitsschritte wie bei der Grobkorridorfindung durchgeführt mit dem Unterschied, dass nunmehr auch die Bereiche der RWK II26 gemieden werden sollen.27 Außerdem können angesichts einer großmaßstäbigeren Betrachtungsweise ggf. auch regionale Bündelungspotenziale (z.B. Bundes- und Landstraßen) sowie kleinere, abgrenzbare Raumwiderstände (z.B. gesetzliche Biotope nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG)28) in

___________ 21 In die RWK I sind u.a. Siedlungsbereiche, Europäische Vogelschutzgebiete, FFHGebiete, Naturschutzgebiete, avifaunistisch bedeutsame Brut- und Rastgebiete, Vorranggebiete mit Siedlungsbezug, Vorranggebiete oberflächennahe Rohstoffe, Vorrang- und Eignungsgebiete Windenergienutzung und Vorranggebiete Militär eingeordnet, vgl. Musterantrag der ÜNB nach § 6 NABEG (Fn. 18), S. 25. 22 Musterantrag der ÜNB nach § 6 NABEG (Fn. 18), S. 29 f. 23 Musterantrag der ÜNB nach § 6 NABEG (Fn. 18), S. 31. 24 Musterantrag der ÜNB nach § 6 NABEG (Fn. 18), S. 33. Zusätzlich wird im Rahmen einer Ampelbewertung auch die technische Realisierbarkeit des Vorhabens geprüft. 25 Die Grobkorridore sollen Breiten bis zu 15km aufweisen können. 26 In die RWK II sind u.a. Siedlungsnahe Freiräume, Biosphärenreservate (Pflegezone), Important Bird Areas, Landschaftsschutzgebiete, Naturparke, Wälder, bedeutende Vogelzugbahnen/-korridore, Vorranggebiete Natur und Landschaft/Freiraumsicherung, Vorranggebiete Landschaftsbild und regionale Grünzüge (Ziel) eingestuft, vgl. Musterantrag der ÜNB nach § 6 NABEG (Fn. 18), S. 27. 27 Musterantrag der ÜNB nach § 6 NABEG (Fn. 18), S. 37. 28 Bundesnaturschutzgesetz v. 29.7.2009 (BGBl. I S. 2542), zul. geänd. durch Art. 4 Abs. 100 des Gesetzes v. 7.8.2013 (BGBl. I S. 3154).

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die Betrachtung und Analyse aufgenommen werden.29 Zudem findet – den gesetzlichen Vorgaben entsprechend – auch ein Vergleich der ermittelten Trassenkorridore untereinander statt, damit für den Antrag nach § 6 NABEG der vom Vorhabenträger bevorzugte Trassenkorridor und die in Frage kommenden alternativen Trassenkorridore identifiziert werden können.30 Im Rahmen dieser beiden methodischen Schritte sollen frühzeitig auch Informationen, Hinweise und Vorschläge Dritter einfließen können. Die Bundesnetzagentur hat die ÜNB daher unabhängig von einer abschließenden rechtlichen Beurteilung, ob die Neuregelung zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 25 Abs. 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)31 auch für die Bundesfachplanung gilt, aufgefordert, im Vorfeld der Beantragung von Bundesfachplanungsverfahren die betroffenen Länder und die interessierte Öffentlichkeit über das jeweilige Vorhaben und den voraussichtlichen Antragsinhalt zu informieren. Vorschläge und Hinweise aus diesen Veranstaltungen zum Verlauf der Grobbzw. Trassenkorridore sollen bei der planerischen Ausarbeitung der Anträge ggf. berücksichtigt und in den Antragsunterlagen dokumentiert werden.

II. Ausgewählte Rechtsfragen der Bundesfachplanung 1. Rechtswirkungen von Zielen der Raumordnung in der Bundesfachplanung Zu der Frage nach den Rechtswirkungen von Zielen der Raumordnung im Rahmen der Bundesfachplanung haben sich im Laufe der Diskussion drei Positionen herausgebildet: Die Vertreter der ersten Position gehen von einer strikten Bindung an die Ziele der Raumordnung in der Bundesfachplanung aus; Zielabweichungen bei der Trassenkorridorplanung könnten nur im Wege von Zielabweichungsverfahren durch die jeweils zuständigen Landesbehörden zugelassen werden.32 Die Gegenposition vertritt die Auffassung, dass Ziele der Raumordnung in der Bundesfachplanung keine strikte Bindung entfalten; vielmehr stellten sie zu berücksichtigende öffentliche Belange dar, die ggf. im Rahmen der Abwägungsentscheidung ___________ 29

Musterantrag der ÜNB nach § 6 NABEG (Fn. 18), S. 37 f. Musterantrag der ÜNB nach § 6 NABEG (Fn. 18), S. 43 ff. 31 Verwaltungsverfahrensgesetz i.d.F. der Bekanntmachung v. 23.1.2003 (BGBl. I S. 102), zul. geänd. durch Art. 3 des Gesetzes v. 25.7.2013 (BGBl. I S. 2749). 32 Handlungsempfehlung der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) für die Raumverträglichkeitsprüfung in der Bundesfachplanung gemäß NABEG v. 6.2.2013, S. 12 (mit Hinweis auf die Gegenauffassung des Bundes in Fn. 7). 30

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– ohne dass Zielabweichungsverfahren durchgeführt werden müssten – überwunden werden könnten.33 Die dritte, vermittelnde Auffassung geht zwar im Grundsatz von einer Bindung an die Ziele der Raumordnung in der Bundesfachplanung aus; sie verweist aber auf die Privilegierung raumbedeutsamer Planungen des Bundes, die in § 5 ROG dergestalt zum Ausdruck komme, dass eine im Grundsatz bestehende Zielbindung unter den dort geregelten Voraussetzungen entweder nicht entstehen oder aber entfallen könne.34 a) Stellungnahme aa) Bundesfachplanung als raumbedeutsame Planung des Bundes? Die Vertreter der ersten und der dritten Position gehen von einer Zielbindung der Bundesfachplanung nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ROG aus. Danach sind Ziele der Raumordnung bei raumbedeutsamen Planungen öffentlicher Stellen zu beachten. Die Bundesfachplanung wird als die Planung einer öffentlichen Stelle, der Bundesnetzagentur, angesehen. Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, dass der Bundesnetzagentur in § 5 Abs. 1 S. 1 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 NABEG die Bestimmung von Trassenkorridoren als Planungsaufgabe zugewiesen werde; sie habe die Trassenkorridore auf Grundlage einer eigenen fachlichen Abwägung festzulegen und könne dabei auch von Vorschlägen der ÜNB als Vorhabenträger abweichen.35 Die ÜNB würden in der Bundesfachplanung lediglich zur Erfüllung staatlicher Aufgaben herangezogen und mit erheblichen Mitwirkungspflichten belastet, u.a. indem sie den Antrag auf Bundesfachplanung stellen müssten.36 Dieser Auffassung lässt sich entgegenhalten, dass die gesetzliche Verpflichtung zum Ausbau der Übertragungsnetze nicht den Staat, sondern die ÜNB trifft.37 Die ÜNB sind gem. § 11 Abs. 1 S. 1 EnWG verpflichtet, ein sicheres, ___________ 33 Sangenstedt, in: Steinbach (Fn. 16), § 7 NABEG, Rn. 53; Appel, in: Säcker (Fn. 16), § 5 NABEG, Rn. 78 ff.; ders., NVwZ 2013, 457 ff.; de Witt, in: de Witt/Scheuten (Fn. 12), § 5 NABEG, Rn. 20 ff. 34 Koch, in: bosch & partner, Umweltbelange und raumbezogene Erfordernisse bei der Planung des Ausbaus des Höchstspannungs-Übertragungsnetzes, Band I: Gesamtdokumentation, Forschungsvorhaben im Auftrag des BMU, Abschlussbericht v. 8.1.2014, S. 11 ff., ARL-Empfehlungen zum Netzausbau für die Energiewende, Positionspapier Nr. 93 v. 8.8.2013, S. 4; Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: I/2012, L § 4, Rn. 377. 35 Koch, in: bosch & partner (Fn. 34), S. 9; Wagner/Faßbender/Gläß, in: Posser/Faßbender (Hrsg.), Praxishandbuch Netzplanung und Netzausbau, 2013, Kap. 7, Rn. 131 f. 36 Koch, in: bosch & partner (Fn. 34), S. 10. 37 Vgl. hierzu insb. Appel, in: Säcker (Fn. 16), § 5 NABEG, Rn. 81; ders., NVwZ 2013, 457, 459; ferner Willbrand, in: Posser/Faßbender (Fn. 35), Kap. 4, Rn. 8.

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zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz zu betreiben und bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen, soweit es wirtschaftlich zumutbar ist.38 Die ÜNB unterliegen der Anschlussverpflichtung nach § 17 Abs. 1 EnWG. Sie sind auf Verlangen von Einspeisewilligen verpflichtet, unverzüglich ihre Netze nach dem Stand der Technik zu optimieren, zu verstärken und auszubauen, um die Abnahme, Übertragung und Verteilung des Stroms aus Erneuerbaren Energien sicherzustellen, vgl. § 12 Abs. 1 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)39. Mit der Planung, Errichtung und dem Betrieb sowie der Änderung von Höchstspannungsleitungen kommen die ÜNB dieser gesetzlichen Verpflichtung nach. Deshalb handelt es sich schon nach dem bisherigen – und für nicht in den Anwendungsbereich des NABEG fallende Vorhaben auch weiterhin geltenden – Planungs- und Genehmigungsregime für Höchstspannungsleitungen (i.d.R. Raumordnungsverfahren, Planfeststellung nach §§ 43 ff. EnWG) nicht um eine staatliche, sondern um eine private Planungsaufgabe.40 An dieser Ausgangslage hat das auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Energiewirtschaft) und nicht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG (Raumordnung) gestützte NABEG41 nichts geändert. Mit dem NABEG sollte eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren erreicht werden. Hierzu wurde für einen Teil der Vorhaben des Bundesbedarfsplans die Bundesfachplanung als neues Fachplanungsinstrument eingeführt und die Verfahrenszuständigkeit auf den Bund übertragen. Den Gesetzesmaterialien lässt sich indes nicht entnehmen, dass damit eine partielle Verstaatlichung von Planungsaufgaben beim Ausbau der Übertragungsnetze verbunden sein sollte. In den Regelungen des NABEG und in der Gesetzesbegründung kommt vielmehr die enge Verzahnung von Bundesfachplanung und Planfeststellung als ein zusammenhängendes, aus zwei Stufen bestehendes Planungs- und Genehmigungsregime für den Ausbau der Übertragungsnetze zum Ausdruck.42 Mit dieser Konzeption wäre es nur schwer zu vereinbaren, die Bundesfachplanung als eine eigenständige staatliche Planungsaufgabe anzusehen, während es sich bei der nachfolgenden Planfeststellung über

___________ 38 Konkretisiert wird diese abstrakte Ausbauverpflichtung durch die jährliche Bestätigung des Netzentwicklungsplans. 39 Erneuerbare-Energien-Gesetz v. 25.10.2008 (BGBl. I S. 2074), zul. geänd. durch Art. 4 des Gesetzes zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes v. 22.7.2014 (BGBl. I S. 1218). 40 Vgl. auch Willbrand, in: Posser/Faßbender (Fn.35), Kap. 4, Rn. 9, insb. Fn. 31. 41 BT-Drs. 17/6073, S. 19. 42 BT-Drs. 17/6073, S. 19. Siehe auch §§ 3 Abs. 1, 4 S. 2, 5 Abs. 1 S. 3, 15 Abs. 1, 3 NABEG.

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die Errichtung und den Betrieb sowie die Änderung von Höchstspannungsleitungen i.S.d. § 18 Abs. 1 NABEG um die Zulassung von Projekten der ÜNB und damit um Planungen von Privatpersonen handelt.43 Gegen die Bundesfachplanung als eine staatliche Planungsaufgabe spricht zudem der Umstand, dass die ÜNB sowohl in den Regelungen über die Bundesfachplanung als auch in den Regelungen über die Planfeststellung einheitlich als die nach §§ 11 und 12 EnWG verpflichteten Vorhabenträger bezeichnet werden.44 Beide Planungsstufen können ferner auch nur auf Antrag der ÜNB durchgeführt werden, was bei einer staatlichen Planungsaufgabe systemfremd wäre. Dass die Bundesnetzagentur die ÜNB nach § 6 S. 2 NABEG zur Einreichung eines Antrags auf Bundesfachplanung – sogar mit Festsetzung von Zwangsgeld (§ 34 NABEG) – verpflichten kann, kann nicht als Beleg für die Heranziehung Privater bei der Erfüllung einer staatlichen Planungsaufgabe angesehen werden; dies wird bereits daraus ersichtlich, dass gem. § 12 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 34 NABEG entsprechende behördliche Befugnisse auch für die Verpflichtung zur Einleitung des nachfolgenden Planfeststellungsverfahrens bestehen, bei dem es aber zweifelsfrei um die Zulassung von privaten Projekten (Errichtung und Betrieb sowie Änderung von Höchstspannungsleitungen) geht.45 Schließlich führt auch die fehlende Bindung der Bundesnetzagentur an den Antrag in der Bundesfachplanung nicht dazu, die Trassenkorridorfestlegung als eine staatliche Planungsaufgabe anzusehen. Die fehlende Antragsbindung führt zu einer Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung, weil ein Antrag auf Bundesfachplanung nicht vom Vorhabenträger geändert oder von der Behörde förmlich abgelehnt und ein neuer Antrag gestellt werden muss, wenn sich eine ernsthaft in Betracht kommende Alternative, die auch von dritter Seite in das Verfahren eingebracht werden kann, als im Ergebnis der Abwägungsentscheidung besser geeignet herausstellt. Insofern wird zwar der behördliche Einfluss – ebenso wie der Einfluss von anderen Beteiligten – auf die planerische Gestaltungsfreiheit der Vorhabenträger bei der Trassenkorridorplanung gestärkt. Die Planungsaufgabe und -verpflichtung wird den ÜNB dadurch jedoch nicht entzogen.46 Geht man entgegen der hier vertretenen Auffassung gleichwohl davon aus, dass es sich bei der Bundesfachplanung um eine raumbedeutsame Planung einer öffentlichen Stelle handelt, erscheinen die Schlussfolgerungen der eingangs vorgestellten dritten Position einleuchtend: In diesem Fall beurteilt sich die Bindung ___________ 43

Dies folgt nicht zuletzt aus der Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ROG. §§ 6 S. 2, 12 Abs. 2 S. 3 NABEG. 45 Zutreffend Willbrand, in: Posser/Faßbender (Fn. 35), Kap. 4, Rn. 9. 46 Appel, in: Säcker (Fn. 16), § 5 NABEG, Rn. 81; Willbrand, in: Posser/Faßbender (Fn. 35), Kap. 4, Rn. 9; Nebel/Riese, in: Steinbach (Fn. 16), § 5 NABEG, Rn. 73; Sangenstedt, in: Steinbach (Fn. 16), § 7 NABEG, Rn. 53; de Witt, ER 2013, 150, 151. 44

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an die Ziele der Raumordnung in erster Linie nach der insoweit einschlägigen Sondervorschrift des § 5 ROG.47 Danach gilt eine Zielbindung bei raumbedeutsamen Planungen des Bundes nur dann, wenn die zuständige Stelle des Bundes bei der Aufstellung des landesplanerischen Ziels beteiligt worden ist48 und nicht innerhalb von zwei Monaten widersprochen hat. Ein Widerspruch lässt die Bindungswirkung des Ziels der Raumordnung u.a. dann nicht entstehen, wenn die widersprechende Stelle ihre raumbedeutsame Planung nicht auf anderen geeigneten Flächen durchführen kann als auf denen, für die die entgegenstehende Zielfestlegung erfolgt ist, vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 2 ROG.49 Gem. § 5 Abs. 3 ROG kann die Bindung an ein Ziel der Raumordnung unter den genannten Voraussetzungen auch nachträglich entfallen, wenn die öffentliche Stelle des Bundes spätestens innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnis einer veränderten Sachlage der Zielfestlegung im Nachhinein widerspricht. Von einer veränderten Sachlage, die zu einem nachträglichen Widerspruch berechtigt, ist im Zusammenhang mit der Bundesfachplanung dann auszugehen, wenn anhand der sich räumlich konkretisierenden Trassenkorridorplanung erkennbar wird, dass ein Vorhaben nicht ohne Konflikte mit bestehenden Zielen der Raumordnung realisierbar ist und die Voraussetzungen für den Wegfall einer Zielbindung durch nachträglichen Widerspruch i.S.d. § 5 Abs. 2 ROG vorliegen.50 bb) Keine Zielbindung nach §§ 5 Abs. 1 S. 3, 4 und 15 Abs. 1 S. 2 NABEG Sofern es sich bei der Bundesfachplanung nicht um die raumbedeutsame Planung einer öffentlichen Stelle handelt, ist die Bundesfachplanung als eine sons-

___________ 47 A.A. die eingangs dargestellte erste Position, die § 5 ROG ohne nähere Begründung für nicht anwendbar hält, vgl. Handlungsempfehlung der MKRO (Fn. 32), S. 12. 48 Umstritten ist, ob diese Voraussetzung auch in Bezug auf die vor Erlass des NABEG aufgestellten Ziele der Raumordnung gelten kann, da eine Beteiligung der Bundesnetzagentur mangels entsprechender Aufgabenzuweisung noch nicht in Betracht gezogen werden konnte. Appel, in: Säcker (Fn. 16), § 5 NABEG, Rn. 82 und Wagner/Faßbender/Gläß, in: Posser/Faßbender (Fn. 35), Kap. 7, Rn. 134, gehen davon aus, dass eine fehlende Beteiligung der Bundesnetzagentur bei der Aufstellung von Zielen der Raumordnung auch im Vorfeld der Verabschiedung des NABEG den Nichteintritt der Zielbindung zur Folge habe. A.A. Koch, in: bosch & partner (Fn. 34), S. 13. 49 Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass diese materielle Voraussetzung für den Nichteintritt einer Zielbindung eine Alternativenprüfung voraussetzt, die nach § 5 Abs. 1 S. 5 NABEG ohnehin zum Prüfprogramm bei der Trassenkorridorplanung im Rahmen der Bundesfachplanung gehört, vgl. Koch, in: bosch & partner (Fn. 34), S. 13; Appel, in: Säcker (Fn.16), § 5 NABEG, Rn. 82. 50 So auch Koch, in: bosch & partner (Fn. 34), S. 12.

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tige Entscheidung einer öffentlichen Stelle über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Planungen von Personen des Privatrechts i.S.d. § 4 Abs. 2 ROG anzusehen.51 Danach sind die Erfordernisse der Raumordnung nach den für diese Entscheidung geltenden Vorschriften zu berücksichtigen. In den Vorschriften über die Bundesfachplanung findet sich keine Regelung über eine strikte Bindung an die Ziele der Raumordnung. Nach dem in § 5 Abs. 1 S. 3 NABEG niedergelegten Prüfprogramm hat die Bundesnetzagentur in der Bundesfachplanung zu prüfen, ob der Verwirklichung des Vorhabens in einem Trassenkorridor überwiegende öffentliche oder private Belange entgegenstehen. Zu Recht wird aus dieser Vorschrift – nicht zuletzt wegen der Verbindlichkeit der Bundesfachplanung für die nachfolgende Planfeststellung – ein Abwägungsauftrag für die Bundesnetzagentur abgeleitet.52 Die Bundesnetzagentur hat die entgegenstehenden öffentlichen und privaten Belange in ihre Entscheidungsfindung einzubeziehen und abzuwägen, ob diese im konkreten Einzelfall das überragende Interesse an der Realisierung des Ausbauvorhabens (§ 1 S. 3 NABEG) überwiegen oder aber ihrerseits überwunden werden können. Mit Bezug auf Belange der Raumordnung wird dieser Abwägungsauftrag des § 5 Abs. 1 S. 3 NABEG durch den nachfolgenden Satz 4 konkretisiert: Danach hat die Bundesnetzagentur insbesondere die Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Raumordnung und die Abstimmung mit anderen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu prüfen. Diese raumordnerische Prüfungspflicht wird dabei zum Bestandteil der im vorherigen Satz normierten Abwägung, was durch den Begriff „insbesondere“ zum Ausdruck kommt.53 Die Prüfung der Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Raumordnung ist in der Bundesfachplanung daher – anders als in Raumordnungsverfahren gem. § 15 ROG – nicht isoliert, sondern im Rahmen der in § 5 Abs. 1 S. 3 NABEG normierten Abwägung vorzunehmen. Insofern hat die Bundesnetzagentur auch mit Blick auf entgegenstehende Erfordernisse der Raumordnung abzuwägen, ob diese das Interesse an der Realisierung des Vorhabens im konkreten Einzelfall überwiegen, oder aber ihrerseits überwunden werden können. Das Gesetz unterscheidet dabei nicht zwischen Zielen, Grundsätzen und sonstigen Erfordernissen der Raumordnung. Mit der ausdrücklichen Bezugnahme auf die Erfordernisse der Raumordnung gem. ___________ 51

Die Bundesfachplanung ist nicht als eine Entscheidung im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ROG anzusehen, weil ihr nicht die erforderliche Konzentrations- und Genehmigungswirkung einer Planfeststellung zukommt, vgl. § 15 Abs. 3 S. 1 NABEG. 52 Appel, in: Säcker (Fn. 16), § 5 NABEG, Rn. 41; Nebel/Riese, in: Steinbach (Fn. 16), § 5 NABEG, Rn. 67 ff.; de Witt, in: de Witt/Scheuten (Fn. 12), § 5 NABEG, Rn. 9 ff. Zum Teil wird gefordert, dass der Gesetzgeber diesen Abwägungsauftrag noch mal ausdrücklich klarstellt, ARL-Empfehlung zum Netzausbau (Fn. 34), S. 8. 53 Hätte eine von der Abwägung gem. § 5 Abs. 1 S. 3 NABEG getrennte Prüfung der Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Raumordnung geregelt werden sollen, hätte die Verwendung von Begriffen wie „zusätzlich“, „weiterhin“ oder „außerdem“ sehr viel näher gelegen.

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§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ROG werden vielmehr auch Ziele der Raumordnung in die vorzunehmende Abwägung einbezogen. Demnach entfalten Ziele der Raumordnung in der Bundesfachplanung keine strikte Bindungswirkung. Sie können, auch wenn sie dem Ausbauvorhaben entgegenstehen, im Rahmen der Abwägung überwunden werden, sofern sie im Einzelfall nicht überwiegen. Gestützt wird dieses Ergebnis durch die Vorschrift des § 15 Abs. 1 S. 2 NABEG, der zufolge Bundesfachplanungen grundsätzlich Vorrang haben vor Landesplanungen.54 In diesem Zusammenhang wird zwar vielfach auf die Gesetzesbegründung55 verwiesen, der sich entnehmen lasse, dass sich dieser Vorrang nur auf spätere Landesplanungen, nicht aber auf bereits bestehende Ziele der Raumordnung beziehe.56 Eindeutig verhalten sich die Gesetzesmaterialien zu dieser Frage aber nicht: Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens ist die Vorschrift des § 15 Abs. 1 S. 2 NABEG in Anlehnung an § 16 Bundesfernstraßengesetz (FStrG)57 dahingehend geändert worden, dass der Vorrang der Bundesfachplanung nicht nur gegenüber Landesfachplanungen sondern allgemein gegenüber Landesplanungen gilt. In der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie wird sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die Vorschrift des § 15 Abs. 1 S. 2 NABEG am Muster des § 16 Abs. 3 S. 3 FStrG orientiere.58 Dies kann durchaus als starkes Indiz dafür gewertet werden, dass hier ein genereller Vorrang der Bundesfachplanung selbst vor bereits bestehenden Landesplanungen zum Ausdruck kommen sollte,59 was der insoweit eindeutige Wortlaut des § 15 Abs. 1 S. 2 NABEG auch nahe legt. Die Vorschrift

___________ 54 Durner, NuR 2012, 369, 374; Sangenstedt, in: Steinbach (Fn. 16), § 15 NABEG, Rn. 29; Appel, in: Säcker (Fn. 16), § 5 NABEG, Rn. 86 ff.; de Witt, in: de Witt/Scheuten (Fn. 12), § 15 NABEG, Rn. 36; ders., ER 2013, 150, 152; vgl. auch Hermes, ZUR 2014, 259, 268. 55 BT-Drs. 17/6073, S. 27. Vgl. hierzu aber Sangenstedt, in: Steinbach (Fn. 16), § 15 NABEG, Rn. 29. 56 ARL-Empfehlungen zum Netzausbau (Fn. 34), S. 4, und Koch, in: bosch & partner (Fn. 34), S. 13 ff., die auch aus der systematischen Stellung der Vorrangregelung im Gesetz ableiten, dass diese nur für abgeschlossene Bundesfachplanungen gelte und folglich nicht das Verhältnis zu Landesplanungen während oder in der Bundesfachplanung betreffe. Hiergegen spricht aber die grammatikalische Auslegung der Vorschrift: § 15 NABEG nimmt an anderen Stellen stets Bezug auf die Bundesfachplanungsentscheidung. Bei der Vorrangregelung wird dagegen gerade nicht auf die abschließende Entscheidung, sondern allgemein auf die Bundesfachplanung abgestellt. 57 Bundesfernstraßengesetz i.d.F. der Bekanntmachung v. 28.6.2007 (BGBl. I S. 1206), zul. geänd. durch Art. 7 des Gesetzes v. 31.5.2013 (BGBl. I S. 1388). 58 BT-Drs. 17/6366, S. 19. 59 Vgl. hierzu m.w.N. Durner, NuR 2012, 369, 374; a.A. Schiller, EurUP 2013, 178, 181; Sellner/Fellenberg, NVwZ 2011, 1025, 1031.

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des § 16 Abs. 3 S. 3 FStrG wird nämlich in der Rechtsprechung des VGH München – neben der Regelung des § 16 Abs. 2 S. 1 FStrG60 – als Begründung dafür angeführt, dass im Rahmen der Abwägungsentscheidung bei der Linienbestimmung auch bestehende Ziele der Raumordnung überwunden werden können: „Sie [gemeint ist eine Zielbestimmung] gehört damit – neben anderen öffentlichen Belangen – zum Abwägungsmaterial der Linienbestimmung und kann vom Bundesministerium für Verkehr aus seiner übergeordneten Sicht auch weggewogen werden, wie sich aus § 16 Abs. 2 S. 1 FStrG ergibt. Eine Bindungswirkung zu Gunsten einer bestimmten Trasse kann sie deshalb im Ergebnis nicht entfalten. Dies entspricht auch dem Grundsatz des Vorrangs der Bundesplanungen gegenüber Landesplanungen nach § 16 Abs. 3 S. 3 FStrG.“61 (Hervorhebung der Verfasser)

cc) Fazit Im Lichte der Vorschriften des NABEG und des ROG ist mit der dargelegten zweiten Position davon auszugehen, dass Ziele der Raumordnung keine strikte Bindungswirkung in der Bundesfachplanung entfalten. Andernfalls bestünde zumindest im Sinne der dritten Position die Möglichkeit, dass eine solche Bindung unter den Voraussetzungen des § 5 ROG durch fehlende Beteiligung oder rechtzeitigen bzw. nachträglichen Widerspruch entweder nicht entsteht oder aber wieder entfällt. Die Durchführung von Zielabweichungsverfahren bei den Ländern ist – entgegen der ersten Position – in beiden Fällen nicht erforderlich.62 Vor diesem Hintergrund kann ein Trassenkorridor in der Bundesfachplanung auch abweichend von Zielen der Raumordnung als raumverträglich festgelegt werden. Für das nachfolgende Planfeststellungsverfahren hat dies zur Konsequenz, dass die dort im Grundsatz geltende Zielbindung i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ROG angesichts der spezielleren Regelungen des NABEG über die Bindungswirkung der Bundesfachplanung und ihren Vorrang vor Landesplanungen (§ 15 Abs. 1 NABEG) in dem Umfang relativiert wird, in dem der in der Bundesfachplanung festgelegte Trassenkorridor in rechtlich zulässiger Weise von Zielen der Raumordnung abweicht.63

___________ 60 § 16 Abs. 2 S. 1 FStrG stellt nach dieser Rspr. eine sondergesetzliche Raumordnungsvorschrift des Bundes dar. Zustimmend Durner, RuR 2010, 271, 275. 61 VGH München, Urt. v. 19.4.2005, 8 A 05.40022, NVwZ-RR 2006, 432, 433; a.A. Ronellenfitsch, in: Marschall, Bundesfernstraßengesetz, 6. Aufl., § 16 FStrG, Rn. 48. 62 Die Forderung, im Falle von Zielkonflikten Zielabweichungsverfahren bei den Ländern (§ 6 Abs. 2 ROG) durchzuführen, widerspricht auch dem Beschleunigungsgedanken des NABEG und läuft der mit dem NABEG und der PlfZV bezweckten Bündelung der Zuständigkeiten beim Bund zuwider. 63 Vgl. hierzu auch Appel, in: Säcker (Fn. 16), § 5 NABEG, Rn. 97.

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b) Praktischer Umgang mit Zielen der Raumordnung in der Bundesfachplanung Die Bundesnetzagentur stuft die landesplanerischen Ziele der Raumordnung als wichtige öffentliche Belange ein, die im Rahmen der Abwägungsentscheidung der Bundesfachplanung mit entsprechendem Gewicht zu berücksichtigen sind. Selbst wenn eine strikte Bindungswirkung der Ziele der Raumordnung nach Auffassung der Bundesnetzagentur in rechtlicher Hinsicht nicht besteht, sollen Zielkonflikte möglichst vermieden werden. Entscheidend dabei ist ein enger, fachlicher Dialog mit den von den Vorhaben betroffenen Ländern, den die Bundesnetzagentur sowohl im Vorfeld der Verfahren als auch im Rahmen der einzelnen Verfahrensschritte anstrebt. Die Länder haben gem. § 7 Abs. 3 S. 1 NABEG zudem die Möglichkeit, Vorschläge für den Verlauf von (zielkonformen) Trassenkorridoren zu unterbreiten, die von der Bundesnetzagentur in Rahmen der Alternativenprüfung zu berücksichtigen sind. Sofern sich Zielkonflikte im Einzelfall gleichwohl nicht vermeiden lassen sollten, kommt ein Abweichen von entgegenstehenden Zielen der Raumordnung nur als ultima ratio und mit erhöhtem Begründungsaufwand in Betracht. Dabei dürfte es auch darauf ankommen, ob die Realisierung des jeweiligen Vorhabens nicht auch auf anderen geeigneten Flächen als auf denen, für die das entgegenstehende Ziel festgelegt wurde, möglich ist.64 2. Bedeutung von notwendigen Nebenanlagen in der Bundesfachplanung Neben den eigentlichen Stromleitungen sind auch die für ihren Betrieb notwendigen Nebenanlagen im Rahmen der Planung und Genehmigung von Höchstspannungsleitungen von Bedeutung. Insbesondere die für den Betrieb von Hochspannungs-Gleichstromübertragungsleitungen (HGÜ-Leitungen) erforderlichen Konverter, die der Umrichtung von Dreh- in Gleich- bzw. von Gleich- in Drehstrom dienen, sind – wegen ihres Flächenbedarfs und der Größe der zu errichtenden Konverterhallen65 – in den Fokus eines breiten öffentlichen Interesses geraten. Aus rechtlicher Sicht stellt sich in diesem Zusammenhang vor allem die Frage, welche Bedeutung den notwendigen Nebenanlagen auf den verschiedenen Ebenen des Bedarfsermittlungs- sowie des Planungs- und Genehmigungsprozesses zukommt und auf welcher Planungsstufe über konkrete Standorte entschieden ___________ 64

Als Orientierungsmaßstab für die in der Bundesfachplanung vorzunehmende Alternativenprüfung kann insoweit auch die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 2 ROG herangezogen werden. 65 Buschbaum/Reidt, UPR 2013, 421, 422, geben den Flächenumfang mit über 35 ha und die Höhe der Konverterhalle mit über 20 m an.

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wird. Dieser Frage soll im Folgenden am Beispiel der Konverter für HGÜ-Leitungen nachgegangen werden. a) Regelungsinhalte des BBPlG Gem. § 1 Abs. 2 S. 1 BBPlG gehören zu den Vorhaben des Bundesbedarfsplans auch die für den Betrieb von Energieleitungen notwendigen Anlagen.66 Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber klargestellt, dass sich die gesetzliche Bedarfsfeststellung gem. § 1 Abs. 1 BBPlG nicht nur auf die Stromleitungen, sondern auch auf die notwendigen Nebenanlagen, wie bspw. Konverter, erstreckt.67 Das BBPlG trifft jedoch keine Aussage oder Vorfestlegung zu Konverterstandorten. Nach § 1 Abs. 2 S. 2 BBPlG beginnen und enden die Vorhaben des Bundesbedarfsplans an den jeweils angegebenen Netzverknüpfungspunkten. Hieraus folgt, dass die Netzverknüpfungspunkte für die nachfolgenden Planungsstufen verbindlich vorgegeben werden68, was u.a. darauf zurückzuführen ist, dass im zugrunde liegenden Netzentwicklungsplan der Optimierungs-, Verstärkungs- und Ausbaubedarf netzknotenscharf ermittelt wurde.69 Damit ist für HGÜ-Leitungen jedoch keine Aussage über mögliche Konverterstandorte verbunden. Konverter müssen nicht unmittelbar am Netzverknüpfungspunkt errichtet werden; sie können vielmehr auch in einem Umkreis von mehreren Kilometern um den jeweiligen Netzverknüpfungspunkt errichtet und mit einer Stichleitung mit diesem verbunden werden.70 Maßgeblich für die Frage, in welcher Entfernung ein Konverter zum Netzverknüpfungspunkt errichtet werden kann, sind neben der Raum- und Umweltverträglichkeit der möglichen Standorte insbesondere energiewirtschaftliche und technische Aspekte;71 rechtliche Hindernisse oder Grenzen bestehen insoweit nicht. Folgerichtig wird auch in den Gesetzesmaterialien zum BBPlG darauf hingewiesen, dass die Entschei-

___________ 66

Zum Begriff der notwendigen (Neben-)Anlage vgl. Elspaß, NVwZ 2014, 489, 491. In welchem Umfang notwendige Nebenanlagen Gegenstand der nachfolgenden Planungs- und Zulassungsverfahren sind, richtet sich allein nach dem jeweilig geltenden Recht, bspw. § 18 Abs. 2 NABEG, vgl. BT-Drs. 17/12638, S. 16. 68 BT-Drs. 17/12638, S. 16. 69 Siehe hierzu Heimann, in: Steinbach (Fn. 16), § 12b EnWG, Rn. 6. 70 Vgl. BT-Drs. 17/13258, S. 19. Die Stichleitung wäre in diesem Fall Bestandteil des Vorhabens des Bundesbedarfsplans, für das im Wege der Bundesfachplanung ein Trassenkorridor festzulegen ist. 71 Ruge, EnWZ 2013, 435, 437. 67

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dung über einen geeigneten und verträglichen Standort von notwendigen Anlagen einschließlich der Alternativenprüfung erst im Rahmen der nachfolgenden Planungsstufen erfolgt.72 b) Notwendige Nebenanlagen in den nachfolgenden Planungsstufen Nach § 18 Abs. 2 NABEG können auf Antrag des Vorhabenträgers die für den Betrieb von Energieleitungen notwendigen Anlagen in das Planfeststellungsverfahren integriert und durch Planfeststellung zugelassen werden. Damit kann der Vorhabenträger im Rahmen der Planfeststellung auch die Errichtung und den Betrieb eines Konverters und dessen konkreten Standort genehmigen lassen. Macht er von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch, kommt die Durchführung eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungs- oder eines Baugenehmigungsverfahrens in Betracht.73 Eine dem § 18 Abs. 2 NABEG vergleichbare Regelung enthält das Gesetz für die Bundesfachplanung nicht. Hieraus lässt sich folgern, dass der Standort für einen Konverter nicht unmittelbar Entscheidungsgegenstand der Bundesfachplanung ist.74 Gleichwohl kann die Frage nach potentiell geeigneten Konverterstandorten in der Bundesfachplanung nicht außer Betracht bleiben. Indem mit der Bundesfachplanung ein Trassenkorridor festgelegt wird, der für das nachfolgende Planfeststellungsverfahren verbindlich ist, muss schon auf dieser Ebene eine hinreichend belastbare Prüfung und Prognose über die Realisierbarkeit des Vorhabens in dem in Frage stehenden Trassenkorridor erfolgen. Andernfalls bestünde die Gefahr der Entstehung eines Planungstorsos, sofern ein Trassenkorridor festgelegt wird, der sich in der Planfeststellung als ungeeignet für die Realisierung des Ausbauvorhabens herausstellt.75 Ist für das Vorhaben die Errichtung einer Nebenanlage erforderlich, umfasst die Prüfung und Prognose der Realisierbarkeit des Vorhabens in dem festzulegenden Trassenkorridor zugleich auch die Prüfung und Prognose der Realisierbarkeit der notwendigen Nebenanlage.76 ___________ 72 BT-Drs. 17/13258, S. 19. Die Forderung nach einer konkreten Standort- und Alternativenprüfung für notwendige Nebenanlagen auf der Ebene des Netzentwicklungsplans/Bundesbedarfsplans, vgl. Antweiler, ZNER 2012, 586, 586 f., entspricht daher nicht dem gesetzlichen Rahmen des Bedarfsermittlungsprozesses. 73 Ausführlich Elspaß, NVwZ 2014, 489, 493 f.; siehe auch Buschbaum/Reidt, UPR 2013, 421, 422 f. 74 Elspaß, NVwZ 2014, 489, 492; Buschbaum/Reidt, UPR 2013, 421, 423. Von der Möglichkeit, Konverter in die Bundesfachplanung zu integrieren, spricht Appel, UPR 2013, 207, 210, der aber an anderer Stelle auch darauf hinweist, dass die parzellenscharfe Verortung und Zulassung von Konvertern erst auf der nachfolgenden Planungsstufe erfolgen kann, vgl. ders., in: Säcker (Fn. 16), § 3 NABEG, Rn. 8. 75 Vgl. auch Appel, in: Säcker (Fn. 16), § 3 NABEG, Rn. 8. 76 Siehe hierzu auch Buschbaum/Reidt, UPR 2013, 421, 423 f.

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Mit Blick auf die zum Betrieb von HGÜ-Leitungen erforderlichen Konverter bedeutet dies, dass die Festlegung eines Trassenkorridors in der Bundesfachplanung zusätzlich von der Einschätzung abhängt, ob an77 oder in diesem Trassenkorridor die erforderlichen Konverter errichtet werden können. Nur wenn dies der Fall ist, kann die HGÜ-Leitung in dem festzulegenden Trassenkorridor realisiert und ein Planungstorso durch die Bundesfachplanung vermieden werden. Konverterstandorte sind insofern zwar nicht Entscheidungsgegenstand der Bundesfachplanung. Sie gehören aber zum Prüfungsmaßstab bei der Festlegung der Trassenkorridore. Ein Trassenkorridor kann in der Bundesfachplanung nur dann als raum- und umweltverträglich mit bindender Wirkung für die Planfeststellung festgelegt werden, wenn für diesen Trassenkorridor ein oder mehrere geeignete – d.h. raum- und umweltverträgliche – Standorte für die Errichtung von Konvertern möglich erscheinen.78 Dies hat der Vorhabenträger sowohl für seinen Vorzugskorridor als auch für die alternativen Trassenkorridore im Rahmen der Bundesfachplanung darzulegen.79 Durch die Verpflichtung zur Prüfung von alternativen Trassenkorridoren kommt es im Rahmen der Bundesfachplanung auf diese Weise auch zu einer Alternativenbetrachtung in Bezug auf geeignete Konverterstandorte. Die rechtliche Zulassung der Konverter und die konkrete Standortfestlegung erfolgt jedoch erst auf der nachfolgenden Planungsstufe. 3. Erdkabel und Bundesfachplanung Beim Netzausbau steht die Forderung, neue Stromleitungen nicht als Freileitung, sondern als Erdkabel auszuführen, vielfach im Zentrum des Interesses. Zwar trifft die weit verbreitete Annahme einer weitestgehend umweltschonenden Erdverkabelung in der Realität nicht zu.80 Eine Erdverkabelung ermöglicht aber eine größere Flexibilität bei der Realisierung von Ausbauvorhaben, da sie zur Bewältigung von Raum- und Umweltkonflikten beitragen kann. Leitungslängen ___________ 77

Da der Trassenkorridor nur für die Leitung selbst festgelegt wird, muss der Konverter nicht zwingend innerhalb des Trassenkorridors errichtet werden. Denkbar ist auch, dass er unmittelbar angrenzend an den Trassenkorridor errichtet wird. Voraussetzung ist lediglich, dass er über die innerhalb des Trassenkorridors verlaufende Stromleitung angebunden werden kann. 78 In welchem Umfang und mit welcher Detailtiefe eine Prüfung von Konverterstandorten in der Bundesfachplanung vorzunehmen ist, dürfte u.a. von dem Risiko der Entstehung eines Planungstorsos abhängen und kann daher nur einzelfallbezogen beantwortet werden. 79 Diese Darlegungslast gilt unabhängig von der Frage, ob der Vorhabenträger im nachfolgenden Planfeststellungsverfahren einen Antrag nach § 18 Abs. 2 NABEG stellt oder nicht; a.A. wohl Scheuten, in: de Witt/Scheuten (Fn. 12), § 18 NABEG, Rn. 90. 80 Zu den Vor- und Nachteilen von Freileitungen und Erdkabeln vgl. Engel, in: Rosin/Pohlmann/Gentzsch/Metzenthin/Böwing (Hrsg.), Praxiskommentar zum EnWG, Stand: Dez. 2012, § 43-43h EnWG, Rn. 203 ff.

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können dadurch ggf. erheblich verkürzt werden. Auch aus Gründen der Akzeptanz erscheinen Erdverkabelungsmöglichkeiten sinnvoll. a) Erdverkabelungsmöglichkeiten im Anwendungsbereich des NABEG Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die in der Literatur bereits aufgeworfene Frage „Energiewende ohne Erdkabel?“81 ist zunächst zu klären, in welchem Umfang der Einsatz von Erdkabeln im Anwendungsbereich des NABEG vom Grundsatz her überhaupt möglich bzw. gesetzlich ausgeschlossen ist. Dabei ist zwischen HGÜ- und Drehstromleitungen zu differenzieren. aa) HGÜ-Bereich Gem. § 2 Abs. 2 S. 2 BBPlG (i.V.m. § 12e Abs. 3 S. 1 EnWG) in der bis zum 31. Juli 2014 geltenden Fassung konnten die im Bundesbedarfsplan mit „C“ gekennzeichneten Pilotprojekte nach § 12b Abs. 1 S. 3 Nr. 3a EnWG (HGÜ-Leitungen) bei Unterschreitung der im Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG)82 definierten Abstände zu Wohngebäuden auf technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitten als Erdkabel ausgeführt werden. Gesetzlich ausdrücklich benannte Zielsetzung war, den Einsatz von Erdkabeln bei HGÜ-Leitungen zu testen. Durch diese Regelung hatte der Gesetzgeber nach wohl einhelliger Meinung in der Literatur die Erdverkabelungsmöglichkeit für HGÜ-Leitungen auf die zwei im Bundesbedarfsplan entsprechend gekennzeichneten Pilotprojekte beschränkt;83 im Anwendungsbereich des NABEG die HGÜ-Leitung Wilster – Grafenrheinfeld (BBPlG-Vorhaben Nr. 4).84 Zwar war eine Sperrwirkung über die zwei Pilotprojekte hinaus nicht ausdrücklich geregelt. Sie ergab sich aber bereits aus einem Umkehrschluss zu § 2 Abs. 2 S. 2 BBPlG a.F. (andere HGÜLeitungen „konnten“ nicht als Erdkabel ausgeführt werden). Hinzu kam, dass erst im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum BBPlG der zuvor auf ein einzelnes Pilotprojekt beschränkte § 12e Abs. 3 S. 1 EnWG – inzwischen aufgehoben ___________ 81

Vgl. hierzu Elspaß/Schwoon, NVwZ 2012, 1066 ff. Art. 1 des Gesetzes zur Beschleunigung des Ausbaus der Höchstspannungsnetze v. 21.8.2009 (BGBl. I S. 2870 ff.), zul. geänd. durch Art. 3 des Zweiten Gesetzes über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze v. 23.7.2013 (BGBl. I S. 2543 ff.). 83 Statt vieler Ruge, EnWZ 2013, 435, 437 f. 84 Die im Bundesbedarfsplan ebenfalls mit „C“ gekennzeichnete sog. ALEGrO-Leitung (BBPlG-Vorhaben Nr. 30) fällt nicht in den Anwendungsbereich des NABEG, da sie nicht als grenzüberschreitend gekennzeichnet ist. 82

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– auf zwei Pilotprojekte erweitert wurde.85 Die Gesetzesmaterialien zum BBPlG bestätigten die gefundene Auslegung. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme86 eine folgenschwere Einengung der Erdverkabelung auf zwei Pilotprojekte gerügt und eine Änderung des Gesetzentwurfs gefordert, die die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung87 jedoch abgelehnt hatte.88 Praktische Konsequenz war ein gesetzlicher Ausschluss einer Erdverkabelung bspw. für die HGÜ-Leitung Brunsbüttel – Großgartach (BBPlG-Vorhaben Nr. 3), obwohl das Vorhaben mit der HGÜ-Leitung Wilster – Grafenrheinfeld (BBPlG-Vorhaben Nr. 4) in großen Teilen einen gemeinsamen Trassenverlauf haben könnte, da die beiden Vorhaben zusammen einen zentralen Transportkorridor von Schleswig-Holstein nach Süddeutschland bilden. Im Zuge der EEG-Reform 2014 wurde durch eine Änderung des § 2 Abs. 2 BBPlG die Erdverkabelungsmöglichkeit für HGÜ-Leitungen ausgeweitet.89 Künftig können alle HGÜ-Leitungen des Bundesbedarfsplans auf technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitten als Erdkabel ausgeführt werden, wenn die im EnLAG definierten Abstände zu Wohngebäuden unterschritten werden, ___________ 85 Vgl. Art. 2 des Zweiten Gesetzes über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze v. 23.7.2013 (BGBl. I S. 2543 ff.). 86 BT-Drs. 17/12638, S. 26. 87 BT-Drs. 17/12638, S. 29. 88 Auch der inzwischen aufgehobene § 12e Abs. 3 S. 2 EnWG, wonach auf Verlangen der zuständigen Behörde „die Leitung“ bei Unterschreitung der im EnLAG definierten Abstände zu Wohngebäuden auf einem technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitt als Erdkabel auszuführen war, erweiterte die beschränkte Erdverkabelungsmöglichkeit für HGÜ-Leitungen nicht (so auch de Witt/König, DVBl. 2013, 955, 960 f.; anders wohl noch de Witt/Kause, RdE 2012, 328, 331, mit Bezug auf alle dem NABEG unterliegenden Leitungen). Der Bezug der Formulierung „die Leitung“ war zwar nicht eindeutig, da in § 12e Abs. 3 S. 1 EnWG – ebenfalls inzwischen aufgehoben – von einer Leitung nicht die Rede war, sondern die Begriffe „Pilotprojekte“ und „Teilabschnitt“ verwendet wurden (de Witt/König, DVBl. 2013, 955, 960 f.). Eine eigenständige Bedeutung des § 12e Abs. 3 S. 2 EnWG über die zwei Pilotprojekte hinaus wäre aber bereits mit der systematischen Stellung der Regelung unmittelbar hinter § 12e Abs. 3 S. 1 EnWG und der dort getroffenen Grundentscheidung, die Erdverkabelungsmöglichkeit für HGÜ-Leitungen auf zwei Pilotprojekte zu beschränken, nicht vereinbar gewesen. Vorbild dürfte vielmehr § 2 Abs. 2 EnLAG gewesen sein, womit verfahrensverzögernde Auseinandersetzungen darüber vermieden werden sollten, ob der Vorhabenträger oder die zuständige Behörde die teilzuverkabelnden Abschnitte auf den Pilotstrecken bestimmt (BT-Drs. 17/4559, S. 6). 89 Vgl. Art. 11 des Gesetzes zur grundlegenden Reform des Erneuerbare-EnergienGesetzes und zur Änderung weiterer Bestimmungen des Energiewirtschaftsrechts v. 21.7.2014 (BGBl. I S. 1066). Zudem wurde § 12e Abs. 3 EnWG aufgehoben, dessen Regelungsgehalt – verbunden mit der Ausweitung der Erdverkabelungsmöglichkeit für HGÜ-Leitungen – in § 2 Abs. 2 BBPlG überführt wurde. Mit der Änderung des § 43 S. 1 EnWG wird die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für die ALEGrO-Leitung (BBPlG-Vorhaben Nr. 30) als Erdkabelprojekt ermöglicht (vgl. hierzu Weisensee, EnWZ 2014, 211 ff.).

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vgl. § 2 Abs. 2 S. 2 BBPlG in der ab dem 1. August 2014 geltenden Fassung. Auf Verlangen der zuständigen Behörde sind diese Leitungen als Erdkabel auszuführen, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Gesetzlich ausdrücklich benannte Zielsetzung ist weiterhin, den Einsatz von Erdkabeln bei HGÜ-Leitungen zu testen. Zudem soll die Ausweitung der Erdverkabelungsmöglichkeit für HGÜ-Leitungen eine größere Flexibilität bei der Realisierung von Ausbauvorhaben ermöglichen und die Akzeptanz des Netzausbaus steigern.90 Eine Erdverkabelung ist jedoch gem. § 2 Abs. 2 S. 4 BBPlG n.F. ausgeschlossen, soweit das Vorhaben in der Trasse einer bestehenden oder bereits zugelassenen Hoch- oder Höchstspannungsfreileitung ausgeführt werden soll. Damit soll dem Bündelungsgebot Rechnung getragen werden.91 Bei einer Parallelführung ist eine Erdverkabelung hingegen nicht ausgeschlossen, da der im Gesetzentwurf der Bundesregierung noch vorgesehene Ausschluss einer Erdverkabelung bei einer Ausführung des Vorhabens „unmittelbar neben“ der Trasse einer bestehenden oder bereits zugelassenen Hoch- oder Höchstspannungsfreileitung nicht Gesetz geworden ist.92 Aus der Formulierung „soweit“ folgt, dass der Ausschluss einer Erdverkabelung allein für den jeweiligen Leitungsabschnitt, nicht jedoch für das gesamte Ausbauvorhaben gilt. bb) Drehstrombereich Während das den Anwendungsbereich des NABEG eröffnende BBPlG für Drehstromleitungen – anders als für HGÜ-Leitungen – keine Regelungen zur Erdverkabelung enthält, macht das EnLAG mit dem diesem Gesetz als Anlage beigefügten Bedarfsplan hierzu Vorgaben. Gem. § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 EnLAG können vier im Bedarfsplan genannte Leitungen (bzw. Leitungsabschnitte) auf einem technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitt als Erdkabel ausgeführt werden, wenn bestimmte Abstände zu Wohngebäuden unterschritten werden. Auf Verlangen der zuständigen Behörde sind diese Leitungen als Erdkabel auszuführen, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Gesetzlich ausdrücklich benannte Zielsetzung ist, den Einsatz von Erdkabeln auf der Höchstspannungsebene im Übertragungsnetz als Pilotvorhaben zu testen. Von den Pilotvorhaben ist bislang noch keines realisiert.93 ___________ 90

BT-Drs. 18/1304, S. 306 (Seitenangabe bezieht sich auf Vorabfassung v. 5.5.2014). BT-Drs. 18/1304, S. 307 (Seitenangabe bezieht sich auf Vorabfassung v. 5.5.2014). 92 Vgl. hierzu BT-Drs. 18/1891, S. 153 (Seitenangabe bezieht sich auf Vorabfassung v. 26.6.2014). 93 Mit Planfeststellungsbeschluss v. 10.2.2014 – Az.: 25.05.01.01-2/11 – hat die Bezirksregierung Münster den Neubau der 380-kV-Höchstspannungsleitung Wesel – Pkt. Meppen (EnLAG-Vorhaben Nr. 5) im Abschnitt Pkt. Bredenwinkel – Pkt. Borken-Süd zugelassen. Der Abschnitt hat insgesamt eine Länge von 10,8 km. Davon werden 7,4 km als Freileitung und 3,4 km als Erdkabel errichtet. Nach Angaben des verantwortlichen 91

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Unklar ist, ob die Regelungen des EnLAG zur Erdverkabelung eine Sperrwirkung über die vier Pilotvorhaben hinaus entfalten und damit die Ausführung von Drehstromleitungen als Erdkabel im Anwendungsbereich des NABEG gesetzlich ausschließen. (1) Auffassungen in der Literatur Nach einer Auffassung ist die Ausführung von Drehstromleitungen als Erdkabel im Anwendungsbereich des NABEG vom Grundsatz her möglich.94 Der Zulässigkeit von Erdkabelprojekten stehe das EnLAG nicht entgegen. Zwar werde in den Gesetzesmaterialien zu der kurz nach seinem Erlass bereits erfolgten Novelle des EnLAG95 ausgeführt, dass das EnLAG eine abschließende Regelung hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten von Erdkabeln auf der Höchstspannungsebene treffe.96 Nach dem Gesetzeswortlaut des später in Kraft getretenen NABEG seien aber Erdkabel als Höchstspannungsleitungen vom NABEG erfasst.97 Mit dem NABEG habe der Gesetzgeber den Schritt zu einem Netz der Zukunft beschritten, das nicht mehr ausschließlich auf Freileitungen basieren müsse.98 Nach anderer Auffassung ist die Ausführung von Drehstromleitungen als Erdkabel im Anwendungsbereich des NABEG gesetzlich ausgeschlossen.99 Das NABEG lasse im Drehstrombereich eine Erdverkabelung nur zu, soweit im BBPlG eine Drehstromleitung ausdrücklich als Pilotprojekt vorgesehen sei.100 Auf der vom NABEG erfassten Höchstspannungsebene bestünden bislang kaum ___________ ÜNB handelt es sich um das erste Erdkabelprojekt seiner Art in Deutschland (vgl. Amprion, Pressemitteilung v. 25.02.2014, abrufbar unter http://www.amprion.net). 94 Wolfshohl/Scheuten, in: de Witt/Scheuten (Fn. 12), § 1 NABEG, Rn. 7 ff., § 2 NABEG, Rn. 9; Willbrand, in: Posser/Faßbender (Fn. 35), Kap. 4, Rn. 15. 95 Art. 5 des Gesetzes zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie im Eichgesetz sowie im Geräte- und Produktsicherheitsgesetz und zur Änderung des Verwaltungskostengesetzes, des Energiewirtschaftsgesetzes und des Energieleitungsausbaugesetzes v. 7.3.2011 (BGBl. I S. 338 ff.). Die Änderung betraf die sog. Kann-Regelung in § 2 Abs. 2 EnLAG. Mit der Änderung sollten verfahrensverzögernde Auseinandersetzungen darüber vermieden werden, ob der Vorhabenträger oder die zuständige Behörde die teilzuverkabelnden Abschnitte auf den Pilotstrecken bestimmt (BT-Drs. 17/4559, S. 6). 96 BT-Drs. 17/4559, S. 6. 97 Wolfshohl/Scheuten, in: de Witt/Scheuten (Fn.12), § 1 NABEG, Rn. 9. 98 Wolfshohl/Scheuten, in: de Witt/Scheuten (Fn.12), § 1 NABEG, Rn. 9. 99 de Witt/König, DVBl. 2013, 955, 960 f.; Fest, NVwZ 2013, 824, 829; Ohms/Weiss, in: Säcker (Fn. 16), § 2 EnLAG, Rn. 10 f., 18 f.; Ruge, EnWZ 2013, 435, 437 f.; Weisensee, EnWZ 2014, 211, 212; offenlassend Appel, in: Säcker (Fn. 16), § 2 NABEG, Rn. 11 ff.; Heimann, in: Steinbach (Fn. 16), § 12e EnWG, Rn. 21; Sangenstedt, in: Steinbach (Fn. 16 ), § 7 NABEG, Rn. 46. 100 Appel, in: Säcker (Fn. 16), § 2 NABEG, Rn. 11.

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praktische Erfahrungen mit Erdverkabelungen. Daher habe das EnLAG eine Erdverkabelung im Drehstrombereich auf die vier in § 2 Abs. 1 EnLAG genannten Pilotvorhaben beschränkt, von den bislang noch keines realisiert sei. Insofern wäre es widersprüchlich und insbesondere auch Betroffenen in EnLAG-Genehmigungsverfahren möglicherweise nur schwer zu vermitteln, wenn unter dem NABEG eine Erdverkabelungsmöglichkeit für Drehstromleitungen bestünde.101 Auch aus den Stellungnahmen sowohl der Bundesregierung als auch des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren zum BBPlG ergebe sich, dass beide Institutionen nicht nur im HGÜ-Bereich, sondern offenbar auch im Drehstrombereich eine Erdverkabelung auf im BBPlG entsprechend vorgesehene Pilotprojekte beschränkt sähen.102 (2) Rechtsprechung des BVerwG zum EnLAG Das BVerwG hat in einem Beschluss vom 28. Februar 2013 zum EnLAGVorhaben Nr. 14 eine Sperrwirkung über die vier Pilotvorhaben hinaus in Betracht gezogen, die Frage jedoch ausdrücklich offengelassen, da die Planfeststellungsbehörde die technische Ausführungsalternative eines Erdkabels ohne Abwägungsfehler abgelehnt hatte.103 Das BVerwG hat argumentiert, die in § 1 Abs. 1 EnLAG i.V.m. § 43 S. 1 Nr. 1 EnWG getroffene Regelung verdeutliche, dass es sich bei den im Bedarfsplan ausgewiesenen Vorhaben, um Freileitungen handele. Das lasse den Schluss zu, dass die gesetzliche Bedarfsfeststellung sich auf die Ausführung als Freileitung erstrecke und damit die Ausführungsalternative eines Erdkabels ausschließe. Dieses Verständnis der in § 1 Abs. 1 EnLAG i.V.m. § 43 S. 1 Nr. 1 EnWG getroffenen Regelung werde auch durch § 2 Abs. 1 und Abs. 3 EnLAG gestützt. § 2 Abs. 1 EnLAG liste vier im Bedarfsplan genannte Leitungen auf, die als Erdkabel ausgeführt werden könnten; § 2 Abs. 3 EnLAG erweitere den an sich auf Freileitungen beschränkten Anwendungsbereich des § 43 S. 1 Nr. 1 EnWG auf diese Vorhaben der Erdverkabelung. Das lege den Schluss nahe, dass nach der gesetzlichen Regelungssystematik der Bau von 380-kV-Höchstspannungsfreileitungen die Regel, der Bau derartiger Leitungen als Erdkabel hingegen die auf die gesetzlich benannten Vorhaben beschränkte Ausnahme bilde. Dieses Verständnis finde eine zusätzliche Stütze in der ausdrücklich benannten Zielsetzung, die mit der Regelung des § 2 Abs. 1 EnLAG verfolgt werde. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass die Technologie der Erdverkabelung von Höchstspannungsleitungen vor ihrem generellen Einsatz noch der Erprobung bedürfe. Von diesem Ausgangspunkt her ließe es sich mit der allgemeinen, in § 1 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 EnWG zum Ausdruck ___________ 101

Appel, in: Säcker (Fn. 15), § 2 NABEG, Rn. 11. Appel, in: Säcker (Fn. 16), § 2 NABEG, Rn. 12. 103 BVerwG, Beschl. vom 28.2.2013, 7 VR 13/12, Rn. 26 ff.; so auch BVerwG, Beschl. vom 26.9.2013, 4 VR 1/13, Rn. 40 ff. und BVerwG, Urt. vom 17.12.2013, 4 A 1/13, Rn. 62 ff. 102

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kommenden Zielsetzung, das Energieleitungsnetz sicher, zuverlässig und leistungsfähig auszugestalten, schwerlich vereinbaren, die Erdverkabelung als generell einsatzfähige, nach Maßgabe des Abwägungsgebots zu berücksichtigende Planungsalternative zu behandeln. Auch die Gesetzesmaterialien zur Novelle des EnLAG sprächen für dieses Auslegungsergebnis. (3) Stellungnahme Die Argumentation des BVerwG spricht zwar auf den ersten Blick für die Auffassung, dass die Ausführung von Drehstromleitungen als Erdkabel im Anwendungsbereich des NABEG gesetzlich ausgeschlossen ist. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Beschluss des BVerwG eines der EnLAG-Vorhaben betraf und mit dem nach dem EnLAG und dessen Novelle in Kraft getretenen NABEG ein vollständig neues Planungs- und Genehmigungsregime eingeführt wurde. Das NABEG gilt – wie bereits aufgezeigt – grundsätzlich nur für die länderübergreifenden und grenzüberschreitenden Höchstspannungsleitungen sowie die Offshore-Anbindungsleitungen, die im BBPlG bzw. in dem diesem Gesetz als Anlage beigefügten Bundesbedarfsplan als solche gekennzeichnet sind. Die EnLAG-Vorhaben hingegen sind vom Anwendungsbereich des NABEG ausgenommen, vgl. § 2 Abs. 4 NABEG. Für sie gelten weiterhin das EnLAG und das EnWG. Auch wenn nach der Argumentation des BVerwG die gesetzliche Bedarfsfeststellung des EnLAG sich mit Ausnahme der vier in § 2 Abs. 1 EnLAG genannten Pilotvorhaben auf die Ausführung als Freileitung erstrecken und damit die Ausführungsalternative eines Erdkabels ausschließen dürfte, ist dieses Verständnis nicht ohne Weiteres auf die hier in Rede stehenden Ausbauvorhaben übertragbar. Ein solcher gesetzlicher Ausschluss bzw. eine solche gesetzliche Beschränkung ist nämlich für Drehstromleitungen weder im BBPlG noch im NABEG enthalten. Hinzu kommt, dass das NABEG technologieoffen ist.104 Der Wortlaut des § 18 Abs. 1 i.V.m § 2 Abs. 1 NABEG differenziert nicht zwischen Freileitungen und Erdkabeln, sondern stellt allgemein auf Höchstspannungsleitungen ab. Darunter fallen sowohl oberirdisch, als auch unterirdisch geführte Leitungen. Insofern unterscheidet sich der Gesetzeswortlaut des NABEG grundlegend von § 43 S. 1 Nr. 1 EnWG, der allein auf Hochspannungsfreileitungen abstellt. Anders als im Anwendungsbereich des EnLAG lässt sich im Anwendungsbereich des ___________ 104 Heimann, in: Steinbach (Fn. 16), § 12e EnWG, Rn. 21; Wolfshohl/Scheuten, in: de Witt/Scheuten (Fn. 12), § 1 NABEG, Rn. 8, § 2 NABEG, Rn. 9. So ausdrücklich (mit Bezug auf die Regelungen zur Netzentwicklungs- und Bundesbedarfsplanung nach §§ 12a ff. EnWG) die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften, durch das u.a. die §§ 12a ff. in das EnWG eingefügt wurden (BTDrs. 17/6248, S. 22).

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NABEG aus der gesetzlichen Regelungssystematik mithin auch kein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der Ausführung von Drehstromleitungen als Freileitung ableiten. Nicht zu verkennen ist, dass ein weites Verständnis weiterer Erdverkabelungsmöglichkeiten den während des Gesetzgebungsverfahrens zum BBPlG geäußerten Vorstellungen teilweise zuwiderliefe. In ihrer Gegenäußerung105 zur Stellungnahme des Bundesrates führte die Bundesregierung aus, gegen einen umfassenderen Einsatz von Erdkabeln sowohl im Gleichstrombereich (HGÜ-Leitungen) als auch als 380-kV-Drehstromleitung sprächen derzeit eine im Vergleich zur Errichtung einer Freileitung erhöhte und deutlich intensivere Flächeninanspruchnahme, die Entstehung von erheblichen Mehrkosten und technische Gründe. Gerade deshalb sei es wichtig, mit den vorgesehenen Pilotvorhaben zunächst Erfahrungen zu gewinnen. Das EnLAG enthalte eine entsprechende Regelung für Pilotvorhaben von 380-kV-Drehstromleitungen. Auf Basis der gewonnenen Erfahrungen werde über eine etwaige Ausweitung der Möglichkeiten zur Erdverkabelung entschieden. Unklar ist allerdings, ob auf das in den Gesetzesmaterialien niedergelegte enge Verständnis der Bundesregierung entscheidend abgestellt werden kann, da grammatische und systematische Argumente – wie aufgezeigt – eher für ein weites Verständnis weiterer Erdverkabelungsmöglichkeiten sprechen. Sofern jedoch als Gründe gegen die Ausführung von Drehstromleitungen als Erdkabel im Anwendungsbereich des NABEG die in § 2 Abs. 1 EnLAG ausdrücklich benannte Zielsetzung sowie mangelnde praktische Erfahrungen mit Erdverkabelungen angeführt werden, ist zu berücksichtigen, dass die Frage der hinreichenden praktischen Erprobung im Laufe der Zeit – möglicherweise auch bis zum Abschluss einzelner NABEG-Genehmigungsverfahren – anders bewertet werden könnte. Jedenfalls dann trüge der Gesetzeszweck des § 2 Abs. 1 EnLAG keine Sperrwirkung mehr.106 b) Praktischer Umgang mit Erdverkabelungsmöglichkeiten in der Bundesfachplanung Grundsätzlich wird zwar erst im Planfeststellungsverfahren entschieden, ob eine Höchstspannungsleitung als Freileitung oder als Erdkabel ausgeführt wird.107 Um zu vermeiden, mögliche Planungsvarianten verfrüht außer Betracht

___________ 105 106 107

BT-Drs. 17/12638, S. 29. So wohl auch Hennig/Lühmann, UPR 2012, 81, 83. Statt vieler de Witt/Kause, RdE 2012, 328.

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zu lassen, sollten Erdverkabelungsmöglichkeiten aber bereits in der Bundesfachplanung bei der Grob- und der Trassenkorridorfindung sowie beim Trassenkorridorvergleich berücksichtigt werden. Für HGÜ-Leitungen enthält der Musterantrag der ÜNB einen Vorschlag für ein methodisches Vorgehen zur Berücksichtigung einer Erdverkabelung in der Bundesfachplanung.108 Hiernach ist bei der Grob- und der Trassenkorridorfindung eine ergänzende Raumwiderstandanalyse für Erdkabel vorzunehmen, sofern sich bei der Raumwiderstandsanalyse für Freileitungen durchgängige Querriegel sehr hohen Raumwiderstandes bzw. Engstellen zeigen, die nach der Ampelprüfung bzw. der Prüfung der technischen Realisierbarkeit nicht überwindbar sind (rote (Ampel-)Bewertung für Freileitung). Ist der Raumwiderstand durch eine Erdverkabelung überwindbar, wird der Grob- bzw. Trassenkorridor nicht verworfen, sondern kann unter der Maßgabe einer Erdverkabelung weiterverfolgt werden.109 Auch beim Trassenkorridorvergleich erscheint mit Blick auf die unterschiedlichen Raum- und Umweltwirkungen von Freileitungen und Erdkabeln die Berücksichtigung einer Erdverkabelung sinnvoll. Hält man die Ausführung von Drehstromleitungen als Erdkabel im Anwendungsbereich des NABEG – jedenfalls bei hinreichender praktischer Erprobung – vom Grundsatz her für möglich, sollte eine Erdverkabelung auch hier bereits in der Bundesfachplanung als technische Ausführungsalternative in Betracht gezogen werden. Mangels einschränkender gesetzlicher Voraussetzungen sind Erdkabelabschnitte dabei jedoch nicht nur bei Siedlungsannäherung, sondern auch zur Überwindung von sonstigen sensiblen Gebieten, wie bspw. Vogelschutzgebieten, möglich. Zwar ist die Gefahr der Entstehung eines Planungstorsos nicht zu verkennen, falls in der Bundesfachplanung ein Trassenkorridor festgelegt wird, bei dem sich in der nachfolgenden Planfeststellung herausstellt, dass eine Erdverkabelung mangels hinreichender praktischer Erprobung doch nicht in Betracht kommt. Diese Gefahr rechtfertigt es aber nicht, mögliche Planungsvarianten in der Bundesfachplanung von vornherein völlig außer Betracht zu lassen. Der Gefahr der Entstehung eines Planungstorsos kann durch eine Prognose im Rahmen der Bundesfachplanung hinreichend Rechnung getragen werden.

___________ 108 Musterantrag der ÜNB nach § 6 NABEG (Fn. 18), S. 33, 34, 40, 50 ff. Die Änderung des § 2 Abs. 2 BBPlG im Zuge der EEG-Reform 2014 ist im Musterantrag der ÜNB noch nicht berücksichtigt. 109 Voraussetzung ist, dass sich die durchgängigen Querriegel sehr hohen Raumwiderstandes bzw. die Engstellen aus Abständen zu Wohngebäuden ergeben, vgl. Musterantrag der ÜNB nach § 6 NABEG (Fn. 18), S. 53.

Erhaltungsmaßnahmen (Unterhaltung und Erneuerung) von Betriebsanlagen der Eisenbahn Von Thomas Seegmüller

I. Begriffsbestimmungen Im Planfeststellungsrecht werden in § 18 AEG nur die Begriffe Neubau und Änderung von Betriebsanlagen genannt. Die Nennung von Erhaltungsmaßnahmen, Unterhaltungsmaßnahmen oder ähnlichen Begriffen findet sich nicht, im Allgemeinen Eisenbahngesetz kommen die Begriffe nicht vor. In der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung (EBO) finden sich die Begriffe Unterhaltung und Erneuerung in § 1 Abs. 4, der Begriff Unterhaltung in § 2 Abs. 4 und der Begriff der Erneuerung in § 8 Abs. 3. Im Sinne der EBO umfasst dabei der Begriff der Unterhaltung alle Maßnahmen, die notwendig sind, um Bahnanlagen und Fahrzeuge während ihrer Nutzungszeit betriebsfähig zu erhalten, also die Instandsetzung von Anlagen und Fahrzeugen (Reparaturcharakter).1 Die Betriebspflege (d.h. die Wartung) soll nicht zur Unterhaltung zählen.2 Nähere Erläuterungen, warum die Wartung hierzu nicht gehört, finden sich nicht. Die Erneuerung im Sinne der EBO ist der Ersatz von Bahnanlagen und Fahrzeugen, die die wirtschaftliche Nutzungszeit erreicht haben oder vorher ausscheiden. Der Ersatz kann ein teilweiser oder gänzlicher sein; dabei dürfen je nach betrieblicher Beanspruchung auch Altstoffe verwendet werden.3 In der Kommentierung zu § 8 Abs. 3 wird ausgeführt, dass Erneuerung in der Regel der Ersatz abgängiger oder zu schwacher Überbauten oder Gewölbe ist.4 In der EBO werden also die Begriffe Unterhaltung und Erhaltung im Hinblick auf Betriebsanlagen der Eisenbahn genannt. Die einzelnen Kommentierungen befassen sich auch mit den Tatbestandmerkmalen, jedoch nur oberflächlich und nicht aus der Sicht der Planfeststellung. ___________ 1 2 3 4

Pätzold/Wittenberg/Heinrichs/Mittmann, EBO Komm., 4. Aufl. 2001, § 1 Rn. 12. Pätzold/Wittenberg/Heinrichs/Mittmann, EBO Komm. a.a.O. Pätzold/Wittenberg/Heinrichs/Mittmann, EBO Komm., § 1 Rn. 13. Pätzold/Wittenberg/Heinrichs/Mittmann, EBO Komm., § 8 Rn. 6.

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Thomas Seegmüller

Im Eisenbahnkreuzungsgesetz werden diese Begriffe aufgenommen und unter den Oberbegriff der Erhaltungsmaßnahme subsumiert.5 Die Erhaltungsmaßnahmen nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz bestehen aus Unterhaltungs-(Instandsetzung von Anlagen) und Erneuerungsmaßnahmen (Ersatz von Anlagen).6 Unabhängig von der Definition, was sich im Einzelnen hinter diesen Begriffen verbirgt, eignet sich der Begriff der Erhaltungsmaßnahme als Oberbegriff, da er sich unmittelbar aus § 14 Abs. 1 Nr. I des Eisenbahnkreuzungsgesetzes ableiten lässt. Dabei versteht das Eisenbahnkreuzungsgesetz die Erhaltungsmaßnahme als Dauerverpflichtung, die alle Maßnahmen umfasst, die erforderlich sind, um die Kreuzungsanlage in einem zur Erfüllung ihres öffentlichen Zwecks zu erhalten. Dabei ist gleichgültig, ob es sich um die Ausgleichung einer gewöhnlichen Abnutzung oder die Behebung einer vermehrten Abnutzung oder Zerstörung handelt.7 Ausdrücklich umfassen Erhaltungsmaßnahmen nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz nicht die Maßnahmen der Erweiterung und sonstigen Verbesserungen, da diese regelmäßig bauliche Änderungen zur Folge haben.8 Zu beachten ist jedoch, dass das Eisenbahnkreuzungsgesetz die Finanzierung der Kreuzungen im Blick hat und den Blick aus der Planfeststellung im Zweifel nicht berücksichtigt.9 Festzuhalten bleibt bis hierher, dass aus den eisenbahnrechtlichen Vorschriften sich der Begriff der Erhaltungsmaßnahme als Oberbegriff, bestehend aus Unterhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen, ableiten lässt. Eine einheitliche Festlegung auf diese Begrifflichkeiten aus der Sicht der Planfeststellung ist bislang augenscheinlich nicht erfolgt10, ist aber notwendig. Diese Begriffe lassen sich unter die in anderen Rechtsgebieten verwendeten Begriffe11 auch unter den Oberbegriff der Erhaltungsmaßnahme subsumieren. Im Baugesetzbuch ist in § 177 ein allgemeines Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot aufgeführt, im Straßenrecht wird zwischen der Unterhaltung, der Erneuerung und der Wiederherstellung als Inhalt der Straßenbaulast unterschieden12 und im Wasserrecht regelt § 40 Wasserhaushaltsgesetz die Unterhaltungslast. ___________ 5

Marschall/Schweinsberg, Kommentar zum EKrG, 5. Aufl. 2000, § 14 Abs. 1. Marschall/Schweinsberg, Kommentar zum EKrG, a.a.O.; so auch schon Finger, Kommentar zum AEG und BBahnG, 1982, § 36 Nr. 12a. 7 Marschall/Schweinsberg, Kommentar zum EKrG, § 14 Anm. 2.3. 8 Marschall/Schweinsberg, Kommentar zum EKrG, a.a.O. 9 Marschall/Schweinsberg, Kommentar zum EKrG, Einführung in das Kreuzungsrecht, Anm. 1. 10 Marschall/Schweinsberg, Kommentar zum EKrG, a.a.O. 11 Vgl. im Baurecht § 177 BauGB, im Wasserrecht § 40 WHG; im Straßenrecht § 3 Abs. 1 FStrG, im Folgenden wird nur noch von dem Begriff der Erhaltungsmaßnahme als Oberbegriff ausgegangen. 12 Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Kap. 13 Rn. 12.3 ff. 6

Erhaltungsmaßnahmen von Betriebsanlagen der Eisenbahn

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II. Was ist im Sinne des Planfeststellungsrechts als Erneuerungsmaßnahme anzusehen? Zunächst ist für das Feststellen einer Erhaltungsmaßnahme entscheidend, ob im Gegensatz dazu nicht ein Neubau oder eine Änderung einer Betriebsanlage der Eisenbahn im Sinne des § 18 AEG vorliegt, denn in diesem Falle kann begrifflich und auch tatsächlich keine Erhaltungsmaßnahme mehr vorliegen. Was also ist eine Neubaumaßnahme i.S.d. § 18 AEG? Auch hinsichtlich des Begriffs des „Neubaus“ fehlt in § 18 AEG eine Definition, auch im § 36 BBahnG fand sich eine solche nicht. Nach der gefestigten Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur liegt ein Neubau einer Betriebsanlage der Eisenbahn dann vor, wenn eine solche Betriebsanlage durch eine bauliche Maßnahme13 errichtet werden soll, und die in Anspruch genommene Fläche bislang nicht als Betriebsanlage der Eisenbahn genutzt worden ist (Bau-Planfeststellung). Bei diesem insoweit eindeutigen Fall (Neubau auf einem Gelände, auf dem sich bislang keine Betriebsanlage der Eisenbahn befand), kann der Begriff „Neubau“ sowohl als technischer Begriff14 als auch als verkehrsfunktioneller Begriff15 verstanden werden, denn im Ergebnis ergibt sich keine Unterscheidung. Dieser Neubau stellt niemals einen unwesentlichen Fall dar mit der Folge, dass in diesen Fällen zwingend ein eisenbahnrechtliches Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren durchzuführen ist. Was ist eine Änderung? Auch hinsichtlich dieses Begriffs findet sich keine Definition in den Gesetzen. Unter Änderung versteht man zunächst jede bauliche Veränderung einer bestehenden Betriebsanlage der Eisenbahn. Diese Änderung bestehend aus einer bautechnischen Änderung im Grund und Aufriss muss jedoch zum Ziel haben, verkehrsfunktionell16 diese Anlage zu verbessern, zu verlegen, neu zu dimensionieren oder die Anlage zurückzubauen. Dies bedeutet, dass eine planungsrechtliche Änderung vorliegen muss, denn Bezugspunkt ist immer der vorliegende planungsrechtliche Bestand.17 Das Vorliegen einer Änderung ist entscheidend, ob ein eisenbahnrechtliches Planfeststellungs- oder ein Plangenehmigungsverfahren durchzuführen ist oder nicht. Hierfür sprechen der Wortlaut und die Gesetzessystematik: Nach § 18 AEG wird die Berücksichtigung von Belangen in der Abwägungsentscheidung ___________ 13 14 15 16 17

Blümel, VerwArch 83 (1992), 145 ff. m.w.N. Fickert, Planfeststellung für den Straßenbau, 1978, S. 88. Kodal, Straßenrecht, Kap. 36, Rn. 7.31; VG Köln, Urt. vom 22.6.1996 – 11L966/95. Kodal, Straßenrecht, a.a.O. Hermes/Sellner, AEG-Kommentar, § 18 Rn. 58.

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der Planfeststellung vorgeschrieben, also in einem Stadium, in dem das „Ob“ der Planfeststellung schon längst entschieden ist. Auch in der Systematik des § 74 Abs. 7 VwVfG findet sich dieser Gedanke wieder. Die Vorschrift ordnet unmittelbar an, dass eine eigentlich notwendige Planfeststellung („ausnahmsweise“) dann entfällt, wenn keine Belange von dem Vorhaben betroffen sind. Die Betroffenheit von Belangen gehört bei richtigem Verständnis zur Rechtsfolgenseite und nicht zu den tatbestandlichen Voraussetzungen für die Bejahung der Planfeststellungsbedürftigkeit. Das Kriterium der planungsrechtlichen Relevanz macht die Tatbestandsseite von der Rechtsfolgenseite abhängig und ist deshalb ein unzulässiger Zirkelschluss. Dies bedeutet, dass zur Frage, ob ein planungsrechtliches Verfahren durchzuführen hat, zunächst die Frage des Vorliegens einer Änderung zu klären ist. Erst wenn diese Frage mit „Ja“ zu beantworten ist, stellt sich Frage nach der Verfahrensart. Welches planungsrechtliche Verfahren bei einer Änderung durchzuführen ist, richtet sich dabei nicht nur nach dem Umfang der Änderung, sondern nach der Funktion des Planfeststellungsverfahrens, als planerischer Abwägungsprozess hinsichtlich der betroffenen Belange ein Verfahren der allseitigen Erörterung zu eröffnen18, d.h. entscheidend ist – auch nach der PF-Richtlinie des EisenbahnBundesamtes –, ob durch die Änderung der Aufgabenbereich einer Behörde oder aber die Belange Dritter in rechtserheblicher Weise erstmals oder stärker berührt werden. Daraus folgt, dass bei der Frage nach dem Vorliegen einer Änderung nicht alleine technische, sondern vielmehr rechtliche Erwägungen entscheidend sind. So führt z.B. die vollständige Erneuerung einer Betriebsanlage der Eisenbahn in „alter Lage“, zum Beispiel die Wiedererrichtung des Berliner S-Bahn-Netzes nach der Wiedervereinigung oder die Wiedererrichtung der Brockenbahn19, nicht zu einem Planfeststellungsverfahren, da planungsrechtlich weder ein Neubau noch eine Änderung einer Betriebsanlage der Eisenbahn vorliegt. Für das Feststellen einer Änderung ist also maßgebend, ob im Gegensatz dazu nicht eine sog. Erhaltungsmaßnahme (Unterhaltung oder Erneuerung) vorliegt, denn dann ist in Ermangelung einer Änderung ein Planfeststellungsverfahren nicht erforderlich20. Entscheidend ist also die Feststellung einer Erhaltungsmaßnahme. Wie schon festgestellt, ergibt sich aus dem reinen Wortlaut des Gesetzes nichts klärend Eindeutiges. ___________ BVerwG, Urt. vom 20.10.1989 – 4 C 12.87 –, BVerwGE 84, 31, 34 (std. Rspr.). OVG Berlin, Beschl. vom 8.2.1991 – 2 S 18/90 –; OVG Magdeburg, Urt. vom 29.3.1995 – 4 L 229/93 –. 20 Hermes/Sellner, AEG-Kommentar, § 18 Rn. 59. 18 19

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In der Rechtsprechung wurden bislang Einzelfälle entschieden. Nicht als Änderung angesehen werden von der Rechtsprechung herkömmlich bloße Erhaltungs- oder Unterhaltungsarbeiten an der Strecke21, da die Erhaltungsmaßnahmen vom bestehenden Planungsrecht noch umfasst sind. Planfeststellungsfreiheit wird mangels einer Änderung oder Erweiterung bei Instandsetzungs-, Instandhaltungs-, Erhaltungs- oder Unterhaltungsarbeiten angenommen. Die Rechtsprechung hat insoweit z.B. die Auswechslung von Gleisen als Unterhaltungsmaßnahme anerkannt und dies selbst dann, wenn Schienen oder Schwellen eingebaut werden, die einem neueren Stand der Technik entsprechen.22 Es verstehe sich – so die Rechtsprechung – nämlich von selbst, dass der Austausch alter Anlagenteile nicht allein deswegen zu einer über eine Instandsetzung hinausgehenden genehmigungsbedürftigen Änderungsmaßnahme wird, weil die neuen Bauteile den aktuellen Sicherheits- und Verkehrsbedürfnissen Rechnung tragen. Dies ist besonders bei alten Anlagen offenbar: Bei über 100 Jahren alten Anlagen werden selbstverständlich heutige Bauteile, Bauverfahren und Baustoffe eingesetzt, die heutigem technischen Stand entsprechen. Auch wenn zu einer Instandsetzungs- oder Unterhaltungsmaßnahme die Abtragung und völlige Erneuerung des gesamten alten Bahnkörpers gehöre, folge daraus nicht, dass sie als Ausbaumaßnahme zu qualifizieren und deshalb planfeststellungsbedürftig sei, selbst dann nicht, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit planfeststellungsrelevanten Maßnahmen durchgeführt werden sollen. Offenbar hält damit das Bundesverwaltungsgericht Gleisauswechslungen sowie die damit verbundenen Erneuerungen der Schwellen (Beton gegen Holz), die Untergrundsanierung und die Böschungssicherung sowie die damit zusammenhängende Gründung von Lärmschutzwänden in den betreffenden Streckenabschnitten sowie die Erneuerung von Schienen auch nach Zugrundelegung von „neuen“ Verkehrsbedürfnissen für nicht planfeststellungsrelevant23. Durch diese Einstufung – nicht planfeststellungsbedürftig – qualifiziert sie diese Maßnahmen nicht als erheblichen baulichen Eingriff im Sinne des § 1 der 16. Bundesimmissionsschutzverordnung. Im Zusammenhang mit der Auslegung des Begriffs der wesentlichen Änderung eines Verkehrsweges nach der 16. BImSchV wird allgemein angenommen, dass der bauliche Eingriff erheblich sein und ___________ 21 BVerwG, Urt. vom 26.8.1998 – 11 VR 4.98 –, NVwZ 1999, 535; Beschl. vom 27.1.1995 – 7 VR 16.94 – NVwZ 1995, 586; VGH Mannheim, Urt. vom 13.4.2000, – 5 S 1136/98 –; Hermes/Sellner, AEG-Kommentar, § 18 AEG m.w.N. 22 BVerwG, Beschl. vom 27.1.1995 – 7 VR 16/94 –‚ NVwZ 1995, 586; Urt. vom 12.4.2000 – 11 A 18/98 –, NVwZ 2001, 82. 23

BVerwG, Urt. vom 18.7.2013 – 7 A 9/12 –, juris, Rn. 22.

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zu einer erkennbaren Veränderung des bisherigen Verkehrsweges führen muss24. Als wesentliche Änderungen können nach der Begründung des Regierungsentwurfs zur 16. BlmSchV25 nicht verstanden werden Erhaltungs- und Unterhaltungsmaßnahmen sowie nur kleinere Baumaßnahmen wie z. B. an Straßen das Versetzen von Bordsteinen, Anlegen einer Verkehrsinsel und das Anbringen von verkehrsregelnden Einrichtungen sowie an Schienenwegen das Versetzen von Signalanlagen, Auswechseln von Schwellen, der Einbau von Weichen oder das Ändern der Fahrleitung. Stellt eine Baumaßnahme keinen wesentlichen baulichen Eingriff in diesem Sinne dar, wird es sich dabei auch regelmäßig nicht um eine Änderung im Sinn des § 18 AEG, sondern um eine bloße Erhaltungsmaßnahme handeln26. Eine Änderung ist jedoch dann erheblich, wenn in die Substanz des Schienenweges, d.h. der Gleisanlage mit ihrem Unter- und Oberbau einschließlich einer Oberleitung eingegriffen wird, soweit es sich nicht lediglich um Erhaltungs- und Unterhaltungsmaßnahmen oder um kleinere Baumaßnahmen handelt.27 Daraus folgt zugleich auch, dass bei einer Erneuerung nicht der Einsatz neuer oder anderer Bau- und Werkstoffe sowie eine heute anwendbare Technik automatisch eine Änderung i.S.d. § 18 AEG hervorruft. Dies ist in der Rechtsprechung anerkannt.28 Auch in der Literatur ist anerkannt, dass bei solchen Maßnahmen es keiner neuen planungsrechtlichen Zulassungsentscheidung bedarf.29 Dies führt dazu, dass für den Ersatz eines Gewölbedurchlasses durch einen Rohrdurchlass kein planungsrechtliches Verfahren nötig wird, da in diesem Fall nur heute anwendbare Technik angewandt wird, weil die nach dem heutigen Technikstand andere Verfahren und Bau- und Werkstoffe eingesetzt werden. Die Erhaltung beschränkt sich also auf die Sicherung des vorhandenen Bestandes (Status quo), während Anlagenänderungen darüber hinausgehen30 müssen. Durch Erhaltungsmaßnahmen soll lediglich erreicht werden, dass der IstZustand der Bahnanlage ihrem Sollzustand (Funktionssicherung) entspricht. Eine für Bahnstrecken typische Erhaltungsmaßnahme ist die aus Gründen der ___________ 24 Jarass, BImSchG-Kommentar, 8. Aufl. 2010, § 41 Rn. 26b (Anwendung des § 41 ist unabhängig von der Zulassungsbedürftigkeit zu beachten). 25 BR-Drs. 661/89, Seite 32 ff. 26 BVerwG, Urt. vom 18.7.2013 – 7 A 9/12 –, juris, Rn. 22 (auch bei umfangreichen Eingriffen in die Substanz des Schienenwegs können lediglich Erhaltungsmaßnahmen vorliegen, die die Rechtsfolge des § 41 BImSchV nicht nach sich ziehen). 27 Fn. 23, so schon BVerwG, Urt. vom 12.4.2000 – 11 A 1898 –, NVwZ 2001, 82; Urt. vom 20.5.2000 – 11 C 3/97 –. 28 Fn. 2, so auch schon BVerwG, Urt. vom 27.1.1995 – 7 VR 16/94 –. 29 Hermes/Sellner, AEG-Kommentar, § 18 Rn. 58. 30 So schon BVerwG, Urt. vom 24.9.1997 – 11 C 10.96 –, NVwZ 1998, 1075 (1076).

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Betriebssicherheit erforderliche Beseitigung der Böschungsvegetation31 bis ca. 6 Meter abseits der Gleisachse. Zur Erhaltung zählen auch Maßnahmen, die dazu dienen, die Bahnanlage ohne Änderung ihrer Zweckbestimmung einem fortgeschrittenen Stand der Technik anzupassen32. Hierunter fallen die Auswechslung von Holz- gegen Betonschwellen oder aber die Auswechselung von Signalanlagen an einem Bahnübergang, die Aufstellung neuer Oberleitungsmasten oder die Erneuerung der Schienen. Im Rahmen der Erhaltung sind selbst Baumaßnahmen von der Planfeststellung freigestellt, die technisch einem Neubau gleichkommen (z.B. der Ersatz einer baufälligen Brücke durch ein baugleiches Bauwerk). Dies ist lediglich der Extremfall einer Erhaltungsmaßnahme.33 Festzuhalten bleibt, dass eine Erhaltungsmaßnahme dann vorliegt, soweit die Identität der „Altanlage“ durch die Erhaltungsmaßnahme gewahrt bleibt und nicht eine nach Gegenstand, Art oder Funktionsweise andere Anlage entsteht oder hinzugekommen ist. Eine Erhaltungsmaßnahme liegt damit also vor bei der Wiederherstellung des bisherigen planfestgestellten Zustands, um die bisherige Funktionsfähigkeit der Betriebsanlage zu erhalten, wiederherzustellen oder an neue Standards zum Beispiel neuere „kleinere“ Elektrotechnik bei Koppelstellen, Sicherungsanlagen von Bahnübergängen usw. anzupassen.

III. Abgrenzungsschwierigkeiten An einem Beispiel sollen nachfolgend die Detailschwierigkeiten dargestellt werden: In einem Bahnhof soll eine elektrische Weichenheizstation (kleines Schalthaus mit Verkabelung zu den Weichen) zwischen oder neben den Gleisanlagen errichtet werden, um im Winter die vorhandenen Weichen nicht von Hand enteisen zu müssen. Verschiedene Betrachtungen sind nun denkbar: 1. Stellt man nur darauf ab, dass auf dieser konkreten Standfläche bisher keine solche Einrichtung war, wäre die Maßnahme ein Neubau einer Betriebsanlage. 2. Andererseits könnte es auch eine Änderung sein, wenn man berücksichtigt, dass der freie Bereich zwischen oder neben den Gleisen ein Teil eines Bahnhofs bzw. einer Strecke ist, also einer vorhandenen Betriebsanlage, die geändert wird. ___________ BVerwG, Urt. vom 22.11.2000 – 11 A 4.00 –, NVwZ 2001, 562. BVerwG, Beschl. vom 27.1.1995 – 7 VR 16.95 –, NVwZ 1995, 568; Urt. vom 17.11.1999 – 11 A 4.98 –, BVerwGE 110, 81 (85). 33 OVG Berlin, Beschl. vom 8.2.1991 – OVG 2S 18.90 –; im Ergebnis ebenso BVerwG, Urt. vom 17.11.1999 – 1 A 4.98 –, BVerwGE 110,81 (85). 31 32

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3.

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Es könnte aber auch eine bloße Erhaltungsmaßnahme sein, wenn man berücksichtigt, dass der Zweck der Maßnahme eine modernere und nach dem heutigen Stand der Technik eine betrieblich komfortablere Lösung gegen das Festfrieren der Weichen im Winter ist, mit anderen Worten: Die Station dient lediglich der störungsfreien Aufrechterhaltung des Betriebes einer planfestgestellten und gebauten Infrastruktur durch den Wegfall der händischen Enteisung der Weichen.

Um diese Frage entscheiden zu können, ist nicht heranzuziehen, ob die bauliche Maßnahme Auswirkungen auf Rechte oder auf öffentliche oder private abwägungserhebliche Belange haben kann. Das Abstellen auf die Betroffenheit von Belangen ist nach dem bisher Ausgeführten nicht das entscheidende Kriterium für die Bestimmung ob, sondern welches planungsrechtliche Verfahren durchgeführt werden muss, und mithin hier nicht entscheidend aufzuführen.34 Dies wird besonders deutlich, wenn man sich ein Beispiel vor Augen hält, das zurzeit an vielen Bahnhöfen vorgenommen wird. Die energetische Sanierung denkmalgeschützter Empfangsgebäude wird zurzeit bundesweit durchgeführt und besteht i.d.R. aus Fassadendämmung und sonstigen energetischen Maßnahmen. Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, dass solche Maßnahmen als Erneuerungsmaßnahmen nicht planfeststellungsrelevant sind, obwohl sie öffentliche Belange betreffen (z.B. den Denkmalschutz). Damit stellt sich die Notwendigkeit, die beschriebenen Abgrenzungsprobleme auf andere Art und Weise zu lösen. Hierbei erscheint es richtig, sich noch einmal die Hauptaufgabe der Planfeststellung vor Augen zur führen: Ein Planfeststellungsverfahren dient der Einbindung eines Vorhabens in die öffentlich-rechtliche Landschaft und der Bewältigung der Konflikte, die das Vorhaben auslöst, weil es – bei einem Neubau oder einer Änderung – den vorhandenen Rahmen des planfestgestellten Bestands verlässt. Maßnahmen, die sich im Bereich des planungsrechtlichen Bestandsschutzes bewegen, d.h. im Rahmen der planfestgestellten baulichen Situation vor Ort, können daher keine Änderungen im planfeststellungsrechtlichen Sinne sein, auch wenn sie rein technisch gesehen eine geringfügige Veränderung einer bestehenden Anlage darstellen (z.B. der Wechsel von Holzschwellen auf Betonschwellen, neue Schienen, neue Fassadendämmung usw.). Dies bedeutet, dass der Bezugspunkt der Vergleichsbetrachtung der bisherige planungsrechtliche Bestand sein muss. Diese Erkenntnis führt zwangsläufig dazu, streng zwischen einer Änderung im technischen Sinn und einer Änderung im planungsrechtlichen Sinn zu unterscheiden. Nur die letztgenannte Änderung kann eine Änderung im Sinne von § 18 AEG sein. ___________ 34 Es sind Maßnahmen vorstellbar, die öffentliche Belange betreffen, obwohl sie unzweifelhaft reine Instandsetzungs-, also Unterhaltungsmaßnahmen sind (z.B. auch der Neuanstrich eines denkmalgeschützten Gebäudes in den grellsten Farben).

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In der Rechtsprechung und Literatur werden Kriterien genannt, wann eine bautechnische Veränderung eine Änderung im planfeststellungsrechtlichen Sinn ist: 1. Wenn die vorhandene Anlage durch die Maßnahme eine zusätzliche Verkehrsfunktion erhalten soll (z.B. Elektrifizierung einer Strecke mit Trassierungsanpassungen macht diese für eine völlig andere „schnellere“ Fahrzeugklasse tauglich)35. 2. Wenn die Änderung im Grund- oder Aufriss der Anlage wesentlich über den Verfahrensgegenstand der ursprünglichen Planfeststellung hinausreicht. 3. Wenn die veränderte Anlage von ihrer Konstruktionsart bzw. Gestalt unter Berücksichtigung des Stands der Technik wesentlich von dem vorherigen Zustand abweicht, so dass das Erscheinungsbild als etwas völlig anderes wahrgenommen wird. Ein Beispiel ist hier der Wechsel von einer großen gebietsprägenden Fachwerkbrücke auf eine große gebietsprägende Durchlaufträgerbrücke, nicht jedoch der Ersatz einer gemauerten Überführung durch ein Betonrahmenbauwerk nach aktuellen technischen Stand. Maßgeblich ist letztendlich, ob die Identität mit der Altanlage gewahrt bleibt oder ob eine nach Gegenstand, Art oder Betriebsweise im Wesentlichen andersartige Anlage hinzugekommen ist oder entsteht.36 Bei Anwendung der obigen Kriterien aus der Literatur ergibt sich im o.g. Ausgangsfall für die Weichenheizung folgende Bewertung: Die vorhandene bauliche Situation vor Ort – der Bestand des umliegenden Bahnanlagenareals als Bezugspunkt – ist im Wesentlichen gleich und wird nicht erkennbar geprägt von dem hinzukommenden kleinen Betonhaus, damit entfällt die Einstufung als Neubau. Obwohl das zwischen oder neben den Gleisen stehende Betonhaus rein technisch eine Veränderung der vorhandenen Betriebsanlage ist (und als deren Teil auch selbst Betriebsanlage ist), dient es nicht dem Zweck der Schaffung einer neuen Verkehrsfunktion, sondern dem bloßen störungsfreien Betrieb der im Bahnhof liegenden Gleise auch unter ungünstigen Witterungsbedingungen. Es ändern sich weder Gegenstand, Art oder Betriebsweise der Weichen im Bahnhof noch das wesentliche Erscheinungsbild des Bahnhofs. Folglich muss die Maßnahme hier nur als Änderung im technischen Sinn, aber nicht als Änderung im planungsrechtlichen Sinn betrachtet werden. Sie kann daher als Erhaltungsmaßnahme genehmigungsfrei ohne Verfahren nach § 18 AEG durchgeführt werden. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich als Fazit, dass das Kriterium „planungsrechtliche Relevanz“ sehr unbestimmt und auch gesetzessystematisch ___________ 35

Alleine eine Traktionsänderung (Diesel auf Elektrofahrzeuge) nach einer Elektrifizierung ohne Trassierungsanpassungen reicht hierfür nicht. 36 Hermes/Sellner, AEG-Kommentar, § 18 Rn. 56; BVerwG, Urt. vom 27.03.1992, – 7 C 18/91 –.

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falsch ist. Richtigerweise ist zwischen Änderungen im technischen und planungsrechtlichen Sinn – bezogen auf den planungsrechtlichen Bestand – anhand der genannten Abgrenzungskriterien zu unterscheiden. Steht nach Prüfung im Einzelfall fest, dass eine Änderung im planungsrechtlichen Sinn vorliegt, muss ein Zulassungsverfahren nach § 18 AEG erfolgen. Die genaue Verfahrensart bestimmt sich dann anhand der von dem Vorhaben betroffenen Belange. Mithin ist die Erhaltungsmaßnahme auch die nachträgliche Behebung vorhandener Mängel an der Betriebsanlage mit dem Ziel, den zum bestimmungsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand, der den Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerecht wird, zu gewährleisten bzw. wieder herzustellen.37 Liegt danach eine Erhaltungsmaßnahme vor, scheidet ein Verfahren gemäß § 18 AEG in Ermangelung einer planungsrechtlichen Änderung aus. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Aufgabenbereich einer Behörde oder aber die Belange Dritter erstmalig oder stärker als bisher betroffen sind. Als Beispiele genannt werden können die Auswechslung der Schienen, Schwellen und Weichen, die Erneuerung einer Eisenbahnüberführung im Rahmen der Instandhaltung (Ersatz einer Bruchsteinkonstruktion durch ein Betonrahmenbauwerk; Ersatz eines Durchlasses (Rahmenmauerwerk) durch einen Rohrdurchlass, energetische Sanierungen usw. Diese allgemeinen Erneuerungspflichten des Eisenbahninfrastrukturunternehmens ergeben sich unmittelbar auch aus der EBO (§ 2 Abs. 1 EBO)38 und unterliegen insoweit nicht einer planungsrechtlichen Entscheidung des EisenbahnBundesamtes gemäß § 18 AEG. Als Zwischenergebnis lässt sich mithin festhalten: 1.

Steht nach Prüfung im Einzelfall fest, dass eine Änderung und keine Erhaltungsmaßnahme im planungsrechtlichen Sinn vorliegt, muss ein Zulassungsverfahren nach § 18 AEG erfolgen. Kriterien zur Einordung einer Maßnahme als Erhaltungsmaßnahme sind: – Keine zusätzliche Verkehrsfunktion – Keine Änderung im Grund- oder Aufriss der Anlage wesentlich über den Verfahrensgegenstand der ursprünglichen Planfeststellung hinaus – Keine wesentliche Änderung der Konstruktionsart bzw. Gestalt unter Berücksichtigung des Stands der Technik.

2.

___________ Auswechslung von Gleisen: BVerwG, Urt. vom 27.1.1995 – 7 VR 16/94 –; Brockenbahn: OVG Magdeburg, Urt. vom 29.3.1995 – 4 L 229/93 –; grundlegend: BVerwG, Urt. vom 5.2.1992 – 4 C 28/90 – zum EKrG. 38 Wittenberg/Heinrichs/Mettmann/Mallikat, EBO, 5. Aufl. 2006, § 1 Rn. 14. 37

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IV. Zuständigkeit für Maßnahmen zur Umsetzung einer Erneuerungsmaßnahme Im Rahmen von Erneuerungsmaßnahmen werden regelmäßig andere öffentliche Belange berührt, d.h. es werden tatbestandliche Genehmigungen, Erlaubnisse oder Bewilligungen nötig. Zu denken ist hier zum Beispiel an eine vorübergehende Grundwasserabsenkung während des Neubaus einer Eisenbahnüberführung an bisheriger Stelle, eine denkmalrechtliche Genehmigung bei energetischen Maßnahmen an denkmalgeschützten Gebäuden oder die naturschutzrechtliche Eingriffsgenehmigung aufgrund einer Baustelleneinrichtung. Ferner könnte auch ein Grundstück eines Dritten durch die Baustelle beeinträchtigt werden und nicht zuletzt könnten Baulärmfragen relevant werden. Zunächst ist festzuhalten dass gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Eisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz (BEVVG) das Eisenbahnbundesamt für die Planfeststellung für Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes und gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 BEVVG für die Bauaufsicht für Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes zuständig ist. Die Zuständigkeit des Eisenbahnbundesamtes beschränkt sich also – planungsrechtlich – auf Vorhaben im Sinne des § 18 AEG. Sofern keine planungsrechtliche Entscheidung notwendig ist, ist das Eisenbahn-Bundesamt für die Sanktionierung der Maßnahmen die im Umsetzen einer Erneuerungsmaßnahme im Übrigen anfallen, nicht zuständig. In Betracht kommt aber eine Zuständigkeit der ansonsten zuständigen Landesbehörden.39 Am Beispiel eines Eingriffs im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes soll hier die Zuständigkeit näher untersucht werden: Unterstellt wird, dass es sich bei einer Baustelleneinrichtungsfläche im Rahmen einer Erhaltungsmaßnahme um einen Eingriff i.S.d. § 14 Abs. 1 BNatSchG handelt, also um Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Gesetzlich vorgesehener Regelfall des Verfahrens ist gemäß § 17 Abs. 1 BNatSchG das sog. Huckepack-Verfahren:40 Bedarf ein Eingriff nach anderen Rechtsvorschriften einer behördlichen Zulassung oder einer Anzeige an eine Behörde oder wird er von einer Behörde durchgeführt, so hat diese Behörde zu-

___________ 39 Anzeige gem. § 34 Abs. 6 BNatSchG und Sicherstellung der habitatschutzrechtlichen Anforderungen; Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG-Kommentar, 2. Aufl. 2010, § 34 Rn. 120. 40 Schmidt-Kahl, Umweltrecht, 8. Aufl. 2010, § 7 Rn. 32.

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gleich die zur Durchführung des § 15 erforderlichen Entscheidungen und Maßnahmen im Benehmen mit der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu treffen. Hier ist aber gerade kein Planfeststellungsverfahren durchzuführen, da für Erhaltungsmaßnahmen der Anwendungsbereich des § 18 AEG nicht eröffnet ist, da es sich weder um den Bau noch um eine Änderung von Bahnanlagen handelt.41 Insofern können auch nicht die nach Naturschutzrecht notwendigen Genehmigungen in dem planungsrechtlichen Verfahren ausgesprochen werden. Auch ein Baugenehmigungsverfahren nach den Vorschriften des Baugesetzbuches in Verbindung mit den entsprechenden Länderbauordnungen ist nicht durchzuführen, weil der Anwendungsbereich – Eingriffe sind keine baulichen Anlagen – dies nicht erlaubt (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 HBO). Es findet also kein Baugenehmigungsverfahren statt. Gemäß § 17 Abs. 3 BNatSchG ist aber für einen Eingriff, der nicht von einer Behörde durchgeführt wird und der keiner behördlichen Zulassung oder Anzeige nach anderen Rechtsvorschriften bedarf, eine Genehmigung der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde erforderlich. Das heißt, dass die Naturschutzbehörde in einem selbstständigen Genehmigungsverfahren die Voraussetzungen des § 15 BNatSchG zu prüfen hat, wozu auch Ausgleichsmaßnahmen gehören42. Dieses Verfahren beginnt nach § 17 Abs. 3 Satz 2 BNatSchG mit dem schriftlichen Antrag des Vorhabenträgers und endet mit der Erteilung der Genehmigung nach § 17 Abs. 3 BNatSchG. Zuständige Behörde ist – in Hessen – gemäß §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Bundesnaturschutzgesetz (HAGBNatSchG) der Kreisausschuss als untere Naturschutzbehörde. Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 BNatSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn die Anforderungen des § 15 BNatSchG erfüllt sind. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde trifft gemäß § 17 Abs. 3 Satz 4 BNatSchG die zur Durchführung des § 15 erforderlichen Entscheidungen und Maßnahmen. Die Naturschutzbehörde prüft hierbei zunächst das Vorliegen der Voraussetzungen und setzt die Ausgleichsmaßnahmen bzw. die Ersatzmaßnahmen fest. Hinsichtlich der Möglichkeit der Enteignung für die ggf. nötigen Ausgleichsmaßnahmen muss ein Enteignungsverfahren durchgeführt werden. Beim enteignungsrechtlichen Verfahren handelt es sich stets um ein eigenständiges Verfahren.43 Gemäß § 68 Abs. 3 BNatSchG richtet sich das Verfahren für Enteignungen

___________ 41 42 43

Hermes/Sellner, AEG-Kommentar, § 18 Rn. 59. Fn. 39 im Hinblick auf FFH und Vogelschutzgebiete. Allgemein zum Verfahren Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, § 39 Rn. 19ff.

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nach Landesrecht.44 Ein Enteignungsverfahren setzt grundsätzlich kein vorhergehendes Verfahren und auch keine planerische Abwägung voraus. Die Einleitung eines Enteignungsverfahrens setzt in Hessen gemäß § 22 Hessisches Enteignungsgesetz (HEG) einen Antrag des Begünstigten auf Durchführung eines Enteignungsverfahrens voraus, der mit den zur Beurteilung des Vorhabens erforderlichen Unterlagen bei der Enteignungsbehörde schriftlich zu stellen ist.45 Die Enteignungsbehörde entscheidet über den Antrag im Verfahren nach §§ 22 ff. HEG, an dessen Ende der Enteignungsbeschluss gemäß § 30 HEG steht. Im Enteignungsbeschluss wird gemäß § 30 Abs. 2 HEG über Gegenstand und Umfang der Enteignung, über die Art der Entschädigung, über die Höhe der Entschädigung in Geld und eine Ausgleichszahlung entschieden. Gibt es – wie im vorliegenden Fall – keinen Planfeststellungsbeschluss, muss mit dem Enteignungsbeschluss auch über das „Ob“ der Enteignung entschieden werden. Das bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Voraussetzungen der §§ 14 und 15 BNatSchG von der Enteignungsbehörde noch einmal geprüft werden. An die Einschätzung der Naturschutzbehörde ist sie dabei aufgrund der fehlenden enteignungsrechtlichen Vorwirkung nicht gebunden. In Hessen können also die Flächen für Kompensationsmaßnahmen nach Naturschutzrecht enteignet werden, auch wenn vorher lediglich ein selbstständiges naturschutzbehördliches Verfahren nach § 17 Abs. 3 BNatSchG durchgeführt worden ist. Wird eine Erhaltungsmaßnahme durchgeführt, müssen die für die Maßnahmen notwendigen Genehmigungen vorliegen, bzw. vom Vorhabenträger eingeholt werden, d.h. für eine vorübergehende Grundwasserabsenkung im Rahmen einer Erneuerung einer Eisenbahnüberführung müssen die dazu notwendigen wasserrechtlichen Erlaubnisse vorliegen bzw. eingeholt werden, der Eingriff in Natur und Landschaft durch eine Baustelleneinrichtungsfläche aufgrund der Erhaltungsmaßnahmen muss eingeholt werden bzw. genehmigt sein. Durch das Vorliegen einer Erhaltungsmaßnahme entfällt die Möglichkeit der planungsrechtlichen Entscheidung für die o.g. Maßnahmen Grundwasserabsenkung, Eingriffsregelungen aufgrund der Baustelleneinrichtung und ggf. auch eine denkmalrechtliche Genehmigung. Zuständig hierfür sind die nach Landesrecht zuständigen Behörden, da das Verfahren über § 18 AEG versperrt ist und die jeweiligen Landesbehörden für den Vollzug ihrer Landesbestimmungen zuständig sind.

___________ 44 45

Vgl. auch § 22 Abs. 4 AEG. Zum Antragserfordernis Hermes/Sellner, AEG-Kommentar, § 22 Rn. 85.

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V. Der Ersatzneubau Vielfach werden von den Vorhabenträgern sogenannte „Ersatzneubauten“ zur planungsrechtlichen Entscheidung beantragt. Dieser Begriff stammt aus der Finanzierung, wobei er i.d.R. den Ersatz eines Bauwerks durch einen Neubau an gleicher Stelle beinhaltet.46 Die Abmessungen bleiben dabei i.d.R. gleich. Im Rahmen der Erhaltung sind diese Baumaßnahmen von der Planfeststellung freigestellt, kommen sie doch zwar technisch einem Neubau gleich (z.B. der Ersatz einer baufälligen Brücke durch ein baugleiches Bauwerk), stellen aber keine planungsrechtlichen Änderungen dar. Dies ist lediglich der Extremfall einer Erhaltungsmaßnahme47. Es kann sich jedoch dann um eine Änderung handeln, wenn das Bauwerk im Rahmen der Erneuerung vergrößert und an kommende Verkehre angepasst werden soll (verkehrsfunktionelle Anpassungen im Rahmen der Erhaltungsmaßnahme). In diesem Falle sollte es im planungsrechtlichen Verfahren auch als Änderung und nicht als Ersatzneubau bezeichnet werden. Soweit eine Erneuerung vorliegt ist dafür ein planungsrechtliches Verfahren entbehrlich.

VI. Zusammenfassung 1. 2. 3. 4.

5.

Erhaltungsmaßnahmen (Oberbegriff) bestehen aus Unterhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen. Der Einsatz neuer oder anderer Bau- und Werkstoffe sowie eine heute anwendbare Technik sind nicht automatisch eine Änderung. Die Erhaltung beschränkt sich auf die Sicherung des vorhandenen Bestandes (Status quo), während Anlagenänderungen darüber hinausgehen. Kriterien zur Einordung einer Maßnahmen als Erhaltungsmaßnahme sind: – Keine zusätzliche Verkehrsfunktion (planungsrechtliche Änderung), – keine Änderung im Grund- oder Aufriss der Anlage wesentlich über den Verfahrensgegenstand der ursprünglichen Planfeststellung hinaus, – keine wesentliche Änderung der Konstruktionsart bzw. Gestalt jedoch unter Berücksichtigung des Stands der Technik. Für Erneuerungsmaßnahmen ist eine „erneute“ planungsrechtliche Entscheidung entbehrlich.

___________ 46

Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Kap. 13 Rn. 12.5. OVG Berlin, Beschl. vom 8.2.1991 – OVG 2S 18.90 –; im Ergebnis ebenso BVerwG, Urt. vom 17.11.1999 – 1 A 4.98 –, BVerwGE 110,81 (85). 47

Erhaltungsmaßnahmen von Betriebsanlagen der Eisenbahn

6. 7.

233

Das Eisenbahn-Bundesamt ist für die Sanktionierung der Maßnahmen, die aus Anlass einer Erneuerungsmaßnahme anfallen, nicht zuständig. Die Zuständigkeit im Übrigen richtet sich nach dem jeweiligen Landesrecht.

Baden-Württemberg: Ein Leitfaden für eine neue Planungskultur Von Ulrich Arndt Wie Sie wissen, setzt die Landesregierung von Baden-Württemberg einen politischen Schwerpunkt auf die Bürgerbeteiligung. Das hat wahrlich historische Gründe. Denn die Auseinandersetzungen um Stuttgart 21 haben sich bereits tief in das kollektive Gedächtnis der Baden-Württemberginnen und Baden-Württemberger eingebrannt. Das Haus der Geschichte, das ist das zentrale historische Landesmuseum in Stuttgart, hatte dazu bereits eine Ausstellung gemacht. So ist es nicht überraschend, dass Herr Ministerpräsident Kretschmann eine Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung berief. Ein Staatsrat oder eine Staatsrätin sind eine baden-württembergische Besonderheit. Es handelt sich um ein Ehrenamt mit Ministerrang, also Stimmrecht im Kabinett. Aufgabe von Staatsräten ist es, ein bedeutendes Querschnittsthema über alle Ministerien hinweg zu koordinieren und voranzubringen. Der Koalitionsvertrag macht entsprechend klare Vorgaben für Einfluss der Bürgerinnen und Bürger. Das betrifft zum einen die Ausweitung der direkten Demokratie. Zum anderen geht es um mehr Bürgerbeteiligung im Planungswesen. Die Bürgerbeteiligung wird der Gegenstand meines Vortrages sein. Vorab kann ich aber schon darauf hinweisen, dass die klare inhaltliche Trennung des Koalitionsvertrages rechtlich einleuchtend ist. In der politischen Öffentlichkeit wird die Bürgerbeteiligung, also der deliberative Ansatz, meistens mit direkter Demokratie gleichgesetzt. Der deliberative Ansatz, ausgehend von Konzepten des Philosophen Habermas, setzt auf öffentliche Diskurse, öffentliche Beratung und Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an der öffentlichen Kommunikation. Die direkte Demokratie dagegen gibt den Bürgerinnen und Bürgern handfeste Mitentscheidungsrechte in Form von Abstimmungen. Die rechtlich strikte Trennung der zwei Konzepte ist politisch ein ernsthaftes Problem, entstehen so doch völlig falsche und überzogene Erwartungen an die Bürgerbeteiligung im Planungswesen. Kommen wir zurück zur Vorgabe des Koalitionsvertrages. Soweit es um die Bürgerbeteiligung geht, gibt es zwei Unteraufträge. So sollen Änderungen an Gesetzen genauso geprüft werden wie Handlungsspielräume innerhalb des bestehenden Rechts. Und genau für die letztgenannte Thematik sollte es einen sogenannten Leitfaden für eine neue Planungskultur geben, der in der Obhut von Staatsrätin Erler liegt.

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Vorweg möchte ich Ihnen schon zurufen, dass es mir wesentlich einfacher erscheint, neue Konzepte im Wege einer Gesetzesinitiative einzubringen als neue Ideen, die zudem politisch bedeutsam sind, innerhalb des bestehenden Rechts umzusetzen. Der Ansatz ist aber naheliegend: Bevor neue Gesetze gemacht werden, soll erst der bestehende Handlungsspielraum voll ausgereizt werden. Nach einer international angelegten Synopse vieler Leitfäden stellte sich heraus, dass es bereits sehr viele Methodenhandbücher gibt. Andererseits war es ein Ziel, die Bürgerbeteiligung verbindlicher zu gestalten. So zeichnete sich bald ab, dass der Weg über eine Verwaltungsvorschrift (VwV) führen musste. Wie es sich für eine Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung ziemt, wurde zur Erarbeitung dieser VwV ein mehrstufiger Beteiligungsprozess aufgelegt. Es begann mit einer Expertenrunde. Deren Vorschläge wurden in mehreren Workshops mit den Hauptbetroffenen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesverwaltung, erörtert, geändert, verbessert. Zudem gab es eine Öffentlichkeitsbeteiligung über das Beteiligungsportal im Internet. Dort können die Bürgerinnen und Bürger sich über Projekte sowie Gesetzesinitiativen der Landesregierung unterrichten und sie kommentieren. Das wurde ergänzt mit einer Tagung in Karlsruhe, bei der Vertreter der Zivilgesellschaft und zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger die entworfenen Konzepte bewerteten und ergänzten. Die Ministerien waren laufend einbezogen, ebenso der Landtag – auch wenn eine VwV exekutives Handeln darstellt. Doch die politische Bedeutung, das zeigte sich schon bei den Vorarbeiten, des Planungsleitfadens ist groß. Denn der Planungsleitfaden gilt als ein zentrales Projekt der Landesregierung zur Stärkung der Bürgerbeteiligung. Auch wenn es sich rechtlich nur um eine Verwaltungsvorschrift handelt, war das Interesse der Öffentlichkeit, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Medien also enorm. Lassen Sie mich nun das Konzept des Planungsleitfadens, konkret der zu Grunde liegenden VwV zur Intensivierung der Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Zulassungsverfahren – VwV Öffentlichkeitsbeteiligung genannt – erläutern. Der Planungsleitfaden steht unter der Überschrift „früh, verbindlich und flexibel“. Früh bedeutet, dass die Bürgerbeteiligung schon in der Vorplanung beginnen und bis zur Realisierung nachgehalten werden muss. Es reicht also nicht aus, ein einziges Mal ganz am Anfang die Bürgerbeteiligung durchzuführen. Sie muss durch den gesamten Prozess hindurch gestaltet werden. Verbindlich bedeutet, dass das Land bei eigenen Projekten vorangeht und sich selbst bindet. Es gibt dafür neuartige Scharniere, um die Erkenntnisse der Bürgerbeteiligung in die formellen Verfahren, also die Verwaltungsfahren beginnend mit der Antragstellung, zu überführen. Flexibel weist daraufhin, dass keine schematischen Vorgaben gemacht werden, sondern den Handelnden vor Ort genügend Spielraum für situationsangepasstes Vorgehen gelassen wird.

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Im Einzelnen möchte ich Ihnen daher die Konzeption erläutern, ohne auf jedes Detail einzugehen. Interessierte finden weitere Informationen auf dem Beteiligungsportal, wo auch der Planungsleitfaden selbst eingestellt ist und in einem Aufsatz in einer Fachzeitschrift1. Erster Ausgangspunkt ist eine strikte Differenzierung der Vorhabenträger. Auf der einen Seite stehen private Vorhabenträger, kommunale Vorhabenträger und Fälle der Bundesauftragsverwaltung. Hier kann eine VwV der Landesregierung keine unmittelbare Wirkung entfalten. Diese Vorhabenträger können mit einer VwV zu nichts rechtlich verpflichtet werden. Deshalb liegt der Schwerpunkt der VwV auf den Vorhaben des Landes. Die VwV Öffentlichkeitsbeteiligung regelt daher vorrangig das Verhalten von Landesbehörden bei der Planung und Zulassung landeseigener Projekte. Bei den eingangs erwähnten Vorhaben Dritter übernimmt die VwV Öffentlichkeitsbeteiligung das Konzept des § 25 Abs. 3 VwVfG und regelt die Beratung durch die Landesbehörden. Dafür enthält der die VwV erläuternde Planungsleitfaden zahlreiche Checklisten und Empfehlungen. Die Behörden sollen im ganzen Land einheitlich beraten. Das ist gerade aus Sicht der Wirtschaft wichtig, sichert es doch die Vorhersehbarkeit des Verwaltungshandelns. Ziel der Beratung ist es, dass die privaten Vorhabenträger ergänzende, also über gesetzliche Mindestanforderungen hinausgehende Bürgerbeteiligung durchführen. Das dient nicht nur dem gesellschaftlichen Diskurs, sondern kann die Behörden später bei der Anzahl der Einwendungen deutlich entlasten, wie eine erste Untersuchung des FöV Speyer gezeigt hat. Der zweite Ausgangspunkt ist eine Differenzierung zwischen den gesetzlichen Beteiligungsformaten und informellen Methoden. Diese stehen bisher unverknüpft nebeneinander. Deshalb sind die neuartigen Verzahnungen von informeller Beteiligung und gesetzlichen Beteiligungsformaten das Herzstück des Planungsleitfadens. Der dritte Ausgangspunkt orientiert sich an einer strikten Unterscheidung zwischen der Phase vor der Antragstellung und nach der Antragstellung. Burgi2 vertritt nachdrücklich die Auffassung, dass vor Antragstellung kein Rechtsverhältnis zwischen Antragsteller und Behörde besteht, ein Verwaltungsverfahren im Sinne der §§ 9 ff. VwVfG noch nicht begonnen hat. Neben dieser gedanklichen Trennung stellte sich zuerst die Frage nach dem sachlichen Anwendungsbereich. Gewünscht war eigentlich, den Planungsleitfaden bei großen Infrastrukturprojekten anzuwenden. Kühling3 hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass es kein Infrastrukturrecht und entsprechend keinen ___________ 1 2 3

VBlBW 2014, 82 ff. NVwZ 2011, 2012 (277 f.). DVBl 2013, 1093 (1094).

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Rechtsbegriff gibt. Schon früh zeichnete sich ab, dass mit Verweis auf vorhandene Aufstellungen und Listen gearbeitet werden sollte. Schink4 schlug vor, die in Anlage 1 zu § 1 UVPG genannten Anlagen als Kriterium für eine frühe Bürgerbeteiligung zu nutzen. Wir verzichteten auf diese Anlage zum UVPG, um das Städtebaurecht nicht zu erfassen. Dafür sind die Kommunen zuständig, die in ihrem eigenen Wirkungskreis nicht von einer VwV der Landesregierung gebunden werden können. Deshalb orientierten wir uns letztlich bei der Verweisung an einer Wertentscheidung des Gesetzgebers. Für Verfahren mit einer sogenannten förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung sollte die VwV Anwendung finden. Erfasst sind daher planfeststellungspflichtige Vorhaben und solche, die gem. § 10 BImSchG einer förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung unterliegen. Der abstrakte Anwendungsbereich (z.B. Fälle von Plangenehmigungsverfahren) ist logischerweise weiter als das konkrete Bedürfnis für eine ergänzende Öffentlichkeitsbeteiligung. Das erweitert den Anwendungsbereich auf viele unstreitige Verfahren. Eine Eingrenzung erfolgt nicht statisch über eine Begriffsdefinition, sondern prozesshaft über ein sogenanntes Beteiligungsscoping. Denn die Ressourcen sollen auf die wirklich streitigen Verfahren konzentriert werden. Bürgerbeteiligung ohne zu beteiligende Bürgerinnen und Bürger macht keinen Sinn. Darauf werde ich noch eingehen. In der VwV werden sodann die Begrifflichkeiten erläutert. Wir haben beim Begriff frühe Öffentlichkeitsbeteiligung davon abgesehen, begrifflich auf die Betroffenheit der Öffentlichkeit abzustellen. Die Betroffenheit wird, wie soeben erläutert, prozessorientiert in einer eigenen Methodik beim Beteiligungsscoping, geklärt. Grund war, die massive Kritik an dieser Formulierung des neuen § 25 Abs. 3 VwVfG aufzunehmen5. So wird der Begriff der Betroffenheit als unbestimmt und systemfremd angeprangert. Denn im deutschen Recht gibt es in der Regel die Öffentlichkeit einerseits – sozusagen „alle“ – und die individuelle Betroffenheit – also eine oder einer – andererseits. Um die Öffentlichkeit und die Betroffenheit näher einzugrenzen, haben wir das Beteiligungsscoping entwickelt. Das Beteiligungsscoping an sich folgt der aus den Sozialwissenschaften bekannten Umfeldanalyse. Die maßgeblichen Meinungsführer vor Ort sind zu ermitteln, das sind in der Regel die Vorhabenträger, die Angrenzer, Bürgerinitiativen, örtliche Vereine – sei es der Sportverein, Eltern-Kind-Gruppen oder die Landfrauen –, aber auch die Mandatsträger. Es ist ein häufiger Mangel der Bürgerbeteiligung, dass sie mit den politisch Verantwortlichen nicht rückgekoppelt wird.

___________ 4

DVBl. 2011, 1377 (1384). Seibert-Fohr, VerwArch 2013, 311 (318 und 323); Hertel/Munding, NJW 2013, 2150 (2152). 5

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Mit diesen Stakeholdern vor Ort soll über Aspekte der Bürgerbeteiligung gesprochen werden, am besten gemeinsam der Fahrplan für die Beteiligung entwickelt werden. Das ist jetzt schon oft gute Praxis, so bei den von vielen Mittelbehörden praktizierten Projektbeiräten. Der Planungsleitfaden will schließlich die guten Erfahrungen der Landesbehörden nutzen, systematisieren und bündeln. Auch in der Wirtschaft ist das in den Kommunikationsabteilungen bereits eingespielt. Dort zählt die sogenannte Stakeholderanalyse zum Kerngeschäft. Damit die Auswahl und die Einladung der Stakeholder handhabbar bleiben, verweisen wir ausdrücklich auf die höherrangigen § 10 VwVfG und § 44a VwGO. Es besteht ein Verfahrensermessen der Behörden bei der Auswahl der Stakeholder, das gerichtlich nicht isoliert anfechtbar ist. Wir wollen die zusätzliche Bürgerbeteiligung nicht justiziabel machen, das würde die Verfahren nur lähmen. Die Kulturänderung ist ohnehin nicht gerichtlich erzwingbar. Wir schaffen damit den Behörden, sofern sie bei Landesprojekten das Beteiligungsscoping durchführen, einen Freiraum. Spiegelbildlich zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung sehen wir für die Phase nach Antragstellung die nicht-förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung vor. Das entspricht dem von Ziekow zum 69. Deutschen Juristentag präsentierten Konzept der Dialogbrücken6. Wir wollen nicht nur die einmalige Alibi-Beteiligung vor Beginn. Die Bürgerbeteiligung muss vielmehr über alle Phasen eines Projekts durchgehalten werden – aber situationsangepasst. Da die gesetzlichen Verfahren nicht auf Diskurs, sondern auf Rechtssicherheit, auf Präklusion und somit den Ausschluss von Rechten nach einer bestimmten Meldefrist ausgelegt sind, bleibt dort zu wenig Freiraum für die Diskussion von Bürgerbelangen. Die Belange der Bürgerinnen und Bürger orientieren sich eben nicht am gesetzlich vorgegebenen Prüfraster. Es geht oft um so Dinge wie Heimatbild, Verlust der Heimat, langfristige Entwicklungsaspekte oder noch nicht präzisierte Gesundheitsthemen. Wir wollen daher den Diskurs nicht nur vor der Antragstellung, sondern auch noch während des Verfahrens – ergänzend zu den gesetzlichen Methoden. Nun werden Sie sich, zu Recht, fragen, ob wir die Verfahren damit nicht unnötig aufblähen, mehr Bürokratie verursachen, Rechtsansprüche behindern. Diese Fragen haben wir uns ebenfalls gestellt. Wir übernehmen deshalb das von Wulfhorst7 entworfene Beteiligungsscoping auch für diese Phase. Dort geht es nicht um inhaltliche Fragen der Planung. Viel mehr geht es um die Frage, ob denn eine ergänzende Bürgerbeteiligung überhaupt nötig ist und wenn ja, mit welchen informellen Verfahren sie durchgeführt werden kann. Es soll ein flexibler Fahrplan für die Bürgerbeteiligung aufgestellt werden. Das Beteiligungssco___________ 6

Ziekow, NVwZ 2013, 754 (759) zur Dialogbrücke und zum Diskurszusammenhang; Ziekow, Neue Formen der Bürgerbeteiligung? Planung und Zulassung von Projekten in der parlamentarischen Demokratie, 2012, S. D128 ff. zum „Verfahrensplan“. 7 DÖV, 2011, 581 (589).

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ping ist also sowohl der Einstieg als auch der Ausstieg aus der zusätzlichen Bürgerbeteiligung. Es soll bei der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung genauso wie bei der nicht-förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung am Anfang stehen. So lässt sich im Idealfall ein gemeinsamer Fahrplan für die Bürgerbeteiligung entwickeln. Möglicherweise zeigt sich, dass ein Verfahren unstreitig ist. Erwähnt sei der Neubau einer Straßenbrücke in einem naturschutzrechtlich besonders geschützten, aber abgelegenen Gebiet. Hier könnte die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung von Umweltverbänden ausreichend sein. Auch viele Änderungsgenehmigungen dürften unstreitig sein und keine Bürgerbeteiligung erfordern. Deshalb ist es elementar, über das Beteiligungsscoping einen Ausstieg aus der zusätzlichen Bürgerbeteiligung zu schaffen. Wir rechnen ohnehin damit, dass 95% aller Verfahren unstreitig sind und keiner ergänzenden Bürgerbeteiligung bedürfen. Das Instrument des Beteiligungsscopings kann aber auch der Einstieg sein, nämlich dann, wenn sich während der oft jahrelangen Projektdauer ein Streitpotenzial erst aufgebaut hat. Erlauben Sie mir, hier nochmals auf die Differenzierung nach Vorhabenträger einzugehen. Nur bei Vorhaben des Landes ist die Behörde für das Beteiligungsscoping verantwortlich. Bei Vorhaben Dritter entscheidet alleine der Vorhabenträger, ob er die informelle Bürgerbeteiligung durchführt und nach welcher Methode, ob er z.B. das Konzept des Beteiligungsscopings übernehmen will. Während die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung und die nicht-förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung, jeweils mit dem Beteiligungsscoping, für Landesprojekte verbindlich ist, kann dieses Modell dritten Vorhabenträgern also allenfalls empfohlen werden. Das ist Teil der Vorgabe an die Landesbehörden. Sie bekommen entsprechende Checklisten für die Beratung. Das Konzept des Landes ist aber nicht das einzig denkbare. Deshalb sollen die Behörden ausdrücklich auf die VDI-Richtlinien 7000 und 7001 hinweisen. Diese Richtlinien dürften gerade Unternehmen wesentlich mehr liegen. Hier zeigt sich der ordnungsliberale Ansatz der VwV Öffentlichkeitsbeteiligung. Jeder Vorhabenträger entscheidet selbst über die Bürgerbeteiligung. Es ist nicht die Aufgabe staatlicher Behörden, einem privaten Vorhabenträger Akzeptanz zu verschaffen. Mit den VDI-Vorgaben gibt es außerhalb der staatlichen Regulierung zudem einen Qualitätsmaßstab für die Bürgerbeteiligung, auf den die Behörden bedenkenlos verweisen können. Das entspricht dem subsidiären Vorgehen, wonach vor Ort über die Bürgerbeteiligung entschieden werden sollte. An dieser Stelle möchte ich auch dem VDI sehr danken. Wir haben den Planungsleitfaden parallel mit den VDI-Richtlinien erarbeiten und dabei immer wieder die Schnittstellen abstimmen können. Damit nicht genug der Differenzierungen. Wir sehen nämlich, anders als der § 25 Abs. 3 VwVfG, eine gesonderte Behandlung der Raumordnung und des Zulassungsverfahrens vor. Das oben genannte Konzept von früher Öffentlichkeitsbeteiligung, nicht-förmlicher Öffentlichkeitsbeteiligung und Beteiligungsscoping legen wir über die Raumordnung wie über die Zulassung. Damit kann das Beteiligungsscoping als gedanklicher Anker vier Mal genutzt werden: vor

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Einleitung der Raumordnung, nach Einleitung der Raumordnung, vor Antragstellung im Zulassungsverfahren, nach Antragstellung im Zulassungsverfahren. Bei offenkundig unstreitigen Landesvorhaben kann die Behörde von der Durchführung des Beteiligungsscopings absehen. Wir wollen einen situationsangepassten Umgang mit der Bürgerbeteiligung, keine schematischen Vorgaben. Kommen wir zu den inhaltlichen Anforderungen an die einzelnen Beteiligungsformate. Bei Landesprojekten muss das Land als Vorhabenträger im Rahmen der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung die Alternativen und die Null-Variante, also den Verzicht auf das Vorhaben, ansprechen. Das sind zwei Aspekte, die die Bürgerinnen und Bürger am meisten bewegen. Ferner sind Abschichtungen geboten. Themen, die einmal in der Öffentlichkeitsbeteiligung waren, sollen nicht nochmals aufgerufen werden. Das ist im Hinblick auf den Zügigkeitsgrundsatz des § 10 VwVfG geboten. Herr Ministerpräsident Kretschmann spricht schließlich immer wieder davon, dass er aus Baden-Württemberg keinen Debattierclub machen wolle. Wir sehen ferner vor, dass es im Raumordnungsverfahren einen Erörterungstermin geben soll. Es handelt sich um eine Empfehlung und um einen Testlauf für eine gesetzliche Regelung. Gerade in der frühen Phase lassen sich die Bürgerinnen und Bürger nur schwer aktivieren. Die Aktivierung ist aber geboten. Denn hier fallen ganz wesentliche Vorentscheidungen, auch wenn es sich oft um einen noch sehr weiten Planungsmaßstab handelt. Aller Protest bei der Planfeststellung hilft nicht mehr, wenn wesentliche Vorplanungen in der Raumordnung determiniert wurden. Es ist übrigens auch im Interesse von Investoren, dass das Umfeld früh vorbereitet und bearbeitet ist. Inzwischen gilt es als ein Investitionshindernis, wenn unklar bleibt, wie die Bevölkerung auf ein Projekt reagieren wird. Doch bedarf es einiger Anstrengung, um Bürgerinnen und Bürger in dieser frühen Phase aufzuwecken, zu aktivieren. Visuelle und akustische Simulationen können dabei helfen. Im Zulassungsverfahren wollen wir die Fakultativstellung des Erörterungstermins etwas zurücknehmen, soweit das durch eine VwV möglich ist. Wir zeigen Kriterien auf, die dafür oder dagegen sprechen, den Erörterungstermin durchzuführen. So kann zum Beispiel ein Ergebnis des Beteiligungsscopings sein, dass der Erörterungstermin durchgeführt werden soll. Herzstück sind aber die Verzahnungen, die Scharniere zwischen informeller Beteiligung und gesetzlichen Formaten. So soll ganz pragmatisch die Gleichzeitigkeit von früher Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltscoping möglich werden. Gedanklich bleibt hier weiter sauber zu trennen. Das Umweltscoping setzt sich mit den Inhalten, hier der Umweltverträglichkeit, auseinander. Das Beteiligungsscoping fragt nur danach, ob und in welcher Form eine zusätzliche Bürgerbeteiligung geboten ist.

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Deklaratorisch wird die Amtsermittlung auf die Ergebnisse und Erkenntnisse der informellen Bürgerbeteiligung erstreckt. Meines Erachtens hat der Bundesgesetzgeber es versäumt, bei den Beweismitteln des § 26 VwVfG ausdrücklich die Ergebnisse der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung aufzunehmen. Hier zeigt sich die im gesamten deutschen Recht verbreitete hohe Wertigkeit von Sachverständigengutachten. Bürgerideen spielen rechtlich noch keine angemessene Rolle. Die VwV stellt daher klar, dass die Ergebnisse und Erkenntnisse der vom dritten Vorhabenträger durchgeführten frühen Öffentlichkeitsbeteiligung gegebenenfalls von Amts wegen ermittelt werden müssen. Damit wird der Sorge von vielen Bürgerinnen und Bürgern Rechnung getragen, dass ein privater Vorhabenträger die von ihm verantwortete Bürgerbeteiligung manipuliert oder falsche Ergebnisse übermittelt. Wenn dieser Verdacht aufkommen sollte, müssen die Behörden dem nachgehen. Noch wichtiger erscheint mir aber die erweiterte Begründungspflicht. Sie ist eigentlich der Kern des Planungsleitfadens. So muss die Behörde sich inhaltlich mit den Anregungen der Bürgerinnen und Bürger auseinandersetzen. Ergebnis kann sein, dass die Anregungen gegen höherrangiges Gesetz verstoßen. Dann muss das aber auch erklärt werden. Das gehört zur Würdigung des Engagements von Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen einer informellen Bürgerbeteiligung dazu. Wir sprechen von Erkenntnissen und Ergebnissen der Bürgerbeteiligung. Nicht jede abseitige Meinung muss also rezipiert werden. Aber das, was die Bürgerbeteiligung hervorgebracht hat, muss von der Behörde gedanklich durchdrungen werden. Das gehört zum tragenden Teil einer Begründung. Wir glauben, dass das verstärkt dazu führt, dass der Fokus nicht mehr so sehr auf dem Wegwägen, sondern auf dem gebotenen Abwägen liegt. Schließlich können Bürgerideen Planungen auch besser machen. Diese Idee der gebührenden Würdigung findet sich übrigens auch in umweltrechtlichen EU-Vorgaben8. In der Verwaltungspraxis dominiert aber die Angst, zu viel zu schreiben und sich damit vor Gericht anfechtbar zu machen. Wir haben in Baden-Württemberg eine intensive Debatte darüber geführt, ob die Bürgerbeteiligung mehr Stellen in den Mittelbehörden erfordert. Wir haben dafür das FöV Speyer beauftragt, eine Evaluation der Belastungen vorzunehmen, um die Auswirkungen der VwV abzuschätzen und den Stellenmehrbedarf zu errechnen. Kein Projekt der Landesregierung in Baden-Württemberg wurde so intensiv auf seine Kostenfolgen erforscht. Wir sind dem FöV Speyer sehr dankbar für die intensiven, aber in einem engen Zeitkorsett durchgeführten Untersuchungen. Es kam dabei Spannendes zu Tage. So hat das FöV auf der im Sommer 2013 kurzfristig erhobenen Datenbasis einen Mehrbedarf von nur rund neun Stellen im worst case errechnet. Es kann aber sein, dass es sogar eine Stelleneinsparung von rund vier Stellen gibt, wenn die Wirtschaft den Weg mitgeht. Das ist ein ___________ 8

Hendler/Wu in DVBl. 2014, 78 (82, Fn. 34 m.w.N.).

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starkes Signal, auch an die Wirtschaft. Es liegt gerade im Interesse der Unternehmen, dass die Verfahren zügig erfolgen. Erfreulicherweise stehen wir in BadenWürttemberg in einem sehr engen Kontakt mit den Unternehmen. Gerade die Bauwirtschaft, die von Bürgerprotesten besonders betroffen ist, steht eng an unserer Seite für mehr Bürgerbeteiligung. So hoffen wir, dass wir mit dem Planungsleitfaden einen Weg aufzeigen, um dem gesellschaftlichen Wandel gerecht zu werden, den Unternehmen weiterhin zügige Verfahren und Rechtssicherheit zu bieten und die Planungen sogar besser zu machen. Vielleicht wird das Konzept des Planungsleitfadens auch die bundesweiten Reformdiskussionen beeinflussen. Unser nächstes Projekt wird sein, direktdemokratische Elemente im Planungswesen zu erkunden. Wir glauben, dass es in einer ganz frühen Phase durchaus Sinn machen kann, in den betroffenen Regionen eine Befragung über die Gestaltung der Flächen durchzuführen. Es ist Frau Staatsrätin Erler ein großes Anliegen, die bisher unvereinbaren Konzepte der Bürgerbeteiligung einerseits und der direkten Demokratie andererseits zu versöhnen. Die Idee sieht daher vor, regional begrenzte Bürgerbefragungen bei Ermessensentscheidungen von Behörden als Ermessensbelang einzubeziehen. Außerhalb des Planungsrechts funktioniert das ganz gut, so bei den Bürgerhaushalten. Es bliebe im Planungsrecht bei der vor allem wegen der starken Stellung des Eigentumsrechts gebotenen Entscheidungshoheit der Behörde. Ein Bürgervotum könnte aber, quasi als Abwägungsbelang, in die Entscheidungsfindung eingeführt werden. Das aber bedarf noch zahlreicher Prüfungen und ist Zukunftsmusik. Nicht verschweigen möchte ich auch die Rolle der Politik. Wir erleben immer wieder, dass die Bürgerbeteiligung als Forum für lautstarken Protest, für Beschimpfungen und gar für Verschwörungstheorien missbraucht wird. Damit dürfen die Behörden nicht alleine gelassen werden. Ein Ansatz von Staatsrätin Erler ist es, zusammen mit der Führungsakademie entsprechende Fortbildungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung anzubieten. Die Politik sollte aber auch viel mehr Resonanzräume schaffen, in denen die Bürgerinnen und Bürger einfach ungeschminkt sich äußern dürfen. Das empathische Zuhören ohne parteipolitische Rechtfertigung der eigenen Politik ist ein wichtiges Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Sehr gut gelungen scheint das der Landesregierung mit dem Projekt Regierungsbus. Zur Halbzeit der Legislaturperiode letzten Herbst fuhr der Ministerpräsident mit einem Bus durch das Land. Er sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesregierung hörten vor Ort zu, sammelten Vorschläge und Kritik. Diese Rundreise stieß auf teils begeisterte Kommentare, die im Tenor lauteten: Danke, dass man uns einmal zugehört hat. Viele hier im Saal werden diese Erfahrung teilen. Oft ist es ausreichend, Bürgerinnen und Bürgern zuzuhören und aktiv nachzufragen, ohne eigene Vorhaben zu rechtfertigen. Das zeigt, dass die öffentliche Frontalveranstaltung nicht immer das beste Format zu sein scheint. Hier verlasse ich aber mein juristisches Metier. Dieses Feld möchte ich Sozial- und Kommunikationswissenschaftlern überlassen.

Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung zwischen Rechtsvorschrift und Managementinstrument – Das Regulierungskonzept der Richtlinie VDI 7000 Von Volker M. Brennecke

I. Einleitung In der öffentlichen und der juristischen Diskussion gibt es spätestens seit Stuttgart 21 eine intensive Debatte um neue Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Industrie- und Infrastrukturvorhaben. Viele rechtliche Vorschläge befassen sich mit der Erörterung des Vorhabens und der Strukturierung der Bürgerbeteiligung bereits vor den Zulassungsverfahren1. Ein neuer Ansatz wird nun durch eine Richtlinie des VDI verfolgt, die zum einen frühe Öffentlichkeitsbeteiligung als Managementinstrument versteht und für Vorhabenträger dazu einen aus der Praxis entwickelten Managementleitfaden (vergleichbar einer ISO-Norm) vorschlägt. Zum anderen bezieht diese Richtlinie aber auch die neue Vorschrift des § 25 III VwVfG zur Hinwirkungspflicht der Behörden bei der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung und die Verschränkung mit dem förmlichen Zulassungsverfahren in das Konzept ein. Das Regulierungskonzept dieser neuen VDI 7000 „Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung bei Industrie- und Infrastrukturprojekten“ integriert ___________ 

Der Autor ist Koordinator Gesellschaft und Innovation des VDI e.V. und PolitikWissenschaftler sowie Techniker. 1 Vgl. z.B. das Gutachten zum Juristentag 2012: Jan Ziekow, Neue Formen der Bürgerbeteiligung? Planung und Zulassung von Projekten in der parlamentarischen Demokratie, 2012; Alexander Schink, Öffentlichkeit – Beschleunigung – Akzeptanz. Vorschläge zur Verbesserung der Akzeptanz von Großprojekten durch Öffentlichkeitsbeteiligung, in: DVBl. 2011, 1377; Alexander Schink, Bürgerakzeptanz durch Öffentlichkeitsbeteiligung in der Planfeststellung. Defizite und Verbesserungsvorschläge, ZG 2011, 226; Andrea Versteyl, Partizipation durch Verfahren – Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen, in: I + E, Heft 2/2011, 89; Jutta Stender-Vorwachs, Neue Formen der Bürgerbeteiligung?, in: NVwZ 2012, 1061; Jutta Stender-Vorwachs, Bürgerbeteiligung im Verfahren und frühe Öffentlichkeitsbeteiligung, in: Karl J. Thomé-Kozmiensky/Andrea Versteyl/Stephanie Thiel/Wolfgang Rotard/Markus Appel, Immissionsschutz, Band 3 2012, S. 513 – 522; Hans-Jörg Birk, Frühzeitige Bürgerbeteiligung – das Konzept des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren, in: DVBl. 2012, 1000; Reinhard Wulfhorst, Konsequenzen aus „Stuttgart 21“. Vorschläge zur Verbesserung der Bürgerbeteiligung, in: DÖV 2011, 581.

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die Eigeninteressen eines Vorhabenträgers, bezieht die Interessen der Allgemeinheit an einem gesellschaftlich tragfähigen Vorhaben in diesem Prozess ein und antizipiert die Wirkungen des späteren förmlichen Zulassungsverfahrens auf die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung. Der Beitrag entwickelt ein erweitertes Begriffsverständnis von „früher Öffentlichkeitsbeteiligung“ und stellt die Inhalte und das Konzept der VDI 7000 dar. Dabei geht er insbesondere auf die juristische Rezeption ein. Er ist auch ein Beitrag zur Debatte um das Verständnis und die Umsetzung des § 25 III VwVfG in der Praxis von Vorhabenträgern und Behörden. Die neue VDI 7000 „Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung bei Industrie- und Infrastrukturprojekten“ bietet privaten und öffentlichen Vorhabenträgern einen Leitfaden, wie sie vor den Zulassungsverfahren in einem selbst definierten strukturierten Dialogprozess mit relevanten Stakeholdern der Öffentlichkeit Antragsvarianten erarbeiten können, die von einer Mehrheit mitgetragen werden. Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung hat in der VDI 7000 als wesentlichen Bezugspunkt den internen Entscheidungs- und Planungsprozess eines Vorhabenträgers. Bei privaten Vorhabenträgern gehört es zur unternehmerischen Verantwortung, alle Risiken mangelnder Akzeptanz von einem Industrie- oder Infrastrukturvorhaben abzuwehren und zu einer gesellschaftlich tragfähigen Lösung zu kommen. Genauso gilt es bei öffentlichen Vorhabenträgern, die Planungsprozesse möglichst schlank und effizient zu gestalten und spätere Bürgerproteste durch eine frühe Einbindung zu vermeiden.

II. Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung zwischen Rechtsvorschrift und Managementinstrument Das inhaltliche Begriffsverständnis des neuen § 25 III VwVfG unterscheidet sich erheblich von den förmlichen Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung, wie sie in den diversen Fachgesetzen geregelt sind. Die Vorschrift verfolgt andere Ziele als die förmlichen Verfahren, die primär auf die Vorbereitung und Absicherung der Abwägungsentscheidungen der Genehmigungsbehörde und die Sicherung des Rechtsschutzes von Betroffenen ausgerichtet sind. Die Funktion der neuen Bestimmung des § 25 III VwVfG ist denn auch auf die Verwirklichung von Zielen gerichtet, die mit den förmlichen Verfahren alleine nicht erreichbar waren. Die Ziele des Gesetzes2, mit dem auch die neue Bestimmung in das ___________ 2 PlVereinhG v. 31.5.2013 (BGBl I, 1388). Die Bestimmung des § 25 III VwVfG des Bundes muss für den Vollzug im Wege der sog. Parallelgesetzgebung in die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder übernommen werden.

Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung: Das Regulierungskonzept der RL VDI 7000 247

VwVfG eingefügt wurde, sind vom Gesetzgeber anspruchsvoll formuliert worden: „Einführung einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung, (um) die Planung von Vorhaben zu optimieren, Transparenz zu schaffen und damit die Akzeptanz von Genehmigungsund Planfeststellungsentscheidungen zu fördern. Insbesondere Großvorhaben sollen zukünftig mit diesem Bündel von Gesetzesänderungen zügiger und mit einer stärkeren Öffentlichkeitsbeteiligung realisiert werden“3.

Diese umfassenden Ziele können nicht allein von den Genehmigungsbehörden erreicht werden, sondern bedürfen in hohem Maße auch der Vorhabenträger selbst. Die neue Bestimmung gibt den Behörden nur eine „Hinwirkungspflicht“ auf, verpflichtet die Vorhabenträger selbst aber nicht. Allerdings sollen die Vorhabenträger die Ergebnisse ihrer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung den Behörden mitteilen, die diese wiederum im anschließenden Zulassungsverfahren verwenden. Diese Konstruktion ist auch dem Zeitpunkt geschuldet, bei dem diese neue Vorschrift ansetzt: Denn während die förmlichen Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung für die ausgeführten Ziele spät im Prozess der Entscheidungsfindung einsetzen, soll jetzt bereits im Vorfeld und noch ohne (rechtlichen) Bezug zu einem Verwaltungsverfahren gehandelt werden. Dabei wird auch der inhaltliche Anwendungsbereich des § 25 III VwVfG von den präzisen Bestimmungen für die förmlichen Verfahren abgekoppelt und vieles offen formuliert: Aus der Bestimmung kann nicht abgeleitet werden, bei welchen Vorhaben genau frühe Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden soll und bei welchen nicht, welcher Kreis der „betroffenen Öffentlichkeit“ einzubeziehen ist und wann genau diese stattfinden soll. Durch die Platzierung dieser Vorschrift im VwVfG ist sie aber nicht nur für Planfeststellungsverfahren, sondern auch für alle anderen – auch die immissionsschutzrechtlichen – bindend4. Dieser neue § 25 III VwVfG ist für das Planungsrecht insofern eine ungewöhnliche und grundlegend neue Art einer Vorschrift5. Sie lautet: § 25 III Die Behörde wirkt darauf hin, dass der Träger bei der Planung von Vorhaben, die nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Belange einer größeren Zahl von Dritten haben können, die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig über die Ziele des Vorhabens, die Mittel, es zu verwirklichen, und die voraussichtlichen Auswirkungen des Vorhabens unterrichtet (frühe Öffentlichkeitsbeteiligung). Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung soll möglichst bereits vor Stellung eines Antrags stattfinden. Der betroffenen Öffentlichkeit soll Gelegenheit zur Äußerung und zur Erörterung gegeben werden. Das Ergebnis der vor Antragstellung durchgeführten frühen Öffentlichkeitsbeteiligung soll der betroffenen Öffentlichkeit und der Behörde spätestens mit der Antrag-

___________ 3

BT-Drs. 17/9666, S. 1. Zur Auslegung der neuen Vorschrift Jan Ziekow, Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung. Der Beginn einer neuen Verwaltungskultur, in: NVwZ 2013, 754 (755). 5 Heribert Schmitz/Lorenz Prell, Planungsvereinheitlichungsgesetz. Neue Regelungen im Verwaltungsverfahrensgesetz, in: NVwZ 2013, 745 (747). 4

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stellung, im Übrigen unverzüglich mitgeteilt werden. Satz 1 gilt nicht, soweit die betroffene Öffentlichkeit bereits nach anderen Rechtsvorschriften vor der Antragstellung zu beteiligen ist. Beteiligungsrechte nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

Während diese Konstruktion und deren Regelungsgehalt von kritischen Stimmen als rein deklaratorisch kritisiert wird6, sehen andere in ihr den „Beginn einer neuen Verwaltungskultur“7. Dieser Beitrag argumentiert ebenfalls für eine neue Dialog- und Verwaltungskultur, konzentriert sich dabei aber auf deren Bedingungen zur Ermöglichung und nicht auf die rechtliche Auslegung der neuen Bestimmung. Zunächst ist nur festzuhalten, dass diese Vorschrift – so die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates – „nicht lediglich eine ‚vorgezogene‘ Durchführung der bestehenden Beteiligungsformen in einem Planfeststellungs- oder Genehmigungsverfahren dar(stellt)“8. Sie ziele vielmehr „auf eine Optimierung der Planung vor Beginn des förmlichen Verwaltungsverfahrens ab. Ihr Anwendungsbereich ist deshalb bewusst weit gefasst und wird durch die zu erwartenden tatsächlichen Auswirkungen eines Vorhabens bestimmt. Ihre Anwendung setzt weder eine Öffentlichkeitsbeteiligung noch eine (planerische) Abwägungsoder Ermessensentscheidung im nachfolgenden Verwaltungsverfahren zwingend voraus“9.

Dass die Verwaltung nicht der primäre oder alleinige Adressat dieser Bestimmung ist, obwohl nur sie mit Rechtspflichten belegt ist, zeigen auch die Begründungen zum zusätzlichen Erfüllungsaufwand der Verwaltung10: Denn frühe Öffentlichkeitsbeteiligung werde nur dann zu einem Mehraufwand der Verwaltung führen, „wenn der Vorhabenträger erst durch das Hinwirken der Behörde diese Öffentlichkeitsbeteiligung durchführt“. Wenn der Vorhabenträger nicht selbst aktiv wird, so ist daraus zu schließen, muss die Behörde selbst mehr Aufwand betreiben. Aber das ist nicht das Ziel des Gesetzgebers, denn auch hier soll der „Gesamtaufwand“ von früher Öffentlichkeitsbeteiligung und anschließendem Verwaltungsverfahren „nach der Zielsetzung der Vorschrift durch eine Effizienzsteigerung und die Vermeidung von Konflikten verringert werden“11. Im Ergebnis einer ersten Betrachtung zeigt sich, dass der neue § 25 III VwVfG zwar als Rechtsvorschrift nur die Verwaltung bindet, inhaltlich aber über diese ___________ 6 Wolfram Hertel/Christoph-David Munding, Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung und andere Neuerungen durch das Planungsvereinheitlichungsgesetz, in: NJW 2013, 2150. 7 Jan Ziekow, in: NVwZ 2013, 754 (754). 8 BT-Drucks. 17/9666, S. 34. 9 BT-Drucks. 17/9666, S. 34. 10 BT-Drucks. 17/9666, S. 3. 11 BT-Drucks. 17/9666, S. 3.

Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung: Das Regulierungskonzept der RL VDI 7000 249

Art von „Kontextsteuerung“ frühe Öffentlichkeitsbeteiligung „im wohlverstandenen Interesse des Vorhabenträgers“12 von diesem selbst durchzuführen ist. Zudem sei „eine verpflichtende Regelung nicht zweckmäßig und könnte auch verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen“: Bei privaten Vorhabenträgern stelle eine gesetzliche Verpflichtung einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit dar, der einer ausreichenden Rechtfertigung bedürfte“13. Alle Ableitungen des Inhalts, wie frühe Öffentlichkeitsbeteiligung konkret durchgeführt werden sollte und wer die Verantwortung wie wahrnimmt, führen bei den Begründungen des Gesetzgebers immer zum Vorhabenträger selbst. Da dieser aber aus inhaltlichen, verfassungsrechtlichen, effektivitätsorientierten und anderen Gründen nicht verpflichtet werden kann, ist ein Perspektivenwechsel aus der Sicht des Rechts zur Sicht aus dem „wohlverstandenen Interesse des Vorhabenträgers“ selbst angezeigt. Das bedeutet natürlich nicht, dass nur diese Perspektive die handlungsleitende sein sollte, sondern dieser Beitrag argumentiert, dass beide Perspektiven auf die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung zusammen gedacht und letztlich auch zusammen umgesetzt werden müssen. 1. Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung als Managementinstrument Das Management eines Industrie- oder Infrastrukturprojektes, d.h. die Planung und Organisation durch Leitungsgremien und Projektverantwortliche, ist auf die Einhaltung selbst gesetzter und von Auftraggebern vorgegebener Ziele gerichtet. Diese Ziele sind vor allem auf die Einhaltung zeitlicher und budgetbezogener Rahmenvorgaben bezogen, das Projekt muss in „time and budget“ umgesetzt werden. Diese Ziele werden heute bei vielen großen Projekten durch mangelnde Akzeptanz in der Öffentlichkeit sowohl in zeitlicher als auch in kostenmäßiger Hinsicht gefährdet. Diese Probleme treffen sowohl private wie öffentliche Projektträger, insofern sind ihre Ziele hier identisch. Bei vielen Großprojekten sind die Risiken mangelnder Akzeptanz und großer gesellschaftlicher Konflikte, die sich aus zeitlichen Verzögerungen in Planung und Bau sowie den Folgen von gerichtlichen sowie medialen Auseinandersetzungen ergeben, nicht selten erheblich. Dazu kommen noch die Fragen der Finanzierung, die hier nicht betrachtet werden14. Jede Leitung eines Projektes hat deshalb genuine eigene Interessen, die Ziele zu erreichen und die Risiken der Zielverfehlung abzuwehren. Die Einflussmöglichkeiten und Ansprüche gesellschaftlicher Gruppen, Einzelpersonen, Organisationen und auch der „öffentlichen Meinung“ sind deshalb von strategischer ___________ 12

BT-Drucks. 17/9666, S. 15. BT-Drucks. 17/9666, S. 15. 14 Vgl. die Best-Practices-Studie zur Verkehrsinfrastrukturplanung und -finanzierung in der EU von Roland Berger Strategy Consultants, Berlin Oktober 2013. 13

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250

Bedeutung für das Management von Industrie- oder Infrastrukturprojekten. Diese „Stakeholder“ sind deshalb – unabhängig, ob sie „betroffene Öffentlichkeit“ im rechtlichen Sinne sind oder nicht – für den Projektträger von so hoher Relevanz, dass dieser an einer Konfliktbefriedung selbst interessiert ist. Da bei erfolgreichen Projekten konsensuale Lösungen meist nur in einer frühzeitigen Planungsphase möglich waren, kann die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung ein effektives Managementinstrument sein, um die eigenen Ziele von „time and budget“ zu erreichen. Selbstverständlich kann aus der bloßen Anwendung von Beteiligungsmaßnahmen nicht gleichsam automatisch auf Akzeptanz geschlossen werden. Aber das in den USA schon in den 80er Jahren entwickelte „Stakeholder Management“15 sowie andere unternehmensethisch motivierte Managementansätze z.B. aus St. Gallen16 weisen auf den für das Unternehmen notwendigen Ausgleich von Interessen und Werten aller relevanten Akteure hin. Dies gilt für öffentliche Vorhabenträger letztlich genauso, obwohl es in den Motiven und rechtlichen Vorgaben selbstverständlich Unterschiede gibt. In den letzten Jahren sind mit „Mediation“ und partizipativen Ansätzen bei der Planung und Bewertung von Alternativen vor oder im Rahmen von Zulassungsverfahren Methodiken entwickelt worden, die alle unter dem Begriff der „frühen Öffentlichkeitsbeteiligung“ zusammengefasst werden können. 2. Fazit Im Ergebnis wird deutlich, dass „frühe Öffentlichkeitsbeteiligung“ als Managementinstrument große Überschneidungen mit den ausgeführten inhaltlichen Zielen der Rechtsvorschrift des § 25 III VwVfG hat. Dennoch wirft dies die Frage auf, ob der grob umrissene Managementansatz auch als „frühe Öffentlichkeitsbeteiligung“ bezeichnet werden sollte oder ob dies zu Verwirrungen mit dem rechtlichen Begriff führt. Da der Gesetzgeber aber – wie in diesem Beitrag gezeigt wurde und noch weiter ausgeführt wird – auf eine wechselseitige Verschränkung von behördlicher Hinwirkung und Nutzung auf der einen Seite und freiwilligem eigenverantwortlichem Management auf der anderen abzielt, sollte der Begriffsinhalt der „frühen Öffentlichkeitsbeteiligung“ in Abgrenzung zur „förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung“ benutzt und von diesen zwei Quellen gespeist werden. Dieses Verständnis von Begriff und Inhalt ist auch für die neue Richtlinie VDI 7000 „Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung bei Industrie- und Infrastrukturprojekten“ prägend, die im Folgenden dargestellt wird. ___________ 15

1984.

R. Edward Freeman, Strategic Management: A Stakeholder Approach. London

16 Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik: Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie. Bern/Stuttgart/Wien 2008.

Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung: Das Regulierungskonzept der RL VDI 7000 251

III. Die Richtlinie VDI 7000 zum Management der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung Um bei technischen Großprojekten frühe Öffentlichkeitsbeteiligung besser in vorhandene Strukturen des Projektmanagements integrieren zu können, hat der VDI die Richtlinie VDI 7000 „Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung bei Industrieund Infrastrukturprojekten“ vorgelegt. Die Richtlinie ist im Dezember 2013 als Entwurf veröffentlicht worden und unterlag einer viermonatigen öffentlichen Einspruchsfrist. Nach Bearbeitung aller Einsprüche wird eine überarbeitete Fassung als gültige Richtlinie (Weißdruck) veröffentlicht. VDI-Richtlinien sind vergleichbar DIN- oder ISO-Normen aus sich selbst heraus rechtlich nicht verbindlich. Dennoch beansprucht die VDI 7000 wie alle technischen Regeln einen fachlichen Geltungsanspruch, indem sie den gegenwärtigen Stand des Wissens für eine bestimmte Problemlösung repräsentiert und diesen unter Einbeziehung aller relevanten Interessen formuliert. Insofern lag auch bei dieser Management-Regel ein aufwändiger zweijähriger Erstellungsprozess zugrunde, in den alle fachlichen Disziplinen und betroffenen Kreise einbezogen waren. Ausgehend von der Analyse von Best-Practice-Beispielen von Großprojekten, die in der Öffentlichkeit trotz kritischer Ausgangsbedingungen auf weitgehende Akzeptanz stießen, dem Stand der Forschung17 und der Auswertung weiterer Leitfäden18 hat ein Fachbei___________ 17 Vgl. z.B. Ortwin Renn/Thomas Webler, Der kooperative Diskurs – Theoretische Grundlagen, Anforderungen, Möglichkeiten. In: Ortwin Renn/Hans Kastenholz/Patrick Schild/Urs Wilhelm (Hrsg.): Abfallpolitik im kooperativen Diskurs. Bürgerbeteiligung bei der Standortsuche für eine Deponie im Kanton Aargau, 1988, S. 3 – 103; Ortwin Renn, Stakeholder Involvement in Risk Governance, London 2014; Frank Brettschneider, Großprojekte zwischen Protest und Akzeptanz, in: Frank Brettschneider/Wolfgang Schuster (Hrsg.): Stuttgart 21. Ein Großprojekt zwischen Protest und Akzeptanz, S. 319 – 328; Henning Banthien/Dominik Zahrnt, Stakeholder-Dialoge in der Praxis, in: Georg Schreyögg (Hrsg.): Stakeholder-Dialoge – Zwischen fairem Interessenausgleich und Imagepflege, S. 63 – 79; Christoph Ewen/Oscar W. Gabriel/Jan Ziekow, Bürgerdialog bei der Infrastrukturplanung: Erwartungen und Wirklichkeit, Baden-Baden 2013; Stine Marg/Lars Geiges/Felix Butzlaff/Franz Walter (Hrsg.): Die neue Macht der Bürger – Was motiviert die Protestbewegungen, BP-Gesellschaftsstudie, Hamburg 2013; RWE AG: Akzeptanz für Großprojekte – Eine Standortbestimmung über Chancen und Grenzen der Bürgerbeteiligung in Deutschland, Essen, 2012 (www.rwe.com/web/cms/de/1701408/rwe/ve rantwortung/akzeptanzstudie/ letzter Zugriff 08.07.2014). 18 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Handbuch für eine gute Bürgerbeteiligung. Planung von Großvorhaben im Verkehrssektor 2012; Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen: Werkzeugkasten Dialog und Beteiligung. Ein Leitfaden zur Öffentlichkeitsbeteiligung 2012; Bertelsmann Stiftung: Mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung. Prozessschritte und Empfehlungen am Beispiel von Fernstraßen, Industrieanlagen und Kraftwerken 2013; Bundeskanzleramt Österreich: Standards der Öffentlichkeitsbeteiligung. Praxisleitfaden 2011 AccountAbility: The Stakeholder Engagement Manual. Volume 1 und 2, 2006.

252

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rat unter Hinzuziehung zahlreicher Experten (Ingenieure, Kommunikatoren, Anwälte, Sozialwissenschaftler etc.) aus Unternehmen, Behörden, Beteiligungsfirmen, Umwelt- und Naturschutzverbänden, Kanzleien, Gutachterbüros etc. die fünfzigseitige Richtlinie erarbeitet. Der VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. ist die größte technisch-wissenschaftliche Vereinigung in Deutschland, die weit über den Berufsstand der Ingenieure hinaus technische Richtlinien, Wissenstransfer über Fachliteratur und Weiterbildung, Dienstleistungen für die Politik und vieles mehr leistet19. Das Thema der gesellschaftlichen Tragfähigkeit von Infrastrukturprojekten hat der VDI seit 2012 zum Gegenstand vieler öffentlicher Veranstaltungen gemacht, im März 2013 dazu eine politische Stellungnahme veröffentlicht20 und im Mai 2013 den Deutschen Ingenieurtag durchgeführt21. Insofern ist das Thema auch innerhalb der Vereinigung gut verankert und Ausdruck seiner gesellschaftspolitischen Verantwortung. Inhaltlich bildet die VDI 7000 einen idealtypischen Verlauf des ManagementProzesses von der Initiierung eines Projektes über dessen Planung, Genehmigung bis zur Realisierung ab. Ansatzpunkt der Richtlinie ist das Ziel des Vorhabenträgers, bereits vor der Beantragung seines Projektes bei der Behörde eine Einigung mit den gesellschaftlichen Stakeholdern auf eine Antragsvariante zu erreichen. Die VDI 7000 geht dann auch über dieses Dialogverfahren der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung hinaus und gibt Empfehlungen für die Fortführung der informellen Öffentlichkeitsbeteiligung des Vorhabenträgers in der Phase des Genehmigungsverfahrens sowie während der Umsetzung des Projekts. Die VDI 7000 strukturiert das Vorgehen in vier Phasen: Phase 1: Strukturen und Kompetenzen aufbauen Phase 2: Öffentlichkeit strukturiert beteiligen Phase 3: Genehmigungsverfahren unterstützen Phase 4: Bauphase und Projekt begleiten Als zeitlicher Ablauf bauen alle Phasen aufeinander auf und sollen in das vorhandene Projektmanagement des Vorhabenträgers integriert werden22.

___________ 19

Siehe dazu im Internet www.vdi.de. Stellungnahme „Infrastruktur für unsere Zukunft – Gesellschaftlich tragfähige Lösungen gemeinsam entwickeln“, März 2013 (www.vdi.de/en/artikel/neue-dialogkulturfuer-grossprojekte/ letzter Zugriff 08.07.2014). 21 www.ingenieurtag.de und www.vdi.de/grossprojekte. 22 Siehe Grafik zum Ablaufdiagramm. 20

Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung: Das Regulierungskonzept der RL VDI 7000 253

Sensibilisierung im Vorfeld

Begleitende Öffentlichkeitsarbeit

Phase 1:

Phase 2:

Phase 3:

Phase 4:

Strukturen und Kompetenzen aufbauen

Öffentlichkeit strukturiert beteiligen

Genehmigungs-

Bauphase und Projekt begleiten

verfahren unterstützen

VDI 7000 Technische Projektentwicklung

Genehmigung

Realisierung

Projektmanagement

Abbildung 1: Ablaufdiagramm der VDI 7000 (Quelle: VDI)

Nach einer ausführlichen Sensibilisierung für Veränderungen des gesellschaftlichen Umfelds und der Formulierung von Grundsätzen wird die operative Umsetzung kleinteilig in einzelnen Schritten aufgeführt. Ein strukturiertes Vorgehen der Vorhabenträger wird so ermöglicht und durch Leitfragen ergänzt, die den Projektteams die Möglichkeit bieten, ihre individuelle Umsetzung selbst zu überprüfen. Die VDI 7000 ist in die folgenden Abschnitte untergliedert: Phase 1: Strukturen und Kompetenzen aufbauen  Öffentlichkeitsbeteiligung in die Projektentwicklung integrieren,  Anspruchsgruppen und deren Themenfelder analysieren,  Handlungsspielräume und Optionen intern aufbereiten,  Beteiligungsprozesse und Kommunikation planen. Phase 2: Öffentlichkeit strukturiert beteiligen  Dialogverfahren initiieren,  Inhalte und Prozessschritte definieren,  Fakten und Bewertungskriterien klären,  Antragsvariante erarbeiten. Phase 3: Genehmigungsverfahren unterstützen  kooperatives Verfahrensmanagement praktizieren,  Genehmigungsverfahren kooperativ unterstützen,  Genehmigungsverfahren kommunikativ begleiten,  alternative Konfliktlösung zu rechtlichen Auseinandersetzungen finden.

254

Volker M. Brennecke

Phase 4: Bauphase und Projekt begleiten  Information und Medienarbeit vor Ort organisieren,  Stakeholder-Management und Krisenkommunikation sicherstellen,  kontinuierliche Nachbarschaftsdialoge durchführen,  organisationales Lernen ermöglichen. Alleine die Überschriften machen deutlich, dass es sich nicht um einen Katalog von Maßnahmen handelt, die einfach nur abgeprüft werden könnten, sondern um eine Managementanleitung auf der Basis des organisationalen Lernens23. Phase 1 beginnt bei den Managementzielen des Projektes und beschreibt die interne Vorbereitung. Für die Richtlinie ist dies eine entscheidende Phase, denn hier werden die nötigen Grundlagen gelegt. Hier werden auch Prüfungen angeboten, damit ein Vorhabenträger entscheiden kann, ob und in welcher Form er die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung durchführen sollte. Umfassende Analysen über die Stakeholder und deren Themen bereitet der Vorhabenträger so auf, dass er sich optimal auf die heterogenen Interessen vorbereiten und später in den Dialog gehen kann. Phase 2 beschreibt dann das eigentliche Dialogverfahren, in dem der Vorhabenträger die identifizierten Stakeholder zum Dialog einlädt, um mit ihnen zu einer gemeinsam getragenen Antragsvariante zu kommen. Dieser eigentliche Prozess der „frühen Öffentlichkeitsbeteiligung“ wird letztlich durch die Bereitschaft und die Situation des Vorhabenträgers bestimmt, Handlungsspielräume bei den Varianten von der Öffentlichkeit mitgestalten zu lassen. Dieser Prozess hängt sehr von der Konfliktlage, der Moderations- und Prozessgestaltungskompetenz und den strategischen Interessen aller Beteiligten ab. Durch die Anwendung z.B. des Harvard-Konzepts des „sachgerechten Verhandelns“24 und vieler anderer Formen der Herstellung kooperativer Bedingungen wird in der VDI 7000 aufgezeigt, wie ein Vorhabenträger diesen Prozess so gestalten kann, dass er in der Öffentlichkeit die notwendige Legitimation für eine „Verfahrens-Akzeptanz“25 bekommen kann. Die Entscheidung über den Antrag an die Behörde liegt uneingeschränkt beim Vorhabenträger selbst, während die Genehmigung über den Antrag wiederum die Behörde nach rechtlichen Kriterien (Planungsrecht, Immissionsschutzrecht etc.) zu treffen hat. Phase 3 gibt Empfehlungen, wie der Vorhabenträger die Genehmigungsbehörde unterstützen kann. Während in der Phase 2 die Vorhabenträger – nach dem Vorbild des § 25 III VwVfG – für ihr Dialogverfahren verantwortlich sind, liegt ___________ 23 Vgl. z.B. Chris Argyris/Donald A. Schön, Die lernende Organisation, 2008; Peter Senge, Die fünfte Disziplin. Kunst und Praxis der lernenden Organisation, 2011. 24 Roger Fisher/William Ury/Bruce Pattan, Das Harvard-Konzept. Der Klassiker der Verhandlungstechnik, 2009. 25 Ziekow, in: NVwZ 2013, 754 (755).

Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung: Das Regulierungskonzept der RL VDI 7000 255

die förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Verfahren (vorgezogener Rechtsschutz) nach wie vor in Händen der Genehmigungsbehörde. Die förmlichen Verfahren ersetzen nicht die Notwendigkeit einer Fortführung der informellen Öffentlichkeitsbeteiligung während dieser Verfahren. Daher führt diese Richtlinie den Prozess durch Phase 3 weiter, z.B. durch Fortführung der aufgebauten Diskursarenen, zum anderen aber auch, um den Prozess möglichst zeitlich optimal ablaufen zu lassen, um vorher investierte Zeit jetzt wieder einsparen zu können. Phase 4 integriert noch die Realisierung des Projektes, da sich oftmals dann, wenn die Bagger kommen, die Frage der Akzeptanz nochmal neu stellen kann. Die VDI 7000 empfiehlt, diese Phase in das Gesamtkonzept der Beteiligung und Kommunikation mit der Öffentlichkeit einzubeziehen, obwohl sie nach dem Genehmigungsbescheid liegt. Der Übergang der Beteiligung während der Bauphase in einen kontinuierlichen Nachbarschaftsdialog und die interne Reflexion der neuen Routinen für künftige Projekte schließen die VDI 7000 inhaltlich ab. Zu Beginn der Richtlinie wird zum Konzept ausgeführt: „Das Konzept dieser Richtlinie stellt keine Zusammenstellung von unzusammenhängenden Vorschlägen dar, die beliebig zu kombinieren sind. Sie sind logisch und inhaltlich aufeinander aufgebaut. Dennoch erlauben sie eine flexible Umsetzung und Auswahl je nach Anforderungen. Denn angesichts der Unterschiede, die zwischen den zahlreichen betroffenen Industrie- und Infrastrukturprojekten bestehen, muss jede Organisation Art und Umfang der dafür erforderlichen Maßnahmen an ihr spezifisches Projekt und seine Rahmenbedingungen individuell anpassen. Auch kleine Organisationen können das Konzept der Richtlinie für sich adaptieren. Die Anwendbarkeit der Richtlinie ist in jedem Falle anhand der nachfolgend dargestellten Kriterien zu prüfen. Die Umsetzung hängt vom Ergebnis der Prüfung und den Umständen des Einzelfalls ab. Durch eine systematische Prüfung im Rahmen der VDI 7000 kann eine Organisation aber auch zu dem begründeten Ergebnis kommen, dass eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung nicht erforderlich ist“26.

Die Kriterien der öffentlichen Relevanz werden in der Richtlinie durch Fragestellungen zu den Themen Standort, Region, Politik, Technologie, Technikfolgen, Werte und Kommunikation formuliert. Der Anwendungsbereich der VDI 7000 wird wie folgt beschrieben: „Die VDI 7000 richtet sich an Organisationen allgemein, an deren verantwortliche Gremien und Personen der Leitungsebene, Projektleiter, Ingenieure, Juristen und Kommunikations- oder Stakeholder-Beauftragte, die Industrie- oder Infrastrukturprojekte planen, die im Interesse der Öffentlichkeit stehen oder zukünftig stehen könnten. Die Richtlinie spricht alle privaten und öffentlichen Organisationen an, ungeachtet ihrer Größe, die in irgendeiner Form öffentlichkeitsrelevante Industrie- oder Infrastrukturprojekte durchführen oder planen. Sie ist unabhängig ___________ 26

VDI 7000, S. 2.

256

Volker M. Brennecke

von der Art der rechtlich vorgeschriebenen Planungs- und Genehmigungsverfahren umsetzbar“27. Insofern liegt die Entscheidung über die Anwendung uneingeschränkt beim Vorhabenträger. Die Richtlinie ist rechtlich nicht verpflichtend, schränkt andere Vorgehensweisen nicht ein und ist auch nicht von externer Seite überprüfbar. 1. Fragestellungen für die juristische Rezeption Für die juristische Rezeption (anders als die der Kommunikatoren, Ingenieure, Gutachter) sind neben der Frage nach ihrer Bindungswirkung oft die folgenden Themen von Interesse. Sie werden hier ausgeführt, obwohl sie so explizit nicht in der Richtlinie enthalten sind28. Diese Themen sollen im Folgenden mit Bezug auf die Regelungsinhalte der Rechtsvorschrift § 25 III VwVfG aufbereitet werden, um aus dieser Perspektive die VDI 7000 besser einordnen zu können. a) Zeitpunkt der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung Einer der ersten Fragestellungen zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung ist der Zeitpunkt, zu dem diese stattfinden sollte. Denn da diese vor dem förmlichen Verfahren liegt, ist vor allem der Zeitpunkt ihres Beginns von besonderem Interesse. In der VDI 7000 wird als Zeitraum das Dialogverfahren zur Entwicklung einer Antragsvariante (Phase 2) definiert. Dieser Zeitraum kann durch folgende Punkte eingegrenzt werden: Leichter als der Beginn kann das Ende klar definiert werden. Die Beantragung bei der Behörde stellt den Abschluss dieses strukturierten Dialogverfahrens dar und markiert damit den Übergang in die förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung. Obwohl Dialoge informell in der Phase 3 der VDI 7000 begleitend fortgeführt werden sollten, sind sie nicht mehr als „frühe Öffentlichkeitsbeteiligung“ zu bezeichnen29. Die Frage nach dem „richtigen“ Beginn stellt sich nach der VDI 7000 für den Vorhabenträger wie folgt dar: Nach Klärung seiner Optionen und Handlungsspielräume lädt er die Öffentlichkeit zum Dialog ein. Im internen Prozess der Optionenbildung entwickelt der Vorhabenträger den für ihn optimalen Zeitpunkt: Denn er muss jetzt sowohl das Problem vermeiden, ___________ 27

VDI 7000, S. 3. Die Ausführungen stellen daher die persönliche Auffassung des Autors dar. 29 Die VwV Öffentlichkeitsbeteiligung des Landes Baden-Württemberg bezeichnet diese Phase als „nicht-förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung“: „Die nicht-förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung ist die Beteiligung der Öffentlichkeit nach der Antragstellung oder der sonstigen Verfahrenseinleitung, die während eines Verwaltungsverfahrens ergänzend zur förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt wird“ (Verwaltungsvorschrift der Landesregierung zur Intensivierung der Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Zulassungsverfahren (VwV Öffvorschrift der Landesregierung zur Intensivierung der Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Zulassungsverfahren (VwV Öffentlichkeitsbeteiligung), GABl. v. 26.2.2014, Ausgabe Nr. 2, 22., Punkt 1.3.4). 28

Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung: Das Regulierungskonzept der RL VDI 7000 257

zu spät die Öffentlichkeit einzubeziehen, wenn grundsätzliche Entscheidungen schon gefällt sind. Aber er sollte auch nicht „zu früh“ beginnen, wenn er selbst noch keine Gewissheit über seine Handlungsspielräume hat und in einer öffentlichen Debatte nicht ausreichend verhandlungsfähig wäre. Einen (rechtlich) bestimmbaren Zeitpunkt gibt es also nicht. Ein Vorhabenträger sollte bei relevanten Schlüsselakteuren auch so viel Vertrauen in die Ernsthaftigkeit des Prozesses aufgebaut haben, dass er den Dialog starten kann. Ein Zwang von außen, den Dialog starten zu müssen, verhält sich zu diesem Konzept kontraproduktiv. Schon hier zeigt sich die prinzipiell unterschiedliche Perspektive auf frühe Öffentlichkeitsbeteiligung als Rechtsvorschrift oder als Managementinstrument. b) Kreis der betroffenen Öffentlichkeit Die VDI 7000 leitet auch den Kreis der zu beteiligenden Öffentlichkeit nicht aus rechtlichen Bestimmungen ab. Die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange ist zwar obligatorisch, aber der Ansatz ist ein anderer: Aus der Perspektive von „Stakeholder Management“ kommt der Prüfung der Anspruchsgruppen eine entscheidende Bedeutung zu. Hierzu empfiehlt die Richtlinie eine strukturierte umfassende Akteursanalyse30. Diese ist nicht statisch zu verstehen, denn die Zusammensetzung der Akteure kann sich im Verlauf des Beteiligungsprozesses verändern. Die VDI 7000 unterscheidet (hier grob dargestellt) in interne Stakeholder, finanzielle Stakeholder, Medien, Wissenschaft/Gutachter, nicht organisierte Stakeholder, zivilgesellschaftliche Gruppen, Industrie- und Branchenverbände, Wettbewerber, Kunden, Gemeinden, Verwaltungen und Politik. Diese Darstellung alleine zeigt, dass die VDI 7000 mit Absicht den Kreis weit zieht, denn viele Konflikte entstehen aus der Nichtansprache eines spezifischen Stakeholders. Auch in § 25 III VwVfG ist bewusst Abstand von der „betroffenen Öffentlichkeit“ im üblichen rechtlichen Sinne genommen worden und diese ist „nicht auf die in ihren individuellen Belangen Betroffenen beschränkt“31. Insofern deckt die VDI 7000 die Rechtsvorschrift ab, formuliert aber eigene Kriterien. Für die Praxis wird der Unterschied zwischen den informellen Verfahren, die nicht der Präklusion unterliegen, und den förmlichen immer wieder deutlich zu machen sein.

___________ 30 31

s. Grafik. Ziekow, in: NVwZ 2013, 754 (757).

Volker M. Brennecke

258

Interne Stakeholder  (Leitungsgremien,  Betriebsrat, Gliederungen  der Organisation etc.)

Politik  (Entscheidungsträger,  Meinungsführer etc.)

Gemeinden,  Verwaltung

o

+



o

‐ o

Kunden

o

Wettbe‐ werber

+

Medien

‐ ‐

+



Projekt o ‐

‐ o

+ ‐ ‐

o

+



+ o

+

+ Industrie‐ und  Branchen‐ verbände, IHK etc. 

+ +

+

+

o

+



+

o

+

o

Finanzelle Stakeholder  (Investoren, Banken,  Ratingagenturen etc.)

+

+ + ‐

Zivilgesellschaftliche Gruppen   (NGO´s, Gewerkschaften,  Kirchen, Bürgerinitiativen etc. )

o ‐ ‐



‐ ‐

+



‐ o







+



o



Wissenschaft/ Gutachter



+ +



+

Nicht organsierte  Stakeholder (Nachbarn,  Anwohner, Bürger etc.)

Abbildung 2: Grafik der Akteursanalyse nach VDI 7000 (Quelle VDI) Nähe zum Mittelpunkt: Relevanz des Einflusses für das spezifische Projekt (drei Stufen). Alle Akteure sind möglichst mit Namen zu bezeichnen. Die Zeichen erläutern die Art ihres Einflusses: + unterstützender Einfluss o neutraler Einfluss – kritischer Einfluss

c) Inhalt der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung Inhaltlich soll sich nach § 25 III VwVfG die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung auf die Ziele des Vorhabens, die Mittel, es zu verwirklichen, und die voraussichtlichen Auswirkungen des Vorhabens beziehen. Die VDI 7000 legt nicht im Detail fest, welche Ziele der Vorhabenträger in welchen Relationen vorzustellen hat. Da er sich aufgrund einer Akteurs- und einer umfassenden Themenfeldanalyse ein Bild über die Interessen und Werte der unterschiedlichen Stakeholder verschafft hat, sollte er auf diese im Dialogverfahren konkret eingehen. Der Ansatz der VDI 7000 ist somit stärker adressatenfokussiert ausgerichtet und weniger abgeleitet aus vorgegebenen Darlegungspflichten. Im Vergleich zu der im Gesetz formulierten Unterrichtung des Vorhabenträgers über die „Mittel, es zu verwirklichen“ lässt die VDI 7000 dem Anwender alle Freiheiten und differenziert auch nicht nach privaten und öffentlichen Trägern. Letztlich geht die Richtlinie aber über die Unterrichtung hinaus und empfiehlt den Vorhabenträgern, ihre Varianten gemeinsam im Dialogverfahren zu entwickeln. Durch ein iteratives Vorgehen können Handlungsspielräume und Optionen in einen Prozess der Mitgestaltung überführt werden. Die Situation einer „Unterrichtung“ hingegen ist zunächst alleine auf Information ausgerichtet. Die VDI 7000 unterscheidet denn auch die Ebenen Information, Konsultation

Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung: Das Regulierungskonzept der RL VDI 7000 259

und Mitgestaltung. Ausschließlich auf der Ebene der Information sollte nur kommuniziert werden, wenn keine Handlungsspielräume zur Verfügung stehen. Dies schränkt die Möglichkeiten, Akzeptanz für das Verfahren zu finden, aber deutlich ein. d) Auswirkungen Der § 25 III VwVfG verwendet diesen Begriff zweifach, zum einen beim Anwendungsbereich und zum andern bei den Inhalten. Denn zum einen sollen nur Vorhaben, die „nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Belange einer größeren Zahl von Dritten haben können“ von dieser Vorschrift erfasst werden und zum andern sollen bei diesen die betroffene Öffentlichkeit über die „voraussichtlichen Auswirkungen des Vorhabens unterrichtet“ werden. Ziekow weist darauf hin, dass dieser Begriff „nicht etwa mit dem der schädlichen Umwelteinwirkungen i.S. des § 3 BImSchG oder vergleichbaren Begriffen des Umweltrechts oder den berührten Belangen i.S. des § 73 IV VwVfG verwechselt werden“ dürfe, sondern „weit zu verstehen“ sei32. Mit Bezug auf den Zweck der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung, „das geplante Vorhaben in all seinen Kontextbezügen zur Erörterung zu stellen, sind unter Auswirkungen daher alle negativen Berührungen von privaten und öffentlichen Gesichtspunkten zu verstehen, die für Einzelne oder Organisationen von Bedeutung sind“33. Ähnlich wie bei der Darlegung der Ziele des Vorhabens geht die VDI 7000 bei der Analyse und Darstellung möglicher Auswirkungen adressatenfokussiert von den Interessen und Werten der Stakeholder aus. Die Richtlinie empfiehlt dazu eine systematische Themenfeldanalyse, die die Themen systematisch clustert und eine Struktur zur Vertiefung projektspezifisch anbietet.

___________ 32 33

Ziekow, in: NVwZ 2013, 754 (757). Ziekow, in: NVwZ 2013, 754 (755).

Volker M. Brennecke

260 Kommunikative Erfahrungen

Anlagentyp, Funktion, Leistung

Energieeffizienz

Vertrauen

Risikobewertung

Auswirkungen auf Flora & Fauna

Orts- und Landschaftsbild

Emissionen

Langzeitfolgen, Reversibilität

Lebensqualität

Abstände zur Wohnbebauung

Artenvielfalt, Schutzzonen

Gerechtigkeit

Anbindung Infrastruktur

Ethik, Werte, Sinn

…..

Kompensationsmöglichkeiten Immissionen …..

…..

Technische Aspekte

Soziale Aspekte

Umweltaspekte

Individuelle, hohe Betroffenheit

Belastung Bauphase

Soziale Härtefälle

Belastung Normalbetrieb

Persönliche Konflikte / Geschichte

Mögliche Belastung Unfall

Interessen- oder Rollenkollisionen

Projekt

Finanzielle Einzeltinteressen

Spezifische Exposition Schutzkonzepte

Persönliche Einflussmöglichkeit

Sensible Gruppen

….

…..

Persönliche Aspekte

Gesundheit

Ökonomische Aspekte

Rechtliche Aspekte

Wirtschaftl. Potential

Nation./Internation. Rechtsrahmen

Standortvorteile

Landesentwicklungsplan

Auswirkungen auf Arbeitsplätze

Regionalplan

Auswirkungen auf Immobilienpreise

Flächennutzungsplan

Auswirkungen auf Tourismus

Aspekte der Genehmigungsfähigkeit

…..

…..

Abbildung 3: Grafik der Themenfeldanalyse der VDI 7000 (Quelle VDI)

e) Bindung der Antragsvariante Das Konzept der VDI 7000, im Vorfeld des Zulassungsverfahrens möglichst eine Einigung über eine Antragsvariante herzustellen, führt schnell zu der Frage der Bindungswirkung für die beteiligten Akteure. Hier ist zunächst zwischen einer „rechtlichen“ und einer „faktischen“ Bindung zu unterscheiden. Rechtlich bindend ist diese Einigung in keinem Fall, weder für den Vorhabenträger, die beteiligten Stakeholder noch für die Behörden. Die alleinige Abwägungs- bzw. Entscheidungskompetenz der Behörden ist nicht betroffen. Auch die A3-Entscheidung des BVerwG34 hat nochmals keine Bindungswirkung von vorab getroffenen Vereinbarungen herausgestellt. Die „faktische“ Bindung hingegen ist oftmals von großer Relevanz, denn eine andere Entscheidung wäre zwar rechtlich korrekt, würde aber den gesamten Prozess letztlich in Frage stellen. Insofern sind die Behörden gut beraten, bereits im informellen Dialogverfahren ihre kritischen Hinweise einzubringen und sich diese nicht bis zum Zulassungsverfahren „aufzusparen“. Die Glaubwürdigkeit aller Akteure steht auf dem Spiel, wenn das erreichte Ergebnis nicht weiter verfolgt würde.

___________ 34

BVerwG 5 C 3.09.

Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung: Das Regulierungskonzept der RL VDI 7000 261

Während in der juristischen Debatte meist die Bindungswirkung im Vordergrund steht, stellt in der Praxis und auch aus entscheidungstheoretischer Sicht35 die freiwillige Einigung über eine Antragsvariante die besondere Problematik dar. Denn diese Einigung ist ja keineswegs selbstverständlich. Hier hilft das „Setting“ des informellen Verfahrens in der Kombination mit dem förmlichen: Denn der Vorhabenträger hat in der Regel gerade auch deshalb ein starkes eigenes Interesse an einer umfassenden Einbeziehung und Einigung mit allen relevanten organisierten und nicht organisierten Akteuren, schon um das anschließende förmliche Verfahren von Einwendungen zu entlasten. Dieses Ziel und vor allem drohende Rechtsmittel wie Klagen erhöhen den Druck auf eine Einigung beim Vorhabenträger: Sein freiwilliges Dialogverfahren mit den Stakeholdern, die Erörterung aller Äußerungen der betroffenen Öffentlichkeit und letztlich der Prozess einer Einigung wird insofern durch das anschließende förmliche Verfahren und die immer im Raum stehenden Rechtsmittel determiniert. Die Wirksamkeit des Konzepts der VDI 7000 wird also auch durch das anschließende Zulassungsverfahren mitbestimmt. f) Rolle der Behörden Die VDI 7000 ist nicht explizit an Behörden gerichtet. Daher werden auch keine Empfehlungen für Behörden formuliert. Dennoch ist die Rolle der Behörden mitentscheidend für die erfolgreiche Umsetzung der Richtlinie. Das Spannungsfeld früher Öffentlichkeitsbeteiligung zwischen Rechtsvorschrift und Managementinstrument wird hier besonders deutlich. Je nach Interpretation der Funktion, Anwendung oder „Überprüfbarkeit“ der VDI 7000 durch Behörden kann die Richtlinie unterschiedliche Wirkungen entfalten. Die zentrale Festlegung für das Handeln der Behörden in § 25 III VwVfG ist zunächst, dass es zwar keine Rechtspflicht des Vorhabenträgers zur Durchführung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung gibt, sie selbst aber zur Hinwirkung verpflichtet sind. Aber Ziekow macht hierzu deutlich: „Es besteht keine Pflicht des Vorhabenträgers, dem Hinweis der Behörde nachzukommen und eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Die Statuierung einer Pflicht des Vorhabenträgers, die Durchführung einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung zu veranlassen, wäre wenig zielführend“36. Auch in der VDI 7000 wird deutlich herausgestellt, dass es keine rechtliche Verpflichtung zur Anwendung gibt. Technische Regeln sind ohnehin nicht rechtlich bindend. Die Hinwirkungspflicht der Behörden ist vor diesem Hintergrund vermutlich am schwersten umzusetzen. Initiator bzw. Auslöser für eine frühe Öffentlich___________ 35 Vgl. z.B. Fritz Scharpf, Interaktionsformen. Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung, 2000. 36 Ziekow, in: NVwZ 2013, 754 (756).

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keitsbeteiligung ist nach der VDI 7000 der Vorhabenträger. Wenn er seine Managementinteressen verfolgt, bedürfte es nach der Logik der Richtlinie für frühe Öffentlichkeitsbeteiligung als Managementinstrument keiner zusätzlichen intensiven Hinwirkung durch Behörden. Ein Hinweis auf die VDI 7000 wäre ausreichend. Dennoch ist eine Regelung wie die neue Verwaltungsvorschrift „Öffentlichkeitsbeteiligung“37 des Landes Baden-Württemberg hilfreich, in der die Behörden verpflichtet werden, bei Dritten (also nicht dem Land selbst) auf die Richtlinien VDI 7000 und 700138 hinzuweisen39. Für die Durchführung eigener Projekte der öffentlichen Hand verweist ein konkretisierender Planungsleitfaden ebenfalls auf die VDI 700040. Insofern sollte es zu einer solchen Konstellation einer intensiven Hinwirkung durch die Behörde, die über wohlmeinende Hinweise hinausgehen, nur kommen, wenn der (potentielle) Vorhabenträger trotz offensichtlicher Notwendigkeit bei objektiver Betrachtung selbst keine Notwendigkeit sieht oder es z.B. aus Kompetenzgründen nicht kann. Hier kommt es auf die Strategie und das Verhalten der Behörden an41. Anders gelagert sind die Konstellationen, bei der eine Behörde einen Vorhabenträger dazu bringen möchte, frühe Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen, dieser aber begründet nachweisen kann, dass es dazu nach seiner Sicht keine Veranlassung gibt. In diesen Fällen kann die VDI 7000 helfen, beim Vorhabenträger die interne Sicht nochmals zu prüfen und ggf. besser begründete Aussagen treffen zu können, um die Behörde zu überzeugen. Bevor der Blick auf die Rolle der Behörden während der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung gelenkt wird, sei zunächst auf die Regelung zur Mitteilung des Ergebnisses verwiesen. Denn die Aufbereitung aller für die Beurteilung relevanten Umstände und die Dokumentation der zentralen in der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung diskutierten Argumente bringt die Behörde unmittelbar vor Eröffnung des Zulassungsverfahren in eine „starke Position“, obwohl sie sich auf ___________ 37 Verwaltungsvorschrift der Landesregierung zur Intensivierung der Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Zulassungsverfahren (VwV Öffentlichkeitsbeteiligung), GABl. v. 26.2.2014, Ausgabe Nr. 2, 22. 38 Speziell zum Baubereich: VDI 7001: Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planung und Bau von Infrastrukturprojekten, 2014. 39 Gisela Erler/Ulrich Arndt, Die Verwaltungsvorschrift Öffentlichkeitsbeteiligung für die Landesverwaltung Baden-Württemberg – auf dem Weg zu mehr Bürgerbeteiligung im Planungswesen, in: VBlBW 2014, 81; Ulrich Arndt, Baden-Württemberg: Ein Leitfaden für eine neue Planungskultur, in dieser Publikation. 40 Leitfaden für eine neue Planungskultur, hrsg. vom Staatsministerium Baden-Württemberg (http://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/de/kommentieren/planungsleitfaden-und-vwv-oeffentlichkeitsbeteiligung/ letzter Zugriff 8.7.2014). 41 Darauf geht der folgende Abschnitt zur Entwicklung einer neuen Dialog- und Verwaltungskultur näher ein.

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keine Rechtspflicht berufen kann. Denn aus dieser inhaltlichen Darstellung der Ergebnisse der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung und der Begründung der Antragsvariante durch den Vorhabenträger kann eine nicht unbedeutende Wirkung auf das Zulassungsverfahren ausgehen. Mit Blick auf diese Entgegennahme der Ergebnisse und die Rolle der Behörde im anschließenden Zulassungsverfahren ist nun auch ihre Rolle während des Dialogverfahrens der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung zu betrachten: Wichtig für die Rollenklarheit42 während dieses Prozesses ist zunächst die Neutralität der Behörde. Diese Neutralität hat für die Behörde im Zulassungsverfahren auch die entscheidende Funktion, ihren Ermessensspielraum öffentlich legitimierbar wahrnehmen zu können. Während des Dialogverfahrens aber können Behörden schnell zum Adressaten von Stakeholder-Interessen werden, denn sie entscheiden ja später und nicht der Vorhabenträger, der das Dialogverfahren führt. Insofern muss die Behörde auch dort ihre Unabhängigkeit und Neutralität wahren und darf sich von keiner Seite in Haftung nehmen lassen. Daher hat auch die VDI 7000 die Genehmigungsbehörde selbst im Dialogverfahren nicht als Stakeholder definiert, der an diesem Dialog teilnehmen sollte. Ihre Beratungsfunktion für alle Akteure über rechtliche Rahmenbedingungen, Ablauf des Zulassungsverfahrens, Sicherung des Rechtsschutzes von Betroffenen etc. kann und sollte die Behörde im Dialogverfahren des Vorhabenträges wahrnehmen. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Behörde anerkennt, dass es sich um das Dialogverfahren des Vorhabenträgers handelt und sie sich in dieser Phase „zurückhalten“ muss. Auch ist dieses Verfahren ja gerade nicht als „vorgezogene“ förmliche Beteiligung zu verstehen, in dem primär auf Rechtspflichten verwiesen wird. In Kenntnis der VDI 7000 sollte eine Behörde hier – wie auch bereits während der Hinwirkung – besser an die Managementinteressen des Vorhabenträgers appellieren. Dass Stakeholder Management und behördliche Entscheidungsverfahren für Behörden noch Neuland ist, hat Schwab als Abteilungsleiter einer Genehmigungsbehörde eindrücklich beschrieben43.

___________ 42 Vgl. zu den Akteuren und ihren Rollen Jan Ziekow, Neue Formen der Bürgerbeteiligung? Planung und Zulassung von Projekten in der parlamentarischen Demokratie, 2012, S. D 68 ff., zum Gebot der Rollenklarheit S. D 86. 43 Joachim Schwab, Stakeholder Management und behördliche Genehmigungsverfahren, in: Klaus Lintemeier/Lars Rademacher (Hrsg.), Stakeholder Relations. Nachhaltigkeit und Dialog als strategische Erfolgsfaktoren. 2013, S. 18–22.

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IV. Ausgangsbedingungen für die Entwicklung einer neuen Dialog- und Verwaltungskultur Die Entwicklung eines Verständnisses von Inhalt und Funktion früher Öffentlichkeitsbeteiligung ist eine wesentliche Ausgangsbedingung für eine neue Dialog- und Verwaltungskultur bei der Planung und Genehmigung von Industrieund Infrastrukturvorhaben. Denn wenn sich die Routinen des Zusammenspiels der relevanten Akteure bereits im Vorfeld von Zulassungsverfahren ändern, dann wirkt sich das auch auf den Gesamtprozess, d.h. das anschließende förmliche Verfahren, aus. Diese Gesamtbetrachtung hat auch den Gesetzgeber zur Regelung des § 25 III VwVfG veranlasst. Mit Blick auf das Zusammenspiel im Vorfeld ziele der zusätzliche Aufwand für die Vorhabenträger „in einer frühen Projektphase (…) gerade darauf ab, das anschließende Verwaltungsverfahren optimal vorzubereiten, zeitraubende Konflikte zu verhindern oder rechtzeitig zu lösen, so dass bei einer Gesamtbetrachtung eine Effizienzsteigerung zu erwarten ist. Der Mehraufwand in der Anfangsphase soll damit zu einer Reduzierung des Gesamtaufwandes beitragen“44. Diese Gesamtbetrachtung macht eine neue Form des Zusammenwirkens der beteiligten Akteure erforderlich, woraus der Gesetzgeber auch Schlüsse für seine gewählte Regulierungsform gezogen hat: „Da eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung die Bereitschaft zum Zusammenwirken voraussetzt, wird sie nicht als zwingende Verpflichtung für den Vorhabenträger ausgestaltet“45. Unter dem rechtlichen Rahmen des § 25 III VwVfG mit den Rechtspflichten für die Behörden und den indirekten Maßgaben für den Vorhabenträger ist es auch für die effektive Anwendung der VDI 7000 entscheidend, wie Vorhabenträger und Behörde in der Praxis zusammenwirken. Denn die heute meist praktizierten Routinen sind von der Kommunikation über rechtliche Vorgaben und technisch detaillierte Anforderungen geprägt. Das Zusammenspiel der relevanten Akteure, zu denen neben den Vorhabenträgern und den entsprechenden Behörden auch Gutachter, Planungsbüros und Anwälte gehören, wird vor allem durch diese Konzentration auf Recht und Technik dominiert. Der Dialog mit der Öffentlichkeit ist bei Anhörungen im förmlichen Verfahren in seiner Strukturierung rechtlich genau vorgeschrieben. Akzeptanz in der breiten Öffentlichkeit ist aber weder das Ziel der förmlichen Verfahren noch ist sie genehmigungsrelevant. Zwar ist der Gesetzgeber der Auffassung, dass sich die förmlichen Verfahren in ihrer Funktion des Schutzes der Rechte Betroffener

___________ 44

BT-Drs. 17/9666, S. 2. BT-Drs. 17/9666, S. 17. Vgl. zu den Begründungen auch: Beirat Verwaltungsverfahrensrecht beim Bundesministerium des Innern zur Diskussion um mehr Bürgerbeteiligung bei Großvorhaben, in: NVwZ 2011, 859 (860). 45

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und der Akzeptanz der behördlichen Entscheidung bewährt hätten46, aber vor allem bei „Großvorhaben, deren Auswirkungen über die Einwirkungen auf ihre unmittelbare Umgebung hinausgehen und die oft Bedeutung über ihren Standort hinaus haben, werden diese Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung als nicht mehr ausreichend empfunden“47. Der Gesetzgeber zielt mit seiner gewählten Regulierungsform (Hinwirkungspflicht und Ergebnisverwendung der Behörde und Freiwilligkeit durch den Vorhabenträger) somit auf eine spezifische Form der Zusammenarbeit. In der Rezeption wurde bisher meist nur die Verwaltung mit ihrer Verpflichtung in den Blick genommen, weniger aber das gewollte Zusammenwirken. Ohne dass dieses Zusammenwirken explizit in der Begründung theoretisch ausgeführt wäre, kann doch auf die Debatte zu Governance48 sowie zur „kooperativen Gesetzeskonkretisierung“ und zur „regulierten Selbstregulierung“ verwiesen werden49. Diese sollte für diese neue Regulierungsform wieder fruchtbar gemacht werden, um Perspektiven für die Weiterentwicklung zu gewinnen. Für die effektive Anwendung der VDI 7000 ist ein Verständnis für die gewollte Arbeitsteilung eine wichtige Voraussetzung, die auch Anlass für den vorliegenden Beitrag ist. Denn wenn das Konzept der Richtlinie in den alten Routinen abzuarbeiten versucht werden würde, bestände die Gefahr neuer Bürokratie und zusätzlichem Aufwand ohne Ertrag für alle Seiten. Behörden und Vorhabenträger sind aber durch die neue Regelung der § 25 III VwVfG letztlich jeweils von der Bereitschaft der anderen Seite zu diesem Zusammenwirken abhängiger geworden, um ihren eigenen etablierten Interessen und Handlungslogiken folgen zu können. Beide Seiten profitieren erheblich, wenn sie kooperieren. Der Vorhabenträger kann sich nicht mehr ohne Begründung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung entziehen und ist auf eine konstruktive Rolle der Behörde während des Verwaltungsverfahrens angewiesen. Die Behörde wiederum bekommt, wenn der Vorhabenträger nicht kooperiert, erheblich mehr Arbeitsaufwand: Denn sowohl Ansprüche von Dritten auf Wahrnehmung ___________ 46

BT-Drs. 17/9666, S. 13. BT-Drs. 17/9666, S. 13. 48 Vgl. z.B. Gunnar Folke Schuppert, Was ist und wozu Governance?, Die Verwaltung 40, 2007, 463; Wolfgang Hoffmann-Riem, Governance im Gewährleistungsstaat. Vom Nutzen der Governance-Perspektive für die Rechtswissenschaft, in: Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.), Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien, 2005, S. 195 ff. 49 Vgl. Regulierte Selbstregulierung als Steuerungskonzept des Gewährleistungsstaates. Ergebnisse des Symposiums aus Anlass des 60. Geburtstags von Wolfgang HoffmannRiem, 2001 (Die Verwaltung, Beiheft 4); zum Beispiel der Umwelt- und Technikstandards: Irene Lamb, Kooperative Gesetzeskonkretisierung. Verfahren zur Erarbeitung von Umwelt- und Technikstandards, 1995; Volker M. Brennecke, Normsetzung durch private Verbände. Zur Verschränkung von staatlicher Steuerung und gesellschaftlicher Selbstregulierung im Umweltschutz, 1996. 47

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ihrer Hinwirkungspflicht als auch erhebliche Konflikte im Zulassungsverfahren selbst (Erörterungstermin) belasten die Behörde zusätzlich. Ihr Interesse müsste danach also ebenfalls eine gute Kooperation sein. Eine Einigung zwischen beiden Seiten auf „niedrigem Niveau“ allerdings scheidet ebenfalls aus, da die bisher hier beschriebene Interaktion ja nicht bilateral verläuft, sondern vor der Kulisse der Öffentlichkeit, der Verbände und der Medien. Sowohl die Rechtspflicht zur Hinwirkung auf eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung wie auch die VDI 7000 als Managementrichtlinie, wie ein Vorhabenträger im eigenen Interesse Öffentlichkeit an seiner Planung beteiligen kann, bilden gemeinsam das Gerüst, auf dem eine neue Dialog- und Verwaltungskultur sich entwickeln kann. Die VDI 7000 soll als zweite Säule dieses Gerüsts ihren Beitrag dazu leisten, die Eigenmotivation von Vorhabenträgern und durchführenden Ingenieuren so zu nutzen, dass sowohl eine die Verwaltung entlastende und qualitativ hochwertige Öffentlichkeitsbeteiligung als auch ein Zulassungsverfahren effizient durchgeführt werden können.

Verzeichnis der Autoren Dr. Nikolaus Herrmann, Prof., Direktor des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung, Langen Dr. Volker Gronefeld, Rechtsanwalt, Gronefeld Rechtsanwälte, München Dr. Thilo Streit, Rechtsanwalt, DLA Piper, Köln Dr. Martin Schröder, Rechtsanwalt, Seufert Rechtsanwälte, München Dr. Monika Böhm, Univ.-Prof., Philipps-Universität, Marburg Dr. Alexander Schink, Prof., Rechtsanwalt, Redeker Sellner Dahs, Bonn Moritz Metzler, Eisenbahn-Bundesamt, Bonn Dr. Sabine Schlacke, Univ.-Prof., Westfälische Wilhelms-Universität, Münster Dr. Mathias Hellriegel, Rechtsanwalt, Malmendier Hellriegel Rechtsanwälte, Berlin Frank Berka, Eisenbahn-Bundesamt, Hannover Rolf Rockitt, Regierungsdirektor, Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, Hannover Dr. Werner Schaller, Bundesnetzagentur, Bonn Marius Henrich, Bundesnetzagentur, Bonn Thomas Seegmüller, Eisenbahn-Bundesamt, Frankfurt/Saarbrücken Ulrich Arndt, Staatsministerium Baden-Württemberg, Stabsstelle der Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung Dr. Volker M. Brennecke, Koordinator Gesellschaft und Innovation des VDI e.V., Politik-Wissenschaftler und Techniker, Düsseldorf